Language of document : ECLI:EU:C:2019:363

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 2. Mai 2019(1)

Rechtssache C683/17

Cofemel – Sociedade de Vestuário SA

gegen

GStar Raw CV

(Vorabentscheidungsersuchen des Supremo Tribunal de Justiça [Oberster Gerichtshof, Portugal])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Geschmacksmusterrechtsschutz – Vervielfältigungsrecht – Bekleidung“






 Einleitung

1.        Der Rechtsschutz von Werken der angewandten Kunst ist fast so alt wie der des geistigen Eigentums im Allgemeinen(2). Allerdings hat er nach wie vor Schwierigkeiten, seinen Platz im System des geistigen Eigentumsrechts zu finden. Dieses umfasst drei Hauptbereiche: den Schutz von Erfindungen durch das Patentrecht, den Schutz geistiger Schöpfungen durch das Urheberrecht und den Schutz der Wertschätzung durch das Markenrecht. Aufgrund ihres dekorativen und Gebrauchscharakters sowie ihrer sowohl künstlerischen als auch gewerblichen Bestimmung eignen sich Gegenstände der angewandten Kunst für diese drei Schutzformen, erfüllen aber nicht vollständig die Ziele oder Mechanismen eines von ihnen(3). Zwar wurden insbesondere in Europa Sui-generis-Schutzsysteme entwickelt, doch hat dieser Schutz nie Ausschließlichkeitsstatus erlangt: Er kann jederzeit mit anderen Arten von Schutz kombiniert werden(4).

2.        Die vorliegende Rechtssache betrifft insbesondere die Kumulierung des Schutzes von Geschmacksmustern (im Folgenden auch: Muster und Modelle) im Sui-generis-System mit ihrem Schutz als urheberrechtlich geschützte Werke. Das Verhältnis zwischen diesen beiden Schutzsystemen löste schon immer Zweifel – sowohl beim Gesetzgeber als auch in der Rechtsprechung – und Kontroversen aus.

3.        Einerseits stellen der Gebrauchs‑ und Funktionscharakter der Gegenstände der angewandten Kunst und ihre Bestimmung, industriell in großen Stückzahlen hergestellt zu werden, in Frage, ob sie urheberrechtlich geschützt werden können und ob dieser Schutz mit seinen axiologischen Grundlagen (der persönlichen Verbindung zwischen dem Urheber und seinem Werk) und seinen Zielen (der Vergütung der intellektuellen schöpferischen Leistung) in Einklang steht. Der urheberrechtliche Schutz von Geschmacksmustern birgt namentlich zwei Arten von Gefahren: die Inflation des urheberrechtlichen Schutzes und die Einschränkung des freien wirtschaftlichen Wettbewerbs(5). Aus diesem Grund haben viele Rechtsordnungen Mechanismen entwickelt, um den Urheberrechtsschutz Geschmacksmustern von hohem künstlerischem Wert vorzubehalten. Beispiele dafür sind die Doktrin der „scindibilità“ (Trennbarkeit) im italienischen Recht, die „Stufentheorie“ im deutschen Recht oder die Begrenzung der Schutzdauer für industriemäßig hergestellte Gegenstände nach britischem Recht(6).

4.        Andererseits besitzen einige Gegenstände der angewandten Kunst unbestreitbar einen hohen Grad der Eigenart. Man denke nur an die in diesem Bereich entwickelten Stile wie Art Déco oder Bauhaus. Dasselbe gilt für die Branche, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, nämlich die Bekleidungsbranche: Haute-Couture-Artikel sind ebenso sehr, wenn nicht sogar mehr noch Kunstwerke als Bekleidung. Es ist daher nicht gerechtfertigt, a priori Gegenstände der angewandten Kunst allein wegen ihres (auch) funktionalen Charakters vom Urheberrechtsschutz auszunehmen. Darüber hinaus können auch andere Werkkategorien, deren urheberrechtlicher Schutz völlig außer Frage steht, Gebrauchsfunktionen haben, gleichwohl aber originäre geistige Schöpfungen bleiben. Dies ist bei einigen literarischen, fotografischen oder auch musikalischen Werken der Fall.

5.        So erscheint die vom Gesetzgeber der Union im Geiste der in der französischen Rechtslehre(7) entwickelten Theorie der Einheit der Kunst, der Kumulierung des Schutzes von Werken der angewandten Kunst durch ein Sui-generis-System und durch das Urheberrecht gewählte Option nicht irrelevant(8). Jedoch müssen die Autonomie und die Erreichung der jeweiligen Ziele der einzelnen Schutzsysteme gewährleistet werden.

6.        Dies ist der Kontext, in dem der Gerichtshof die Rechtsfragen wird entscheiden müssen, die das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) im Rahmen dieses Vorabentscheidungsersuchens vorgelegt hat.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

7.        Art. 2 Abs. 1 und 7 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Akte vom 24. Juli 1971) in der Fassung vom 28. September 1979 (im Folgenden: Berner Übereinkunft)(9) bestimmt:

„(1)      Die Bezeichnung ‚Werke der Literatur und Kunst‘ umfasst alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks, wie … Werke der angewandten Kunst …

(7)      Unbeschadet des Artikels 7 Absatz 4 [dieser Übereinkunft(10)] bleibt der Gesetzgebung der Verbandsländer vorbehalten, den Anwendungsbereich der Gesetze, die die Werke der angewandten Kunst und die gewerblichen Muster und Modelle betreffen, sowie die Voraussetzungen des Schutzes dieser Werke, Muster und Modelle festzulegen. Für Werke, die im Ursprungsland nur als Muster und Modelle geschützt werden, kann in einem anderen Verbandsland nur der besondere Schutz beansprucht werden, der in diesem Land den Mustern und Modellen gewährt wird; wird jedoch in diesem Land kein solcher besonderer Schutz gewährt, so sind diese Werke als Werke der Kunst zu schützen.

…“

8.        In Art. 25 des TRIPS-Übereinkommens heißt es:

„(1)      Die Mitglieder sehen den Schutz unabhängig geschaffener gewerblicher Muster und Modelle vor, die neu sind oder Eigenart haben …

(2)      Jedes Mitglied stellt sicher, dass die Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes von Textilmustern, insbesondere hinsichtlich Kosten, Prüfung oder Bekanntmachung, die Möglichkeit, diesen Schutz zu begehren und zu erlangen, nicht unangemessen beeinträchtigen. Es steht den Mitgliedern frei, dieser Verpflichtung durch musterrechtliche oder urheberrechtliche Bestimmungen nachzukommen.“

 Unionsrecht

9.        Art. 17 der Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen(11) lautet:

„Das nach Maßgabe dieser Richtlinie durch ein in einem oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat eingetragenes Recht an einem Muster geschützte Muster ist auch nach dem Urheberrecht dieses Staates von dem Zeitpunkt an schutzfähig, an dem das Muster geschaffen oder in irgendeiner Form festgelegt wurde. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein solcher Schutz gewährt wird, wird einschließlich des erforderlichen Grades der Eigenart vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegt.“

10.      Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft(12) bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten:

a)      für die Urheber in Bezug auf ihre Werke,

…“

11.      Art. 9 dieser Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie lässt andere Rechtsvorschriften insbesondere in folgenden Bereichen unberührt: Patentrechte, Marken, Musterrechte, Gebrauchsmuster, Topographien von Halbleitererzeugnissen, typographische Schriftzeichen, Zugangskontrolle, Zugang zum Kabel von Sendediensten, Schutz nationalen Kulturguts, Anforderungen im Bereich gesetzlicher Hinterlegungspflichten, Rechtsvorschriften über Wettbewerbsbeschränkungen und unlauteren Wettbewerb, Betriebsgeheimnisse, Sicherheit, Vertraulichkeit, Datenschutz und Schutz der Privatsphäre, Zugang zu öffentlichen Dokumenten sowie Vertragsrecht.“

