Language of document : ECLI:EU:C:2009:698

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

12. November 2009(*)

„Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital – Von einer Kapitalgesellschaft vor dem Beitritt des entsprechenden Mitgliedstaats zur Europäischen Union aufgenommene Darlehen – Besteuerung mit Gesellschaftsteuer nach nationalem Recht – Umwandlung der Darlehen in Gesellschaftsanteile nach dem Beitritt des Mitgliedstaats zur Europäischen Union – Erhebung von Gesellschaftssteuer auf diese Erhöhung des Gesellschaftskapitals – Sofortige Anwendung der neuen Rechtsvorschriften“

In der Rechtssache C‑441/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 8. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Oktober 2008, in dem Verfahren

Elektrownia Pątnów II sp. z o. o.

gegen

Dyrektor Izby Skarbowej w Poznaniu

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Sechsten Kammer sowie der Richter K. Schiemann und P. Kūris,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Elektrownia Pątnów II sp. z o. o., vertreten durch N. Półtorak, radca prawny,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz, A. Rutkowska und A. Kraińska als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Afonso und K. Herrmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 69/335).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Elektrownia Pątnów II sp. z o. o. (im Folgenden: Elektrownia Pątnów) und dem Dyrektor Izby Skarbowej w Poznaniu (Direktor der Finanzkammer Posen) über die Anwendung der polnischen Rechtsvorschriften über die Besteuerung von Handlungen im Bereich der Ansammlung von Kapital.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Art. 1 der Richtlinie 69/335 erlaubt den Mitgliedstaaten die Erhebung einer gemäß den Bestimmungen der Art. 2 bis 9 dieser Richtlinie harmonisierten Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften, die als „Gesellschaftsteuer“ bezeichnet wird.

4        In Art. 3 der Richtlinie 69/335 wird der Begriff „Kapitalgesellschaft“ definiert. Was die Republik Polen betrifft, handelt es sich um nach polnischem Recht errichtete Gesellschaften mit folgenden Bezeichnungen: „spółka akcyjna“ (Aktiengesellschaft) und „spółka z ograniczoną odpowiedzialnością“ (Gesellschaft mit beschränkter Haftung).

5        Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 nennt unter den der Gesellschaftsteuer unterliegenden Vorgängen „die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art“.

6        Art. 4 Abs. 2 Buchst. c lautet:

„(2)  Soweit sie am 1. Juli 1984 der Steuer zum Satz von 1 v. H. unterlagen, können die folgenden Vorgänge auch weiterhin der Gesellschaftsteuer unterworfen werden:

c)      die Darlehensaufnahme durch eine Kapitalgesellschaft, wenn der Darlehensgeber Anspruch auf eine Beteiligung an den Gesellschaftsgewinnen hat“.

7        In Art. 5 der Richtlinie 69/335 wird die Besteuerungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer festgelegt. Abs. 1 lautet:

„Die Steuer wird erhoben:

a)       bei Gründung einer Kapitalgesellschaft, Erhöhung des Kapitals oder Erhöhung des Gesellschaftsvermögens gemäß Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a), c) und d): auf den tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen jeder Art abzüglich der Lasten und Verbindlichkeiten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen; …

e)      bei einer Darlehensaufnahme gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstaben c) und d): auf den Nennbetrag der aufgenommenen Darlehen.“

8        Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie bestimmt:

„(3)      Der Betrag, auf den die Steuer bei Erhöhung des Kapitals erhoben wird, umfasst nicht:

–        den Betrag der durch die Kapitalgesellschaft aufgenommenen Darlehen, die in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden und bereits der Gesellschaftsteuer unterlegen haben.“

9        Art. 10 der Richtlinie 69/335 sieht vor:

„Abgesehen von der Gesellschaftsteuer erheben die Mitgliedstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf:

a)      die in Artikel 4 genannten Vorgänge;

b)      die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der in Artikel 4 genannten Vorgänge;

…“

 Nationales Recht

 Vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union anwendbare Rechtsvorschriften

10      Art. 1 des Gesetzes über die Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte (ustawa o podatku od czynności cywilnoprawnych) vom 9. September 2000 (im Folgenden: Rechtsgeschäfte-Steuergesetz) sieht vor:

„(1)      Der Steuer unterliegen:

1.      folgende zivilrechtliche Rechtsgeschäfte:

k)      Gesellschaftsverträge (Gründungsakte);

2.      Änderungen der in Nr. 1 genannten Verträge, wenn sie zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte führen,

(3)      Im Fall eines Gesellschaftsvertrags gelten als Vertragsänderungen:

4.      Nachschüsse, Darlehen der Gesellschafter (Aktionäre) an die Gesellschaft sowie die Überlassung von Gegenständen oder Vermögensrechten durch einen Gesellschafter (Aktionär) an die Gesellschaft zur unentgeltlichen Nutzung.“

11      Art. 4 Nr. 1 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes bestimmt:

„Der Steuerpflicht hinsichtlich der Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte unterliegen:

1.      die Parteien zivilrechtlicher Rechtsgeschäfte“.

