Language of document : ECLI:EU:F:2012:130

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

18. September 2012(*)

„Öffentlicher Dienst – Beistandspflicht – Art. 24 des Statuts – Mobbing – Verwaltungsuntersuchung“

In der Rechtssache F‑58/10

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG‑Vertrag gilt,

Timo Allgeier, Bediensteter auf Zeit der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, wohnhaft in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Levi und M. Vandenbussche,

Kläger,

gegen

Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), vertreten durch M. Kjærum als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kreppel (Berichterstatter) sowie der Richter E. Perillo und R. Barents,

Kanzler: J. Tomac, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2011

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 16. Juli 2010 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt Herr Allgeier u. a., die Entscheidung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (im Folgenden: FRA oder Agentur) über die Ablehnung seines Beistandsersuchens aufzuheben und die FRA zu verurteilen, an ihn Schadensersatz zu zahlen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Gemäß Art. 12a Abs. 3 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) wird „[a]ls ‚Mobbing‘ … ungebührliches Verhalten bezeichnet, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen“.

3        Art. 24 des Statuts lautet:

„Die Union leistet ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden.

Sie ersetzt solidarisch den erlittenen Schaden, soweit ihn der Beamte weder vorsätzlich noch grobfahrlässig herbeigeführt hat und soweit er keinen Schadenersatz von dem Urheber erlangen konnte.“

 Sachverhalt

4        Am 1. Januar 2002 wurde der Kläger bei der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) auf der Grundlage eines Vertrags als Bediensteter auf Zeit für einen Zeitraum von vier Jahren, der zum 1. Januar 2006 um weitere vier Jahre verlängert wurde, eingestellt. Der Betroffene wurde zunächst in die Einheit 2 „Recherche und Netz“ eingewiesen, in der er hauptsächlich für die Verwaltung der Verfahren zur Vergabe von Aufträgen und der Verträge des Europäischen Informationsnetzes über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zuständig war.

5        Am 22. September 2005 wurde der Kläger in die Einheit 1 „Verwaltung“ versetzt, die mit der Zentralisierung sämtlicher Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge befasst war. Leiter dieser Einheit war seinerzeit Herr M., einer der beiden Bediensteten, die vom Betroffenen später des Mobbings beschuldigt werden. Herr M. war zu diesem Zeitpunkt darüber hinaus stellvertretender Direktor des EUMC.

6        Innerhalb der Einheit 1 „Verwaltung“ war der Kläger als Ansprechpartner für die Auftragsvergabe für alle Fragen im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständig.

7        Herr A., der andere Bedienstete, der vom Kläger des Mobbings beschuldigt wird, wurde 2005 beim EUMC eingestellt und trat als Hauptverantwortlicher für die Vergabe von Aufträgen in die Einheit 1 „Verwaltung“ ein.

8        Im Dezember 2005 handelte das EUMC mit der Gesellschaft S. einen Vertrag über die Lieferung einer Nebenstellentelefonanlage zu einem Preis von 34 391,43 Euro aus. Am 23. Dezember 2005 wurde der Gesellschaft S. der vom EUMC unterzeichnete Vertrag übersandt, damit diese ihn ihrerseits unterzeichne.

9        Obwohl sie den Vertrag noch nicht unterzeichnet hatte, begann die Gesellschaft S. im Januar 2006 mit dessen Ausführung. Das EUMC ging davon aus, dass die Gesellschaft die Vertragsbedingungen akzeptiert habe, und trug daraufhin einen Kredit in Höhe des vereinbarten Betrags von 34 391,43 Euro aus dem Jahr 2005 in das Jahr 2006 vor.

10      Im März 2006 beschlossen das EUMC und die Gesellschaft S. die Änderung des Vertrags durch einen Nachtrag.

11      Am 19. April 2006 begab sich der Kläger in Begleitung eines seiner Kollegen in die Geschäftsräume der Gesellschaft S. und bat diese, den Vertrag und den Nachtrag zu unterzeichnen und auf den 23. Dezember 2005 bzw. 15. Januar 2006 zu datieren. Der Kläger gibt an, dieser Besuch habe auf die ausdrückliche Bitte von Herrn M. stattgefunden und sei mit dessen Wunsch begründet worden, den auf der Grundlage des Vertrags bereits vorgenommenen Kreditvortrag zu legalisieren.

12      Im April 2006 wies der Kläger die Herren M. und A. aufgrund von Art. 22a des Statuts darauf hin, dass der Kreditvortrag einer Rechtsgrundlage entbehre, da der Vertrag zum 31. Dezember 2005 nicht von allen Parteien unterzeichnet worden sei. Zudem stelle die Tatsache, dass der Vertrag vordatiert worden sei, einen Betrug dar, mit dem die Rechtswidrigkeit des Kreditvortrags behoben werden solle.

