Language of document : ECLI:EU:C:2020:1043

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

17. Dezember 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Landwirtschaft – Schutz der geografischen Angaben und der Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel – Verordnung (EG) Nr. 510/2006 – Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 – Art. 13 Abs. 1 Buchst. d – Praktik, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen – Wiedergabe der charakteristischen Form oder des charakteristischen Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, dessen Name geschützt ist – Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) ‚Morbier‘“

In der Rechtssache C‑490/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) mit Entscheidung vom 19. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juni 2019, in dem Verfahren

Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier

gegen

Société Fromagère du Livradois SAS

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Fünften Kammer sowie der Richter M. Ilešič, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier, vertreten durch J.‑J. Gatineau, avocat,

–        der Société Fromagère du Livradois SAS, vertreten durch E. Piwnica, avocat,

–        der französischen Regierung, vertreten durch C. Mosser und A.‑L. Desjonquères als Bevollmächtigte,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch G. Kanellopoulos, E. Leftheriotou und I.‑E. Krompa als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Bianchi und I. Naglis als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. September 2020

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2006, L 93, S. 12) und von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 2012, L 343, S. 1).

2        Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Syndicat interprofessionnel de défense du fromage Morbier (berufsübergreifender Verband zur Verteidigung des Morbier-Käses, im Folgenden: Verband) und der Société Fromagère du Livradois SAS wegen eines Verstoßes gegen die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) „Morbier“ sowie wegen unlauterer und rufausnutzender Handlungen, die Letzterer vorgeworfen werden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 4 und 6 der Verordnung Nr. 510/2006, die durch die Verordnung Nr. 1151/2012 aufgehoben wurde, hieß es:

„(4)      Angesichts der Vielfalt der im Handel befindlichen Erzeugnisse und der Menge der vorhandenen Produktinformationen sollte dem Verbraucher eine klar und knapp formulierte Auskunft über die Herkunft des Erzeugnisses gegeben werden, damit er die beste Wahl treffen kann.

(6)      Für die Ursprungsbezeichnungen und die geografischen Angaben sollte ein gemeinschaftliches Vorgehen vorgesehen werden. Gemeinschaftliche Rahmenvorschriften über den Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen erlauben deren Entwicklung, da sie über ein einheitlicheres Vorgehen gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Hersteller derart gekennzeichneter Erzeugnisse sicherstellen und die Glaubwürdigkeit solcher Produkte beim Verbraucher erhöhen.“

4        Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 510/2006 sah vor:

„Eingetragene Namen werden geschützt gegen

a)      jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung eines eingetragenen Namens für Erzeugnisse, die nicht unter die Eintragung fallen, soweit diese Erzeugnisse mit den unter diesem Namen eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder soweit durch diese Verwendung das Ansehen des geschützten Namens ausgenutzt wird;

b)      jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn der geschützte Name in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie ‚Art‘, ‚Typ‘, ‚Verfahren‘, ‚Fasson‘, ‚Nachahmung‘ oder dergleichen verwendet wird;

c)      alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben, die sich auf Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse beziehen und auf der Aufmachung oder der äußeren Verpackung, in der Werbung oder in Unterlagen zu den betreffenden Erzeugnissen erscheinen, sowie die Verwendung von Behältnissen, die geeignet sind, einen falschen Eindruck hinsichtlich des Ursprungs zu erwecken;

d)      alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

…“

5        In den Erwägungsgründen 18 und 29 der Verordnung Nr. 1151/2012 heißt es:

„(18)      Durch den Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben sollen den Landwirten und den Erzeugern ein gerechtes Einkommen für die hochwertige Qualität und Merkmale eines bestimmten Erzeugnisses oder für die Art seiner Erzeugung gesichert und klare Informationen über Erzeugnisse mit besonderen Merkmalen aufgrund des geografischen Ursprungs bereitgestellt werden, damit der Verbraucher seine Kaufentscheidungen gut informiert treffen kann.