12      Art. 5 Abs. 1 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes lautet:

„Zur Zahlung der Steuer sind, vorbehaltlich des Abs. 2, die natürlichen Personen, juristischen Personen und Organisationseinheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die Parteien der zivilrechtlichen Rechtsgeschäfte sind, als Gesamtschuldner verpflichtet …“

13      Nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. d des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes ist die Bemessungsgrundlage:

„im Fall eines Darlehens, das ein Gesellschafter (Aktionär) der Gesellschaft gewährt – der Betrag oder der Wert des Darlehens“.

14      Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte (ustawa o zmianie ustawy o podatku od czynności cywilnoprawnych) vom 19. Dezember 2003 lautet:

„Auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte, für die die Steuerpflicht vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden ist, finden die bisherigen Vorschriften Anwendung.“

 Nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union bis zum 31. Dezember 2006 anwendbare Rechtsvorschriften

15      Nach Art. 1 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2003 (im Folgenden: Rechtsgeschäfte-Steuergesetz in geänderter Fassung) gilt:

„(1)      Der Steuer unterliegen:

1.      folgende zivilrechtliche Rechtsgeschäfte:

k)      Gesellschaftsverträge (Gründungsakte);

2.      Änderungen der in Nr. 1 genannten Verträge, wenn sie zu einer Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte führen …

(3)      Im Fall eines Gesellschaftsvertrags gelten als Vertragsänderungen:

2.      bei einer Kapitalgesellschaft – eine Einlage oder die Erhöhung einer Einlage in die Gesellschaft, deren Wert zu einer Erhöhung des Stamm- bzw. Grundkapitals führt, sowie Nachschüsse“.

16      Art. 1a des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in geänderter Fassung bestimmt:

„Im Sinne dieses Gesetzes gelten als:

2.      Kapitalgesellschaft: eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder eine Aktiengesellschaft“.

17      Art. 3 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in geänderter Fassung lautet:

„(1)      Die Steuerpflicht entsteht …:

2.      zum Zeitpunkt, zu dem der Beschluss über die Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit gefasst wird“.

18      In Art. 4 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in geänderter Fassung heißt es:

„Der Steuerpflicht hinsichtlich der Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte unterliegen:

2.      die Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit – im Fall der Erhöhung des Stamm- bzw. Grundkapitals.“

19      Art. 6 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in geänderter Fassung sieht vor:

„(1)      Bemessungsgrundlage ist:

8.      bei einem Gesellschaftsvertrag:

b)      im Fall einer Vertragsänderung – der Wert der Einlagen, die das Vermögen der Gesellschaft vergrößern, oder der Wert, um den das Stamm- bzw. Grundkapital erhöht wird,

…“

20      Art. 7 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in geänderter Fassung bestimmt:

„(1)      Die Steuersätze betragen:

9.      bei Gesellschaftsverträgen: 0,5 %.“

21      Art. 9 des Rechtsgeschäfte-Steuergesetzes in geänderter Fassung lautet:

„Von der Steuer befreit sind folgende zivilrechtliche Rechtsgeschäfte:

10.      Darlehen, die

h)      einer Kapitalgesellschaft von einem Gesellschafter (Aktionär) gewährt werden“.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

22      Elektrownia Pątnów ist eine Tochtergesellschaft der Gesellschaft Zespół Elektrowni Pątnów-Adamów-Konin SA (im Folgenden: Muttergesellschaft). Diese gewährte Elektrownia Pątnów in den Jahren 2002–2004 eine Reihe von Darlehen. Elektrownia Pątnów entrichtete gemäß dem seinerzeit anwendbaren polnischen Gesetz die Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte auf die von ihr aufgenommenen Darlehen.

23      Am 25. Juli 2005 schloss die Muttergesellschaft mit Elektrownia Pątnów eine Vereinbarung, die den Übergang der der Muttergesellschaft aus den Darlehen zustehenden Forderungen auf Elektrownia Pątnów im Gegenzug zu einer Erhöhung des Werts der Anteile an Elektrownia Pątnów vorsah.

24      Die vorgenommene Aufrechnung führte zum Erlöschen der Schulden von Elektrownia Pątnów gegenüber ihrer Muttergesellschaft und zu einer Erhöhung ihres Stammkapitals.

25      Zudem übernahm die Muttergesellschaft die Nennwerterhöhung aller bisherigen Anteile, deren Umfang insgesamt der Höhe ihrer Forderung gegenüber Elektrownia Pątnów entsprach.