13      Da die Ansichten des Klägers und die der Herren M. und A. über die Rechtmäßigkeit des Kreditvortrags und der Datierung des Vertrags auseinandergingen, informierte der Kläger den Internen Prüfer des EUMC über den Sachverhalt.

14      Anlässlich eines Treffens, das am 28. April 2006 stattfand, informierte der Kläger auch Frau Winkler, die Direktorin des EUMC, über den Druck, dem er ausgesetzt gewesen sei, damit er sich in die Geschäftsräume der Gesellschaft S. begebe und von dieser die Vordatierung des Vertrags erlange.

15      Am 22. Mai 2006 beschloss die Direktorin des EUMC, den Vertrag mit der Gesellschaft S. aufzuheben, und begründete dies damit, dass die Gesellschaft S. den Vertrag im Beisein zweier Bevollmächtigter des EUMC vordatiert habe und eine unrichtige Datierung eine Unregelmäßigkeit darstelle.

16      Nachdem sie jedoch erfahren hatte, dass das Datum auf dem Vertrag geändert werden konnte, stimmte die Direktorin des EUMC der Nichtaufhebung des Vertrags am 6. Juni 2006 letztlich zu und gab Anweisung, die von der Gesellschaft S. auf dem Vertrag und dem Nachtrag eingesetzten Unterschriftsdaten zu ändern, damit sie der Wirklichkeit entsprächen.

17      Noch am 6. Juni 2006 suchte der Kläger zum Zweck der Änderung der Unterschriftsdaten erneut die Geschäftsräume der Gesellschaft S. auf. Die Vertreter der Gesellschaft S. datierten daraufhin den Vertrag auf den 19. April 2006 und den Nachtrag auf den 6. Juni 2006.

18      Der Kläger trägt vor, seine Beziehungen zu den Herren M. und A. hätten sich nach dem 6. Juni 2006 stark verschlechtert. Die Tatsache, dass er sich der Vordatierung des mit der Gesellschaft S. ausgehandelten Vertrags widersetzt und die Direktorin des EUMC über die seiner Ansicht nach betrügerische Praxis informiert habe, habe die Herren M. und A. dazu bewogen, ihn zu mobben, insbesondere ihn von den Aufgaben zu entbinden, für die er eingestellt worden sei, und ihn innerhalb des EUMC zu isolieren.

19      Am 1. März 2007 wurde die FRA Rechtsnachfolgerin des EUMC.

20      Am 25. Juni 2007 erhielt das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ein anonymes Schreiben, in dem Unregelmäßigkeiten angezeigt wurden, die Herr M. bei der Erfüllung seiner Aufgaben begangen haben soll und die insbesondere die Einstellungsverfahren, die Vordatierung von Lieferverträgen, die rechtswidrige Gewährung von Erziehungszulagen zugunsten bestimmter Bediensteter sowie eine schlechte Haushaltsführung betrafen.

21      Nach dem Ausscheiden des Direktors der FRA aus dem Dienst wurde Herr M. im Juli 2007 Interimsdirektor der Agentur.

22      Am 28. November 2007 eröffnete das OLAF eine interne Untersuchung betreffend die behaupteten im Schreiben vom 25. Juni 2007 angezeigten Unregelmäßigkeiten. Zwischen dem 15. und dem 17. Januar 2008 nahm das OLAF eine Besichtigung der Geschäftsräume der FRA vor.

23      Am 1. Juni 2008 wurde Herr Kjærum, bis dahin geschäftsführender Direktor des dänischen Instituts für Menschenrechte (Institut for Menneskerettigheder) (im Folgenden: IMR), zum Direktor der FRA ernannt.

24      Mit Schreiben vom 23. Juni 2008 stellte der Kläger bei Herrn Kjærum einen Antrag auf Gewährung von Beistand gemäß Art. 24 des Statuts. In diesem Schreiben legte er dar, dass er einem Mobbing durch die Herren M. und A. ausgesetzt sei, und forderte die FRA zum Erlass der erforderlichen Maßnahmen zur Bereinigung dieser Situation auf.

25      Infolge dieses Antrags beschloss der Direktor der FRA am 7. Juli 2008 die Versetzung des Klägers von der Einheit 1 „Verwaltung“ in die Einheit 3 „Kommunikation und externe Beziehungen“. Darüber hinaus traf der Direktor den Kläger am 7., 8. und 11. Juli 2008 ohne Beisein seiner Rechtsanwälte, um zu prüfen, ob es nicht eine Alternative zum förmlichen Verfahren des Art. 24 des Statuts gebe. Diesen Vorschlag lehnte der Kläger ab.

26      Mit einem an den Direktor der FRA gerichteten Schreiben vom 18. Juli 2008 bestätigten die Rechtsanwälte des Klägers, dass dieser an seinem Beistandsersuchen festhalten wolle, und baten um Angabe der Verfahrensvorschriften und der Modalitäten der Verwaltungsuntersuchung. Ferner beantragten sie die Übernahme ihrer Honorare durch die FRA.

