Language of document : ECLI:EU:C:2018:974

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 29. November 2018(1)

Rechtssache C347/17

A,

B,

C,

D,

E,

F,

G

gegen

Staatssecretaris van Economische Zaken

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Rotterdam [Bezirksgericht Rotterdam, Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EG) Nr. 853/2004 – Verordnung (EG) Nr. 854/2004 – Hygiene von Lebensmitteln tierischen Ursprungs – Geflügel – Verpflichtungen von Schlachthöfen nach dem Ausnehmen – Wesen und Inhalt – Säubern von Schlachtkörpern – Begriff ‚Kontamination‘ – Sichtbare oder nicht sichtbare Kontamination auf einem Schlachtkörper – Kontamination durch Kot, Galle und Kropfinhalt – Kontrollen – Befugnisse von Amtsträgern“






I.      Einleitung

1.        Aufgrund mehrerer Kontrollen verhängten die niederländischen Behörden gegen sieben Schlachthofbetreiber Geldbußen wegen Verstoßes gegen nationale und unionsrechtliche Vorschriften über Lebensmittel tierischen Ursprungs. Die Kontrollen fanden im Schlachtprozess auf der Stufe nach dem Ausnehmen und Säubern des Geflügels und vor dem Kühlen statt. An einer Reihe von Schlachtkörpern wurde eine sichtbare Kontamination in Form von Kot, Galle oder Kropfinhalt festgestellt.

2.        Die Geflügelschlachthöfe beanstanden die Art und Weise der Durchführung der Kontrollen und die von den nationalen Behörden getroffenen Feststellungen. Der Gerichtshof wird in diesem Zusammenhang ersucht, durch Auslegung Wesen und Inhalt der unionsrechtlichen Verpflichtungen von Schlachthöfen im Geflügelbereich zu bestimmen, insbesondere in Bezug auf die Art von Kontamination, die während des Schlachtprozesses zu vermeiden ist, und die unionsrechtlichen Befugnisse amtlicher Tierärzte, Kontrollen im Schlachtprozess vorzunehmen.

II.    Rechtsrahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung (EG) Nr. 853/2004

3.        Nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs(2) müssen „Lebensmittelunternehmer … die einschlägigen Vorschriften der Anhänge II und III erfüllen“.

4.        Abschnitt II im Anhang III legt konkrete Anforderungen betreffend das Fleisch von Geflügel und Hasentieren fest. Dort sind in Kapitel II die Anforderungen geregelt, die in diesem Bereich tätige Schlachthöfe erfüllen müssen:

„Lebensmittelunternehmer müssen sicherstellen, dass Schlachthöfe, in denen Geflügel oder Hasentiere geschlachtet werden, gemäß den folgenden Vorschriften angelegt und ausgerüstet sind:

2.      Zur Vermeidung einer Kontamination des Fleisches müssen sie

a)      über genügend Räume für die durchzuführenden Arbeitsvorgänge verfügen;

b)      über einen getrennten Raum für das Ausnehmen und weitere Zurichten (‚dressing‘) … verfügen …

c)      eine räumliche oder zeitliche Trennung der folgenden Arbeitsgänge gewährleisten:

i)      Betäubung und Entblutung;

ii)      Rupfen oder Häuten und Brühen sowie

iii)      Versand von Fleisch;

e)      über Schlachtlinien verfügen, die (wo sie betrieben werden), so konzipiert sind, dass der Schlachtprozess kontinuierlich abläuft und Kreuzkontaminationen zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen der Schlachtlinie vermieden werden. Wird in ein und derselben Schlachtanlage mehr als eine Schlachtlinie betrieben, so muss eine angemessene Trennung dieser Schlachtlinien gewährleistet werden, um Kreuzkontaminationen zu vermeiden.

…“

5.        In Anhang III Abschnitt II Kapitel IV sind eine Reihe von Anforderungen betreffend die Schlachthygiene festgelegt, die Geflügelschlachthöfe betreibende Lebensmittelunternehmer erfüllen müssen:

„…

5.      Das Betäuben, Entbluten, Enthäuten oder Rupfen, Ausnehmen und weitere Zurichten (‚dressing‘) müssen ohne ungebührliche Verzögerung so vorgenommen werden, dass jede Kontamination des Fleisches vermieden wird. Es müssen insbesondere Vorkehrungen getroffen werden, um das Auslaufen von Magen- und Darminhalt während des Ausnehmens zu verhindern.

7.      Im Anschluss an die Fleischuntersuchung

a)      müssen für genussuntauglich erklärte Tierkörperteile so bald wie möglich aus dem reinen Bereich des Schlachthofs entfernt werden;

c)      müssen die verbleibenden Eingeweide oder Eingeweideteile, ausgenommen Nieren, möglichst vollständig und so bald wie möglich entfernt werden, es sei denn, die zuständige Behörde lässt etwas anderes zu.

8.      Nach der Untersuchung und dem Ausnehmen müssen die Schlachtkörper gesäubert und so schnell wie möglich auf eine Temperatur von nicht mehr als 4 °C abgekühlt werden, es sei denn, das Fleisch wird in warmem Zustand zerlegt.

9.      Bei Tauchkühlung von Schlachtkörpern gilt Folgendes:

a)      Unter Berücksichtigung von Parametern wie Schlachtkörpergewicht, Wassertemperatur, Menge und Richtung des Wasserflusses und Kühlzeit müssen alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen [werden], um eine Kontamination der Schlachtkörper zu vermeiden;

…“

2.      Verordnung (EG)  Nr. 854/2004

6.        Der achte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 854/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs(3) lautet wie folgt: „Eine amtliche Überwachung der Fleischproduktion ist erforderlich, um nachzuprüfen, ob die Lebensmittelunternehmer die Hygienevorschriften einhalten und die Kriterien und Ziele des Gemeinschaftsrechts erfüllen. Die amtliche Überwachung sollte Überprüfungen der Tätigkeit der Lebensmittelunternehmer und Inspektionen einschließlich Prüfungen der Eigenkontrollen der Unternehmen umfassen.“

7.        Nach Art. 4 Abs. 3 umfasst die amtliche Überwachung:

„a)      Überprüfungen (Audits) der guten Hygienepraxis und der Verfahren, die auf einer Gefahrenanalyse und der Überwachung kritischer Kontrollpunkte (HACCP-Verfahren) gestützt sind,

b)      die amtliche Überwachung gemäß den Artikeln 5 bis 8 sowie

c)      in den Anhängen genannte besondere Überprüfungsaufgaben“.

8.        Nach Art. 5 sorgen „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür, dass Frischfleisch einer amtlichen Überwachung gemäß Anhang I unterzogen wird.

1.      Gemäß den allgemeinen Bestimmungen des Anhangs I Abschnitt I Kapitel II und den besonderen Bestimmungen des Anhangs I Abschnitt IV führt der amtliche Tierarzt in Schlachthöfen, Wildbearbeitungsbetrieben und Zerlegungsbetrieben, die frisches Fleisch in Verkehr bringen, Inspektionen vor allem in Bezug auf Folgendes durch:

a)      Informationen zur Lebensmittelkette;

b)      Schlachttieruntersuchung;

c)      Tierschutz;

d)      Fleischuntersuchung;

e)      spezifiziertes Risikomaterial und andere tierische Nebenprodukte;

f)      Labortests.“

9.        In Abschnitt I des Anhangs I sind die Aufgaben des amtlichen Tierarzts niedergelegt. Darin sind in Kapitel I insbesondere Überprüfungsaufgaben und in Kapitel II Inspektionsaufgaben vorgesehen.

10.      Nach Nr. 2 Buchst. b in Kapitel I hat der amtliche Tierarzt „[z]usätzlich zu den allgemeinen Anforderungen des Artikels 4 Absatz 5 an die Überprüfung der Einhaltung der HACCP-gestützten Grundsätze … zu prüfen, ob die Verfahren der Lebensmittelunternehmer so weit wie möglich sicherstellen, dass Fleisch … keine fäkale oder sonstige Verunreinigung aufweist“.

