Language of document : ECLI:EU:C:2015:210

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 26. März 2015(1)

Rechtssache C‑67/14

Jobcenter Berlin Neukölln

gegen

Nazifa Alimanovic,

Sonita Alimanovic,

Valentina Alimanovic,

Valentino Alimanovic

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundessozialgerichts [Deutschland])

„Verordnung (EG) Nr. 883/2004 – Richtlinie 2004/38/EG – Unionsbürgerschaft – Gleichbehandlung – Unionsbürger, die sich im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten und nicht mehr die Erwerbstätigeneigenschaft besitzen – Regelung eines Mitgliedstaats, die diese Personen von besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen ausschließt“





I –    Einleitung

1.        In dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geht es im Wesentlichen um die Frage, ob ein Mitgliedstaat nicht oder nicht mehr erwerbstätige Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die hilfebedürftig sind, von zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmten beitragsunabhängigen Leistungen im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit(2) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1244/2010 der Kommission vom 9. Dezember 2010(3) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) ausschließen darf.

2.        Es handelt sich um eine menschlich wie rechtlich heikle Frage. Sie wird den Gerichtshof zwangsläufig dazu veranlassen, sowohl dazu Stellung zu nehmen, welchen Schutz das Unionsrecht Unionsbürgern in Bezug auf ihre finanzielle Situation sowie ihre Würde bietet, als auch dazu, wie weit das Grundrecht auf Freizügigkeit, das ein Grundpfeiler des europäischen Aufbauwerks ist, gegenwärtig reicht.

3.        Zu diesem Zweck wird sich der Gerichtshof erneut mit dem Verhältnis zwischen der Verordnung Nr. 883/2004 und der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG(4) beschäftigen müssen.

4.        Eine erste Teilantwort auf diese Fragen hat der Gerichtshof in der Rechtssache Dano(5) gegeben. Der ungewöhnliche Widerhall, den das Urteil in den europäischen Medien gefunden hat, und alle politischen Interpretationen, die es begleitet haben, zeigen, wie wichtig und sensibel das Thema ist.

5.        Infolge dieses Urteils steht fest, dass die Mitgliedstaaten Unionsbürger, die sich in ihr Hoheitsgebiet begeben, ohne dort Arbeit finden zu wollen und ohne imstande zu sein, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten, von Sozialhilfeleistungen ausschließen dürfen – ohne dazu verpflichtet zu sein.

6.        Auch wenn der Grundsatz klar ist, kann sich die Frage seiner Anwendung indessen in sehr unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen stellen; das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof die Gelegenheit, in einer dieser Konstellationen eine Präzisierung vorzunehmen.

7.        Es handelt sich um den Fall, dass ein Unionsbürger, nachdem er im Gebiet eines Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt, weniger als ein Jahr gearbeitet hat, vom Aufnahmestaat Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beantragt.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

8.        Nach Art. 18 Abs. 1 AEUV ist „[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge … in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten“.

9.        Gemäß Art. 20 AEUV wird eine Unionsbürgerschaft eingeführt, die jeder Person zugutekommt, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Nach Abs. 2 dieses Artikels haben Unionsbürgerinnen und ‑bürger u. a. „das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“. Gemäß Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV wird dieses Recht „unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt, die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind“.

10.      Art. 45 AEUV gewährleistet speziell die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Europäischen Union. Nach Abs. 2 dieses Artikels umfasst diese Freizügigkeit „die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen“.

2.      Die Verordnung Nr. 883/2004

11.      In Art. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 wird ihr sachlicher Geltungsbereich wie folgt beschrieben:

„(1)      Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften, die folgende Zweige der sozialen Sicherheit betreffen:

h)      Leistungen bei Arbeitslosigkeit;

(2)      Sofern in Anhang XI nichts anderes bestimmt ist, gilt diese Verordnung für die allgemeinen und die besonderen, die auf Beiträgen beruhenden und die beitragsfreien Systeme der sozialen Sicherheit sowie für die Systeme betreffend die Verpflichtungen von Arbeitgebern und Reedern.

(3)      Diese Verordnung gilt auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70.

(5)      Diese Verordnung gilt nicht für

a)      soziale und medizinische Fürsorge …

…“

12.      Art. 4 („Gleichbehandlung“) der Verordnung Nr. 883/2004 lautet:

„Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.“

13.      In Titel III Kapitel 9 der Verordnung Nr. 883/2004 werden „besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ geregelt. Dieses Kapitel besteht aus einem einzigen Artikel, Art. 70 („Allgemeine Vorschrift“), in dem es heißt:

„(1)      Dieser Artikel gilt für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

(2)      Für die Zwecke dieses Kapitels bezeichnet der Ausdruck ‚besondere beitragsunabhängige Geldleistungen‘ die Leistungen:

a)      die dazu bestimmt sind:

i)      einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Artikel 3 Absatz 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, das in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

oder

ii)      allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der eng mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,

und

b)      deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten,

und

c)      die in Anhang X aufgeführt sind.

(3)      Artikel 7 und die anderen Kapitel dieses Titels gelten nicht für die in Absatz 2 des vorliegenden Artikels genannten Leistungen.

(4)      Die in Absatz 2 genannten Leistungen werden ausschließlich in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Die Leistungen werden vom Träger des Wohnorts und zu seinen Lasten gewährt.“

14.      In Anhang X („Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“) der Verordnung Nr. 883/2004 werden unter der Rubrik „Deutschland“ angeführt:

„…

b)      Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitssuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach die Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Absatz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind.“

3.      Die Richtlinie 2004/38

15.      In den Erwägungsgründen 10, 16 und 21 der Richtlinie 2004/38 heißt es:

„(10) Allerdings sollten Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher sollte das Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen für eine Dauer von über drei Monaten bestimmten Bedingungen unterliegen.

(16)      Solange die Aufenthaltsberechtigten die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen, sollte keine Ausweisung erfolgen. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sollte daher nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. Der Aufnahmemitgliedstaat sollte prüfen, ob es sich bei dem betreffenden Fall um vorübergehende Schwierigkeiten handelt, und die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen Umstände und den gewährten Sozialhilfebetrag berücksichtigen, um zu beurteilen, ob der Leistungsempfänger die Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch genommen hat, und in diesem Fall seine Ausweisung zu veranlassen. In keinem Fall sollte eine Ausweisungsmaßnahme gegen Arbeitnehmer, Selbstständige oder Arbeitssuchende in dem vom Gerichtshof definierten Sinne erlassen werden, außer aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.

(21)      Allerdings sollte es dem Aufnahmemitgliedstaat überlassen bleiben, zu bestimmen, ob er anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, die diesen Status beibehalten, und ihren Familienangehörigen Sozialhilfe während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder im Falle von Arbeitssuchenden für einen längeren Zeitraum gewährt oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Unterhaltsbeihilfen für die Zwecke des Studiums, einschließlich einer Berufsausbildung, gewährt.“

16.      Art. 6 („Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten“) der Richtlinie 2004/38 sieht in Abs. 1 Folgendes vor:

„Ein Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten, wobei er lediglich im Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses sein muss und ansonsten keine weiteren Bedingungen zu erfüllen oder Formalitäten zu erledigen braucht.“

17.      Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

„(1)      Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a)      Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b)      für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen …

(3)      Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstabe a) bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständiger nicht mehr ausübt, in folgenden Fällen erhalten:

b)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung;

c)      er stellt sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten;

…“

18.      Art. 14 der Richtlinie 2004/38 befasst sich mit der „Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts“. In dieser Vorschrift heißt es:

„(1)      Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen steht das Aufenthaltsrecht nach Artikel 6 zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen. 