27      Noch am 18. Juli 2008 informierte der Direktor der FRA den Kläger über seine Entscheidung, eine Untersuchung zu eröffnen.

28      Ende Juli 2008 wurde der Kläger krankgeschrieben. Die Krankschreibung dauerte bis Mitte September 2009 an.

29      Mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 informierte der Direktor der FRA die Rechtsanwälte des Klägers über seine Entscheidung, Herrn Jensen (im Folgenden: Ermittler) mit der Durchführung der Untersuchung zu beauftragen. Zu diesem Zeitpunkt saß der Ermittler dem Vorstand des IMR vor.

30      Mit Schreiben vom 18. November 2008 stellte der Kläger mehrere Fragen zur Untersuchung, insbesondere danach, ob den Zeugen Anonymität zugesichert werde.

31      Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 beantwortete der Direktor der FRA die vom Kläger in seinem Schreiben vom 18. November 2008 aufgeworfenen Fragen. Er stellte klar, dass den Zeugen keine Anonymität gewährt werden könne, sofern dies nach den Umständen der Rechtssache nicht eindeutig erforderlich sei.

32      Am 20. Februar 2009 ließ die FRA dem Kläger ein mit „Rechtlicher Rahmen der Verwaltungsuntersuchung“ überschriebenes Dokument zukommen, das der Direktor nach Anhörung des Ermittlers erstellt hatte.

33      Der Ermittler beraumte drei aufeinanderfolgende Anhörungssitzungen an, von denen die erste am 2. und 3. März 2009, die zweite am 23., 24. und 25. März 2009 und die dritte am 23. und 24. April 2009 stattfand. In der ersten Sitzung hörte er den Kläger sowie die Herren M. und A. an. In der zweiten Anhörungssitzung hörte der Ermittler neben dem Kläger und Herrn M. drei von Herrn M. benannte Zeugen sowie zwei weitere Bedienstete an, deren Anhörung ihm notwendig erschien. Im Rahmen der dritten Anhörungssitzung schließlich wurden der Kläger, Herr M. und drei weitere Bedienstete angehört.

34      In einem am 22. Juni 2009 zum Schluss seiner internen Untersuchung erstellten Bericht kam das OLAF zu dem Ergebnis, dass die im Schreiben vom 25. Juni 2007 enthaltenen Behauptungen nicht begründet seien, und empfahl, dieser Untersuchung keine disziplinarischen oder strafrechtlichen Maßnahmen folgen zu lassen. Der Bericht wurde dem Direktor der FRA mit Schreiben vom 25. Juni 2009 übermittelt.

35      Am 16. Juli 2009 erstellte der Ermittler einen Untersuchungsberichtsentwurf. In diesem Entwurf kam er zu dem Ergebnis, dass kein Mobbing vorgelegen habe. Ferner schlug er der FRA vor, Herrn M. in Anbetracht seiner Verantwortung für das Vorliegen einer „intensiven Atmosphäre der Angst“ innerhalb der Einheit 1 „Verwaltung“ zu verwarnen. Der Berichtsentwurf wurde dem Kläger sowie den Herren M. und A. übermittelt.

36      Am 31. August 2009 nahm der Kläger schriftlich zum Berichtsentwurf Stellung.

37      Am 15. September 2009 erstellte der Ermittler die Endfassung des Untersuchungsberichts (im Folgenden: Endbericht). Darin bekräftigte er seine Auffassung zum Nichtvorliegen eines Mobbings.

38      Am 16. September 2009 wurde dem Kläger der Endbericht übermittelt und ihm Gelegenheit gegeben, alle zweckdienlichen Bemerkungen vorzutragen, was er am 22. September 2009 tat.

39      Mit Entscheidung vom 16. Oktober 2009, die dem Kläger am selben Tag zugestellt wurde, beschloss der Direktor der FRA, kein Disziplinarverfahren gegen die Herren M. und A. zu eröffnen (im Folgenden: streitige Entscheidung). Der Direktor räumte ein, dass die Beziehungen zwischen dem Kläger einerseits und den Herren M. und A. andererseits – insbesondere aufgrund eines „Aufeinanderpralls der Persönlichkeiten“ und „unterschiedlicher Konzepte in Bezug auf soziale Interaktionen“ – konfliktreich gewesen seien und dass Herr M., um die Spannungen zu entschärfen und eine für den Kläger günstige Arbeitsumgebung zu schaffen, hätte versuchen können, den Konflikt auf eine andere Art und Weise zu lösen. Er hob jedoch hervor, dass ein tatsächliches Vorliegen von Mobbing nicht habe nachgewiesen werden können. In Anbetracht der zuvor dargelegten Umstände war der Direktor schließlich der Auffassung, dass die dem Kläger im Rahmen der Untersuchung entstandenen erheblichen Kosten zu erstatten seien.

