Abteilung Presse und Information

PRESSEMITTEILUNG NR. 59/99

9. September 1999

Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-217/97

Kommission / Deutschland

DER GERICHTSHOF STELLT EINEN VERSTOSS DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND GEGEN DIE GEMEINSCHAFTSRICHTLINIE ÜBER DEN FREIEN ZUGANG ZU DEN BEI DEN BEHÖRDEN VORHANDENEN INFORMATIONEN ÜBER DIE UMWELT FEST


Der Gerichtshof erklärt mehrere Gesichtspunkte der deutschen Regelung über den Zugang zu Umweltinformationen für nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar

Die Gemeinschaftsrichtlinie "über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt" soll den freien Zugang zu den bei den Behörden vorhandenen Informationen über die Umwelt sowie die Verbreitung dieser Informationen gewährleisten und die grundlegenden Voraussetzungen festlegen, unter denen derartige Informationen zugänglich gemacht werden sollen.

Die Richtlinie wurde 1994 durch das Umweltinformationsgesetz (UIG) in das deutsche Recht umgesetzt.

Die Kommission war der Ansicht, daß bestimmte Vorschriften des UIG mit der Richtlinie nicht vereinbar seien, und hat daher am 9. Juli 1997 beim Gerichtshof Klage auf Feststellung einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch Deutschland eingereicht.

Zunächst können die Mitgliedstaaten nach den Bestimmungen der Richtlinie in bestimmten Fällen einen Antrag auf Informationen ablehnen. In diesen Fällen (beispielsweise Informationen, die die Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, die Landesverteidigung, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse u. ä. berühren) sind jedoch nach der Richtlinie Informationen, die sich im Besitz der Behörden befinden, auszugsweise zu übermitteln, sofern es möglich ist, Informationen zu Fragen, die die aufgeführten Interessen berühren, auszusondern. Der Gerichtshof stellt fest, daß das deutsche Umweltinformationsgesetz keine ausdrückliche Bestimmung über die auszugsweise Übermittlung enthält, und schließt daraus, daß in Deutschland die Pflicht zur auszugsweisen Übermittlung von Informationen über die Umwelt nicht so bestimmt und klar gewährleistet ist, daß die Rechtssicherheit garantiert ist und Personen, die einen Antrag auf Informationen stellen wollen, von allen ihren Rechten Kenntnis erlangen können. In Ermangelung einer entsprechenden UIG-Bestimmung mag nämlich eine natürliche oder juristische Person, die einen Antrag auf Informationen stellt, nicht wissen, daß die auszugsweise Übermittlung von Informationen möglich ist.

Ferner besteht der Informationsanspruch nach dem deutschen Umweltinformationsgesetz nicht «während der Dauer eines Gerichtsverfahrens oder eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sowie eines verwaltungsbehördlichen Verfahrens hinsichtlich derjenigen Daten, die der Behörde aufgrund des Verfahrens zugehen». Die Kommission macht geltend, der Ausschluß vom Zugang zur Information während der Dauer des «verwaltungsbehördlichen Verfahrens» sei weiter als der Bereich der in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme, die nur das «Vorverfahren» erfasse. Die Bundesregierung erwidert, in Deutschland umfasse der Begriff «Vorverfahren» alle verwaltungsbehördlichen Verfahren, die einem gerichtlichen Verfahren vorangingen und deren Ergebnis in einem gerichtlichen Verfahren vor einem Verwaltungsgericht nachprüfbar sei. Nach Ansicht des Gerichtshofes ist ein Verwaltungsverfahren nur dann ein «Vorverfahren» im Sinne der Richtlinie, wenn es einem gerichtlichen oder quasigerichtlichen Verfahren unmittelbar vorausgeht und durchgeführt wird, um Beweise zu beschaffen oder ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, bevor das eigentliche Verfahren eröffnet wird. Somit geht, wie die Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, der vollständige Ausschluß des «verwaltungsbehördlichen Verfahrens» durch das deutsche Gesetz über die im Gemeinschaftsrecht geregelte Ausnahme hinaus.

Schließlich können die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie für die Übermittlung der Informationen eine angemessene Gebühr erheben. Die Umweltinformationsgebührenverordnung sieht die Zahlung von Gebühren und Auslagen zur Deckung der voraussichtlichen Kosten für Amtshandlungen aufgrund des Gesetzes vor. Nach Ansicht der Kommission ist die deutsche Regelung mit der Richtlinie unvereinbar, da sie die erhobene Gebühr nicht auf einen angemessenen Betrag begrenze. Der Gerichtshof weist diese Rüge jedoch zurück. Selbst wenn die erhobene Gebühr nicht so hoch sein darf, daß sie einzelne, die Informationen über die Umwelt erhalten möchten, hiervon abhalten und ihr Recht auf Zugang zu diesen Informationen beschränken könnte, so daß ein Mitgliedstaat nicht ermächtigt ist, die gesamten den öffentlichen Haushalten durch eine Zusammenstellung von Unterlagen tatsächlich entstandenen Kosten auf einzelne abzuwälzen, die einen Antrag auf Information gestellt haben, so hat die Kommission doch nicht dargetan, daß die streitige Regelung dem Zweck der Richtlinie widerspricht. Ä Zum anderen gestattet die deutsche Regelung die Erhebung einer Gebühr selbst im Fall der Ablehnung eines Informationsersuchens. Der Gerichtshof hält diese Bestimmung für nicht mit der Richtlinie vereinbar. Nach Ansicht des Gerichtshofes ermächtigt die Richtlinie die Mitgliedstaaten, eine Gebühr für die «Übermittlung» einer Information zu erheben, nicht aber für die Durchführung von Amtshandlungen im Rahmen eines Informationsantrags. Der Zweck der Richtlinie, den freien Zugang zu den Informationen über die Umwelt zu gewährleisten und jede Beschränkung dieses freien Zugangs zu verhindern, steht einer Auslegung entgegen, die einzelne davon abhalten könnte, einen Antrag auf Information zu stellen. Auch kann eine Gebühr, die im Fall der Ablehnung eines Informationsantrags erhoben wird, nicht als angemessen erachtet werden, da in einem solchen Fall tatsächlich keine Übermittlung von Informationen im Sinne der Richtlinie stattfindet.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmtes nichtamtliches Dokument, das den Gerichtshof nicht bindet. Dieses Dokument liegt in deutscher und französischer Sprache vor.

Wegen des vollständigen Wortlauts des Urteils konsultieren Sie bitte heute ab ungefähr 15.00 Uhr unsere Homepage im Internet www.curia.eu.int

Für weitere Auskünfte wenden Sie sich bitte an Frau Dr. Ulrike Städtler, Tel.: (0 03 52) 43 03 - 32 55; Fax: (0 03 52) 43 03 - 27 34.