Language of document : ECLI:EU:C:2014:41

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 30. Januar 2014(1)

Rechtssache C‑658/11

Europäisches Parlament

gegen

Rat der Europäischen Union

„Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Mauritius über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Republik Mauritius – Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Entwicklungszusammenarbeit – Wahl der Rechtsgrundlage – Art. 218 Abs. 6 und 10 AEUV“





1.        Mit der vorliegenden Klage wird der Gerichtshof im Kontext der Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias aufgefordert, die Grenze zwischen drei Bereichen des auswärtigen Handelns der Europäischen Union, nämlich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), der Außendimension des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (im Folgenden: RFSR) und der Entwicklungszusammenarbeit, genau festzulegen.

2.        Diese Rechtssache zeigt – insbesondere nach dem Urteil vom 19. Juli 2012, Parlament/Rat(2), auf dem Gebiet der Bekämpfung des internationalen Terrorismus – erneut auf, dass das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon trotz des formalen Verschwindens der Pfeiler nicht die Notwendigkeit hat entfallen lassen, die jeweiligen Anwendungsbereiche der verschiedenen Unionspolitiken voneinander abzugrenzen.

3.        Diese Aufgabe erweist sich deshalb als schwierig, weil es um das Sicherheitsziel geht. Dieses Ziel ist der GASP und dem RFSR nämlich gemeinsam. Das genannte Ziel hängt auch mit der Politik der Entwicklungszusammenarbeit zusammen, da die Sicherheit eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung der betreffenden Staaten darstellt.

4.        Die Vornahme einer Abgrenzung zwischen den Unionspolitiken ist aufgrund der die GASP im Verhältnis zu den übrigen Unionspolitiken kennzeichnenden Besonderheit jedoch unerlässlich.

5.        Diese Besonderheit zeichnet sich u. a. durch die beschränkte Rolle des Europäischen Parlaments im Rahmen der GASP aus. Aus diesem Blickwinkel stellt die Festlegung klarer Kriterien zur Bestimmung des Anwendungsbereichs dieser Politik im Verhältnis zu den übrigen Bereichen des auswärtigen Handelns der Union eine gewisse verfassungsrechtliche Herausforderung dar.

6.        Mit seiner Klage beantragt das Parlament die Nichtigerklärung des Beschlusses 2011/640/GASP des Rates vom 12. Juli 2011 über die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Republik Mauritius über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Republik Mauritius und über die Behandlung mutmaßlicher Seeräuber nach der Überstellung(3).

7.        Der streitige Beschluss ist auf Art. 37 EUV sowie auf Art. 218 Abs. 5 und 6 AEUV gestützt.

8.        Nach dem Wortlaut von Art. 37 EUV, der zu Kapitel 2 („Besondere Bestimmungen über die [GASP]“) des Titels V des EU-Vertrags gehört, kann „[d]ie Union … in den unter dieses Kapitel fallenden Bereichen Übereinkünfte mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen schließen“.

9.        Art. 218 AEUV enthält die Vorschriften über die Aushandlung, die Unterzeichnung und den Abschluss völkerrechtlicher Übereinkünfte. Er hat folgenden Wortlaut:

„(1) Unbeschadet der besonderen Bestimmungen des Artikels 207 werden Übereinkünfte zwischen der Union und Drittländern oder internationalen Organisationen nach dem im Folgenden beschriebenen Verfahren ausgehandelt und geschlossen.

(2) Der Rat erteilt eine Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen, legt Verhandlungsrichtlinien fest, genehmigt die Unterzeichnung und schließt die Übereinkünfte.

(3) Die Kommission oder, wenn sich die geplante Übereinkunft ausschließlich oder hauptsächlich auf die [GASP] bezieht, der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik legt dem Rat Empfehlungen vor; dieser erlässt einen Beschluss über die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen und über die Benennung, je nach dem Gegenstand der geplanten Übereinkunft, des Verhandlungsführers oder des Leiters des Verhandlungsteams der Union.

(5) Der Rat erlässt auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss, mit dem die Unterzeichnung der Übereinkunft und gegebenenfalls deren vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten genehmigt werden.

(6) Der Rat erlässt auf Vorschlag des Verhandlungsführers einen Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft.

Mit Ausnahme der Übereinkünfte, die ausschließlich die [GASP] betreffen, erlässt der Rat den Beschluss über den Abschluss der Übereinkunft

a)      nach Zustimmung des … Parlaments in folgenden Fällen:

v)      Übereinkünfte in Bereichen, für die entweder das ordentliche Gesetzgebungsverfahren oder, wenn die Zustimmung des … Parlaments erforderlich ist, das besondere Gesetzgebungsverfahren gilt.

b)      nach Anhörung des … Parlaments in den übrigen Fällen. …

(10)      Das … Parlament wird in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet.

…“

10.      Zur Stützung seiner Klage bringt das Parlament zwei Klagegründe vor.

11.      Mit seinem ersten Klagegrund macht das Parlament geltend, das Abkommen zwischen der Europäischen Union und der Republik Mauritius über die Bedingungen für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden beschlagnahmten Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft an die Republik Mauritius und über die Behandlung mutmaßlicher Seeräuber nach der Überstellung(4) betreffe im Sinne von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV nicht ausschließlich die GASP, da Zweck und Inhalt des Abkommens auch mit der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, der polizeilichen Zusammenarbeit und der Entwicklungszusammenarbeit in Verbindung stünden und für diese Bereiche das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gelte. Daher hätte der Beschluss über den Abschluss des Abkommens gemäß Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a Ziff. v AEUV nach Zustimmung des Parlaments erlassen werden müssen.

12.      Mit seinem zweiten Klagegrund trägt das Parlament vor, der Rat habe dadurch gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV verstoßen, dass er es nicht in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet habe.

13.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 5. Juni 2012 sind die Tschechische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Königreich Schweden sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

14.      Die Kommission ihrerseits ist als Streithelferin zur Unterstützung des Parlaments in der mündlichen Verhandlung zugelassen worden.

I –    Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV

A –    Zur Auslegung des Begriffs der Übereinkünfte, die ausschließlich die GASP betreffen

15.      Das Parlament vertritt eine enge Auslegung des Begriffs der Übereinkünfte, die ausschließlich die GASP betreffen. Der Rat sei nur in Ausnahmefällen befugt, völkerrechtliche Übereinkünfte ohne die Zustimmung oder Anhörung des Parlaments zu schließen, und zwar nur dann, wenn diese Übereinkünfte, da sie nichts enthielten, was sich auf andere Unionspolitiken beziehe, ausschließlich die GASP beträfen.

16.      Zu dem im Rahmen der vorliegenden Klage in Rede stehenden Abkommen trägt das Parlament vor, dieses enthalte Komponenten, die sich auf drei verschiedene Unionspolitiken, nämlich die GASP, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen sowie die Entwicklungszusammenarbeit, bezögen. Es genüge, dass eine dieser Komponenten – wenn auch nur sekundär oder nebenbei – im Abkommen vorhanden sei, damit die Verpflichtung zur Einholung der Zustimmung des Parlaments gelte. In einem solchen Fall sei das Abkommen, so das Parlament, nämlich nicht so anzusehen, als betreffe es ausschließlich die GASP.

17.      Der Rat vertritt im Gegensatz dazu die Auffassung, das Abkommen enthalte keine anderen Komponenten als diejenige, die sich – hauptsächlich oder nebenbei – auf die GASP beziehe. Selbst wenn solche Komponenten ausgemacht werden könnten, wären sie nur von untergeordneter Bedeutung, so dass sie die Hinzufügung einer weiteren Rechtsgrundlage nicht erforderlich machten. Da sich die gewählte Rechtsgrundlage in materieller Hinsicht ausschließlich auf die GASP beziehe, sei daraus abzuleiten, dass das Abkommen in prozeduraler Hinsicht im Sinne von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV „ausschließlich die [GASP] [betrifft]“, so dass das Parlament seine Zustimmung nicht zu erteilen habe, damit der Rat den Beschluss über den Abschluss dieses Abkommens erlassen könne.

18.      Wie der Rat und die Mitgliedstaaten, die im Rahmen der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer beigetreten sind, bin ich der Ansicht, dass Übereinkünfte im Sinne von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV „ausschließlich die [GASP] betreffen“, wenn der Beschluss über den Abschluss dieser Übereinkünfte ausschließlich auf eine materielle Rechtsgrundlage, die sich auf die GASP bezieht, gestützt wird, d. h. unter Ausschluss jeder anderen materiellen Rechtsgrundlage.

19.      Es wäre nach meinem Dafürhalten inkohärent, die Frage des für den Abschluss einer völkerrechtlichen Übereinkunft geltenden Verfahrens losgelöst von der Vorfrage der Ermittlung der materiellen Rechtsgrundlage zu prüfen, die der Union die Befugnis zur Annahme einer solchen Übereinkunft verleiht, da diese beiden Fragen eng miteinander verknüpft sind. Eine solche Trennung hätte eine doppelte Prüfung zur Folge, die die Festlegung neuer Kriterien voraussetzt, um feststellen zu können, ob eine Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft, mit ungewissen Ergebnissen, die zu Rechtsunsicherheit führen.

20.      Somit ist die materielle Rechtsgrundlage zu ermitteln, die die Union zur Annahme einer völkerrechtlichen Übereinkunft ermächtigt, bevor die prozedurale Rechtsgrundlage für diese Ermächtigung ermittelt wird. Ein solcher Ansatz wird im Übrigen durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, wonach „nicht die Verfahren für die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts maßgebend [sind], sondern die Rechtsgrundlage … maßgebend [ist] für die beim Erlass des Rechtsakts anzuwendenden Verfahren“(5).

21.      Im Rahmen der Prüfung der Frage, ob eine Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft, kommt es entgegen dem Vorbringen des Parlaments also nicht so sehr darauf an, ob die betreffende Übereinkunft auch – sekundär – andere Bereiche als die GASP betrifft. Daher genügt es nicht, dass eine Übereinkunft zusätzlich oder nebenbei andere Bereiche als die GASP betrifft, damit gemäß Art. 218 Abs. 6 AEUV die vorherige Anhörung oder Zustimmung des Parlaments erforderlich ist.

22.      Entgegen dem Willen der Verfasser der Verträge, dem Parlament eine beschränkte Rolle im Bereich der GASP zuzuweisen, würde die von diesem Organ vorgeschlagene Auslegung bedeuten, dass für den Erlass nahezu sämtlicher völkerrechtlicher Übereinkünfte das Parlament angehört oder seine Zustimmung eingeholt werden müsste. Da die Union gemäß Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV auf die Kohärenz zwischen den einzelnen Bereichen ihres auswärtigen Handelns sowie zwischen diesen und ihren übrigen Politikbereichen achten muss, kommt es nämlich selten vor, dass eine im Bereich der GASP geschlossene Übereinkunft nicht auch – zumindest nebenbei – andere Unionspolitiken betrifft.

23.      Wie der Rat zu Recht feststellt, wäre, sollte der Auffassung des Parlaments gefolgt werden, dessen Zustimmung für zahlreiche Übereinkünfte erforderlich, die lediglich eine GASP-Rechtsgrundlage haben, da sie aufgrund des Bestehens allgemeiner und umfassender Zielsetzungen im Bereich der Außenbeziehungen sowie des Kohärenzerfordernisses häufig irgendeine Verbindung mit anderen Unionspolitiken aufweisen. Beispielsweise würde aus der unleugbaren Vernetzung zwischen der Sicherheit, der Entwicklung und den Menschenrechten folgen, dass sich sehr häufig geltend machen ließe, in einem dieser drei Bereiche getroffene Maßnahmen wirkten sich auch auf die beiden anderen aus und beträfen für die Zwecke von Art. 218 Abs. 6 AEUV daher auch diese Bereiche. Dies ist jedoch nicht der Geist der Verträge. Diese haben die verschiedenen Unionspolitiken und die entsprechenden Rechtsgrundlagen, mit deren Hilfe die genannten horizontalen Ziele erreicht werden sollen, im Gegenteil weder gestrichen noch zusammengelegt; jede Maßnahme unterscheidet sich weiterhin von den anderen, hat ihre eigene Rechtsgrundlage und ist ihren eigenen Entscheidungsregeln unterworfen.

