Language of document : ECLI:EU:C:2019:98

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MICHAL BOBEK

vom 6. Februar 2019(1)

Rechtssache C395/17

Europäische Kommission

gegen

Königreich der Niederlande

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Eigenmittel – Beschluss 91/482/EWG – Beschluss 2001/822/EG – Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Union – Einfuhren von Milchpulver und Reis aus Curaçao und Grob- und Feingrieß aus Aruba – Von den Zollbehörden eines überseeischen Landes oder Gebiets unrichtig ausgestellte EUR.1‑Bescheinigungen – Von den Einfuhrmitgliedstaaten nicht erhobene Zölle – Finanzielle Verantwortung des Mitgliedstaats, zu dem ein ÜLG besondere Beziehungen unterhält – Ersatz des in einem anderen Mitgliedstaat entstandenen Verlusts von Eigenmitteln der Union“






I.      Einleitung

1.        Die Kommission beantragt die Feststellung, dass das Königreich der Niederlande gegen seine Verpflichtungen aus dem zum maßgeblichen Zeitpunkt in Art. 5 EG verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen hat. Sie begründet dies damit, dass der Verlust von Eigenmitteln nicht ersetzt worden sei, die dem Unionshaushalt hätten zur Verfügung gestellt werden müssen. Dieser Verlust rühre daher, dass unter Verstoß gegen die Beschlüsse über überseeische Länder und Gebiete (ÜLG)(2) von Zollbehörden von Curaçao und Aruba, zweier ÜLG des Königreichs der Niederlande, Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 ausgestellt worden seien. Das Königreich der Niederlande sei für den durch diese ÜLG verursachten Verlust von Eigenmitteln unionsrechtlich verantwortlich. Nach der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit sei ein Mitgliedstaat verpflichtet, sicherzustellen, dass nicht erhobene Zölle (nebst Zinsen) von ihm dem Unionshaushalt zur Verfügung gestellt würden.

2.        Das Vorbringen der Kommission in der vorliegenden Rechtssache entspricht in seinen Grundzügen dem Klagebegehren der Kommission in der parallelen Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland (C‑391/17), in der ich parallel zu der vorliegenden Rechtssache Schlussanträge vorlege. Kann die Kommission im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV versuchen, die Feststellung zu erwirken, dass ein Mitgliedstaat gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit verstoßen hat, indem er den dem Unionshaushalt entstandenen Verlust nicht ausgeglichen hat, und somit letztlich eine Feststellung der Rechtsverletzung und eine Beurteilung des zu leistenden Schadensersatzes gleichzeitig beantragen? Wenn ja, welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit die Klage erfolgreich ist?

3.        Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich von der Klage gegen das Vereinigte Königreich in den einzelnen angeblichen Verstößen: Den dem Königreich der Niederlande zugerechneten angeblichen Verstößen liegt nicht nur ein anderer Sachverhalt zugrunde, sondern sie beziehen sich auch auf andere Bestimmungen der betreffenden ÜLG-Beschlüsse. Der Hauptunterschied besteht darin, dass das Königreich der Niederlande der Darstellung nicht widerspricht, dass die Zollbehörden von Curaçao und Aruba tatsächlich unter Verstoß gegen die ÜLG-Beschlüsse EUR.1‑Bescheinigungen ausgestellt haben. Es wendet indes ein, dass es für diese Versäumnisse unionsrechtlich nicht finanziell haftbar gemacht werden könne.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

4.        Die zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden einschlägigen Bestimmungen des Systems der Eigenmittel sind mit denjenigen identisch, die in den Nrn. 4 bis 10 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich wiedergegeben sind.

5.        Was die ÜLG-Beschlüsse angeht, fanden auf die Einfuhren aus Curaçao und Aruba andere Rechtsakte Anwendung.

6.        Der ÜLG-Beschluss von 1991 war auf den Sachverhalt betreffend Einfuhren aus Curaçao im Zeitraum von 1997 bis 2000 anwendbar.

7.        Nach Art. 101 Abs. 1 des ÜLG-Beschlusses von 1991 „[sind] Waren mit Ursprung in den ÜLG … frei von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung zur Einfuhr in die Gemeinschaft zugelassen“.

8.        Nach Anhang II Art. 1 des ÜLG-Beschlusses von 1991 über die Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren“ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen „[gilt z]ur Anwendung der handelspolitischen Bestimmungen des Beschlusses … ein Erzeugnis als Ursprungsware der nachstehend ‚ÜLG‘ genannten Länder und Gebiete, der Gemeinschaft oder der AKP-Staaten, wenn es dort entweder vollständig hergestellt oder gewonnen oder in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden ist“.

9.        Die einschlägigen Unterbestimmungen in Anhang II Art. 12 Abs. 1, 2, 6 und 8 des ÜLG-Beschlusses von 1991 lauten:

„(1)      Der Nachweis, dass Waren die Ursprungseigenschaft im Sinne dieses Protokolls besitzen, wird durch eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 erbracht, deren Muster in Anhang 4 wiedergegeben ist.

(2)      Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 darf nur ausgestellt werden, wenn sie als Urkunde zur Anwendung des Beschlusses dienen soll.

(6)      Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 wird von den Zollbehörden des ÜLG der Ausfuhr ausgestellt, wenn die Waren als Ursprungswaren im Sinne dieses Anhangs angesehen werden können.

(8)      Die Zollbehörden des Ausfuhrstaats achten darauf, dass die in Absatz 1 erwähnten Formblätter ordnungsgemäß ausgefüllt werden. Sie überprüfen insbesondere, ob die Angaben im Feld ‚Warenbezeichnung‘ so eingetragen sind, dass jede Möglichkeit eines missbräuchlichen Zusatzes ausgeschlossen ist. …“

10.      Hingegen fand der ÜLG-Beschluss von 2001 auf die Einfuhren von Grobgrieß und Feingrieß aus Aruba im Zeitraum von 2002 bis 2003 Anwendung.

11.      Art. 35 des ÜLG-Beschlusses von 2001 lautet:

„(1)      Erzeugnisse mit Ursprung in den ÜLG sind frei von Einfuhrabgaben zur Einfuhr in die Gemeinschaft zugelassen.

(2)      Die Bestimmung des Begriffs ‚Erzeugnisse mit Ursprung in‘ oder ‚Ursprungserzeugnisse‘ und die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen in diesem Bereich sind in Anhang III festgelegt.“

12.      Anhang III („Über die Bestimmung des Begriffs ‚Erzeugnisse mit Ursprung in‘ oder ‚Ursprungserzeugnisse‘ und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen“) Art. 2 des ÜLG-Beschlusses von 2001 bestimmt:

„(1)      Für die Zwecke der Bestimmungen des Beschlusses über die handelspolitische Zusammenarbeit gelten als Ursprungserzeugnisse der ÜLG:

a)      Erzeugnisse, die im Sinne des Artikels 3 in den ÜLG vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind;

b)      Erzeugnisse, die in den ÜLG unter Verwendung von Vormaterialien hergestellt worden sind, die dort nicht vollständig gewonnen oder hergestellt worden sind, vorausgesetzt, dass diese Vormaterialien in den ÜLG im Sinne des Artikels 4 in ausreichendem Maße be- oder verarbeitet worden sind.