26      Bei der Erhöhung des Stammkapitals von Elektrownia Pątnów, über die mit einem am 27. Juli 2005 von der Gesellschafterversammlung dieser Gesellschaft gefassten Beschluss entschieden wurde, handelte es sich nach polnischem Recht um eine Änderung des Gesellschaftsvertrags. Auf diesen Vorgang wurde nach polnischem Recht die Steuer auf zivilrechtliche Rechtsgeschäfte erhoben.

27      Elektrownia Pątnów legte daraufhin Einspruch bei der Finanzverwaltung ein, mit dem sie geltend machte, dass sie bei der Umwandlung der Darlehen in Stammkapital entgegen Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335, die im Gebiet der Republik Polen infolge des Beitritts dieses Staates zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 in Kraft getreten war, einer Doppelbesteuerung mit Gesellschaftsteuer unterlegen habe.

28      Nach der Zurückweisung ihres Einspruchs erhob Elektrownia Pątnów Klage beim Verwaltungsgericht. Dieses wies ihre Klage ab. Elektrownia Pątnów legte dagegen Rechtsmittel ein. In diesem Kontext hat der Naczelny Sąd Administracyjny beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Müssen die Finanzbehörden im Licht des Gemeinschaftsrechts (insbesondere der Vorschriften der Richtlinie 69/335) bei der Erhebung von Gesellschaftsteuer auf eine Kapitalerhöhung Vorgänge berücksichtigen, die denselben Kapitalbestandteil betreffen und vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union der Besteuerung mit Gesellschaftsteuer unterlagen?

Findet insbesondere der in Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335 vorgesehene Mechanismus dann Anwendung, wenn die Umwandlung von einer Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie nach dem Beitritt erfolgt und diese Darlehen schon vorher auf der Grundlage des nationalen, bis zum Beitritt geltenden Rechts nach den Grundsätzen besteuert wurden, die im polnischen Rechtsgeschäfte-Steuergesetz niedergelegt sind?

 Zur Vorlagefrage

29      Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob das in Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335 aufgestellte Verbot, bei der Berechnung des Betrags, auf den die Steuer bei Erhöhung des Kapitals erhoben wird, den Betrag der durch die Kapitalgesellschaft aufgenommenen Darlehen, die in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden und bereits der Gesellschaftsteuer unterlegen haben, zu berücksichtigen, in dem Fall Anwendung findet, dass die Umwandlung der einer Kapitalgesellschaft gewährten Darlehen in Gesellschaftsanteile nach dem Beitritt des entsprechenden Mitgliedstaats zur Europäischen Union erfolgt ist, während die Darlehen vor dem Beitritt gewährt und seinerzeit nach den damals geltenden nationalen Rechtsvorschriften besteuert worden sind.

30      Im Hinblick auf die Beantwortung dieser Frage ist bei der Auslegung und Anwendung der Richtlinie 69/335 die besondere Lage eines Staates zu berücksichtigen, der, wie die Republik Polen, der Europäischen Union mit Wirkung zum 1. Mai 2004 beigetreten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2007, Optimus – Telecomunicações, C‑366/05, Slg. 2007, I‑4985, Randnr. 25).

31      Das bedeutet, dass die Richtlinie 69/335 vor diesem Zeitpunkt in diesem Staat nicht anwendbar war. Jede Maßnahme auf dem Gebiet der Besteuerung oder Steuerbefreiung von Vorgängen, die unter den Begriff der Ansammlung von Kapital fielen, wurde innerhalb der polnischen Rechtsordnung vor dem genannten Zeitpunkt allein auf der Grundlage des nationalen Rechts getroffen (vgl. in diesem Sinne Urteil Optimus – Telecomunicações, Randnr. 26).

32      Im Übrigen gilt eine neue Vorschrift nach ständiger Rechtsprechung unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist (vgl. u. a. Urteil vom 10. Juli 1986, Licata/WSA, 270/84, Slg. 1986, 2305, Randnr. 31). In Anwendung dieses Grundsatzes hat der Gerichtshof daher entschieden, dass eine Vorschrift des EG-Vertrags, wenn die Akte über die Bedingungen des Beitritts eines Mitgliedstaats keine besondere Bestimmung hinsichtlich der Anwendung dieser Vorschrift enthält, sofort anwendbar und für diesen Mitgliedstaat vom Zeitpunkt seines Beitritts an verbindlich ist, so dass sie für zukünftige Auswirkungen von vor dem Beitritt dieses neuen Mitgliedstaats zu den Gemeinschaften entstandenen Sachverhalten gilt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS, C‑122/96, Slg. 1997, I‑5325, Randnr. 14, und vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer, C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnr. 50).

33      Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind die Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (vgl. u. a. Urteile vom 10. Februar 1982, Bout, 21/81, Slg. 1982, 381, Randnr. 13, vom 15. Juli 1993, GruSa Fleisch, C‑34/92, Slg. 1993, I‑4147, Randnr. 22, und Pokrzeptowicz-Meyer, Randnr. 49).