24.      Das Kohärenzerfordernis veranlasst den Rat, in die Rechtsakte, die er im Bereich der GASP erlässt, Elemente aufzunehmen, die sich auf andere Unionspolitiken beziehen. Aufgrund des Vorhandenseins solcher Elemente, auch wenn sie von untergeordneter Bedeutung sind, lässt sich nicht die Auffassung vertreten, der Schwerpunkt des Rechtsakts beziehe sich nicht auf die GASP. Die horizontalen Ziele und das Kohärenzerfordernis des auswärtigen Handelns der Union beseitigen ebenso wenig die Besonderheiten der einzelnen Unionspolitiken wie ihre Komplementarität die Eigenart jeder Politik beseitigt.

25.      GASP-Übereinkünfte können Elemente von lediglich untergeordneter Bedeutung enthalten, die zu anderen Unionspolitiken gehören, wenn sie eine so begrenzte Tragweite haben, dass sie die Hinzufügung einer weiteren Rechtsgrundlage nicht rechtfertigen. Daher beträfen solche Übereinkünfte auch für die Zwecke von Art. 218 Abs. 6 AEUV ausschließlich die GASP.

26.      Entgegen dem Vorbringen des Parlaments ist der Unterschied zwischen dem Wortlaut von Art. 218 Abs. 3 AEUV und dem von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV nicht geeignet, meine Würdigung zu ändern.

27.      Zwar ist es nach Art. 218 Abs. 3 AEUV Sache des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat Empfehlungen vorzulegen, „wenn sich die geplante Übereinkunft ausschließlich oder hauptsächlich auf die [GASP] bezieht“(6). Der Wortlaut dieser Vorschrift erwähnt also zwei Kategorien geplanter Übereinkünfte, nämlich solche, die ausschließlich die GASP betreffen, und solche, die diese Politik hauptsächlich betreffen. Das Parlament leitet aus der Existenz dieser beiden Kategorien in Art. 218 Abs. 3 AEUV ab, dass der Rat eine Übereinkunft gemäß Art. 218 Abs. 6 AEUV nicht schließen könne, ohne das Parlament an ihr zu beteiligen, wenn die Übereinkunft die GASP nur hauptsächlich, nicht aber ausschließlich betreffe.

28.      Es ist jedoch hervorzuheben, dass die beiden vorerwähnten Vorschriften zwei verschiedene Phasen des Verfahrens abdecken, das sich auf völkerrechtliche Übereinkünfte bezieht. Die erstgenannte Vorschrift betrifft die Bestimmung des Organs oder der Person, das bzw. die für die Vorlage von Empfehlungen an den Rat zwecks Aufnahme von Verhandlungen über eine geplante Übereinkunft zuständig ist. Dagegen betrifft die zweite Vorschrift das Verfahren zum Abschluss einer solchen Übereinkunft.

29.      Darüber hinaus bin ich ganz grundsätzlich der Ansicht, dass sich mit dem Unterschied im Wortlaut, den das Parlament anführt, die von diesem vertretene Auffassung nicht untermauern lässt, da sie mit dem System unvereinbar ist, auf dem Art. 218 Abs. 6 AEUV beruht.

30.      Art. 218 Abs. 6 AEUV stellt nämlich eine Symmetrie zwischen dem Verfahren zum Erlass von Maßnahmen im Innen- und im Außenbereich her. Mit anderen Worten beruht diese Vorschrift auf einem Parallelismus zwischen den Befugnissen des Parlaments im Innenbereich und seinen Befugnissen im Außenbereich. Es widerspräche dem Wortlaut und dem Geist der genannten Vorschrift, wenn dem Parlament beim Erlass eines die Unterzeichnung und den Abschluss einer völkerrechtlichen Übereinkunft betreffenden Beschlusses mehr Befugnisse verliehen würden als diejenigen, über die es beim Erlass eines internen Rechtsakts verfügt, der keinen solchen Gegenstand hat.

31.      Außerdem würde die vom Parlament vertretene Auslegung das institutionelle Gleichgewicht stören, das durch den Vertrag von Lissabon geschaffen worden ist, der eine beschränkte Rolle des Parlaments bei der Festlegung und Durchführung der GASP – unabhängig davon, ob dies mittels einseitiger Rechtsakte oder völkerrechtlicher Übereinkünfte geschieht – vorsieht.

32.       Bei Art. 218 Abs. 6 AEUV handelt es sich, worauf die Tschechische Republik hinweist, um eine prozedurale Vorschrift, deren Ziel darin besteht, sicherzustellen, dass die „externen“ Befugnisse des Parlaments seinen „internen“ Befugnissen entsprechen, dass es also im Zusammenhang mit einer bestimmten Materie unabhängig von der Frage, ob die betreffende Materie durch einen internen Rechtsakt oder einen externen Rechtsakt geregelt werden muss, über die gleichen Befugnisse verfügt.

33.      Für den Fall, dass der externe Rechtsakt nicht lediglich auf eine unter die GASP fallende Rechtsgrundlage gestützt wird, sondern gleichzeitig auch auf eine oder mehrere andere Rechtsgrundlagen, bezweckt die in Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV enthaltene Wendung „[m]it Ausnahme der Übereinkünfte, die ausschließlich die [GASP] betreffen“ konkret, sicherzustellen, dass das Parlament die gleichen Befugnisse hat, über die es verfügen würde, wenn es um einen internen Rechtsakt ginge, der auch auf andere Rechtsgrundlagen als die unter die GASP fallende gestützt wird(7).

34.      Würde in Anwendung des Tests, der sich auf den Schwerpunkt des betreffenden Rechtsakts bezieht, der Schluss gezogen, dass das Abkommen zu Recht auf Art. 37 EUV beruht, der also die alleinige Rechtsgrundlage für dieses Abkommen darstellt, wäre daraus in prozeduraler Hinsicht abzuleiten, dass das genannte Abkommen im Sinne von Art. 218 Abs. 6 AEUV ausschließlich die GASP betrifft.

35.      Aus dieser Würdigung, in deren Rahmen die Auslegung von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV mit der Wahl der materiellen Rechtsgrundlage verknüpft wird, ergibt sich, dass die Prüfung, ob sich der streitige Beschluss auf eine Übereinkunft bezieht, die im Sinne dieser Vorschrift ausschließlich die GASP betrifft, und also mit Recht ohne Anhörung oder Zustimmung des Parlaments erlassen worden ist, eine Untersuchung erforderlich macht, ob es sich bei der geeigneten materiellen Rechtsgrundlage für diesen Beschluss tatsächlich – und ausschließlich – um Art. 37 EUV handelt.

B –    Zur Wahl der materiellen Rechtsgrundlage für den streitigen Beschluss

36.      Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt der Union hat verfassungsrechtliche Bedeutung(8). Aus dieser Wahl folgt das auf den Erlass eines solchen Rechtsakts anwendbare Verfahren, unabhängig davon, ob er sich auf das interne oder das auswärtige Handeln der Union bezieht.

37.      Nach ständiger Rechtsprechung muss die Wahl der Rechtsgrundlage für einen Rechtsakt der Union auf objektiven und gerichtlich nachprüfbaren Umständen beruhen, zu denen das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören(9). Ergibt die Prüfung des betreffenden Rechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert(10). Bei der Ermittlung des Schwerpunkts des betreffenden Rechtsakts ist auch der Kontext zu berücksichtigen, in den sich dieser Rechtsakt einfügt.

38.      Da der streitige Beschluss die Unterzeichnung und den Abschluss des Abkommens im Namen der Union zum Gegenstand hat, ist er in Verbindung mit dem Abkommen zu prüfen.

39.      In der vorliegenden Rechtssache bedeutet die Ermittlung des Schwerpunkts des streitigen Beschlusses, dass zu fragen ist, ob dieser und das Abkommen ausschließlich unter die GASP fallen oder ob sie auch – untrennbar und in entsprechendem Maße – zum einen den RFSR und/oder zum anderen die Entwicklungszusammenarbeit betreffen, so dass der genannte Beschluss auf mehrere, diesen verschiedenen Unionspolitiken entsprechende Rechtsgrundlagen hätte gestützt werden müssen.

40.      Auf Aufforderung durch den Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung hat das Parlament ausgeführt, der streitige Beschluss hätte seiner Meinung nach auf folgende materielle Rechtsgrundlagen gestützt werden müssen, nämlich außer auf Art. 37 EUV auf die Art. 82 AEUV, 87 AEUV und 209 AEUV.

41.      Sowohl aufgrund des Kontexts, in den sich das Abkommen einfügt, als auch aufgrund seines Ziels und Inhalts lässt sich meines Erachtens die Auffassung vertreten, dass der sich darauf beziehende streitige Beschluss auf Art. 37 EUV als alleinige materielle Rechtsgrundlage gestützt werden musste.

42.      Im Rahmen meiner Würdigung, mit der die Geeignetheit der materiellen Rechtsgrundlage für den streitigen Beschluss aufgezeigt werden soll, kann die Prüfung des Ziels und des Inhalts dieses Beschlusses und des Abkommens nicht isoliert vorgenommen werden, sondern muss die Rechtsakte berücksichtigen, auf die sie sich beziehen und mit denen sie eine Verbindung herstellen.

43.      Insoweit ist festzustellen, dass sowohl der streitige Beschluss als auch das Abkommen auf Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen(11) sowie auf die Gemeinsame Aktion 2008/851/GASP des Rates vom 10. November 2008 über die Militäroperation der Europäischen Union als Beitrag zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias(12) Bezug nehmen.

44.      Unter Berücksichtigung der Entwicklung der Piraterie vor der Küste Somalias und der Bedrohung, die von ihr für die internationale Sicherheit ausgeht, hat der Sicherheitsrat mehrere Resolutionen zu dieser Frage angenommen, u. a. die Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008), 1838 (2008), 1846 (2008) und 1851 (2008).

45.      In seiner Resolution 1814 (2008) hat der Sicherheitsrat festgestellt, dass „die Situation in Somalia nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt“(13). In Nr. 11 dieser Resolution hat er „die Staaten und Regionalorganisationen auf[gefordert], in enger Abstimmung miteinander … Maßnahmen zum Schutz des Schiffsverkehrs im Zusammenhang mit der Beförderung und Lieferung humanitärer Hilfsgüter nach Somalia und mit von den Vereinten Nationen [VN] genehmigten Tätigkeiten zu ergreifen“.

46.      In seiner Resolution 1816 (2008) hat der Sicherheitsrat erklärt, zutiefst besorgt „über die Bedrohung [zu sein], die seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf Schiffe für die rasche, sichere und wirksame Leistung humanitärer Hilfe an Somalia, die Sicherheit der der gewerblichen Seeschifffahrt dienenden Schifffahrtswege und die internationale Schifffahrt darstellen“(14). Er hat weiter festgestellt, dass „Vorfälle von Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen auf Schiffe in den Hoheitsgewässern Somalias und auf Hoher See vor der Küste Somalias die Situation in Somalia verschärfen, die nach wie vor eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit in der Region darstellt“(15).

47.      Ausgehend von dieser Feststellung hat der Sicherheitsrat mit Blick auf die Bekämpfung der Seeräuberei zur internationalen Zusammenarbeit aufgerufen. Er hat insbesondere „die Staaten, die an der Nutzung der der gewerblichen Seeschifffahrt dienenden Schifffahrtswege vor der Küste Somalias interessiert sind, [ermutigt,] ihre Maßnahmen zur Abschreckung seeräuberischer Handlungen und bewaffneter Raubüberfälle auf See in Zusammenarbeit mit der Übergangs-Bundesregierung zu verstärken und zu koordinieren“(16). Der Sicherheitsrat hat „alle Staaten nachdrücklich auf[gefordert], untereinander, mit der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation [IMO] und gegebenenfalls mit den zuständigen Regionalorganisationen in Bezug auf seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle in den Hoheitsgewässern und auf Hoher See vor der Küste Somalias zusammenzuarbeiten und Informationen auszutauschen sowie Schiffen, die von Seeräubern oder bewaffneten Räubern bedroht oder angegriffen werden, im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des Völkerrechts Hilfe zu leisten“(17).