(3)      Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen durch einen Unionsbürger oder einen seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat darf nicht automatisch zu einer Ausweisung führen. 

(4)      Abweichend von den Absätzen 1 und 2 und unbeschadet der Bestimmungen des Kapitels VI darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn

a)      die Unionsbürger Arbeitnehmer oder Selbstständige sind oder

b)      die Unionsbürger in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind, um Arbeit zu suchen. In diesem Fall dürfen die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen nicht ausgewiesen werden, solange die Unionsbürger nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und dass sie eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.“

19.      Schließlich sieht Art. 24 („Gleichbehandlung“) der Richtlinie 2004/38 vor:

„(1)      Vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen.

(2)      Abweichend von Absatz 1 ist der Aufnahmemitgliedstaat jedoch nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.“

B –    Deutsches Recht

1.      Das Sozialgesetzbuch

20.      § 19a Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs Erstes Buch (im Folgenden: SGB I) beschreibt die beiden Arten der Grundsicherung für Arbeitsuchende wie folgt:

„(1)      Nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende können in Anspruch genommen werden

1.      Leistungen zur Eingliederung in Arbeit,

2.      Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

…“

21.      Im Sozialgesetzbuch Zweites Buch (im Folgenden: SGB II) bestimmt dessen § 1 („Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende“) in seinen Abs. 1 und 3:

„(1)      Die Grundsicherung für Arbeitsuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht.

(3)      Die Grundsicherung für Arbeitsuchende umfasst Leistungen

1.      zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und

2.      zur Sicherung des Lebensunterhalts.“

22.      In § 7 („Leistungsberechtigte“) SGB II heißt es:

„(1)      Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.      das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,

2.      erwerbsfähig sind,

3.      hilfebedürftig sind und

4.      ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben

(erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Ausgenommen sind

1.      Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des [Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern; im Folgenden: FreizügG/EU] freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,

2.      Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,

Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

…“

23.      § 8 („Erwerbsfähigkeit“) SGB II bestimmt:

„(1)      Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

…“

24.      § 9 SGB II sieht vor:

„(1)      Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

…“

25.      Die §§ 14 bis 18e SGB II, die den Abschnitt 1 von Kapitel 3 bilden, regeln die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit.

26.      § 20 SGB II enthält ausfüllende Bestimmungen hinsichtlich des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts, § 21 SGB II hinsichtlich der Mehrbedarfe und § 22 SGB II hinsichtlich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Die §§ 28 bis 30 SGB II schließlich regeln die Leistungen für Bildung und Teilhabe.

27.      Im die Sozialhilfe betreffenden Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (im Folgenden: SGB XII) sieht sein § 1 vor:

„Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. …“

28.      § 21 SGB XII bestimmt:

„Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, erhalten keine Leistungen für den Lebensunterhalt. …“

2.      Das FreizügG/EU

29.      Der Anwendungsbereich des FreizügG/EU ist in dessen § 1 geregelt:

„Dieses Gesetz regelt die Einreise und den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger) und ihrer Familienangehörigen.“

30.      § 2 des FreizügG/EU sah in seiner zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung hinsichtlich des Rechts auf Einreise und Aufenthalt Folgendes vor:

„(1)      Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen haben das Recht auf Einreise und Aufenthalt nach Maßgabe dieses Gesetzes.

(2)      Gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind:

1.      Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen,

5.      nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4,

6.      Familienangehörige unter den Voraussetzungen der §§ 3 und 4,

(3)      Das Recht nach Absatz 1 bleibt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei

2.      unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit,

Bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung bleibt das Recht aus Absatz 1 während der Dauer von sechs Monaten unberührt.

…“

31.      § 4 FreizügG/EU bestimmte in seiner zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung hinsichtlich nicht erwerbstätiger Freizügigkeitsberechtigter:

„Nicht erwerbstätige Unionsbürger, ihre Familienangehörigen und ihre Lebenspartner, die den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen, haben das Recht nach § 2 Abs. 1, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Hält sich der Unionsbürger als Student im Bundesgebiet auf, haben dieses Recht nur sein Ehegatte, Lebenspartner und seine Kinder, denen Unterhalt gewährt wird.“

3.      Das Europäische Fürsorgeabkommen

32.      Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (im Folgenden: Fürsorgeabkommen) sieht den Grundsatz der Gleichbehandlung vor.

33.      Die deutsche Regierung hat jedoch am 19. Dezember 2011 einen Vorbehalt nach Art. 16 Buchst. b des Fürsorgeabkommens (im Folgenden: Vorbehalt) erklärt, wonach „[d]ie Regierung der Bundesrepublik Deutschland … keine Verpflichtung [übernimmt], die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden“.

III – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

34.      Frau Alimanovic und ihre drei Kinder, Sonita, Valentina und Valentino, besitzen alle die schwedische Staatsangehörigkeit. Alle drei Kinder sind in Deutschland geboren, und zwar 1994, 1998 und 1999.

35.      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Kläger) das deutsche Hoheitsgebiet zwischen 1999 und 2010 verlassen hatten. Das vorlegende Gericht führt, ohne einen Ausreisezeitpunkt oder einen Grund für diese Abwesenheit zu nennen, aus, dass die Kläger im Juni 2010 „erneut“ nach Deutschland eingereist seien.

36.      Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wurde den Klägern am 1. Juli 2010 eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU erteilt. Frau Alimanovic und ihre älteste Tochter Sonita, die im Sinne der deutschen Rechtsvorschriften erwerbsfähig waren, waren zwischen Juni 2010 und Mai 2011, also weniger als ein Jahr, in kürzeren Beschäftigungen bzw. Arbeitsgelegenheiten tätig.

37.      Das vorlegende Gericht, das Bundessozialgericht (Deutschland), weist darauf hin, dass sämtliche Kläger im Übrigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen, die zuletzt für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis zum 31. Mai 2012 bewilligt wurden. Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita erhielten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für erwerbsfähige Leistungsberechtigte (Arbeitslosengeld II), ihre beiden anderen Kinder Valentina und Valentino hingegen Sozialgeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte.

38.      Bei der Leistungsbewilligung war die zuständige Behörde, das Jobcenter Berlin Neukölln (im Folgenden: Jobcenter), davon ausgegangen, dass die in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vorgesehene Ausschlussregelung für arbeitsuchende Unionsbürger durch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Fürsorgeabkommens verdrängt worden sei. Unter Berufung auf den Vorbehalt hob das Jobcenter jedoch die Bewilligung für den Monat Mai 2012 in vollem Umfang auf.

39.      Auf die von den Klägern erhobene Klage hob das Sozialgericht Berlin diese Entscheidung auf. Es war der Auffassung, dass, obgleich sich Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita nach dem Ende ihrer Beschäftigungen im Jahr 2011 ausschließlich auf ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche berufen könnten, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht greife, weil Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 bei besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen jede Ungleichbehandlung von Unionsbürgern gegenüber den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats untersage. Das Sozialgericht Berlin sah keinen Widerspruch zu der Möglichkeit, den Bezug von „Sozialhilfeleistungen“ insbesondere nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 zu beschränken. Zudem verdrängt seiner Ansicht nach das spezielle Gleichbehandlungsgebot nach Art. 1 des Fürsorgeabkommens weiterhin die Ausschlussregelung, weil der Vorbehalt nicht in innerstaatliches Recht transformiert bzw. wirksam gemacht worden sei.