40      In ihren Schriftsätzen trägt die FRA vor, noch am 16. Oktober 2009 habe sich der Direktor der FRA nacheinander mit den Herren A. und M. ins Benehmen gesetzt, um sie an die im Dienst anzuwendenden Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und an ihre Verpflichtung zur Verbesserung der alltäglichen Umsetzung dieser Grundsätze zu erinnern.

41      Mit Wirkung vom 1. Januar 2010 wurde der Vertrag des Klägers auf unbestimmte Zeit verlängert.

42      Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 legte der Kläger eine Beschwerde gegen die streitige Entscheidung ein.

43      Mit Entscheidung vom 6. April 2010, die am darauffolgenden 7. April zugestellt wurde, wies der Direktor der FRA die Beschwerde zurück.

 Verfahren und Anträge der Parteien

44      Die vorliegende Klage ist am 16. Juli 2010 erhoben worden.

45      Der Kläger beantragt,

–        die streitige Entscheidung aufzuheben;

–        falls erforderlich, die Entscheidung vom 6. April 2010 über die Zurückweisung der Beschwerde aufzuheben;

–        festzustellen, dass er einem Mobbing durch die Herren M. und A. ausgesetzt war, und die erforderlichen disziplinarischen Maßnahmen anzuordnen; hilfsweise i) eine faire, unabhängige und unparteiische erneute Verwaltungsuntersuchung zu eröffnen und ein Sachverständigengremium für die Durchführung der Verwaltungsuntersuchung einzurichten sowie ii) alle Maßnahmen zu treffen, die zur Gewährleistung einer fairen Untersuchung ohne jeden Druck und ohne jede Einflussnahme erforderlich sind;

–        Ersatz des ihm entstandenen materiellen Schadens, der vorläufig auf 71 823,23 Euro beziffert wird;

–        Ersatz des aufgrund der Art der Durchführung der gesamten Untersuchung und der getroffenen streitigen Entscheidung entstandenen immateriellen Schadens in Höhe von 85 000 Euro;

–        der FRA die Kosten aufzuerlegen.

46      Die FRA beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

47      Der den Parteien vom Berichterstatter unterbreitete Vorschlag für eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hat sich als nicht erfolgreich erwiesen.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Antrag auf Aufhebung der Entscheidung vom 6. April 2010 über die Zurückweisung der Beschwerde

48      Nach ständiger Rechtsprechung bewirkt ein Aufhebungsantrag, der formal gegen die Entscheidung über die Zurückweisung einer Beschwerde gerichtet ist, in einem Fall, in dem diese Entscheidung keinen eigenständigen Gehalt hat, dass das Gericht mit der Maßnahme befasst wird, gegen die die Beschwerde gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, Randnr. 8; Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2009, Hoppenbrouwers/Kommission, F‑104/07, Randnr. 31). Daher ist der Aufhebungsantrag, da die Entscheidung vom 6. April 2010 über die Zurückweisung der Beschwerde keinen eigenständigen Gehalt hat, als allein gegen die streitige Entscheidung gerichtet anzusehen.

 Zum Antrag auf Feststellung, dass der Kläger einem Mobbing ausgesetzt war

49      Da mit dem vorgenannten Antrag in Wirklichkeit begehrt wird, dass das Gericht bestimmte Klagegründe, auf die der Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung gestützt wird, für berechtigt erklärt, ist er folglich für unzulässig zu erklären (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 30. November 1993, Vienne/Parlament, T‑15/93, Randnr. 13).

 Zum Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung

50      Zur Stützung des Antrags auf Aufhebung der streitigen Entscheidung bringt der Kläger mehrere Klagegründe vor, mit denen u. a.

–        die mangelnde Unparteilichkeit des Ermittlers,

–        die Weigerung des Ermittlers, den Zeugen Anonymität zuzusichern,

–        ein Rechtsfehler bei der Auslegung des Rechtsbegriffs „Mobbing“,

–        ein offensichtlicher Beurteilungsfehler des Ermittlers bei dessen Weigerung, das Vorliegen eines Mobbings festzustellen,

geltend gemacht werden.

51      Zunächst sind der Klagegrund der mangelnden Unparteilichkeit des Ermittlers und der Klagegrund zu prüfen, mit dem die Rechtswidrigkeit von dessen Weigerung geltend gemacht wird, den Zeugen Anonymität zuzusichern.