48.      In seiner Resolution 1838 (2008) hat der Sicherheitsrat darüber hinaus „die an der Sicherheit der Meerestätigkeiten interessierten Staaten auf[gefordert], sich aktiv am Kampf gegen die Seeräuberei auf Hoher See vor der Küste Somalias zu beteiligen, insbesondere indem sie Marinefahrzeuge und Militärluftfahrzeuge entsenden, im Einklang mit dem Völkerrecht, wie in dem [am 10. Dezember 1982 in Montego Bay (Jamaika) unterzeichneten Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen(18)] niedergelegt“(19).

49.      Über den militärischen Aspekt hinaus erstreckt sich diese internationale Zusammenarbeit auf den Bereich der strafrechtlichen Verfolgung seeräuberischer Handlungen. Daher hat der Sicherheitsrat in seiner Resolution 1816 (2008) „alle Staaten und insbesondere die Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten, die Staaten der Staatsangehörigkeit der Opfer und der Urheber von Seeräuberei und bewaffneten Raubüberfällen sowie die sonstigen Staaten, die nach dem Völkerrecht oder innerstaatlichem Recht Zuständigkeit besitzen, auf[gefordert], bei der Festlegung der Zuständigkeit sowie bei den Ermittlungen gegen Personen, die für seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle vor der Küste Somalias verantwortlich sind, und bei ihrer strafrechtlichen Verfolgung im Einklang mit dem anwendbaren Völkerrecht, einschließlich der internationalen Menschenrechtsnormen, zusammenzuarbeiten und Hilfe zu gewähren, indem sie unter anderem Hilfe bei der Verfahrensweise und Logistik in Bezug auf die ihrer Hoheitsgewalt und Kontrolle unterstehenden Personen leisten, wie Opfer, Zeugen und Personen, die infolge von nach dieser Resolution durchgeführten Maßnahmen festgenommen wurden“(20).

50.       [M]it Besorgnis feststellend, „dass der Mangel an Kapazitäten, innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Klarheit in Bezug auf die Verfahrensweise mit Seeräubern nach ihrer Gefangennahme einem robusteren internationalen Vorgehen gegen die Seeräuber vor der Küste Somalias hinderlich war und in einigen Fällen dazu geführt hat, dass Seeräuber freigelassen wurden, ohne vor Gericht gestellt zu werden“(21), hat der Sicherheitsrat daher mit Blick auf eine wirksamere strafrechtliche Verfolgung seeräuberischer Handlungen die Verstärkung der internationalen Zusammenarbeit angeregt.

51.      Zur Umsetzung der Resolutionen des Sicherheitsrats und zur Beteiligung an der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bekämpfung der Seeräuberei hat die Union die Gemeinsame Aktion angenommen. Diese wird auf Art. 14 EU, Art. 25 letzter Absatz EU und Art. 28 Abs. 3 EU gestützt.

52.      Art. 1 („Mission“) der Gemeinsamen Aktion bestimmt in seinem Abs. 1:

„Die … Union … führt eine Militäroperation zur Unterstützung der Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008) und 1838 (2008) des Sicherheitsrates … im Einklang mit der genehmigten Aktion im Fall von seeräuberischen Handlungen in Anwendung der Artikel 100 ff. des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen … und im Rahmen insbesondere von mit Drittstaaten eingegangenen Verpflichtungen, nachstehend ‚Atalanta‘ genannt, durch, um einen Beitrag zu leisten

–        zum Schutz von Schiffen des [Welternährungsprogramms, im Folgenden:] WEP, die Lebensmittelhilfe für die vertriebene Bevölkerung Somalias befördern, im Einklang mit dem Mandat der Resolution 1814 (2008) des [Sicherheitsrats];

–        zum Schutz von Schiffen, die vor der Küste Somalias fahren sowie zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias im Einklang mit dem in der Resolution 1816 (2008) des [Sicherheitsrats] festgelegten Mandat.“

53.      In Art. 2 („Auftrag“) der Gemeinsamen Aktion heißt es:

„Atalanta führt unter den durch das einschlägige Völkerrecht, insbesondere durch die VN-Seerechtskonvention sowie die Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008) und 1838 (2008) des [Sicherheitsrats] festgelegten Bedingungen und im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten folgende Aufgaben aus:

e)       Aufgriff, Ingewahrsamnahme und Überstellung von Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben, in den Gebieten, in denen sie präsent ist, und Beschlagnahme der Schiffe der Seeräuber oder bewaffneten Räuber oder der nach einem seeräuberischen Akt oder einem bewaffneten Raubüberfall gekaperten Schiffe, sofern diese sich in den Händen der Seeräuber oder bewaffneter Räuber befinden, sowie der an Bord befindlichen Güter, im Hinblick auf die eventuelle Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten unter den Voraussetzungen des Artikels 12;

…“

54.      Art. 10 („Beteiligung von Drittstaaten“) der Gemeinsamen Aktion hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Unbeschadet der Beschlussfassungsautonomie der [Union] und des einheitlichen institutionellen Rahmens und im Einklang mit den vom Europäischen Rat festgelegten einschlägigen Leitlinien können Drittstaaten eingeladen werden, sich an der Operation zu beteiligen.

(3)      Die Einzelheiten der Beteiligung von Drittstaaten werden in Übereinkünften geregelt, die im Einklang mit dem Verfahren nach Artikel 37 des Vertrags zu schließen sind. Haben die … [Union] und ein Drittstaat ein Rahmenabkommen über die Beteiligung dieses Drittstaates an Krisenbewältigungsoperationen der … [Union] geschlossen, so gelten die Bestimmungen dieses Abkommens für diese Operation.

(6)      Die Bedingungen der Überstellung von aufgegriffenen und im Hinblick auf die Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten festgenommenen Personen an einen Drittstaat werden anlässlich des Abschlusses oder der Umsetzung der Beteiligungsübereinkünfte nach Absatz 3 festgelegt.“

55.      Schließlich ist Art. 12 („Überstellung der aufgegriffenen und festgenommenen Personen zwecks Wahrnehmung der gerichtlichen Zuständigkeiten“) der Gemeinsamen Aktion anzuführen, in dem es heißt:

„(1)      Personen, die im Sinne der Artikel 101 und 103 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen im Verdacht stehen, seeräuberische Handlungen oder bewaffnete Raubüberfälle in den Hoheitsgewässern Somalias oder auf Hoher See begehen zu wollen, diese zu begehen oder begangen zu haben und die aufgegriffen und im Hinblick auf die Strafverfolgung durch die zuständigen Staaten in Gewahrsam genommen wurden, sowie die Güter, die zur Ausführung dieser Taten dienten, werden auf Grundlage der Zustimmung von Somalia zur Ausübung von gerichtlicher Zuständigkeit durch Mitgliedstaaten oder durch Drittstaaten einerseits und auf der Grundlage von Artikel 105 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen andererseits ...

–        [an die] zuständigen Behörden des an der Operation teilnehmenden Mitgliedstaats oder Drittstaats übergeben, unter dessen Flagge das Schiff fährt, durch das die Ingewahrsamnahme erfolgte, oder

–        sofern dieser Staat seine gerichtliche Zuständigkeit nicht wahrnehmen kann oder will, an einen Mitgliedstaat oder an jeden Drittstaat, der seine gerichtliche Zuständigkeit in Bezug auf diese Personen und Güter wahrnehmen möchte, übergeben.

(2)      Die in Absatz 1 genannten Personen können nur dann an einen Drittstaat übergeben werden, wenn mit dem betreffenden Drittstaat die Bedingungen für diese Übergabe im Einklang mit dem einschlägigen Völkerrecht, insbesondere den internationalen Menschenrechtsnormen, festgelegt wurden, um insbesondere sicherzustellen, dass für niemandem das Risiko der Todesstrafe, Folter oder jeglicher anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht.“

56.      Wie es im dritten Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses heißt, ist das Abkommen zur Durchführung von Art. 12 der Gemeinsamen Aktion angenommen worden. Es sieht darüber hinaus die Modalitäten für die Beteiligung eines Drittstaats an der Operation Atalanta nach Art. 10 Abs. 3 und 6 der Gemeinsamen Aktion vor.

57.      Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens bestreitet niemand, dass die Gemeinsame Aktion in Anbetracht ihres Ziels und Inhalts unter die GASP fällt. Das Gleiche gilt meines Erachtens für das Abkommen und den streitigen Beschluss, bei denen es sich um die Verlängerung dieser Aktion handelt. Insbesondere vermag ich nicht zu erkennen, weshalb die grundsätzliche Beteiligung von Drittstaaten an Unionshandlungen zur Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen vor der Küste Somalias sowie die Regel, wonach die Überstellung festgenommener Personen an einen Drittstaat von der Voraussetzung abhängig ist, dass dieser Staat das Völkerrecht, insbesondere auf dem Gebiet der Menschenrechte, achtet, zur GASP gehören soll, während die genauere Festlegung der Modalitäten für die Überstellung und die Behandlung der betreffenden Personen aus dem Bereich der GASP fallen soll.

58.      Sehen wir uns nun an, worin das Abkommen genau besteht, auf das sich der streitige Beschluss bezieht.

59.      Das Abkommen regelt die Modalitäten für die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber und die Übergabe von damit in Verbindung stehenden Gütern durch die EU-geführte Seestreitkraft (im Folgenden: Eunavfor) an die Republik Mauritius, legt die Bedingungen für die Behandlung und die strafrechtliche Verfolgung dieser Personen fest und führt im Einzelnen auf, welche Unterstützung die Eunavfor der Republik Mauritius in diesem Rahmen gewährt.

60.      Art. 1 („Ziel“) des Abkommens bestimmt:

„Mit diesem Abkommen werden die Bedingungen und Modalitäten festgelegt für

a)      die Überstellung von Personen, die im Verdacht stehen, zu versuchen, seeräuberische Handlungen innerhalb des Einsatzgebiets der [Eunavfor] … zu begehen, die im Verdacht stehen, solche Handlungen zu begehen oder begangen zu haben, und die von der [Eunavfor] festgesetzt werden;

b)      die Übergabe von damit in Verbindung stehenden Gütern, die von der [Eunavfor] beschlagnahmt wurden, durch die [Eunavfor] an [die Republik] Mauritius, und

c)      die Behandlung der überstellten Personen.“

61.      Art. 3 des Abkommens führt die allgemeinen Grundsätze auf, die für die Modalitäten und Bedingungen für die Überstellung von von der Eunavfor festgesetzten mutmaßlichen Seeräubern sowie die Übergabe von damit in Verbindung stehenden, von der Eunavfor beschlagnahmten Gütern an die Republik Mauritius gelten. Er sieht u. a. vor, dass die Überstellung dieser Personen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden der Republik Mauritius nur auf deren Entscheidung hin durchgeführt wird. Weiter heißt es in Art. 3 Abs. 5 des Abkommens: „Jede überstellte Person wird human und im Einklang mit den in der Verfassung … [der Republik] Mauritius verankerten internationalen Menschenrechtsverpflichtungen – einschließlich des Verbots von Folter und grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Bestrafung und des Verbots der willkürlichen Festsetzung – sowie unter Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren behandelt.“

62.      Art. 4 des Abkommens enthält die Regeln für die Behandlung, Strafverfolgung und Aburteilung von überstellten Personen. Zu diesen Regeln gehören der Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist, das Recht auf ein faires Verfahren oder aber die Garantie der Unschuldsvermutung. Darüber hinaus sieht Art. 5 des Abkommens das Verbot der Todesstrafe für die überstellten Personen vor.