(2)      Für die Zwecke des Absatzes 1 gelten die ÜLG als ein Gebiet.

…“

13.      Anhang III Art. 15 des Beschlusses 2001/822 bestimmt:

„(1)      Die Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 wird von den Zollbehörden des ausführenden ÜLG auf schriftlichen Antrag ausgestellt, der vom Ausführer oder unter der Verantwortung des Ausführers von seinem bevollmächtigten Vertreter gestellt worden ist.

(4)      Eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 wird von den Zollbehörden des ausführenden ÜLG ausgestellt, wenn die betreffenden Erzeugnisse als Ursprungserzeugnisse der ÜLG, der Gemeinschaft oder der AKP-Staaten angesehen werden können und die übrigen Voraussetzungen dieses Anhangs erfüllt sind.

…“

B.      Niederländisches Recht

14.      Art. 51 des Statuut voor het Koninkrijk der Nederlanden (im Folgenden: Statut für das Königreich der Niederlande oder Statut) bestimmt:

„(1)      Erfüllt ein Organ Arubas, Curaçaos oder St. Maartens seine nach diesem Statut, einem völkerrechtlichen Rechtsakt, einem Reichsgesetz oder einer Reichsverordnung bestimmten Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß, können die zu ergreifenden Maßnahmen durch Reichsgesetz festgelegt werden, in dem die Rechtsgrundlage und die Gründe, auf denen es beruht, genannt sind.

(2)      Diese Regelung wird für die Niederlande, erforderlichenfalls in der Verfassung des Königreichs, getroffen.“

15.      Art. 52 dieses Statuts lautet: „Mit Zustimmung des Königs können dem König als Oberhaupt des Reiches und dem Gouverneur als Organ des Reiches durch Landesverordnung Befugnisse in Länderangelegenheiten übertragen werden.“

III. Sachverhalt und Vorverfahren

A.      Sachverhalt

1.      In Curaçao ausgestellte EUR.1-Bescheinigungen

16.      Curaçao ist eines der „überseeischen Länder und Hoheitsgebiete des Königreichs der Niederlande“, die in Anhang II des EG-Vertrags aufgeführt sind und auf die der vierte Teil dieses Vertrags Anwendung findet. Der ÜLG-Beschluss von 1991 fand zum maßgeblichen Zeitpunkt auf dieses Gebiet ebenfalls Anwendung.

17.      Im September 2000 führte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) nach Anhang II Art. 26 Abs. 6 des ÜLG-Beschlusses von 1991 und in Zusammenarbeit mit Zollbehörden der Niederlande und Deutschlands eine Prüfung in Curaçao durch. Das Ergebnis zeigte, dass die Zollbehörden Curaçaos im Zeitraum von 1997 bis 1999 109 EUR.1‑Bescheinigungen für Milchpulver und Reis ausgestellt hatten, obwohl die in Rede stehenden Waren die Voraussetzungen für ihre Qualifizierung als Waren mit Präferenzursprungseigenschaft nicht erfüllten. Sowohl der am 24. Oktober 2000 veröffentlichte Prüfbericht des OLAF als auch der Fachbereich „Warenursprung“ des Ausschusses für den Zollkodex stellten fest, dass in Curaçao aus der Europäischen Union oder Drittstaaten stammendes Milchpulver mit aus Surinam oder Guyana stammendem Reis vermischt wurde. Dem Bericht zufolge kam dem Enderzeugnis durch die in Curaçao erfolgten Vorgänge der „Vermischung“ nicht die „Ursprungseigenschaft“ zu, so dass es nicht in den Genuss der Ursprungsregeln kam.

18.      Die Kommission trägt weiter vor, dass die in Rede stehenden Waren später in die Niederlande bzw. nach Deutschland eingeführt worden seien, ohne dass Zoll auf sie erhoben worden sei, und dass die Behörden dieser beiden Mitgliedstaaten um die Nacherhebung der Zölle ersucht worden seien, die aufgrund der zu Unrecht gewährten Präferenzbehandlung nicht erhoben worden seien.

19.      Im Juli 2005 stellten die Niederlande einen Betrag von 778 510,54 Euro zur Verfügung; dieser entspricht dem aufgrund der eingetretenen Verjährung der Ansprüche nicht erhobenen Betrag nebst Zinsen. In Bezug auf diese Beträge haben die Niederlande ihre Verpflichtungen nach Ansicht der Kommission erfüllt.

20.      Den aus den OLAF‑Ermittlungen vorliegenden Unterlagen zufolge bezifferte die Kommission die nicht erhobenen Zölle auf Einfuhren nach Deutschland zwischen dem 20. Februar 1997 und dem 22. Februar 2000 auf 18 192 641,95 Euro. Die deutschen Behörden konnten nur einen kleinen Betrag davon feststellen (4 838 383 Euro) und gaben an, dass der Rest verjährt gewesen sei.

21.      Am 19. Mai 2009 erließ die Kommission einen Beschluss in der Sache REC 04/07. Dieser Beschluss erging auf ein Ersuchen Deutschlands um eine Entscheidung der Kommission in einem konkreten Fall. Dieser betraf die Einfuhr eines aus einer Mischung von Milchpulver und Reis aus Curaçao bestehenden Erzeugnisses durch ein deutsches Unternehmen zwischen Januar 1999 und April 2000. Am 20. Dezember 2006 teilten die deutschen Behörden dem Unternehmen aufgrund der Feststellungen des OLAF von 2000 und auf verschiedene Einsprüche hin mit, dass Zollabgaben zu entrichten seien. Das Unternehmen beantragte einen Verzicht auf diese Abgaben nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex(3). In dem Beschluss kommt die Kommission aufgrund des OLAF-Berichts zu dem Schluss, dass den Zollbehörden der Niederländischen Antillen bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen, dass das Erzeugnis die Voraussetzungen für eine Präferenzbehandlung nicht erfüllt habe. Da ein Irrtum der Zollbehörden vorgelegen habe, der von einem gutgläubigen Wirtschaftsteilnehmer vernünftigerweise nicht habe erkannt werden können, sei die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben in diesem Fall nicht gerechtfertigt. Ferner wurde in diesem Beschluss ein Absehen von der buchmäßigen Erfassung von Abgaben in Fällen mit vergleichbaren sachlichen und rechtlichen Merkmalen zugelassen.

22.      Mit Schreiben vom 27. Januar 2012 teilte die Kommission mit, dass das Königreich der Niederlande ihrer Ansicht nach für den Fehler der Zollbehörden in Curaçao hafte. Die Kommission forderte die Niederlande damit auf, dem Unionshaushalt diesen Verlust von Eigenmitteln, der sich auf 18 192 641,95 Euro belaufe, bis spätestens 20. März 2012 zu ersetzen, um laufende Verzugszinsen (nach Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000) zu vermeiden.