 Vorbringen der Parteien

52      Zum ersten Klagegrund der behaupteten mangelnden Unparteilichkeit des Ermittlers führt der Kläger aus, dieser habe, als er mit der Durchführung der Untersuchung beauftragt worden sei, dem Vorstand des IMR vorgesessen. Vor seiner Ernennung zum Direktor der FRA am 1. Juni 2008 sei Herr Kjærum jedoch geschäftsführender Direktor desselben Instituts gewesen. Zudem habe das IMR mit der FRA einen wichtigen Vertrag über die Bereitstellung von Informationen über die Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung abgeschlossen, und der Ermittler und Herr Kjærum seien Koautoren eines wissenschaftlichen Werks. Daher habe der Ermittler, so der Kläger, ein Interesse daran gehabt, das Ansehen der FRA zu wahren und sie von jedem Mobbingvorwurf zu entlasten. Überdies sei auch die subjektive Unparteilichkeit des Ermittlers fraglich, wie insbesondere der wenig ausführliche Endbericht belege.

53      Zum zweiten Klagegrund, mit dem die Rechtswidrigkeit der Weigerung des Ermittlers geltend gemacht wird, den Zeugen Anonymität zuzusichern, trägt der Kläger vor, eine solche Weigerung, die gegen den „[r]echtliche[n] Rahmen der Verwaltungsuntersuchung“ verstoße, habe bestimmte Personen veranlasst, die Aussage zu verweigern oder aus Angst vor Repressalien nicht hinreichend aufrichtig auszusagen.

54      In Beantwortung beantragt die FRA, die vorgenannten Klagegründe zurückzuweisen.

55      Sie trägt zunächst vor, dem Akteninhalt lasse sich kein Anhaltspunkt für die Vermutung einer mangelnden Unparteilichkeit des Ermittlers gegenüber dem Kläger und den von diesem beschuldigten Bediensteten entnehmen. Insbesondere gäben weder der Umstand, dass der Ermittler und der Direktor in der Vergangenheit Arbeitsbeziehungen im Rahmen des IMR unterhalten hätten, noch das Vorliegen einer Geschäftsbeziehung zwischen der FRA und diesem Institut insoweit Anlass zu Zweifeln.

56      Die FRA erklärt sodann, dass die Umstände der Rechtssache die Anonymität der Zeugen nicht erfordert hätten; zudem hätte die Anonymität in Anbetracht der geringen Größe der Agentur jedenfalls keine Garantie für die Zeugen dargestellt.

 Würdigung durch das Gericht

57      Vorab ist festzustellen, dass sich der Direktor beim Erlass der streitigen Entscheidung im Wesentlichen sowohl auf die im Lauf der Untersuchung gesammelten Erkenntnisse des Ermittlers als auch auf die von diesem im Endbericht zum Ausdruck gebrachten Ergebnisse gestützt hat. Dies belegt die Tatsache, dass der Direktor den Vorwurf des Mobbings im Wortlaut der streitigen Entscheidung unter Bezugnahme auf die Rechtssache „in der Darstellung im Endbericht des Ermittlers“ ausdrücklich zurückgewiesen hat.

58      Somit ist festzustellen, ob die Untersuchung, wie der Kläger vorträgt, unter nicht ordnungsgemäßen Bedingungen durchgeführt worden ist.

–       Zur mangelnden Unparteilichkeit des Ermittlers

59      Der Kläger zieht sowohl die objektive als auch die subjektive Unparteilichkeit des Ermittlers in Zweifel. Dieser habe sich nicht nur aufgrund seiner Position innerhalb des IMR objektiv in einer Situation befunden, die Zweifel an seiner Unabhängigkeit hätten aufkommen lassen können; es habe ihm ferner auch bei der tatsächlichen Durchführung der Untersuchung an Unparteilichkeit gefehlt.

60      In diesem Zusammenhang lässt sich, was die objektive Unparteilichkeit des Ermittlers angeht, dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, noch behauptet dies der Kläger, dass der Ermittler den unmittelbar vom Beistandsersuchen Betroffenen – also dem Kläger und den beiden von diesem des Mobbings beschuldigten Bediensteten – nahegestanden hätte. Im Übrigen kann der bloße Umstand, dass Herr Kjærum und der Ermittler in der Vergangenheit Arbeitsbeziehungen innerhalb des IMR unterhielten und sie angeblich Koautoren eines wissenschaftlichen Werks sind, nicht dazu führen, dass die Unabhängigkeit des Ermittlers bei der Durchführung der Untersuchung beeinträchtigt gewesen wäre oder in den Augen Dritter als beeinträchtigt hätte erscheinen können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 11. September 2002, Willeme/Kommission, T‑89/01, Randnr. 58).