12.      Art. 96 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster(13) bestimmt:

„Ein als Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschütztes Muster ist ab dem Tag, an dem das Muster entstand oder in irgendeiner Form festgelegt wurde, auch nach dem Urheberrecht der Mitgliedstaaten schutzfähig. In welchem Umfang und unter welchen Bedingungen ein solcher Schutz gewährt wird, wird einschließlich des erforderlichen Grades der Eigenart vom jeweiligen Mitgliedstaat festgelegt.“

 Portugiesisches Recht

13.      Die Richtlinie 2001/29 wurde in portugiesisches Recht umgesetzt durch den Código do Direito de Autor e dos Direitos Conexos (Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte), dessen Art. 2 Abs. 1 die Kategorien von urheberrechtlich geschützten Gegenständen wie folgt aufführt:

„(1)      Geistige Schöpfungen aus den Bereichen der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf das Geschlecht, die Form des Ausdrucks, die Qualität, die Kommunikationsart und das Ziel, umfassen namentlich:

i)      Werke der angewandten Kunst, gewerbliche Geschmacksmuster, und Designwerke, die eine künstlerische Schöpfung darstellen, unabhängig vom Schutz des gewerblichen Eigentums an diesen Werken;

…“

 Ausgangsrechtsstreit, Verfahren und Vorlagefragen

14.      Die G‑Star Raw CV (im Folgenden G‑Star), eine Gesellschaft niederländischen Rechts, entwirft, produziert und vermarktet Kleidung. G‑Star verwendet als Inhaberin oder aufgrund von ausschließlichen Lizenzen die Marken G‑Star, G‑Star Raw, G‑Star Denim Raw, GS‑Raw, G‑Raw und Raw. Zu den unter diesen Marken vertriebenen Kleidungsstücken gehören Jeansmodelle unter der Bezeichnung Arc sowie Sweatshirts und T‑Shirts unter der Bezeichnung Rowdy.

15.      Die Cofemel – Sociedade de Vestuário, SA (im Folgenden: Cofemel), eine Gesellschaft portugiesischen Rechts, entwirft, produziert und vertreibt Modelle von Jeans, Sweatshirts und T‑Shirts unter der Marke Tiffosi.

16.      Am 30. August 2013 erhob G‑Star vor einem erstinstanzlichen portugiesischen Gericht Klage gegen Cofemel und beantragte im Wesentlichen, dieser aufzugeben, alle Verletzungen ihres Urheberrechts und alle gegen sie gerichteten unlauteren Wettbewerbshandlungen einzustellen, ihr den dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen und ihr im Falle einer erneuten Verletzung bis zu deren Einstellung ein tägliches Zwangsgeld zu zahlen. Im Rahmen dieser Klage machte G‑Star namentlich geltend, bestimmte von Cofemel vermarktete Modelle von Jeans, Sweatshirts und T‑Shirts hätten das gleiche oder ähnliche Design wie ihre Modelle Arc und Rowdy. G‑Star trug ferner vor, bei Letzteren handele es sich um originäre geistige Schöpfungen und damit um urheberrechtlich geschützte Designwerke.

17.      Das Urteil des angerufenen Gerichts gab der von G‑Star erhobenen Klage teilweise statt. Cofemel legte gegen dieses Urteil beim Tribunal da Relação de Lisboa (Berufungsgericht Lissabon, Portugal) Berufung ein, das dieser stattgab.

18.      Das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof), bei dem Cofemel Rechtsmittel einlegte, stellte erstens fest, dass die von Cofemel kopierten Modelle von G‑Star-Kleidung entweder von Designern entworfen worden seien, die von G‑Star beschäftigt gewesen seien, oder von Designern, die in deren Namen gehandelt hätten und ihr vertraglich ihre Urheberrechte übertragen hätten. Zweitens seien diese Bekleidungsmodelle das Ergebnis von Konzepten und Herstellungsverfahren, die in der Modewelt als innovativ anerkannt seien. Drittens zeichneten sich die genannten Modelle durch eine Reihe spezifischer Elemente (dreidimensionale Form, Lage bestimmter Komponenten, Montage- und Farbgestaltung usw.) aus, die teilweise von den Bekleidungsmodellen von Cofemel übernommen worden seien. Angesichts dessen fragt sich das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof), welche Bedeutung Art. 2 Abs. 1 Buchst. i des Gesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte zukommt. In diesem Zusammenhang verweist es darauf, dass diese Vorschrift zwar Werke der angewandten Kunst, gewerbliche Geschmacksmuster und Designwerke, die eine künstlerische Schöpfung darstellten, eindeutig in die Liste der urheberrechtlich geschützten Werke aufnehme, aber nicht den Grad der Eigenart präzisiere, der erforderlich sei, um diesen Werken diesen Schutz zu gewähren.

19.      Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Steht die Auslegung von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 durch den Gerichtshof einer nationalen Vorschrift – hier Art. 2 Abs. 1 Buchst. i des Gesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – entgegen, die Werke der angewandten Kunst, gewerbliche Geschmacksmuster sowie Designwerke, die über ihren Gebrauchszweck hinaus einen eigenen visuellen Effekt hervorrufen, der vom ästhetischen Gesichtspunkt her Unterscheidungskraft besitzt, urheberrechtlich schützt, wobei grundlegendes Kriterium des urheberrechtlichen Schutzes dieser Werke die Originalität ist?

2.      Steht die Auslegung von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 durch den Gerichtshof einer nationalen Vorschrift – hier Art. 2 Abs. 1 Buchst. i des Gesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – entgegen, die Werke der angewandten Kunst, gewerbliche Geschmacksmuster sowie Designwerke urheberrechtlich schützt, wenn sie nach einer besonders strengen Beurteilung hinsichtlich ihres künstlerischen Charakters unter Berücksichtigung der in den kulturellen und institutionellen Kreisen herrschenden Auffassung die Einordnung als „künstlerische Schöpfung“ oder „Kunstwerk“ verdienen?

20.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 6. Dezember 2017 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen. Die portugiesische und die tschechische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die portugiesische und die tschechische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission waren in der Sitzung vom 12. Dezember 2018 vertreten.

 Würdigung

21.      Mit seinen beiden Vorlagefragen, die meines Erachtens gemeinsam zu prüfen sind, fragt das vorlegende Gericht im Wesentlichen, ob Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 in der Auslegung durch den Gerichtshof dagegen spricht, dass gewerbliche Geschmacksmuster(14) nur dann urheberrechtlich geschützt werden, wenn sie einen erhöhten künstlerischen Charakter haben, der über das hinausgeht, was normalerweise für andere Werkkategorien verlangt wird.

22.      Die Antwort auf diese Frage erfordert eine Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Werk“ im Urheberrecht der Union sowie eine Analyse der insbesondere von der italienischen und der tschechischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgebrachten Argumente, die sich auf einen angeblichen Sonderstatus für Geschmacksmuster in dem durch das Unionsrecht festgelegten System stützen.