11.      Unter Teil D des Kapitels II ist bestimmt, wie Fleischuntersuchungen durchzuführen sind:

„1.      Die Schlachtkörper und die dazugehörigen Nebenprodukte der Schlachtung sind unverzüglich nach der Schlachtung einer Fleischuntersuchung zu unterziehen. Alle äußeren Oberflächen sind zu begutachten. Dabei können eine geringfügige Handhabung des Schlachtkörpers und der Nebenprodukte der Schlachtung oder besondere technische Vorrichtungen erforderlich sein. Besonderes Augenmerk muss dabei Zoonosen und Krankheiten der Liste A sowie gegebenenfalls der Liste B des Internationalen Tierseuchenamtes (OIE) gelten. Die Geschwindigkeit der Schlachtlinie und die Zahl des anwesenden Inspektionspersonals müssen eine ordnungsgemäße Untersuchung erlauben.

2.      Sofern dies für erforderlich erachtet wird, sind zusätzlich Untersuchungen wie Durchtasten und Anschneiden von Schlachtkörperteilen und Nebenprodukten der Schlachtung und Labortests durchzuführen, …

4.      Während der Untersuchung sind Vorkehrungen zu treffen, damit das Risiko einer Kontaminierung des Fleischs beim Durchtasten, Schneiden oder Anschneiden so gering wie möglich gehalten wird.

…“

12.      In Anhang I Abschnitt II Kapitel V sind die Vorschriften über Entscheidungen bezüglich Fleisch nach Durchführung von Kontrollen niedergelegt. Nach Nr. 1 Buchst. s ist „Fleisch … für genussuntauglich zu erklären, wenn es Verunreinigungen, Verschmutzung durch Fäkalien oder sonstige Kontamination aufweist“.

13.      Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B befasst sich mit der Fleischuntersuchung von Geflügel:

„1.      Alle Tiere sind gemäß den Abschnitten I und III einer Fleischuntersuchung zu unterziehen. Darüber hinaus führt der amtliche Tierarzt persönlich die folgenden Untersuchungen durch:

a)      tägliche Besichtigung der Eingeweide und Leibeshöhlen einer repräsentativen Stichprobe von Tieren;

b)      bei jeder Geflügelpartie ein und derselben Herkunft eingehende Stichprobenuntersuchung von Teilen von Tieren oder von ganzen Tieren, deren Fleisch bei der Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärt wurde, und

c)      sonstige erforderliche Untersuchungen, wenn der Verdacht besteht, dass das Fleisch der betreffenden Tiere genussuntauglich sein könnte.“

3.      Verordnung (EG)  Nr. 882/2004

14.      Nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz(4) werden „[a]mtliche Kontrollen … auf jeder Stufe der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs von Futtermitteln oder Lebensmitteln, Tieren und tierischen Erzeugnissen durchgeführt“.

15.      Nach Art. 10 Abs. 1 werden „[d]ie Aufgaben im Zusammenhang mit den amtlichen Kontrollen … im Allgemeinen unter Verwendung geeigneter Kontrollmethoden und ‑techniken, wie Beobachtung, Überwachung, Verifizierung, Überprüfung, Inspektion, Probenahme und Analyse, durchgeführt“.

4.      Verordnung (EG)  Nr. 852/2004

16.      Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene(5) definiert den Begriff „Kontamination“ als „das Vorhandensein oder das Hereinbringen einer Gefahr“.

17.      Art. 5 befasst sich wie folgt mit der Gefahrenanalyse und kritischen Kontrollpunkten (HACCP):

„(1)      Die Lebensmittelunternehmer haben ein oder mehrere ständige Verfahren, die auf den HACCP-Grundsätzen beruhen, einzurichten, durchzuführen und aufrechtzuerhalten.

(2)      Die in Absatz 1 genannten HACCP-Grundsätze sind die Folgenden:

a)      Ermittlung von Gefahren, die vermieden, ausgeschaltet oder auf ein akzeptables Maß reduziert werden müssen,

b)      Bestimmung der kritischen Kontrollpunkte, auf der (den) Prozessstufe(n), auf der (denen) eine Kontrolle notwendig ist, um eine Gefahr zu vermeiden, auszuschalten oder auf ein akzeptables Maß zu reduzieren,

c)      Festlegung von Grenzwerten für diese kritischen Kontrollpunkte, anhand deren im Hinblick auf die Vermeidung, Ausschaltung oder Reduzierung ermittelter Gefahren zwischen akzeptablen und nicht akzeptablen Werten unterschieden wird,

…“

5.      Verordnung (EG)  Nr. 178/2002

18.      Art. 3 Nr. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit(6) definiert den Begriff „Gefahr“ als „ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder einen Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann“.

19.      Art. 14 legt Anforderungen betreffend die Lebensmittelsicherheit wie folgt fest:

„(1)      Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.

(2)      Lebensmittel gelten als nicht sicher, wenn davon auszugehen ist, dass sie

a)      gesundheitsschädlich sind,

b)      für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.

(3)      Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel sicher ist oder nicht, sind zu berücksichtigen:

a)      die normalen Bedingungen seiner Verwendung durch den Verbraucher und auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen sowie

b)      die dem Verbraucher vermittelten Informationen einschließlich der Angaben auf dem Etikett oder sonstige ihm normalerweise zugängliche Informationen über die Vermeidung bestimmter die Gesundheit beeinträchtigender Wirkungen eines bestimmten Lebensmittels oder einer bestimmten Lebensmittelkategorie.

(4)      Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel gesundheitsschädlich ist, sind zu berücksichtigen

a)      die wahrscheinlichen sofortigen und/oder kurzfristigen und/oder langfristigen Auswirkungen des Lebensmittels nicht nur auf die Gesundheit des Verbrauchers, sondern auch auf nachfolgende Generationen,

b)      die wahrscheinlichen kumulativen toxischen Auswirkungen,

c)      die besondere gesundheitliche Empfindlichkeit einer bestimmten Verbrauchergruppe, falls das Lebensmittel für diese Gruppe von Verbrauchern bestimmt ist.

(5)      Bei der Entscheidung der Frage, ob ein Lebensmittel für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist, ist zu berücksichtigen, ob das Lebensmittel infolge einer durch Fremdstoffe oder auf andere Weise bewirkten Kontamination, durch Fäulnis, Verderb oder Zersetzung ausgehend von dem beabsichtigten Verwendungszweck nicht für den Verzehr durch den Menschen inakzeptabel geworden ist.“

B.      Nationales Recht

1.      Wet dieren (Tiergesetz)

20.      Art. 6.2 Abs. 1 der Wet van 19 mei 2011, houdende een integraal kader voor regels over gehouden dieren en daaraan gerelateerde onderwerpen (Gesetz vom 19. Mai 2011 mit einem integralen Rahmen für Vorschriften über die Haltung von Tieren und damit zusammenhängende Fragen, im Folgenden: Tiergesetz)(7) lautet: „Es ist untersagt, durch oder aufgrund einer Rechtsverordnung oder durch Ministerialverordnung bezeichnete Bestimmungen von EU-Verordnungen, die Fragen betreffen, auf die dieses Gesetz Anwendung findet, zu verletzen“.

21.      Gemäß Art. 8.7 des Tiergesetzes kann der Minister van Economische Zaken (Minister für Wirtschaft) eine Geldbuße gegen denjenigen verhängen, der einen Verstoß im Sinne von Art. 8.6 Abs. 1 dieses Gesetzes begeht.

2.      Regeling dierlijke producten (Verordnung über tierische Erzeugnisse)

22.      Art. 2.4 Abs. 1 der Regeling van de Minister van Economische Zaken van 7 december 2012, nr. WJZ/12346914, houdende regels met betrekking tot dierlijke producten (Verordnung Nr. WJZ/12346914 des Ministers für Wirtschaft vom 7. Dezember 2012 mit Vorschriften betreffend tierische Erzeugnisse)(8) lautet wie folgt:

„Bestimmungen von EU-Verordnungen im Sinne von Art. 6.2 Abs. 1 des Gesetzes sind:

d)      die Art. 3 und 4 Abs. 1 bis 4 sowie die Art. 5 und 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004.

…“

III. Sachverhalt, nationales Verfahren und Vorlagefragen

23.      Im Jahr 2015 führte die Nederlandse Voedsel- en Warenautoriteit (Niederländische Lebensmittel- und Warenüberwachungsbehörde, im Folgenden: NVWA) ein risikobasiertes Verfahren zur Durchführung von Kontrollen in großen Geflügelschlachthöfen ein. Dieses Verfahren umfasst mehrere tägliche Probenahmen bei den genannten Schlachthöfen. Dreimal pro Schlachtschicht werden 50 Schlachtkörper der Schlachtlinie kontrolliert.