61      Allerdings steht fest, dass das IMR, dessen Vorstand der Ermittler zum Zeitpunkt seiner Beauftragung mit der Durchführung der Untersuchung vorsaß, mit der FRA einen Vertrag über einen Betrag von beinahe 500 000 Euro abgeschlossen hatte, um dieser Informationen über die Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung in Dänemark zwischen 2007 und 2008 zu liefern. Im Übrigen konnte dieser Vertrag zum Zeitpunkt der Durchführung der Untersuchung durch den Ermittler noch mehrmals verlängert werden, wie die FRA in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

62      Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte waren die Existenz und der Umfang der Geschäftsbeziehung zwischen der FRA und dem IMR daher geeignet, beim Kläger begründete Bedenken hinsichtlich der objektiven Unparteilichkeit des Ermittlers aufkommen zu lassen, da der Betroffene zu Recht befürchten konnte, dass dieser – in dem Bestreben, die bestehende Geschäftsbeziehung aufrechtzuerhalten – von dem Willen geleitet war, das Ansehen der Agentur zu schonen.

63      Zwar nahm der Ermittler innerhalb des IMR keine unmittelbar geschäftsführenden Aufgaben wahr, da diese dem Direktor und den Verantwortlichen der verschiedenen Abteilungen des Instituts oblagen. Dem Akteninhalt lässt sich jedoch die zentrale Rolle des Vorstands – und damit seines Vorsitzenden – bei der Arbeitsweise des IMR entnehmen. Dies belegt die Tatsache, dass das IMR in einem auf seiner Internetseite im Juni 2008 veröffentlichten Editorial angegeben hat, dass der Vorstand unter dem Vorsitz von Herrn Jensen weiterhin die „allgemeine Richtung des [IMR]“ überwachen werde. Auf der Website des IMR wurde im selben Zeitraum ferner hervorgehoben, dass der Vorstand „für alle sachlichen und beruflichen Fragen, einschließlich Forschung und Strategie, verantwortlich“ sei.

64      Folglich erfüllte der Ermittler, dessen Sekretariat darüber hinaus von einer der Assistentinnen des Direktors der FRA geführt wurde, nicht die Voraussetzungen, die erforderlich waren, um seine objektive Unparteilichkeit nicht in Frage stellen zu können.

65      Der Kläger macht daher zu Recht geltend, dass die Untersuchung aus diesem Grund unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles rechtsfehlerhaft gewesen sei.

66      Was die subjektive Unparteilichkeit des Ermittlers angeht, ist es, auch wenn der Akteninhalt nicht den Schluss zulässt, dass dieser die Untersuchung zugunsten der vom Kläger beschuldigten Bediensteten durchgeführt hätte, nach Ansicht des Gerichts bedauerlich, dass er den Herren M. und A. im Lauf der Untersuchung den gesamten Schriftverkehr zwischen der FRA einerseits sowie dem Kläger und seinen Beiständen andererseits übermittelt hat, obwohl ein Teil dieses Schriftverkehrs, der sich auf einen Antrag auf Übernahme der vom Kläger aufgewendeten Anwaltshonorare durch die FRA bezieht, weder Herrn M. noch Herrn A. betraf.

67      Ebenso hat der Ermittler, obwohl der Kläger seinem Beistandsersuchen zahlreiche Unterlagen beigefügt hatte, der Erörterung der Begründetheit der vorgebrachten Klagegründe von zwölf Seiten, die der Endbericht umfasst, weniger als drei sachdienliche – im Übrigen wenig detaillierte – Seiten gewidmet, während sich der Rest des Berichts auf die Darstellung des von den Parteien nicht bestrittenen Sachverhalts, auf die Wiedergabe der Rechtsvorschriften und auf die Beschreibung des Verfahrens beschränkt.

–       Zur Weigerung, den Zeugen Anonymität zuzusichern

68      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Direktor den „[r]echtliche[n] Rahmen der Verwaltungsuntersuchung“ in Zusammenarbeit mit dem Ermittler vor Beginn der Untersuchungsmaßnahmen festgelegt hat. Dieser rechtliche Rahmen, dessen Geltung für die Parteien von diesen nicht in Abrede gestellt wird, umfasste eine Rubrik, die mit „Modalitäten der Zeugenanhörung“ überschrieben war und u. a. vorsah, dass „den Zeugen gegenüber keiner Partei Anonymität gewährt werden [könne], es sei denn, besondere Umstände [zeigten] eindeutig die Notwendigkeit der Anonymität“.

69      Somit ist zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall besondere Umstände geboten, dass der Ermittler sowohl den Zeugen Anonymität gewährte, die er angehört hat, als auch denen, die er hätte anhören können.