63.      Art. 6 des Abkommens wiederum bezieht sich auf Aufzeichnungen und Mitteilungen. Er sieht u. a. vor, dass die Eunavfor der Republik Mauritius für jede überstellte Person Aufzeichnungen über die Festsetzung dieser Person übermitteln muss, die Republik Mauritius die Aufgabe hat, genaue Aufzeichnungen über alle überstellten Personen zu führen, und die Aufzeichnungen der Union und der Eunavfor weiterhin zur Verfügung stehen.

64.      Darüber hinaus führt Art. 7 des Abkommens im Einzelnen aus, welche Unterstützung die Eunavfor der Republik Mauritius im Hinblick auf die Ermittlungen gegen überstellte Personen und ihre strafrechtliche Verfolgung gewährt. So unterstützt die Eunavfor die Republik Mauritius u. a. durch die Übermittlung der Aufzeichnungen über die Festsetzung, die gemäß Art. 6 Abs. 2 des Abkommens erstellt wurden, die Aufbereitung von Beweismitteln und die Vorlage von Aussagen und eidesstattlichen Erklärungen (Affidavits) von Zeugen.

65.      In Art. 7 Abs. 3 des Abkommens ist vorgesehen: „Sofern diese Mittel nicht durch andere finanzielle Geber bereitgestellt werden, erarbeiten die Vertragsparteien vorbehaltlich der geltenden Verfahren Durchführungsbestimmungen für die finanzielle, technische und sonstige Hilfe im Hinblick auf Überstellung, Festsetzung, Ermittlung, Strafverfolgung und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit überstellten Personen. Diese Durchführungsbestimmungen zielen ferner darauf ab, die technische und logistische Unterstützung für [die Republik] Mauritius in den Bereichen Überarbeitung der Rechtsvorschriften, Ausbildung von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbeamten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren und insbesondere Vorkehrungen für die Lagerung und Übergabe von Beweismitteln sowie Berufungsverfahren abzudecken. Außerdem zielen diese Durchführungsbestimmungen darauf ab, Vorkehrungen für die Rückführung überstellter Personen im Falle eines Freispruchs oder einer Nichtverfolgung, ihre Überstellung zur Verbüßung der restlichen Strafe in einem anderen Staat oder ihre Rückführung nach Verbüßung ihrer Haftstrafe in [der Republik] Mauritius bereitzustellen.“

66.      In Art. 10 Abs. 1 des Abkommens heißt es weiter: „Für die Zwecke der Anwendung dieses Abkommens können operative, administrative und technische Fragen in Durchführungsbestimmungen geregelt werden, die zwischen den zuständigen Behörden … [der Republik] Mauritius einerseits, und den zuständigen [Unionsb]ehörden sowie den zuständigen Behörden der Entsendestaaten andererseits, zu vereinbaren sind.“ Gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. f des Abkommens können sich diese Durchführungsbestimmungen u. a. auf Folgendes erstrecken: „auf Ersuchen … [der Republik] Mauritius die Bereitstellung von technischer Unterstützung, Expertise, Aus- und Fortbildung sowie sonstiger Hilfe gemäß Artikel 7, damit die mit diesem Abkommen verfolgten Ziele erreicht werden“.

67.      Schließlich bestimmt Art. 11 Abs. 2 des Abkommens, dass dieses „in Kraft [bleibt], solange die [Eunavfor] nicht die Beendigung der Operation [Atalanta] notifiziert hat“.

68.      Aus dieser Beschreibung der Gemeinsamen Aktion und des Abkommens geht hervor, dass eine enge Verbindung zwischen der in Ersterer vorgesehenen Militäroperation und den in Letzterem enthaltenen Vorschriften über die Überstellung und Behandlung mutmaßlicher Seeräuber besteht.

69.      Die Übereinkünfte, die die Union nach den Art. 10 Abs. 3 und 12 Abs. 2 der Gemeinsamen Aktion schließt, zielen darauf ab, den Resolutionen des Sicherheitsrats auf dem Gebiet der Bekämpfung der Seeräuberei vor der Küste Somalias nachzukommen, und sind daher charakteristisch für die internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich. Die Gemeinsame Aktion und das Abkommen stellen zusammen eine angemessene und kohärente Antwort auf die Ersuchen des Sicherheitsrats dar.

70.      Wie die Italienische Republik feststellt, ist es ausweislich der Gemeinsamen Aktion für ein erfolgreiches Vorgehen bei der Verhütung und Bekämpfung seeräuberischer Handlungen unerlässlich, mit den Staaten in der Region die Abkommen zu schließen, die für die Beteiligung dieser Staaten, einschließlich ihrer Beteiligung an der Ausübung der Gerichtsbarkeit über verdächtige Personen, erforderlich sind. Das Abkommen ist daher als eine Maßnahme zur Durchführung der Gemeinsamen Aktion anzusehen, deren integraler Bestandteil es ist. Insoweit ist festzustellen, dass Art. 28 Abs. 1 EUV vorsieht: „Verlangt eine internationale Situation ein operatives Vorgehen der Union, so erlässt der Rat die erforderlichen Beschlüsse[, in denen] … die Bedingungen … für ihre Durchführung festgelegt [sind].“ Der Umstand, dass das Abkommen integraler Bestandteil der Bedingungen für die Durchführung der Gemeinsamen Aktion ist, stellt bereits ein gewichtiges Indiz für seine Anknüpfung an die GASP dar.

71.      Im Übrigen ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass Überstellungsabkommen für die ordnungsgemäße Durchführung und Wirksamkeit der mit der Gemeinsamen Aktion ins Leben gerufenen Militäroperation unerlässlich sind.

72.      Wie die Französische Republik ausführt, beschränkt sich die Bekämpfung der Seeräuberei nämlich nicht auf die Durchsuchung verdächtiger Piratenschiffe, sondern setzt sich bis zur Überstellung und Aburteilung mutmaßlicher Seeräuber fort. Auch wenn die vom Abkommen erfassten Tätigkeiten der Überstellung und der strafrechtlichen Verfolgung verdächtiger Personen im engeren Sinne nicht zu den militärischen Aktivitäten gehören, sind diese Tätigkeiten daher gleichwohl untrennbar mit der Militäroperation Atalanta verbunden.

73.      Ziel der Mission Atalanta ist die Abschreckung, Verhütung und Bekämpfung seeräuberischer Handlungen. Im Rahmen dieser Mission ist es nicht nur erforderlich, Schiffe zu schützen, sondern gegebenenfalls auch, mutmaßliche Seeräuber festzunehmen und sie anschließend den zuständigen Behörden zu überstellen. Das Ziel der Mission wäre schwer realisierbar, wenn Personen, die seeräuberische Handlungen begangen haben, nicht gerichtlich verfolgt werden und ihre kriminellen Tätigkeiten daher unmittelbar wieder aufnehmen könnten.

74.      Wie die Italienische Republik hervorhebt, hätte die Gemeinsame Aktion, würde die Identifizierung und Gefangennahme mutmaßlicher Seeräuber nicht nach einem gleichermaßen raschen, effizienten und die Menschenrechte achtenden Verfahren erfolgen, selbst keine praktische Wirksamkeit. Sie hätte in diesem Fall keinerlei abschreckende Wirkung und wäre ungeeignet, das Problem der Seeräuberei vor der Küste Somalias endgültig zu lösen.

75.      Abkommen wie das in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende sind für die Durchführung der von der Union beschlossenen Militäroperation von wesentlicher Bedeutung. Die Kontinuität zwischen operativen Tätigkeiten und gerichtlicher Tätigkeit ist sehr früh als einer der Schwerpunkte dieser Militäroperation ausgemacht worden. Ohne diese Kontinuität wird die strafrechtliche Verfolgung der Seeräuber erschwert oder gar unmöglich gemacht. Die operative Effizienz des Vorgehens wird dadurch beeinträchtigt und die erwartete abschreckende Wirkung des Unionshandelns nahezu zunichtegemacht(22).

76.      Die Bekämpfung der Seeräuberei weist eine bedeutende Sicherheits- und Militärdimension auf, die notwendigerweise mit einem ebenso bedeutenden repressiven und justiziellen Aspekt einhergehen muss(23). Deshalb hat sich die internationale Gemeinschaft in einem Geist globaler Lastenverteilung und aus operativen Gründen im Zusammenhang mit dem Interesse an einer Überstellung in der Nähe des Orts der Begehung der Straftat auf die Unterzeichnung von Abkommen zur Überstellung zwecks Aburteilung mit den Staaten in der betreffenden Region eingelassen(24).

77.      Das Parlament räumt in seiner Entschließung vom 10. Mai 2012 zur Hochseepiraterie(25) im Übrigen selbst ein, dass „es keine hinreichende Abschreckung vor Piraterie geben kann, wenn die Schuldigen weiterhin straffrei ausgehen“(26).

78.      Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Abkommen an die Resolutionen des Sicherheitsrats und die Gemeinsame Aktion anknüpft und untrennbar mit der Durchführung der Militäroperation Atalanta verbunden ist. Wir werden nunmehr sehen, dass das mit dem Abkommen verfolgte Ziel ebenso wie die Gemeinsame Aktion in den Bereich der GASP fällt.

79.      Von ihrem Ziel her gesehen sind die Gemeinsame Aktion und das Abkommen Instrumente, mit denen die Union ein vom Sicherheitsrat beschlossenes Vorgehen durchgeführt hat und der Weltfrieden und die internationale Sicherheit bewahrt werden sollen. Entsprechend den Vorgaben der Resolutionen des Sicherheitsrats und von Art. 12 Abs. 2 der Gemeinsamen Aktion zielt das Abkommen insbesondere darauf ab, die wirksame Bekämpfung der Seeräuberei vor der Küste Somalias mit der Achtung der Grundrechte in Einklang zu bringen.

80.      Die Seeräuberei vor der Küste Somalias bedroht die internationale Sicherheit und die Stabilität in der Region. Ziel des Vorgehens der Union ist die Bekämpfung dieser Form der internationalen Kriminalität, die sich im Westindischen Ozean, insbesondere in den Gewässern vor Somalia und am Horn von Afrika, ausgebreitet hat. Wie das Parlament in seiner Entschließung vom 10. Mai 2012 zur Hochseepiraterie festgestellt hat, stellt diese „für das Leben und die Sicherheit der Seeleute und anderer Personen sowie für die Entwicklung und die Stabilität der Regionen, die Meeresumwelt, den Welthandel und alle Formen des Seeverkehrs und der Schifffahrt, auch für Fischereifahrzeuge, und für die Erbringung humanitärer Hilfe eine wachsende Bedrohung“(27) dar.

81.      Das Vorgehen der Union dient also dem Schutz der Sicherheit der Seeschifffahrt in diesem Gebiet starken internationalen Durchgangsverkehrs. Insofern hat dieses Vorgehen den Schutz der internationalen Sicherheit vor der Küste Somalias zum Ziel. Darüber hinaus fördert es die Stabilität und den Frieden in der Region.

82.      Aus Unionssicht macht die Lähmung des Seeverkehrs im Roten Meer und auf der Höhe des Golfs von Aden die Seeräuberei zu einem strategischen Problem. Es handelt sich nämlich um eine Seeroute, die als grundlegend für die Versorgung von Europa erachtet wird. In einem weiteren Sinne zeigt die internationale Mobilisierung gegen seeräuberische Handlungen auf, dass diese potenziell alle Handelsschiffe aus verschiedenen Teilen der Welt betreffen und aus diesem Grund eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellen können.

83.      Meiner Meinung nach fällt das Ziel der menschenrechtskonformen Bekämpfung der Seeräuberei vor der Küste Somalias zur Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit im Rahmen einer vom Sicherheitsrat initiierten internationalen Zusammenarbeit in den Bereich der GASP.