(29)      Die in dem Register eingetragenen Namen sollten mit dem Ziel geschützt werden, ihre faire Verwendung sicherzustellen, und um Praktiken zu unterbinden, die zur Irreführung der Verbraucher führen können. …“

6        Art. 4 („Ziel“) der Verordnung lautet:

„Es wird eine Regelung für geschützte Ursprungsbezeichnungen und geschützte geografische Angaben eingeführt, um Erzeuger von Erzeugnissen mit einer Verbindung zu einem geografischen Gebiet zu unterstützen, indem

a)      faire Einkünfte für die Qualität ihrer Erzeugnisse gewährleistet werden;

b)      ein einheitlicher Schutz der Namen im Gebiet der Union als Recht des geistigen Eigentums gewährleistet wird;

c)      die Verbraucher klare Informationen über die wertsteigernden Merkmale des Erzeugnisses erhalten.“

7        Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1151/2012, der im Wesentlichen den Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 510/2006 übernimmt, bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck ‚Ursprungsbezeichnung‘ einen Namen, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird,

a)      dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Gegend oder, in Ausnahmefällen, in einem bestimmten Land liegt,

b)      das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt …“

8        Der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1151/2012 ist im Wesentlichen mit dem von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 510/2006 identisch. Es wurden nur am Ende der Buchst. a und b die Worte „auch wenn diese Erzeugnisse als Zutaten verwendet werden“ bzw. „auch wenn dieses Erzeugnis als Zutat verwendet wird“ hinzugefügt.

9        Die Bezeichnung „Morbier“ wurde gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2400/96 der Kommission vom 17. Dezember 1996 zur Eintragung bestimmter Bezeichnungen in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. 1996, L 327, S. 11) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1241/2002 der Kommission vom 10. Juli 2002 (ABl. 2002, L 181, S. 4) geänderten Fassung als geschützte Ursprungsbezeichnung in das im Anhang der Verordnung enthaltene Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel eingetragen.

10      Die Beschreibung des Erzeugnisses, die in der Spezifikation der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1128/2013 der Kommission vom 7. November 2013 zur Genehmigung einer geringfügigen Änderung der Spezifikation einer im Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben eingetragenen Bezeichnung [Morbier (g.U.)] (ABl. 2013, L 302, S. 7) enthalten ist, lautet wie folgt:

„‚Morbier‘ ist ein Käse aus roher Kuhmilch, gepresst, nicht gebrannt, von flacher, zylindrischer Form mit einem Durchmesser von 30‑40 cm, einer Höhe von 5‑8 cm, einem Gewicht von 5‑8 kg, ebener Ober- und Unterfläche und leicht konvexem Rand.

Der Käse weist in der Mitte einen waagerechten schwarzen Streifen auf, der sich geschlossen und ununterbrochen durch die gesamte Schnittfläche zieht.

Die Rinde ist naturbelassen, sie wird abgerieben und weist eine gleichmäßige Struktur, Rindenschmiere und einen sichtbaren Abdruck des Musters der Käseform auf. Ihre Farbe ist beige bis ins Orange spielend mit orangebraunen, orangeroten oder orange-rosafarbenen Schattierungen. Der Käseteig ist elfenbeinfarben bis hellgelb und weist häufig verstreute Öffnungen von der Größe einer Johannisbeere oder kleine abgeplattete Luftblasen auf. Er gibt auf Druck nach und ist weich, cremig, im Mund etwas klebrig und hat eine glatte, feine Textur. Der ausgeprägte Geschmack hat Anklänge an Milch, Karamell, Vanille und Obst. Mit zunehmendem Alter wird die Aromapalette durch Röst‑, Würz- und Pflanzennoten bereichert. Die Geschmackseindrücke sind ausgewogen. Der Fettgehalt der Trockenmasse beträgt 45 %. Der Wassergehalt in der fettfreien Käsemasse muss zwischen 58 % und 67 % betragen. Die Mindestreifezeit des Käses beträgt 45 Tage ohne Unterbrechung ab dem Tag der Herstellung.“

 Französisches Recht

11      Art. L. 722‑1 des Code de la propriété intellectuelle (Gesetzbuch über geistiges Eigentum) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt:

„Jede Verletzung einer geografischen Angabe begründet die zivilrechtliche Haftung ihres Urhebers.