23.      Nach zwei Mahnschreiben vom 12. Juni 2012 und vom 21. Januar 2013 erwiderte das Königreich der Niederlande am 14. Juni 2013, indem es der Rechtsansicht der Kommission entgegentrat und jede finanzielle Haftung ablehnte.

2.      In Aruba ausgestellte EUR.1-Bescheinigungen

24.      Aruba ist ebenfalls eines der ÜLG des Königreichs der Niederlande, die in Anhang II des EG-Vertrags aufgeführt sind und auf die der vierte Teil dieses Vertrags Anwendung findet. Der ÜLG-Beschluss von 2001 fand zum maßgeblichen Zeitpunkt auf dieses Gebiet ebenfalls Anwendung.

25.      Im Zeitraum vom 4. August 2002 bis 18. Juni 2003 wurden 1 929 Einfuhrzollanmeldungen mit EUR.1‑Bescheinigungen für Waren, die als aus Aruba stammende Grobgrieß- und Feingrießlieferungen angemeldet waren, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in den Niederlanden vorgelegt.

26.      Nach Durchführung einer Untersuchung teilte das OLAF den niederländischen Behörden am 23. Dezember 2004 mit, dass die arubanischen Behörden EUR.1‑Ursprungszeugnisse für Waren ausgestellt hatten, die die einschlägigen Voraussetzungen für ihre Einstufung als Erzeugnisse mit Präferenzursprung nicht erfüllten. Dies wurde damit begründet, dass keine hinreichenden Verarbeitungsvorgänge stattfänden, aufgrund deren die betreffenden Waren als arubanischen Ursprungs anzusehen sein könnten.

27.      Am 1. August 2005 setzten die niederländischen Behörden gegen den Einführer eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 298 080 Euro fest. Der Einführer erhob gegen diesen Bescheid Klage vor den nationalen Gerichten. Die Rechtbank Haarlem (Bezirksgericht Haarlem, Niederlande) entschied, dass die Erzeugnisse zwar nicht die Eigenschaft eines arubanischen Ursprungs erworben hätten, dem Antrag des Einführers nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex jedoch stattzugeben sei. Die niederländischen Behörden teilten der Kommission dieses Urteil im Jahr 2010 im Rahmen von Art. 870 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission(4) mit.

28.      Mit Schreiben vom 31. Mai 2012 erklärte die Kommission, dass das Königreich der Niederlande ihrer Ansicht nach für die Fehler der arubanischen Zollbehörden finanziell haftbar sei. Sie forderte diesen Mitgliedstaat auf, den entsprechenden Betrag von 298 080 Euro bis spätestens 20. Juli 2012 zur Verfügung zu stellen.

29.      Nach zwei Mahnschreiben vom 5. Oktober 2012 und vom 9. April 2013 erwiderte das Königreich der Niederlande am 14. Juni 2013. Es trat der Rechtsansicht der Kommission entgegen und lehnte jede finanzielle Haftung ab.

B.      Vorverfahren

30.      Da das Königreich der Niederlande ihrer Ansicht nach gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat, übersandte die Kommission ein Aufforderungsschreiben vom 21. November 2013.

31.      Das Königreich der Niederlande erwiderte am 20. Februar 2014. Es zog in seiner Erwiderung den Sachverhalt nicht in Zweifel. Jedoch bestritt es jede finanzielle Haftung für die sich aus Fehlern der Verwaltung der Zollbehörden in Aruba und Curaçao ergebenden Folgen.

32.      Am 17. Oktober 2014 übersandte die Kommission dem Königreich der Niederlande ihre mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie an ihrer im Aufforderungsschreiben dargelegten Ansicht festhielt. Die Frist, die zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen gesetzt wurde, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, lief am 17. Dezember 2014 ab. Ein Antrag des Königreichs der Niederlande auf Verlängerung dieser Frist bis Januar 2015 wurde von der Kommission mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 abgelehnt.

33.      Mit Schreiben vom 19. November 2015 erwiderte das Königreich der Niederlande auf die mit Gründen versehene Stellungnahme und lehnte jede finanzielle Haftung ab.

34.      Da das Königreich der Niederlande dem Unionshaushalt den Betrag von 18 490 721,95 Euro nebst Zinsen nicht zur Verfügung gestellt hat, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

35.      Mit Klageschrift vom 30. Juni 2017 beantragt die Kommission,

–        festzustellen, dass das Königreich der Niederlande dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 (später Art. 10) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Art. 4 Abs. 3 EUV) verstoßen hat, dass es keine Entschädigung für den Verlust der Eigenmittelbeträge leistet, die gemäß den Art. 2, 6, 10, 11 und 17 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89(5) hätten festgestellt und für den Haushalt der Union hätten bereitgestellt werden müssen, wenn nicht entgegen Art. 101 Abs. 1 des Beschlusses 91/482 des Rates und Art. 12 Abs. 6 des Anhangs II zu diesem Beschluss für die Einfuhr von Milchpulver und Reis aus Curaçao im Zeitraum von 1997 bis 2000 bzw. entgegen Art. 35 Abs. 1 des Beschlusses 2001/822 des Rates und Art. 15 Abs. 4 des Anhangs III zu diesem Beschluss für die Einfuhr von Grobgrieß und Feingrieß aus Aruba im Zeitraum von 2002 bis 2003 Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 ausgestellt worden wären;

–        dem Königreich der Niederlande die Kosten aufzuerlegen.

36.      Das Königreich der Niederlande beantragt,

–        die Klage für unzulässig zu erklären;

–        hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

37.      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 4. Januar 2018 ist das Vereinigte Königreich als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Königreichs der Niederlande zugelassen worden.

38.      Sowohl die Kommission als auch die Regierung der Niederlande haben in der Sitzung vom 2. Oktober 2018, an der auch die Regierung des Vereinigten Königreichs teilgenommen hat, mündliche Ausführungen gemacht.

V.      Würdigung

39.      Vor der Begründetheit der Klage ist zunächst auf eine Unzulässigkeitsrüge des Königreichs der Niederlande einzugehen.

40.      Nach ständiger Rechtsprechung müssen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben. Die Klageschrift muss dem Mitgliedstaat und dem Gerichtshof ermöglichen, die Tragweite des gerügten Verstoßes gegen das Unionsrecht richtig zu erfassen. Sie muss dem Mitgliedstaat eine sachgerechte Verteidigung und dem Gerichtshof die Überprüfung ermöglichen, ob die behauptete Vertragsverletzung vorliegt(6).