 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „Werk“

23.      Der vom vorlegenden Gericht angeführte Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 definiert selbst nicht, was als Werk anzusehen ist. Diese Bestimmung beschränkt sich darauf, den Urhebern das ausschließliche Recht einzuräumen, die Vervielfältigung ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten. Darüber hinaus definiert keine andere Bestimmung dieser Richtlinie den Begriff „Werk“. Es ist wahrscheinlich, dass, wie die tschechische Regierung in ihren Erläuterungen darlegt, die zu großen Unterschiede zwischen den Urheberrechtssystemen der Mitgliedstaaten keine einstimmig akzeptable Definition zuließen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es selbst auf nationaler Ebene äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, eine abstrakte Definition zu entwickeln, um die Vielzahl sehr unterschiedlicher Gegenstände abzudecken, die durch das Urheberrecht geschützt werden können, und gleichzeitig diejenigen auszuschließen, bei denen dies nicht möglich ist. Allenfalls kann eine zwangsläufig nicht erschöpfende Liste der Schaffensbereiche erstellt werden, in denen das Urheberrecht Anwendung finden kann, wie dies in Art. 2 Abs. 1 der Berner Übereinkunft geschehen ist.

24.      Eine solche Lücke konnte jedoch nicht bestehen bleiben, da der Begriff „Werk“ insofern der Eckpfeiler eines jeden Urheberrechtssystems ist, als er dessen sachlichen Geltungsbereich festlegt. Eine einheitliche Auslegung dieses Begriffs ist daher für die durch das Unionsrecht geschaffene Harmonisierung des Urheberrechts unerlässlich. Es wäre nämlich sinnlos, die verschiedenen den Urhebern zustehenden Rechte zu harmonisieren, wenn es den Mitgliedstaaten freistünde, diesen oder jenen Gegenstand in diesen Schutz einzubeziehen oder von ihm auszuschließen, sei es durch die Gesetzgebung oder die Rechtsprechung. Der Gerichtshof war notwendigerweise früher oder später aufgerufen, diese Lücke im Zusammenhang mit Vorabentscheidungsfragen von Gerichten zu schließen, die Zweifel an der Anwendbarkeit der Urheberrechtsrichtlinien in einigen spezifischen Fällen hatten.

25.      Da die Richtlinie 2001/29 selbst den Begriff „Werk“ nicht definiert und für seine Definition nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, handelt es sich um einen eigenständigen Begriff des Unionsrechts(15). So muss es sich bei einem Gegenstand nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „um ein Original in dem Sinne handel[n], dass [er] eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt“(16), damit er als „Werk“ im Sinne des Urheberrechts einzustufen ist. Diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit des insbesondere durch die Richtlinie 2001/29 im Unionsrecht harmonisierten Urheberrechts hat der Gerichtshof aus der Systematik der Richtlinie und der Berner Übereinkunft abgeleitet. Diese Voraussetzung ist allerdings keine Erfindung des Unionsrechts: Es gibt sie in den meisten nationalen Urheberrechten, zumindest in den kontinentaleuropäischen Rechtssystemen(17). Sie gehört also gewissermaßen zu den Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten.

26.      Die Kategorie „eigene geistige Schöpfung des Urhebers“ ist das zentrale Element der Definition des Werks. Diese Definition wurde sodann in der Rechtsprechung des Gerichtshofs weiterentwickelt, der davon ausging, dass es sich um eine eigene geistige Schöpfung des Urhebers handele, wenn darin seine Persönlichkeit zum Ausdruck komme. Dies ist der Fall, wenn der Urheber bei der Herstellung des Werks seine schöpferischen Fähigkeiten zum Ausdruck bringen konnte, indem er frei kreative Entscheidungen traf(18). Hingegen ist das Kriterium der Originalität nicht erfüllt, wenn der Ausdruck der Bestandteile des betreffenden Gegenstands durch ihre technische Funktion vorgegeben ist, da die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung einer Idee dann so beschränkt sind, dass Idee und Ausdruck deckungsgleich sind. Eine solche Situation ermöglicht es dem Urheber nicht, seinen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen und zu einem Ergebnis zu gelangen, das eine eigene geistige Schöpfung darstellt(19). Nur die eigene geistige Schöpfung des Urhebers im oben definierten Sinne kann ein durch das Urheberrecht geschütztes Werk sein. Gesichtspunkte wie die geistige Arbeit und das Know-how des Urhebers können als solche den Schutz des betreffenden Objekts durch das Urheberrecht nicht rechtfertigen, wenn in ihnen keine Originalität zum Ausdruck kommt(20). Schließlich muss das urheberrechtliche Schutzobjekt mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar sein(21) (22).

 Anwendung dieser Rechtsprechung auf Geschmacksmuster

27.      Im Gegensatz zum Vorbringen der tschechischen Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ist die Definition eines Werks als eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers nicht auf Bereiche beschränkt, die spezifischen Regelungen des Unionsrechts unterliegen, in denen dieses Kriterium ausdrücklich vorgesehen ist, d. h. Datenbanken, Fotografien und Computerprogramme(23).

28.      Die erste Anwendung dieses Kriteriums durch den Gerichtshof betraf nämlich ein auf der Grundlage der Richtlinie 2001/29 geschütztes literarisches Werk. Wie bereits erwähnt, hat der Gerichtshof dieses Kriterium aus der allgemeinen Systematik des Urheberrechts sowohl auf internationaler als auch auf Unionsebene abgeleitet. Zwar wandte der Gerichtshof dieses Kriterium anschließend auf Gegenstände an, die spezifischen Regelungen des Unionsrechts unterliegen, wie z. B. Fotografien, doch stützte sich diese Anwendung nicht auf die betreffende Regelung, sondern auf seine frühere Rechtsprechung(24).

29.      Daraus ergibt sich meiner Meinung nach eindeutig, dass das in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelte Kriterium der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers für alle Werkkategorien gelten soll. Dies folgt auch aus dem Erfordernis der einheitlichen Anwendung der Richtlinie 2001/29 im gesamten Gebiet der Union. Jede Diskrepanz zwischen den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich des Urheberrechtsschutzes würde nämlich diese einheitliche Anwendung beeinträchtigen(25). Ich sehe daher keinen Grund, dieses Kriterium nicht – zumindest grundsätzlich – auf gewerbliche Geschmacksmuster in Bezug auf ihren urheberrechtlichen Schutz anzuwenden.

30.      Ich bin auch nicht von dem Argument der tschechischen Regierung in der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass das Kriterium der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers jedem Werk innewohne und nicht ausschließe, dass strengere Anforderungen, die das nationale Recht an bestimmte Kategorien von Gegenständen, wie beispielsweise Werke der angewandten Kunst, stelle, gälten.

31.      Das Kriterium der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers ermöglicht es durchaus, zwischen urheberrechtlich geschützten und nicht unter diesen Schutz fallenden Gegenständen zu unterscheiden(26). Dieses Kriterium, das der Gerichtshof auch als Kriterium der Originalität(27) bezeichnet, ist jedoch auch die maximale Anforderung, die die Mitgliedstaaten für die Gewährung des Urheberrechtsschutzes unabhängig vom Grad der künstlerischen Gestaltung des betreffenden Gegenstands aufstellen können. Der Gerichtshof hat dies in seinem Urteil Painer sehr deutlich gemacht, als er feststellte, dass der Schutz des Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 bei einer Porträtfotografie nicht schwächer sein dürfe als derjenige, der anderen Werken – andere fotografische Werke eingeschlossen – zukomme(28). Tatsächlich enthalten weder die Richtlinie 2001/29 noch irgendeine andere einschlägige Richtlinie einen Anhaltspunkt dafür, dass sich der Umfang dieses Schutzes nach etwaigen Unterschieden bei den künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung verschiedener Kategorien von Werken richtet(29). Kann der Schutzumfang jedoch auf dieser Grundlage nicht eingeschränkt werden, so kann umso weniger angenommen werden, dass ein solcher Schutz auf dieser Grundlage völlig ausgeschlossen ist.