70      Diese Frage ist im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles von Seiten des Gerichts zu bejahen.

71      Der Ermittler war sich der Schwierigkeiten für die Bediensteten, auszusagen, ohne die Gewähr dafür zu haben, dass ihre Identität den beiden des Mobbings beschuldigten Personen nicht mitgeteilt würde, nämlich selbst vollkommen bewusst. So hat er im Endbericht darauf hingewiesen, dass er „in zahlreichen Fällen [habe] beobachten können, dass die Bediensteten der FRA – insbesondere der Einheit 1 ‚Verwaltung‘ – aus Angst vor Repressalien nicht bereit waren, auszusagen, ja sich sogar dagegen wehrten“, und dass insbesondere einer von ihnen, dem die Anonymität trotz seines Antrags verweigert worden war, „die Aussage verweigert hatte“. Der Ermittler hat ferner festgestellt, dass, auch wenn „sich andere Personen trotz ihrer anfänglichen Vorbehalte letztlich bereit erklärt hatten, auszusagen, [er den] sehr deutlichen Eindruck [gehabt habe], dass sie weit davon entfernt [gewesen seien], alles zu sagen, was sie hätten sagen können“, und dass „[er folglich] die Möglichkeit nicht ausschließen [könne], dass die vorliegende Untersuchung nicht alles ans Licht hat bringen können und etwaige spätere Untersuchungsverfahren auch nicht ergiebiger wären“. Am Schluss des Endberichts hat der Ermittler schließlich klargestellt, dass „die gemachten Zeugenaussagen“ in Anbetracht der aufgetretenen Schwierigkeiten, die Bediensteten zur Aussage zu bewegen, „sehr beschränkt gewesen [waren]“.

72      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Ermittler mit der Hervorhebung dieser Schwierigkeiten zugleich herausgestellt hat, dass die Untersuchung es ermöglicht habe, eine „intensive Atmosphäre der Angst innerhalb der Einheit 1 ‚Verwaltung‘, die dazu geführt [habe], dass die Bediensteten es nicht gewagt [hätten], sich zu äußern, oder dabei jedenfalls sehr zurückhaltend [gewesen seien]“, ans Licht zu bringen.

73      Obwohl die vom Ermittler selbst festgestellten Anhaltspunkte diesen insgesamt veranlassen mussten, den Zeugen Anonymität zuzusichern, hat er dies trotz eines entsprechenden Antrags des Klägers in widersprüchlicher Weise nicht getan.

74      Zwar hat der Ermittler seine Weigerung, den vom Kläger benannten Zeugen Anonymität zuzusichern, im Endbericht damit begründet, dass ein solcher Schutz illusorisch gewesen wäre, da die im Beistandsersuchen beschuldigten Personen nach seiner Auffassung mit hoher Wahrscheinlichkeit zwangsläufig hätten in Erfahrung bringen können, woher die Informationen stammten. Es steht jedoch keinesfalls fest, dass der Ermittler, wenn Anonymität gewährt worden wäre, den Zeugen keinen angemessenen Schutz hätte zusichern können, es ihm insbesondere unmöglich gewesen wäre, Anhörungsprotokolle unter Bedingungen zu erstellen, die eine Identifizierung der Beteiligten verhindert hätten.

75      Im Übrigen ist festzustellen, dass der vom Kläger hauptsächlich beschuldigte Bedienstete – Herr M. – dem Direktor, dessen Untergebener er gleichwohl war, am 6. Februar 2009 ein Schreiben übersandt hat, in dem er diesen darauf hinwies, dass die „Anonymität [der Zeugen] unter keinen Umständen akzeptiert werden [könne]“. In Anbetracht des vom Ermittler selbst beschriebenen Kontexts, insbesondere der „intensiven Atmosphäre der Angst innerhalb der Einheit 1 ‚Verwaltung‘“, bestätigen die Existenz eines solchen Schreibens und dessen Wortlaut, dass die Anonymität der Zeugen eine Notwendigkeit darstellte, damit die Untersuchung unter angemessenen Bedingungen durchgeführt werden konnte.

76      Unter diesen Umständen ist das Gericht der Ansicht, dass die Weigerung des Ermittlers, den Zeugen Anonymität zuzusichern, es diesem nicht ermöglicht hat, eine vollständige Prüfung der Umstände des vorliegenden Falles vorzunehmen, und die Untersuchung demnach rechtsfehlerhaft ist.

77      Folglich ist, soweit sich der Direktor, wie festgestellt worden ist, beim Erlass der streitigen Entscheidung auf den Endbericht gestützt hat, davon auszugehen, dass dieser rechtswidrig ist.

78      Da den ersten beiden gegen die streitige Entscheidung vorgebrachten Klagegründen stattgegeben wurde, ist diese aufzuheben, ohne dass die übrigen Klagegründe, insbesondere diejenigen, mit denen ein Rechtsfehler bei der Auslegung des Rechtsbegriffs „Mobbing“ und das Vorliegen eines Mobbings geltend gemacht werden, geprüft zu werden brauchten.

 Zum Schadensersatzantrag

 Vorbringen der Parteien

79      Der Kläger beantragt die Verurteilung der FRA zum Ersatz des ihm aufgrund des Mobbings angeblich entstandenen materiellen Schadens in Höhe von insgesamt 71 823,23 Euro.