41.      In der vorliegenden Rechtssache bestreitet das Königreich der Niederlande die Zulässigkeit der Klage mit der Begründung, dass sie diese Voraussetzungen nicht erfülle. Es betont insbesondere, dass die Klage der Kommission nicht kohärent sei. Denn die Kommission sei in einigen Punkten ihrer Klage offenbar der Ansicht, dass das Königreich der Niederlande für das Handeln der Behörden von ÜLG unionsrechtlich unmittelbar hafte, als ob es sich um seine eigenen Behörden handele, während sie in anderen Punkten betone, dass das Königreich der Niederlande keine „geeigneten Maßnahmen“ ergriffen habe, um die unrichtige Ausstellung von EUR.1‑Bescheinigungen durch die Zollbehörden von Aruba und Curaçao zu verhindern.

42.      Ich stimme damit überein, dass die Kommission in dieser Frage unklar bleibt. Aus meiner Sicht ist dieser Mangel jedoch nicht mehr als eine Schwäche der Begründung der Kommission zur Begründetheit der Rechtssache, die sich aus der Schwierigkeit ergibt, klar zu formulieren, gegen welche konkrete rechtliche Verpflichtung das Königreich der Niederlande verstoßen haben soll, indem es dem Unionshaushalt keinen Ersatz geleistet hat.

43.      Meines Erachtens wird die Klage infolge dieses Mangels an rechtlicher Genauigkeit jedoch noch nicht unverständlich und somit unzulässig. Dem Königreich der Niederlande ist es offenbar möglich gewesen, Art und Umfang des angeblichen Verstoßes zur Kenntnis zu nehmen. Es hat nach meinem Eindruck seine Verteidigungsrechte im Hinblick auf diese Vorwürfe wirksam wahrgenommen. Der Gegenstand der Klage ist hinreichend genau benannt worden, so dass der Gerichtshof nicht ultra petita entscheiden wird. Daher ist die vorliegende Klage meines Erachtens für zulässig zu erklären.

A.      Die genaue Art des Klageanspruchs

44.      Die Kommission beantragt die Feststellung, dass das Königreich der Niederlande gegen seine Verpflichtungen aus Art. 5 EG verstoßen hat. Dies begründet sie damit, dass es den Verlust von Eigenmitteln nicht ausgeglichen habe, die nach den Art. 2, 6, 10, 11 und 17 der Verordnung Nr. 1552/89 hätten festgestellt und dem Unionshaushalt zur Verfügung gestellt werden müssen. Hierzu wäre es nicht gekommen, wenn nicht unter Verstoß gegen die ÜLG-Beschlüsse Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 ausgestellt worden wären. Verstoßen worden sei insbesondere gegen a) Art. 101 Abs. 1 des ÜLG-Beschlusses von 1991 und Art. 12 Abs. 6 seines Anhangs II für die Einfuhr von Milchpulver und Reis aus Curaçao im Zeitraum von 1997 bis 2000 und b) Art. 35 Abs. 1 des ÜLG-Beschlusses von 2001 und Art. 15 Abs. 4 seines Anhangs III für die Einfuhr von Grobgrieß und Feingrieß aus Aruba im Zeitraum von 2002 bis 2003.

45.      In den Nrn. 33 bis 46 meiner parallelen Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich habe ich die Herausforderungen im Zusammenhang damit skizziert, dass der Klageanspruch der Kommission eine solche „Kaskaden“-Struktur oder die Struktur einer russischen Matrioschka-Puppe hat. Nach Ergründung des Klageanspruchs der Kommission in jenen Schlussanträgen bin ich jedoch zu der Ansicht gekommen, dass der Klageanspruch seiner Art nach letztlich auf die Feststellung gerichtet ist, dass kein Ersatz für Verluste/Schäden geleistet wurde, die den Eigenmitteln der Union durch die angebliche, einem Mitgliedstaat zuzurechnende Rechtsverletzung entstanden sein sollen. Der wesentliche Unterschied liegt im Gegenstand der Klage, der nicht nur die abstrakte Feststellung in Bezug auf einen fortdauernden Verstoß eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht, sondern eben auch das Begehren beinhaltet, die Rechtsverletzung auszusprechen und den Schaden im Hinblick auf konkrete Verstöße gegen das Unionsrecht in der Vergangenheit zu quantifizieren.

46.      In den Nrn. 48 bis 64 der vorgenannten Schlussanträge habe ich die Ansicht vertreten, dass dem Wortlaut, dem Zweck oder der Gesamtsystematik der Verträge nichts zu entnehmen ist, was der Geltendmachung eines solchen Klagebegehrens vor dem Gerichtshof als Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV durch die Kommission grundsätzlich entgegenstände. Ich habe jedoch ebenso die Ansicht vertreten, dass die Kommission dann, wenn sie eine Zahlung in konkreter und genau bezifferter Höhe für Verluste beantragt, die durch konkrete Verstöße eines Mitgliedstaats gegen das Unionsrecht verursacht worden sein sollen, sowohl diese Rechtsverletzung als auch die betreffenden Verluste im Einklang mit den für die Staatshaftung geltenden Anforderungen und Voraussetzungen darlegen und beweisen muss (Nrn. 65 bis 73). Sie kann die konkrete Eigenmittelregelung nicht auf einen anderen Mitgliedstaat „übertragen“, für den diese Anforderung eindeutig nicht gilt (Nrn. 74 bis 84).

47.      Diese Gesichtspunkte gelten alle gleichermaßen auch im Kontext der vorliegenden Rechtssache, jedenfalls was den Sachverhalt in Curaçao angeht. Insoweit soll der angebliche Verlust von Eigenmitteln ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat entstanden sein (B). Der Sachverhalt in Aruba ist etwas anders. Da die Kommission in ihrem Vortrag in der vorliegenden Rechtssache von einem einheitlichen Verstoß der Niederlande in Bezug auf beide ÜLG ausgeht, werde ich beide Sachverhalte zusammen erörtern. Als Schlussbemerkung zu diesem Abschnitt sei jedoch die Bedeutung des Umstands betont, dass bei den Einfuhren aus Aruba der Verlust von Eigenmitteln unmittelbar auf niederländischem Hoheitsgebiet entstanden sein soll (C).

B.      Anwendung auf die vorliegende Rechtssache

48.      Die Kommission macht geltend, dass das Königreich der Niederlande gegen seine Verpflichtungen aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen habe. Dies wird damit begründet, dass es die Verluste von Eigenmitteln nicht ausgeglichen habe, die nach der Verordnung Nr. 1552/89 und der Verordnung Nr. 1150/2000 hätten festgestellt und dem Unionshaushalt zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn nicht unter Verstoß gegen die einschlägigen Bestimmungen der ÜLG-Beschlüsse Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 für Einfuhren von Milchpulver und Reis aus Curaçao im Zeitraum von 1997 bis 2000 und von Grobgrieß und Feingrieß aus Aruba im Zeitraum von 2002 bis 2003 ausgestellt worden wären.