40.      Das Jobcenter, das in dem Leistungsausschluss keinen Verstoß gegen das Unionsrecht sah, legte gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein. Seiner Ansicht nach handelt es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II um „Sozialhilfeleistungen“ im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38; ihre Bewilligung dürfe Arbeitsuchenden daher verweigert werden. Diese Leistungen bezweckten nicht, den Arbeitsmarktzugang zu erleichtern; zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt sehe das SGB II für Arbeitsuchende in den §§ 16 ff. weitere Leistungen vor, die gesondert erbracht würden. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des SGB II verstoße zudem nicht gegen die Verordnung Nr. 883/2004, und der Leistungsausschluss stehe auch nicht im Widerspruch zum Fürsorgeabkommen, weil der Vorbehalt wirksam sei und im Einklang mit der deutschen Verfassung stehe.

41.      Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass sich Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita – nach den für das vorlegende Gericht bindenden Feststellungen des Sozialgerichts Berlin – nicht mehr auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerinnen nach § 2 FreizügG/EU hätten berufen können. Sie seien seit Juni 2010 nur in kürzeren Beschäftigungen bzw. Arbeitsgelegenheiten von weniger als einem Jahr und seit Mai 2011 überhaupt nicht mehr abhängig oder selbständig tätig gewesen. Das Bundessozialgericht geht daher davon aus, dass diese Klägerinnen nach Ablauf von sechs Monaten nach der Beendigung ihrer Erwerbstätigkeiten, d. h. im Dezember 2011, ihre Erwerbstätigeneigenschaft gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 verloren hätten.

42.      Demzufolge seien Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita als Arbeitsuchende im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU anzusehen, da sie in Deutschland nur in kürzeren Beschäftigungen bzw. Arbeitsgelegenheiten von weniger als einem Jahr tätig gewesen seien. Daher sei nach dem SGB II, speziell seinem § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld II und damit der abgeleitete Anspruch von Valentina und von Valentino auf Sozialgeld zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgeschlossen(6).

IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

43.      In diesem Kontext stellt sich das vorlegende Gericht die Frage, ob die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit den verschiedenen Regelungen des Unionsrechts vereinbar ist.

44.      Mit Entscheidung vom 12. Dezember 2013, die beim Gerichtshof am 10. Februar 2014 eingegangen ist, hat das Bundessozialgericht daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof nach Art. 267 AEUV folgende Fragen vorzulegen:

1.      Gilt das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 – mit Ausnahme des Exportausschlusses des Art. 70 Abs. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 – auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 70 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 883/2004?

2.      Falls Frage 1 bejaht wird: Sind – gegebenenfalls in welchem Umfang – Einschränkungen des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 durch Bestimmungen in nationalen Rechtsvorschriften in Umsetzung des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 möglich, nach denen der Zugang zu diesen Leistungen ausnahmslos nicht besteht, wenn sich ein Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers in dem anderen Mitgliedstaat allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt?

3.      Steht Art. 45 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 18 AEUV einer nationalen Bestimmung entgegen, die Unionsbürgern, die sich als Arbeitsuchende auf die Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts berufen können, eine Sozialleistung, die der Existenzsicherung dient und gleichzeitig auch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert, ausnahmslos für die Zeit eines Aufenthaltsrechts nur zur Arbeitsuche und unabhängig von der Verbindung mit dem Aufnahmestaat verweigert?

45.      Die deutsche Regierung, Irland, die italienische und die schwedische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

46.      Sie alle (mit Ausnahme der italienischen Regierung) haben sich außerdem in der mündlichen Verhandlung, die am 3. Februar 2015 stattgefunden hat, geäußert. Dort haben auch die Vertreter von Frau Alimanovic sowie der dänischen und der französischen Regierung, die keine schriftlichen Erklärungen eingereicht hatten, ihre Argumente vortragen können.

V –    Analyse

A –    Zur ersten Vorlagefrage

47.      Mit seiner ersten Frage wollte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 70 dieser Verordnung gilt. Mit Beschluss vom 11. Februar 2015 hat es jedoch diese erste Frage zurückgezogen.

48.      Diese Frage war nämlich mit gleichem Inhalt in der Rechtssache gestellt worden, die zum Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) führte, wo sie der Gerichtshof bejaht und insoweit entschieden hat, dass „die Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass ihr Art. 4 für die ‚besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen‘ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 dieser Verordnung gilt“(7).

B –    Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

49.      Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob eine Regelung eines Mitgliedstaats, wonach Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die von ihrem Freizügigkeitsrecht zum Zweck der Arbeitsuche Gebrauch gemacht haben, vom Bezug bestimmter besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeschlossen sind, während Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, mit Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 sowie den Art. 18 AEUV und 45 Abs. 2 AEUV vereinbar ist(8).

50.      Der Gerichtshof hatte bereits die Gelegenheit, klarzustellen, dass eine besondere beitragsunabhängige Geldleistung im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 auch unter den Begriff der „Sozialhilfeleistungen“ nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 fallen kann(9). Wenn solche finanziellen Leistungen jedoch den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, können sie nicht als Leistungen der „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 angesehen werden(10).

51.      Folglich muss, je nachdem, welche Natur die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen haben, entweder nur die zweite oder nur die dritte Frage des vorlegenden Gerichts beantwortet werden.

1.      Die Natur der Leistungen der „Grundsicherung“(11) im Licht der Verordnung Nr. 883/2004 und der Richtlinie 2004/38

52.      Die Einstufung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Maßnahme ist wesentlich, weil damit festgelegt wird, im Hinblick auf welche Norm die Vereinbarkeit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu beurteilen ist: Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, sofern es um eine Leistung der Sozialhilfe geht, oder Art. 45 Abs. 2 AEUV, falls es sich um eine Maßnahme handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll.

53.      Da die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Regelung mit der identisch ist, um die es im Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) ging, werde ich zunächst auf die dort vom Gerichtshof vorgenommene Analyse eingehen. Der Vollständigkeit halber werde ich mich in einem zweiten Schritt mit der Frage der Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts sowie der Frage befassen, wie sich der eventuelle Mischcharakter der Leistung auf die Einstufung der Maßnahme auswirkt (die sich dann stellt, wenn die streitige Leistung sowohl Merkmale von Sozialhilfe als auch Merkmale, die der Eingliederung in den Arbeitsmarkt dienen, aufweist).

a)      Die Analyse der Leistungen der „Grundsicherung“ im Urteil Dano

54.      Zwar hat der Gerichtshof die Vereinbarkeit einer Regelung wie der, die in den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist, im Hinblick auf Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 und nicht im Hinblick auf Abs. 2 dieses Artikels geprüft. Unbeschadet dessen hat er die streitige Maßnahme als „Sozialleistungen“ im Sinne dieser Richtlinie eingestuft.

55.      Der Gerichtshof hat es nämlich – nach einem Hinweis darauf, dass sich der Begriff der „Sozialhilfe“ im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 auf „sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme [bezieht], die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Beihilfe auszuwirken, die dieser Staat gewähren kann“(12) – für angezeigt gehalten, „zu prüfen, ob Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 der Versagung von Sozialleistungen in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen“(13).

56.      Damit hat der Gerichtshof meines Erachtens die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Leistung in der Tat als eine Sozialleistung im Sinne der Richtlinie 2004/38 beurteilt. Diese Schlussfolgerung wird durch die in Rn. 69 des Urteils Dano getroffene Feststellung bestätigt, dass „ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt“(14).

