Language of document : ECLI:EU:T:2019:155

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

12. März 2019(*)

„EGFL – Von der Finanzierung ausgeschlossene Ausgaben – Von Italien getätigte Ausgaben – Befristete Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie – Verordnung (EG) Nr. 320/2006 – Verordnung (EG) Nr. 968/2006 – Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 – 24‑Monats-Frist – Begriff ‚mehrjährige Maßnahme‘ – Voraussetzungen für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe – Begriff ‚Produktionsanlagen‘– Einstufung von Silos – Begriff ‚völliger Abbau‘– Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 – Schwierigkeiten bei der Auslegung der Unionsregelung – Loyale Zusammenarbeit – Vertrauensschutz – Ne bis in idem – Schlachtprämien – Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse – Verspätete Zahlungen – Nachweis des Vorliegens besonderer Umstände bei der Verwaltung – Gleichbehandlung – Übersetzungsfehler in einer der Sprachfassungen einer Unionsverordnung – Dem Mitgliedstaat zurechenbare finanzielle Berichtigung“

In der Rechtssache T‑135/15,

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, avvocato dello Stato,

Klägerin,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch D. Colas und S. Horrenberger als Bevollmächtigte,

und durch

Ungarn, vertreten durch M. Z. Fehér und G. Koós als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Europäische Kommission, zunächst vertreten durch D. Bianchi, P. Ondrůšek und I. Galindo Martín, dann durch D. Bianchi und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

Beklagte,

betreffend eine Klage nach Art. 263 AEUV auf teilweise Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2015/103 der Kommission vom 16. Januar 2015 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2015, L 16, S. 33), soweit er bestimmte von der Italienischen Republik getätigte Ausgaben betrifft,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richter J. Schwarcz und C. Iliopoulos (Berichterstatter),

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2017

folgendes

Urteil

 Rechtsrahmen

 Verordnung (EG) Nr. 320/2006

1        Der Rat der Europäischen Union hat die Verordnung (EG) Nr. 320/2006 vom 20. Februar 2006 mit einer befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie in der Europäischen Gemeinschaft und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2006, L 58, S. 42) erlassen. Die Verordnung Nr. 320/2006 ist mehrfach geändert worden, zuletzt durch die Verordnung (EG) Nr. 72/2009 des Rates vom 19. Januar 2009 zur Anpassung der gemeinsamen Agrarpolitik durch Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 247/2006, (EG) Nr. 320/2006, (EG) Nr. 1405/2006, (EG) Nr. 1234/2007, (EG) Nr. 3/2008 und (EG) Nr. 479/2008 und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1883/78, (EWG) Nr. 1254/89, (EWG) Nr. 2247/89, (EWG) Nr. 2055/93, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 2596/97, (EG) Nr. 1182/2005 und (EG) Nr. 315/2007 (ABl. 2009, L 30, S. 1). Die Verordnung Nr. 320/2006 in ihrer durch die Verordnung Nr. 72/2009 geänderten Fassung ist auf den Sachverhalt anwendbar, auf den sich die vorliegende Rechtssache bezieht.

2        In den Erwägungsgründen 1 und 5 der Verordnung Nr. 320/2006 heißt es:

„(1)      … Um die Gemeinschaftsregelung für die Zuckererzeugung und den Zuckerhandel mit den internationalen Erfordernissen in Einklang zu bringen und die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Sektors sicherzustellen, ist … eine grundlegende Umstrukturierung notwendig, bei der unrentable Erzeugungskapazitäten in der Gemeinschaft deutlich abgebaut werden. Zu diesem Zweck sollte als Voraussetzung für die Umsetzung einer funktionierenden neuen gemeinsamen Marktorganisation für den Zuckersektor eine getrennte und autonome befristete Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie in der Gemeinschaft festgelegt werden.

(5)      Den Zuckerunternehmen mit der geringsten Produktivität sollte eine angemessene Umstrukturierungsbeihilfe als wirksamer wirtschaftlicher Anreiz zur Aufgabe ihrer Quotenerzeugung geboten werden. Zu diesem Zweck sollte eine Umstrukturierungsbeihilfe eingeführt werden, die einen Anreiz zur Einstellung der Quotenzuckererzeugung und zum Verzicht auf die betreffenden Quoten schafft und es gleichzeitig ermöglicht, die Einhaltung der mit der Aufgabe der Erzeugung verbundenen sozialen und ökologischen Verpflichtungen gebührend zu berücksichtigen. Die Beihilfe sollte vier Wirtschaftsjahre lang gezahlt werden und es ermöglichen, die Erzeugung so weit zu reduzieren, dass in der Gemeinschaft ein Marktgleichgewicht erreicht wird.“

3        Art. 1 („Befristeter Umstrukturierungsfonds“) der Verordnung Nr. 320/2006 bestimmt:

„(1)      Es wird ein befristeter Fonds für die Umstrukturierung der Zuckerindustrie in der Gemeinschaft (im Folgenden ‚Umstrukturierungsfonds‘ genannt) eingerichtet. …

Der Umstrukturierungsfonds ist Teil des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft. Ab dem 1. Januar 2007 wird er Teil des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (im Folgenden ‚EGFL‘ genannt).

(2)      Aus dem Umstrukturierungsfonds werden die Ausgaben für die in den Artikeln 3, 6, 7, 8 und 9 vorgesehenen Maßnahmen finanziert.

(4)      Diese Verordnung gilt nicht für die Regionen in äußerster Randlage gemäß Artikel 299 Absatz 2 des Vertrags.“

4        Art. 3 („Umstrukturierungsbeihilfen“) der Verordnung Nr. 320/2006 sieht vor:

„(1)      Jedes Zucker, Isoglucose oder Inulinsirup erzeugende Unternehmen, dem bis zum 1. Juli 2006 eine Quote zugeteilt wurde, hat Anspruch auf eine Umstrukturierungsbeihilfe je Tonne aufgegebener Quote, wenn es im Wirtschaftsjahr 2006/2007, 2007/2008, 2008/2009 oder 2009/2010

a)      die Quote aufgibt, die es einer oder mehreren Fabriken zugewiesen hat und die betreffenden Produktionsanlagen der Fabriken völlig abbaut oder

b)      seine Quote aufgibt, die es einer oder mehreren Fabriken zugewiesen hat, die betreffenden Produktionsanlagen der Fabriken teilweise abbaut und die übrigen Produktionsanlagen der betreffenden Fabriken nicht für die Erzeugung von Produkten verwendet, die unter die Gemeinsame Marktorganisation für Zucker fallen,

(3)      Der völlige Abbau der Produktionsanlagen erfordert:

a)      die endgültige und vollständige Einstellung der Erzeugung von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup durch die betreffenden Produktionsanlagen,

b)      die Schließung der Fabrik oder Fabriken und den Abbau ihrer Produktionsanlagen innerhalb der in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe d genannten Frist

und

c)      die Wiederherstellung des guten ökologischen Zustands des Fabrikgeländes und Maßnahmen, die die Wiederbeschäftigung der Arbeitskräfte innerhalb der in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f genannten Frist erleichtern[.] …

(4)      Der teilweise Abbau der Produktionsanlagen erfordert:

a)      die endgültige und vollständige Einstellung der Erzeugung von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup durch die betreffenden Produktionsanlagen,

b)      den Abbau der Produktionsanlagen, die nicht für die Produktion verwendet werden und für die Erzeugung der in Buchstabe a genannten Erzeugnisse bestimmt waren …,

c)      die Wiederherstellung des guten ökologischen Zustands des Fabrikgeländes und Maßnahmen, die die Wiederbeschäftigung der Arbeitskräfte innerhalb der in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f genannten Frist erleichtern[.] …

(5)      Der Betrag der Umstrukturierungsbeihilfe je Tonne aufgegebener Quote beträgt:

a)      im Falle des Absatzes 1 Buchstabe a

–        730 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2006/2007,

–        730 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2007/2008,

–        625 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2008/2009,

–        520 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2009/2010.

b)      im Falle des Absatzes 1 Buchstabe b

–        547,50 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2006/2007,

–        547,50 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2007/2008,

–        468,75 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2008/2009,

–        390,00 [Euro] für das Wirtschaftsjahr 2009/2010.

