Language of document : ECLI:EU:C:2019:325

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

EVGENI TANCHEV

vom 11. April 2019(1)

Rechtssache C619/18

Europäische Kommission

gegen

Republik Polen

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Art. 258 AEUV – Art. 7 EUV – Rechtsstaatlichkeit – Art. 19 Abs. 1 EUV – Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – Grundsätze der Unabhängigkeit und der Unabsetzbarkeit der Richter – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 47 und 51 – Nationale Maßnahmen zur Herabsetzung des Ruhestandsalters der amtierenden Richter des Obersten Gerichts – Fehlen einer Übergangsfrist – Nationale Maßnahmen zur Ermächtigung des Präsidenten der Republik, die aktive Amtszeit der Richter des Obersten Gerichts nach seinem Ermessen zu verlängern“






I.      Einleitung

1.        Die vorliegende Rechtssache betrifft ein von der Kommission gegen die Republik Polen nach Art. 258 AEUV eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) mit der Begründung, dass erstens nationale Maßnahmen zur Herabsetzung des Ruhestandsalters der Richter des Sąd Najwyższy (im Folgenden: Oberstes Gericht, Polen), die vor dem 3. April 2018 an dieses Gericht berufen worden waren, den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter verletzten und dass zweitens nationale Maßnahmen, mit denen dem Präsidenten der Republik Polen die Befugnis verliehen wird, die aktive Amtszeit der Richter des Obersten Gerichts bei Erreichen des herabgesetzten Ruhestandsalters nach seinem Ermessen zu verlängern, gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstießen.

2.        Grundsätzlich erhält der Gerichtshof mit dieser Rechtssache erstmals Gelegenheit, im Rahmen einer direkten Verletzungsklage gemäß Art. 258 AEUV über die Vereinbarkeit bestimmter Maßnahmen eines Mitgliedstaats zur Organisation seines Gerichtswesens mit den Anforderungen nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta zur Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit in der Unionsrechtsordnung zu entscheiden(2). Sie wirft zudem einige wichtige Fragen auf nach dem sachlichen Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV im Verhältnis zu dem von Art. 47 der Charta sowie nach dem Verhältnis zwischen den Verfahren gemäß Art. 258 AEUV und gemäß Art. 7 EUV.

II.    Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht

3.        Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV lautet:

„Die Mitgliedstaaten schaffen die erforderlichen Rechtsbehelfe, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.“

B.      Polnisches Recht

4.        Nach Art. 30 § 1 der Ustawa z dnia 23 listopada 2002 r. o Sądzie Najwyższym (Gesetz vom 23. November 2002 über das Oberste Gericht, Dz. U. Nr. 240 von 2002, Abschnitt 2052 in geänderter Fassung) (im Folgenden: Gesetz über das Oberste Gericht von 2002) galt für Richter des Obersten Gerichts ein Ruhestandsalter von 70 Jahren, sofern nicht der Richter sechs Monate vor Erreichen des 70. Lebensjahrs gegenüber dem Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts die Erklärung abgab, sein Amt weiterhin ausüben zu wollen, und ein Gesundheitszeugnis vorlegte. In einem solchen Fall konnte der Richter gemäß Art. 30 § 5 dieses Gesetzes sein Amt ohne Weiteres bis zum 72. Lebensjahr ausüben.

5.        Am 20. Dezember 2017 unterzeichnete der Präsident der Republik die Ustawa z dnia 8 grudnia 2017 r. o Sądzie Najwyższym (Gesetz vom 8. Dezember 2017 über das Oberste Gericht, Dz. U. von 2018, Abschnitt 5 in geänderter Fassung, im Folgenden: Gesetz über das Oberste Gericht), die am 3. April 2018 in Kraft trat.

6.        Art. 37 §§ 1 bis 4 des Gesetzes über das Oberste Gericht lautet:

„§ 1. Ein Richter am Obersten Gericht tritt mit Vollendung des 65. Lebensjahrs in den Ruhestand, es sei denn, er gibt nicht später als sechs Monate nach und nicht früher als zwölf Monate vor Erreichen dieses Alters eine Erklärung ab, im Amt verbleiben zu wollen, er legt eine Bescheinigung über seine gesundheitliche Befähigung zur Ausübung des Richteramts vor, die nach den für Bewerber um eine Richterstelle geltenden Grundsätzen erteilt wird, und der Präsident der Republik Polen erteilt seine Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht.

§ 1a.      Der Präsident der Republik Polen holt vor Erteilung der Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht die Stellungnahme des Landesjustizrats ein. Der Landesjustizrat übermittelt dem Präsidenten der Republik Polen die Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag ihrer Anforderung durch den Präsidenten der Republik Polen. Wenn innerhalb der in Satz 2 genannten Frist keine Stellungnahme übermittelt wurde, gilt eine befürwortende Stellungnahme des Landesjustizrats als erteilt.

§ 1b.      Der Landesjustizrat berücksichtigt bei der Anfertigung der in § 1a genannten Stellungnahme das Interesse der Rechtspflege oder wichtige soziale Interessen, insbesondere die rationelle Nutzung der Personalressourcen des Obersten Gerichts oder den Bedarf, der sich aus der Arbeitsbelastung einzelner Kammern des Obersten Gerichts ergibt.

§ 2.      Die Erklärung und die Bescheinigung nach § 1 sind dem Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts vorzulegen, der sie zusammen mit seiner Stellungnahme unverzüglich dem Präsidenten der Republik Polen vorlegt. Der Erste Präsident des Obersten Gerichts legt dem Präsidenten der Republik Polen seine Erklärung und die Bescheinigung samt einer Stellungnahme des Kollegiums des Obersten Gerichts vor.

§ 3.      Der Präsident der Republik Polen kann innerhalb von drei Monaten ab dem Tag des Erhalts der in § 1a genannten Stellungnahme des Landesjustizrats oder des Ablaufs der Frist für die Übermittlung dieser Stellungnahme seine Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht erteilen. Bei Nichterteilung der Zustimmung innerhalb der in Satz 1 genannten Frist gilt der Richter als mit dem Tag der Vollendung des 65. Lebensjahrs in den Ruhestand eingetreten. Ist das Verfahren bezüglich des Verbleibs im Amt als Richter am Obersten Gericht nach Erreichen des in § 1 genannten Alters noch nicht abgeschlossen, bleibt der Richter bis zum Abschluss dieses Verfahrens im Amt.

§ 4.      Die Zustimmung nach § 1 wird für die Dauer von drei Jahren – höchstens zweimal – erteilt. § 3 gilt entsprechend. Jeder Richter, der die Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht erhalten hat, kann ab der Vollendung des 65. Lebensjahrs jederzeit in den Ruhestand treten, indem er beim Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts eine Erklärung einreicht, die dieser unverzüglich an den Präsidenten der Republik Polen weiterleitet. Der Erste Präsident des Obersten Gerichts reicht seine Erklärung unmittelbar beim Präsidenten der Republik Polen ein.“

7.        In Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht heißt es:

„§ 1. Die Richter am Obersten Gericht, die bis zum Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes das 65. Lebensjahr vollendet haben oder das 65. Lebensjahr innerhalb von drei Monaten ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes vollenden, treten am Tag, der auf den Ablauf der drei Monate ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes folgt, in den Ruhestand, es sei denn, sie legen innerhalb eines Monats ab dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes die Erklärung und die Bescheinigung nach Art. 37 § 1 vor, und der Präsident der Republik Polen erteilt seine Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht. Art. 37 §§ 2 bis 4 findet entsprechende Anwendung.

§ 1a.      Die Richter am Obersten Gericht, die das 65. Lebensjahr mehr als drei und weniger als zwölf Monate nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes vollenden, treten zwölf Monate nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in den Ruhestand, es sei denn, sie legen innerhalb eines Monats nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die Erklärung und die Bescheinigung nach Art. 37 § 1 vor und der Präsident der Republik Polen erteilt seine Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht. Art. 37 §§ 1a bis 4 findet entsprechende Anwendung.“

8.        Die Ustawa z dnia 10 maja 2018 r. o zmianie ustawy – Prawo o ustroju sądów powszechnych, ustawy o Sądzie Najwyższym or az niektórych innych ustaw (Gesetz vom 10. Mai 2018 zur Änderung des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte, des Gesetzes über das Oberste Gericht und zur Änderung einiger anderer Gesetze, Dz. U. von 2018, Abschnitt 1045) (im Folgenden: Änderungsgesetz vom 10. Mai 2018) enthält neben Bestimmungen zur Änderung des Gesetzes über das Oberste Gericht bestimmte eigenständige Bestimmungen über das Verfahren zur Verlängerung der aktiven Amtszeit von Richtern des Obersten Gerichts, die spätestens am 3. Juli 2018 das Ruhestandsalter von 65 Jahren erreicht haben. Art. 5 dieses Gesetzes lautet:

„Erklärungen nach Art. 37 § 1 und Art. 111 § 1 des Gesetzes [über das Oberste Gericht], die der Präsident der Republik Polen bis zum Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht geprüft hat, werden von diesem dem Landesjustizrat unverzüglich zur Stellungnahme übermittelt. Der Landesjustizrat übermittelt die Stellungnahme innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag ihrer Anforderung durch den Präsidenten der Republik Polen. Der Präsident der Republik Polen kann innerhalb von 60 Tagen nach dem Erhalt der Stellungnahme des Landesjustizrats oder dem Ablauf der Frist für deren Übermittlung seine Zustimmung zum Verbleib im Amt als Richter am Obersten Gericht erteilen. Art. 37 §§ 2 bis 4 des Gesetzes [über das Oberste Gericht] in der durch dieses Gesetz geänderten Fassung findet entsprechende Anwendung.“

9.        Am 17. Dezember 2018 unterzeichnete der Präsident der Republik Polen die Ustawa z dnia 21 listopada 2018 r. o. zmianie ustawy o Sądzie Najwyższym (Gesetz vom 21. November 2018 zur Änderung des Gesetzes über das Oberste Gericht, Dz. U. von 2018, Abschnitt 2507) (im Folgenden: Gesetz vom 21. November 2018), die am 1. Januar 2019 in Kraft trat. Gemäß Art. 1 dieses Gesetzes werden Art. 37 §§ 1a bis 4 und Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht aufgehoben, und gemäß dessen Art. 2 werden Richter des Obersten Gerichts, einschließlich der zu Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts ernannten Richter, die aufgrund dieser Bestimmungen des Gesetzes über das Oberste Gericht in den Ruhestand versetzt worden waren, als Richter wiedereingesetzt, wobei ihre Dienstzeit als nicht unterbrochen gilt.