57.      Im Übrigen entspricht die Beschreibung der in Rede stehenden Leistungen, die die Bundesrepublik Deutschland in ihren schriftlichen Erklärungen vorgenommen hat, der in Nr. 55 dieser Schlussanträge wiedergegebenen Definition der „Sozialhilfe“ im Sinne der Richtlinie 2004/83. Denn diesem Mitgliedstaat zufolge werden „[d]ie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II … zulasten von Bund und kommunalen Trägern von den Jobcentern erbracht, die eine öffentliche Behörde [Stelle] in diesem Sinne sind. Die Leistungen dienen im Wesentlichen der Sicherung des Lebensunterhalts, soweit dieser nicht durch eigene Mittel bestritten werden kann, und sollen insoweit den Mangel an ausreichenden eigenen Einkünften ausgleichen. Ebenso wie Leistungen nach dem SGB XII werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Falle von Hilfebedürftigkeit erbracht und weisen grundsätzlich die gleiche Höhe bei gleicher Bemessungsmethode auf. Sie sind ihrer Höhe nach im Wesentlichen begrenzt auf diejenigen Mittel, die zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erforderlich sind, und orientieren sich an den statistisch nachgewiesenen Verbrauchsausgaben von Haushalten unterer Einkommensschichten (vgl. § 4 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz[es]). Der Zweck der Leistungen besteht im Wesentlichen in der Existenzsicherung“(15).

58.      Das vorlegende Gericht weist in seinem Vorabentscheidungsersuchen selbst darauf hin, dass das SGB II in einem gesonderten Kapitel Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt vorsehe, die Leistungen beinhalteten, die speziell für Personen vorgesehen seien, die im Sinne des SGB II erwerbsfähig seien(16).

59.      Demzufolge werde ich, da sonst der im Urteil Vatsouras und Koupatantze(17) aufgestellte Grundsatz, dass finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, nicht als Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 angesehen werden können(18), in Frage gestellt würde, den Schwerpunkt meiner Analyse auf die letztgenannte Vorschrift und nicht auf Art. 45 Abs. 2 AEUV legen.

60.      Art. 45 AEUV wäre nämlich nur dann einschlägig gewesen, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme bezweckt hätte, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern – was automatisch ihre Einstufung als Maßnahme der Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie 2004/38 ausschlösse –, da es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs „nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. [45 Abs. 2 AEUV], der eine Ausprägung des in Art. [18 AEUV] garantierten tragenden Grundsatzes der Gleichbehandlung ist, eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll“(19).

b)      Die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts und die Auswirkung des eventuellen Mischcharakters der Leistungen der „Grundsicherung“

61.      Die Folgerungen, die ich aus dem Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) hinsichtlich der Einstufung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen der Grundsicherung ableite, sind möglicherweise gewagt, da es nach ständiger Rechtsprechung Sache des nationalen Richters ist, den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen festzulegen und die Normen des Unionsrechts im jeweiligen Ausgangsverfahren anzuwenden(20). Im Urteil Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344) hat der Gerichtshof im Übrigen im Zusammenhang mit einer Leistung nach dem SGB II darauf hingewiesen, dass es „Sache der zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls der innerstaatlichen Gerichte [ist], … die grundlegenden Merkmale dieser Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung“(21).

62.      So sehen es auch die schwedische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen. Die Bundesrepublik Deutschland hingegen würde es angesichts der gegensätzlichen Auffassungen, die die deutschen Gerichte vertreten, begrüßen, wenn der Gerichtshof eine Klarstellung in Bezug auf die in Rede stehenden Leistungen vornähme.

63.      Insoweit kann der Gerichtshof – ohne so weit zu gehen, dass er die nationale Maßnahme selbst einstuft – zumindest „dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben …, die diesem bei der Beurteilung der Wirkungen der Bestimmungen dieses Rechts dienlich sein können“(22).

64.      In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Winner Wetten hat Generalanwalt Bot ebenfalls ausgeführt, dass er in dem Fall, dass die von dem vorlegenden Gericht vorgenommene Beurteilung einer Frage angezweifelt werden könne, der Auffassung sei, dass „der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht entsprechend dem Geist der Zusammenarbeit, der das Vorabentscheidungsverfahren bestimmt, und um ihm sämtliche Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben, die ihm für die Entscheidung des Rechtsstreits nützlich sein können, Anhaltspunkte gibt, die es ihm ermöglichen, die Richtigkeit seiner Prämisse zu überprüfen“(23).

65.      Vorliegend kann es sachdienlich sein, auf zwei Gesichtspunkte hinzuweisen:

–        Zum einen ist der Begriff „Sozialhilfeleistungen“ im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 gemäß dem vom Gerichtshof im Urteil Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565) herangezogenen methodologischen Kriterium anhand des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels zu bestimmen und nicht anhand von formalen Kriterien(24).

–        Zum anderen muss sich – gemäß den Urteilen Brey(25) und Dano(26) – die fragliche Leistung, um der Definition einer Leistung der Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie 2004/38 zu entsprechen, in ein von öffentlichen Stellen eingerichtetes Hilfssystem einfügen, das auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene besteht und das ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt.

66.      Folglich ist die streitige Leistung, wenn ihr Zweck der in der vorstehenden Nummer dargestellten Zielsetzung entspricht, als eine Leistung der Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie 2004/38 zu beurteilen.

67.      Zwar sieht § 19a SGB I in diesem Zusammenhang vor, dass nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowohl Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als auch Leistungen zur Eingliederung in Arbeit in Anspruch genommen werden können, § 1 („Aufgabe und Ziel der Grundsicherung für Arbeitsuchende“) SGB II stellt aber in seinem Abs. 1 klar, dass „[d]ie Grundsicherung für Arbeitsuchende … es Leistungsberechtigten ermöglichen [soll], ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“.

68.      In § 1 Abs. 3 SGB II wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit und zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst.

69.      Die in Rede stehenden Leistungen decken jedoch gemäß § 19 SGB II „den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung“. Die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wiederum sind dem vorlegenden Gericht zufolge in einem besonderen Kapitel des SGB II enthalten(27).

70.      Die in § 7 SGB II als Voraussetzung für den Anspruch auf die Leistungen der Grundsicherung verlangte und in § 8 SGB II definierte Erwerbsfähigkeit ist nur ein formales Kriterium im Sinne des in Nr. 65 dieser Schlussanträge erwähnten Urteils Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565). Sie hat folglich keine Auswirkungen auf die Einstufung der Maßnahme.

71.      Es handelt sich nämlich um ein einfaches Kriterium für die Gewährung, ebenso wie das Alter und die Hilfebedürftigkeit, die in § 9 SGB II definiert wird.

72.      Sollte schließlich das nationale Gericht feststellen, dass die beanspruchten Leistungen einen zweifachen Zweck verfolgen, nämlich zum einen die Befriedigung der Grundbedürfnisse zu gewährleisten und zum anderen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, teile ich die von der deutschen, der italienischen und der schwedischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vertretene Auffassung, dass auf die überwiegende Funktion der Leistungen abzustellen ist, die im vorliegenden Fall unbestreitbar darin besteht, die Existenzmittel zu gewährleisten, die erforderlich sind, um ein Leben zu führen, das der Menschenwürde entspricht.