…“

5        Darüber hinaus heißt es in Art. 4 („Anträge auf Umstrukturierungsbeihilfe“) der Verordnung Nr. 320/2006:

„(1)      Die Anträge auf Umstrukturierungsbeihilfe werden bei dem betreffenden Mitgliedstaat bis zum 31. Januar vor dem jeweiligen Wirtschaftsjahr, in dem die Quote aufgegeben wird, gestellt.

(2)      Die Anträge auf Umstrukturierungsbeihilfe umfassen

a)      einen Umstrukturierungsplan;

c)      eine Verpflichtung zur Aufgabe der betreffenden Quote in dem betreffenden Wirtschaftsjahr;

d)      in dem in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a genannten Fall eine Verpflichtung, die Produktionsanlagen innerhalb einer von dem betreffenden Mitgliedstaat zu setzenden Frist vollständig abzubauen;

e)      in dem in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b genannten Fall eine Verpflichtung, die Produktionsanlagen innerhalb einer von dem betreffenden Mitgliedstaat zu setzenden Frist teilweise abzubauen und die Produktionsstätte und die verbleibenden Produktionsanlagen nicht für die Erzeugung von unter die Gemeinsame Marktorganisation für Zucker fallenden Produkten zu nutzen;

(3)      Der Umstrukturierungsplan nach Absatz 2 Buchstabe a enthält mindestens folgende Bestandteile:

c)      eine vollständige technische Beschreibung der betreffenden Produktionsanlagen;

d)      ein[en] Betriebsplan, in dem die Modalitäten, der Zeitplan und die Kosten für die Schließung der Fabrik oder Fabriken und den vollständigen oder teilweisen Abbau der Produktionsanlagen im Einzelnen aufgeführt werden;

h)      einen Finanzplan mit einer Aufschlüsselung aller Kosten im Zusammenhang mit dem Umstrukturierungsplan.“

6        Art. 5 („Entscheidung über die Umstrukturierungsbeihilfe und Kontrollen“) der Verordnung Nr. 320/2006 sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten entscheiden bis spätestens Ende des Monats Februar, der dem Wirtschaftsjahr gemäß Artikel 3 Absatz 2 vorausgeht, über die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe. Die Entscheidung für das Wirtschaftsjahr 2006/07 wird jedoch bis zum 30. September 2006 erlassen.

(2)      Die Umstrukturierungsbeihilfe wird gewährt, wenn der Mitgliedstaat nach gründlicher Prüfung festgestellt hat, dass

–        der Antrag die Bestandteile nach Artikel 4 Absatz 2 enthält;

–        der Umstrukturierungsplan die Bestandteile nach Artikel 4 Absatz 3 enthält;

–        die im Umstrukturierungsplan beschriebenen Maßnahmen und Aktionen mit den einschlägigen gemeinschaftlichen und nationalen Rechtsvorschriften übereinstimmen; …

–        …

(3)      Sind eine oder mehrere der in den ersten drei Gedankenstrichen des Absatzes 2 enthaltenen Bedingungen nicht erfüllt, so wird der Antrag auf Umstrukturierungsbeihilfe an den Antragsteller zurückgesandt. Dem Antragsteller wird mitgeteilt, welche Bedingungen nicht erfüllt sind. Der Antragsteller kann seinen Antrag dann entweder zurückziehen oder vervollständigen.

…“

7        In Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 320/2006 heißt es:

„Die Umstrukturierungsbeihilfe nach Artikel 3 wird in zwei Tranchen gezahlt:

–        40 % im Juni des in Artikel 3 Absatz 2 genannten Wirtschaftsjahres

und

–        60 % im Februar des folgenden Wirtschaftsjahres.

Die Kommission kann jedoch beschließen, die im zweiten Gedankenstrich genannte Tranche in zwei Zahlungen aufzuspalten …“

8        Schließlich bestimmt Art. 14 („Änderung der Verordnung [EG] Nr. 1290/2005“) der Verordnung Nr. 320/2006:

„Die Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 wird wie folgt geändert:

1.      Dem Artikel 3 Absatz 1 wird folgender Buchstabe angefügt:

‚e)      die Umstrukturierungsbeihilfen, die Diversifizierungsbeihilfen, die zusätzlichen Diversifizierungsbeihilfen und die Übergangsbeihilfen gemäß den Artikeln 3, 6, 7, 8 und 9 der Verordnung … Nr. 320/2006 …‘

…“

 Verordnung (EG) Nr. 968/2006

9        Die Europäische Kommission hat die Verordnung (EG) Nr. 968/2006 vom 27. Juni 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 320/2006 (ABl. 2006, L 176, S. 32) erlassen. Die Verordnung Nr. 968/2006 ist mehrfach geändert worden, zuletzt durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 672/2011 der Kommission vom 13. Juli 2011 zur Änderung der Verordnung Nr. 968/2006 (ABl. 2011, L 184, S. 1). Die Verordnung Nr. 968/2006 in ihrer durch die Verordnung Nr. 672/2011 geänderten Fassung ist auf den Sachverhalt anwendbar, auf den sich die vorliegende Rechtssache bezieht.

10      Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 968/2006 bestimmt:

„Zusammen mit der Aufgabe von Quoten sieht Artikel 3 der Verordnung … Nr. 320/2006 die Möglichkeit des völligen oder teilweisen Abbaus von Produktionsanlagen zur Begründung eines Anspruchs auf Umstrukturierungsbeihilfen in unterschiedlicher Höhe vor. Auch wenn im Rahmen der maßgeblichen Bedingungen für diese beiden Möglichkeiten berücksichtigt werden sollte, dass für den völligen Abbau in Anbetracht der damit verbundenen Kosten eine höhere Umstrukturierungsbeihilfe gewährt wird, erscheint es dennoch angemessen, vorzusehen, dass die Teile der Fabriken erhalten werden können, die nicht Bestandteil der eigentlichen Produktionsanlage sind, aber für sonstige im Umstrukturierungsplan vorgesehene Zwecke verwendet werden können, insbesondere, wenn durch diese sonstigen Zwecke Arbeitsplätze geschaffen werden. Allerdings sollten nicht unmittelbar mit der Zuckerproduktion in Zusammenhang stehende Anlagen abgebaut werden, wenn binnen einer angemessenen Frist keine anderweitige Nutzung erfolgt und der Erhalt dieser Anlagen schädlich für die Umwelt wäre.“

11      Art. 4 („Abbau von Produktionsanlagen“) der Verordnung Nr. 968/2006 sieht vor:

„(1)      Der völlige Abbau gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung … Nr. 320/2006 umfasst:

a)      alle Anlagen, die zur Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup benötigt werden, wie Anlagen zur Lagerung, zur Analyse, zum Waschen und zum Schneiden von Zuckerrüben, Zuckerrohr, Getreide oder Zichorien; alle Anlagen, die zur Gewinnung und Verarbeitung oder zur Konzentrierung von Zucker aus Zuckerrüben oder Zuckerrohr sowie von Stärke aus Getreide, Glukose aus Stärke oder Inulin aus Zichorien benötigt werden;

b)      die nicht unter Buchstabe a genannten Teile der Anlagen, die unmittelbar mit der Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup in Verbindung stehen und für die Erzeugung im Rahmen der aufgegebenen Quote erforderlich sind; dies gilt selbst dann, wenn diese Teile für andere Produktionszwecke verwendet werden könnten, wie Heizungs- oder Wasseraufbereitungsanlagen oder Anlagen zur Energieerzeugung, Anlagen zur Verarbeitung ausgelaugter Zuckerrübenschnitzel oder Melassen und Einrichtungen zur Beförderung innerhalb der Anlagen;

c)      alle sonstigen Anlagen, wie beispielsweise Verpackungsanlagen, die nicht mehr in Betrieb befindlich und aus Umweltschutzgründen abzubauen und zu entsorgen sind.