49.      Um festzustellen, ob ein Verstoß gegen die Pflicht zum Ausgleich der Verluste vorliegt, wie die Kommission vorträgt, ist zu prüfen, ob eine solche Ausgleichspflicht überhaupt besteht: Gegen welche rechtlichen Verpflichtungen soll das Königreich der Niederlande genau verstoßen haben, indem es dem Unionshaushalt keinen Ersatz leistete? Weiterhin setzt das Entstehen der Staatshaftung für die der Union so entstandenen Verluste voraus, dass dieser Verstoß hinreichend qualifiziert ist und ein Kausalzusammenhang zwischen dem hinreichend qualifizierten Verstoß und dem angeblich entstandenen Schaden, für den Ersatz verlangt wird, gegeben ist.

1.      Rechtsverletzung (die einen hinreichend qualifizierten Verstoß darstellt)

50.      Nach den ÜLG-Beschlüssen (Art. 101 Abs. 1 des ÜLG-Beschlusses von 1991 und Art. 35 Abs. 1 des ÜLG-Beschlusses von 2001) sind Waren mit Ursprung in den ÜLG frei von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung zur Einfuhr in die Union zugelassen. Die Eigenschaft als Ursprungserzeugnis muss in EUR.1‑Bescheinigungen nach Anhang II des ÜLG-Beschlusses von 1991 und Anhang III des ÜLG-Beschlusses von 2001 dokumentiert sein.

51.      Das Königreich der Niederlande hat im Laufe des Vorverfahrens anerkannt, dass die Zollbehörden sowohl Curaçaos als auch Arubas gegen die einschlägigen Bestimmungen über EUR.1‑Bescheinigungen verstoßen hätten. Sie hätten Bescheinigungen für Erzeugnisse ausgestellt, die die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt hätten. Es ist daher unstreitig, dass die Behörden von Curaçao und Aruba bei der Ausstellung von EUR.1‑Bescheinigungen, die gegen die einschlägigen ÜLG-Beschlüsse verstießen, fehlerhaft gehandelt haben.

52.      Das Königreich der Niederlande hat auch nicht bestritten, dass die von der Kommission geforderten Beträge (18 490 721,95 Euro, davon 18 192 641,95 Euro für in Curaçao ausgestellte Bescheinigungen und 298 080 Euro für in Aruba ausgestellte Bescheinigungen) den Gesamtbetrag der Zölle darstellen, die erhoben worden wären, wenn den eingeführten Waren nicht die Präferenzursprungseigenschaft verliehen worden wäre.

53.      Der „ursprüngliche Verstoß“ ist somit, anders als in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑391/17)(7), in der vorliegenden Rechtssache unstreitig. Mir ist auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bekannt, wonach „der Gerichtshof jedenfalls festzustellen [hat], ob die beanstandete Vertragsverletzung vorliegt oder nicht, auch wenn der betreffende Mitgliedstaat sie nicht bestreitet“(8). Diese Aussage ist meines Erachtens jedoch vernünftigerweise dahin zu verstehen, dass sie sich auf den Geltungsbereich und Umfang der rechtlichen Verpflichtungen bezieht, die im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens geltend gemacht werden, und dass dies vom Gerichtshof unabhängig auszulegen und zu beurteilen ist. Diese Aussage kann sich kaum auf Sachverhalte beziehen, die unstreitig sind.

54.      Zur Kernfrage wird in der vorliegenden Rechtssache daher, woraus sich die rechtliche Verpflichtung des Königreichs der Niederlande zu einer Ersatzleistung zugunsten des Unionshaushalts in einem solchen Fall genau ergeben soll (a) und ob davon ausgegangen werden kann, dass die Missachtung dieser Verpflichtung einen hinreichend qualifizierten Verstoß darstellt (b).

a)      Hauptpflicht, deren Verletzung festzustellen ist

55.      Die Kommission vertritt nicht die Ansicht, dass die Verstöße gegen die ÜLG-Beschlüsse dem Königreich der Niederlande unmittelbar zuzurechnen seien. Sie hat, wie schon bei der Prüfung der Unzulässigkeitseinrede angesprochen(9), ungeachtet einiger Unklarheiten hierüber in ihren schriftlichen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung auf die an sie gerichtete ausdrückliche Bitte um eine entsprechende Klarstellung bestätigt, dass ihre Klage nicht den Zweck habe, festzustellen, wem die Verstöße gegen die ÜLG-Beschlüsse zuzurechnen seien.

56.      Aus den in den Nrn. 91 bis 97 meiner parallelen Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich genannten Gründen würde ich anerkennen, dass in der Tat jedenfalls eine allgemeine Verantwortlichkeit eines Mitgliedstaats, der besondere Beziehungen zu dem betreffenden ÜLG unterhält, besteht, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße gegen das Unionsrecht, die sich möglicherweise aus dem Verhalten (Handlungen oder Unterlassungen) im Rahmen der Assoziierungsregelung ergeben, zu verhindern und diesen nachzugehen. Wie ebenfalls in den vorgenannten Schlussanträgen erläutert, ist es jedoch von dieser allgemeinen Aussage noch ein recht weiter argumentativer Weg, bis man (wenn überhaupt) zu dem Ergebnis kommen könnte, dass dieser Mitgliedstaat für die jeweils von der Kommission angegebenen Beträge, die in einem anderen Mitgliedstaat als Eigenmittel der Europäischen Union hätten festgestellt und zur Verfügung gestellt werden müssen, automatisch auch eine finanzielle Haftung trägt. Würde dies dann automatisch auch bedeuten, dass die Kommission im Wege des Verfahrens nach Art. 258 AEUV für angebliche Verstöße gegen die ÜLG-Beschlüsse Zahlungen von den Mitgliedstaaten verlangen kann, die besondere Beziehungen zu einem ÜLG unterhalten, ohne dass es auf die Art dieses Verstoßes und/oder die in den jeweiligen Assoziierungsregelungen vorgesehenen Streitbeilegungsverfahren ankäme? Wäre nach dem Unionsrecht dann im Wesentlichen die vollständige Wiedereinführung einer unmittelbaren Verwaltung durch den Mitgliedstaat, mit dem es „besondere Beziehungen“ unterhält, erforderlich?

57.      Ebenso wie von mir in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑391/17) vertreten, bedarf diese Frage meines Erachtens im Kontext der vorliegenden Rechtssache keiner eingehenden Erörterung durch den Gerichtshof. Selbst wenn nach der allgemeinen Regelung der Staatshaftung für der Union entstandene Verluste anzuerkennen wäre, dass die beanstandete Rechtsverletzung darin läge, dass keine hinreichenden Garantien und Kontrollen vorgesehen worden wären, durch die die Ausgabe rechtswidriger Bescheinigungen durch die Behörden der ÜLG hätte verhindert werden können(10), ist meines Erachtens auf der Grundlage des Sachverhalts und des Kontexts der vorliegenden Rechtssache nicht ersichtlich, dass ein solcher Verstoß als hinreichend qualifiziert angesehen werden könnte.

b)      Hinreichend qualifizierter Verstoß?