III. Vorverfahren

10.      Obwohl die Kommission am 20. Dezember 2017 den Mechanismus gemäß Art. 7 Abs. 1 EUV ausgelöst hatte(3), übermittelte sie Polen am 2. Juli 2018 ein Aufforderungsschreiben gemäß Art. 258 AEUV zur Vereinbarkeit des Gesetzes über das Oberste Gericht und das Änderungsgesetz vom 10. Mai 2018 (im Folgenden zusammen: beanstandete Maßnahmen) mit Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta und bat um Stellungnahme binnen eines Monats.

11.      Polen beantwortete das Aufforderungsschreiben mit Schreiben vom 2. August 2018. Es widersprach der Auffassung der Kommission und verlangte die Einstellung des Verfahrens.

12.      Am 14. August 2018 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Polen, in der sie die Ansicht vertrat, dass Polen gegen seine Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta verstoßen habe. Sie forderte Polen auf, der mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen eines Monats nach deren Zugang nachzukommen.

13.      Polen antwortete auf die mit Gründen versehene Stellungnahme am 14. September 2018, wobei es seine Haltung bekräftigte, dass der Vorwurf der Vertragsverletzung unbegründet sei, und die Einstellung des Verfahrens verlangte.

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof

14.      Die Kommission hat mit am 2. Oktober 2018 eingegangener Klageschrift gemäß Art. 258 AEUV die vorliegende Klage beim Gerichtshof erhoben. Sie beantragt,

–        festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta verstoßen hat, dass sie das Ruhestandsalter der Richter des Obersten Gerichts abgesenkt hat und es auf die Richter anwendet, die vor dem 3. April 2018 an dieses Gericht berufen worden waren, und dem Präsidenten der Republik Polen die Befugnis verliehen hat, die aktive Amtszeit der Richter des Obersten Gerichts nach seinem Ermessen zu verlängern;

–        der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen.

15.      In ihrer am 17. Dezember 2018 eingereichten Klagebeantwortung beantragt die Republik Polen,

–        die Klage in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16.      Mit gesondertem, am 2. Oktober 2018 eingereichten Schriftsatz hat die Kommission einen Antrag auf einstweilige Anordnungen gemäß Art. 279 AEUV und Art. 160 Abs. 2 und 7 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs gestellt und beantragt, Polen aufzugeben, erstens die Anwendung von Art. 37 §§ 1 bis 4 und Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht, von Art. 5 des Änderungsgesetzes vom 10. Mai 2018 sowie aller aufgrund dieser Bestimmungen getroffenen Maßnahmen auszusetzen, zweitens alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die von diesen Vorschriften betroffenen Richter des Obersten Gerichts ihr Amt auf derselben Stelle und mit denselben Rechten und zu denselben Beschäftigungsbedingungen, wie sie bis zum 3. April 2018 galten, weiter ausüben können, drittens alle Maßnahmen zur Ernennung von Richtern am Obersten Gericht oder eines neuen Ersten Präsidenten dieses Gerichts an Stelle der von diesen Vorschriften Betroffenen zu unterlassen, und viertens der Kommission monatlich alle Maßnahmen mitzuteilen, die getroffen wurden, um dieser Anordnung in vollem Umfang nachzukommen.

17.      Die Kommission hat zudem nach Art. 160 Abs. 7 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt, wegen der unmittelbaren Gefahr einer schweren und nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigung des Grundsatzes des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes bei der Anwendung des Unionsrechts die vorstehend genannten einstweiligen Anordnungen noch vor Eingang der polnischen Stellungnahme zu erlassen.

18.      Mit Beschluss vom 19. Oktober 2018 hat die Vizepräsidentin des Gerichtshofs dem letztgenannten Antrag vorläufig bis zum Erlass des das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beendenden Beschlusses stattgegeben(4).

19.      Mit am 22. Oktober 2018 eingegangenem Schriftsatz hat Ungarn beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung Polens im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zugelassen zu werden. Mit Entscheidung vom 30. Oktober 2018 ist dem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe für die Phase des mündlichen Verfahrens stattgegeben worden.

20.      Am 23. Oktober 2018 hat die Vizepräsidentin des Gerichtshofs gemäß Art. 161 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnungen dem Gerichtshof übertragen, der ihn im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache gemäß Art. 60 Abs. 1 der Verfahrensordnung an die Große Kammer verwiesen hat.

21.      Mit Beschluss vom 17. Dezember 2018 hat der Gerichtshof dem Antrag der Kommission auf einstweilige Anordnungen bis zur Verkündung des das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache beendenden Urteils in vollem Umfang stattgegeben(5).

22.      Darüber hinaus hat die Kommission am 2. Oktober 2018 beantragt, zu entscheiden, die vorliegende Rechtssache dem beschleunigten Verfahren gemäß Art. 23 Buchst. a der Satzung und Art. 133 der Verfahrensordnung zu unterwerfen. Mit Beschluss vom 15. November 2018 hat der Präsident des Gerichtshofs diesem Antrag stattgegeben(6).

23.      Mit am 24. Oktober 2018 eingegangenem Schriftsatz hat Ungarn beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung Polens zugelassen zu werden. Am 19. Dezember 2018 hat der Präsident des Gerichtshofs gemäß Art. 134 der Verfahrensordnung entschieden, die Einreichung einer Erwiderung, einer Gegenerwiderung oder eines Streithilfeschriftsatzes nicht zu gestatten. Mit Entscheidung vom 9. Januar 2019 ist dem Antrag auf Zulassung zur Streithilfe für die Phase des mündlichen Verfahrens stattgegeben worden.

24.      In der mündlichen Verhandlung vom 12. Februar 2019 haben die Kommission, Polen und Ungarn mündliche Ausführungen gemacht.

V.      Vorbringen der Parteien

A.      Kommission

25.      Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die im vorliegenden Verfahren beanstandeten Bestimmungen des Gesetzes über das Oberste Gericht seien zwar durch das Gesetz vom 21. November 2018 geändert worden, doch sei nicht sicher, ob durch dieses Gesetz die mutmaßlichen Verstöße gegen das Unionsrecht beseitigt worden seien. Jedenfalls bestehe wegen der Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit in der Unionsrechtsordnung weiterhin ein Interesse an der Entscheidung dieser Rechtssache.

26.      Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung ferner die Auffassung vertreten, dass die streitigen Maßnahmen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(7) in den Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV fielen und dass Art. 47 der Charta insoweit einschlägig sei, als durch ihn die Erfordernisse der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV eingefügt würden. Demgemäß sei Art. 51 Abs. 1 der Charta nicht anwendbar und die Einleitung dieses Verfahrens durch die Kommission stelle keine, nach Art. 6 Abs. 1 EUV ausgeschlossene, Ausdehnung der Zuständigkeiten der Union dar.

27.      Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass Art. 37 § 1 und Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht mit der Absenkung des Ruhestandsalters der vor dem 3. April 2018 an dieses Gericht berufenen Richter des Obersten Gerichts gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter, einen wesentlichen Aspekt der richterlichen Unabhängigkeit, verstießen. Zwar schließe dieser Grundsatz nicht aus, eine Regelung zu treffen, bei der das Ruhestandsalter eines Richters von dem zur Zeit seiner Ernennung geltenden Ruhestandsalter abweiche, doch müsse eine solche Regelung, um mit Art. 19 Abs. 1 EUV vereinbar zu sein, angemessene Garantien, wie Übergangsmaßnahmen oder eine schrittweise Umsetzung, enthalten, damit sie nicht zur Änderung der Zusammensetzung von Gerichten benutzt werden könne.

28.      Die beanstandeten Maßnahmen beträfen über ein Drittel oder 27 von 72 Richtern des Obersten Gerichts einschließlich des Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts, dessen in Art. 183 Abs. 3 der polnischen Verfassung garantierte sechsjährige Amtszeit am 30. April 2020 auslaufen und dessen Tätigkeit als Richter am 22. November 2022 enden sollte. Ohne Übergangsmaßnahmen würden die beanstandeten Maßnahmen zu einer tiefgreifenden und sofortigen Änderung der Zusammensetzung des Obersten Gerichts führen. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter, da das abgesenkte Ruhestandsalter mit Inkrafttreten des Gesetzes über das Oberste Gericht auf amtierende Richter des Obersten Gerichts Anwendung finde und schwerwiegende Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Obersten Gerichts habe, das sich aus Richtern zusammensetze, die in der Regel über eine umfassende Berufserfahrung verfügten und die sich daher in einem vorgerückten Alter befänden.

29.      Auch das Ziel, das Ruhestandsalter der Richter des Obersten Gerichts an das allgemeine Rentenalter anzugleichen, könne einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter nicht rechtfertigen. Zwar seien einige der von den beanstandeten Maßnahmen betroffenen Richter ernannt worden, als für sie ein Ruhestandsalter von 65 Jahren gegolten habe, doch sei deren Mandat im Jahr 2002 bis zu ihrem 70. Lebensjahr verlängert worden und bei der Beurteilung der Frage, ob die Amtszeit des Richters verkürzt worden sei, müsse diese neue Altersgrenze berücksichtigt werden.

30.      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass Art. 37 §§ 1 bis 4 und Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht und das Änderungsgesetz vom 10. Mai 2018, mit denen dem Präsidenten der Republik die Befugnis zur Verlängerung der aktiven Amtszeit der Richter des Obersten Gerichts übertragen werde, gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstießen, da seiner Entscheidung keinerlei bindende Kriterien zugrunde lägen und diese auch keiner gerichtlichen Überprüfung unterliege; dadurch habe er einen übermäßig großen Ermessensspielraum, der es ihm ermögliche, Einfluss auf die Richter des Obersten Gerichts zu nehmen. Die Kommission sieht einen weiteren Verstoß gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit darin, dass der Präsident zwei Mal über die Verlängerung der aktiven Amtszeit der Richter des Obersten Gerichts von jeweils drei Jahren entscheiden dürfe, weshalb ein Richter, der nach Ablauf des ersten Dreijahreszeitraums sein Amt weiter ausüben wolle, eine Zustimmung einholen müsse. Diese Rüge gelte auch in Bezug auf die nach dem 3. April 2018 an dieses Gericht berufenen Richter des Obersten Gerichts.