(2)      Bei einem teilweisen Abbau gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung … Nr. 320/2006 betrifft die Verpflichtung zum Abbau der Produktionsanlagen die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Anlagen, die nach dem Umstrukturierungsplan nicht für andere Produktionszwecke oder sonstige Verwendungen auf dem Fabrikgelände genutzt werden sollen.“

12      In Art. 6 („Verpflichtungen der Mitgliedstaaten“) der Verordnung Nr. 968/2006 heißt es:

„(1)      20 Tage nach Erhalt einer Kopie der Einladung zu der in Artikel 2 Absatz 3 genannten Konsultation teilt der Mitgliedstaat den am Umstrukturierungsplan beteiligten Parteien seine Entscheidung in Bezug auf folgende Punkte mit:

b)      den spätestens am 30. September 2010 auslaufenden Zeitraum für den Abbau der Produktionsanlagen und für die Erfüllung der sozialen und ökologischen Auflagen gemäß Artikel 3 Absatz 3 Buchstabe c und Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe c der Verordnung … Nr. 320/2006;

Abweichend von [Absatz 1 Buchstabe b] können die Mitgliedstaaten auf begründeten Antrag des betreffenden Unternehmens eine Verlängerung des unter [Absatz 1 Buchstabe b] festgesetzten Termins bis spätestens 31. März 2012 gewähren. In diesem Fall muss das Unternehmen einen geänderten Umstrukturierungsplan gemäß Artikel 11 vorlegen.

…“

13      Art. 9 („Zulässigkeit des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe“) der Verordnung Nr. 968/2006 bestimmt:

„…

(2)      Beihilfeanträge können nur dann bewilligt werden, wenn der Umstrukturierungsplan folgende Anforderungen erfüllt:

a)      Er muss eine Übersicht der wesentlichen Ziele, Maßnahmen und Aktionen, der geschätzten Kosten für diese Maßnahmen und Aktionen, den Finanzplan sowie die Zeitpläne enthalten;

b)      er muss für alle betroffenen Fabriken jeweils den Umfang der aufzugebenden Quote angeben; dieser Umfang darf die Kapazität der völlig oder teilweise abzubauenden Produktionsanlage nicht überschreiten;

c)      er muss eine Bescheinigung enthalten, dass die Produktionsanlagen völlig oder teilweise abgebaut und vom jeweiligen Standort abtransportiert werden;

e)      darin müssen sämtliche Aktionen und Kosten, die aus dem Umstrukturierungsfonds getragen werden sollen, sowie gegebenenfalls die aus anderen Gemeinschaftsfonds zu finanzierenden maßgeblichen Bestandteile spezifiziert werden.

(3)      Wenn die in Absatz 2 genannten Bedingungen nicht erfüllt sind, teilt der betreffende Mitgliedstaat dem Antragsteller die jeweiligen Gründe mit und setzt einen Termin innerhalb des in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 320/2006 genannten Zeitraums fest, bis zu dem der Umstrukturierungsplan entsprechend geändert werden kann.

Der Mitgliedstaat entscheidet binnen 15 Arbeitstagen nach dem in Unterabsatz 1 genannten Termin bzw. binnen mindestens zehn Arbeitstagen vor dem in Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 320/2006 genannten Termin über die Zulässigkeit des geänderten Antrags.

Wenn der geänderte Antrag nicht fristgerecht übermittelt oder für nicht zulässig befunden wurde, wird der Antrag auf Umstrukturierungsbeihilfe abgelehnt; der betreffende Mitgliedstaat teilt dem Antragsteller und der Kommission diese Entscheidung binnen fünf Arbeitstagen mit. Übermittelt derselbe Antragsteller einen neuen Antrag, so wird über diesen Antrag entsprechend der in Artikel 8 genannten Reihenfolge des Eingangs entschieden.

…“

14      In Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 968/2006 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten unterrichten die Antragsteller zu dem in Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 320/2006 genannten Termin über die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für ihren jeweiligen für förderfähig befundenen Umstrukturierungsplan. Eine Kopie des genehmigten Umstrukturierungsplans wird der Kommission von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats übermittelt.“

15      Art. 11 („Änderungen des Umstrukturierungsplans“) der Verordnung Nr. 968/2006 sieht vor:

„(1)      Sobald die Umstrukturierungsbeihilfe gewährt wird, führt der Begünstigte alle im genehmigten Umstrukturierungsplan genannten Maßnahmen durch und kommt den Verpflichtungen nach Maßgabe seines Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe nach.

(2)      Änderungen eines genehmigten Umstrukturierungsplans sind mit dem jeweiligen Mitgliedstaat zu vereinbaren; das betreffende Unternehmen stellt zu diesem Zweck einen Antrag, in dem

a)      die Gründe für die Änderung sowie aufgetretene Probleme erläutert werden;

b)      die vorgesehenen Änderungen bzw. die vorgeschlagenen neuen Maßnahmen und deren voraussichtliche Auswirkungen beschrieben sind;

c)      die finanziellen und zeitlichen Auswirkungen der Änderungen im Einzelnen dargestellt werden.

Die Änderungen dürfen keine Auswirkungen auf den Gesamtbetrag der zu gewährenden Umstrukturierungsbeihilfe oder auf die gemäß Artikel 11 der Verordnung … Nr. 320/2006 zu zahlenden befristeten Umstrukturierungsbeträge haben.

Der betreffende Mitgliedstaat informiert die Kommission über den geänderten Umstrukturierungsplan.“

16      Art. 16 („Zahlung der Umstrukturierungsbeihilfe“) der Verordnung Nr. 968/2006 bestimmt:

„(1)      Die Zahlung jeder Tranche der Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung … Nr. 320/2006 erfolgt gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % der betreffenden Tranche.

…“

17      In Art. 22 („Freigabe von Sicherheiten“) der Verordnung Nr. 968/2006 heißt es:

„(1)      Die in Artikel 16 Absatz 1 … und Artikel 18 Absatz 2 genannten Sicherheiten werden unter folgenden Bedingungen freigegeben:

a)      alle im Umstrukturierungsplan, in den einzelstaatlichen Umstrukturierungsprogrammen bzw. im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen und Aktionen wurden durchgeführt;

b)      der in Artikel 23 Absatz 2 genannte Abschlussbericht wurde vorgelegt;

c)      die Mitgliedstaaten haben die in Artikel 25 genannten Kontrollen durchgeführt;

(3)      Außer im Falle höherer Gewalt verfällt die Sicherheit, wenn die Bedingungen von Absatz 1 nicht bis spätestens 30. September 2012 erfüllt worden sind.“

18      Art. 25 („Kontrollen“) der Verordnung Nr. 968/2006 legt Folgendes fest:

„(1)      Jedes Unternehmen und jede Produktionsstätte, für die eine Beihilfe im Rahmen des Umstrukturierungsfonds gewährt wurde, wird binnen drei Monaten nach dem in Artikel 23 Absatz 2 genannten Termin von der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaates überprüft.

Bei der Überprüfung wird sichergestellt, dass der Umstrukturierungsplan bzw. der Betriebsplan befolgt wurde; außerdem werden die Genauigkeit und die Vollständigkeit der vom betreffenden Unternehmen im Fortschrittsbericht übermittelten Informationen überprüft. Bei der ersten Überprüfung im Rahmen eines Umstrukturierungsplans werden auch alle sonstigen Angaben des jeweiligen Unternehmens in seinem Antrag auf Umstrukturierungsbeihilfe geprüft; dies gilt insbesondere für die Bestätigung gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung … Nr. 320/2006.