32.      Ebenso sehe ich in der Richtlinie 2001/29 kein Element, das es ermöglicht, das Schutzniveau von Werken der angewandten Kunst nach ihrem künstlerischen Wert zu unterscheiden. Die italienische und die tschechische Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen abgegeben haben, sind indessen der Ansicht, dass ein solches Element in anderen Bestimmungen des Unionsrechts, nämlich Art. 17 der Richtlinie 98/71 und Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002, enthalten sei. Ich werde daher diesen Aspekt nun analysieren.

 Der Beitrag von Art. 17 der Richtlinie 98/71 und von Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002

33.      Zur Erinnerung: Art. 17 der Richtlinie 98/71 verankert den Grundsatz der Kumulierung des Schutzes von Mustern und Modellen sowohl durch das Geschmacksmusterrecht- als auch durch das Urheberrecht. Nach Satz 2 dieses Artikels werden der Umfang und die Bedingungen für die Erlangung des Urheberrechtsschutzes, einschließlich des erforderlichen Grades der Eigenart, von jedem Mitgliedstaat festgelegt. Eine ähnliche Formulierung findet sich in Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002.

34.      Nach Ansicht der italienischen und der tschechischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs lassen diese Bestimmungen den Mitgliedstaaten trotz der Annahme der Richtlinie 2001/29 freie Hand, was die Bedingungen für die Gewährung des urheberrechtlichen Schutzes von Geschmacksmustern angeht. So tragen sie vor, Art. 17 der Richtlinie 98/71 stelle in Bezug auf die Richtlinie 2001/29 in der Auslegung durch den Gerichtshof eine lex specialis dar. Eine ähnliche Position wird in der Lehre vertreten(30).

35.      Ich teile diese Position nicht und werde im Folgenden die verschiedenen zu ihrer Unterstützung vorgebrachten Argumente analysieren, die ich für nicht überzeugend halte.

36.      Erstens betrifft Art. 17 der Richtlinie 98/71, wie aus seinem ersten Satz hervorgeht, nur eingetragene Geschmacksmuster. Die etwaige den Mitgliedstaaten eingeräumte Freiheit würde daher nur diese Kategorie von Mustern betreffen. In der Europäischen Union wird jedoch die Mehrheit der Geschmacksmuster nicht eingetragen(31). Wie aus den Angaben im Vorabentscheidungsersuchen in der vorliegenden Rechtssache ersichtlich ist, gilt dies insbesondere für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Muster. Daher halte ich es für angemessener, auf der Grundlage von Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 zu argumentieren. Diese Verordnung sieht einen auf drei Jahre befristeten Schutz für alle Geschmacksmuster in der Europäischen Union vor, sofern es sich um neue und Eigenart aufweisende Geschmacksmuster handelt, ohne dass eine Eintragung erforderlich ist.

37.      Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 scheint den Mitgliedstaaten zwar angesichts seines Wortlauts einen großen Ermessensspielraum im Hinblick auf die Bedingungen für die Gewährung des urheberrechtlichen Schutzes von Mustern einzuräumen. Dieser Ermessensspielraum wird ihnen jedoch vorbehaltlich der Angleichung des Urheberrechts auf Unionsebene eingeräumt, wie durch den 32. Erwägungsgrund der genannten Verordnung bestätigt wird, wonach es „[i]n Ermangelung einer vollständigen Harmonisierung des Urheberrechts [wichtig ist], den Grundsatz des kumulativen Schutzes als Gemeinschaftsgeschmacksmuster und nach dem Urheberrecht festzulegen, während es den Mitgliedstaaten freigestellt bleibt, den Umfang des urheberrechtlichen Schutzes und die Voraussetzungen festzulegen, unter denen dieser Schutz gewährt wird“(32). Aus der Begründung der Verordnung Nr. 6/2002(33) geht noch deutlicher hervor, dass die im aktuellen Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehene Lösung bis zur Harmonisierung des Urheberrechts vorläufig sein sollte.

38.      Daher ist es meines Erachtens klar, dass der den Mitgliedstaaten durch Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 eingeräumte Ermessensspielraum nach Verwirklichung dieser Harmonisierung, insbesondere durch die Richtlinie 2001/29 in der Auslegung durch den Gerichtshof, durch ihre Verpflichtungen aus dieser Richtlinie eingeschränkt ist. Es wäre in der Tat überraschend, wenn angenommen würde, dass jeder Verweis in einem Text des Unionsrechts auf das Recht der Mitgliedstaaten gleichbedeutend sei mit der Befreiung dieser Staaten von ihren Verpflichtungen, die sich auf dem unter diesen Verweis fallenden Gebiet aus anderen – älteren oder jüngeren – Rechtsakten der Union ergeben. Ein solcher Verweis bezieht sich zwangsläufig auf das nationale Recht in dem sich aus den negativen und positiven Verpflichtungen des Unionsrechts ergebenden Rahmen.

39.      In dieser Hinsicht bin ich nicht von dem Argument der Regierung des Vereinigten Königreichs überzeugt, das darauf gestützt ist, dass die Verordnung Nr. 6/2002 erst nach dem Erlass der Richtlinie 2001/29 ergangen sei. Es stimmt, dass diese Verordnung erst am 12. Dezember 2001, die Richtlinie 2001/29 dagegen am 22. Mai desselben Jahres angenommen wurde. Erstens war jedoch der Text, der dem aktuellen Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 entspricht, auch wenn anders formuliert, bereits im ersten Vorschlag der Kommission für diese Verordnung enthalten, der vom 3. Dezember 1993 stammte, also lange vor dem ersten Vorschlag für die Richtlinie 2001/29(34). Anschließend fanden die Gesetzgebungsarbeiten an diesen beiden Texten gleichzeitig statt. Zweitens lief die Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2001/29 erst am 22. Dezember 2002 ab, während die Verordnung Nr. 6/2002 Anfang März desselben Jahres in Kraft trat. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung war die Harmonisierung des Urheberrechts durch die Richtlinie 2001/29 daher noch nicht abgeschlossen, da die Mitgliedstaaten die Bestimmungen dieser Richtlinie noch nicht umgesetzt haben mussten. Folglich ändert der Umstand, dass die Verordnung Nr. 6/2002 formal nach der Richtlinie 2001/29 ergangen ist, nichts an der Analyse des Verhältnisses zwischen diesen beiden Rechtsakten: Der den Mitgliedstaaten in Art. 96 Abs. 2 der genannten Verordnung eingeräumte Ermessensspielraum wird durch die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2001/29 begrenzt.

