Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 20/99

18. März 1999

Schlußanträge des Generalanwalts Alber in den verbundenen Rechtssachen C-338/97, C-344/97 und C-390/97

Erna Pelzl u. a. / Steiermärkische Landesregierung u. a.

NACH ANSICHT DES GENERALANWALTS ALBER KÖNNEN DIE ÖSTERREICHISCHEN TOURISMUSABGABEN BEIBEHALTEN WERDEN


Der Generalanwalt äußert sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes Wien zu den von Unternehmen nach den Landesgesetzen Kärntens, Tirols und der Steiermark zu zahlenden Tourismusabgaben

Der Verwaltungsgerichtshof Wien hat den Gerichtshof gefragt, ob die Abgaben zur Förderung des Fremdenverkehrs, die in Tirol, Kärnten und der Steiermark (aber auch in anderen Bundesländern) von den Unternehmern zu zahlen sind, die aus dem Fremdenverkehr einen Nutzen ziehen, mit der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) "zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage" vereinbar sind. Nach deren Artikel 33 können Mitgliedstaaten Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beibehalten. Sollten die österreichischen Tourismusabgaben Umsatzsteuercharakter haben, dürften sie wegen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht nicht verlangt werden.

In der Steiermark richtet sich die Bemessung des "Interessentenbeitrags" nach dem Umsatz des einzelnen vom Landestourismusgesetz erfaßten Unternehmers. In Tirol ist Bemessungsgrundlage für die "Pflichtbeiträge" grundsätzlich der Jahresumsatz, den der vom Landestourismusgesetz erfaßte Beitragspflichtige erzielt. In Kärnten dient für die vom Landesfremdenverkehrsabgabegesetz erfaßten selbständigen Erwerbstätigen der Umsatz als Grundlage der "Fremdenverkehrsabgabe".

Vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist es im Anschluß an das schriftliche Verfahren und die mündliche Verhandlung Aufgabe des Generalanwalts, der kein Staatsanwalt, sondern ein unabhängiges Mitglied des Gerichtshofes ist, in eigener Verantwortung als unabhängiger Rechtsgutachter ein Rechtsgutachten mit einem konkreten Entscheidungsvorschlag an den Gerichtshof zu formulieren und seinen Vorschlag (sogenannte Schlußanträge) öffentlich zu verkünden. Erst dann beginnen die Richter mit der Urteilsberatung. Das Rechtsgutachten ist für sie unverbindlich.

Im vorliegenden Verfahren weist der Generalanwalt zunächst darauf hin, daß das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz beruht, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen - bis zur Einzelhandelsstufe einschließlich - ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Jedoch wird bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat. Artikel 33 der Sechsten Richtlinie soll dabei verhindern, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und kommerzielle Umsätze in der die M ehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfassen.

Der Generalanwalt legt dar, daß der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung fünf wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer formuliert hat:

Der Generalanwalt kommt bei der Prüfung, ob die streitige Abgabe diesen Merkmalen entspricht, zu dem Gesamtergebnis, daß die meisten von ihnen nicht erfüllt seien, so daß seiner Ansicht nach die Tourismusabgabe keinen Umsatzsteuer-Charakter im Sinne des Artikels 33 besitzt.

So ist der Generalanwalt der Ansicht, "daß die hier streitigen Tourismusabgaben zwar wohl allgemein gelten, die Umsätze aber nicht in einer der Mehrwertsteuer entsprechenden Art und Weise genau proportional belasten, nicht auf jeder Stufe der Produktion und des Vertriebs erhoben werden und einen Vorsteuerabzug nicht vorsehen. Sie können somit gemäß Artikel 33 der Sechsten Richtlinie beibehalten werden".

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt ausschließlich in deutscher Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts der Schlußanträge konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int. Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike Städtler, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.