58.      Im Unterschied zu dem objektiven Standard, der bei der Beurteilung des Verstoßes gegen das Unionsrecht im Kontext einer „traditionellen“ Vertragsverletzungsklage gilt, ist der Standard, der bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen das Unionsrecht erfüllt werden muss, der zu Verlusten von Eigenmitteln geführt haben soll, für die ein Mitgliedstaat Ersatz zu leisten hat, höher. Nicht jede Rechtsverletzung führt automatisch zum Entstehen einer Haftung. Es muss ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegeben sein, damit eine Verpflichtung zum Ersatz eines der Europäischen Union durch einen Mitgliedstaat verursachten Schadens entsteht.

59.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Kriterien, nach denen sich beurteilt, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegeben ist, „ermessensabhängig“. Wenn die Mitgliedstaaten über ein Ermessen verfügen, bedeutet ein hinreichend qualifizierter Verstoß, dass die Grenzen dieses Wertungsspielraums von einem Mitgliedstaat offensichtlich und erheblich überschritten wurden(11).

60.      Ferner gehören zu den weiteren Gesichtspunkten, die bei der Prüfung der „hinreichenden Qualifiziertheit“ eines Verstoßes gegen das Unionsrecht zu berücksichtigen sind, „das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den nationalen oder [Unions]behörden belässt, die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde, die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines [Unions]organs möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in [unions]rechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden“(12).

61.      Insoweit sind in der vorliegenden Rechtssache drei Aspekte von besonderer Relevanz. Der erste ist der weite Beurteilungsspielraum, über den das Königreich der Niederlande bei der Entscheidung über die geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung der „Hauptpflicht“ im Licht des Grundsatzes der Achtung seiner verfassungsrechtlichen Regelungen und Verfassungsidentität verfügt. Der zweite ist die Verteilung der Zuständigkeiten und der institutionelle Rahmen nach den ÜLG-Beschlüssen, der den Behörden der ÜLG unmittelbar Verantwortlichkeiten zuweist, die in Anwendung der ÜLG-Beschlüsse wahrzunehmen sind. Der dritte und vielleicht wichtigste ist die Unklarheit, durch die die Regelung der Haftung eines Mitgliedstaats, der besondere Beziehungen zu einem oder mehreren ÜLG unterhält, im Rahmen der ÜLG-Beschlüsse im Hinblick auf Fehler der Verwaltung der Behörden der ÜLG gekennzeichnet ist.

62.      Erstens hat die Kommission, ohne konkret Maßnahmen zu benennen, die das Königreich der Niederlande ihrer Ansicht nach hätte ergreifen sollen, auf die Art. 51 und 52 des Statuts für das Königreich der Niederlande verwiesen(13). Die Regierung der Niederlande hat hierauf entgegnet, dass es gegen Art. 4 Abs. 2 EUV verstoßen würde, wenn dieser Mitgliedstaat für das Handeln der Zollbehörden von Aruba und Curaçao verantwortlich gemacht würde(14).

63.      Die ÜLG-Beschlüsse erkennen in der Tat ausdrücklich die Notwendigkeit an, den verfassungsrechtlichen Rahmen der Beziehungen zwischen den ÜLG und den Mitgliedstaaten, zu denen sie besondere Beziehungen unterhalten, zu achten. Der dem System der ÜLG-Beschlüsse immanente besondere Partnerschaftsmechanismus soll die verfassungsrechtliche Verteilung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zwischen ÜLG und den Mitgliedstaaten achten, wie sich insbesondere aus dem zwölften Erwägungsgrund und Art. 10 des ÜLG-Beschlusses von 1991 ergibt und in dessen Art. 234 bis 236 sowie in Art. 7 des ÜLG-Beschlusses von 2001 weiter zum Ausdruck kommt. Aus diesen Bestimmungen spricht das Bemühen des Unionsgesetzgebers um die Herstellung eines Gleichgewichts zwischen einerseits der Notwendigkeit, die Wirksamkeit der Assoziierung mit den ÜLG zu gewährleisten, und andererseits der Achtung der konkreten und häufig recht komplexen verfassungsrechtlichen Regelungen der Mitgliedstaaten und ihrer ÜLG (was im Zentrum des Vierten Teils des AEUV steht, in dem die Assoziierung der ÜLG geregelt ist).

64.      Zweitens sind, wie von der Regierung der Niederlande in ihren schriftlichen Erklärungen vorgetragen, in den ÜLG-Beschlüssen ausdrückliche Zuständigkeiten der Behörden der ÜLG vorgesehen, die sich von denjenigen der Mitgliedstaaten unterscheiden, insbesondere im Partnerschaftsmechanismus und in den besonderen Bestimmungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungen. In den ÜLG-Beschlüssen werden die besonderen Zuständigkeiten der Behörden der ÜLG hinsichtlich sowohl des allgemeinen Partnerschaftsmechanismus als auch des besonderen Systems der Zusammenarbeit der Verwaltungen auf dem Gebiet der Ausstellung von EUR.1‑Bescheinigungen anerkannt(15). Ferner wird in Art. 9 des ÜLG-Beschlusses von 2001 ausdrücklich die vorrangige Rolle der Behörden der ÜLG bei der laufenden Verwaltung des Beschlusses auf dem Gebiet des Handels und die subsidiäre Rolle der Mitgliedstaaten („falls erforderlich“) anerkannt, und zwar stets „im Rahmen der institutionellen, rechtlichen und finanziellen Zuständigkeiten jedes der Partner“.

65.      Es ist kaum ersichtlich, inwieweit in diesem konkreten Kontext der Zuständigkeitsverteilung in Fehlern der Zollbehörden eines ÜLG automatisch und sofort ein Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit zu sehen sein sollte, sofern nicht weitere besondere Umstände vorliegen, was in der vorliegenden Rechtssache offenbar nicht der Fall ist. Die Kommission hat nämlich kein weiteres Argument vorgetragen, etwa dass Warnungen nicht beachtet, eine Zusammenarbeit mit dem OLAF nicht erfolgt, ein rechtswidriges Handeln, das diesem Mitgliedstaat bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, nicht beachtet oder diesem nicht nachgegangen worden oder eine Teilnahme an oder Zusammenarbeit innerhalb der Mechanismen des Partnerschaftsverfahrens oder des Systems der Zusammenarbeit der Verwaltungen nicht erfolgt sei.

66.      Drittens, und dies erscheint mir recht wichtig, bleibt es dabei, dass die ÜLG-Beschlüsse keine ausdrücklichen Verpflichtungen enthalten (und zu keinem Zeitpunkt enthielten), die eine besondere Regelung der Haftung der Mitgliedstaaten für das Handeln der ÜLG vorsähen, sei es im konkreten Kontext der Zusammenarbeit im Zollwesen oder im Allgemeinen. In der Tat haben beide Parteien des vorliegenden Vertragsverletzungsverfahrens den Gerichtshof auf die Vorarbeiten zum ÜLG-Beschluss von 2013 hingewiesen, bei denen eine solche Bestimmung von der Kommission vorgeschlagen(16), im Gesetzgebungsverfahren im Rat jedoch eindeutig abgelehnt wurde. Die dem Protokoll des Rates beigefügten Erklärungen – sowohl der Kommission als auch einer Gruppe von Mitgliedstaaten(17) – zu diesem Vorschlag der Kommission belegen, dass die Frage der Haftung der Mitgliedstaaten für das Handeln ihrer ÜLG im Hinblick auf Fehler der Verwaltungen der Letzteren kaum als unstreitiger Bereich angesehen werden kann, dessen Regelung sich eindeutig aus den verschiedenen Fassungen des ÜLG-Beschlusses ergäbe.