31.      Insbesondere – so die Kommission weiter – werde der übermäßig große Ermessensspielraum des Präsidenten nicht dadurch beseitigt, dass er eine Stellungnahme des Landesjustizrats einzuholen habe, da die Kriterien für diese Stellungnahme nur sehr allgemeiner Natur seien und die Stellungnahme für den Präsidenten auch nicht verbindlich sei. Mit der Reform des Landesjustizrats, der sich mehrheitlich aus Richtern zusammensetze, die unter Verstoß gegen europäische Regelwerke(8) anstatt von Richterkollegen vom Parlament ausgewählt würden, sei die Unabhängigkeit der Gerichte nicht gewährleistet. Die beanstandeten Maßnahmen enthielten zudem in Bezug auf Richter, die bis zum 3. Juli 2018 65 Jahre alt geworden seien, keine Kriterien, die der Landesjustizrat bei seiner Stellungnahme zu berücksichtigen hätte, und in Bezug auf Richter, die nach dem 3. Juli 2018 das 65. Lebensjahr vollendeten, fehle es an einer Frist, innerhalb deren der Präsident eine Stellungnahme einzuholen habe.

32.      Die Regelungen anderer Mitgliedstaaten seien nicht mit der Situation in Polen vergleichbar, und die polnischen Rechtsvorschriften über die Geheimhaltung der Beratungen und die Zusammensetzung der Kammern ließen die Tatsache außer Acht, dass es bei der richterlichen Unabhängigkeit um die Organisation der Justiz und darum gehe, ob die betreffende Einrichtung unabhängig auftrete.

B.      Republik Polen

33.      Die Republik Polen macht erstens geltend, dass die Klage gegenstandslos sei und zurückgenommen werden müsse, da alle in diesem Verfahren angegriffenen Bestimmungen durch das Gesetz vom 21. November 2018 aufgehoben und ihre Wirkungen beseitigt worden seien.

34.      Polen, unterstützt von Ungarn, vertritt ferner die Ansicht, dass die beanstandeten Maßnahmen nicht in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV oder Art. 47 der Charta fielen. Die Rügen müssten einzeln geprüft werden, da diese Bestimmungen unterschiedliche Anwendungsbereiche hätten.

35.      Insbesondere macht Polen, unterstützt von Ungarn, geltend, aus Art. 19 Abs. 1 EUV könne nicht hergeleitet werden, von Polen werde nicht gewährleistet, dass Streitparteien Zugang zu einem wirksamen Rechtsschutzsystem hätten und dass für polnische Richter ein System von Garantien gelte, die nicht allein auf der Grundlage einer bestimmten Vorschrift über die Versetzung von Richtern in den Ruhestand beurteilt werden könnten, ohne die gesamte Rechtsordnung, deren Teil sie seien, in den Blick zu nehmen. Sie betonen auch, dass das Urteil ASJP(9) anders gelagert sei, da es dort um nationale Maßnahmen zur Durchführung des Unionsrechts gegangen sei. Aus diesem Urteil lasse sich nicht herleiten, dass die Union eine Zuständigkeit für das Gerichtswesen erworben habe.

36.      In Bezug auf Art. 47 der Charta tragen Polen und Ungarn vor, dass die beanstandeten Maßnahmen weder der Durchsetzung von Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta dienten noch subjektive Rechte Einzelner verletzten. Polen betont, dass Art. 6 Abs. 1 EUV und Art. 51 Abs. 2 der Charta einer Auslegung der Charta entgegenstünden, die es der Union erlaube, über die ihr übertragenen Befugnisse hinauszugehen, wie dies im Protokoll Nr. 30 über die Anwendung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auf Polen und das Vereinigte Königreich(10), das eine Ausweitung der Befugnisse des Gerichtshofs ausschließe, deutlich zum Ausdruck komme.

37.      In Bezug auf die erste Rüge macht Polen geltend, die Kommission habe nicht den Nachweis erbracht, dass es zwischen der Änderung des Ruhestandsalters der Richter des Obersten Gerichts und einem angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter einen Zusammenhang gebe. Nichts deute darauf hin, dass die beanstandeten Maßnahmen eine Reaktion auf Entscheidungen bestimmter Richter darstellten; die Versetzung eines Richters in den Ruhestand könne nicht als Entlassung angesehen werden, da das Dienstverhältnis mit ihm fortbestehe und er ein Gehalt beziehe. Polen verweist auf die in der polnischen Verfassung verankerten Garantien der richterlichen Unabhängigkeit, einschließlich der Unabsetzbarkeit der Richter, zu der auch gehöre, dass ein Richter, wenn er das vorgesehene Alter erreiche, in den Ruhestand trete(11).

38.      Polen macht u. a. geltend, aus Art. 19 Abs. 1 EUV könne nicht das Erfordernis hergeleitet werden, bei der Absenkung des Ruhestandsalters von Richtern zur Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit eine Übergangszeit vorzusehen. Außerdem seien von den 27 der 72 durch die beanstandeten Maßnahmen betroffenen Richtern 17 Richter an das Oberste Gericht berufen worden, als das Ruhestandsalter 65 Jahre betragen habe. Von den zehn Richtern, die ernannt worden seien, als das Ruhestandsalter 70 Jahre betragen habe, hätten drei Richter vom Präsidenten der Republik die Zustimmung zum Verbleib im Amt erhalten. Es seien also nur sieben Richter, die durch das im Vergleich zu dem bei ihrer Berufung an das Oberste Gericht geltenden Ruhestandsalter abgesenkten Ruhestandsalter betroffen seien.

39.      Polen, unterstützt von Ungarn, hat in der mündlichen Verhandlung betont, Ziel der beanstandeten Maßnahmen sei es, das Ruhestandsalter der Richter des Obersten Gerichts an das allgemeine Rentenalter in Polen anzupassen, wie es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs(12) anerkannt sei. Ungarn vertritt darüber hinaus die Auffassung, die streitigen Maßnahmen seien Teil eines allgemeinen Gesetzgebungspakets, dessen Ziel nicht eine bestimmte Gruppe von Richtern sei; die Argumentation der Kommission würde dazu führen, den nationalen Gesetzgeber bei der Anpassung einschlägiger Rechtsvorschriften an wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen einzuschränken.

40.      Zur zweiten Rüge führt Polen aus, die Unterstellung seitens der Kommission, ein Richter des Obersten Gerichts werde bei seiner Amtszeitverlängerung möglicherweise einem Druck des Präsidenten der Republik ausgesetzt sein, könne nicht als ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV angesehen werden. Für Richter des Obersten Gerichts gälten Unabhängigkeitsgarantien, damit sie frei von Druck entscheiden könnten; hervorzuheben seien insoweit auch die polnischen Regelungen zur Wahrung des Beratungsgeheimnisses und die Zusammensetzung der Kammern. Der Präsident handele im Rahmen seines verfassungsmäßigen Vorrechts, Richter als Hüter der polnischen Verfassung(13) einzusetzen, wobei er sich an der verfassungsrechtlichen Wertordnung orientiere und nicht an Stellungnahmen des Ersten Präsidenten (oder des Kollegiums) des Obersten Gerichts und des Landesjustizrats gebunden sei. Dass seine Entscheidungen keiner gerichtlichen Überprüfung unterlägen, sei dadurch zu erklären, dass das Amtsverhältnis der Richter am Obersten Gericht zum öffentlichen Recht der Republik Polen gehöre; eine derartige gerichtliche Überprüfung wäre mit dem polnischen Verfassungsrecht nicht vereinbar.

41.      Außerdem sei der Landesjustizrat bei der Abgabe seiner Stellungnahme an die in den beanstandeten Maßnahmen festgelegten Kriterien gebunden, und zwar auch in Bezug auf Richter, die bis zum 3. Juli 2018 das Alter von 65 Jahre vollendeten; für Richter, die das Alter von 65 Jahren nach dem 3. Juli 2018 vollendeten, enthielten diese Maßnahmen zwar keine Frist, innerhalb deren der Präsident eine solche Stellungnahme einholen müsse, in der Praxis werde er dies aber unverzüglich tun. In der mündlichen Verhandlung hat Polen darauf hingewiesen, dass die Reform des Landesjustizrats vorliegend nur von untergeordneter Bedeutung sei. Die Auffassung der Kommission, die Unabhängigkeit der Gerichte erfordere, Entscheidungen dieser Art von Richtern durch von ihnen gewählte Gremien treffen zu lassen, beruhe auf Standards, die in der Union nicht allgemein anerkannt seien und Regelungen in mehreren Mitgliedstaaten und dem Gerichtshof der Europäischen Union widersprächen. Zudem führte sie dazu, die richterliche Unabhängigkeit mit zweierlei Maß zu messen.

VI.    Würdigung

42.      Die sachlichen Anwendungsbereiche von Art. 19 Abs. 1 EUV und von Art. 47 der Charta sind meines Erachtens gesondert zu prüfen. Das bedeutet, dass die Rügen als unzulässig zurückgewiesen werden sollten, soweit sie auf Art. 47 der Charta gestützt sind, da die Kommission keine Argumente dafür vorgebracht hat, dass in Polen Unionsrecht durchgeführt worden sei, wie dies nach Art. 51 Abs. 1 der Charta notwendig wäre. Ferner komme ich zu dem Ergebnis, dass die Rügen begründet sind, soweit sie auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV gestützt sind, und dass die vorliegende Klage nicht durch die Auslösung des Mechanismus gemäß Art. 7 Abs. 1 EUV ausgeschlossen ist.

43.      Meine Analyse gliedert sich in vier Hauptteile. Erstens die Zulässigkeit der Klage im Zusammenhang mit dem Gesetz vom 21. November 2018 (A), zweitens das Verhältnis zwischen Art. 258 AEUV und Art. 7 EUV (B), drittens die sachlichen Anwendungsbereiche von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und von Art. 47 der Charta sowie die Berufung der Kommission auf diese kombinierten Bestimmungen (C) und viertens die Begründetheit der Klage (D).

A.      Zulässigkeit der Klage im Zusammenhang mit dem Gesetz vom 21. November 2018

44.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Frage, ob ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Art. 258 AEUV verstoßen hat, anhand der Situation zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde(14). Eine Klage wegen einer Vertragsverletzung, die bei Ablauf dieser Frist nicht mehr bestanden hat, ist wegen fehlenden Gegenstands unzulässig(15).