Für die Anwendung des vorliegenden Kapitels gilt als ‚geografische Angabe‘:

b)      die geschützten Ursprungsbezeichnungen und geschützten geografischen Angaben, die nach der Gemeinschaftsregelung zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel vorgesehen sind;

…“

12      Der Morbier-Käse trägt seit dem Décret du 22 décembre 2000 relatif à l’appellation d’origine contrôlée „Morbier“ (Dekret vom 22. Dezember 2000 über die geschützte Ursprungsbezeichnung „Morbier“) (JORF Nr. 302 vom 30. Dezember 2000, S. 20944), das inzwischen aufgehoben wurde, eine geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.). Das Dekret legte ein geografisches Bezugsgebiet und die Bedingungen für die Erlangung der Ursprungsbezeichnung fest. Nach Art. 8 des Dekrets galt eine Übergangsfrist für Unternehmen außerhalb dieses geografischen Bezugsgebiets, die fortlaufend unter dem Namen „Morbier“ Käse herstellten und vertrieben, damit diese weiterhin den Namen ohne die Bezeichnung „g.U.“ nutzen konnten, und zwar bis zum Ablauf einer Frist von fünf Jahren nach der Veröffentlichung der Eintragung der Ursprungsbezeichnung „Morbier“ als geschützte Ursprungsbezeichnung.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

13      Gemäß dem Dekret vom 22. Dezember 2000 wurde der Société Fromagère du Livradois, die seit 1979 Morbier-Käse herstellte, gestattet, den Namen „Morbier“ ohne die Angabe g.U. bis zum 11. Juli 2007 zu verwenden. An diesem Datum ersetzte sie ihn durch die Bezeichnung „Montboissié du Haut Livradois“. Die Société Fromagère du Livradois meldete außerdem am 5. Oktober 2001 in den Vereinigten Staaten die amerikanische Marke „Morbier du Haut Livradois“ an, die sie 2008 für zehn Jahre verlängerte. Am 5. November 2004 meldete sie die französische Marke „Montboissier“ an.

14      Der Verband warf der Société Fromagère du Livradois vor, die geschützte Bezeichnung zu verletzen sowie unlauter und rufausnutzend zu handeln, indem sie einen Käse herstelle und vertreibe, der das äußere Erscheinungsbild des unter die geschützte Ursprungsbezeichnung „Morbier“ fallenden Erzeugnisses übernehme, um eine Verwechslung mit diesem hervorzurufen sowie die mit ihm verbundene Bekanntheit und sein Ansehen auszunutzen, ohne die Spezifikation der Ursprungsbezeichnung einhalten zu müssen. Am 22. August 2013 erhob der Verband daher vor dem Tribunal de grande instance de Paris (Gericht erster Instanz von Paris, Frankreich) Klage. Er beantragte, die Société Fromagère du Livradois zu verurteilen, jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung „Morbier“ für die nicht von ihr erfassten Erzeugnisse, jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung „Morbier“, jede sonstige falsche oder irreführende Angabe gleich welcher Art zu Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentlichen Eigenschaften des Erzeugnisses, die geeignet sind, einen falschen Eindruck über dessen Ursprung zu erwecken, jede sonstige Praktik, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen, und insbesondere jede Verwendung eines schwarzen Streifens, der zwei Teile des Käses trennt, zu unterlassen sowie ihren Schaden zu ersetzen.

15      Diese Anträge wurden durch ein Urteil vom 14. April 2016 zurückgewiesen. Dieses wurde von der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris, Frankreich) mit Urteil vom 16. Juni 2017 bestätigt. Es entschied, dass die Vermarktung eines Käses, der eine Eigenschaft oder mehrere Eigenschaften, die in der Spezifikation für den Morbier-Käse enthalten sind, aufweist, und der diesem daher ähnlich ist, nicht rechtswidrig sei.