84.      Insoweit ist zu bemerken, dass ein solches Ziel den Zielen des auswärtigen Handelns der Union entspricht, die insbesondere in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a bis c und h EUV aufgeführt sind. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

„Die Union legt die gemeinsame Politik sowie Maßnahmen fest, führt diese durch und setzt sich für ein hohes Maß an Zusammenarbeit auf allen Gebieten der internationalen Beziehungen ein, um

a)      ihre Werte, ihre grundlegenden Interessen, ihre Sicherheit, ihre Unabhängigkeit und ihre Unversehrtheit zu wahren;

b)      Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte und die Grundsätze des Völkerrechts zu festigen und zu fördern;

c)      nach Maßgabe der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen[(28)] sowie der Prinzipien der Schlussakte von Helsinki und der Ziele der Charta von Paris, einschließlich derjenigen, die die Außengrenzen betreffen, den Frieden zu erhalten, Konflikte zu verhüten und die internationale Sicherheit zu stärken;

h)      eine Weltordnung zu fördern, die auf einer verstärkten multilateralen Zusammenarbeit und einer verantwortungsvollen Weltordnungspolitik beruht.“

85.      Zwar stellen die in Art. 21 Abs. 2 EUV aufgeführten Ziele horizontale Ziele des auswärtigen Handelns der Union dar, ohne dass das eine oder das andere ausdrücklich der GASP zugeordnet werden. Die Identifizierung der Ziele der GASP wird umso mehr erschwert, als zum einen Art. 23 EUV, der sich in Kapitel 2 befindet, das sich auf besondere Bestimmungen über die GASP bezieht, auf die in Art. 21 Abs. 2 EUV erwähnten horizontalen Ziele des auswärtigen Handelns der Union Bezug nimmt, und zum anderen Art. 24 Abs. 1 EUV den Bereich der GASP ausgesprochen weit und allgemein definiert. In dieser Vorschrift heißt es nämlich: „Die Zuständigkeit der Union in der [GASP] erstreckt sich auf alle Bereiche der Außenpolitik sowie auf sämtliche Fragen im Zusammenhang mit der Sicherheit der Union, einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik, die zu einer gemeinsamen Verteidigung führen kann.“

86.      Es ist jedoch unerlässlich, die zwischen der GASP und den übrigen Unionspolitiken bestehenden Grenzen festzulegen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der Anwendung der in Art. 40 EUV vorgesehenen Klausel, nach der die Zuständigkeit der Union im Bereich der GASP ihre Zuständigkeit für die übrigen Unionspolitiken unberührt lässt und umgekehrt.

87.      Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die vorerwähnten Ziele des auswärtigen Handelns der Union, nämlich die in Art. 21 Abs. 2 Buchst. a bis c und h EUV aufgeführten, zu den Zielen gehören, die traditionell der GASP zugewiesen werden. Insoweit stelle ich fest, dass die in dieser Vorschrift genannten Ziele im Wesentlichen denen entsprechen, die vor dem Vertrag von Lissabon gemäß Art. 11 Abs. 1 des EU-Vertrags in seiner vor dem Vertrag von Lissabon geltenden Fassung der GASP zugewiesen waren.

88.      Um ermitteln zu können, an welche Unionspolitik dieses oder jenes Ziel im Einzelnen anknüpft, ist, da Art. 21 Abs. 2 EUV die gemeinsamen Ziele des auswärtigen Handelns der Union aufführt, diese Vorschrift sodann in Verbindung mit den im Rahmen jeder einzelnen Politik geltenden spezifischeren Vorschriften zu sehen.

89.      Was insbesondere das Ziel der Erhaltung des Friedens und der Stärkung der internationalen Sicherheit angeht, spricht das Urteil Parlament/Rat für seine Anknüpfung an die GASP.

90.      In diesem Urteil hat der Gerichtshof das Ziel der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und seiner Finanzierung zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nämlich mit dem Bereich der GASP in Verbindung gebracht und sich dabei nicht nur auf die Art. 21 Abs. 2 Buchst. c EUV und 24 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV, sondern auch auf Art. 43 Abs. 1 EUV gestützt.

91.      Wie in der Rechtssache, in der das genannte Urteil ergangen ist, stellt der Umstand, dass das Abkommen zu den Instrumenten gehört, mit denen die Union ein Vorgehen auf internationaler Ebene durchführt, das Gegenstand zahlreicher Resolutionen des Sicherheitsrats ist und unbestreitbar darauf abzielt, den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu erhalten, einen wichtigen Gesichtspunkt für die Auslegung dar, dass dieses Abkommen dem Bereich der GASP zuzuordnen ist(29).

92.      Gemäß Art. 37 EUV, bei dem es sich – dies sei in Erinnerung gerufen – um die materielle Rechtsgrundlage für den streitigen Beschluss handelt, kann die Union in allen Bereichen der GASP, also auch im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (im Folgenden: GSVP), die, wie es in Art. 42 Abs. 1 EUV heißt, integraler Bestandteil der GASP ist, völkerrechtliche Übereinkünfte schließen.

93.      Ich bin jedoch der Auffassung, dass das Abkommen als notwendige Fortführung der Militäroperation Atalanta, die das gleiche Ziel der Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit verfolgt, zum Bereich der GSVP gehört.

94.      Nach Art. 42 Abs. 1 EUV „sichert [die GSVP] der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Operationsfähigkeit. Auf diese kann die Union bei Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen zurückgreifen.“

95.      Der Inhalt der Missionen der GSVP wird in Art. 43 Abs. 1 EUV präzisiert, wonach „[d]ie in Artikel 42 Absatz 1 vorgesehenen Missionen, bei deren Durchführung die Union auf zivile und militärische Mittel zurückgreifen kann, … gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen, humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, Aufgaben der militärischen Beratung und Unterstützung, Aufgaben der Konfliktverhütung und der Erhaltung des Friedens sowie Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen und Operationen zur Stabilisierung der Lage nach Konflikten [umfassen]. Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittländer bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.“

96.      Das Parlament führt aus, es vermöge nicht zu erkennen, inwiefern die Missionen, mit denen die Vertreter der Union und die Eunavfor nach dem Abkommen betraut würden, wie die Überstellung von Personen und die Übergabe von Gütern, die Vorlage von Beweismitteln, die Erleichterung der Strafverfolgung und Aburteilung, die Überarbeitung der Rechtsvorschriften, die Ausbildung von Ermittlungsbeamten und die Bereitstellung einer finanziellen, technischen, logistischen oder sonstigen Unterstützung für die Republik Mauritius unter eine der in den Art. 42 EUV und 43 EUV genannten besonderen Missionen der GSVP fallen könnten. Auch wenn es einräumt, dass diese Missionen zum allgemeinen Ziel der Stärkung der internationalen Sicherheit beitragen können und mit der Militäroperation Atalanta in Verbindung stehen, vertritt das Parlament die Auffassung, ihr eigentliches Wesen und ihre spezifischen Ziele gingen über die Ziele hinaus, für die die Operation Atalanta ins Leben gerufen worden sei.

97.      Ich bin demgegenüber der Ansicht, dass die Aufzählung der Missionen der GSVP in Art. 43 Abs. 1 EUV hinreichend weit ist, um sämtliche Bestimmungen des Abkommens zu erfassen und folglich davon ausgehen zu können, dass dieses integraler Bestandteil einer unter die GSVP fallenden Mission ist.

98.      Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Überstellung verdächtiger Personen und der Einleitung der strafrechtlichen Verfolgung dieser Personen ihrem Wesen nach nicht um militärische Aktivitäten handelt, ist festzustellen, dass ein wesentliches Merkmal der GSVP, das klar aus den Art. 42 Abs. 1 EUV und 43 Abs. 1 EUV hervorgeht, darin besteht, sich nicht auf die Nutzung militärischer Mittel zu beschränken und – u. a. im Rahmen von Krisenbewältigungsmissionen – auch die Nutzung ziviler Mittel vorzusehen(30).

99.      Die Tatsache, so das Parlament, dass das Abkommen darauf abziele, eine Form der Kriminalität zu bekämpfen, und dies mit Hilfe von Instrumenten, die denen ähnlich seien, die im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen im Rahmen von Titel V des Dritten Teils des AEU-Vertrags über den RFSR verwendet würden, bedeute, dass auch der streitige Beschluss auf Rechtsgrundlagen in diesem Titel, nämlich auf die Art. 82 AEUV und 87 AEUV, gestützt werden müsse.

100. Die Kommission wiederum macht geltend, das Hauptziel des Abkommens bestehe darin, zu verhindern, dass die betreffenden Mitgliedstaaten die Strafverfahren selbst durchführen müssten. Dieses Abkommen erleichtere die Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten und den Behörden der Republik Mauritius, indem es einen rechtlichen und praktischen Rahmen für die Überstellung verdächtiger Personen an den Küstendrittstaat zwecks Ermittlung und strafrechtlicher Verfolgung durch diesen schaffe. Daraus, dass das Abkommen im Wesentlichen auf die justizielle Zusammenarbeit ausgerichtet sei, folge, dass sein Ziel und Inhalt die Wahl von Art. 82 AEUV als Rechtsgrundlage für den Abschluss des Abkommens gerechtfertigt hätten. Die Tatsache, dass das militärische Personal an der Durchführung des Abkommens beteiligt sei, ändere an den Schlussfolgerungen, zu denen die Kommission gelange, nichts. Bei der Ermittlung der geeigneten Rechtsgrundlage komme es nämlich nicht auf die Art oder Eigenschaft der handelnden Person an, wohingegen die Art des geplanten Vorgehens von entscheidender Bedeutung sei.

101. Meines Erachtens ist die Argumentation des Parlaments und der Kommission falsch.

102. Zur Stützung des ersten Gesichtspunkts seiner Argumentation macht das Parlament geltend, die Bekämpfung der Kriminalität sei nicht das Ziel oder die konkrete Aufgabe der Union im Rahmen der GASP oder der GSVP, sondern ein Bereich, der unter den RFSR falle. Es stellt weiter fest, nur die Bekämpfung des Terrorismus werde in Art. 43 Abs. 1 EUV genannt.

103. Der in der letztgenannten Vorschrift enthaltene Hinweis, wonach mit den Missionen der GSVP zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden kann, schließt meines Erachtens jedoch keineswegs aus, dass solche Missionen auch zur Bekämpfung anderer Formen von Kriminalität beitragen können.

104. Außerdem ist die Bekämpfung außerhalb des Hoheitsgebiets der Union begangener, Bedrohungen für die internationale Sicherheit darstellender internationaler Verbrechen, wie der Rat zu Recht ausführt, eine Frage, die unter die GASP und damit – als deren integraler Bestandteil, gegebenenfalls über Krisenbewältigungsoperationen – unter die GSVP fällt.

105. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Union im Rahmen der GSVP mehrere Missionen zur Reform des Sicherheitssektors, u. a. zivile Missionen zur Begegnung von Sicherheitsbedrohungen, einschließlich sich aus Straftaten ergebender Bedrohungen, sowie eine ganze Reihe von Polizei- und Rechtsstaatlichkeitsmissionen durchgeführt hat(31). Diese Missionen sind jedoch – meines Erachtens zu Recht – nicht so angesehen worden, als bezögen sie sich auf den RFSR. Die im Rahmen der genannten Missionen durchgeführten Operationen können die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung betreffen. Die vorgesehenen Aufgaben können u. a. die Ausbildung und Anleitung von Sicherheitspersonal sowie die Unterstützung bei der Ausarbeitung von Gesetzen umfassen(32).

106. Die Ausführungen des Parlaments und der Kommission zeigen in Wirklichkeit auf, dass die Unterscheidung zwischen der GASP und der Außendimension des RFSR einer Klärung bedarf.

107. Die Unterscheidung zwischen diesen Unionspolitiken ist deshalb schwierig, weil für beide das Sicherheitsgebot gilt(33). Die Ziele der Wahrung der Sicherheit der Union und der Stärkung der internationalen Sicherheit werden der Union gemäß Art. 21 Abs. 2 Buchst. a und c EUV als Ziele ihres auswärtigen Handelns zugewiesen. Gleichzeitig ist die Gewährleistung eines hohen Maßes an Sicherheit nach Art. 67 Abs. 3 AEUV auch ein Ziel des RFSR.