40.      Ebenso wenig bin ich von dem auf die Vorarbeiten zur Richtlinie 98/71 oder zur Verordnung Nr. 6/2002 gestützten Argument überzeugt(35). Auch wenn die Kommission ehrgeizigere Ziele hatte und schließlich entschieden wurde, dass es damals nicht angemessen war, das Urheberrecht der Mitgliedstaaten durch Rechtsetzungsakte betreffend Geschmacksmuster zu harmonisieren, bedeutet dies nicht, dass der Schutz solcher Geschmacksmuster durch das Urheberrecht für immer eine Ausnahme sein sollte, selbst nach Verwirklichung der Harmonisierung. Zwar können die Vorbereitungsarbeiten für Unionsrechtsakte sicherlich wertvolle Erkenntnisse über die Gründe für die Entscheidungen des Unionsgesetzgebers liefern, doch dürfen die hieraus gewonnenen Erkenntnisse nicht Vorrang vor dem Wortlaut und der Systematik der betreffenden Bestimmungen haben. Insbesondere ist es nicht angebracht, aus den Vorarbeiten für einen Text (Richtlinie 98/71 oder Verordnung Nr. 6/2002) Schlussfolgerungen betreffend die Auslegung oder den Anwendungsbereich eines anderen Textes (Richtlinie 2001/29) zu ziehen.

41.      Zur Stützung ihrer Ansicht beruft sich die Regierung des Vereinigten Königreichs sodann auf Art. 9 der Richtlinie 2001/29, wonach diese Richtlinie unionsrechtliche Vorschriften insbesondere im Bereich Musterrechte, einschließlich Art. 17 der Richtlinie 98/71(36), unberührt lässt. Meiner Meinung nach ist diese Bestimmung der Richtlinie 2001/29 jedoch ebenfalls nicht geeignet, die Ansicht dieser Regierung zu stützen. Es ist nämlich offensichtlich, dass die Richtlinie 2001/29, die das Urheberrecht betrifft, Bestimmungen in anderen Bereichen, wie beispielsweise dem Geschmacksmusterrecht, nicht beeinträchtigen darf. Art. 17 der Richtlinie 98/71 ist jedoch, wie Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002, keine Bestimmung im Bereich des Geschmacksmusterrechts, sondern im Bereich des Urheberrechts. Eine andere Auslegung würde bedeuten, dass der urheberrechtliche Schutz von Werken der angewandten Kunst dem Geschmacksmusterrecht unterliegt, obwohl diese beiden Bereiche autonom sind. Art. 9 der Richtlinie 2001/29 kann daher nicht so ausgelegt werden, dass Geschmacksmuster von der in der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Harmonisierung ausgenommen sind.

42.      Hätte der Gesetzgeber der Union eine so wichtige Ausnahme vom harmonisierten Urheberrecht schaffen wollen, hätte er dies jedenfalls nicht implizit in verschiedenen Unionsrechtsakten getan, sondern klar und deutlich, zum Beispiel in Art. 1 der Richtlinie 2001/29, der deren Anwendungsbereich festlegt.

43.      Die tschechische Regierung fügt hinzu, dass die Richtlinie 2001/29, wie sich aus ihrem Titel ergebe, nur „bestimmte Aspekte des Urheberrechts“ harmonisiere und dies „in der Informationsgesellschaft“. Ich sehe jedoch nicht, wie diese Beobachtung ihre Thesen zum Schutz von Werken der angewandten Kunst stützen könnte.

44.      Es trifft zu, dass die Richtlinie 2001/29 wichtige Aspekte des Urheberrechts aus ihrem Anwendungsbereich ausklammert: Persönlichkeitsrechte, kollektive Wahrnehmung von Rechten, Verteidigung dieser Rechte (mit Ausnahme der sehr allgemeinen Bestimmung von Art. 8) usw. Im Ausgangsverfahren berief sich G-star jedoch auf das ausschließliche Recht des Urhebers, die Vervielfältigung seines Werks zu genehmigen oder zu verbieten. Dieses Recht ist jedoch durch die Richtlinie 2001/29 vollständig harmonisiert. Es trifft ebenfalls zu, dass die Richtlinie 2001/29 – insbesondere in der englischsprachigen Literatur – oft als „Informationsgesellschaftsrichtlinie“ (Information Society Directive) bezeichnet wird. Mir scheint, dass einige Autoren aus diesem informellen Namen übertriebene und falsche Schlussfolgerungen ziehen. Obwohl Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 der Informationsgesellschaft „besondere Bedeutung beimisst“, bleibt es eine Tatsache, dass die Bestimmungen dieser Richtlinie für jede Umgebung gleichermaßen gelten sollen, unabhängig davon, ob diese Teil der Informationsgesellschaft ist oder nicht. So rechtfertigt der Umstand, dass Geschmacksmuster in der Regel in körperliche Gegenstände der „realen“ Welt(37) integriert werden, in keiner Weise ihren Ausschluss vom Schutz durch diese Richtlinie.

45.      Die Auffassung dieser Regierungen findet auch im Völkerrecht keine Grundlage. Es stimmt, dass Art. 2 Abs. 7 der Berner Übereinkunft die Frage der Anwendung des Urheberrechts auf Muster und Modelle dem Ermessen der Unterzeichnerstaaten überlässt. Diese Übereinkunft lässt jedoch die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus dem Unionsrecht unberührt. Wenn dieses Recht die freie Wahl der Mitgliedstaaten einschränkt, kann eine fakultative Bestimmung der Berner Übereinkunft dieser Einschränkung daher nicht entgegenstehen. Jede andere Schlussfolgerung stünde im Widerspruch zu Art. 351 Abs. 2 AEUV. Die gleichen Überlegungen gelten auch für Art. 25 des TRIPS-Übereinkommens.

46.      Wenn im Übrigen angenommen würde, dass Art. 2 Abs. 7 der Berner Übereinkunft eine Ausnahme von den Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Richtlinie 2001/29 vorsieht, müsste auch Satz 2 dieses Absatzes, der den Grundsatz der Gegenseitigkeit zwischen den Unterzeichnerstaaten beim Schutz von Mustern und Modellen verankert, angewendet werden. Nach dieser Bestimmung kann für Gegenstände, die im Ursprungsland nur als Muster und Modelle geschützt sind, in einem anderen Land lediglich dieser besondere Schutz in Anspruch genommen werden, es sei denn, dieser wird dort nicht gewährt; in diesem Fall werden sie durch das Urheberrecht geschützt. Die Abschaffung dieses Grundsatzes der Gegenseitigkeit, eine den Regeln des Binnenmarkts zuwiderlaufende Quelle der Diskriminierung, in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten war jedoch genau eines der Ziele von Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002(38).

47.      Schließlich wird das Argument, dass Art. 17 der Richtlinie 98/71 es den Mitgliedstaaten gestatte, vom Urheberrecht der Union abzuweichen, durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung dieser Bestimmung entkräftet. Im Urteil Flos(39) zur Dauer des urheberrechtlichen Schutzes von Geschmacksmustern stellte der Gerichtshof fest, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Befugnis, den Umfang und die Bedingungen der Erlangung eines solchen Schutzes festzulegen, nicht die Dauer dieses Schutzes betreffen könne, da diese durch die Richtlinie 93/98/EWG(40) auf Unionsebene harmonisiert worden sei. Demselben Argument kann in Bezug auf die Richtlinie 2001/29 gefolgt werden: Da diese Richtlinie in der Auslegung durch den Gerichtshof die Vermögensrechte der Urheber harmonisiert hat, einschließlich des Begriffs „Werk“, der für die einheitliche Anwendung dieser Rechte von grundlegender Bedeutung ist, fallen diese Fragen nicht unter die den Mitgliedstaaten in Art. 17 der Richtlinie 98/71 und entsprechend in Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 eingeräumte Option. Ich schließe mich dem Standpunkt der Kommission an, wie er in ihren Erklärungen zum Ausdruck kommt.