16      In seinem Urteil führte das Berufungsgericht aus, die Regelung über die geschützte Ursprungsbezeichnung ziele nicht darauf ab, das Erscheinungsbild eines Erzeugnisses oder seine in der Spezifikation beschriebenen Eigenschaften zu schützen, sondern seinen Namen, so dass sie nicht verbiete, ein Erzeugnis nach denselben Techniken herzustellen, wie sie in den Normen über die geografischen Angaben festgelegt seien. Mangels eines ausschließlichen Rechts falle die Übernahme des Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses unter die Handels- und Gewerbefreiheit. Die von dem Verband geltend gemachten Eigenschaften, u. a. ein horizontaler blauer Streifen, gehörten zu einer historischen Tradition, einer auch bei anderen Käsesorten als Morbier zu findenden Technik, die von der Société Fromagère du Livradois bereits vor Erlangung der geschützten Ursprungsbezeichnung „Morbier“ angewandt worden sei und nicht auf Investitionen des Verbandes oder seiner Mitglieder beruhe. Das Recht, pflanzliche Kohle zu verwenden, gelte zwar nur für den Käse, der dieser geschützten Ursprungsbezeichnung unterfalle, die Société Fromagère du Livradois habe diese jedoch zur Einhaltung amerikanischer Rechtsvorschriften durch Traubenpolyphenol ersetzen müssen, so dass die beiden Käsesorten durch dieses Merkmal nicht gleichgesetzt werden könnten. Die Société Fromagère du Livradois habe weitere Unterschiede zwischen dem Montboissié-Käse und dem Morbier-Käse angeführt, u. a. die Verwendung von pasteurisierter Milch für Montboissié und von Rohmilch für Morbier. Das Berufungsgericht stellte hierzu fest, dass die beiden Käsesorten unterschiedlich seien und der Verband versuche, den Schutz der geschützten Ursprungsbezeichnung „Morbier“ für unlautere wirtschaftliche Interessen und unter Verstoß gegen den Grundsatz des freien Wettbewerbs auszudehnen.

17      Der Verband legte gegen dieses Urteil der Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) beim vorlegenden Gericht, der Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich), eine Kassationsbeschwerde ein. Zur Begründung seines Rechtsmittels macht er zunächst geltend, dass eine geschützte Ursprungsbezeichnung gegen jede Praktik geschützt sei, die geeignet sei, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen. Die Cour d’appel de Paris (Berufungsgericht Paris) habe, indem sie dennoch entschieden habe, dass nur die Verwendung des Namens der geschützten Ursprungsbezeichnung verboten sei, gegen Art. 13 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 verstoßen. Ferner habe sie im Hinblick auf diese Rechtsvorschriften ohne Rechtsgrundlage entschieden, indem sie sich auf die Feststellung beschränkt habe, dass zum einen die vom Verband geltend gemachten Eigenschaften auf einer historischen Tradition und nicht auf von ihm und seinen Mitgliedern getätigten Investitionen beruhten und zum anderen der seit 2007 von der Société Fromagère du Livradois vermarktete Montboissié-Käse sich vom Morbier-Käse unterscheide, ohne dass sie wie beantragt geprüft habe, ob die Praktiken der Société Fromagère du Livradois, insbesondere die Nachahmung des für den Morbier-Käse charakteristischen „Aschestreifens“ nicht geeignet seien, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Produkts irrezuführen.