67.      Vor dem Hintergrund aller dieser Gesichtspunkte kann dem Königreich der Niederlande selbst dann, wenn die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit als so weitreichend verstanden werden könnte, dass sich hieraus die Verpflichtung ergäbe, dass der Union für Schäden, die ihr durch Verstöße eines ÜLG gegen das Unionsrecht entstanden sind, unmittelbar durch den Mitgliedstaat Ersatz zu leisten wäre, mit dem das betreffende ÜLG besondere Beziehungen unterhält, ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit in der vorliegenden Rechtssache nicht vorgeworfen werden.

2.      Anmerkung zu den zeitlichen Aspekten

68.      Das Königreich der Niederlande hat in seiner Klagebeantwortung ferner vorgetragen, dass eine Feststellung seiner Haftung für Fehler der Zollbehörden in Aruba und Curaçao gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und der guten Verwaltung verstieße. Die Kommission sei nämlich nicht in angemessener Frist tätig geworden(18). Die Kommission habe den Sachverhalt erst elf Jahre (für Curaçao) bzw. sieben Jahre (für Aruba) nach der Feststellung von Unregelmäßigkeiten durch das OLAF ermittelt.

69.      Hierauf hat die Kommission entgegnet, dass die Verluste von „Eigenmitteln“ erst 2009 endgültig geworden seien, und zwar durch den Erlass der REC‑Entscheidung und das Urteil eines nationalen Gerichts. Die Haftung des Königreichs der Niederlande könne daher nicht verjährt sein. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission nachdrücklich die Ansicht vertreten, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs für Vertragsverletzungsklagen keine Verjährungsfrist gelte. Ferner hat sie in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, dass eine entsprechende Anwendung von Art. 73a der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002(19), der eine Frist von fünf Jahren für Forderungen der Europäischen Union gegenüber Dritten und umgekehrt vorsehe, nicht zugelassen werden dürfe. Außerdem unterliege die Erhebung von Eigenmitteln nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keiner Verjährungsfrist(20).

70.      Es mag überraschend erscheinen, die Frage etwaiger, für eine Klage geltender Fristen am Ende der materiellen Prüfung dieser Klage zu erwähnen. Da ich dem Gerichtshof vorschlage, die vorliegende Klage ebenso wie die parallele Rechtssache gegen das Vereinigte Königreich in der Sache abzuweisen, besteht indes in der Tat kein besonderes Bedürfnis, die Frage der Fristen an dieser Stelle zu erörtern. Ich möchte diese Frage gleichwohl erwähnen, um einen anderen Gesichtspunkt zu veranschaulichen: die Folgen des von der Kommission für diese beiden Rechtssachen gewählten „Drei‑in‑eins“-Ansatzes(21), die letztlich eine Aussage darüber erschweren, welche Fristen gegebenenfalls für eine solche Klage gelten.

71.      Die Kommission hat nämlich in ihre Begründung Elemente, die zu den Besonderheiten von Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV gehören (keine Fristen für die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage)(22), ebenso wie Elemente aus der Anwendung des besonderen Systems der Eigenmittel (keine Fristen für Klagen in Verbindung mit der Einziehung)(23) eingebracht und hält diese auf eine Klage für anwendbar, die sich letztlich auf die Feststellung einer Verpflichtung zum Ersatz von Verlusten stützt und dabei außer Acht lässt, dass für Staatshaftungsklagen allgemein Verjährungsfristen gelten(24).

C.      Abschließende Anmerkung zum Fall Aruba

72.      Schließlich hat die Kommission im Verlauf des gesamten Verfahrens die Ansicht vertreten, dass ein einheitlicher Verstoß gegen das Unionsrecht vorliege, der sich aus der unrichtigen Ausstellung von EUR.1‑Bescheinigungen in Aruba und Curaçao ergebe.

73.      Im Hinblick auf den Sachverhalt in Aruba ist jedoch zu betonen, dass die EUR.1‑Bescheinigungen im Wege der Zollverfahren vorgelegt und angenommen wurden, die von den Niederlanden durchgeführt wurden. Die niederländischen Zollbehörden versuchten, Zölle zu erheben, indem sie gegen den Einführer eine Zahlungsverpflichtung festsetzten. Gegen diesen Bescheid erhob der Einführer jedoch erfolgreich Klage vor den nationalen Gerichten, die auf der Grundlage von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex zu seinen Gunsten entschieden.

74.      Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach dem Urteil des Gerichtshofs Kommission/Dänemark die Anwendung von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex die Verpflichtung des Mitgliedstaats nicht ausschließt, zu den Eigenmitteln der Union zählende Beträge festzustellen und zur Verfügung zu stellen, die von privaten Einführern nicht eingezogen wurden. Die Mitgliedstaaten sind nämlich zur Feststellung der Eigenmittel der Union verpflichtet, sobald ihre Zollbehörden die sich aus einer Zollschuld ergebende Höhe der Abgaben berechnen und den Schuldner bestimmen können, ohne dass es darauf ankommt, ob die Kriterien für die Anwendung von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex erfüllt sind. Ein Mitgliedstaat kann von dieser Verpflichtung nur entbunden sein, wenn die Voraussetzungen nach Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1552/89 (höhere Gewalt oder Uneinbringlichkeit von Beträgen aus von dem Mitgliedstaat nicht zu vertretenden Gründen) vorliegen(25).

75.      Wie vom Königreich der Niederlande in seinen schriftlichen Erklärungen zutreffend vorgetragen, macht die Kommission jedoch keinen unmittelbaren Verstoß gegen die „Eigenmittelverordnung“ geltend, den die niederländischen Zollbehörden für die Nichteinziehung von Zöllen bei der Einfuhr in das Hoheitsgebiet der Niederlande zu vertreten hätten. Somit hat die Kommission auch nichts dazu vorgetragen, ob die Voraussetzungen von Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1552/89 in geänderter Fassung in der vorliegenden Rechtssache vorlagen. Die Kommission hat vielmehr etwas anderes vorgetragen.

76.      Da eine entsprechende Feststellung von der Kommission nicht beantragt worden ist und der Gerichtshof jedenfalls hierüber mangels entsprechender Darlegung und Beweise nicht entscheiden könnte, schlage ich vor, die Klage der Kommission auch im Hinblick auf den Sachverhalt in Aruba für unbegründet zu erklären.