45.      Außerdem besteht nach gefestigter Rechtsprechung das Interesse der Kommission an der Erhebung einer Klage nach Art. 258 AEUV auch dann, wenn die vorgeworfene Vertragsverletzung nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist abgestellt wurde(16). Für eine solche Klage ist noch ein Rechtsschutzinteresse insoweit gegeben, als die Grundlage für eine Haftung geschaffen wird, die einen Mitgliedstaat wegen seiner Pflichtverletzung möglicherweise gegenüber denjenigen trifft, die aus dieser Vertragsverletzung Ansprüche herleiten(17).

46.      Im vorliegenden Fall hatte die Kommission Polen aufgefordert, der mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb eines Monats nach Zugang, der gemäß dem Eingangsstempel am 14. August 2018 erfolgte, nachzukommen (siehe Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge). Daher ist die Frage, ob Verpflichtungen nicht erfüllt wurden, anhand der Lage zu beurteilen, in der sich Polen am 14. September 2018 befand. Da das Gesetz vom 21. November 2018 am 1. Januar 2019, also erst nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist, in Kraft getreten ist, kann dieses Gesetz nicht berücksichtigt werden und lässt es den Gegenstand der vorliegenden Klage nicht entfallen.

47.      Folglich entfällt mit dem Gesetz vom 21. November 2018 für den Gerichtshof nicht die Notwendigkeit einer Entscheidung über diese Rechtssache, und tatsächlich besteht ein zwingendes Interesse der Union, anderer Mitgliedstaaten und von Einzelpersonen an dem Urteil des Gerichtshofs. Es wird Ausführungen zur inhaltlichen Wahrung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit im Rechtssystem der Union und Hinweise dazu geben, welche Anforderungen an dessen Schutz gestellt werden. Die Frage, ob das Gesetz vom 21. November 2018 die mutmaßlichen Verstöße gegen das Unionsrecht ausreichend behebt, hat daher keinen Einfluss auf dieses Verfahren(18).

B.      Art. 258 AEUV und Art. 7 EUV

48.      Nach Art. 258 AEUV kann die Kommission eine Vertragsverletzungsklage erheben, wenn sie der Auffassung ist, dass ein Mitgliedstaat gegen „eine Verpflichtung aus den Verträgen“ verstoßen habe. Die Bezugnahme auf „[die] Verträge …“ in dieser Bestimmung gegenüber dem früheren Art. 226 EGV, in dem auf „diese[n] Vertrag“ Bezug genommen worden war, bedeutet, dass die Kommission eine solche Klage wegen angeblicher Verletzung von Pflichten aus EUV und AEUV erheben kann(19), vorbehaltlich der Ausnahmeregelung im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gemäß Art. 24 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 275 AEUV(20). Eine solche Klage umfasst auch mutmaßliche Verstöße gegen die Charta, die verbindliches Primärrecht der Union ist(21), sofern das Verhalten des Mitgliedstaats in ihren Anwendungsbereich fällt(22).

49.      Aber kann die Kommission eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV erheben, wenn, wie hier, der Mechanismus gemäß Art. 7 Abs. 1 EUV bereits ausgelöst wurde? Tatsächlich wird in der Literatur erörtert, ob Art. 7 AEUV eine „lex specialis für die Überwachung und Sanktionierung der (Nicht‑)Einhaltung von Unionswerten darstellt und somit Vorrang hat gegenüber dem Verfahren nach Art. 258 AEUV oder dieses sogar ausschließt“(23). Obwohl die Kommission die Klage auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta stützt, beruft sie sich dabei in ihrem begründeten Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Feststellung der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Rechtsstaatlichkeit durch Polen, mit dem der Mechanismus gemäß Art. 7 Abs. 1 EUV erstmals ausgelöst wurde, auf dieselben Gesetzesänderungen durch das Gesetz über das Oberste Gericht(24).

50.      Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass es sich bei Art. 7 EUV und Art. 258 AEUV um zwei verschiedene Verfahren handelt, die gleichzeitig eingeleitet werden können. Insbesondere enthält der Wortlaut der Bestimmungen nichts darüber, dass sich die Verfahren gegenseitig ausschließen, und die Bezugnahme auf „eine Verpflichtung aus den Verträgen“ in Art. 258 AEUV umfasst, wie bereits bemerkt (siehe oben, Nr. 48 der vorliegenden Schlussanträge), grundsätzlich alle Rechtsvorschriften des Unionsrechts mit Ausnahme der GASP. Dafür sprechen auch das verschiedenartige System und der unterschiedliche Zweck der Verfahren gemäß Art. 7 EUV und Art. 258 AEUV. Art. 7 EUV ist dem Wesen nach „ein politisches Verfahren“ zur Bekämpfung einer „schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung“ der in Art. 2 EUV genannten Werte durch einen Mitgliedstaat, für das eine hohe Schwelle gilt und das dazu führen kann, dass die Mitgliedschaftsrechte dieses Mitgliedstaats, einschließlich seiner Mitwirkungsrechte, ausgesetzt werden(25). Art. 258 AEUV ermöglicht den unmittelbaren „Rechtsweg“, um vor dem Gerichtshof die Durchsetzung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten sicherzustellen, ist auf die Feststellung einer Vertragsverletzung gerichtet und kann im Verfahren nach Art. 260 AEUV auch zu finanziellen Sanktionen führen, um den Mitgliedstaat zur Beendigung der Verletzungshandlung zu veranlassen(26). Diese Unterschiede lassen erkennen, dass diese Verfahren eigenständiger, in der Tat einander ergänzender Natur sind und parallel angewandt werden können(27). Auch sollte der Umstand, dass Art. 269 AEUV, wonach die Rechtmäßigkeit eines nach Art. 7 EUV erlassenen Rechtsakts des Europäischen Rates oder des Rates in Zweifel gezogen werden kann, die Zuständigkeit des Gerichtshofs auf die „Verfahrensbestimmungen“ in Art. 7 EUV beschränkt, den Gerichtshof nicht daran hindern, aufgrund seiner Zuständigkeit nach Art. 258 AEUV zu entscheiden(28).

51.      Daher schließt die Tatsache, dass der Mechanismus gemäß Art. 7 Abs. 1 EUV ausgelöst worden ist, die vorliegende Klage nicht aus.

C.      Anwendungsbereiche von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und von Art. 47 der Charta

1.      Gesonderte Prüfung

52.      Die Kommission hat die vorliegende Klage damit begründet, dass Polen seinen Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und aus Art. 47 der Charta nicht nachgekommen sei. Ihre Klage ist also auf diese beiden Vorschriften gestützt.

53.      Dies wirft die Frage auf, ob die sachlichen Anwendungsbereiche von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und von Art. 47 der Charta einzeln zu prüfen sind, wie Polen meint, oder ob – wie es die Kommission vertritt – zum Zweck der Feststellung des behaupteten Verstoßes gegen Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV nicht nachgewiesen zu werden braucht, dass die beanstandeten Maßnahmen im Sinne des Art. 51 Abs. 1 der Charta zur Durchsetzung des Rechts der Union erfolgten, so dass die Anforderungen an die Unabhängigkeit nach Art. 47 der Charta in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV „importiert“ werden können.

54.      Ich stimme Polen zu, dass es notwendig ist, die sachlichen Anwendungsbereiche von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und von Art. 47 der Charta gesondert zu prüfen. Dies wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs bestätigt, in der auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Bestimmungen zur Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes Bezug genommen und darauf hingewiesen wird, dass der Anwendungsbereich von Art. 47 der Charta in Bezug auf Maßnahmen der Mitgliedstaaten in deren Art. 51 Abs. 1 definiert ist(29).

55.      Auch das Urteil ASJP spricht für diese Auffassung. Obwohl das Vorabentscheidungsersuchen in jener Rechtssache die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und von Art. 47 der Charta betraf, hat sich der Gerichtshof in seinem Urteil nur auf die erstere Bestimmung gestützt(30). Er hat insbesondere ausgeführt, dass „zum sachlichen Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV festzustellen [ist], dass diese Bestimmung in ‚den vom Unionsrecht erfassten Bereichen‘ Anwendung findet. Insoweit kommt es nicht darauf an, in welchem Kontext die Mitgliedstaaten Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführen“(31). Der Gerichtshof hat die Verbindung zwischen Art. 19 Abs. 1 EUV und Art. 47 der Charta sowie zwischen den Art. 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK), auf die Art. 47 Abs. 1 und 2 der Charta gestützt ist(32), indem er den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes zum Ausdruck bringt, bestätigt und festgestellt, dass die Anforderungen an die gerichtliche Unabhängigkeit nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV denjenigen nach Art. 47 Abs. 2 der Charta entsprechen, die auf den Zugang zu einem „unabhängigen“ Gericht als eine der Anforderungen im Zusammenhang mit dem Grundrecht auf wirksamen Rechtsschutz verweist(33). Allerdings erwähnt der Gerichtshof Art. 47 der Charta und die entsprechende Rechtsprechung nur, um die auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 1 EUV getroffenen Feststellungen zu bestätigen.

56.      Eine kombinierte Anwendung dieser beiden Bestimmungen ohne eine Prüfung nach Art. 51 Abs. 1 der Charta kann aus dem Urteil ASJP daher nicht abgeleitet werden. Vielmehr ergibt sich aus diesem Urteil, dass Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV und Art. 47 der Charta unterschiedliche sachliche Anwendungsbereiche haben.

57.      Die gegenteilige Auffassung wäre geeignet, das jetzige System der Überprüfung der Vereinbarkeit nationaler Maßnahmen mit der Charta zu untergraben und die Möglichkeit zu eröffnen, Vertragsbestimmungen wie Art. 19 Abs. 1 EUV als „Einfallstor“ zu benutzen, um die in den Art. 51 Abs. 1 der Charta niedergelegten Begrenzungen ihres Anwendungsbereichs zu umgehen.

58.      Das Urteil des Gerichtshofs ASJP sollte nicht als Schwächung der Charta oder ihres Art. 47 angesehen werden. Es enthält vielmehr eine elegante und kohärente Lösung, die die Grenzen der Charta gegenüber den Mitgliedstaaten beachtet und gleichzeitig das Rechtsschutzsystem der Union entwickelt und die in Art. 2 EUV verankerten Grundwerte der Union schützt(34). Nach diesem Urteil enthält Art. 19 Abs. 1 EUV in Ergänzung zu Art. 47 der Charta (und gegebenenfalls weiterer Bestimmungen der Charta) einen eigenständigen Standard, um sicherzustellen, dass nationale Maßnahmen den Anforderungen an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, einschließlich der Unabhängigkeit der Gerichte, entsprechen(35).