(2)      Bei der Überprüfung werden in jedem Fall die in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung … Nr. 320/2006 genannten Bestandteile des Umstrukturierungsplans berücksichtigt. …“

19      Darüber hinaus bestimmt Art. 26 („Wiedereinziehung“) der Verordnung Nr. 968/2006:

„(1)      Unbeschadet von Absatz 3 gilt Folgendes: Wenn ein Begünstigter eine oder mehrere seiner Verpflichtungen im Rahmen des Umstrukturierungsplans, Betriebsplans bzw. eines nationalen Umstrukturierungsprogramms nicht erfüllt, wird der Anteil der in Verbindung mit der/den betreffenden Verpflichtung(en) gewährten Beihilfe außer im Falle höherer Gewalt wieder eingezogen.

…“

20      Schließlich heißt es in Art. 27 („Sanktionen“) der Verordnung Nr. 968/2006:

„(1)      Wenn ein Begünstigter eine oder mehrere seiner Verpflichtungen im Rahmen des Umstrukturierungsplans, Betriebsplans bzw. eines nationalen Umstrukturierungsprogramms nicht erfüllt, muss er eine Geldbuße in Höhe von 10 % des nach Artikel 26 wieder einzuziehenden Betrags entrichten.

…“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Angefochtener Beschluss

21      Mit dem Durchführungsbeschluss (EU) 2015/103 vom 16. Januar 2015 über den Ausschluss bestimmter von den Mitgliedstaaten zulasten des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) und des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) getätigter Ausgaben von der Finanzierung durch die Europäische Union (ABl. 2015, L 16, S. 33, im Folgenden: angefochtener Beschluss) erlegte die Kommission der Italienischen Republik u. a. folgende Berichtigungen auf:

–        eine Berichtigung in Höhe von 90 498 735,16 Euro für die von der Italienischen Republik im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigten Ausgaben, weil von den Begünstigten der Umstrukturierungsbeihilfen nicht sämtliche Anlagen zur Zuckererzeugung zerstört worden seien (Haushaltsjahre 2007, 2008 und 2009);

–        eine Berichtigung in Höhe von 1 607 275,90 Euro wegen verspäteter Zahlung des Saldos der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004 (Haushaltsjahr 2010);

–        eine pauschale Berichtigung in Höhe von 1 198 831,03 Euro wegen verspäteter Zahlung bestimmter Ausgaben im Zusammenhang mit den Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse (Haushaltsjahre 2009 und 2010).

22      Die drei oben in Rn. 21 erwähnten Berichtigungen werden von der Italienischen Republik im Rahmen der vorliegenden Klage angefochten.

 Finanzielle Berichtigung im Zusammenhang mit den im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigten Ausgaben

23      Im September 2010 führten die Kommissionsdienststellen in Italien eine Untersuchung über die bestimmten italienischen Zuckererzeugern während der Haushaltsjahre 2007, 2008 und 2009 gewährten Beihilfen für die Umstrukturierung der Zuckerindustrie durch (im Folgenden: Untersuchung EX/2010/010/IT).

24      Mit einem nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 885/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates hinsichtlich der Zulassung der Zahlstellen und anderen Einrichtungen sowie des Rechnungsabschlusses für den EGFL und den ELER (ABl. 2006, L 171, S. 90) versandten Schreiben vom 9. Dezember 2010 teilte die Kommission den italienischen Behörden das Ergebnis der Untersuchung EX/2010/010/IT mit, das dem Schreiben als Anhang beigefügt war (im Folgenden: Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010).

25      Aus der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 geht hervor, dass die Kommission der Ansicht war, die italienischen Behörden seien den Anforderungen der Vorschriften des Rechts der Europäischen Union über die Voraussetzungen für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für den völligen Abbau von Produktionsanlagen nicht voll gerecht geworden, da sie festgestellt hatte, dass an mehreren Zuckererzeugungsstätten, die den italienischen Unternehmen gehörten, die die Gewährung dieser Beihilfe beantragt hatten, Silos erhalten worden waren (im Folgenden: streitige Silos). Sie wies insoweit darauf hin, dass die genannten Unternehmen die Voraussetzungen für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau nicht erfüllten, wenn sie den Umstrukturierungsplan nicht vollständig durchführten und die mit der Erzeugungstätigkeit in Zusammenhang stehenden Gebäude, darunter die streitigen Silos, nicht abgerissen würden. Schließlich forderte die Kommission die italienischen Behörden auf, mitzuteilen, ob an den Zuckererzeugungsstätten, an die sich ihre Bediensteten nicht begeben hatten, noch Silos vorhanden waren.

26      Die italienischen Behörden erwiderten auf die in der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 enthaltenen Beschwerdepunkte der Kommission mit Schreiben vom 9. Februar 2011.

27      Am 18. April 2011 lud die Kommission die italienischen Behörden zu einer bilateralen Besprechung ein, die am 4. Mai 2011 in Brüssel (Belgien) stattfand.

28      Das Besprechungsprotokoll wurde den italienischen Behörden mit Schreiben der Kommission vom 26. Juli 2011 übermittelt. Diese reichten am 2. November 2011 ihre Stellungnahme zum genannten Protokoll ein.

29      Mit einem auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Schreiben vom 16. August 2012 (im Folgenden: förmliche Mitteilung vom 16. August 2012) unterrichtete die Kommission die italienischen Behörden über ihre Absicht, einen Betrag von 90 498 735,15 Euro von der Finanzierung der Union auszuschließen, weil die in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 320/2006 und in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 968/2006 vorgesehenen Voraussetzungen für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau nicht erfüllt seien.

30      Am 11. Oktober 2012 riefen die italienischen Behörden gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 885/2006 die Schlichtungsstelle an, die am 10. Februar 2013 ihren Bericht vorlegte.

31      Mit Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), entschied der Gerichtshof im Wesentlichen, dass der Begriff „Produktionsanlagen“ im Sinne der Art. 3 und 4 der Verordnung Nr. 320/2006 und von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 968/2006 Silos umfasst, die für die Lagerung von Zucker des Empfängers der Umstrukturierungsbeihilfe bestimmt sind. Nach Ansicht des Gerichtshofs ist dem in zwei Fällen jedoch nicht so: zum einen dann, wenn nachgewiesen ist, dass die Silos ausschließlich für die Lagerung von im Rahmen einer Quote erzeugtem Zucker verwendet werden, der von anderen Erzeugern eingelagert wird oder bei diesen gekauft worden ist, und zum anderen dann, wenn sie ausschließlich für die Verpackung oder Aufmachung von andernorts erzeugtem Zucker zu Vertriebszwecken genutzt werden.

32      Mit Schreiben vom 28. März 2014 gewährte die Kommission den italienischen Behörden eine Frist von zwei Monaten für die Einreichung einer zusätzlichen Stellungnahme – u. a. infolge der Verkündung des oben in Rn. 31 erwähnten Urteils des Gerichtshofs – sowie von Nachweisen darüber, dass die streitigen Silos vor Stellung der Anträge auf Umstrukturierungsbeihilfe ausschließlich der Lagerung und Verpackung des von anderen Erzeugern im Rahmen einer Quote erzeugten Zuckers gedient hatten.

33      Mit Schreiben vom 30. Mai 2014 widersprachen die italienischen Behörden dem Standpunkt der Kommission, wonach bei der Prüfung, ob die Silos unter den Begriff „Produktionsanlagen“ fielen, darauf abzustellen sei, in welcher Weise sie zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe verwendet würden.

34      In dem am 12. Dezember 2014 angenommenen Synthesebericht der Kommission bekräftigte diese ihren Vorschlag, einen Betrag von 90 498 735,16 Euro von der Finanzierung der Union auszuschließen.