24.      Bei den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens handelt es sich um sieben Gesellschaften, die Schlachthöfe in den Niederlanden betreiben. Von der NVWA in den Betrieben dieser Gesellschaften durchgeführte Kontrollen ergaben, dass Geflügelschlachtkörper kontaminiert waren. Die Kontrollen wurden am Ende der sogenannten Ausnehmlinie (der Prozessstufe, auf der die Eingeweide und der Kropfinhalt entfernt werden) und vor dem Kühlen durchgeführt. Diese Kontrollen umfassten die Untersuchung sowohl der Außen- und Innenseite der Schlachtkörper als auch die gelegentliche Nachschau unter dem Fettgewebe. Drei Arten von Kontamination wurden festgestellt: Kot (auch als Dung oder Darminhalt bezeichnet), Kropfinhalt (Getreidekörner oder Innenhäute davon) und Galle.

25.      Die ersten beiden Verstöße wurden nach Erteilung schriftlicher Verwarnungen an die Klägerinnen abgestellt. Im Nachgang zu dem dritten festgestellten Verstoß wurden den Klägerinnen Abhilfemaßnahmen aufgegeben, mit denen sie verpflichtet wurden, ihre auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren entsprechend anzupassen. Mit Bescheiden vom 27. November bzw. 11. Dezember und 18. Dezember 2015 wurde jeder von ihnen außerdem eine Geldbuße von 2 500 Euro auferlegt.

26.      Die Klägerinnen legten gegen diese Bescheide jeweils Einspruch beim Staatssecretaris van Economische Zaken (Staatssekretär für Wirtschaftsangelegenheiten) ein. Mit Bescheiden vom 29. April, 2. Mai und 3. Mai 2016 (im Folgenden: angefochtene Bescheide) wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerinnen als unbegründet zurück.

27.      Daraufhin erhoben die Klägerinnen gegen die angefochtenen Bescheide Klage bei der Rechtbank Rotterdam (Bezirksgericht Rotterdam, Niederlande). Die Klägerinnen greifen insbesondere die Tatsachenfeststellung an, mit der die verhängten Geldbußen begründet wurden, nämlich dass innerhalb der „Küchenfertig“-Schlachtlinie Kontaminationen aufgetreten seien. Denn es sei „verfrüht“, auf dieser Prozessstufe zu untersuchen, ob die Schlachtkörper Spuren einer Kontamination aufwiesen, und, wenn dem so gewesen sei, eine Sanktion zu verhängen. Ferner greifen die Klägerinnen die Tatsachenfeststellung an, dass eine Kontamination durch Kot, Kropfinhalt und Galle verursacht worden sein könnte. Außerdem erheben sie Einwände gegen die Art und Weise der Durchführung der Kontrollen.

28.      Vor diesem tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund hat die Rechtbank Rotterdam (Bezirksgericht Rotterdam) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nrn. 5 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. 2004, L 139) dahin zu verstehen, dass ein Geflügelschlachtkörper nach dem Ausnehmen und Säubern keinerlei sichtbare Kontamination mehr enthalten darf?

2.      Erfasst Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nrn. 5 und 8 der Verordnung Nr. 853/2004 Kontaminationen mit Kot, Galle und Kropfinhalt?

3.      Sofern die erste Frage bejaht wird: Ist Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 8 der Verordnung Nr. 853/2004 in diesem Fall dahin auszulegen, dass das Säubern unmittelbar nach dem Ausnehmen zu erfolgen hat, oder darf die Entfernung sichtbarer Kontamination nach dieser Vorschrift auch noch während des Kühlens oder Zerlegens oder beim Verpacken erfolgen?

4.      Ist es der zuständigen Behörde gemäß Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nr. 1 der Verordnung Nr. 854/2004 erlaubt, bei der Kontrolle Schlachtkörper aus der Schlachtlinie zu entfernen und an der Außen- und Innenseite sowie unter dem Fettgewebe auf sichtbare Kontamination zu kontrollieren?

5.      Sofern die erste Frage verneint wird und somit sichtbare Kontamination auf einem Geflügelschlachtkörper zurückbleiben darf: Wie ist in diesem Fall Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nrn. 5 und 8 der Verordnung Nr. 853/2004 auszulegen? Auf welche Weise wird dann das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Gewährleistung eines hohen Maßes an Schutz für die Volksgesundheit, erreicht?

29.      Die Klägerinnen, die dänische, die deutsche, die niederländische und die finnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Am 4. Oktober 2018 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, anlässlich derer die Klägerinnen, die dänische und die niederländische Regierung sowie die Kommission mündliche Erklärungen abgegeben haben.

IV.    Würdigung

30.      Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen kreisen im Wesentlichen um drei Themen. Die erste Frage betrifft die Auslegung des Begriffs „Kontamination“, der im Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 5 der Verordnung Nr. 853/2004 (im Folgenden: Nr. 5) erwähnt ist, hinsichtlich seiner Reichweite (zweite und fünfte Frage sowie ein Teil der ersten Frage). Das zweite Thema betrifft Wesen und Inhalt der Verpflichtungen, die Geflügelschlachthöfen durch Nr. 5 und auch durch Nr. 8 desselben Anhangs (im Folgenden: Nr. 8) auferlegt sind, sowie die konkrete Stufe innerhalb des Schlachtprozesses, auf der diese Verpflichtungen erfüllt werden müssen (dritte Frage und ein Teil der ersten Frage). Das dritte Thema betrifft die amtlichen Kontrollen, mit denen die Erfüllung dieser verschiedenen Verpflichtungen überprüft werden kann (vierte Frage und ein Teil der ersten Frage).

31.      In den vorliegenden Schlussanträgen befasse ich mich mit den vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen jeweils im Kontext der einzelnen Probleme, die die Fragen aufwerfen: A) Was genau innerhalb des Schlachtprozesses ist den behördlichen Kontrollen zu unterziehen? B) Wann sind die betreffenden Kontrollen im Schlachtprozess durchzuführen? C) Wer hat die betreffenden Kontrollen auf welcher Rechtsgrundlage durchzuführen? Nachdem ich die durch die vorliegende Rechtssache aufgeworfenen wesentlichen Fragen in dieser Weise geprüft habe, können die einzelnen Fragen des vorlegenden Gerichts meines Erachtens unter D) recht eindeutig beantwortet werden.

A.      Was ist unter „Kontamination“ zu verstehen?

32.      Nach Nr. 5 müssen „[d]as Betäuben, Entbluten, Enthäuten oder Rupfen, Ausnehmen und weitere Zurichten (‚dressing‘) … ohne ungebührliche Verzögerung so vorgenommen werden, dass jede Kontamination des Fleisches vermieden wird. Es müssen insbesondere Vorkehrungen getroffen werden, um das Auslaufen von Magen- und Darminhalt während des Ausnehmens zu verhindern.“(9)

33.      Gemäß Nr. 8 müssen „[n]ach der Untersuchung und dem Ausnehmen … die Schlachtkörper gesäubert und so schnell wie möglich auf eine Temperatur von nicht mehr als 4 °C abgekühlt werden, es sei denn, das Fleisch wird in warmem Zustand zerlegt“.

34.      In diesem Unterabschnitt befasse ich mich zunächst mit der Frage, ob die Nrn. 5 und 8 nur sichtbare Kontamination erfassen, da das vorlegende Gericht seine Fragen nur mit Blick auf diese konkrete Art der Kontamination formuliert hat (1). Danach werde ich die in Nr. 5 erwähnten Kontaminationsquellen untersuchen, und zwar insbesondere die Frage, ob Kontamination durch Kot, Galle und Kropfinhalt verursacht sein kann (2).

1.      Sichtbare und nicht sichtbare Kontamination

35.      Das vorlegende Gericht hat seine Fragen, darunter insbesondere die erste Frage, insofern eingeschränkt, als dort nur von „sichtbarer Kontamination“ die Rede ist. Nach meinem Verständnis rührt diese konkrete und recht enge Betrachtung vom Sachverhalt des Ausgangsverfahrens her. Denn die vorliegende Rechtssache betrifft tatsächlich nur eine behauptete sichtbare Kontamination von Geflügelschlachtkörpern.