59.      Wie der Gerichtshof später, etwa in den Urteilen Achmea(36) und Minister for Justice and Equality(37), betont hat, haben die nationalen Gerichte und der Gerichtshof nach Art. 19 Abs. 1 EUV eine gemeinsame Verantwortung für die volle Anwendung des Unionsrechts in allen Mitgliedstaaten und den gerichtlichen Schutz der unionsrechtlichen Rechte des Einzelnen. Daraus folgt, dass nationale Maßnahmen, die nationale Gerichte daran hindern, ihre Aufgaben in ihrer Eigenschaft als Gerichte der Union wahrzunehmen, beispielsweise Maßnahmen, durch die sie ihrer Zuständigkeit bei Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung von Unionsrecht beraubt werden (Achmea) oder durch die ihre Unabhängigkeit beeinträchtigt wird (Minister for Justice and Equality), den Gerichtshof bei der Erfüllung seiner Aufgabe gemäß Art. 19 Abs. 1 EUV, die Wahrung des Rechts bei der Anwendung und der Auslegung der Verträge zu wahren, behindern(38). Tatsächlich gefährden solche Maßnahmen die Struktur und das Funktionieren der Unionsrechtsordnung. Mit seiner Rechtsprechung zu den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 EUV im Urteil ASJP bewegt sich der Gerichtshof im Rahmen der ihm durch die Verträge übertragenen Zuständigkeit, sicherzustellen, dass die Unionsrechtsordnung in ihren Grundfesten erhalten bleibt.

60.      Aus den vorgenannten Gründen muss die Kommission, wenn sie sich wie hier auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta stützt, nachweisen, dass die beanstandeten Maßnahmen unabhängig voneinander in den sachlichen Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen.

2.      Anwendung von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV auf das vorliegende Verfahren

61.      Der Gerichtshof hat im Urteil ASJP(39) festgestellt, dass mit Art. 19 EUV der Wert der in Art. 2 EUV proklamierten Rechtsstaatlichkeit konkretisiert wird und dass jeder Mitgliedstaat nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV dafür zu sorgen hat, dass Einrichtungen, die als „Gerichte“ im Sinne des Unionsrechts Bestandteil seines Rechtsbehelfssystems sind, in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz, einschließlich der richterlichen Unabhängigkeit, gewähren. Soweit ein solches Gericht über Fragen der Anwendung oder Auslegung des Unionsrechts entscheidet, muss der betreffende Mitgliedstaat sicherstellen, dass das Gericht diese Voraussetzungen erfüllt.

62.      Der Umstand, dass die im Urteil ASJP in Rede stehenden Maßnahmen mit einem Finanzhilfeprogramm der Union verbunden waren, hat bei der Analyse des sachlichen Anwendungsbereichs von Art. 19 Abs. 1 EUV durch den Gerichtshof keine Rolle gespielt, weshalb er keine Grundlage dafür bietet, jene Rechtssache von der vorliegenden zu unterscheiden.

63.      In der vorliegenden Rechtssache ist unstreitig, dass das polnische Oberste Gericht als ein Gericht im Sinne des Unionsrechts über Fragen der Anwendung und Auslegung des Unionsrechts entscheidet(40). Die beanstandeten Maßnahmen, die dessen Unabhängigkeit angeblich beeinträchtigen, fallen daher in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV(41). Da sich diese Klage auf einen angeblichen Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit, einen Grundwert der Union, bezieht, der sich in Art. 19 EUV widerspiegelt, kann die Kommission dieses Verfahren nach Art. 258 AEUV gegen einen Mitgliedstaat daher auch dann einleiten, wenn es sich nicht um die Durchführung von Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durch diesen Mitgliedstaat handelt.

64.      Die hier vorgeschlagene Auslegung von Art. 19 Abs. 1 EUV steht schließlich auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Geltungsbereich des Protokolls Nr. 30(42). Die Erweiterung der Befugnisse der Kommission, gemäß Art. 258 AEUV gegen Mitgliedstaaten wegen Verstoßes gegen den Vertrag über die Europäische Union Klage zu erheben, erfolgte wie auch die Ergänzung des Protokolls Nr. 30 im Zuge der Vertragsänderung von Lissabon. Die Ermächtigung der Kommission, Direktklagen gegen Mitgliedstaaten wegen Verstoßes gegen Bestimmungen des EU-Vertrags wie Art. 19 Abs. 1 EUV zu erheben, dehnt die Befugnisse der Union keineswegs über das hinaus aus, was im Lissabonner Änderungsprozess vereinbart worden ist(43).

3.      Unanwendbarkeit von Art. 47 der Charta auf das vorliegende Verfahren

65.      Wie bereits ausgeführt, hat die Kommission in ihrer Klageschrift keine Argumente zum Anwendungsbereich von Art. 47 der Charta und zur Art und Weise, inwieweit die beanstandeten Maßnahmen Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführen(44), vorgebracht und die Auffassung vertreten, dass Art. 51 Abs. 1 der Charta für das vorliegende Verfahren nicht einschlägig sei.

66.      Nach ständiger Rechtsprechung muss die Kommission im Rahmen einer Klage nach Art. 258 AEUV das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann(45). Insbesondere muss die Kommission in einer gemäß Art. 258 AEUV eingereichten Klageschrift die Rügen, über die der Gerichtshof entscheiden soll, genau angeben und zumindest in gedrängter Form die rechtlichen und tatsächlichen Umstände darlegen, auf die diese Rügen gestützt sind. Der Verpflichtung, die rechtlichen Umstände darzulegen, auf die sie ihre Rügen stützt, genügt die Kommission nicht schon damit, dass sie zur Begründung, dass der beklagte Mitgliedstaat eine unionsrechtliche Vorschrift nicht eingehalten habe, diese lediglich in demjenigen Teil der mit Gründen versehenen Stellungnahme oder der Klageschrift nennt, der den rechtlichen Rahmen rein beschreibend wiedergibt und nicht in der Beweisführung(46).

67.      Die Kommission hat keine von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV unabhängigen rechtlichen Angaben zur Anwendung von Art. 47 der Charta auf die beanstandeten Maßnahmen und dazu gemacht, in welcher Weise diese Maßnahmen Unionsrecht im Sinne von Art. 51 Abs. 1 der Charta durchführen. Ihre Rügen sollten daher, soweit sie auf Art. 47 der Charta gestützt sind, als unzulässig zurückgewiesen werden.

D.      Begründetheit der Klage

1.      Zur ersten Rüge

68.      Mit ihrer ersten Rüge macht die Kommission geltend, dass Art. 37 § 1 und Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht, indem mit diesen Vorschriften das Ruhestandsalter der vor dem 3. April 2018, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über das Oberste Gericht zum Richter an das Oberste Gericht berufenen Richter herabgesetzt wurde, gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter verstießen. Sie begründet diese Auffassung mit der vorzeitigen Entfernung von mehr als einem Drittel der amtierenden Richter des Obersten Gerichts aus dem Amt und mit dem Fehlen von Übergangsmaßnahmen.

69.      Polen macht geltend, die Kommission habe nicht den Nachweis geführt, dass die beanstandeten Maßnahmen gegen diesen Grundsatz verstießen. Man müsse berücksichtigen, dass nur eine begrenzte Zahl von Richtern betroffen sei und es das Ziel der Maßnahmen sei, das Ruhestandsalter der Richter des Obersten Gerichts an das allgemeine Ruhestandsalter anzupassen. Auch sei zu berücksichtigen, dass die richterliche Unabhängigkeit in der polnischen Verfassung garantiert sei.

70.      Der Gerichtshof hat zu Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV festgestellt, dass die Nichtabsetzbarkeit der Mitglieder der betreffenden Einrichtung eine wesentliche Garantie für die richterliche Unabhängigkeit darstellt(47). Der Schutz gegen Entfernung aus dem Amt (Unabsetzbarkeit) ist in der Tat „Grund und Niederschlag der richterlichen Unabhängigkeit und besteht darin, dass Richter nur aus einigen gesetzlich geregelten Gründen mit den gesetzlich geregelten Garantien entlassen, vom Dienst suspendiert, versetzt oder in den Ruhestand versetzt werden können“(48).

71.      Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat kürzlich erneut die Umstände aufgeführt, unter denen die Entfernung eines Richters aus dem Amt als ein Verstoß gegen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit eines Richters nach Art. 6 Absatz 1 EMRK anzusehen ist. Das objektive Element der Unparteilichkeit, die durch diese Bestimmung geschützt wird, erfordert eine objektive Beurteilung, ob das Gericht selbst, einschließlich seiner Zusammensetzung, ausreichende Garantien bietet, um berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit auszuschließen. Das Erscheinungsbild ist von gewisser Bedeutung, so dass „Gerechtigkeit nicht nur getan, sondern auch gesehen werden muss“. Es geht um das Vertrauen, das Gerichte in einer demokratischen Gesellschaft in der Öffentlichkeit wecken müssen(49). Diese Grundsätze bilden eine wichtige Quelle zur Entwicklung der unionsrechtlichen Grundsätze, die als Mindestanforderung Anwendung zu finden haben, wenn die Kommission in Verfahren nach Art. 258 AEUV einen Verstoß gegen die durch Art. 2 EUV geschützte Rechtsstaatlichkeit, die konkret in Art. 19 EUV zum Ausdruck kommt, geltend macht(50).

72.      Die Unabsetzbarkeit von Richtern sowie die Sicherheit ihrer Amtszeit als grundlegende Garantien für die richterliche Unabhängigkeit werden auch in Leitlinien(51)anerkannt, die von europäischen und internationalen Gremien zur Unabhängigkeit der Justiz herausgegeben wurden(52). Insbesondere sollten Richter eine garantierte Amtsdauer bis zum obligatorischen Ruhestandsalter oder bis zum Ablauf ihrer Amtszeit haben und dürften nur im Einzelfall, wenn sie arbeitsunfähig sind oder wenn sie wegen ihres Verhaltens zur Führung des Amtes ungeeignet sind, suspendiert oder aus dem Dienst entfernt werden. Eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand sollte nur auf Antrag des betroffenen Richters oder aus medizinischen Gründen möglich sein und eine Änderung des obligatorischen Ruhestandsalters dürfe keine Rückwirkung haben.