34      Da die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Polen zur Europäischen Union keine besondere Bestimmung über die Bedingungen der zeitlichen Anwendbarkeit der Richtlinie 69/335 enthält, ist somit, um die vorgelegte Frage zu beantworten, zu klären, ob es sich bei dem im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Sachverhalt um einen vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 69/335 in Polen abgeschlossenen Sachverhalt handelt, auf den diese Richtlinie somit nur dann rückwirkend Anwendung finden könnte, wenn sie eindeutig diese Wirkung haben soll, oder ob es sich um einen vor Inkrafttreten dieser Richtlinie in Polen entstandenen Sachverhalt handelt, dessen künftige Auswirkungen aber gemäß dem Grundsatz, dass neue Vorschriften unmittelbar für noch andauernde Sachverhalte gelten, ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Richtlinie von ihr geregelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Pokrzeptowicz‑Meyer, Randnr. 51).

35      Dazu ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Darlehen, die vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union aufgenommen wurden, auf der Grundlage der Rechtsvorschriften besteuert wurden, die zum Zeitpunkt des die Besteuerung auslösenden Sachverhalts, nämlich der Erstellung der zivilrechtlichen Dokumente über die Gewährung dieser Darlehen, galten. Zu diesem Zeitpunkt gab es im polnischen Recht keine Vorschriften, die es verwehrt hätten, dass zunächst diese Rechtsgeschäfte als Darlehen besteuert werden und anschließend ein zweites Mal bei der eventuellen Umwandlung der Darlehen in eine Kapitalerhöhung Steuer erhoben wird.

36      Die Einführung einer entsprechenden Vorschrift in das polnische Recht, mit der die erneute Besteuerung derselben Beträge bei ihrer Umwandlung in Stammkapital untersagt wird, stellt die bereits erfolgten Besteuerungen nicht in Frage und ist deshalb nicht rückwirkend.

37      Das Ziel und die Bedeutung dieser Vorschrift bestehen allein darin, eine doppelte Besteuerung derselben Besteuerungsgrundlage zu verhindern, und sie findet ab ihrem Inkrafttreten sowohl auf Darlehen, die bereits vor dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union und damit vor ihrem Inkrafttreten in der polnischen Rechtsordnung aufgenommen und nach diesem Beitritt in Gesellschaftsanteile umgewandelt wurden, als auch auf Darlehen Anwendung, die nach diesem Beitritt aufgenommen werden.

38      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335 nur eine neue Vorschrift darstellt, die unmittelbar auf nach ihrem Inkrafttreten in Polen vorgenommene Transaktionen Anwendung findet, die in ihren Anwendungsbereich fallen.

39      Daraus folgt, dass Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335 vorschreibt, dass bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer auf die Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft in der Form, dass nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union von derselben Gesellschaft vor dem Beitritt aufgenommene Darlehen in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden, die frühere Besteuerung dieser Darlehen auf der Grundlage der seinerzeit geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen ist.

40      Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen läuft eine solche Auslegung der Richtlinie 69/335 nicht auf eine rückwirkende Anwendung dieser Richtlinie auf einen Sachverhalt vor dem Beitritt dieses Mitgliedstaats hinaus, sondern bedeutet lediglich, dass ab ihrem Inkrafttreten das in ihr niedergelegte Verbot der Doppelbesteuerung angewandt wird, was notwendigerweise dazu führt, dass auch bereits vor ihrem Inkrafttreten erhobene Steuern berücksichtigt werden.

41      Im Übrigen hat der Gerichtshof nicht zu prüfen, ob, wie den Ausführungen der Republik Polen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen zu sein scheint, die vor ihrem Beitritt auf der Grundlage der seinerzeit geltenden nationalen Rechtsvorschriften besteuerten Elemente ganz oder teilweise den nach dem Beitritt besteuerten Elementen entsprechen; dies ist allein Sache des mit dem Ausgangsrechtsstreit befassten Gerichts.

42      Unter diesen Umständen ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335 vorschreibt, dass bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer auf die Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft in der Form, dass nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union von derselben Gesellschaft vor dem Beitritt aufgenommene Darlehen in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden, die frühere Besteuerung dieser Darlehen auf der Grundlage der seinerzeit geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen ist.

 Kosten

43      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge geänderten Fassung schreibt vor, dass bei der Feststellung der Besteuerungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer auf die Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft in der Form, dass nach dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union von derselben Gesellschaft vor dem Beitritt aufgenommene Darlehen in Gesellschaftsanteile umgewandelt werden, die frühere Besteuerung dieser Darlehen auf der Grundlage der seinerzeit geltenden nationalen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Polnisch.