108. Die jeweiligen Anwendungsbereiche der GASP und des RFSR in seiner Außendimension sind jedoch genau voneinander zu unterscheiden.

109. Wie der Rat ausführt, müssen die den RFSR betreffenden Maßnahmen unabhängig davon, ob sie eine Innen- oder eine Außendimension aufweisen, mit dem Ziel erlassen werden, die Freiheit, die Sicherheit und das Recht in der Union zu fördern. Art. 67 Abs. 1 AEUV sieht nämlich vor, dass „[d]ie Union … einen [RFSR] [bildet]“, was auch in Art. 3 Abs. 2 EUV zum Ausdruck kommt. So heißt es in der letztgenannten Vorschrift: „Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen [RFSR] ohne Binnengrenzen, in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist.“

110. Der Aufbau eines RFSR zugunsten der Unionsbürger verlangt, dass die Union ihre Außenzuständigkeit wahrnimmt(34). Art. 79 Abs. 3 AEUV weist der Union beispielsweise eine ausdrückliche Außenzuständigkeit für den Abschluss von Rückübernahmeübereinkünften zu. Darüber hinaus kann die Union auf der Grundlage von Art. 216 AEUV u. a. dann völkerrechtliche Übereinkünfte im Bereich der polizeilichen oder justiziellen Zusammenarbeit schließen, wenn sich dies für die Verwirklichung eines Ziels des RFSR als erforderlich erweist.

111. Ausgehend von den in Art. 3 Abs. 2 EUV und in Art. 67 AEUV festgeschriebenen Zielen lässt sich somit die Außendimension des RFSR umreißen. Anders ausgedrückt: Die Außendimension des RFSR ist im Hinblick auf die in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommenden Ziele funktional und instrumental(35). Die Innen- und Außenpolitiken im Bereich des RFSR sind untrennbar miteinander verbunden. Bei der Bestimmung des Außenaspekts im Bereich des RFSR sind vorrangig die innenpolitischen Aufgaben des RFSR zu berücksichtigen(36).

112. Auch wenn der Aufbau dieses Raums ein auswärtiges Handeln der Union erforderlich machen kann, folgt daraus, dass ein Abkommen, um als unter den RFSR fallend gelten zu können, eine enge Verbindung zur Freiheit, zur Sicherheit und zum Recht innerhalb der Union aufweisen muss. Mit anderen Worten ist die Anknüpfung an den RFSR gerechtfertigt, wenn eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Ziel der inneren Sicherheit der Union und dem Ausbau der justiziellen und/oder polizeilichen Zusammenarbeit außerhalb der Union besteht. Dagegen ist ein Unionshandeln der GASP zuzuordnen, wenn es in erster Linie den Frieden, die Stabilität und die demokratische Entwicklung in einer Region außerhalb der Union zum Ziel hat(37).

113. Die Unterscheidung ist zwar nicht immer offensichtlich, da das Aufkommen einer Kriminalitätsform in einer bestimmten Region gleichzeitig eine Gefahr für die innere Sicherheit der Union und für die Stabilität der betreffenden Region darstellen kann(38). Wie u. a. aus dem vom Europäischen Rat im Jahr 2010 angenommenen Stockholmer Programm(39) hervorgeht, sind die innere und die äußere Sicherheit untrennbar. Die Abwehr von Bedrohungen, auch fernab von unserem Kontinent, ist entscheidend für den Schutz von Europa und seinen Bürgern(40).

114. Da wir es hier mit einem Vorgehen der Union zu tun haben, das sich in einen vom Sicherheitsrat initiierten Vorstoß im Bereich der internationalen Zusammenarbeit einfügt und vor allem darauf abzielt, eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu bekämpfen, muss dieses Vorgehen meines Erachtens gleichwohl im Rahmen der GASP erfolgen.

115. Im vorliegenden Fall erfasst das Abkommen, das sich, wie wir gesehen haben, in den Rahmen eines auf internationaler Ebene beschlossenen Vorgehens einfügt und darauf abzielt, seeräuberische Handlungen vor der Küste Somalias zu bekämpfen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit in diesem Gebiet zu wahren, nach meinem Dafürhalten keine Situation, die eine hinreichende Verbindung zum Aufbau des RFSR aufweist.

116. Entgegen dem Vorbringen des Parlaments stellt die Tatsache, dass das Abkommen eine Form der Zusammenarbeit zwischen der Eunavfor und den Strafverfolgungsbehörden der Republik Mauritius vorsieht und Tätigkeiten erfasst, die Tätigkeiten polizeilicher oder justizieller Natur ähneln, keinen hinreichenden Anknüpfungspunkt zum RFSR dar.

117. Meines Erachtens lässt sich nicht die Auffassung vertreten, es genüge, dass es um die justizielle Behandlung von Einzelpersonen gehe, damit das Unionshandeln in den Bereich der Politik falle, die sich auf den RFSR, hier in seiner Außendimension, beziehe. Die GASP kann zur Erreichung ihrer Ziele nämlich einen Rückgriff auf polizeiliche oder justizielle Mittel beinhalten. Der Einsatz derartiger Instrumente als solcher ist nicht entscheidend, sofern diese Instrumente dem Ziel der Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit dienen, das, wie wir gesehen haben, unbestreitbar zur GASP gehört, und nicht dem Ziel, das der RFSR verfolgt.

118. Wie die von der Union im Rahmen der GSVP eingeleiteten Missionen bezeugen, können die traditionellen Instrumente des RFSR zugunsten der Ziele der GASP eingesetzt werden. Daher werden die von der Union beschlossenen internationalen Missionen zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit ebenso wie die Stärkung des Justizwesens und der Polizei der betreffenden Drittstaaten durch die Möglichkeit eines Rückgriffs auf zivile Mittel erleichtert(41). Der Außenaspekt des RFSR wird daher durch die Wahrnehmung der Zuständigkeit für die Außenpolitik der Union zugunsten der Ziele der GASP konsumiert(42).

119. Die Feststellung, dass das Abkommen gleichermaßen darauf abzielt, die Rechte mutmaßlicher Seeräuber zu schützen, und auf ein späteres Abkommen der Parteien zur Festlegung der Modalitäten für die technische und logistische Unterstützung Bezug nimmt, die die Union der Republik Mauritius u. a. in den Bereichen Überarbeitung der Rechtsvorschriften, Ausbildung von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbeamten sowie Ermittlungs- und Gerichtsverfahren gewährt, kann schließlich nicht dazu führen, dass dieses Abkommen in den Bereich des RFSR fällt. Diese Komponenten des Abkommens zielen nämlich darauf ab, den Schutz der Menschenrechte und die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten, die zu den Zielen der GASP gehören. Insoweit wäre es paradox, wenn der Wille der Parteien des Abkommens, sicherzustellen, dass die wirksame Bekämpfung seeräuberischer Handlungen nicht auf Kosten der Grundrechte ihrer Urheber erfolgt, dazu beiträgt, dass dieses Abkommen aus dem Bereich der GASP fällt, die, wie die übrigen Unionspolitiken, die Achtung der Grundrechte voraussetzt.

120. Die von der Union durchgeführte Militäroperation führt zwangsläufig zur Festnahme der Urheber seeräuberischer Handlungen. Die Festlegung der Modalitäten für die Behandlung dieser Personen nach ihrer Festnahme und die Verfahrensweise mit ihnen gehört offensichtlich zur Operation selbst. Die einzige rechtskonforme Behandlung der festgenommenen Personen ist jedoch ihre Aburteilung. Wird den Staaten, denen die Seeräuber überstellt werden, ermöglicht, ihre Verfahren mit den internationalen Menschenrechtsvorschriften in Einklang zu bringen, stellt dies aus diesem Blickwinkel die letzte, aber wesentliche Phase der im Rahmen der GASP durchgeführten Militäroperation dar.

121. Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, hat der Rat beim Erlass des streitigen Beschlusses zu Recht die Auffassung vertreten, dieser falle nicht unter den RFSR in seiner Außendimension, so dass nicht auf eine der Rechtsgrundlagen zurückgegriffen werden müsse, die sich auf diese Unionspolitik bezögen.

122. Meines Erachtens enthält das Abkommen auch keine Komponente, die sich auf die Entwicklungszusammenarbeit bezieht und den Rückgriff auf eine Rechtsgrundlage im Fünften Teil Titel III Kapitel 1 des AEU-Vertrags gerechtfertigt hätte.

123. In seinem Urteil vom 20. Mai 2008, Kommission/Rat(43), hat der Gerichtshof entschieden: „Damit … eine konkrete Maßnahme zur Bekämpfung der Verbreitung von leichten Waffen und Kleinwaffen von der Gemeinschaft im Rahmen ihrer Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit erlassen werden kann, muss sie sowohl ihrer Zielsetzung als auch ihrem Inhalt nach in den Bereich der Zuständigkeiten fallen, die der EG-Vertrag der Gemeinschaft auf diesem Gebiet zuweist“(44). Nach Auffassung des Gerichtshofs ist „[d]ies … nicht der Fall, wenn der Hauptzweck einer solchen Maßnahme, selbst wenn sie zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung von Entwicklungsländern beiträgt, in der Umsetzung der GASP besteht“(45).

124. Wie wir jedoch gesehen haben, stellt die GASP den Schwerpunkt des Abkommens und des streitigen Beschlusses dar.

125. Nach Art. 208 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV ist „Hauptziel der Unionspolitik [im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit] … die Bekämpfung und auf längere Sicht die Beseitigung der Armut“.

126. Wie der Rat feststellt, ist mit Art. 208 Abs. 1 AEUV eine Neuausrichtung des Anwendungsbereichs der Entwicklungszusammenarbeit vorgenommen worden, so dass das wesentliche Element der Entwicklungspolitik der Union die Bekämpfung und Beseitigung der Armut ist. In Art. 208 Abs. 1 Unterabs. 2 letzter Satz AEUV heißt es weiter: „Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung.“ Die übrigen Unionspolitiken wie die GASP müssen also den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung tragen und können somit einen Beitrag dazu leisten, was im Einklang mit dem Kohärenzerfordernis des auswärtigen Handelns der Union steht. Die bloße Tatsache, dass sich eine unter die GASP fallende Maßnahme nebenbei positiv auf die Entwicklung eines Drittstaats auswirken kann, führt daher nicht dazu, dass diese Maßnahme in den Anwendungsbereich der Entwicklungszusammenarbeit im Sinne von Art. 208 AEUV fällt.

127. Unter der Geltung der Verträge, die dem Vertrag von Lissabon vorausgegangen sind, hat der Gerichtshof den Bereich, der von der Entwicklungszusammenarbeit erfasst wird, zwar vergleichsweise weit ausgelegt(46). Ein solches weites Verständnis hat jedoch gewisse Grenzen. Insbesondere ist zwischen Maßnahmen, die die Entwicklung betreffen, und solchen zu unterscheiden, die andere Ziele der Union, wie die der GASP, verfolgen. Unter diesem Blickwinkel ist die Stärkung der Justizkapazität der Republik Mauritius kein Selbstzweck, sondern zielt darauf ab, seeräuberische Handlungen, die eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit darstellen, wirksam zu bekämpfen, und dies unter Achtung der Grundrechte der Urheber dieser Handlungen.

128. Jede nach dem Abkommen gewährte Unterstützung, insbesondere die in seinem Art. 7 Abs. 2 und 3 genannte, wird mit Blick auf eine wirksame Bekämpfung seeräuberischer Handlungen die Überstellung mutmaßlicher Seeräuber und die Fähigkeit der Republik Mauritius betreffen, das Abkommen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen anzuwenden. Darüber hinaus möchte ich bemerken, dass die in Art. 10 Abs. 2 Buchst. f des Abkommens geplante Bereitstellung von technischer Unterstützung, Expertise, Aus- und Fortbildung sowie sonstiger Hilfe gemäß Art. 7 dieses Abkommens nur erfolgt, „damit die mit [dem genannten] Abkommen verfolgten Ziele erreicht werden“. Die im Abkommen vorgesehene Unterstützung geht somit nicht über die Ziele hinaus, für die die Operation Atalanta ins Leben gerufen worden ist. Sie hat daher keineswegs die Entwicklung der Republik Mauritius zum Ziel und stellt folglich keine unter die Art. 208 AEUV und 209 AEUV fallende Entwicklungsmaßnahme dar.