73.      Die Kommission hat im vorliegenden Fall hinreichend nachgewiesen, dass die beanstandeten Maßnahmen gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter verstoßen, dessen Beachtung für die Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV erforderlich ist(53).

74.      Die Umstände des vorliegenden Falles lassen sich von denen unterscheiden, zu denen das Urteil des Gerichtshofs ASJP(54) ergangen ist. In diesem Urteil hat der Gerichtshof ausgeführt, dass durch die in Rede stehende Maßnahme der Kürzung der Bezüge die gerichtliche Unabhängigkeit des betroffenen nationalen Gerichts wegen folgender Umstände nicht beeinträchtigt sei: Erstens wurden diese Maßnahmen aufgrund der zwingenden Notwendigkeit erlassen, das übermäßige Haushaltsdefizit des Mitgliedstaats im Rahmen eines Unionsprogramms zur finanziellen Unterstützung zu beseitigen und sie sahen nur eine begrenzte Absenkung der Bezüge vor, zweitens galten sie umfassend für eine ganze Reihe von Personen im öffentlichen Bereich, auch für Vertreter der gesetzgebenden, der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt und konnten daher nicht als speziell für die Mitglieder dieses Gerichts erlassen angesehen werden, und drittens waren sie vorübergehender Natur, da sie in einem Zeitraum von zwei Jahren abgeschafft wurden.

75.      Die genaue Lektüre dieses Urteils zeigt, dass der Gerichtshof mehrere relevante Umstände, insbesondere die begrenzten Auswirkungen und den allgemeinen Geltungsbereich der Maßnahmen, in seine Prüfung einbezogen hat, die nicht speziell die Justiz betrafen Dem Urteil ASJP kann nicht entnommen werden, dass Rechtsvorschriften, die im Kontext allgemeiner politischer Maßnahmen auf nationaler Ebene auf Richter Anwendung finden, nicht gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen, sondern vielmehr, dass die Beurteilung durch den Gerichtshof von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist.

76.      Vorliegend hat die Kommission gezeigt, dass die beanstandeten Maßnahmen erstens erhebliche Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Obersten Gerichts haben, da sie 27 von 72 Richtern betreffen, dass es sich zweitens um spezifische Rechtsvorschriften für Mitglieder des Obersten Gerichts handelt und dass sie drittens nicht nur vorübergehend gelten sollen. Zudem beeinträchtigt eine unvermittelte und unvorhergesehene Entfernung einer großen Zahl von Richtern aus ihrem Amt zwangsläufig das Vertrauen der Öffentlichkeit. Vor allem aus diesem Grund ist eine Übergangsregelung erforderlich, die eine Kontinuität am Gericht gewährleistet.

77.      Das Vorbringen Polens, dass bei Richtern, die gemäß der früheren Regelung mit dem niedrigeren Ruhestandsalter von 65 Jahren ernannt worden waren, der Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern nicht verletzt werde, halte ich nicht für überzeugend. Wie die Kommission ausführt, wird dabei nicht berücksichtigt, dass deren Amtszeit durch das Gesetz über das Oberste Gericht von 2002 bis zum Ruhestandsalter von 70 Jahren verlängert worden war, die nun durch die beanstandeten Maßnahmen vorzeitig beendet wurde.

78.      Auch wenn die beanstandeten Maßnahmen nur ungefähr neun Monate galten, nämlich vom 3. April 2018 bis zum 1. Januar 2019, als das Gesetz vom 21. November 2018 in Kraft trat, gibt es aus der Zeit ihres Erlasses keine Anzeichen dafür, dass sie nur vorübergehend gelten sollten. Die Verabschiedung des Gesetzes vom 21. November 2018 war offenbar auf die einstweilige Anordnung des Gerichtshofs zurückzuführen (siehe Nrn. 16 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge)(55).

79.      Selbst wenn man, wie von Polen vorgetragen, davon ausgeht, dass die beanstandeten Maßnahmen das Ziel gehabt hätten, das Ruhestandsalter der Richter des Obersten Gerichts an das allgemeine Rentenalter anzupassen, bleibt unbestritten, dass diese Maßnahmen rückwirkend auf alle amtierenden Richter angewandt wurden, ohne dass geeignete Vorkehrungen getroffen worden wären, durch die die Unabsetzbarkeit der Richter sichergestellt worden wäre. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zeigt, dass die Mitgliedstaaten zwar befugt sind, das Ruhestandsalter von Richtern angesichts gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderungen anzupassen, dabei jedoch nicht unter Verstoß gegen ihre unionsrechtlichen Verpflichtungen die Unabhängigkeit und die Unabsetzbarkeit der Richter beeinträchtigen dürfen.

80.      Insbesondere im Urteil Kommission/Ungarn(56) ging es um ein Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Verstoßes Ungarns gegen die Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 durch Erlass von Maßnahmen, mit denen das Ruhestandsalter von Richtern, Staatsanwälten und Notaren von 70 auf 62 Jahre gesenkt wurde. Der Gerichtshof hat befunden, dass die betreffenden Maßnahmen zu einer unmittelbar auf das Alter bezogenen Ungleichbehandlung führten, und anschließend geprüft, ob die Maßnahmen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt werden konnten und nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie verhältnismäßig waren. Auf dieser Grundlage hat der Gerichtshof unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung einschließlich des Urteils Fuchs und Köhler(57) festgestellt, dass die von Ungarn vorgetragenen Ziele, die die Vereinheitlichung des Ruhestandsalters für die obligatorische Pensionierung im öffentlichen Sektor beinhalteten, legitim waren, die Maßnahmen jedoch als unverhältnismäßig anzusehen seien.

81.      Demgegenüber betraf das Urteil Kommission/Ungarn(58) einen Verstoß gegen die Richtlinie 95/46/EG(59) auf der Grundlage, dass Ungarn die Amtszeit seines Datenschutzbeauftragten vorzeitig beendigt und damit unter Verstoß gegen Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie dessen Unabhängigkeit beeinträchtigt habe. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil bekräftigt, dass, wenn ein Mitgliedstaat das Mandat einer Kontrollstelle vor seinem ursprünglich vorgesehenen Ablauf beenden könnte, die Drohung einer solchen vorzeitigen Beendigung zu einer Form des „vorauseilenden Gehorsams“ gegenüber den politisch Verantwortlichen führen könnte, die mit dem Unabhängigkeitsgebot nicht vereinbar wäre. Er wies die Auffassung Ungarns zurück, dass Änderungen des institutionellen Systems des Datenschutzes einen objektiven Grund darstellten, der die vorzeitige Beendigung rechtfertige, indem er darauf hinwies, dass Änderungen in einer Weise zu gestalten seien, dass sie die Anforderungen des Unionsrechts an die Unabhängigkeit erfüllen und dass es den Mitgliedstaaten zwar zustehe das institutionelle Modell festzulegen oder zu ändern, dass sie jedoch dafür Sorge tragen müssen, dass die Unabhängigkeit der Behörde nicht beeinträchtigt wird.

82.      Wie die vorgenannten Rechtssachen Kommission/Ungarn(60) zum Ruhestandsalter der Richter und Fuchs und Köhler zeigen, hat der Gerichtshof bestimmte Zielsetzungen als legitim angesehen in Fällen, in denen es um die Anpassung des Ruhestandsalters in dem durch die Richtlinie 2000/78 festgelegten besonderen Rahmen in Bezug auf das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ging. Im Urteil Kommission/Ungarn(61), bei dem es um die vorzeitige Ablösung eines Datenschutzbeauftragten ging, ließ er eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit nationaler Kontrollstellen nach Unionsrecht aufgrund derartiger Ziele nicht zu. Dieses Argument gilt zwingend auch für die Unabhängigkeit der Richter. Es kann auch aus der Feststellung des Gerichtshofs abgeleitet werden, dass die Unabhängigkeit des Gerichts „wesentlich“ ist für einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV(62).

83.      Nach alledem ist die erste Rüge der Kommission als begründet anzusehen.

2.      Zur zweiten Rüge

84.      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass Art. 37 §§ 1 bis 4 und Art. 111 §§ 1 und 1a des Gesetzes über das Oberste Gericht sowie das Änderungsgesetz vom 10. Mai 2018 gegen den Grundsatz der gerichtlichen Unabhängigkeit verstießen, weil die im freien Ermessen des Präsidenten der Republik stehende Entscheidung, die aktive Amtszeit der Richter des Obersten Gerichts nach Erreichen des herabgesetzten Ruhestandsalters zu verlängern, diesem erlaube, Einfluss auf das Oberste Gericht und seine Richter auszuüben. Die Kommission stützt ihre Rüge in erster Linie darauf, dass die Entscheidung des Präsidenten der Republik keinerlei verbindlichen Kriterien oder gerichtlicher Überprüfung unterworfen sei, dass seine Verpflichtung, die Stellungnahme des Landesjustizrats einzuholen, seinen übermäßig großen Ermessensspielraum nicht beseitige, da diese Stellungnahme auf allgemeine Kriterien gestützt und für ihn nicht verbindlich sei.

85.      Polen macht geltend, dass die Unabhängigkeit der Justiz nicht beeinträchtigt sei, wenn man insbesondere die Rolle des Präsidenten der Republik als Hüter der polnischen Verfassung und das System der Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit im polnischen Recht berücksichtige.

86.      Gemäß den Anforderungen an die Unabhängigkeit der Gerichte, die die Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV erfüllen müssen, setzt der Begriff der Unabhängigkeit insbesondere voraus, dass die betreffende Einrichtung ihre richterlichen Aufgaben in völliger Eigenständigkeit wahrnimmt, ohne mit irgendeiner Stelle hierarchisch verbunden oder ihr untergeordnet zu sein und ohne von irgendeiner Stelle Anordnungen oder Anweisungen zu erhalten, und dass sie auf diese Weise vor Interventionen oder Druck von außen geschützt ist, die die Unabhängigkeit des Urteils ihrer Mitglieder gefährden und deren Entscheidungen beeinflussen könnten(63).