48.      Somit sind Art. 17 der Richtlinie 98/71 und Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 als Bekräftigung des Grundsatzes des kumulativen Schutzes auszulegen: Ein Werk der angewandten Kunst darf nicht allein deshalb vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen werden, weil ihm der Sui-generis-Schutz als Geschmacksmuster offensteht. Diese Bestimmungen können jedoch nicht als Abweichung von denen der Richtlinie 2001/29 oder eines anderen Unionstextes zum Urheberrecht verstanden werden.

 Zwischenergebnis

49.      An dieser Stelle meine ich daher, dass die Vorlagefragen dahin zu beantworten sind, dass Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29 in der Auslegung durch den Gerichtshof dem entgegensteht, dass gewerbliche Geschmacksmuster nur dann urheberrechtlich geschützt sind, wenn sie einen stärkeren künstlerischen Charakter aufweisen als den, der normalerweise für andere Kategorien von Werken verlangt wird.

 Schlussbemerkungen zum Schutz von Geschmacksmustern durch das Urheberrecht

50.      Gleichwohl möchte ich nicht den Anschein erwecken, die Bedenken zu ignorieren oder zu unterschätzen, die sowohl von den Regierungen, die in der vorliegenden Rechtssache Erklärungen abgegeben haben, als auch von einigen Vertretern der Lehre(41) im Hinblick auf die schädlichen Folgen eines überschießenden urheberrechtlichen Schutzes von Geschmacksmustern geäußert wurden.

51.      Der Sui-generis-Schutz von Geschmacksmustern, wie er in der Verordnung Nr. 6/2002 vorgesehen ist, ist nämlich gut an die Besonderheiten dieser Schutzgegenstände angepasst, d. h. gewöhnliche und in großen Mengen hergestellte Gebrauchsgegenstände, die jedoch auch bestimmte originäre schutzwürdige ästhetische Eigenschaften aufweisen können. Dieser Schutz muss von ausreichender Dauer sein, damit die Investitionen in die Entwicklung des Geschmacksmusters rentabel gemacht werden können(42), ohne indessen den Wettbewerb unangemessen zu behindern. Ebenso müssen die Bedingungen für die Erlangung eines solchen Schutzes, die auf Originalität und Neuheit beruhen, sowie das Kriterium, das zur Feststellung einer Verletzungshandlung herangezogen wird, nämlich das Kriterium des Gesamteindrucks(43), an die Realität der Märkte für diese Gegenstände angepasst werden.

52.      Wenn es indessen zu einfach ist, für denselben Gegenstand urheberrechtlichen Schutz zu erlangen, der keinerlei Formalität unterliegt, der ab der Schöpfung des Gegenstands gilt, ohne dass das Kriterium der Neuheit erfüllt sein müsste, und dessen Dauer, was die Nutzbarkeit eines Geschmacksmusters für seinen Inhaber angeht, praktisch unendlich ist(44), besteht die Gefahr, dass das Urheberrechtssystem das Sui-generis-System für Geschmacksmuster verdrängt. Diese Verdrängung hätte jedoch mehrere negative Auswirkungen: die Abwertung des für den Schutz tatsächlich banaler Schöpfungen in Anspruch genommenen Urheberrechts, die Behinderung des Wettbewerbs aufgrund der übermäßigen Schutzdauer oder auch die Rechtsunsicherheit insofern, als die Wettbewerber nicht in der Lage sind, vorherzusehen, ob ein Geschmacksmuster, dessen Sui-generis-Schutz abgelaufen ist, nicht auch urheberrechtlich geschützt ist.

53.      Diese Bedenken erklären die unterschiedlichen Einschränkungen des Urheberrechtsschutzes von Werken der angewandten Kunst in den nationalen Systemen des geistigen Eigentums, die in der Einleitung zu diesen Schlussanträgen erwähnt wurden. Demgegenüber enthält das Urheberrechtssystem der Union, wie ich in meiner Antwort auf die zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen erläutert habe, keine Rechtsgrundlage für diese Einschränkung, da Werke der angewandten Kunst als eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers geschützt sind, ebenso wie andere Werkkategorien.

54.      Meiner Ansicht nach könnte eine rigorose Durchsetzung des Urheberrechts durch die nationalen Gerichte jedoch die Nachteile, die sich aus der Kombination dieser Art von Schutz mit dem Sui-generis-Schutz von Geschmacksmustern ergeben, weitgehend beseitigen. Ziel ist es nicht, den Schutz von Geschmacksmustern über das Urheberrecht bis auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers zu erweitern, sondern bei Werken der angewandten Kunst die spezifischen Ziele des Urheberrechts mit eigenen Mechanismen zu erreichen.

55.      Das Urheber- und das Geschmacksmusterrecht haben jedoch unterschiedliche Ziele. Letzteres schützt Investitionen in die Schaffung von Geschmacksmustern vor Nachahmung durch Wettbewerber. Dagegen ist dem Urheberrecht dieser Schutz vor dem Wettbewerb unbekannt. Im Gegenteil sind Dialog, Inspiration und Neuformulierung der geistigen Schöpfung inhärent, und das Urheberrecht soll diese nicht behindern(45). Was das Urheberrecht zumindest über die Vermögensrechte schützt, ist die Möglichkeit einer ungehinderten wirtschaftlichen Verwertung des Werks als solchem.

56.      Diese unterschiedlichen Ziele gehen Hand in Hand mit unterschiedlichen Schutzmechanismen und ‑prinzipien.

57.      Erstens ist die im Urheberrecht festgelegte Originalitätsschwelle, auch wenn sie in der Regel nicht sehr hoch ist, gleichwohl vorhanden. Um in den Genuss des Schutzes zu kommen, muss die Arbeit des Urhebers frei und kreativ sein. Lösungen, die ausschließlich durch das technische Ergebnis bestimmt sind(46), sowie Arbeiten ohne jegliche Kreativität(47) können nicht geschützt werden. In diesem Sinne ist es nicht notwendig, von den Gebrauchsgegenständen einen im Vergleich zu anderen Werkkategorien besonders hohen künstlerischen Standard zu verlangen – es genügt, das Kriterium der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers strikt anzuwenden. Jeder Gebrauchsgegenstand hat einen visuellen Aspekt, das Ergebnis der Arbeit seines Designers. Allerdings werden nicht alle visuellen Aspekte durch das Urheberrecht geschützt.

58.      Zweitens basiert das Urheberrecht auf einer Unterscheidung zwischen der Idee und ihrem Ausdruck, wobei nur der Ausdruck geschützt ist. Für Werke der angewandten Kunst ist diese Dichotomie meiner Meinung nach geeignet, die wettbewerbswidrigen Auswirkungen ihres urheberrechtlichen Schutzes abzumildern. Gestatten Sie mir, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gegenstände als Beispiel zu nehmen, um meinen Standpunkt zu verdeutlichen.