36.      Jedoch bedarf es im Hinblick darauf, dass eine allgemein(gültig)ere Auslegung eines Begriffs des Unionsrechts, nämlich die des Begriffs „Kontamination“, angestrebt wird, einer einleitenden Klarstellung.

37.      Meines Erachtens gibt es keinen Grund dafür, sichtbarer Kontamination zu Zwecken der Auslegung der Verordnung Nr. 853/2004, wie sie auf Geflügel Anwendung findet, einen eigenen Stellenwert zu verleihen. Wie von allen Teilnehmern der mündlichen Verhandlung anerkannt wird, erfassen Nr. 5 und in logischer Fortführung des Gedankens auch Nr. 8 sowohl sichtbare als auch nicht sichtbare Kontamination. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut, dem Kontext und dem Zweck der betreffenden Vorschriften.

38.      Erstens ist mit Blick auf den Wortlaut der Nrn. 5 und 8 einleitend anzumerken, dass keine der beiden vom vorlegenden Gericht zitierten Bestimmungen den eigenen Anwendungsbereich auf sichtbare Kontamination beschränkt. In Nr. 8 kommt der besagte Begriff nicht ausdrücklich vor. In Nr. 5 ist der Begriff Kontamination ganz allgemein erwähnt, ohne dass dort zwischen sichtbarer und nicht sichtbarer Kontamination unterschieden wird.

39.      Zweitens ergibt eine systematische Betrachtung der Verordnung Nr. 853/2004, dass darin nur einmal ausdrücklich von „sichtbarer Kontamination“ die Rede ist, und zwar in dem konkreten Fall der als Haustiere gehaltenen Huftiere(10). Daher ist wohl davon auszugehen, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er diesen Begriff eng verstanden und angewandt wissen wollte, in einem Fall, in dem eine solche Unterscheidung ersichtlich angezeigt erschiene, dies ausdrücklich vorsehen könnte. Demgegenüber besteht eine solche Einschränkung in Bezug auf Geflügel nicht.

40.      Drittens wird diese Auslegung auch durch eine systematische Auslegung der Nrn. 5 und 8, und zwar nicht nur innerhalb der Verordnung Nr. 853/2004, sondern auch darüber hinaus, d. h. im Kontext sonstiger Rechtsvorschriften, gestützt. Tatsächlich erwähnt eine Reihe von sonstigen Bestimmungen der letzteren Verordnung die Verpflichtung von Geflügelschlachthöfen, Kontaminationen zu vermeiden, ohne weitere Angaben zur Art der Kontamination. Z. B. müssen Schlachthöfe zur Vermeidung einer Kontamination oder Kreuzkontamination eine räumliche und zeitliche Trennung der Prozessstufen innerhalb des Schlachtprozesses sicherstellen(11). Bei Tauchkühlung von Schlachtkörpern müssen alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um eine Kontamination der Schlachtkörper zu vermeiden(12). Über die Verordnung Nr. 853/2004, die sich speziell mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs befasst, hinaus wird der Kontaminationsbegriff außerdem in Art. 2 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 852/2004, die Lebensmittelhygiene im Allgemeinen zum Gegenstand hat, weit definiert als „das Vorhandensein oder das Hineinbringen einer Gefahr“(13). Der Begriff „Gefahr“ selbst erfährt in Art. 3 Nr. 14 der Verordnung Nr. 178/2002, die die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittelrechts niederlegt, eine weite Definition dahin gehend, dass er „ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder einen Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann“, bezeichnet.

41.      Viertens legt der übergreifende Zweck der Verordnung Nr. 853/2004 nahe, dass sämtliche Arten von Kontamination, ob nun sichtbar oder nicht sichtbar, unter diesen Begriff fallen. Nach dem neunten Erwägungsgrund dieser Verordnung besteht ihr wesentliches Ziel darin, in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen. Man kann jedoch kaum davon ausgehen, dass ein solches hohes Niveau erreicht wird, wenn allein auf sichtbare Kontamination abgestellt wird. Dies gilt vielleicht umso mehr in Bezug auf Geflügel, bei dem nach dem Vortrag der Klägerinnen eine Kontamination hauptsächlich von Haut, Beinen und Gefieder herrührt, die dann tatsächlich nicht sichtbar sein dürfte.

42.      Folglich umfasst die in Nr. 5 enthaltene Verpflichtung zur Vermeidung einer Kontamination des Fleisches meines Erachtens sowohl sichtbare als auch nicht sichtbare Kontamination.

2.      Kot, Galle und Kropfinhalt

43.      Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts betrifft drei mögliche Quellen einer (sichtbaren) Kontamination, die Geflügelschachthöfe vermeiden müssen. Fallen Kot, Galle und Kropfinhalt in den Anwendungsbereich von Nr. 5 in Verbindung mit Nr. 8?

44.      Nach Auffassung der Klägerinnen ist diese Frage zu verneinen. Insbesondere Galle könne nicht als Kontamination angesehen werden, weil sie mikrobiologisch steril sei. Was Kropfinhalt angehe, könne dieser ebenfalls nicht als Kontamination eingestuft werden, da er nicht Teil des Magen- und Darminhalts sei und somit nicht unter Nr. 5 falle.

45.      Die niederländische Regierung macht zusammen mit der dänischen, der deutschen und der finnischen Regierung sowie der Kommission geltend, dass Kot, Galle und Kropfinhalt sämtlich eine Kontamination darstellen könnten, da sie alle zum „Verdauungstrakt“ gehörten, bei dem es sich um den in den meisten Sprachfassungen von Nr. 5 verwendeten Begriff handele, wenn auch nicht um den in der niederländischen Sprachfassung verwendeten Begriff.

46.      Dem stimme ich zu. Auf einem Schlachtkörper vorhandene(r) Kot, Galle und Kropfinhalt können als Kontamination im Sinne der Verordnung Nr. 853/2004, insbesondere Nr. 5, angesehen werden.

47.      Erstens enthält Nr. 5 keine ausdrückliche Definition, worin Quellen der Kontamination bestehen können. Die Struktur der Vorschrift legt jedoch nahe, dass zwischen dem Auslaufen von Magen- und Darminhalt während des Ausnehmens und der Kontamination des Fleisches ein Zusammenhang besteht. Während nämlich der erste Satz von Nr. 5 verlangt, dass die verschiedenen Schritte der „Küchenfertig“-Stufe des Schlachtprozesses so durchgeführt werden müssen, dass eine Kontamination des Fleisches vermieden wird, schreibt der zweite Satz ausdrücklich vor, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, um „das Auslaufen von Magen- und Darminhalt während des Ausnehmens zu verhindern“. Daher ist ziemlich eindeutig, dass der Magen- und Darminhalt als eine Kontaminationsquelle (für das Fleisch) angesehen wird, was wiederum die Verpflichtung zur Vermeidung seines Auslaufens erklärt.

48.      Was zweitens den konkreten Begriff des „Magen- und Darminhalts“ angeht, hat das vorlegende Gericht, wie andere Beteiligte des Verfahrens vor dem Gerichtshof, auf das Vorhandensein sprachlicher Unterschiede in den verschiedenen Sprachfassungen des zweiten Satzes der Nr. 5 hingewiesen. Während die niederländische und die deutsche Sprachfassung offenbar enger gefasst sind, weil in ihnen nur von dem Inhalt des Magens und Darms die Rede ist(14), erwähnen die meisten anderen Sprachfassungen in allgemeineren Worten den Inhalt des Verdauungstrakts(15).

49.      Nach der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs schließt die Gleichrangigkeit aller Unionssprachen aus, eine Sprachfassung der Vorschrift isoliert zu betrachten. Vielmehr müssen die betreffenden Bestimmungen anhand ihrer Systematik und ihrer Zielsetzung ausgelegt werden, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung der Fassungen in allen anderen Amtssprachen(16).

50.      Schon aus rein logischen Gründen würde ich es angesichts der Art und Weise der Durchführung des Schlachtprozesses als sehr befremdlich erachten, wenn der Unionsgesetzgeber bei der Regelung dessen, was nicht auf die Schlachtkörper auslaufen darf, zwischen Inhalten unterscheiden würde, die zuvor unterschiedslos aus einem Geflügelschlachtkörper entfernt wurden. Daher ist Nr. 5 meines Erachtens dahin auszulegen, dass Schlachthöfe verpflichtet sind, Vorkehrungen zu treffen, um das Auslaufen von „Magen- und Darminhalt“ während des Ausnehmens zu verhindern. Eine sachorientierte Auslegung dieses weiten Begriffs umfasst nicht nur alle zum Verdauungssystem gehörenden Organe, sondern auch deren Inhalt, vom Maul bis zum After. Unter Nr. 5 fallen daher notwendig die Leber (mit der Galle), der Darm (mit dem Kot) und der Kropf (mit dessen Inhalt).