 Finanzielle Berichtigung wegen verspäteter Zahlung des Saldos der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004

35      Die Kommissionsdienststellen führten in Italien eine Untersuchung auf dem Gebiet der Schlachtprämien betreffend die Nichteinhaltung der Zahlungsfristen und die Überschreitung der finanziellen Obergrenzen im Laufe des Haushaltsjahrs 2010 durch.

36      Mit einem nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Schreiben vom 14. Februar 2011 übermittelte die Kommission den italienischen Behörden die Ergebnisse ihrer Überprüfungen. Diese antworteten auf die Mitteilung mit Schreiben vom 8. März 2011.

37      Am 15. Juni 2011 fand in Brüssel eine bilaterale Besprechung zwischen den Kommissionsdienststellen und den italienischen Behörden statt. Das Besprechungsprotokoll wurde den italienischen Behörden am 3. August 2011 übermittelt. Diese reichten am 5. Oktober 2011 ihre Stellungnahme ein.

38      Die Kommission bekräftigte ihren Standpunkt in einem nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Schreiben vom 18. Januar 2012, das die italienischen Behörden mit Schreiben vom 27. März 2012 beantworteten.

39      Mit einem auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Schreiben vom 30. Oktober 2013 teilte die Kommission den italienischen Behörden förmlich die geschätzte Höhe der vorgeschlagenen Berichtigung, nämlich einen Betrag von 7 643 605,11 Euro, mit, und begründete ihren Vorschlag u. a. damit, dass die Zahlungsfristen für die Schlachtprämien des Antragsjahrs 2004, deren Saldo den Begünstigten am 30. Oktober und am 3. November 2009 ausgezahlt worden war, nicht eingehalten worden seien.

40      Am 10. Dezember 2013 riefen die italienischen Behörden die Schlichtungsstelle an. Diese legte am 6. Mai 2014 ihren Bericht vor.

41      Mit Schreiben vom 2. Juli 2014 teilte die Kommission den italienischen Behörden ihren endgültigen Standpunkt mit, in dem sie an einer pauschalen Berichtigung von 7 643 605,11 Euro festhielt, von der ein Betrag von 1 607 275,90 Euro der im Laufe des Haushaltsjahrs 2010 geleisteten verspäteten Zahlung des Saldos der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004 entsprach.

 Finanzielle Berichtigung wegen verspäteter Zahlung bestimmter Ausgaben im Zusammenhang mit den Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse

42      Vom 30. November bis zum 4. Dezember 2009 führten die Kommissionsdienststellen in Italien eine Untersuchung über die Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse auf dem Binnenmarkt und in Drittländern in den Haushaltsjahren 2008 bis 2010 durch.

43      Mit einem nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Schreiben vom 27. April 2010 teilte die Kommission den italienischen Behörden das Ergebnis ihrer Überprüfungen mit. Die italienischen Behörden beantworteten diese Mitteilung mit Schreiben vom 5. Juli 2010.

44      Am 18. November 2010 fand in Brüssel eine bilaterale Besprechung zwischen den italienischen Behörden und der Kommission statt. Das Besprechungsprotokoll wurde den italienischen Behörden am 31. Januar 2011 übermittelt. Diese reichten am 30. März 2011 ihre Stellungnahme ein.

45      Mit einem nach Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Schreiben vom 17. April 2013 teilte die Kommission den italienischen Behörden förmlich die geschätzte Höhe der vorgeschlagenen Berichtigung – nämlich 2 844 470,65 Euro – für die Haushaltsjahre 2008 (erst ab dem 30. Mai 2008), 2009 und 2010 mit.

46      Am 3. Juni 2013 riefen die italienischen Behörden die Schlichtungsstelle an. Diese legte am 29. November 2013 ihren Bericht vor.

47      Mit Schreiben vom 27. Mai 2014 teilte die Kommission den italienischen Behörden ihren endgültigen Standpunkt mit, in dem sie u. a. eine pauschale Berichtigung von 1 198 831,03 Euro vornahm, die sie damit begründete, dass die mit den Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse auf dem Binnenmarkt und in Drittländern zusammenhängenden und im Laufe der Haushaltsjahre 2009 und 2010 getätigten Zahlungen verspätet gewesen seien.

 Verfahren und Anträge der Parteien

48      Mit Klageschrift, die am 26. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Italienische Republik die vorliegende Klage erhoben.

49      Mit Schriftsätzen, die am 22. bzw. 25. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Französische Republik und Ungarn jeweils einen Antrag auf Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Italienischen Republik gestellt. Mit Beschlüssen vom 22. Juli 2015 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts die Streitbeitritte zugelassen.

50      Die Italienische Republik beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären, soweit er bestimmte von der Italienischen Republik getätigte Ausgaben betrifft;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

51      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

52      Die Französische Republik beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

53      Ungarn beantragt, den angefochtenen Beschluss teilweise für nichtig zu erklären.

54      Mit Schreiben der Kanzlei des Gerichts vom 14. Juni 2016 ist den Parteien die Änderung der Zusammensetzung des Gerichts und der Beschluss des Präsidenten des Gerichts mitgeteilt worden, die Rechtssache einem anderen Berichterstatter zuzuweisen, der der Dritten Kammer zugeteilt worden ist.

55      Mit Schreiben der Kanzlei vom 3. Oktober 2016 ist den Parteien die Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts gemäß Art. 27 Abs. 5 der Verfahrensordnung des Gerichts und die Zuteilung des Berichterstatters an die Vierte Kammer mitgeteilt worden, der die vorliegende Rechtssache folglich zugewiesen worden ist.

56      Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und den Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen gestellt und sie zur Vorlage bestimmter Schriftstücke aufgefordert. Die Parteien haben den prozessleitenden Maßnahmen fristgerecht Folge geleistet.

57      Die Parteien haben in der Sitzung vom 12. September 2017 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

 Rechtliche Würdigung

58      Zur Stützung der Klage macht die Italienische Republik sechs Klagegründe geltend.

59      Die ersten vier Klagegründe werden zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Berichtigung betreffend die von der Italienischen Republik im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigten Ausgaben vorgebracht Mit dem ersten Klagegrund werden im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. 2005, L 209, S. 1), eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens sowie ein Begründungsmangel geltend gemacht. Der zweite Klagegrund betrifft im Wesentlichen einen Verstoß gegen Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006, die Verordnung Nr. 320/2006, die Verordnung Nr. 968/2006 und das Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737). Mit dem dritten Klagegrund wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der loyalen Zusammenarbeit, ne bis in idem und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie eine Verletzung der Fürsorgepflicht gerügt. Der vierte Klagegrund bezieht sich auf einen Verstoß gegen Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005, Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006 sowie die im Dokument VI/5330/97 der Kommission vom 23. Dezember 1997 festgelegten und mit „Leitlinien zur Berechnung der finanziellen Auswirkungen im Rahmen der Vorbereitung der Entscheidung über den Rechnungsabschluss des EAGFL-Garantie“ überschriebenen Leitlinien (im Folgenden: Dokument VI/5330/97), eine Verletzung der Begründungspflicht sowie einen Mangel bei der Prüfung des Standpunkts der Schlichtungsstelle.

60      Der fünfte Klagegrund wird zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Berichtigung wegen verspäteter Zahlung des Saldos der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004 vorgebracht und betrifft einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2006 der Kommission vom 21. Juni 2006 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung Nr. 1290/2005 hinsichtlich der Buchführung der Zahlstellen, der Ausgaben- und Einnahmenerklärungen und der Bedingungen für die Erstattung der Ausgaben im Rahmen des EGFL und des ELER (ABl. 2006, L 171, S. 1), eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und eine Verfälschung der Tatsachen.

61      Der sechste Klagegrund wird zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Berichtigung wegen verspäteter Zahlung bestimmter Ausgaben im Zusammenhang mit den Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse vorgebracht und bezieht sich auf einen Verstoß gegen Art. 20 der Verordnung (EG) Nr. 501/2008 der Kommission vom 5. Juni 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 3/2008 des Rates über Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt und in Drittländern (ABl. 2008, L 147, S. 3) sowie die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Zurechenbarkeit finanzieller Berichtigungen an die Mitgliedstaaten.