2.      Die Auslegung von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 und der Umfang des Wertungsspielraums der Mitgliedstaaten bei seiner Umsetzung

a)      Die Gültigkeit der in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Ausnahme

73.      Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist ein „Aufnahmemitgliedstaat … nicht verpflichtet, … während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) [d. h. des Zeitraums der Arbeitsuche bei Unionsbürgern, die zu diesem Zweck in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eingereist sind] einen Anspruch auf Sozialhilfe … zu gewähren“.

74.      Folglich greifen „Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit [auf], während Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot enthält“(28).

75.      Was die in dieser Vorschrift genannten ersten drei Monate betrifft, hat der Gerichtshof im Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) bestätigt, dass „[n]ach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 … der Aufnahmemitgliedstaat … nicht verpflichtet [ist], einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder seinen Familienangehörigen während des genannten Zeitraums einen Anspruch auf eine Sozialleistung einzuräumen“(29).

76.      Was darüber hinaus das Recht der Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten, die eine Arbeit in einem anderen Mitgliedstaat suchen, also den zweiten in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannten Zeitraum angeht, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Prüfung dieser Vorschrift am Maßstab des Diskriminierungsverbots „nichts ergeben hat, was [ihre] Gültigkeit … berühren könnte“(30).

77.      Tatsächlich ist das Vorliegen einer Ungleichbehandlung von Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt Gebrauch gemacht haben, und Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats bei der Gewährung von Sozialleistungen „eine unvermeidliche Folge der Richtlinie 2004/38 [wegen des] Verhältnis[ses], das der Unionsgesetzgeber in Art. 7 dieser Richtlinie zwischen dem Erfordernis ausreichender Existenzmittel als Voraussetzung für den Aufenthalt und dem Bestreben, keine Belastung für die Sozialhilfesysteme der Mitgliedstaaten herbeizuführen, geschaffen hat“(31).

78.      Unter diesen Umständen verstößt eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die Personen, die sich zum Zweck der Arbeitsuche in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats begeben, von einer besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 (die im Übrigen eine Leistung der Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie 2004/38 darstellt) ausschließt, meines Erachtens von ihrem Grundsatz her weder gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 noch gegen das mit der Richtlinie 2004/38 geschaffene System.

79.      Allerdings bedarf die Art und Weise, wie diese Ermächtigung umgesetzt wird, einer eingehenderen Prüfung. Nicht aus den Augen verloren werden darf nämlich der umfassende Rechtsrahmen, in dem die Richtlinie 2004/38 steht, wie er vom Gerichtshof anlässlich der Rechtssache Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) beschrieben worden ist.

b)      Die Stellung von Art. 24 der Richtlinie 2004/38 innerhalb der Unionsrechtsordnung

80.      Im Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) weist der Gerichtshof „[z]unächst … darauf [hin], dass Art. 20 Abs. 1 AEUV jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status eines Unionsbürgers verleiht (Urteil N., C‑46/12, EU:C:2013:97, Rn. 25)“(32).

81.      Er fährt dann mit seiner ständigen Rechtsprechung fort, wonach „der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt [ist], der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Anwendungsbereich des AEU-Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (Urteile Grzelczyk, C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 31, D’Hoop, C‑224/98, EU:C:2002:432, Rn. 28, und N., [C‑46/12,] EU:C:2013:97, Rn. 27)“(33).

82.      Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass sich „[j]eder Unionsbürger … in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. 18 AEUV berufen [kann]. Zu diesen Situationen gehören diejenigen, die die Ausübung der durch Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a AEUV und Art. 21 AEUV verliehenen Freiheit betreffen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten (vgl. Urteil N., [C‑46/12,] EU:C:2013:97, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung)“(34).

83.      Der Gerichtshof stellt zudem „[i]n diesem Zusammenhang … [fest], dass Art. 18 Abs. 1 AEUV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ‚[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge … in ihrem Anwendungsbereich‘ verbietet. Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV sieht ausdrücklich vor, dass die Rechte, die dieser Artikel den Unionsbürgern verleiht, ‚unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt [werden], die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind‘. Ferner besteht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ‚vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen‘ (vgl. Urteil Brey, C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung)“(35).

84.      Schließlich gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass „das in Art. 18 AEUV in allgemeiner Weise niedergelegte Diskriminierungsverbot in Art. 24 der Richtlinie 2004/38 für Unionsbürger konkretisiert [wird], die … von ihrer Freiheit Gebrauch machen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Zudem erfährt dieses Verbot in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 eine Konkretisierung für Unionsbürger, die … im Aufnahmemitgliedstaat Leistungen nach Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung beanspruchen“(36).

85.      Mit anderen Worten: Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, der eine unterschiedliche Behandlung von Unionsbürgern und den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats erlaubt, ist eine „Ausnahme von dem in Art. 18 AEUV normierten Grundsatz der Gleichbehandlung, der in Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 lediglich einen besonderen Ausdruck findet“(37). Er ist daher eng und im Einklang mit den Vertragsbestimmungen, einschließlich der über die Unionsbürgerschaft und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, auszulegen.

86.      Außerdem müssen auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 geschaffene Beschränkungen bei der Gewährung von Sozialleistungen an Unionsbürger, die die Erwerbstätigeneigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, berechtigt sein(38).

87.      Diese Übersicht und diese Regeln, die zum einen verlangen, dass die Ausnahme eng ausgelegt wird, und zum anderen, dass die sich daraus ergebenden Beschränkungen berechtigt sind, veranlassen mich dazu, eine Unterscheidung zwischen drei Fallgestaltungen vorzuschlagen:

–        dem Fall eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt und sich dort seit weniger als drei Monaten oder seit mehr als drei Monaten aufhält, ohne jedoch den Zweck der Arbeitsuche zu verfolgen (1. Fallgestaltung),

–        dem Fall eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der sich zur Arbeitsuche in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt (2. Fallgestaltung), und

–        dem Fall eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der sich seit mehr als drei Monaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält und dort eine Beschäftigung ausgeübt hat (3. Fallgestaltung).

i)      1. Fallgestaltung: ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der sich in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt und sich dort seit weniger als drei Monaten oder seit mehr als drei Monaten aufhält, ohne jedoch den Zweck der Arbeitsuche zu verfolgen

88.      Die erste Fallgestaltung entspricht im Großen und Ganzen der, die dem Gerichtshof in der Rechtssache Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) zur Beurteilung vorgelegt worden ist.

89.      Dort hat der Gerichtshof zum einen entschieden, dass „[n]ach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 … der Aufnahmemitgliedstaat … nicht verpflichtet [ist], einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder seinen Familienangehörigen [für Aufenthalte bis zu drei Monaten] einen Anspruch auf eine Sozialleistung einzuräumen“(39).

90.      Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel der Erhaltung des finanziellen Gleichgewichts der Systeme der sozialen Sicherheit der Mitgliedstaaten, das mit der Richtlinie 2004/38 verfolgt wird(40). Da die Mitgliedstaaten von Unionsbürgern nicht verlangen können, dass sie für einen Aufenthalt von drei Monaten über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts und eine persönliche Absicherung für den Fall der Krankheit verfügen, ist es berechtigt, dass den Mitgliedstaaten nicht auferlegt wird, die Kosten für sie zu übernehmen.

91.      Nähme man nämlich das Gegenteil an und räumte Unionsbürgern, die nicht verpflichtet sind, über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu verfügen, das Recht auf Sozialhilfeleistungen ein, bestünde die Gefahr, dass dadurch eine Massenzuwanderung ausgelöst wird, die eine unangemessene Inanspruchnahme der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit nach sich ziehen könnte.