80      Im Übrigen beantragt der Kläger, die FRA zu verurteilen, an ihn den Betrag von 85 000 Euro als Ersatz des ihm aufgrund des erlittenen Mobbings einerseits und der Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidung über die Ablehnung der Feststellung dieses Mobbings andererseits entstandenen immateriellen Schadens zu zahlen.

81      Die FRA beantragt, den Schadensersatzantrag zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

82      Zum Antrag auf Verurteilung der FRA zum Ersatz des aufgrund des Mobbings erlittenen materiellen und immateriellen Schadens ist erstens darauf hinzuweisen, dass Gegenstand von Art. 24 Abs. 2 des Statuts der Ersatz des Schadens ist, der einem Beamten oder einem Bediensteten durch die in Abs. 1 dieses Artikels genannten Handlungen entsteht, die von Dritten oder anderen Beamten ausgehen, soweit er diesen nicht vom Urheber ersetzt bekommen konnte (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2006, Schmidt‑Brown/Kommission, C‑365/05 P, Randnr. 78). Die Schadensersatzklage eines Beamten oder eines Bediensteten nach Art. 24 Abs. 2 des Statuts ist somit nur zulässig, wenn die Rechtsmittel im nationalen Recht erschöpft sind, soweit diese einen wirksamen Schutz der Betroffenen gewährleisten und zum Ersatz des behaupteten Schadens führen können (vgl. Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. März 2005, L/Kommission, T‑254/02, Randnr. 148; Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 12. Juli 2011, Kommission/Q, T‑80/09 P, Randnr. 67).

83      Im vorliegenden Fall steht jedoch weder fest noch ist überhaupt vorgetragen worden, dass der Kläger, um Ersatz des aus dem behaupteten Mobbing entstandenen Schadens zu erhalten, die Rechtsmittel im nationalen Recht ausgeschöpft hätte oder dass diese ihm keinen wirksamen Schutz gewährleistet hätten. Folglich ist der Antrag auf Ersatz dieses Schadens als unzulässig zurückzuweisen.

84      Zum Antrag auf Verurteilung der FRA zum Ersatz des aus der Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidung entstandenen immateriellen Schadens ist zweitens darauf hinzuweisen, dass die Aufhebung eines rechtswidrigen Akts nach ständiger Rechtsprechung als solche einen angemessenen und grundsätzlich hinreichenden Ausgleich für einen etwaigen immateriellen Schaden bieten kann, den dieser Akt verursacht haben mag (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 1987, Hochbaun und Rawes/Kommission, 44/85, 77/85, 294/85 und 295/85, Randnr. 22; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. November 2004, Montalto/Rat, T‑116/03, Randnr. 127; Urteil des Gerichts vom 8. Mai 2008, Suvikas/Rat, F‑6/07, Randnr. 151), es sei denn, der Kläger weist nach, dass er einen immateriellen Schaden erlitten hat, der losgelöst von der Rechtswidrigkeit betrachtet werden könnte, auf der die Aufhebung beruht, und der durch diese Aufhebung nicht in vollem Umfang wiedergutgemacht werden könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Februar 1990, Culin/Kommission, C‑343/87, Randnrn. 27 f.; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Juni 2006, Girardot/Kommission, T‑10/02, Randnr. 131).

85      Im vorliegenden Fall enthält die streitige Entscheidung zwar keine Beurteilung der Fähigkeiten oder des Verhaltens des Klägers, die geeignet ist, ihn zu verletzen. In Anbetracht der kritikwürdigen Umstände, unter denen das Beistandsersuchen bearbeitet worden ist, und der durchgeführten Untersuchung könnte die Aufhebung dieser Entscheidung als solche jedoch keinen angemessenen und hinreichenden Ausgleich für den durch sie verursachten, auf der Verunsicherung und Beunruhigung durch ihre Rechtswidrigkeit beruhenden immateriellen Schaden bieten. Folglich ist die FRA zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5 000 Euro zu zahlen.

 Kosten

86      Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels ihres Zweiten Titels auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 Abs. 2 kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.

87      Wie sich aus den Gründen des vorliegenden Urteils ergibt, ist die FRA die im Wesentlichen unterliegende Partei. Zudem hat der Kläger ausdrücklich beantragt, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Umstände des vorliegenden Falles die Anwendung von Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, hat die FRA sowohl ihre eigenen Kosten als auch die des Klägers zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte vom 16. Oktober 2009 wird aufgehoben.

2.      Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte wird verurteilt, an Herrn Allgeier einen Betrag in Höhe von 5 000 Euro zu zahlen.

3.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4.      Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte trägt sowohl ihre eigenen Kosten als auch die von Herrn Allgeier.

Kreppel

Perillo

Barents

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. September 2012.

Die Kanzlerin

 

      Der Präsident

W. Hakenberg

 

      H. Kreppel


* Verfahrenssprache: Englisch.