129. Die Art der Unterstützung ist nicht entscheidend, und keine gehört von Natur aus zur Entwicklungszusammenarbeit(47). Insoweit kann eine Unterstützung wie „die technische und logistische Unterstützung für [die Republik] Mauritius in den Bereichen Überarbeitung der Rechtsvorschriften, Ausbildung von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbeamten, Ermittlungs- und Gerichtsverfahren“(48) zur Gewährleistung der Sicherheit und zur Förderung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit, wie wir zuvor gesehen haben, ohne Weiteres im Rahmen der GASP, insbesondere der GSVP, gewährt werden.

130. In Anbetracht dessen, dass ich im Abkommen keine Komponente ausmache, die sich auf die Entwicklungszusammenarbeit bezieht, folgt aus diesen Erwägungen, dass der streitige Beschluss zu Recht auf Art. 37 EUV gestützt worden ist, ohne dass ihm eine unter die Entwicklungszusammenarbeit fallende Rechtsgrundlage an die Seite gestellt wird.

131. Da der streitige Beschluss zu Recht nur auf eine Rechtsgrundlage gestützt worden ist, die sich auf die GASP bezieht, ist das dazugehörige Abkommen so anzusehen, als betreffe es im Sinne von Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV ausschließlich die GASP. Für den Erlass des Beschlusses über den Abschluss dieses Abkommens war daher weder die Zustimmung noch die Anhörung des Parlaments erforderlich.

II – Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV

132. Mit seinem zweiten Klagegrund wirft das Parlament dem Rat vor, er habe es entgegen den Vorgaben von Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht „in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet“.

133. Der Rat trägt vor, dieser Klagegrund sei unzulässig, da der Gerichtshof in Bezug auf Übereinkünfte, die ausschließlich die GASP beträfen, nicht für die Prüfung zuständig sei, ob er die in dieser Vorschrift vorgesehene Informationspflicht beachtet habe oder nicht. Für den Fall, dass sich der Gerichtshof für zuständig erklären sollte, die Einhaltung der genannten Vorschrift durch den Rat zu prüfen, trägt dieser hilfsweise vor, ihm könne kein Verstoß gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgeworfen werden.

134. Gemäß Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV ist der Gerichtshof „in Bezug auf [die Bestimmungen über die GASP] nicht zuständig; hiervon ausgenommen ist die Kontrolle der Einhaltung des Artikels 40 [EUV] und die Überwachung der Rechtmäßigkeit bestimmter Beschlüsse nach Artikel 275 Absatz 2 [AEUV]“.

135. In Art. 275 Abs. 1 AEUV heißt es ferner, dass der Gerichtshof „für die auf der Grundlage [der Bestimmungen über die GASP] erlassenen Rechtsakte“ nicht zuständig ist. Nach dem Wortlaut von Abs. 2 dieses Artikels ist „[d]er Gerichtshof … jedoch zuständig für die Kontrolle der Einhaltung von Artikel 40 [EUV] und für die unter den Voraussetzungen des Artikels 263 Absatz 4 [AEUV] erhobenen Klagen im Zusammenhang mit der Überwachung der Rechtmäßigkeit von Beschlüssen über restriktive Maßnahmen gegenüber natürlichen oder juristischen Personen, die der Rat auf der Grundlage von Titel V Kapitel 2 des [EU-]Vertrags erlassen hat“.

136. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass die GASP, auch wenn die Unzuständigkeit des Gerichtshofs in diesem Bereich nach wie vor die Regel ist, der Wachsamkeit des Unionsrichters nicht vollkommen entzogen ist.

137. Es steht fest, dass Art. 218 AEUV die Regeln für die Aushandlung und den Abschluss aller völkerrechtlichen Übereinkünfte festlegt. Insbesondere die in Abs. 10 dieses Artikels vorgesehene Regel, wonach „[d]as … Parlament … in allen Phasen des Verfahrens unverzüglich und umfassend unterrichtet [wird]“, gilt für alle Bereiche des Unionsrechts. Auch wenn die genannte Vorschrift demnach u. a. für die von der Union im Bereich der GASP geschlossenen völkerrechtlichen Übereinkünfte gelten soll, handelt es sich keineswegs um eine Bestimmung über die GASP im Sinne der Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und 275 Abs. 1 AEUV. Dieser erste Unzuständigkeitsgrund ist daher auszuschließen.

138. Außerdem folgt, auch wenn es sich bei dem streitigen Beschluss, wie wir zuvor gesehen haben, zweifellos um einen in materieller Hinsicht auf der Grundlage der Bestimmungen über die GASP erlassenen Rechtsakt im Sinne von Art. 275 Abs. 1 AEUV handelt, daraus meines Erachtens gleichwohl nicht, dass sich der Gerichtshof für die Kontrolle der Einhaltung einer Verfahrensvorschrift wie der in Art. 218 Abs. 10 AEUV, der für alle völkerrechtlichen Übereinkünfte gilt und dessen Anwendung auf im Bereich der GASP geschlossene völkerrechtliche Übereinkünfte nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird, durch den Rat für unzuständig erklären müsste.

139. Nach meinem Dafürhalten ist also grundsätzlich von einer Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Kontrolle der Einhaltung von Art. 218 Abs. 10 AEUV durch den Rat auszugehen; der Gerichtshof hat, wenn er mit einer Übereinkunft befasst ist, die, wie in der vorliegenden Rechtssache, ausschließlich die GASP betrifft, im Rahmen seiner Kontrolle allerdings der besonderen Natur der für die GASP geltenden Regeln und Verfahren Rechnung zu tragen, wie aus Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV hervorgeht.

140. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil Parlament/Rat zwar darauf hingewiesen, dass „die Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren auf Unionsebene ein grundlegendes demokratisches Prinzip wider[spiegelt], wonach die Völker durch eine Versammlung ihrer Vertreter an der Ausübung hoheitlicher Gewalt beteiligt sind“(49). Gleichzeitig konnte der Gerichtshof allerdings nicht umhin, festzustellen, dass sich die Verfasser des Vertrags von Lissabon dafür entschieden hätten, „dem Parlament in Bezug auf das Handeln der Union im Rahmen der GASP eine begrenztere Rolle“(50) zu übertragen.

141. Eine der besonderen Regeln bzw. eines der besonderen Verfahren im Bereich der GASP besteht jedoch darin, dass gemäß Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV weder die Zustimmung noch die Anhörung des Parlaments erforderlich sind, wenn die betreffende Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft.

142. Daraus folgt meines Erachtens, dass die Modalitäten und die Genauigkeit der gemäß Art. 218 Abs. 10 AEUV vorzunehmenden Unterrichtung des Parlaments nicht identisch sein können, je nachdem, ob die betreffende Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft oder nicht. Mit anderen Worten glaube ich, dass vom Rat zulässigerweise verlangt werden kann, dass er dem Parlament schneller und detaillierter Informationen über eine völkerrechtliche Übereinkunft übermittelt, wenn dieses Organ nach Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV seine Zustimmung erteilen oder angehört werden soll, als wenn weder die Zustimmung noch die Anhörung des Parlaments erforderlich sind. Um eine fundierte Stellungnahme abgeben zu können, muss das Parlament nämlich notwendigerweise über hinreichend detaillierte und rechtzeitige Informationen verfügen; ohne diese Informationen wäre es berechtigt, die Erteilung seiner Zustimmung zum Beschluss über den Abschluss einer Übereinkunft zu versagen.

143. Bei seiner Prüfung, ob der Rat der in Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehenen Informationspflicht nachgekommen ist, hat der Gerichtshof nach meinem Dafürhalten daher in jedem Fall die Art der betreffenden Übereinkunft und die Befugnisse zu berücksichtigen, über die das Parlament gemäß Art. 218 Abs. 6 Unterabs. 2 AEUV verfügt, um Einfluss auf den materiellen Inhalt dieser Übereinkunft zu nehmen.

144. Wird hingenommen, dass der Umfang der in Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehenen Informationspflicht nach Maßgabe der Beteiligung des Parlaments am Verfahren zum Abschluss völkerrechtlicher Übereinkünfte variieren kann, darf dies abgesehen davon nicht dazu führen, dass dem Parlament eine hinreichende Unterrichtung vorenthalten wird, wenn die fragliche Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft. Ich weise nämlich darauf hin, dass die in Art. 218 Abs. 10 AEUV vorgesehene Informationspflicht, auch wenn ihr Umfang je nach Fallkonstellation variieren kann, generell, also auch im Bereich der GASP, gilt.

145. Im Übrigen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Parlament, auch wenn ihm im Bereich der GASP, insbesondere dann, wenn eine Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft, nur eine begrenzte Rolle zukommt, gleichwohl über ein Aufsichtsrecht über diese Politik verfügt, wie u. a. aus Art. 36 EUV hervorgeht(51).

146. Sehen wir uns nunmehr an, zu welchen Zeitpunkten das Parlament über die Aushandlung und den Abschluss des Abkommens unterrichtet worden ist.

147. Am 22. März 2010 hat der Rat den Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik ermächtigt, Verhandlungen aufzunehmen, um Überstellungsabkommen mit mehreren Drittstaaten, darunter die Republik Mauritius, zu schließen.

148. Mit Schreiben vom gleichen Tag hat der Rat den Präsidenten des Parlaments über diesen Beschluss unterrichtet und darauf hingewiesen, dass er ihn zu gegebener Zeit über den Abschluss der fraglichen Überstellungsabkommen unterrichten werde.

149. Die Verhandlungen haben am 12. Juli 2011 zum Erlass des streitigen Beschlusses geführt, mit dem der Rat die Unterzeichnung des Abkommens gebilligt hat.

150. Das Abkommen ist am 14. Juli 2011 unterzeichnet worden.

151. Der streitige Beschluss und das Abkommen sind am 30. September 2011 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden.

152. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2011 hat der Rat den Präsidenten des Parlaments über den Erlass des streitigen Beschlusses und die Unterzeichnung des Abkommens unterrichtet.

153. Das Parlament wirft dem Rat vor, er habe es zum einen während der Phase der Aushandlung des Abkommens nicht auf dem Laufenden gehalten und zum anderen mehr als drei Monate gewartet, bevor er ihm den streitigen Beschluss und das Abkommen übermittelt habe.

154. Meines Erachtens können diese Rügen nicht zur Nichtigkeit des streitigen Beschlusses führen.

155. Erstens bin ich nämlich der Ansicht, dass Art. 218 Abs. 10 AEUV einen wirklichen Vorstoß des Rates zur Unterrichtung des Parlaments voraussetzt. Daher könnte die in dieser Vorschrift vorgesehene Informationspflicht durch die bloße Veröffentlichung eines Beschlusses des Rates im Amtsblatt der Europäischen Union nach meinem Dafürhalten nicht als erfüllt angesehen werden. Ich stelle jedoch fest, dass der Rat den Präsidenten des Parlaments unmittelbar und persönlich über die Aufnahme der Verhandlungen und später über den Erlass des streitigen Beschlusses und die Unterzeichnung des Abkommens unterrichtet hat.

156. Zweitens kann, wie ich zuvor ausgeführt habe, vom Rat nicht verlangt werden, dass er, wenn die betreffende Übereinkunft ausschließlich die GASP betrifft, das Parlament ebenso detailliert unterrichtet, als wenn dessen Zustimmung oder Anhörung erforderlich gewesen wären. Insbesondere war, da sich das Parlament nicht zum Inhalt des Abkommens zu äußern hatte, seine Unterrichtung über den Fortgang der Verhandlungen nicht obligatorisch.