18      Die Société Fromagère du Livradois vertritt ihrerseits die Auffassung, dass die geschützte Ursprungsbezeichnung aus einem eingegrenzten Gebiet stammende Erzeugnisse schütze und allein für diese der geschützte Name verwendet werden dürfe, anderen Herstellern jedoch nicht verbiete, ähnliche Erzeugnisse herzustellen und zu vermarkten, sofern sie nicht den Eindruck erweckten, der betreffenden Bezeichnung zu unterfallen. Dem nationalen Recht lasse sich entnehmen, dass jede Verwendung des Zeichens, aus dem die geschützte Ursprungsbezeichnung bestehe, verboten sei, wenn sie zur Bezeichnung ähnlicher Erzeugnisse diene, für die dieses Recht nicht gelte, entweder, weil sie nicht aus dem abgegrenzten Gebiet stammten, oder, weil sie aus dem Gebiet stammten, aber nicht die erforderlichen Merkmale aufwiesen. Aber es sei nach nationalem Recht nicht verboten, ähnliche Erzeugnisse zu vermarkten, sofern diese Vermarktung nicht mit einer Praxis einhergehe, die u. a. durch die widerrechtliche Aneignung der geschützten Ursprungsbezeichnung oder eine Anspielung auf selbige eine Verwechslungsgefahr begründe. Des Weiteren müssten „Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen“, im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 notwendigerweise den „Ursprung“ des Erzeugnisses betreffen. Somit müsse es sich um Praktiken handeln, die den Verbraucher zu der Annahme verleiteten, dass er es mit einem Erzeugnis zu tun habe, das die betreffende geschützte Ursprungsbezeichnung tragen dürfe. Diese „Praktiken“ könnten sich nicht nur aus dem Erscheinungsbild des Erzeugnisses als solchem ergeben, ohne dass auf seiner äußeren Verpackung auf die geschützte Herkunft hingewiesen werde.

19      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das bei ihm eingelegte Rechtsmittel die vor ihm neuartige Frage aufwerfe, ob Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen ist, dass nur die Verwendung des eingetragenen Namens durch einen Dritten verboten ist, oder dahin, dass er auch jede Aufmachung des Erzeugnisses verbietet, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf dessen tatsächlichen Ursprung irrezuführen, selbst wenn der eingetragene Name von dem Dritten nicht verwendet wurde. Der Gerichtshof habe sich zu dieser Frage nie geäußert, und es bestünden Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Ausdrucks der „sonstigen Praktiken“ in diesem Artikel, die eine besondere Form der Verletzung einer geschützten Bezeichnung darstellten, wenn sie geeignet seien, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

20      Somit stelle sich die Frage, ob die Übernahme der äußeren Eigenschaften eines Erzeugnisses, das von einer geschützten Ursprungsbezeichnung erfasst wird, eine Praktik darstellen kann, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen, was nach Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen verboten ist. Mit dieser Frage solle letztlich geklärt werden, ob die Aufmachung eines Erzeugnisses, das einer geschützten Ursprungsbezeichnung unterfällt, insbesondere die Wiedergabe seiner charakteristischen Form oder seines charakteristischen Erscheinungsbilds, ungeachtet dessen eine Verletzung der Ursprungsbezeichnung darstellen kann, dass der Name nicht übernommen wird.

21      Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen, dass er nur die Verwendung des eingetragenen Namens durch einen Dritten verbietet, oder dahin, dass er auch die Aufmachung eines Erzeugnisses, das von einer geschützten Ursprungsbezeichnung erfasst wird, verbietet, insbesondere die Wiedergabe seiner charakteristischen Form oder seines charakteristischen Erscheinungsbilds, die geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen, auch wenn der eingetragene Name nicht verwendet wird?

 Zur Vorlagefrage

 Zum ersten Teil der Frage

22      Mit dem ersten Teil seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen ist, dass er nur die Verwendung des eingetragenen Namens durch einen Dritten verbietet.

23      Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht hervor, dass eingetragene Namen gegen verschiedene Handlungen geschützt sind, nämlich erstens die direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung eines eingetragenen Namens, zweitens die widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, drittens falsche oder irreführende Angaben, die sich auf Herkunft, Ursprung, Natur oder wesentliche Eigenschaften der Erzeugnisse beziehen und auf der Aufmachung oder der äußeren Verpackung, in der Werbung oder in Unterlagen zu den betreffenden Erzeugnissen erscheinen, sowie die Verwendung von Behältnissen, die geeignet sind, einen falschen Eindruck hinsichtlich des Ursprungs zu erwecken, und viertens alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

24      Diese Bestimmungen enthalten somit eine abgestufte Aufzählung verbotener Verhaltensweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2019, Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego, C‑614/17, EU:C:2019:344, Rn. 27). Während Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 die direkte oder indirekte Verwendung eines eingetragenen Namens für die von der Eintragung nicht erfassten Erzeugnisse unter einer Form, die mit diesem Namen identisch oder ihm klanglich und/oder bildlich sehr ähnlich ist, verbietet (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association, C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 29, 31 und 39), verbietet Art. 13 Abs. 1 Buchst. b bis d der beiden Verordnungen andere Arten von Handlungen, gegen die eingetragene Namen geschützt sind und die weder direkt noch indirekt die Namen selbst verwenden.