 Erster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005, Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens sowie Begründungsmangel

62      Der erste Klagegrund gliedert sich im Wesentlichen in drei Teile. Mit dem ersten Teil wird ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 geltend gemacht. Der zweite Teil betrifft eine Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens. Mit dem dritten Teil wird im Wesentlichen eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses gerügt.

 Erster Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005

63      Die Italienische Republik wirft der Kommission im Wesentlichen vor, die Auffassung vertreten zu haben, dass die Umstrukturierungsbeihilfen eine mehrjährige Maßnahme im Sinne von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 beträfen und sich die finanzielle Berichtigung im vorliegenden Fall somit auf alle im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigten Ausgaben beziehen könne. Damit habe die Kommission gegen Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 verstoßen.

64      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

65      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Kommission zu Recht alle von der Italienischen Republik im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigten Ausgaben gemäß Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 in die Bemessungsgrundlage der angefochtenen finanziellen Berichtigung einbezogen hat oder ob sie die Ausgaben, die über 24 Monate vor der Zustellung der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 an die italienischen Behörden getätigt worden waren, gemäß Art. 31 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 von dieser Bemessungsgrundlage hätte ausschließen müssen. Für die Zwecke dieser Prüfung ist festzustellen, ob die Umstrukturierungsbeihilfe für die Zuckerindustrie eine mehrjährige Maßnahme im Sinne von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 finanziert.

66      Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 bestimmt:

„Die Ablehnung der Finanzierung kann folgende Ausgaben nicht betreffen:

a)      Ausgaben nach Artikel 3 Absatz 1 [der vorliegenden Verordnung], die über 24 Monate vor dem Zeitpunkt getätigt wurden, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat;

b)      Ausgaben, die mehrjährige Maßnahmen betreffen und Teil der Ausgaben nach Artikel 3 Absatz 1 [der vorliegenden Verordnung] oder der Ausgaben im Rahmen der Programme nach Artikel 4 [dieser Verordnung] sind, für die die letzte Verpflichtung des Begünstigten über 24 Monate vor dem Zeitpunkt eingetreten ist, zu dem die Kommission dem betroffenen Mitgliedstaat die Ergebnisse ihrer Überprüfungen schriftlich mitgeteilt hat;

…“

67      Zu den Ausgaben im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 1290/2005 in der durch Art. 14 der Verordnung Nr. 320/2006 geänderten Fassung gehören u. a. Umstrukturierungsbeihilfen für die Zuckerindustrie.

68      Darüber hinaus hängt die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 320/2006 von der Erfüllung zweier Voraussetzungen ab: der Aufgabe der Produktionsquote einerseits und dem völligen oder teilweisen Abbau der Produktionsanlagen andererseits.

69      In Bezug auf die Aufgabe der Produktionsquote macht die Italienische Republik zu Recht geltend, hierbei handle es sich um eine Sofortmaßnahme, die im Laufe eines bestimmten Wirtschaftsjahres getroffen werde.

70      Entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik handelt es sich bei der Aufgabe der Produktionsquote jedoch nicht um „den Kern der fraglichen Regelung“, da Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 320/2006 für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen oder teilweisen Abbau darüber hinaus verlangt, dass die Produktionsanlagen völlig oder teilweise abgebaut werden (vgl. oben, Rn. 68).

71      Der Abbau von Produktionsanlagen impliziert allerdings die zeitlich aufeinanderfolgende Durchführung mehrerer komplexer Vorgänge und kann folglich keine punktuelle Maßnahme darstellen.

72      Gemäß Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 320/2006 erfordert der völlige Abbau der Produktionsanlagen nämlich erstens die endgültige und vollständige Einstellung der Erzeugung von Zucker, Isoglucose und Inulinsirup durch die betreffenden Produktionsanlagen, zweitens die Schließung der Fabrik oder Fabriken und den Abbau ihrer Produktionsanlagen und drittens die Wiederherstellung des guten ökologischen Zustands des Fabrikgeländes und Maßnahmen, die die Wiederbeschäftigung der Arbeitskräfte erleichtern.

73      Für den teilweisen Abbau legt Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 320/2006 ähnliche Anforderungen wie die oben in Rn. 72 wiedergegebenen fest.

74      Außerdem wird die Tatsache, dass sich die Umstrukturierungsvorgänge über mehrere Jahre erstrecken, auch durch Art. 6 der Verordnung Nr. 968/2006 bestätigt, der eine Frist für die Durchführung des Abbaus der Produktionsanlagen und die Erfüllung der sozialen und ökologischen Auflagen vorsieht, deren mehrfach geändertes Ablaufdatum mit der Durchführungsverordnung Nr. 672/2011 letztlich auf den 31. März 2012 festgesetzt worden ist.

75      Schließlich hat die Italienische Republik in Beantwortung einer vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage ausgeführt, die Abbauvorgänge hinsichtlich der Produktionsstätten zweier italienischer Unternehmen, die eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau beantragt hatten, hätten drei bis vier Jahre in Anspruch genommen.

76      In Anbetracht des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Umstrukturierungsbeihilfen für die Zuckerindustrie nicht dazu dienen, eine punktuelle Maßnahme zu finanzieren, sondern eine Reihe von Maßnahmen, deren tatsächliche Durchführung sich grundsätzlich über mehrere Jahre erstreckt. Folglich ist davon auszugehen, dass es sich bei der Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie um eine mehrjährige Maßnahme im Sinne von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 handelt.

77      Das Vorbringen der Italienischen Republik kann die vorstehende Feststellung nicht entkräften.

78      Die Italienische Republik trägt erstens vor, der punktuelle Charakter der mit der Umstrukturierungsbeihilfe finanzierten Maßnahmen werde durch die Tatsache belegt, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 320/2006 eine Auszahlung der Umstrukturierungsbeihilfe in einem einzigen Betrag – wenn auch in zwei über einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten verteilten Tranchen – vorsehe.

79      In diesem Zusammenhang geht aus einer Auslegung von Art. 10 Abs. 4 der Verordnung Nr. 320/2006 in Verbindung mit den Art. 16, 22 und 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 968/2006 hervor, dass die Zahlung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau in mehreren Tranchen mit der Leistung von Sicherheiten einhergeht, die nur freigegeben werden, wenn die in Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 968/2006 genannten Überprüfungen am Ende des Umstrukturierungsprozesses u. a. bestätigen, dass alle im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen und Aktionen tatsächlich durchgeführt worden sind.

80      Daraus ergibt sich, dass der endgültige Betrag der Umstrukturierungsbeihilfe erst nach Freigabe der letzten von den Mitgliedstaaten gehaltenen Sicherheiten und damit erst nach den Kontrollen bekannt sein kann, die im Anschluss an die Durchführung sämtlicher Umstrukturierungsvorgänge vorgenommen werden.

81      Selbst wenn unterstellt wird, dass alle Umstrukturierungsbeihilfen 24 Monate vor der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 an die italienischen Unternehmen ausgezahlt worden sind, wie die Italienische Republik in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, ohne dies jedoch nachzuweisen, war der Betrag dieser Beihilfen daher nicht endgültig und konnte noch geändert werden.

82      Auch wenn die Auszahlung der Umstrukturierungsbeihilfe an die italienischen Unternehmen in einer Tranche erfolgt wäre, schlösse dieser Umstand die Einstufung der Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie als mehrjährige Maßnahme außerdem nicht aus, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung festgestellt hat. Insoweit kommt es nämlich entscheidend darauf an, dass die Umsetzung dieser Regelung eine Reihe von Verpflichtungen umfasst, die nicht unmittelbar, sondern nur über mehrere Jahre verteilt durchgeführt werden können.