VI.    Kosten

77.      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Das Königreich der Niederlande hat einen Kostenantrag gestellt, und die Kommission ist mit ihrem Vorbringen unterlegen. Der Kommission sind daher die Kosten aufzuerlegen.

78.      Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Nach dieser Bestimmung trägt das Vereinigte Königreich seine eigenen Kosten.

VII. Ergebnis

79.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      die Klage abzuweisen;

2.      der Europäischen Kommission die Kosten aufzuerlegen;

3.      dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland seine eigenen Kosten aufzuerlegen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Beschluss 91/482/EWG des Rates vom 25. Juli 1991 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1991, L 263, S. 1) (im Folgenden: ÜLG-Beschluss von 1991) und Beschluss 2001/822/EG des Rates vom 27. November 2001 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Gemeinschaft (Übersee-Assoziationsbeschluss) (ABl. 2001, L 314, S. 1) (im Folgenden: ÜLG-Beschluss von 2001).


3      Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1992, L 302, S. 1).


4      Verordnung der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. 1993, L 253, S. 1).


5      Verordnung des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. 1989, L 155, S. 1) in der durch die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 1355/96 des Rates vom 8. Juli 1996 geänderten Fassung (ABl. 1996, L 175, S. 3).


6      Vgl. z. B. Urteil vom 22. Oktober 2014, Kommission/Niederlande (C‑252/13, EU:C:2014:2312, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).


7      Siehe Nrn. 101 bis 106 jener Schlussanträge.


8      Vgl. z. B. Urteile vom 22. Juni 1993, Kommission/Dänemark (C‑243/89, EU:C:1993:257, Rn. 30), vom 3. März 2005, Kommission/Deutschland (C‑414/03, EU:C:2005:134, Rn. 9), vom 6. Oktober 2009, Kommission/Schweden (C‑438/07, EU:C:2009:613, Rn. 53), oder vom 16. Januar 2014, Kommission/Spanien (C‑67/12, EU:C:2014:5, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).


9      Oben, Nrn. 39 bis 43 der vorliegenden Schlussanträge.


10      Worauf natürlich entgegnet werden könnte, dass dies eine schlicht unmögliche Verpflichtung wäre, weil keine Regelung unfehlbar ist. Außerdem liefe die Anforderung, „sicherzustellen, dass eine eingeführte Regelung nicht zu Fehlern führt und, wenn sie zu Fehlern führt, dass der Mitgliedstaat für diese verantwortlich ist“, tatsächlich auf die Annahme einer verschuldensunabhängigen Haftung und einer unmittelbaren Verwaltung in Bezug auf die ÜLG hinaus, was nach eigenem Bekunden von der Kommission nicht vertreten werden soll (oben, Nrn. 41 bis 42 und 55 bis 56 der vorliegenden Schlussanträge).


11      Vgl. z. B. zur außervertraglichen Haftung der Europäischen Union Urteil vom 4. April 2017, Bürgerbeauftragter/Staelen (C‑337/15 P, EU:C:2017:256, Rn. 37). Ebenso liegt für die Mitgliedstaaten ein hinreichend qualifizierter Verstoß vor, „wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Wertungsspielraum gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat“. Vgl. z. B. Urteil vom 4. Oktober 2018, Kantarev (C‑571/16, EU:C:2018:807, Rn. 105).


12      Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 56), und vom 26. März 1996, British Telecommunications (C‑392/93, EU:C:1996:131, Rn. 42 bis 45).


13      Angeführt oben, Nrn. 14 und 15 der vorliegenden Schlussanträge.


14      Art. 4 Abs. 2 EUV verpflichtet die Union, „die … nationale Identität, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt, [zu achten]“.


15      Vgl. zum ÜLG-Beschluss von 1991 Anhang II Art. 12 Abs. 6; vgl. auch Art. 108 Abs. 1. Zum ÜLG-Beschluss von 2001 vgl. Anhang III Art. 15 Abs. 5 und Art. 32.


16      Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Union (Übersee-Assoziationsbeschluss), COM(2012) 362 final.


17      Ratsdokument 16832/13 ADD 1 vom 19. Dezember 2013. Der Erklärung der Kommission zufolge sollte die neue Regelung der finanziellen Haftung lediglich eine Kodifizierung einer nach den Verträgen bereits bestehenden Verpflichtung sein. Dänemark, die Niederlande und das Vereinigte Königreich wiesen diese Ansicht entschieden zurück.


18      Das Königreich der Niederlande verweist insoweit auf das Urteil vom 13. November 2014, Nencini/Parlament (C‑447/13 P, EU:C:2014:2372, Rn. 38, 47 und 48).


19      Verordnung des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2002, L 248, S. 1).


20      Mit Verweis auf Urteil vom 12. September 2000, Kommission/Frankreich (C‑276/97, EU:C:2000:424, Rn. 63).


21      Als weiterem Beispiel für den Gesamtansatz des „Mischens und Kombinierens“ in Bezug auf anwendbare Normen verschiedener Regelungskomplexe, der diese Verfahren beide durchzieht, wie in meinen parallelen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑391/17, insbesondere Nrn. 38 bis 42 und 65 bis 84) eingehend erörtert.


22      Vgl. z. B. Urteil vom 6. Mai 2010, Kommission/Polen (C‑311/09, nicht veröffentlicht, EU:C:2010:257, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. zu dieser Diskussion Schlussanträge des Generalanwalts Alber in der Rechtssache Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑359/97, EU:C:2000:42, Nr. 96). Die überlange Dauer des Vorverfahrens darf jedoch nicht die Verteidigungsrechte des Mitgliedstaats beeinträchtigen. Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande (C‑96/89, EU:C:1991:213, Rn. 16), und vom 12. September 2000, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑359/97, EU:C:2000:426, Rn. 28).


23      Vgl. z. B. Urteil vom 5. Oktober 2006, Kommission/Niederlande (C‑312/04, EU:C:2006:643, Rn. 32).


24      Beispielsweise gilt, was die Haftung der Union angeht, nach Art. 46 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union eine Frist von fünf Jahren ab Eintritt des Ereignisses, das der Haftung zugrunde liegt, die durch Einreichung der Klageschrift beim Gerichtshof oder dadurch unterbrochen wird, dass der Geschädigte seinen Anspruch gegenüber dem zuständigen Unionsorgan geltend macht. Was die Haftung der Mitgliedstaaten angeht, sind im nationalen Recht für die Geltendmachung von Forderungen gegen den Staat vorgesehene Fristen zulässig, wenn sie den Grundsätzen der Gleichwertigkeit und Effektivität entsprechen. Vgl. z. B. Urteil vom 24. März 2009, Danske Slagterier (C‑445/06, EU:C:2009:178, Rn. 31 bis 35).


25      Urteil vom 15. November 2005, Kommission/Dänemark (C‑392/02, EU:C:2005:683, Rn. 66). Vgl. auch Urteil vom 17. Juli 2014, Kommission/Portugal (C‑335/12, EU:C:2014:2084, Rn. 79).