92.      Außerdem ist die Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat während dieses ersten Zeitraums aller Wahrscheinlichkeit nach eingeschränkt.

93.      Zum anderen hat der Gerichtshof im Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) auch klargestellt, dass „[e]in Mitgliedstaat … gemäß Art. 7 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit haben [muss], nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügen, Sozialleistungen zu versagen“(41).

ii)    2. Fallgestaltung: ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der sich zur Arbeitsuche in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begibt

94.      Die Unterscheidung zwischen dem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der zur Arbeitsuche einreist, und demjenigen, der bereits in den Arbeitsmarkt eingetreten ist, ist entscheidend.

95.      Denn das vorlegende Gericht hat zwar seine zweite und seine dritte Frage auf die Auslegung von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 sowie auf die Art. 18 AEUV und 45 Abs. 2 AEUV beschränkt; dies hindert jedoch „den Gerichtshof nicht daran …, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat“(42).

96.      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass, „[w]ährend … für Angehörige der Mitgliedstaaten, die zuwandern, um eine Beschäftigung zu suchen, der Grundsatz der Gleichbehandlung nur für den Zugang zur Beschäftigung gilt, … diejenigen, die bereits Zugang zum Arbeitsmarkt gefunden haben, aufgrund von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung [EWG] Nr. 1612/68 [des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft(43), der durch Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union(44) ersetzt worden ist] die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen [genießen] wie die inländischen Arbeitnehmer“(45).

97.      In Anbetracht der Ausführungen im Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358) zum Gleichgewicht innerhalb der Richtlinie(46) und der im Unionsrecht und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem Erwerbstätigen, der in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, und demjenigen, der bereits in den entsprechenden Arbeitsmarkt eingetreten ist, verstößt eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die Personen, die sich zum Zweck der Arbeitsuche in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats begeben, von einer besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 (die im Übrigen eine Leistung der Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie 2004/38 darstellt) ausschließt, meines Erachtens weder gegen Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 noch gegen das mit der Richtlinie 2004/38 geschaffene System.

98.      Dieser Ausschluss entspricht nicht nur dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten, die zur Arbeitsuche in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats gekommen sind, den Anspruch auf Sozialleistungen über den Zeitraum der ersten drei Monate des Aufenthalts hinaus zu versagen, sondern auch dem – in der Rechtsprechung des Gerichtshofs sowie in u. a. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 492/2011 anerkannten – objektiven Unterschied zwischen der Lage von solchen Staatsangehörigen, die eine erste Arbeit im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats suchen, und der Lage von solchen, die bereits in dessen Arbeitsmarkt eingetreten sind(47).

iii) 3. Fallgestaltung: ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der sich seit mehr als drei Monaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält und dort eine Beschäftigung ausgeübt hat

99.      Der automatische Ausschluss vom Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe, der sich mit dem Verlust der Eigenschaft als „Erwerbstätiger“ verbindet, ist problematischer.

100. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts waren Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita seit ihrer Ankunft in Deutschland im Juni 2010 nur in kürzeren Beschäftigungen bzw. Arbeitsgelegenheiten tätig, die weniger als ein Jahr dauerten. Nach dem Monat Mai 2011 haben sie keine Tätigkeit mehr ausgeübt (weder als Arbeitnehmer noch als Selbständige). Sie haben daher die Eigenschaft als „Erwerbstätige“ im Dezember 2011 verloren.

101. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU bleibt Unionsbürgern, die weniger als ein Jahr erwerbstätig waren, bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit ihr Aufenthaltsrecht für sechs Monate erhalten.

102. Da Frau Alimanovic und ihre Tochter Sonita nicht mehr die Eigenschaft als „Erwerbstätige“ besaßen, wurden sie erneut als arbeitsuchend angesehen. Deshalb fielen sie automatisch erneut in den Anwendungsbereich von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, der den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Langzeitarbeitslose ausschließt. Infolgedessen verloren auch die beiden anderen Kinder von Frau Alimanovic, Valentina und Valentino, ihren abgeleiteten Anspruch auf Sozialgeld zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nach dem SGB II.

103. Zwar stellt sich der Verlust des Erwerbstätigenstatus als eine offenbar angemessene, wenn auch restriktive Umsetzung von Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38(48) dar; die automatischen Konsequenzen dieses Verlusts für den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II scheinen aber gegen das mit dieser Richtlinie geschaffene allgemeine System zu verstoßen.

104. Der Gerichtshof hat nämlich in Rn. 77 des Urteils Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565) entschieden, dass ein „automatischer Ausschluss der wirtschaftlich nicht aktiven Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten von der Gewährung einer bestimmten Sozialhilfeleistung durch den Aufnahmemitgliedstaat selbst für die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte Zeit nach einem dreimonatigen Aufenthalt es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht erlaubt, im Einklang mit den Anforderungen, die sich insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, in Fällen, in denen die Existenzmittel des Betroffenen geringer sind als der Richtsatz für die Gewährung dieser Leistung, eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung die Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der die Lage des Betroffenen kennzeichnenden individuellen Umstände konkret für das gesamte Sozialhilfesystem darstellen würde“.

105. Obwohl der Gerichtshof in dieser Randnummer seines Urteils auf die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 über das Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate Bezug genommen hat, bezieht sich das Erfordernis einer personenbezogenen Prüfung – entgegen der von einigen Regierungen in der mündlichen Verhandlung am 3. Februar 2015 vertretenen Auffassung – auf den Antrag auf Sozialleistungen und nicht auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts.

106. Nach dieser Rechtsprechung ist es folglich von Bedeutung, dass die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats bei der Prüfung des Antrags eines nicht erwerbstätigen Unionsbürgers, der sich in einer Lage wie der von Frau Alimanovic und ihrer Tochter Sonita befindet, u. a. die Höhe und die Regelmäßigkeit der Einkünfte, über die der betreffende Unionsbürger verfügt, aber auch den Zeitraum berücksichtigen, in dem diesem die beantragte Leistung voraussichtlich gezahlt werden wird(49).

107. Außerdem müsste – in gleicher Weise, wie der Gerichtshof es in seiner Rechtsprechung zugelassen hat, dass der Anspruch nicht erwerbstätiger Unionsbürger auf bestimmte Leistungen von einem Erfordernis der Integration in den Aufnahmemitgliedstaat abhängig gemacht wird(50) – der Nachweis einer tatsächlichen Verbindung mit diesem den automatischen Ausschluss von den betreffenden Leistungen verhindern.

108. Im Rahmen dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof nämlich bereits entschieden, dass eine einzige Bedingung, die zu allgemein und zu ausschließlich ist, weil sie einem Gesichtspunkt unangemessen hohe Bedeutung beimisst, der nicht zwangsläufig für den tatsächlichen und effektiven Grad der Bindung des Antragstellers an den in Rede stehenden räumlichen Markt repräsentativ ist, und jeden anderen repräsentativen Gesichtspunkt ausschließt, über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgeht(51).

109. Dem Gerichtshof zufolge können auch Umstände, die sich aus dem familiären Kontext ergeben, wie das Bestehen enger persönlicher Bindungen, zur Entstehung einer dauerhaften Bindung zwischen der betroffenen Person und ihrem neuen Aufnahmemitgliedstaat beitragen(52). Unter diesen Umständen geht eine nationale Regelung, die eine Bedingung aufstellt, die „der Berücksichtigung anderer Gesichtspunkte entgegensteht, die für den tatsächlichen Grad der Verbundenheit zwischen der Person, die Überbrückungsgeld beantragt, und dem betreffenden räumlichen Arbeitsmarkt repräsentativ sein können, über das [hinaus], was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich ist“(53).

110. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass das Unionsrecht und speziell der Gleichheitssatz, wie er in Art. 18 AEUV verankert und in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 konkretisiert ist, einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die einen Unionsbürger nach Ablauf eines Zeitraums der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit von sechs Monaten im Anschluss an eine Erwerbstätigkeit von weniger als einem Jahr automatisch von einer besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 (die im Übrigen eine Leistung der Sozialhilfe im Sinne der Richtlinie 2004/38 darstellt) ausschließt, ohne dass es dem betreffenden Unionsbürger erlaubt würde, das Bestehen einer solchen tatsächlichen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat nachzuweisen.

111. In dieser Hinsicht ist – neben Umständen, die sich aus dem familiären Kontext ergeben (wie der Schulausbildung der Kinder) – die effektive und tatsächliche Beschäftigungssuche während eines angemessenen Zeitraums ein Umstand, der das Bestehen einer solchen Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat belegen kann(54). Eine frühere Erwerbstätigkeit oder auch die Tatsache, dass der Betreffende nach Stellung des Antrags auf Sozialleistungen eine neue Arbeit gefunden hat, wäre zu diesem Zweck ebenfalls zu berücksichtigen.

3.      Kurze Analyse im Hinblick auf Art. 45 AEUV

112. Vorsorglich weise ich noch darauf hin, dass, falls der Gerichtshof dem nationalen Gericht die Aufgabe überlässt, die Grundsicherungsleistungen unionsrechtlich einzustufen, und dieses der Auffassung ist, dass diese Leistungen im Wesentlichen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, die gleichen Erwägungen zu gelten hätten.

113. Der Gerichtshof hat nämlich, wie ich bereits ausgeführt habe, in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass es „nicht mehr möglich ist, vom Anwendungsbereich des Art. [45 Abs. 2 AEUV], der eine Ausprägung des in Art. [18 AEUV] garantierten tragenden Grundsatzes der Gleichbehandlung ist, eine finanzielle Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern soll“(55).

114. Allerdings hat der Gerichtshof im Urteil Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344) auch entschieden, dass es „legitim [ist], dass ein Mitgliedstaat eine solche Beihilfe erst gewährt, nachdem das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates festgestellt wurde“(56).

115. Wie ich bereits ausgeführt habe, kann sich das Bestehen einer solchen Verbindung u. a. aus der Feststellung ergeben, dass der Betroffene während eines angemessenen Zeitraums effektiv und tatsächlich eine Beschäftigung in dem betreffenden Mitgliedstaat gesucht hat(57).

116. Unter diesen Umständen „können sich die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf Art. [45 Abs. 2 AEUV] berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll“(58), was von den zuständigen nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten festzustellen ist.

4.      Hilfserwägung in Bezug auf die Situation des Kindes eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um dort eine Beschäftigung zu suchen

117. Nach der Erläuterung der Sach- und Rechtslage durch das vorlegende Gericht hat Frau Alimanovic, da sie seit Dezember 2011 als Arbeitsuchende im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU angesehen wird, für ihre Person das Recht auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Langzeitarbeitslose verloren. Ihre beiden jüngeren Kinder, Valentina und Valentino, haben aufgrund dessen ebenfalls ihren Anspruch auf Sozialgeld zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nach dem SGB II verloren, da § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II „Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen“(59) vom Bezug der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausschließt.

118. Wie ich bereits ausgeführt habe, hat das vorlegende Gericht zwar seine zweite und seine dritte Frage auf die Auslegung von Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 und Art. 24 der Richtlinie 2004/38 sowie der Art. 18 AEUV und 45 Abs. 2 AEUV beschränkt; dies hindert den Gerichtshof jedoch nicht daran, ihm alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat.

119. Nach ständiger Rechtsprechung steht den Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Aufnahmemitgliedstaat erwerbstätig ist oder gewesen ist, und dem Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein Recht auf Aufenthalt in diesem Staat auf der Grundlage allein von Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 zu(60).

120. Dieses Aufenthaltsrecht der Kinder wird in der Rechtsprechung als „eigenständiges“ Recht eingestuft, da es allein an das Recht auf Zugang zur Ausbildung gebunden ist(61); der Gerichtshof hat ausdrücklich klargestellt, dass die Richtlinie 2004/38 das Recht der in Ausbildung befindlichen Kinder und des die elterliche Sorge wahrnehmenden Elternteils auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nicht davon abhängig macht, dass diese über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen(62) oder – allgemeiner – dass die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen erfüllt werden(63).

121. Wenn nachgewiesen ist – was vom vorlegenden Gericht zu überprüfen ist –, dass Valentina und Valentino Alimanovic ihrer Schulausbildung in einer in Deutschland gelegenen Einrichtung regelmäßig nachkommen, haben sie – und ihre Mutter, Nazifa Alimanovic – demzufolge trotz des Ablaufs des in § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU vorgesehenen Zeitraums von sechs Monaten ein Recht auf Aufenthalt im deutschen Hoheitsgebiet.

122. Unter diesen Bedingungen fände § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II weder auf den Fall von Frau Alimanovic noch auf den Fall ihrer zwei jüngeren Kinder Anwendung, da diese Vorschrift nur für Personen, „deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen“ gilt.

VI – Ergebnis

123. Das Recht auf Freizügigkeit und zu arbeiten ist eine grundlegende und absolute Freiheit des Unionsrechts. Vor diesem Hintergrund hielt es der Unionsgesetzgeber für erforderlich, einen Rahmen für das Aufenthaltsrecht der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu schaffen.

124. Zu diesem Zweck sieht Art. 7 der Richtlinie 2004/38 im Wesentlichen vor, dass jeder Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten hat, wenn er Arbeitnehmer oder Selbständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in diesem Staat verfügen.

125. Ein Beweis für den grundlegenden Charakter der Freizügigkeit und des sich daraus ergebenden Aufenthaltsrechts ist, dass Art. 14 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeiten, einen Unionsbürger, der die vorgenannten Bedingungen nicht erfüllt, auszuweisen, eng eingrenzt.

126. In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen des Bundessozialgerichts wie folgt zu antworten:

1.      Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, denen ein Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate zur Arbeitsuche nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 zusteht, von bestimmten „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Richtlinie 1244/2010 geänderten Fassung, die auch eine Leistung der „Sozialhilfe“ im Sinne der Richtlinie 2004/38 darstellen, ausschließt, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten.

2.      Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten, die eine Arbeit im Aufnahmemitgliedstaat suchen, nachdem sie in den dortigen Arbeitsmarkt eingetreten waren, von bestimmten „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“ im Sinne von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 in der durch die Richtlinie 1244/2010 geänderten Fassung, die auch eine Leistung der „Sozialhilfe“ im Sinne der Richtlinie 2004/38 darstellen, automatisch und ohne individuelle Prüfung ausschließt, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten.

3.      Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens steht den Kindern eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Aufnahmemitgliedstaat erwerbstätig ist oder gewesen ist, und dem Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein Recht auf Aufenthalt in diesem Staat auf der Grundlage allein von Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union zu, ohne dass dieses Recht davon abhängig ist, dass sie über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz in diesem Staat verfügen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – ABl. L 166, S. 1, berichtigt in ABl. 2004, L 200, S. 1.