83      Zweitens trägt die Italienische Republik im Wesentlichen vor, die Kommission dürfe bei Anwendung von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 jede Ausgabe beanstanden, die im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigt worden sei, sofern die Mitteilung nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten nach Durchführung der letzten dem Empfänger obliegenden Verpflichtung erfolgt sei. Vorliegend habe die Kommission somit bis März 2015 ein Rechnungsabschlussverfahren einleiten können, d. h. während eines Zeitraums von 24 Monaten ab dem Stichtag für den Abbau der Produktionsanlagen, nämlich dem 31. März 2012. In diesem Fall hätte es eine Mitteilung der Kommission nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006, die nach Ablauf der Frist für völligen Abbau erfolgt wäre, dem Mitgliedstaat nicht mehr erlaubt, die von der Kommission festgestellte Unregelmäßigkeit zu beseitigen. Dies verstoße gegen den Geist des Rechnungsabschlussverfahrens, das zu einem wesentlichen Teil darin bestehe, es dem Mitgliedstaat zu gestatten, die von der Kommission festgestellten Unregelmäßigkeiten zu beseitigen.

84      In Beantwortung einer vom Gericht in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage hat die Italienische Republik bestätigt, dass sie mit ihrem oben in Rn. 83 wiedergegebenen Vorbringen nicht die Rechtswidrigkeit von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 habe geltend machen, sondern im Wesentlichen die Anwendung dieser Vorschrift im vorliegenden Fall habe beanstanden wollen.

85      Insoweit genügt die Feststellung, dass die Mitteilung nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006, hier die Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 (vgl. oben, Rn. 24), an die Italienische Republik versandt worden ist, bevor die letzte den Begünstigten der Umstrukturierungsbeihilfe auferlegte Verpflichtung fällig war, nämlich am 31. März 2012 (vgl. oben, Rn. 74). Folglich hätte die Italienische Republik die in der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 festgestellten Unregelmäßigkeiten beseitigen oder jedenfalls Maßnahmen ergreifen können, um sich um ihre Beseitigung zu bemühen.

86      In Anbetracht des Vorstehenden hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie die Auffassung vertreten hat, die Umstrukturierungsbeihilfen für die Zuckerindustrie zielten darauf ab, eine mehrjährige Maßnahme zu finanzieren, und folglich sämtliche den italienischen Unternehmen gewährten Umstrukturierungsbeihilfen in die streitige Berichtigung einbezogen hat.

87      Daher ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Verteidigungsrechte und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens

88      Die Italienische Republik macht im Wesentlichen geltend, die in der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 vorgenommene Änderung der Position der Kommission zur Rechtsgrundlage für die Berechnung der in Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 genannten 24‑Monats-Frist habe es ihr, da sie verspätet erfolgt sei, nicht erlaubt, ihre Verteidigungsrechte auszuüben, und verstoße gegen den kontradiktorischen Charakter des Rechnungsabschlussverfahrens.

89      Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

90      Nach ständiger Rechtsprechung ergeht die abschließende, endgültige Entscheidung über den Rechnungsabschluss nach einem besonderen kontradiktorischen Verfahren, das den betroffenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer sachdienlichen Äußerung gewährleisten muss (vgl. Urteil vom 14. Dezember 2000, Deutschland/Kommission, C‑245/97, EU:C:2000:687, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

91      Dieses Verfahren ist in Art. 11 („Konformitätsabschluss“) der Verordnung Nr. 885/2006 geregelt, in dem es heißt:

„(1)      Kommt die Kommission aufgrund von Nachforschungen zu dem Schluss, dass bestimmte Ausgaben nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt wurden, so teilt sie dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Feststellungen mit und nennt die Abhilfemaßnahmen, die künftig die Beachtung dieser Vorschriften sicherstellen sollen.

Diese Mitteilung muss auf den vorliegenden Artikel Bezug nehmen. Der Mitgliedstaat antwortet innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Mitteilung, die Kommission kann ihre Position daraufhin ändern. In begründeten Fällen kann die Kommission einer Verlängerung der Antwortfrist zustimmen.

Nach Ablauf der Antwortfrist beraumt die Kommission eine bilaterale Besprechung an, bei der die beiden Parteien versuchen, Einvernehmen über die zu ergreifenden Maßnahmen sowie über die Bewertung der Schwere des Verstoßes und des für den Gesamthaushalt entstandenen finanziellen Schadens zu erzielen.

(2)      Der Mitgliedstaat übermittelt innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Protokolls der bilateralen Besprechung gemäß Absatz 1 Unterabsatz 3 alle in der Besprechung angeforderten Informationen sowie alle sonstigen Informationen, die er für die betreffende Untersuchung für nützlich hält.

Nach Ablauf der Frist gemäß Unterabsatz 1 teilt die Kommission dem Mitgliedstaat ihre Schlussfolgerungen auf der Grundlage der ihr im Rahmen des Rechnungsabschlussverfahrens zugegangenen Informationen förmlich mit. In der Mitteilung werden die Ausgaben bewertet, die die Kommission gemäß Artikel 31 der Verordnung … Nr. 1290/2005 von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen beabsichtigt, wobei auf Artikel 16 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung Bezug genommen wird.

(3)      …

Die Kommission erlässt nach der Prüfung eines etwaigen Berichts der Schlichtungsstelle gemäß Kapitel 3 der vorliegenden Verordnung gegebenenfalls eine oder mehrere Entscheidungen gemäß Artikel 31 der Verordnung … Nr. 1290/2005, um Ausgaben, die nicht in Übereinstimmung mit den Gemeinschaftsvorschriften getätigt wurden, so lange von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen, bis der Mitgliedstaat die Abhilfemaßnahmen tatsächlich umgesetzt hat.

…“

92      Nach ständiger Rechtsprechung muss die „schriftliche Mitteilung“ im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 der betroffenen Regierung eine umfassende Kenntnis von den Vorbehalten der Kommission vermitteln, so dass sie den ihr nach dieser Bestimmung zukommenden Warnzweck erfüllen kann (vgl. Urteil vom 3. Mai 2012, Spanien/Kommission, C‑24/11 P, EU:C:2012:266, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

93      Aus der Rechtsprechung geht ferner hervor, dass Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 in Verbindung mit Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 dahin zu verstehen ist, dass die Kommission keine Ausgaben ausschließen darf, die außerhalb einer der in der letztgenannten Vorschrift erwähnten Fristen getätigt wurden. Daraus folgt, dass die schriftliche Mitteilung nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 davor warnen soll, dass Ausgaben, die in einem bestimmten der Zustellung dieser Mitteilung vorausgehenden Zeitraum getätigt wurden, von der Finanzierung durch den Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) ausgeschlossen werden können und dass diese Mitteilung daher den Bezugspunkt für die Berechnung des Beginns der Frist bildet (vgl. entsprechend Urteil vom 3. Mai 2012, Spanien/Kommission, C‑24/11 P, EU:C:2012:266, Rn. 30).

94      Schließlich verlangt Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 nicht, dass die schriftliche Mitteilung die auszuschließenden Beträge erwähnt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 7. Oktober 2004, Schweden/Kommission, C‑312/02, EU:C:2004:594, Rn. 14). Ebenso wenig wird verlangt, dass die schriftliche Mitteilung die in Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 genannte Frist ausdrücklich erwähnt (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 24. Januar 2002, Finnland/Kommission, C‑170/00, EU:C:2002:51, Rn. 32). Was die Formvorschriften angeht, unterscheidet Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 nämlich zwischen der „Mitteilung der Feststellungen“ nach Abs. 1 Unterabs. 1, um die es im vorliegenden Fall geht, und der „förmlichen Mitteilung der Schlussfolgerungen“ nach Abs. 2 Unterabs. 3, die in einem späteren Stadium erfolgt. Daraus folgt, dass an die erstgenannte Mitteilung hinsichtlich der Form nicht so hohe Anforderungen zu stellen sind wie an die zweitgenannte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 24. Januar 2002, Finnland/Kommission, C‑170/00, EU:C:2002:51, Rn. 29).