25      Somit muss sich der Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 notwendigerweise von dem der anderen Regelungen über den Schutz eingetragener Namen nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. b bis d dieser Verordnungen unterscheiden. Insbesondere verbietet Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 Handlungen, die im Unterschied zu den Handlungen nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnungen weder direkt noch indirekt den geschützten Namen selbst verwenden, sondern ihn so nahelegen, dass der Verbraucher veranlasst wird, eine hinreichend enge Verbindung mit diesem Namen herzustellen (vgl. entsprechend zu Art. 16 der Verordnung [EG] Nr. 110/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 zur Begriffsbestimmung, Bezeichnung, Aufmachung und Etikettierung von Spirituosen sowie zum Schutz geografischer Angaben für Spirituosen und zur Aufhebung der Verordnung [EWG] Nr. 1576/89 [ABl. 2008, L 39, S. 16] Urteil vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association, C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 33).

26      Was insbesondere den Begriff „Anspielung“ angeht, kommt es entscheidend darauf an, ob der Verbraucher durch einen streitigen Namen veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der von der geschützten Ursprungsbezeichnung erfassten Ware herzustellen, was das nationale Gericht zu prüfen hat. Dabei hat es gegebenenfalls den teilweisen Einschluss einer geschützten Ursprungsbezeichnung in die streitige Bezeichnung, eine klangliche und/oder visuelle Ähnlichkeit dieser Bezeichnung mit der geschützten Ursprungsbezeichnung oder eine inhaltliche Nähe des Namens zu der geschützten Ursprungsbezeichnung zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association, C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 51).

27      Darüber hinaus hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 2. Mai 2019, Fundación Consejo Regulador de la Denominación de Origen Protegida Queso Manchego (C‑614/17, EU:C:2019:344), entschieden, dass Art. 13 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 510/2006 dahin auszulegen ist, dass die Anspielung auf eine eingetragene Bezeichnung durch den Gebrauch von Bildzeichen erfolgen kann. Der Gerichtshof kam zu dieser Entscheidung, indem er u. a. in Rn. 18 des Urteils festgestellt hat, dass die Formulierung dieser Bestimmung dahin verstanden werden kann, dass sie nicht nur auf die Begriffe verweist, mit denen auf eine eingetragene Bezeichnung angespielt werden kann, sondern auch auf jedes Bildzeichen, das dem Verbraucher die Erzeugnisse, die diese Bezeichnung tragen, in Erinnerung rufen kann. Nach Rn. 22 des Urteils kann grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, dass Verbraucher durch Bildzeichen aufgrund ihrer begrifflichen Nähe zu einer eingetragenen Bezeichnung veranlasst werden können, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu den Erzeugnissen herzustellen, die diese Bezeichnung tragen.

28      In Bezug auf die in Art. 13 Abs. 1 Buchst. c der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 genannten Verhaltensweisen ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung im Hinblick auf die Buchst. a und b des Artikels den geschützten Bereich u. a. um „alle sonstigen … Angaben“ erweitert, d. h. um Informationen an die Verbraucher, die auf der Aufmachung oder der äußeren Verpackung des betreffenden Erzeugnisses, in der Werbung oder in Unterlagen zu den betreffenden Erzeugnissen erscheinen, die zwar nicht auf die geschützte geografische Angabe anspielen, aber angesichts der Verbindungen zwischen dem Erzeugnis und der Angabe als falsch oder irreführend eingestuft werden. Der Ausdruck „alle sonstigen … Angaben“ erstreckt sich auf Informationen jeder Art auf der Aufmachung oder der äußeren Verpackung des betreffenden Erzeugnisses, in der Werbung oder in Unterlagen zu den betreffenden Erzeugnissen, insbesondere in Form eines Textes, eines Bildes oder eines Behältnisses, die geeignet sind, Auskunft über die Herkunft, den Ursprung, die Beschaffenheit oder die wesentlichen Merkmale des Erzeugnisses zu geben (vgl. entsprechend Urteil vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association, C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 65 und 66).