51.      Drittens wollte der Unionsgesetzgeber, wie bereits oben ausgeführt(17), das Erreichen eines hohen Schutzniveaus für Lebensmittel fördern, indem er einen weit gefassten Begriff der Kontamination zugrunde legte, der auch ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder einen Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann, umfasst. Unter diesem Aspekt können, wie bereits die niederländische Regierung geltend macht, die drei vorgenannten Kontaminationsquellen einschließlich der Galle Bakterien enthalten.

52.      Viertens muss ich der dänischen Regierung, wenn dies nicht ohnehin bereits den hier in Rede stehenden Rechtsvorschriften zu entnehmen ist, wohl schon nach gesundem Menschenverstand darin beipflichten, dass der Begriff der Kontamination kaum auf eine Gesundheitsschädlichkeit des betreffenden Lebensmittels reduziert werden kann. Kontamination von Lebensmitteln muss auch die Situation erfassen, dass Fleisch schlicht untauglich für den menschlichen Verzehr ist(18), auch wenn ein solcher Verzehr nicht unmittelbar zu einer Lebensmittelvergiftung oder zu einem sonstigen unmittelbaren Gesundheitsschaden führt. Daher darf selbst dann, wenn ein Reste von Kot, Galle oder Kropfinhalt aufweisender Schlachtkörper sich als mikrobiologisch nicht unmittelbar gesundheitsschädlich erweisen sollte, wie die Klägerinnen dies geltend machen, davon ausgegangen werden, dass dieses Fleisch, vom sehr eigenwilligen Geschmack einzelner Feinschmecker vielleicht abgesehen, für den (gewöhnlichen) Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist.

53.      Nach alledem ist Nr. 5 des Anhangs III Abschnitt II Kapitel IV der Verordnung Nr. 853/2004 dahin auszulegen, dass sie auch für eine Kontamination durch Kot, Galle und Kropfinhalt gilt.

B.      Welche Art von Verpflichtungen bestehen auf welcher Stufe des Schlachtprozesses?

54.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht Wesen und Inhalt der Verpflichtungen klären lassen, die die Verordnung Nr. 853/2004 Geflügelschlachthöfen in Bezug auf (sichtbare) Kontamination auferlegt. Schreiben die Nrn. 5 und 8 vor, dass ein Geflügelschlachtkörper nach dem Ausnehmen und Säubern keine (sichtbare) Kontamination mehr enthalten darf? Falls die erste Frage zu bejahen ist, möchte das vorlegende Gericht mit der dritten Frage im Wesentlichen klären lassen, wann das Säubern innerhalb des Schlachtprozesses stattzufinden hat. Insbesondere wird danach gefragt, ob es nach dem Ausnehmen oder zu einem späteren Zeitpunkt, gegebenenfalls sogar während des Kühlens, Zerlegens oder Verpackens, stattfinden kann.

55.      Mit diesen Fragen wird der Gerichtshof ersucht, zwei eng miteinander verknüpfte Punkte zu prüfen. Erstens, welche Art von Verpflichtung ist Geflügelschlachthöfen in Bezug auf die Kontamination auferlegt, und ändert sich das Wesen dieser Verpflichtung im Laufe des Schlachtprozesses? Zweitens, wann hat der konkrete Säuberungsvorgang im Sinne von Nr. 8 zu erfolgen?

56.      Im vorliegenden Abschnitt werde ich unter 1. erläutern, weshalb Umfang und Wesen der Verpflichtung je nach der Stufe des Schlachtprozesses unterschiedlich sind, und unter 2., weshalb das in Nr. 8 vorgesehene Säubern im Anschluss an die Fleischuntersuchung und das Ausnehmen, aber vor dem Kühlen stattzufinden hat.

1.      Welche Art von Verpflichtung(en)?

57.      Nach Auffassung der Klägerinnen unterliegen Geflügelschlachthöfe über den gesamten Schlachtprozess hinweg einer „Sorgfaltspflicht“. Da eine vollständige Vermeidung des Auslaufens von Magen- und Darminhalt während des Ausnehmens unmöglich sei, hätten Schlachthöfe eine Verpflichtung, sich nach besten Kräften um die Vermeidung einer Kontamination des Fleisches zu bemühen. Diese Verpflichtung bestehe auch auf der Prozessstufe des Ausnehmens und Säuberns. Dass ein Auslaufen überhaupt nicht vorkomme und Schlachtkörper am Ende der „Küchenfertig“-Stufe und vor dem Kühlen absolut sauber seien, könne daher aufgrund von Nr. 5 oder Nr. 8 nicht erwartet werden, was auch die Auffassung des vorlegenden Gerichts sei. In Nr. 8 sei kein konkretes Ergebnis nach dem Säubern (wie etwa „keine sichtbare Kontamination“) vorgesehen. Sichtbare Spuren einer Kontamination könnten noch zu einem späteren Zeitpunkt entfernt werden, etwa während des Zerlegens oder Verpackens, so dass den Klägerinnen in dieser Hinsicht, d. h. nach dem Ausnehmen und Säubern und vor dem Kühlen, keine strenge Pflicht zur Erzielung eines bestimmten Erfolgs („Null-Toleranz-Standard“) auferlegt werden könne. Wegen der Arbeitsgeschwindigkeit einer mechanisierten Schlachtlinie sei es in technischer Hinsicht unrealistisch, ein solch hohes Niveau vorzuschreiben. Ferner habe die Verpflichtung, sichtbare Kontaminationen im Anschluss an das Ausnehmen und vor dem Kühlen zu entfernen, keine wissenschaftlich fundierte Grundlage, da eine Kontamination gewöhnlich früher eintreten könne, wenn das Geflügel gerupft werde.

58.      Mit wenigen geringfügigen Abweichungen unterscheiden die sonstigen Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof im Wesentlichen zwischen Verpflichtungen der Schlachthöfe auf der Prozessstufe des Ausnehmens und auf der Stufe des Säuberns. Einerseits müsse das Ausnehmen sorgfältig erfolgen, damit eine Kontamination vermieden werden könne. Andererseits müssten die Schlachtkörper im Anschluss an das Ausnehmen und vor dem Kühlen, d. h., sobald das Säubern abgeschlossen sei, sauber und frei von Kontaminationen sein, denn Ziel des Säuberns sei es, eine sichtbar noch vorhandene Kontamination zu entfernen.

59.      Ich schließe mich der letzteren Ansicht weitgehend an.

60.      Nr. 5 und Nr. 8 enthalten zwei unterschiedliche, sich doch ergänzende Verpflichtungen, die auf unterschiedlichen Stufen des Schlachtprozesses gelten. Bis einschließlich zum Ende der Prozessstufe, auf der das Ausnehmen abgeschlossen ist, besteht eine Sorgfaltspflicht: Schlachtlinien müssen so ausgestaltet sein und betrieben werden, dass eine Kontamination im technisch größtmöglichen Umfang vermieden wird (Nr. 5). Im Anschluss an das Ausnehmen, die Fleischuntersuchung und das Säubern müssen Schlachthöfe sicherstellen, dass Schlachtkörper frei von Kontamination sind (Nr. 8).

61.      Erstens ist dem Wortlaut von Nr. 5 zu entnehmen, dass Geflügelschlachthöfe rechtzeitig alle geeigneten Vorkehrungen treffen müssen, um eine Kontamination des Fleisches auf jeder einzelnen Stufe des Schlachtprozesses, d. h. beim Betäuben, Entbluten, Enthäuten, Rupfen, Ausnehmen und weiteren Zurichten, zu vermeiden. Insbesondere müssen sich Schlachthöfe nach besten Kräften darum bemühen, sicherzustellen, dass das Ausnehmen nicht auf eine Art und Weise durchgeführt wird, dass Magen- oder Darminhalt auf den Schlachtkörper auslaufen können, was, wie oben ausgeführt(19), eine Quelle der Kontamination darstellen würde.