59.      Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge begehrt die Klägerin des Ausgangsverfahren Schutz für:

„… Modelle [von] Sweatshirts und T‑Shirts, …, [die] eine Reihe von Gestaltungselementen auf[weisen], insbesondere das auf dem Vorderteil des Sweatshirts aufgedruckte Bild, die Farbkombination, die Position der Tasche in Hüfthöhe sowie Besätze an den Taschen …“ und

„[d]as [Jeans‑]Modell … [das] durch die Art und Weise charakterisiert [wird], in der die drei verschiedenen Teile geschnitten und zusammengenäht werden. Indem Teile verschiedener Länge und Form verwendet werden, entsteht ein Hosenbein mit so genanntem 3D‑Effekt, das nach innen und hinten Falten wirft und sich um das Bein des Trägers wickelt (Korkenziehereffekt). Weitere Elemente, die zum ‚Korkenziehereffekt‘ beitragen, sind die an den Knien angebrachten Pfeile (darts), einer an jedem Bein.“

60.      Die Qualifizierung der fraglichen Gegenstände als schutzfähige Werke und die Feststellung einer möglichen Verletzung, d. h. reine Tatsachenelemente, liegen natürlich vollständig im Ermessen des nationalen Gerichts. Mir scheint jedoch, dass Merkmale wie die „spezifische Zusammensetzung nach Formen, Farben, Wörtern und Zahlen“, die „Farbkombination“, die „Position der Taschen in Hüfthöhe“ oder die „Herstellung durch Zusammennähen der … drei Teile“, deren Vervielfältigung durch Cofemel kritisiert wird, als Ideen mit unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten oder gar als funktionale Lösungen(48) angesehen werden sollten und nicht unter den Schutz des Urheberrechts fallen sollten.

61.      Darüber hinaus will G‑Star anscheinend mit der Berufung auf den (seinerzeit) innovativen und einmaligen Charakter ihres 1996 eingeführten Modells „G‑Star Elwood“ ihre Wertschätzung und die Unterscheidungskraft ihrer Waren durch das Urheberrecht schützen, ein Schutz, der normalerweise durch das Markenrecht gewährleistet wird.

62.      Es ist richtig, dass eine Urheberrechtsverletzung nicht in jedem Fall in der vollständigen Vervielfältigung des Werks bestehen muss. Auch die Teile eines Werks genießen Schutz, sofern sie die Elemente enthalten, die Ausdruck der eigenen geistigen Schöpfung des Urhebers sind(49). Es darf sich jedoch nicht um Elemente handeln, die lediglich von den Ideen des Werks inspiriert sind, sondern es muss sich um Teile davon handeln. Ob dies der Fall ist, muss vom Tatsachenrichter von Fall zu Fall beurteilt werden. Im Rahmen dieser Beurteilung muss dieser Richter auch sicherstellen, dass der Gegenstand des beantragten Schutzes hinreichend identifizierbar ist(50).

63.      Drittens schließlich unterscheidet sich das Urheberrecht vom Geschmacksmusterrecht bei der Beurteilung der Verletzung von Exklusivrechten. Um den Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 zu verwenden: Das Geschmacksmusterrecht bietet Schutz gegen „jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck hervorruft“. Dieser Begriff des „Gesamteindrucks“ ist dem Urheberrecht jedoch völlig fremd.

64.      Das Urheberrecht schützt ein konkretes Werk, nicht ein Werk mit einem bestimmten visuellen Aspekt(51). Zwei Fotografen, die gleichzeitig dieselbe Szene fotografieren, können Bilder erhalten, die keinen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen. Aus gestalterischer Sicht könnte die Person, die ihr Foto zuerst verbreitet hat, der Verbreitung des Fotos der anderen Person widersprechen. Dies ist nicht der Fall im Urheberrecht, wo die Parallelschöpfung, sofern sie wirklich originell ist, nicht nur rechtmäßig ist, sondern auch als separates Werk vollen Schutz genießt. Das Gleiche gilt für die Schöpfung, die von früheren Werken inspiriert ist. Soweit eine solche Schöpfung keine unbefugte Vervielfältigung von Originalelementen eines anderen Werks darstellt, stellt sich die Frage der Urheberrechtsverletzung nicht, ob der Gesamteindruck unterschiedlich ist oder nicht.

65.      Das Urheberrecht erlaubt es dem Urheber eines Geschmacksmusters daher nur dann, der Verbreitung und der Benutzung eines Geschmacksmusters, das keinen anderen Gesamteindruck hervorruft, zu widersprechen, wenn er in der Lage ist, die Vervielfältigung von Originalelementen seines Geschmacksmusters nachzuweisen.

66.      Im Falle eines Antrags auf urheberrechtlichen Schutz eines Geschmacksmusters muss der Richter diese Gesichtspunkte berücksichtigen, um zu unterscheiden, was gegebenenfalls unter den Sui-generis-Schutz von Geschmacksmustern und was unter den Schutz des Urheberrechts fällt, und um auf diese Weise die Vermischung dieser beiden Schutzsysteme zu vermeiden.

 Ergebnis

67.      Nach alledem schlage ich vor, die Fragen des Supremo Tribunal de Justiça (Oberster Gerichtshof, Portugal) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft in der Auslegung durch den Gerichtshof steht dem entgegen, dass gewerbliche Geschmacksmuster nur dann urheberrechtlich geschützt sind, wenn sie einen stärkeren künstlerischen Charakter aufweisen als den, der normalerweise für andere Kategorien von Werken verlangt wird.

2.      Im Falle eines Antrags auf urheberrechtlichen Schutz eines gewerblichen Geschmacksmusters muss das nationale Gericht die spezifischen Ziele und Mechanismen dieses Rechts berücksichtigen, wie den Schutz nicht einer Idee, sondern ihres Ausdrucks, und die Kriterien für die Beurteilung einer Verletzung ausschließlicher Rechte. Dagegen darf das nationale Gericht nicht die spezifischen Kriterien für den Geschmacksmusterschutz auf den Urheberrechtsschutz anwenden.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Einer der ersten Rechtsakte auf diesem Gebiet war das französische Gesetz vom 18. März 1806 zur Errichtung eines Gewerbegerichts in Lyon, das den Mustern der Seidenhersteller in Lyon Schutz gewährte.


3      Fischman Afori, O., „Reconceptualizing Property in Designs“, Cardozo Arts & Entertainment Law Journal, Nr. 3, 2008, S. 1105 bis 1178.


4      Zum Phänomen der Kumulierung des Schutzes von Geschmacksmustern im Recht des geistigen Eigentums vgl. namentlich Derclaye, E., Leistner, M., Intellectual Property Overlaps: A European Perspective, Hart Publishing Oxford, 2011, und Tischner, A., Kumulatywna ochrona wzornictwa przemysłowego w prawie własności intelektualnej, C. H. Beck, Warschau, 2015.


5      Zu dieser Inflation des Schutzes auf Kosten des Wettbewerbs durch das gewerbliche Urheberrecht nach britischem Recht vgl. namentlich Bently, L., „The Return of Industrial Copyright?“, European Intellectual Property Review, 2012, S. 654 bis 672.


6      Vgl. namentlich Derclaye, E., Leistner, M., a. a. O., S. 200 und 283; Marzano, P., „Une protection mal conçue pour un produit bien conçu: l’Italie et sa protection des dessins et modèles industriels par le droit d’auteur“, Revue internationale du droit d’auteur, 2014, S. 118, und Tischner, A., a. a. O., S. 159 bis 170.


7      Vgl. namentlich Pollaud-Dulian, F., Propriété intellectuelle. Le droit d’auteur, Economica, Paris, 2014, S. 190 bis 194, und Vivant, M., Bruguière, J.‑M., Droit d’auteur et droits voisins, Dalloz, Paris, 2016, S. 255 bis 257.


8      Obwohl das Prinzip des kumulativen Schutzes nach Ansicht einiger Autoren die Unfähigkeit des Systems des geistigen Eigentums, seine Hypertrophie zu kontrollieren, ausdrückt (Tischner, A., „The role of unregistered rights – a European perspective on design protection“, Journal of Intellectual Property Law & Practice, Nr. 4, 2018, S. 303 bis 314).