29      Was die in Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 genannten Verhaltensweisen betrifft, ergibt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, aus den Worten „alle sonstigen Praktiken“, die in dieser Bestimmung verwendet werden, dass sie alle Verhaltensweisen erfassen sollen, die nicht bereits unter die anderen Bestimmungen desselben Artikels fallen, und somit im System des Schutzes der eingetragenen Namen als Auffangtatbestand dienen.

30      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich demnach, dass Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 sich nicht darauf beschränkt, die Verwendung des eingetragenen Namens selbst zu verbieten, sondern einen größeren Anwendungsbereich hat.

31      Infolgedessen ist auf den ersten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen ist, dass er nicht nur die Verwendung des eingetragenen Namens durch einen Dritten verbietet.

 Zum zweiten Teil der Vorlagefrage

32      Mit dem zweiten Teil seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen ist, dass er die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds, die bzw. das für ein Erzeugnis charakteristisch ist, das von einem eingetragenen Namen erfasst wird, verbietet, wenn diese Wiedergabe geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

33      Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 bestimmt, dass eingetragene Namen gegen „alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen“, geschützt werden, legt aber nicht fest, welche Verhaltensweisen durch diese Bestimmung verboten sind, sondern erfasst weitgehend alle Verhaltensweisen, die nicht durch Art. 13 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnungen verboten werden und dazu führen können, den Verbraucher in Bezug auf den tatsächlichen Ursprung des betreffenden Erzeugnisses irrezuführen.

34      Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 entspricht den Zielen, die in den Erwägungsgründen 4 und 6 der Verordnung Nr. 510/2006 bzw. in den Erwägungsgründen 18 und 29 sowie Art. 4 der Verordnung Nr. 1151/2012 angeführt werden. Aus diesen ergibt sich, dass das System der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben (g.g.A.) u. a. bezweckt, den Verbrauchern klare Informationen über den Ursprung und die Eigenschaften des Erzeugnisses zu verschaffen, damit sie ihre Kaufentscheidungen in besserer Kenntnis der Sachlage treffen, und Praktiken zu verhindern, die die Verbraucher irreführen können.

35      Allgemeiner gefasst ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass das System der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben im Wesentlichen darauf abzielt, dem Verbraucher Gewähr dafür zu bieten, dass die landwirtschaftlichen Erzeugnisse, deren Name eingetragen ist, aufgrund ihrer Herkunft aus einem bestimmten geografischen Gebiet bestimmte besondere Eigenschaften aufweisen und damit eine auf ihrer geografischen Herkunft beruhende Qualitätsgarantie bieten; damit soll es den Landwirten, die sich zu echten Qualitätsanstrengungen bereit erklärt haben, ermöglicht werden, als Gegenleistung ein höheres Einkommen zu erzielen, und verhindert werden, dass Dritte missbräuchlich Vorteile aus dem Ruf ziehen, der sich aus der Qualität dieser Erzeugnisse ergibt (vgl. entsprechend Urteile vom 14. September 2017, EUIPO/Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto, C‑56/16 P, EU:C:2017:693, Rn. 82, vom 20. Dezember 2017, Comité Interprofessionnel du Vin de Champagne, C‑393/16, EU:C:2017:991, Rn. 38, sowie vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association, C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 38 und 69).

36      Zu der Frage, ob die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, das von einem eingetragenen Namen erfasst wird, eine Praktik darstellen kann, die nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 verboten ist, ist festzustellen, dass zwar, wie die Société Fromagère du Livradois und die Europäische Kommission vorgetragen haben, der Gegenstand des Schutzes, der dem Wortlaut nach in dieser Bestimmung vorgesehen ist, der eingetragen Name und nicht das mit ihm benannte Erzeugnis ist. Daraus folgt, dass der Zweck dieses Schutzes nicht darin besteht, u. a. die Verwendung von Herstellungstechniken oder die Wiedergabe einer oder mehrerer charakteristischer Eigenschaften, die in der Spezifikation eines Erzeugnisses, das von einem eingetragenen Namen erfasst wird, angegeben sind, zur Herstellung eines anderen, von der Eintragung nicht erfassten Erzeugnisses deshalb zu verbieten, weil sie in dieser Spezifikation aufgeführt sind.