3 – ABl. L 338, S. 35.


4 – ABl. L 158, S. 77, berichtigt in ABl. 2004, L 229, S. 35.


5 –      C‑333/13, EU:C:2014:2358.


6 – Dass diese Ansprüche für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis Mai 2012 bestanden, liegt daran, dass der Leistungsausschluss nach § 7 SGB II durch Art. 1 des Fürsorgeabkommens verdrängt wurde. Art. 1 des Fürsorgeabkommens hat jedoch seit dem 19. Dezember 2011 wegen des von der Bundesrepublik Deutschland erklärten Vorbehalts seine Wirkung verloren.


7 – Rn. 55 und Nr. 1 des Tenors.


8 – Ich sehe mich bei meiner nachfolgenden Analyse veranlasst, eine Unterscheidung zu machen zwischen solchen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, die sich gerade erst in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begeben haben, und solchen, die bereits dort gearbeitet haben, bevor ihre Erwerbstätigkeit wieder geendet hat.


9 – Urteil Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 58).


10 – Urteil Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 45).


11 – So der im SGB II verwendete Ausdruck.


12 – Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 63), wobei der Gerichtshof die in Rn. 61 des Urteils Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565) gegebene Definition zitiert.


13 – Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 67). Offenbar werden die Ausdrücke „Sozialhilfe“ und „Sozialleistungen“ vom Gerichtshof unterschiedslos verwendet. Ich sehe sie daher als Synonyme an (vgl. in diesem Sinne auch Rn. 69, 70, 74 und 77 des Urteils Dano).


14 – Ebd. (Rn. 69). Hervorhebung nur hier.


15 – Rn. 74 der schriftlichen Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. in diesem Sinne auch die Nrn. 65 bis 72 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Dano (C‑333/13, EU:C:2014:341).


16 – Rn. 47 des Vorabentscheidungsersuchens. Es handelt sich um das aus den §§ 14 bis 18e bestehende Kapitel 3. Das vorlegende Gericht nennt verschiedene Beispiele wie das Einstiegsgeld (§ 16b SGB II), die Arbeitsgelegenheiten (§ 16d SGB II) oder die Förderung von Arbeitsverhältnissen durch Zuschüsse zum Arbeitsentgelt an Arbeitgeber für die Beschäftigung zugewiesener erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (§ 16e SGB II).


17 –      C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344.


18 –      Ebd. (Rn. 45).


19 – Urteil Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 25). Vgl. in diesem Sinne auch Rn. 49 desselben Urteils und die Urteile Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 63) und Ioannidis (C‑258/04, EU:C:2005:559, Rn. 22) sowie Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 37).


20 – Vgl. u. a. Urteil Asociación Profesional de Empresas de Reparto y Manipulado de Correspondencia (C‑220/06, EU:C:2007:815, Rn. 36).


21 – Rn. 41.


22 – Urteil Asociación Profesional de Empresas de Reparto y Manipulado de Correspondencia (C‑220/06, EU:C:2007:815, Rn. 36).


23 – C‑409/06, EU:C:2010:38, Nr. 35.


24 – Rn. 60.


25 – Ebd. (Rn. 61).


26 – C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 63.


27 – Vgl. Fn. 16 der vorliegenden Schlussanträge.


28 – Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 64). Hervorhebung nur hier.


29 – Rn. 70.


30 – Urteil Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 46). Allerdings erfolgte die Gültigkeitsfeststellung im Hinblick auf die Art. 12 EG und 39 Abs. 2 EG (die derzeitigen Art. 18 AEUV und 45 Abs. 2 AEUV). Da sich jedoch „[j]eder Unionsbürger … in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. 18 AEUV berufen [kann]“ (vgl. Rn. 59 des Urteils Dano [C‑333/13, EU:C:2014:2358], Hervorhebung nur hier), kann meines Erachtens die vom Gerichtshof getroffene Feststellung der Gültigkeit von Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht allein auf den Fall des „Arbeitnehmers“ im Sinne von Art. 45 AEUV beschränkt werden.


31 – Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 77).


32 – Rn. 57.


33 – Ebd. (Rn. 58).


34 – Ebd. (Rn. 59).


35 – Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 60).


36 – Ebd. (Rn. 61). Hervorhebung nur hier.


37 – Urteil N. (C‑46/12, EU:C:2013:97, Rn. 33).


38 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 57).


39 – Urteil Dano (C‑333/13, EU:C:2014:2358, Rn. 70).


40 – Vgl. zehnter Erwägungsgrund dieser Richtlinie.


41 – Rn. 78.


42 – Urteil Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 20).


43 – ABl. L 257, S. 2.


44 – ABl. L 141, S. 1.


45 – Urteil Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 31 und 58 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


46 – Rn. 67 bis 79.


47 – Urteil Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 30 und 31).


48 – Nach Art. 7 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft dem Unionsbürger, der seine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger nicht mehr ausübt, erhalten, wenn „er … sich bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrags oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit dem zuständigen Arbeitsamt zur Verfügung [stellt]; in diesem Fall bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten aufrechterhalten“.


49 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Brey (C‑140/12, EU:C:2013:565, Rn. 78 und 79).


50 – Vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Unterhaltskosten von Studenten Urteile Bidar (C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 57) und Förster (C‑158/07, EU:C:2008:630, Rn. 49). Vgl. in Bezug auf ein Überbrückungsgeld für erstmals arbeitsuchende Schulabgänger bzw. eine Beihilfe für Arbeitsuchende Urteile Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 67), Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 38) sowie Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668).


51 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).


52 – Ebd. (Rn. 50).


53 – Ebd. (Rn. 51).


54 – Zumindest mit dessen Arbeitsmarkt. Vgl. in diesem Sinne Urteile Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 70), Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 39) sowie Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 46).


55 – Urteil Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 25). Vgl. in diesem Sinne auch Rn. 49 desselben Urteils sowie Urteile Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 63), Ioannidis (C‑258/04, EU:C:2005:559, Rn. 22) sowie Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 37).


56 – Rn. 38.


57 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172, Rn. 70), Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 39) sowie Prete (C‑367/11, EU:C:2012:668, Rn. 46).


58 – Urteil Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344, Rn. 40).


59 – Hervorhebung nur hier.


60 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C‑310/08, EU:C:2010:80, Rn. 59), Teixeira (C‑480/08, EU:C:2010:83, Rn. 36) sowie Alarape und Tijani (C‑529/11, EU:C:2013:290, Rn. 26). Die in jenen Rechtssachen anwendbare Bestimmung war Art. 12 der Verordnung Nr. 1612/68, die nunmehr durch die Verordnung Nr. 492/2011 aufgehoben ist. Die angeführte Rechtsprechung ist jedoch weiterhin einschlägig, da Art. 10 dieser neuen Verordnung mit dem vorgenannten Art. 12 identisch ist. Nach dem ersten Absatz dieses Artikels können „[d]ie Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, … wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen“.


61 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493, Rn. 63), Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C‑310/08, EU:C:2010:80, Rn. 35) und Teixeira (C‑480/08, EU:C:2010:83, Rn. 36 und 46).


62 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Ibrahim und Secretary of State for the Home Department (C‑310/08, EU:C:2010:80, Rn. 56 und 59) und Teixeira (C‑480/08, EU:C:2010:83, Rn. 70).


63 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Teixeira (C‑480/08, EU:C:2010:83, Rn. 61).