62.      Zweitens ergibt eine systematische Auslegung von Nr. 5, dass der Unionsgesetzgeber das Ausnehmen als eine Stufe innerhalb des Schlachtprozesses nicht als einen stets absolut fehlerfrei ablaufenden Vorgang ansieht, bei dem es niemals zu einer Kontamination kommt. Dies wäre nicht nur unrealistisch, es würde die Fleischuntersuchung auch etwas überflüssig machen. Wie sich aus den Nrn. 6 und 7, die als eine logische Folge von Nr. 5 unmittelbar nach dieser stehen, ergibt, müssen im Anschluss an die Fleischuntersuchung für genussuntauglich erklärte Tierkörperteile so schnell wie möglich aus dem reinen Bereich des Schlachthofs entfernt und verbleibende Eingeweide möglichst vollständig und so bald wie möglich entfernt werden. Aus diesen Vorschriften geht eindeutig hervor, dass sich Schlachthöfe der Probleme, die gegebenenfalls während des Ausnehmens aufgetreten sind, auf der sich unmittelbar anschließenden Prozessstufe annehmen und sie beseitigen können. Entweder ist der letztere Vorgang erfolgreich, oder der gesamte Schlachtkörper muss beseitigt werden.

63.      Bezüglich des Letztgenannten ist zu bemerken, dass Fleisch, das Verunreinigungen, Verschmutzung durch Fäkalien oder sonstige Kontamination aufweist, für genussuntauglich erklärt werden muss(20). Wie jedoch die dänische Regierung in der mündlichen Verhandlung meines Erachtens zutreffend geltend gemacht hat, ist diese Verpflichtung im Fall einer größeren Kontamination dieser Art eng auszulegen. Wenn die Kontamination geringfügig ist, muss der Schlachtkörper vor dem Kühlen sorgfältig gesäubert werden. Falls dies nicht geschehen ist oder geschehen kann, ist das Fleisch letztlich für genussuntauglich zu erklären.

64.      Drittens bestätigen mehrere sonstige Bestimmungen in verschiedenen einschlägigen Unionsrechtsakten, dass die Verpflichtung zur Vermeidung einer Kontamination auf der Prozessstufe des Ausnehmens eine Verpflichtung ist, die „nach besten Kräften“ oder „mit der erforderlichen Sorgfalt“ zu erfüllen ist. Schlachtprozesse müssen so ausgestaltet sein, dass eine Kontamination des Fleisches vermieden wird, soweit dies technisch möglich ist. Z. B. muss es eine räumliche Trennung von Tieren sowie eine zeitliche und räumliche Trennung der verschiedenen Arbeitsbereiche der Schlachtlinie geben, damit eine Kreuzkontamination vermieden wird(21). Die auf die HACCP-Grundsätze gestützten Verfahren der Schlachthöfe müssen diese Gefahr vermeiden, beseitigen oder wenigstens auf ein akzeptables Maß reduzieren(22). Ebenso verpflichtet Nr. 2 Buchst. b des Anhangs I Abschnitt I Kapitel I der Verordnung Nr. 854/2004 den amtlichen Tierarzt, im Zusammenhang mit dem Problem der sichtbaren Kontamination zu prüfen, ob die Verfahren der Lebensmittelunternehmer so weit wie möglich sicherstellen, dass Fleisch keine fäkale oder sonstige Verunreinigung aufweist.

65.      In der Gesamtschau, und wie auch ausnahmslos von allen Beteiligten des Verfahrens vor dem Gerichtshof angenommen wird, dürfte Nr. 5 so auszulegen sein, dass Schlachthöfe verpflichtet sind, die Schlachtlinie insbesondere hinsichtlich des Ausnehmens in der Weise zu betreiben, dass eine Kontamination im größten Umfang, der technisch möglich ist, vermieden wird.

66.      Da die Klägerinnen eine Reihe von Argumenten in Bezug auf die technischen Abläufe des Schlachtprozesses vorgetragen haben, möchte ich klarstellend eines hinzufügen. Nach meinem Verständnis gibt es einen Unterschied zwischen den Kategorien „technisch unmöglich“ und „technisch möglich, aber teuer“. Die etwaige Notwendigkeit einer Umstrukturierung des Produktionsprozesses und/oder die Entstehung zusätzlicher Kosten bei den Schlachthofbetreibern, die dazu führen, dass der Schlachtprozess weniger profitabel ist (z. B., wenn eine solche Maßnahme dazu führen würde, dass weniger als die derzeit ungefähr 10 000 Hühner pro Stunde die Schlachtlinie durchlaufen, damit mehr Zeit für das Säubern aufgewendet werden kann), fallen eindeutig in die letztere Kategorie.

67.      Andererseits betrifft die in Nr. 8 niedergelegte Verpflichtung eine andere (spätere) Stufe des Schlachtprozesses, nämlich das Ende der „Küchenfertig“-Schlachtlinie. Ihr Wesen ist auch ein anderes. Nr. 8 begründet eine zusätzliche, strengere Verpflichtung von Schlachthöfen in Bezug auf eine spätere Prozessstufe, wenn das Fleisch küchenfertig sein soll. Der Schlachthof muss sicherstellen, dass das Fleisch auf dieser letzten Stufe frei von Kontamination ist.

68.      Ich räume ein, dass in Nr. 8 nicht ausdrücklich von Kontamination die Rede ist. Dort wird nur die Verpflichtung zum Säubern und Kühlen des Fleisches im Anschluss an das Ausnehmen und die Fleischuntersuchung erwähnt. Jedoch stimme ich der niederländischen Regierung zu, dass der Zweck des Säuberns auf dieser Prozessstufe darin besteht, jede – und sicherlich jede sichtbare – noch vorhandene Kontamination zu entfernen. Wie von der dänischen Regierung meines Erachtens völlig richtig vorgeschlagen(23), gilt auch hier, dass, wenn eine Kontamination großen Ausmaßes dazu führt, dass Fleisch auf der Prozessstufe der Fleischuntersuchung als genussuntauglich zu entsorgen ist, eine geringfügige Kontamination hingenommen werden kann, wobei das Fleisch in diesem Fall gründlich gesäubert werden muss, um in einen genusstauglichen Zustand versetzt zu werden.

69.      Aus Nr. 5 in Verbindung mit Nr. 8 folgt somit erstens, dass Schlachtprozesse bis zum Zeitpunkt der Fleischuntersuchung so durchgeführt werden müssen, dass eine Kontamination so weit wie möglich vermieden wird. Zweitens muss geschlachtetes Geflügel jedenfalls nach dem Säubern frei von jeder Kontamination sein.

2.      Wann hat das Säubern zu erfolgen?

70.      Die Verfahrensbeteiligten sind unterschiedlicher Ansicht bezüglich der Frage nach dem genauen Zeitpunkt, zu dem das in Nr. 8 erwähnte Säubern innerhalb des Schlachtprozesses stattzufinden hat

71.      Nach Auffassung der Klägerinnen ist dem Umstand, dass in Nr. 8 zuerst vom Säubern und dann vom Kühlen die Rede ist, nicht zu entnehmen, dass das Säubern vor dem Kühlen beendet sein müsse. Aus der betreffenden Bestimmung folge lediglich, dass mit dem Säubern vor dem Kühlen begonnen sein müsse. Demgegenüber bestehen die niederländische Regierung und die anderen Verfahrensbeteiligten darauf, dass das Säubern vor dem Kühlen erfolgen (und abgeschlossen sein) muss, da es sich um den letzten Zeitpunkt handele, zu dem das Fleisch während des Schlachtprozesses gesäubert werden könne. Es wäre zu spät, wenn das Säubern auf der Prozessstufe des Zerlegens oder Entbeinens stattfände, das zufällig den Bestimmungen des Kapitels V und nicht des Kapitels IV des Anhangs III Abschnitt II unterfalle.

72.      Meines Erachtens ist recht eindeutig, dass das in Nr. 8 vorgeschriebene Säubern vor dem Kühlen erfolgen und abgeschlossen sein muss.