87.      Diese Anforderungen bilden den äußeren Aspekt der Unabhängigkeit der Gerichte, die, wie der Gerichtshof hervorgehoben hat, voraussetzt, dass es Regeln insbesondere für die Zusammensetzung der Einrichtung, die Ernennung, die Amtsdauer und die Gründe für eine Enthaltung, Ablehnung und Abberufung ihrer Mitglieder gibt, die es ermöglichen, „bei den Rechtsunterworfenen jeden berechtigten Zweifel an der Unempfänglichkeit der genannten Stelle für Einflussnahmen von außen und an ihrer Neutralität in Bezug auf die einander gegenüberstehenden Interessen auszuräumen“(64).

88.      Ich verweise auch auf die oben dargelegten Grundsätze des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, wonach das objektive Element des Begriffs der Unabhängigkeit der Gerichte ausreichende Garantien erfordert, um berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Einrichtung auszuschließen und die Unabhängigkeit zu gewährleisten (siehe Nr. 71 der vorliegenden Schlussanträge).

89.      Die Kommission hat vorliegend hinreichend nachgewiesen, dass die beanstandeten Maßnahmen gegen die Anforderungen an die richterliche Unabhängigkeit verstoßen, da sie geeignet sind, das Oberste Gericht und seine Richter äußeren Eingriffen sowie bei der ersten und bei der wiederholten Verlängerung ihres Amtes dem Druck des Präsidenten der Republik auszusetzen, was die sachliche Unabhängigkeit des Gerichts beeinträchtigt und die Urteile und Entscheidungen der Richter beeinflusst. Dem ist insbesondere deshalb so, weil das Erfordernis, das Hinausschieben des Ruhestandsalters beim Präsidenten beantragen zu müssen, vor dem Hintergrund der Herabsetzung des Ruhestandsalters erfolgt(65).

90.      Polen hat eingeräumt, dass die Nichterteilung der Zustimmung des Präsidenten der Republik zur Verlängerung der Amtszeit eines Richters des Obersten Gerichts über das Ruhestandsalter hinaus keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

91.      Ungeachtet des Vorbringens Polens in Bezug auf die Vorrechte des Präsidenten gemäß der polnischen Verfassung, des im polnischen Recht verankerten Systems der Gewährleistung der richterlichen Unabhängigkeit und der Kriterien, die der Landesjustizrat bei seiner Stellungnahme gemäß Art. 37 § 1b des Gesetzes über das Oberste Gericht zu berücksichtigen hat, reichen diese Argumente nicht aus, um den durch die beanstandeten Maßnahmen und insbesondere – wie die Kommission ausgeführt hat – durch das Fehlen zusammen mit diesen Maßnahmen vorgesehener bindender Kriterien hervorgerufenen Eindruck fehlender sachlicher Unabhängigkeit des Obersten Gerichts zu beseitigen.

92.      In Bezug auf die Rolle des Landesjustizrats ist unbestritten, dass dessen Stellungnahmen keine Bindungswirkung haben. Unabhängig von der Zusammensetzung des Landesjustizrats wirkt seine Rolle keineswegs dem Eindruck einer übermäßigen Machtbefugnis des Präsidenten der Republik entgegen.

93.      Zudem ist das Vorbringen Polens zu Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten und des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht überzeugend. Wie die Kommission dargelegt hat, sind die Regelungen anderer Mitgliedstaaten nicht mit der Situation in Polen vergleichbar, da sie von anderen rechtlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen abhängen und ohnehin hinsichtlich der Frage einer Vertragsverletzung Polens ohne Belang sind. Die Bezugnahme auf den Gerichtshof der Europäischen Union ist gleichfalls unerheblich, da dort eine Änderung der Vorschriften über das Ruhestandsalter kein Thema ist und der Gerichtshof auf supranationaler Ebene angesiedelt ist sowie auf einem anderen System beruht als der klassischen dreigliedrigen Gewaltenteilung in den Mitgliedstaaten(66).

94.      Im Licht der vorstehenden Erwägungen ist die zweite Rüge der Kommission als begründet anzusehen.

95.      Der Gerichtshof sollte nach alledem daher feststellen, dass die Republik Polen, indem sie das Ruhestandsalter der vor dem 3. April 2018 zu Richtern an das Oberste Gericht berufenen Richter dieses Gerichts herabgesetzt und dem Präsidenten der Republik die Befugnis verliehen hat, die aktive Amtszeit der Richter am Obersten Gericht nach freiem Ermessen zu verlängern, die Grundsätze der Unabsetzbarkeit und die Unabhängigkeit der Richter verletzt und dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen hat.

VII. Kosten

96.      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

97.      Nach der von mir vorgeschlagenen Lösung sind die Rügen der Kommission zwar insoweit als unzulässig zurückzuweisen, als sie auf Art. 47 der Charta gestützt sind, doch ist die Kommission mit beiden Rügen erfolgreich, soweit sie auf Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV beruhen. Da die Republik Polen mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission ihre eigenen sowie die der Kommission entstandenen Kosten aufzuerlegen.

98.      Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, ist zu entscheiden, dass Ungarn seine eigenen Kosten trägt.

VIII. Ergebnis

99.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.      festzustellen, dass die Republik Polen, indem sie das Ruhestandsalter der Richter des Obersten Gerichts herabgesetzt hat und es auf Richter anwendet, die vor dem 3. April 2018 an dieses Gericht berufen worden waren, und dem Präsidenten der Republik die Befugnis verliehen hat, die Amtszeit von Richtern des Obersten Gerichts nach freiem Ermessen zu verlängern, gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV verstoßen hat;

2.      im Übrigen die Klage als unzulässig abzuweisen;

3.      der Republik Polen ihre eigenen sowie die der Kommission entstandenen Kosten aufzuerlegen;

4.      Ungarn seine eigenen Kosten aufzuerlegen.


1      Originalsprache: Englisch.


2      Außer der vorliegenden Rechtssache sind mehrere andere Rechtssachen, in denen es um die Reform des polnischen Gerichtswesens geht, beim Gerichtshof anhängig, u. a. ein Vertragsverletzungsverfahren (C‑192/18) und Vorabentscheidungsersuchen des polnischen Obersten Gerichts (C‑522/18, C‑537/18, C‑585/18, C‑624/18, C‑625/18 und C‑668/18), des polnischen Obersten Verwaltungsgerichts (C‑824/18) und nachgeordneter Gerichte (C‑558/18, C‑563/18 und C‑623/18). Es ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 6. November 2012, Kommission/Ungarn (C‑286/12, EU:C:2012:687), zwar zur Frage der Vereinbarkeit von Maßnahmen zur Absenkung des Ruhestandsalters von Richtern, Staatsanwälten und Notaren mit dem Unionsrecht geurteilt hat, jedoch auf der Grundlage eines Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gemäß der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16). Siehe Nr. 80 der vorliegenden Schlussanträge.


3      Kommission, Begründeter Vorschlag nach Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union zur Rechtsstaatlichkeit in Polen vom 20. Dezember 2017, COM(2017) 835 final.


4      Beschluss der Vizepräsidentin des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2018, Kommission/Polen (C‑619/18 R, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:852).


5      Beschluss des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2018, Kommission/Polen (C‑619/18 R, EU:C:2018:1021).


6      Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 15. November 2018, Kommission/Polen (C‑619/18, EU:C:2018:910).


7      Urteile vom 27. Februar 2018, Associação Sindical dos Juízes Portugueses (im Folgenden: ASJP) (C‑64/16, EU:C:2018:117), und vom 25. Juli 2018, Ministerfor Justice and Equality (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586).


8      Die Kommission verweist insbesondere auf die Empfehlung CM/Rec(2010)12 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten mit dem Titel „Judges: independence, efficiency and responsibilities“ vom 17. November 2010 (im Folgenden: Empfehlung von 2010), Rn. 27.


9      Urteil vom 27. Februar 2018 (C‑64/16, EU:C:2018:117).


10      ABl. 2016, C 202/312 (im Folgenden: Protokoll Nr. 30).


11      Polen verweist insbesondere auf Art. 180 Abs. 1 und 4 der polnischen Verfassung.


12      Urteile vom 21. Juli 2011, Fuchs und Köhler (C‑159/10 und C‑160/10, EU:C:2011:508), sowie vom 6. November 2012, Kommission/Ungarn (C‑286/12, EU:C:2012:687).


13      Polen verweist insbesondere auf Art. 126, Art. 144 Abs. 3 Nr. 17 und Art. 179 der polnischen Verfassung.


14      Vgl. Urteil vom 22. Februar 2018, Kommission/Polen (C‑336/16, EU:C:2018:94, Rn. 47).


15      Vgl. Urteil vom 4. Mai 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑508/03, EU:C:2006:287, Rn.73).


16      Vgl. Urteil vom 14. April 2005, Kommission/Luxemburg (C‑519/03, EU:C:2005:234, Rn. 19).


17      Vgl. Urteil vom 10. April 2008, Kommission/Italien (C‑442/06, EU:C:2008:216, Rn. 42).


18      Vgl. Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland (C‑503/04, EU:C:2017:432, Rn. 15 und 16).


19      Vgl. Art. 1 Abs. 3 EUV; Art. 1 Abs. 2 AEUV.


20      Vgl. Craig, P., und De Búrca, G., EU Law: Text, Cases and Materials, 6. Aufl. (Oxford University Press, im Folgenden: OUP, 2015), S. 431.


21      Vgl. insbesondere Art. 6 Abs. 1 Unterabs.1 EUV.


22      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache Kommission/Ungarn (C‑235/17, EU:C:2018:971, Nrn. 64 bis 127, insbesondere Nrn. 66 und 67); Łazowski, A., „Decoding a Legal Enigma: the Charter of Fundamental Rights of the European Union and infringement proceedings“, ERA Forum, Bd. 14 (2013), S. 573 und 577. Vgl. auch Nrn. 52 bis 60 und 65 bis 67 der vorliegenden Schlussanträge.


23      „Safeguarding EU values in the Member States – Is something finally happening?“ (Herausgeber-Kommentar), Common Market Law Review Bd. 52 (2015), S. 619, 626 und 627.


24      Begründeter Vorschlag, Ziff. 3, insbesondere Nrn. 4.1.1 und 4.1.2 sowie Erwägungsgründe 172 und 175.


25      Vgl. Closa, C., und Kochenov, D. (Hrsg.), Reinforcing Rule of Law Oversight in the European Union, OUP 2016; Jakab, A., und Kochenov, D. (Hrsg.), The Enforcement of EU Law and Values: Ensuring Member States’ Compliance, OUP 2017; „Liability of Member States for the Violation of Fundamental Values of the European Union“, Europarecht Beiheft 1, 2018.