157. Was drittens die dreimonatige Frist angeht, die verstrichen ist, bevor der Rat dem Parlament den streitigen Beschluss und das Abkommen übermittelt hat, weise ich darauf hin, dass es eher dem Geist von Art. 218 Abs. 10 AEUV entsprochen hätte, wenn das Parlament vor der Veröffentlichung des streitigen Beschlusses und des Abkommens im Amtsblatt der Europäischen Union unterrichtet worden wäre. In Anbetracht der Tatsache, dass die in Rede stehende Frist aus den zuvor dargelegten Gründen, die damit zusammenhängen, dass das Abkommen ausschließlich die GASP betrifft, weder die Vorrechte des Parlaments verletzt hat noch einen Einfluss auf den Inhalt des Abkommens haben konnte, bin ich jedoch der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 218 Abs. 10 AEUV nicht erfüllt sind.

III – Ergebnis

158. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

–        die Klage abzuweisen und

–        das Europäische Parlament zur Tragung der Kosten zu verurteilen, während die Tschechische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie die Europäische Kommission ihre eigenen Kosten tragen.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – C‑130/10.


3 – ABl. L 254, S. 1, im Folgenden: streitiger Beschluss.


4 – Im Folgenden: Abkommen.


5 – Urteil Parlament/Rat (Rn. 80).


6 – Hervorhebung nur hier.


7 – Wegen eines Beispiels für einen auf mehrere Rechtsgrundlagen gestützten Rechtsakt vgl. Beschluss 2012/308/GASP des Rates vom 26. April 2012 über den Beitritt der Europäischen Union zum Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit in Südostasien (ABl. L 154, S. 1). Dieser Beschluss wird auf die Art. 37 EUV und 31 Abs. 1 EUV in Verbindung mit den Art. 209 AEUV, 212 AEUV sowie 218 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a und Abs. 8 Unterabs. 2 AEUV gestützt.


8 – Gutachten 2/00 vom 6. Dezember 2001 (Slg. 2001, I‑9713, Rn. 5).


9 – Vgl. u. a. Urteil vom 22. Oktober 2013, Kommission/Rat (C‑137/12, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10 – Ebd. (Rn. 53).


11 – Im Folgenden: Sicherheitsrat.


12 – ABl. L 301, S. 33. Gemeinsame Aktion in der zuletzt vor Erhebung der vorliegenden Klage durch den Beschluss 2010/766/GASP des Rates vom 7. Dezember 2010 (ABl. L 327, S. 49) geänderten Fassung (im Folgenden: Gemeinsame Aktion).


13 – Letzter Erwägungsgrund dieser Resolution.


14 – Zweiter Erwägungsgrund dieser Resolution.


15 – Zwölfter Erwägungsgrund der genannten Resolution.


16 – Nr. 2 der Resolution 1816 (2008).


17 – Nr. 3 dieser Resolution.


18 – Dieses Übereinkommen ist am 16. November 1994 in Kraft getreten und mit dem Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 (ABl. L 179, S. 1) im Namen der Europäischen Gemeinschaft geschlossen und genehmigt worden (im Folgenden: Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen oder VN-Seerechtskonvention).


19 – Nr. 2 dieser Resolution.


20 – Nr. 11 dieser Resolution. Vgl. auch Nr. 14 der Resolution 1846 (2008).


21 – Neunter Erwägungsgrund der Resolution 1851 (2008).


22 – Vgl. Beitrag von Lenoir, D., „Atalante et l’action de l’Union européenne contre la piraterie“, im Rahmen des von der Stiftung für strategische Forschung organisierten dritten Runden Tischs – Aktion, Intervention, Sanktion des Forschungstags vom 7. Dezember 2009 zum Thema „Seeräuberei: ‚strategische Bedrohung‘ oder Begleiterscheinung?“, S. 61.


23 –      Vgl. Bosse-Platière, I., „Le volet judiciaire de la lutte contre la piraterie maritime en Somalie: les accords de transfert conclus par l’Union européenne avec des États tiers“, Les différentes facettes du concept juridique de sécurité – Mélanges en l’honneur du Professeur Pierre-André Lecocq, Université Nord Lille 2, 2011, S. 101.


24 – Vgl. Bericht des Sonderberaters des Generalsekretärs zu rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Seeräuberei vor der Küste von Somalia (Rn. 65).


25 – 2011/2962(RSP).


26 – Nr. 10.


27 – Erwägungsgrund C dieser Entschließung.


28 –      Die Charta ist am 26. Juni 1945 in San Francisco unterzeichnet worden.


29 –      Vgl. in diesem Sinne Urteil Parlament/Rat (Rn. 76) sowie Nr. 66 meiner Schlussanträge in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist.


30 – Wie es bereits in der am 12. Dezember 2003 in Brüssel angenommenen „Europäische[n] Sicherheitsstrategie – Ein sicheres Europa in einer besseren Welt“ hieß, „ist keine der neuen Bedrohungen rein militärischer Natur und kann auch nicht mit rein militärischen Mitteln bewältigt werden. Jede dieser Bedrohungen erfordert eine Kombination von Instrumenten“ (S. 7).


31 –      Angeführt seien beispielsweise die Gemeinsame Aktion 2008/124/GASP über die Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union im Kosovo, EULEX KOSOVO (ABl. L 42, S. 92), die Unterstützung für Irak im Rahmen des Beschlusses 2010/330/GASP des Rates vom 14. Juni 2010 betreffend die integrierte Rechtsstaatlichkeitsmission der Europäischen Union für Irak, EUJUST LEX-IRAQ (ABl. L 149, S. 12), der Beschluss 2012/389/GASP des Rates vom 16. Juli 2012 über die Mission der Europäischen Union zum Ausbau der regionalen maritimen Kapazitäten am Horn von Afrika (EUCAP NESTOR) (ABl. L 187, S. 40) und der Beschluss 2012/392/GASP des Rates vom 16. Juli 2012 über die GSVP-Mission der Europäischen Union in Niger (EUCAP Sahel Niger) (ABl. L 187, S. 48).


32 –      Seit dem Europäischen Rat von Santa Maria da Feira vom 19. und 20. Juni 2000 hat die Union die zivile Dimension der GSVP ausgebaut. Die Operationen, die in diesem Rahmen stattgefunden haben, zielten darauf ab, Staaten, die sich in Postkonfliktsituationen befinden oder von schwachen Institutionen geprägt sind, Unterstützung zu gewähren, um es ihnen zu ermöglichen, ihre Rechtsvorschriften zu konsolidieren und/oder ihre Fähigkeit zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zu entwickeln oder aber ihre Außengrenzen wirksamer zu kontrollieren. Vgl. Trauner, F., „The internal-external security nexus: more coherence under Lisbon?“, Occasional Paper, ISS, März 2011, S. 16.


33 – Vgl. Neframi, E., „L’aspect externe de l’espace de liberté, de sécurité et de justice: quel respect des principes et objectifs de l’action extérieure de l’Union?“, La dimension extérieure de l’espace de liberté, de sécurité et de justice de l’Union européenne après le traité de Lisbonne, Bruylant, 2013, S. 509, insbesondere S. 521.


34 –      So heißt es im Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union (ABl. 2005, C 53, S. 1), dass alle Befugnisse der Union, einschließlich der Außenbeziehungen, zwecks Schaffung eines RFSR auf integrierte und kohärente Weise eingesetzt werden sollten (Nr. 4 letzter Absatz).


35 – Vgl. Govaere, I., und Demedts, V., „Quelle définition de l’‚externe‛ en matière d’ELSJ? Le cadre et les enjeux“, La dimension extérieure de l’espace de liberté, de sécurité et de justice de l’Union européenne après le traité de Lisbonne, Bruylant, 2013, S. 489, insbesondere S. 497.


36 – Ebd. (S. 508).


37 – Vgl. de Biolley, S., „Coopération policière dans l’Union européenne“, Jurisclasseur Europe, Heft 2680, Nr. 114.


38 –      Ebd.


39 –      Das Stockholmer Programm – Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger (ABl. 2010, C 115, S. 1).


40 –      Vgl. Nr. 7 („Europa in einer globalisierten Welt – Die externe Dimension von Freiheit, Sicherheit und Recht“). Der Europäische Rat führt insoweit aus, er „erkenn[e] an, dass die GSVP und viele außenpolitische Maßnahmen auf dem Gebiet der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gemeinsame oder sich ergänzende Ziele haben. GSVP-Missionen tragen erheblich zur inneren Sicherheit der Union bei, indem sie die Bekämpfung der schweren grenzüberschreitenden Kriminalität in den Gastländern unterstützen und mithelfen, für stärkere Beachtung der Rechtsstaatlichkeit zu sorgen“ (Nr. 7.1). Deshalb „ruft [der Europäische Rat] zu einer umfangreicheren Zusammenarbeit und Kohärenz zwischen den Politiken im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und der GSVP auf, damit diese gemeinsamen Ziele vorangebracht werden“ (ebd.).


41 –      Die Synergie zwischen den traditionellen Instrumenten des RFSR und der GASP in ihrer GSVP-Dimension wird in der am 25. und 26. Februar 2010 vom Rat „Justiz und Inneres“ angenommenen und am 25. und 26. März 2010 vom Europäischen Rat gebilligten „Strategie für die innere Sicherheit der Europäischen Union: Auf dem Weg zu einem europäischen Sicherheitsmodell“ hervorgehoben, in der es heißt: „Es ist auch sehr wichtig, die Mitwirkung von Strafverfolgungsbehörden und von im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht tätigen Stellen auf allen Ebenen ziviler Krisenbewältigungsmissionen zu verstärken, so dass sie zur Konfliktlösung durch ihre Zusammenarbeit mit allen anderen vor Ort beteiligten Diensten beitragen können (militärische, diplomatische, Notdienste usw.)“ (S. 30). Es besteht daher eine enge Verbindung und eine Komplementarität zwischen der Außendimension des RFSR und der GSVP. Auch wenn die Zusammenarbeit mit Drittstaaten für die Erreichung der Ziele der inneren Sicherheit der Union entscheidend ist, können die GSVP-Missionen den Zielen des RFSR auf ähnliche Weise dienen, nicht nur, indem sie eine für die innere Sicherheit relevante Information liefern, sondern auch, indem sie zur Stabilität der Nachbarschaft der Union beitragen (vgl. zu diesem Aspekt Wolff, S., und Mounier, G., „The external dimension of JHA: A new dimension of EU diplomacy“, Freedom, Security and Justice after Lisbon and Stockholm, TMC Asser Press, 2011).


42 – Vgl. Neframi, E., a. a. O., S. 527.


43 – C‑91/05, Slg. 2008, I‑3651.


44 –      Rn. 71.


45 –      Rn. 72.


46 –      Vgl. Urteile vom 3. Dezember 1996, Portugal/Rat (C‑268/94, Slg. 1996, I‑6177, Rn. 23 bis 29 und 37 bis 39), vom 23. Oktober 2007, Parlament/Kommission (C‑403/05, Slg. 2007, I‑9045, Rn. 56 bis 58), und vom 20. Mai 2008, Kommission/Rat (Rn. 64 bis 70).


47 –      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Mai 2008, Kommission/Rat (Rn. 104 und 105).


48 –      Vgl. Art. 7 Abs. 3 des Abkommens.


49 – Rn. 81.


50 – Rn. 82.


51 – So sieht Art. 36 Abs. 1 EUV vor: „Der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik hört das … Parlament regelmäßig zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der [GASP] und der [GSVP] und unterrichtet es über die Entwicklung der Politik in diesen Bereichen. Er achtet darauf, dass die Auffassungen des … Parlaments gebührend berücksichtigt werden. Die Sonderbeauftragten können zur Unterrichtung des … Parlaments mit herangezogen werden.“ In Art. 36 Abs. 2 EUV heißt es weiter: „Das … Parlament kann Anfragen oder Empfehlungen an den Rat und den Hohen Vertreter richten. Zweimal jährlich führt es eine Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung der [GASP], einschließlich der [GSVP].“