73.      Ich räume ein, dass der Wortlaut von Nr. 8 etwas unklar ist. Dort heißt es, dass „[n]ach der Untersuchung und dem Ausnehmen … die Schlachtkörper gesäubert und so schnell wie möglich auf eine Temperatur von nicht mehr als 4 °C abgekühlt werden [müssen], es sei denn, das Fleisch wird in warmem Zustand zerlegt“. Die Reihenfolge der beschriebenen Tätigkeiten legt nahe, dass die Untersuchung vor (und nicht nach) dem Ausnehmen stattzufinden hat und dass geschlachtete Tiere gesäubert und gekühlt werden müssen. Wenn man auf die Konjunktion „und“ abstellt, könnte ein Wortlautargument lauten, dass beide Tätigkeiten gleichzeitig erfolgen können.

74.      Jedoch sprechen sowohl strukturelle als auch logische Gründe gegen ein solches Verständnis der Bestimmung.

75.      Erstens weisen die Reihenfolge und der Aufbau der einzelnen Nummern in Kapitel IV des Anhangs III Abschnitt II der Verordnung Nr. 853/2004 eindeutig darauf hin, dass die Schlachtkörper als Erstes einer Tieruntersuchung unterzogen werden, dass sie als Zweites geschlachtet werden (all dies ist geregelt in Nr. 5) und dass sie als Drittes einer Fleischuntersuchung unterzogen werden (Nr. 6). Im Licht der zwei Untersuchungen, die zu erfolgen haben, scheint die ausdrückliche chronologische Abfolge also nicht ganz falsch zu sein. Das Säubern hat im Anschluss an die Fleischuntersuchung und vor dem Kühlen stattzufinden.

76.      Zweitens wird diese Auslegung von Nr. 8 durch den Zweck des Säuberns mit Wasser, nämlich jede (sichtbare) Kontamination zu entfernen, bestätigt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen, dass sämtliche während des gesamten Schlachtprozesses stattfindenden Säuberungstätigkeiten gleichrangig seien, kommt dem in Nr. 8 erwähnten Säuberungsschritt seinem Wesen nach entscheidende Bedeutung zu, da dieses spezifische Säubern, wie bereits im vorherigen Abschnitt dieser Schlussanträge ausgeführt, dazu dient, jede noch vorhandene Kontamination zu entfernen. Vor dem Hintergrund dieses Zwecks wäre es praktisch gesehen unlogisch, das Säubern vor der Fleischuntersuchung oder nach dem Kühlen durchzuführen. Beim ersten Szenario könnte der Prüfer seine Kontrollaufgabe nicht ordnungsgemäß wahrnehmen, da er insbesondere keine bedeutsamen Spuren von Kontamination erkennen könnte (da sie bereits abgewaschen wären). Beim zweiten Szenario besteht bei Tauchkühlung kontaminierter Schlachtkörper die in Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 9 Buchst. a der Verordnung Nr. 853/2004(24) angedeutete Gefahr einer Kreuzkontamination von Schlachtkörpern.

77.      Der letztere Punkt unterstreicht drittens zudem den gegenüber dem Kühlen sehr anderen Zweck und das sehr andere Wesen, die der Kontakt der Schlachtkörper mit Wasser auf der Stufe des Säuberns hat. Tatsächlich kann das Eintauchen der Schlachtkörper in einen Tank mit Wasser einer bestimmten Temperatur zum Zweck ihrer Kühlung wie von den Klägerinnen dargelegt auch die Wirkung haben, sie bis zu einem gewissen Grad zu säubern. Selbst wenn man jedoch das Problem der Kontamination auf dieser Stufe, wie es unter dem vorherigen Punkt skizziert wurde, beiseitelässt, bleibt die Tatsache, dass das Kühlen (ebenso wie das Zerlegen oder Verpacken) schlicht Teil eines anderen Prozesses ist, der sich an die „Küchenfertig“-Schlachtlinie anschließt und dessen Zweck nicht darin besteht, das Fleisch noch mehr „küchenfertig“ zu machen, sondern es für den Versand vorzubereiten.

78.      Kurz gesagt hat die in Nr. 8 niedergelegte Verpflichtung, dass die „Schlachtkörper gesäubert werden müssen“, zum Inhalt, dass jede noch vorhandene Kontamination nach dem Ausnehmen und Säubern, aber eindeutig vor dem Beginn des Kühlprozesses entfernt werden muss.

C.      Kontrollen

79.      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht klären lassen, wie amtliche Kontrollen durchzuführen sind, insbesondere ob die zuständige Behörde Schlachtkörper der Schlachtlinie entnehmen und auf der Außen- und Innenseite sowie unter dem Fettgewebe auf sichtbare Kontamination untersuchen darf.

80.      Alle Verfahrensbeteiligten haben diese Frage bejaht, wobei jedoch die Klägerinnen den angeblich von den Prüfbeamten angewendeten Null-Toleranz-Standard beanstandet haben.

81.      Einleitend ist zu bemerken, dass hinsichtlich des Wesens und der rechtlichen Grundlage der den Gegenstand des Ausgangsverfahrens bildenden Kontrollen eine gewisse Verwirrung zu herrschen scheint. Das vorlegende Gericht bezieht sich auf eine Bestimmung der Verordnung Nr. 854/2004, die sich mit Fleischuntersuchungen befasst, nämlich auf Anhang I Abschnitt I Kapitel II Teil D Nr. 1. Nach Auffassung der Klägerinnen umfasst die Fleischuntersuchung allerdings keine Untersuchung auf das Vorhandensein von Kontaminationen auf Schlachtkörpern. Eine solche Kontrolle sei angesichts dessen, dass die Fleischuntersuchung nicht am Ende, sondern nach der Hälfte der „Küchenfertig“-Schlachtlinie stattfinde, in deren Anschluss die Schlachtkörper noch mehreren Säuberungsschritten unterzogen würden, unlogisch. Die niederländische Regierung macht geltend, da die in Rede stehenden Kontrollen Probenahmen nach der Fleischuntersuchung und dem Säubern umfassten, seien sie nicht darauf gerichtet, etwaige Krankheiten zu erkennen. Ihre rechtliche Grundlage könnten daher eher Art. 4 der Verordnung Nr. 854/2004 sowie die Art. 3 und 10 der Verordnung Nr. 882/2004 sein. Nach Ansicht der dänischen Regierung ist möglicherweise auch Anhang I Abschnitt IV Kapitel V Teil B Nr. 1 der Verordnung Nr. 854/2004 über Probenahme und tägliche Kontrolle von Eingeweiden relevant.

82.      Ausgehend von den Erklärungen der niederländischen Regierung – selbstverständlich ohne damit eine andere möglicherweise einschlägige Rechtsgrundlage auszuschließen(25), die letztlich das nationale Gericht ermitteln muss – könnten als Rechtsgrundlage für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kontrollen tatsächlich die Art. 3 und 10 der Verordnung Nr. 882/2004 dienen, die allgemein amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung von Lebensmittel- und Futtermittelrecht betreffen. Insbesondere werden nach Art. 3 Abs. 3 „[a]mtliche Kontrollen … auf jeder Stufe der Produktion, der Verarbeitung und des Vertriebs von Futtermitteln oder Lebensmitteln, Tieren und tierischen Erzeugnissen durchgeführt“. Noch konkreter sieht Art. 10 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i die Inspektion von Futtermitteln und Lebensmitteln vor, und zwar durch Probenahmen.

83.      Wendet man sich nun dem Umfang der Befugnisse der amtlichen Tierärzte zu, mit dem sich das vorlegende Gericht eingehender befasst, so sind in den Bestimmungen der letztgenannten Verordnung keine konkreten Maßnahmen erwähnt. Die Verordnung enthält weit gefasste Formulierungen. Hieraus folgt, dass die Befugnisse der Prüfbeamten auch die Untersuchung der Außen- und Innenseite sowie des Fettgewebes einer Schlachtkörperprobe, die der Schlachtlinie zu Kontrollzwecken entnommen wurde, nach dem Säubern und vor dem Kühlen umfassen könnte. Die zuständigen Behörden dürften somit klar befugt sein, Kontrollen auf jeder Stufe des Schlachtprozesses durchzuführen.

84.      Die Antwort auf die Frage, wann eine Untersuchung durchgeführt werden darf, ist selbstverständlich von der Frage zu unterscheiden, was untersucht werden darf und nach welchem Maßstab dies zu geschehen hat. Die Antwort auf die letztere Frage ist durch einen Querverweis auf Umfang und Wesen der bereits oben skizzierten Verpflichtungen zu geben(26): Sie hängt davon ab, ob die Prüfer die Erfüllung der Verpflichtungen aus Nr. 5 oder der Verpflichtungen aus Nr. 8 überprüft. Steht dies fest, wird klar, genau welcher Maßstab von den Prüfern vernünftigerweise angelegt werden kann.