26      Vgl. Lenaerts, K., Maselis, I., und Gutman, K., EU Procedural Law, Nowak, J. T. (Hrsg.), OUP 2015, S. 159 bis 161; Prete, L., Infringement Proceedings in EU Law, Kluwer 2017, S. 29 bis 34.


27      Vgl. Hillion, C., „Overseeing the Rule of Law in the EU: Legal Mandate and Means“, in Closa und Kochenov, Anmerkung 25, S. 59, 71 bis 74; Hoffmeister, F., „Enforcing the EU Charter of Fundamental Rights in Member States: How Far are Rome, Budapest and Bucharest from Brussels?“, in von Bogdandy, A., und Sonnevend, P. (Hrsg.), Constitutional Crisis in the European Constitutional Area, Hart 2016, S. 195, 205 und 206.


28      Vgl. Schmidt, M., und Bogdanowicz, P., „The Infringement Procedure in the Rule of Law Crisis: How to Make Effective Use of Article 258 TFEU“, Common Market Law Review Bd. 55, 2018, S.1061, 1069 bis 1073, insbesondere S. 1071.


29      Vgl. Urteile vom 14. Juni 2017, Online Games u. a. (C‑685/15, EU:C:2017:452, Rn. 54 und 55), und vom 13. März 2018, European Union Copper Task Force/Kommission (C‑384/16 P, EU:C:2018:176, Rn. 116 und 117) und Industrias Químicas del Vallés/Kommission (C‑244/16 P, EU:C:2018:177, Rn. 106 und 107).


30      Urteil vom 27. Februar 2018 (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn.1, 18, 27 und Tenor).


31      Urteil vom 27. Februar 2018, ASJP (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 29).


32      Vgl. Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17), Erläuterung zu Art. 47, S. 29 und 30.


33      Urteil vom 27. Februar 2018, ASJP (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 35, 41 und 42).


34      So wird in der Literatur die Ansicht vertreten, dass ein Verstoß der Mitgliedstaaten gegen die in Art. 2 EUV festgelegten Werte von der Kommission nach Art. 258 AEUV verfolgt werden könne. Vgl. Scheppele, K. L., „Enforcing the Basic Principles of EU Law through Systemic Infringement Actions“, in Closa und Kochenov, Anmerkung 25, S. 105; Waelbroeck, M., und Oliver, P., „La crise de l’état de droit dans l’Union européenne: que faire?“, Cahiers de droit européen 2017, S. 299.


35      Vgl. Bonelli, M., und Claes, M., „Judicial serendipity: how Portuguese judges came to the rescue of the Polish judiciary“, European Constitutional Law Review Bd. 14, 2018, S. 622; Krajewski, M., „Associação Sindical Dos Juízes Portugueses: The Court of Justice and Athena’s Dilemma“, European Papers Bd. 3, 2018, 395; Pech, L., und Platon, S., „Judicial independence under threat: The Court of Justice to the rescue in the ASJP case“, Common Market Law Review Bd. 55, 2018, S. 1827.


36      Urteil vom 6. März 2018 (C‑284/16, EU:C:2018:158, insbesondere Rn. 36, 55 und 56).


37      Urteil vom 25. Juli 2018 (C‑216/18 PPU, EU:C:2018:586, insbesondere Rn. 48 bis 55).


38      Vgl. Barents, R., Remedies and Procedures before the EU Courts, in Breese, H. E. (Hrsg.), Kluwer 2016, S. 112 und 113. Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache ASJP (C‑64/16, EU:C:2018:395, Nr. 41).


39      Urteil vom 27. Februar 2018 (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 32 und 37 bis 41).


40      Vgl. z. B. Urteil vom 20. Dezember 2017, Polkomtel (C‑277/16, EU:C:2017:989).


41      Fraglich ist, ob tatsächlich die Prüfung jeder nationalen Maßnahme in Bezug auf die Organisation der Justiz, wie geringfügig sie auch sei, vom sachlichen Anwendungsbereich von Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV erfasst wird oder nur solche, die vorrangig die objektive Unabhängigkeit betreffen, sowie nationale Maßnahmen, die sich allgemein auf das von den Mitgliedstaaten geschaffene Gesamtsystem zur Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und dessen wesentliche Voraussetzungen auswirken.


42      Urteil vom 21. Dezember 2011, N.S. u. a. (C‑411/10 und C‑493/10, EU:C:2011:865, Rn. 119 und 120). Vgl. auch Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak in der Rechtssache N.S. u. a. (C‑411/10 und C‑493/10, EU:C:2011:611, Nrn. 167 bis 171) und der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Bonda (C‑489/10, EU:C:2011:845 Nrn. 21 bis 23).


43      Vgl. Łazowski, Anmerkung 22, S. 580 bis 581; Prete, P., Anmerkung 26, S. 74 und 75.


44      Vgl. Urteile vom 16. Mai 2017, Berlioz Investment Fund (C‑682/15, EU:C:2017:373, Rn. 49), und vom 14. Juni 2017, Online Games u. a. (C‑685/15, EU:C:2017:452, Rn. 55).


45      Vgl. Urteil vom 13. November 2008, Kommission/Polen (C‑227/07, EU:C:2008:620, Rn. 67).


46      Vgl. Urteil vom 29. November 2001, Kommission/Italien (C‑202/99, EU:C:2001:646, Rn. 21).


47      Urteile vom 27. Februar 2018, ASJP (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 45), und vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 66).


48      Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache De Coster (C‑17/00, EU:C:2001:366, Nr. 93).


49      EGMR, Urteil von 25. September 2018, Denisov/Ukraine (ECHR:2018:0925JUD007663911, §§ 61 und 63).


50      In ähnlicher Weise ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bedeutung von „Unabhängigkeit“ für die Auslegung von Art. 19 Abs. 1 EUV relevant. Vgl. z. B. Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 49 bis 53).


51      Zwar handelt es sich bei diesen Leitlinien um sogenanntes „Soft Law“ oder um unverbindliche Normen, doch enthalten sie einen „normativen Konsens“ von Regeln und Grundsätzen, die von den Mitgliedstaaten (und anderen Staaten) geteilt werden und dem Gerichtshof als nützlicher Hinweis dienen. Vgl. Hoffmann-Riem, W., „The Venice Commission of the Council of Europe – Standards and Impact“, European Journal of International Law Bd. 25 (2014), S. 579 bis 597.


52      Vgl. z. B. Council of Europe, European Charter on the statute of judges, 8. bis 10. Juli 1998, DAJ/DOC (98) 23, Abschnitt 3.4; 2010 Empfehlung, Anmerkung 8, Rn. 49 bis 52; Council of Europe, Consultative Council of European Judges (CCJE) Magna Carta of Judges (Fundamental Principles), 17. November 2010, CCJE (2010) 3 Final Rn. 4; International Bar Association, Minimum Standards of Judicial Independence, 1982, Rn. 20; United Nations, Basic Principles on the Independence of the Judiciary, 1985, Rn. 12 und 18; International Association of Judges, Universal Charter of the Judge, Neufassung 2017, Art. 2‑2.


53      Wie von der Kommission dargelegt, war die Europäische Kommission für Demokratie und Recht (Venedig-Kommission) in ihrer Stellungnahme 904/2017 vom 11. Dezember 2017 zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Landesjustizrat, zum vom Präsidenten der Republik Polen vorgeschlagenen Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Oberste Gericht und zum Gesetz über die Organisation der ordentlichen Gerichte der Auffassung, dass die vorzeitige Versetzung der derzeit amtierenden Richter in den Ruhestand sowohl die Sicherheit ihrer Amtsdauer als auch die Unabhängigkeit des polnischen Obersten Gerichts im Allgemeinen untergräbt, CDL‑AD(2017)031, Rn. 48. Vgl. auch UN-Menschenrechtsausschuss, Bericht des Sonderberichterstatters zur Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten anlässlich seiner Mission in Polen vom 5. April 2018, A/HRC/38/38/Add. 1, Rn. 55; Office for Democratic Institutions and Human Rights, Stellungnahme zu einigen Bestimmungen des Gesetzes über das Oberste Gericht Polens (vom 26. September 2017) 13. November 2017, JUD‑POL/315/2017, Rn. 112.


54      Urteile vom 27. Februar 2018, ASJP (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 46 bis 51), und vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 67).


55      Vgl. Europäisches Parlament, Studie The EU framework for enforcing the respect of the rule of law and the Union’s fundamental principles and values, Generaldirektion Interne Politikbereiche der Union, Direktion Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten, 2019, EP 608.856, S. 25.


56      Urteil vom 6. November 2012 (C‑286/12, EU:C:2012:687, Rn. 54 bis 81).


57      Urteil vom 21. Juli 2011 (C‑159/10 und C‑160/10, EU:C:2011:508, insbesondere Rn. 50).


58      Urteil vom 8. April 2014 (C‑288/12, EU:C:2014:237, Rn. 54, 59 und 60).


59      Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31), inzwischen aufgehoben durch die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1).


60      Urteil vom 6. November 2012 (C‑286/12, EU:C:2012:687, Rn. 54 bis 81).


61      Urteil vom 8. April 2014 (C‑288/12, EU:C:2014:237).


62      Urteil vom 27. Februar 2018, ASJP (C‑64/16, Rn. 40 und 41).


63      Urteile vom 27. Februar 2018, ASJP (C‑64/16, EU:C:2018:117, Rn. 44), und vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel (C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 66).


64      Vgl. Urteil vom 19. September 2006, Wilson (C‑506/04, EU:C:2006:587, Rn. 53).


65      Die beanstandeten Maßnahmen werden auch als ein Verstoß gegen europäische und internationale Standards für die richterliche Unabhängigkeit angesehen. Vgl. CCJE, Report on judicial independence and impartiality in the Council of Europe Member States in 2017, 7. Februar 2018, CCJE‑BU(2017)11, Nr. 158; Bericht des UN-Sonderberichterstatters, Anmerkung 54, Rn. 56.


66      Vgl. Kosař, D., „Beyond Judicial Councils: Forms, Rationales and Impact of Judicial Self-Governance in Europe“, German Law Journal, Bd. 19, 2018, S. 1567 und 1596.