9      Die Europäische Union ist nicht Vertragspartei der Berner Übereinkunft, sondern Vertragspartei des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen), im Namen der Europäischen Union genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeit fallenden Bereiche (ABl. 1994, L 336, S. 1), dessen Art. 9 Abs. 1 die Vertragsparteien verpflichtet, die Art. 1 bis 21 der Berner Übereinkunft zu befolgen.


10      Art. 7 Abs. 4 der Berner Übereinkunft betrifft die Schutzdauer der gewerblichen Muster und Modelle.


11      ABl. 1998, L 289, S. 28.


12      ABl. 2001, L 167, S. 10.


13      ABl. 2002, L 3, S. 1.


14      Das vorlegende Gericht nimmt in seinen Fragen den Wortlaut des portugiesischen Rechts – „Werke der angewandten Kunst, Geschmacksmuster und Designarbeiten“ – auf. Allerdings scheint mir, dass diese drei Begriffe im Wesentlichen gleichbedeutend sind. Auf jeden Fall beziehe ich mich in diesen Ausführungen auf die Gegenstände, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gegenstände als Geschmacksmuster im Sinne der Richtlinie 98/71 oder der Verordnung Nr. 6/2002 schutzfähig sind.


15      Vgl. zuletzt Urteil vom 13. November 2018, Levola Hengelo (C‑310/17, EU:C:2018:899, Rn. 33).


16      Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International (C‑5/08, EU:C:2009:465, Rn. 37).


17      Dies ist insbesondere im deutschen Recht der Fall, in dem Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 bestimmt: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“ Dieses Konzept findet sich wieder im Begriff „Originalität“ im französischen Urheberrecht (Urteil der Cour de cassation [Kassationsgerichtshof, Frankreich, Plenum] vom 7. März 1986, Babolat/Pachot, Nr. 83‑10477, veröffentlicht im Bulletin des arrêts de la Cour de cassation), sowie im polnischen Recht (Art. 1 Abs. 1 der Ustawa o prawie autorskim i prawach pokrewnych [Gesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte] vom 4. Februar 1994) oder im spanischen Recht (Art. 10 der Ley de Propiedad Intelectual [Gesetz über geistiges Eigentum] vom 24. April 1996). Anders verhält es sich bei den Copyright-Systemen der angelsächsischen Länder.


18      Urteil vom 1. Dezember 2011, Painer (C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 88 und 89).


19      Urteil vom 22. Dezember 2010, Bezpečnostní softwarová asociace (C‑393/09, EU:C:2010:816, Rn. 49 und 50).


20      Urteil vom 1. März 2012, Football Dataco u. a. (C‑604/10, EU:C:2012:115, Rn. 33).


21      Urteil vom 13. November 2018, Levola Hengelo (C‑310/17, EU:C:2018:899, Rn. 40).


22      Bei der Beschreibung dieser Rechtsprechung habe ich mich stark an den Nrn. 17 und 18 meiner Schlussanträge in der Rechtssache Funke Medien NRW (C‑469/17, EU:C:2018:870) orientiert.


23      Hierbei handelt es sich um die Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. 1996, L 77, S. 20), Art. 3 Abs. 1, die Richtlinie 2006/116/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. 2006, L 372, S. 12), Art. 6, und die Richtlinie 2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen (ABl. 2009, L 111, S. 16), Art. 1 Abs. 3.


24      Vgl. Urteile vom 1. Dezember 2011, Painer (C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 87), und vom 7. August 2018, Renckhoff (C‑161/17, EU:C:2018:634, Rn. 14).


25      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2018, Levola Hengelo (C‑310/17, EU:C:2018:899, Rn. 45).


26      Vgl. namentlich Urteil vom 22. Dezember 2010, Bezpečnostní softwarová asociace (C‑393/09, EU:C:2010:816, Rn. 46 bis 48).


27      Urteil vom 22. Dezember 2010, Bezpečnostní softwarová asociace (C‑393/09, EU:C:2010:816, Rn. 48 und 49).


28      Urteil vom 1. Dezember 2011, Painer (C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 98).


29      Urteil vom 1. Dezember 2011, Painer (C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 97).


30      Vgl. Bently, L., a. a. O.


31      Vgl. Tischner, A., „The role of unregistered rights – a European perspective on design protection“, Journal of Intellectual Property Law & Practice, Nr. 4, 2018, und die dort angeführte Literatur.


32      Eine ähnliche Formulierung findet sich im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/71.


33      KOM(93) 342 endg. vom 3. Dezember 1993, S. 53 bis 55.


34      KOM(97) 628 endg. vom 21. Januar 1998.


35      Dieses Argument wird in der Lehre verwendet, siehe insbesondere Bently, L., a. a. O.


36      Sowie, wie ich meine, Art. 96 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002.


37      Im Gegensatz zur virtuellen Welt.


38      Vgl. die Erläuterungen zu dieser Verordnung, KOM(93) 342 endg., S. 54 f.


39      Urteil vom 27. Januar 2011 (C‑168/09, EU:C:2011:29, Rn. 39).


40      Richtlinie des Rates vom 29. Oktober 1993 zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte (ABl. 1993, L 290, S. 9), ersetzt durch die Richtlinie 2006/116.


41      Vgl. namentlich Bently, L., a. a. O., sowie Tischner, A., „The role of unregistered rights – a European perspective on design protection“, Journal of Intellectual Property Law & Practice, Nr. 4, 2018.


42      Gemäß der Verordnung Nr. 6/2002 beträgt diese Frist drei Jahre für nicht eingetragene Geschmacksmuster und fünf Jahre für eingetragene Geschmacksmuster, die bis auf 25 Jahre verlängert werden können, was ausreichend ist, da ein durchschnittliches Geschmacksmuster nur etwa vier Jahre lang einen kommerziellen Wert hat, und noch weniger (eine oder zwei Saisons) im Bekleidungssektor (vgl. Tischner, A., „The role of unregistered rights – a European perspective on design protection“, und Van Keymeulen, E., „Copyrighting couture or counterfeit chic? Protecting fashion design: a comparative EU-US perspective“, Journal of Intellectual Property Law & Practice, Nr. 10, 2012, S. 728 bis 737).


43      Vgl. Art. 4 und 10 der Verordnung Nr. 6/2002.


44      Der Urheberrechtsschutz erstreckt sich nämlich auf die gesamte Lebensdauer des Urhebers zuzüglich 70 Jahre nach seinem Tod.


45      Bei einigen verwandten Schutzrechten kann es anders sein, z. B. bei Tonträgern, bei denen jedoch schwerlich von Inspiration gesprochen werden kann (vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Pelham u. a., C‑476/17, EU:C:2018:1002).


46      Urteil vom 22. Dezember 2010, Bezpečnostní softwarová asociace (C‑393/09, EU:C:2010:816, Rn. 49 und 50).


47      Urteil vom 1. März 2012, Football Dataco u. a. (C‑604/10, EU:C:2012:115, Rn. 33).


48      Eine Tasche auf der Rückseite des Sweatshirts wäre nicht von großem Nutzen.


49      Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International (C‑5/08, EU:C:2009:465, Rn. 39).


50      Vgl. Urteil vom 13. November 2018, Levola Hengelo (C‑310/17, EU:C:2018:899, Rn. 40).


51      Markiewicz, R., Ilustrowane prawo autorskie, Wolters Kluwer, Warschau, 2018, S. 79.