85.      Angesichts der begrenzten Informationen über die genaue tatsächliche und rechtliche Natur der fraglichen Kontrollen ist es kaum möglich, hierzu weiter gehende Hinweise zu erteilen, abgesehen einmal von der allgemeinen Bemerkung, dass auch diese Kontrollen wie jede andere Kontrolle unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen sind. Je nachdem, was genau auf welcher Stufe des Schlachtprozesses überprüft werden soll, müssen die für die Durchführung der konkreten Untersuchungen gewählten Mittel (Anzahl der Proben, ob die Schlachtlinie angehalten werden muss oder ob Geflügelstichproben dem laufenden Band entnommen werden, usw.) in einem angemessenen Verhältnis zum Gegenstand der Kontrolle stehen (das sehr wohl repräsentative Kontrollen ermöglicht), dürfen aber nicht über das hinausgehen, was für die ordnungsgemäße Durchführung der Kontrollen erforderlich ist.

D.      Zusammenfassung

86.      Nachdem ich nun Ausführungen zu den drei Themen gemacht habe, um die die fünf Fragen des vorlegenden Gerichts kreisen, werde ich nachfolgend zur Verdeutlichung knappe Antworten auf die konkreten Vorlagefragen formulieren.

87.      Die erste Frage ist zu bejahen. Wenn die fraglichen Kontrollen nach dem Ausnehmen und Säubern zur Überprüfung der Einhaltung von Nr. 8 durchgeführt werden, darf keine Kontamination, insbesondere keine sichtbare Kontamination, vorliegen.

88.      Ungeachtet einiger der sonst vom vorlegenden Gericht angesprochenen Punkte, und insbesondere trotz der recht detaillierten Ausführungen der Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung bin ich nicht der Auffassung, dass es Aufgabe des Gerichtshofs ist, über diese Aussage hinauszugehen. So fesselnd die Erörterung der Frage, ob ein oder zwei kleine Flecken (und gegebenenfalls von welchem Durchmesser) von Kot oder Galle in einem Schlachtkörper neben dem After noch als ein „akzeptables“ Maß an Kontamination angesehen werden können (wie von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung als ein Beispiel angeführt wurde), auch ist, ist es weder Aufgabe des Gerichtshofs, Tatsachen festzustellen, noch, den Sachverhalt im Hinblick auf die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits zu beurteilen.

89.      Die zweite Frage ist ebenfalls zu bejahen: Der Begriff der Kontamination umfasst Kontamination mit Kot, Galle oder Kropfinhalt.

90.      Was die dritte Frage anbelangt, sollte das Säubern, wie in Nr. 8 klar angegeben, so schnell wie möglich nach dem Ausnehmen und vor dem Prozess des Kühlens, Zerlegens und Verpackens stattfinden.

91.      Bezüglich der vierten Frage ist ungeachtet einer gewissen Unklarheit, was genau aufgrund welcher unionsrechtlichen Bestimmung kontrolliert wurde, ziemlich klar, dass staatliche Behörden der Schlachtlinie eine Reihe von Schlachtkörpern entnehmen und die Einhaltung der jeweiligen Anforderungen auf jeder Stufe überprüfen können, insbesondere nach dem Säubern, wegen der entscheidenden Bedeutung, die dieser Tätigkeit zukommt, wenn das Geflügel „küchenfertig“ ist. Was genau kontrolliert werden darf und welcher Maßstab hierbei anzulegen ist, hängt von der Prozessstufe ab, auf der die Untersuchung stattfindet, und dementsprechend davon, ob die Erfüllung der Verpflichtungen aus Nr. 5 oder aus Nr. 8 oder aus einer sonstigen einschlägigen Bestimmung geprüft wird,.

92.      In Anbetracht der vorstehenden Antworten und insbesondere der Antwort auf die erste Frage braucht die fünfte Frage nicht beantwortet zu werden.

V.      Ergebnis

93.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Rechtbank Rotterdam (Bezirksgericht Rotterdam, Niederlande) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

–        Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nrn. 5 und 8 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs ist so zu verstehen, dass ein Geflügelschlachtkörper nach dem Ausnehmen und Säubern keinerlei Kontamination mehr enthalten darf;

–        Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nrn. 5 und 8 der Verordnung Nr. 853/2004 gilt für Kontaminationen mit Kot, Galle und Kropfinhalt;

–        Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 8 der Verordnung Nr. 853/2004 ist so auszulegen, dass das Säubern nach dem Ausnehmen, aber vor dem Kühlen stattzufinden hat;

–        Art. 3 und 10 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz erlauben es der zuständigen Behörde, auf jeder geeigneten Stufe des Schlachtprozesses, einschließlich derjenigen nach dem Säubern, Kontrollen durchzuführen.


1      Originalsprache: Englisch.


2       ABl. 2004, L 139, S. 55.


3       ABl. 2004, L 139, S. 206.


4       ABl. 2004, L 165, S. 1.


5       ABl. 2004, L 139, S. 1.


6       ABl. 2002, L 31, S. 1.


7       Stb. 2011, 345.


8       Stcrt. 2012, 25949.


9       Hervorhebung nur hier.


10       Nach Anhang III Abschnitt I Kapitel IV Nr. 10 der Verordnung Nr. 853/2004 „[dürfen] [d]ie Schlachtkörper … nicht sichtbar mit Kot kontaminiert sein. Eine sichtbare Kontamination muss unverzüglich durch Wegschneiden oder andere Methoden mit gleicher Wirkung entfernt werden.“


11       Siehe Anhang III Abschnitt II Kapitel II Nr. 2 und Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 3 der Verordnung Nr. 853/2004.


12      Siehe Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 9 der Verordnung Nr. 853/2004.


13       Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 853/2004 sieht vor, dass die spezifischen Bestimmungen dieser Verordnung die Vorschriften der Verordnung Nr. 852/2004 ergänzen.


14       „Inhoud van maag and darmen“ bzw. „Magen- und Darminhalt“.


15       Abgesehen von der englischen Sprachfassung, siehe z. B. die tschechische („obsahu trávicího ústrojí“), die französische („contenu du tractus digestif“), die italienische („contenuto del tubo digerente“) und die spanische Sprachfassung („contenido del tubo digestivo“).


16       Siehe z. B. Urteile vom 7. September 2006, Nowaco Germany (C‑353/04, EU:C:2006:522, Rn. 41), vom 3. Oktober 2013, Confédération paysanne (C‑298/12, EU:C:2013:630, Rn. 22), und vom 23. Dezember 2015, Firma Theodor Pfister (C‑58/15, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:849, Rn. 25).


17       Siehe oben, Nr. 41.


18       Dieses Verständnis findet bei systematischer Auslegung in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 eine gewisse Stütze, wonach Lebensmittel als nicht sicher gelten, wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind. Unter dem letzteren Aspekt ist darauf hinzuweisen, dass Fleisch für genussuntauglich zu erklären ist, wenn es Verunreinigungen, Verschmutzung durch Fäkalien oder sonstige Kontamination aufweist (Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nr. 1 Buchst. s der Verordnung Nr. 854/2004, Hervorhebung nur hier).


19       Oben, Nrn. 46 bis 53 der vorliegenden Schlussanträge.


20       Siehe Anhang I Abschnitt II Kapitel V Nr. 1 Buchst. s der Verordnung Nr. 854/2004.


21       Siehe Anhang III Abschnitt II Kapitel II Nr. 2 und Anhang III Abschnitt II Kapitel IV Nr. 3 der Verordnung Nr. 853/2004.


22       Siehe Art. 5 der Verordnung Nr. 852/2004.


23       Oben, Nr. 63.


24       „Bei Tauchkühlung von Schlachtkörpern … müssen alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um eine Kontamination der Schlachtkörper zu vermeiden.“


25       Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 854/2004 amtliche Tierärzte dazu ermächtigt, Inspektionsaufgaben in Schlachthöfen in einer recht offen geregelten Art und Weise wahrzunehmen, wie durch die Formulierung „vor allem in Bezug auf“ belegt wird.


26       Oben, Nrn. 54 bis 78.