37      Wie der Generalanwalt in Nr. 27 seiner Schlussanträge dargelegt hat, ist eine geschützte Ursprungsbezeichnung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 1151/2012 (der im Wesentlichen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 510/2006 entspricht) jedoch ein Name, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird, dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Gegend oder, in Ausnahmefällen, in einem bestimmten Land liegt und das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt. Geschützte Ursprungsbezeichnungen werden daher insoweit geschützt, als sie ein Erzeugnis bezeichnen, das eine bestimmte Güte oder bestimmte Eigenschaft aufweist. Somit sind die geschützte Ursprungsbezeichnung und das von ihr erfasste Erzeugnis eng miteinander verbunden.

38      Daher ist angesichts der Unbeschränktheit des Ausdrucks „alle sonstigen Praktiken“ in Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 nicht auszuschließen, dass die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds eines Erzeugnisses, das von einem eingetragenen Namen geschützt wird, ohne dass dieser Name auf dem fraglichen Erzeugnis oder auf seiner äußeren Verpackung erscheint, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen kann. Dies ist dann der Fall, wenn diese Wiedergabe geeignet ist, den Verbraucher in Bezug auf den wahren Ursprung des betreffenden Erzeugnisses irrezuführen.

39      Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, ist, muss, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 55 und 57 bis 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, zum einen auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Durchschnittsverbrauchers abgestellt werden (vgl. entsprechend Urteile vom 21. Januar 2016, Viiniverla, C‑75/15, EU:C:2016:35, Rn. 25 und 28, sowie vom 7. Juni 2018, Scotch Whisky Association, C‑44/17, EU:C:2018:415, Rn. 47) und sind zum anderen alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, einschließlich der Modalitäten, unter denen die betreffenden Erzeugnisse der Öffentlichkeit angeboten und vermarktet werden, sowie des tatsächlichen Kontexts (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Dezember 2019, Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena, C‑432/18, EU:C:2019:1045, Rn. 25).

40      Insbesondere ist, wie im Ausgangsverfahren, im Hinblick auf einen Bestandteil des Erscheinungsbilds des Erzeugnisses, das von dem eingetragenen Namen erfasst wird, u. a. zu prüfen, ob dieser Bestandteil eine besonders unterscheidungskräftige Referenzeigenschaft dieses Erzeugnisses darstellt, so dass dessen Wiedergabe in Verbindung mit allen maßgeblichen Umständen des Einzelfalls den Verbraucher zu der Annahme veranlassen kann, dass das Erzeugnis, das diese Wiedergabe enthält, von diesem eingetragenen Namen erfasst wird.

41      Nach alledem ist auf den zweiten Teil der Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 dahin auszulegen ist, dass er die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds, die bzw. das für ein Erzeugnis charakteristisch ist, das von einem eingetragenen Namen erfasst wird, verbietet, wenn diese Wiedergabe den Verbraucher zu der Annahme veranlassen kann, dass das fragliche Erzeugnis von diesem eingetragenen Namen erfasst wird. Es ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob diese Wiedergabe den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Verbraucher irreführen kann.

 Kosten

42      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel und Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel sind dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung durch einen Dritten verbieten.

Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnungen Nrn. 510/2006 und 1151/2012 ist dahin auszulegen, dass er die Wiedergabe der Form oder des Erscheinungsbilds, die bzw. das für ein Erzeugnis charakteristisch ist, das von einem eingetragenen Namen erfasst wird, verbietet, wenn diese Wiedergabe den Verbraucher zu der Annahme veranlassen kann, dass das fragliche Erzeugnis von diesem eingetragenen Namen erfasst wird. Es ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob diese Wiedergabe den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen europäischen Verbraucher irreführen kann.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.