95      Zunächst geht oben aus den Rn. 68 bis 76 hervor, dass die Umstrukturierungsbeihilfen für die Zuckerindustrie mehrjährige Maßnahmen finanzieren, so dass die Rechtsgrundlage für die Berechnung der 24‑Monats-Frist Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 ist.

96      Im vorliegenden Fall heißt es in dem Schreiben, das den Ergebnissen der Untersuchung EX/2010/010/IT beigefügt war, die der Italienischen Republik mit der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 übermittelt worden waren, dass sich ein etwaiger „Ausschluss … nur auf die Ausgaben [bezieht], die in den 24 Monaten vor dem Versand der [genannten] Mitteilung getätigt wurden“. Die Kommission hat somit – implizit, aber notwendigerweise – auf Art. 31 Abs. 4 Buchst. a der Verordnung Nr. 1290/2005 als Rechtsgrundlage für die Berechnung der 24‑Monats-Frist und nicht auf Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 verwiesen.

97      Mit der Kommission ist jedoch festzustellen, dass diese den Anspruch der betreffenden italienischen Unternehmen auf sämtliche von ihnen bezogenen Umstrukturierungsbeihilfen trotz des Hinweises in dem der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 beigefügten Schreiben, wie aus dem Anhang dieses Schreibens eindeutig hervorgeht, bestritten hat. Darin heißt es nämlich u. a., dass „[n]ach Ansicht der Dienststellen der [Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Kommission] … keines der betreffenden Unternehmen die Voraussetzungen [erfüllt], die erforderlich sind, um [die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau] zu erhalten“, und dass, „[d]a die meisten Umstrukturierungsbeihilfen bereits ausgezahlt und die meisten Sicherheiten bereits an die betreffenden Unternehmen freigegeben worden sind, … klargestellt [wird], dass die Verwaltung letztlich die finanziellen Folgen einer Nichterfüllung der in den Verordnungen vorgesehenen Anforderungen tragen könnte“.

98      In Anbetracht des Vorstehenden hat die Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 den italienischen Behörden eine ausreichende Kenntnis von den Vorbehalten der Kommission und den Berichtigungen, die an den fraglichen Ausgaben vorgenommen werden sollten, vermittelt, so dass sie die Warnfunktion erfüllt hat, die der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 vorgesehenen schriftlichen Mitteilung zukommt.

99      Auch wenn die Kommission in der bilateralen Besprechung vom 4. Mai 2011 ausgeführt hat, dass sich die Untersuchung EX/2010/010/IT auf den Zeitraum von 24 Monaten vor dem Versand der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 genannten Mitteilung beziehe und von dieser Untersuchung folglich nur die zwischen dem 10. Dezember 2008 und dem 9. Dezember 2010 getätigten Ausgaben betroffen seien, hat sie den in der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 eingenommenen Standpunkt in Anhang 1 der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 gleichwohl bekräftigt. Sie hat nämlich im Wesentlichen vorgetragen, dass die finanzielle Berichtigung auf der Grundlage sämtlicher von der Italienischen Republik im Rahmen der befristeten Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie getätigter – einschließlich der vor dem Zeitraum von 24 Monaten vor dem Versand der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 liegenden – Ausgaben festgelegt werden könne und die 24‑Monats-Frist im vorliegenden Fall folglich nach Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 berechnet werden müsse.

100    Jedenfalls ist festzustellen, dass die Italienische Republik nach Erhalt der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 885/2006 die Schlichtungsstelle angerufen und somit über die Möglichkeit verfügt hat, die Anwendbarkeit von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 vor dieser Stelle zu rügen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 26. September 2012, Italien/Kommission, T‑84/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:471, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

101    In der mündlichen Verhandlung hat die Italienische Republik jedoch anerkannt, dass sie die Anwendbarkeit von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 vor der Schlichtungsstelle nicht gerügt und sich ausschließlich auf die materiell-rechtliche Frage konzentriert habe, ob es möglich sei, die streitigen Silos zu erhalten und gleichzeitig eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau in Anspruch zu nehmen.

102    Schließlich sei in Erinnerung gerufen, dass die Kommission der Italienischen Republik nach Verkündung des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), mit Schreiben vom 28. März 2014 die Möglichkeit eingeräumt hat, eine zusätzliche Stellungnahme einzureichen (vgl. oben, Rn. 32). Auch in ihrem Antwortschreiben vom 30. Mai 2014 haben die italienischen Behörden die Anwendung von Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 auf den vorliegenden Fall jedoch nicht beanstandet (vgl. oben, Rn. 33).

103    In diesem Zusammenhang kann sich die Italienische Republik vor dem Gericht nicht auf eine Verfahrensgarantie berufen, die sie im Rechnungsabschlussverfahren selbst nicht in Anspruch genommen hat (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 9. September 1999, Petrides/Kommission, C‑64/98 P, EU:C:1999:399, Rn. 32).

104    Daher ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Dritter Teil des ersten Klagegrundes, mit dem im Wesentlichen ein Begründungsmangel geltend gemacht wird

105    Die Italienische Republik rügt im Wesentlichen eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses, weil die von der Kommission in der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 vorgenommene plötzliche und ungerechtfertigte Änderung der Rechtsgrundlage für die Berechnung der 24‑Monats-Frist in dieser Mitteilung nur sehr knapp begründet worden sei.

106    Die Kommission äußert sich nicht dazu.

107    Nach ständiger Rechtsprechung ist im besonderen Kontext der Ausarbeitung der Entscheidungen über den Rechnungsabschluss die Begründung einer Entscheidung dann als ausreichend anzusehen, wenn der Staat, der Adressat der Entscheidung ist, eng am Verfahren ihrer Ausarbeitung beteiligt war und die Gründe kannte, aus denen die Kommission der Ansicht war, den streitigen Betrag nicht zulasten des EAGFL übernehmen zu müssen (Urteile vom 1. Oktober 1998, Niederlande/Kommission, C‑27/94, EU:C:1998:446, Rn. 36, und vom 10. September 2008, Italien/Kommission, T‑181/06, nicht veröffentlicht, EU:T:2008:331, Rn. 32).

108    Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Anhang 1 der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 – in Rn. 12 des Teils „Vorbringen“ – darauf hingewiesen, dass die befristete Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 31. März 2012, also einen Zeitraum von 69 Monaten, betreffe. In Rn. 13 des Teils „Vorbringen“ hat sie außerdem erläutert, dass diese Regelung eine mehrjährige Maßnahme im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 darstelle, in deren Rahmen die gestaffelten Zahlungen der verschiedenen Tranchen der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau vorgenommen worden seien. Überdies hänge die Auszahlung jeder einzelnen Tranche der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau von der Leistung einer Sicherheit in Höhe von 120 % des Betrags der entsprechenden Tranche ab. Nach Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 dürfe die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Ausgaben mit den Zielen des Umstrukturierungsfonds für die Zuckerindustrie und den dazugehörigen Verordnungen darüber hinaus erst bei Fälligkeit der letzten dem Begünstigten auferlegten Verpflichtung, also am 31. März 2012, erfolgen. In Rn. 15 des Teils „Vorbringen“ von Anhang 1 der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 hat die Kommission im Wesentlichen den Schluss gezogen, dass sich das Rechnungsabschlussverfahren auf alle Ausgaben im Zusammenhang mit den den italienischen Unternehmen gewährten Umstrukturierungsbeihilfen beziehe, da die streitigen Silos nicht bis zum 31. März 2012 abgebaut worden seien.

109    Deshalb steht fest, dass die Kommission in der förmlichen Mitteilung vom 16. August 2012 hinreichend dargelegt hat, weshalb sämtliche Ausgaben, die in dem nach Art. 31 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 1290/2005 berechneten Zeitraum getätigt worden waren, in die finanzielle Berichtigung einbezogen werden mussten. Außerdem konnte die Italienische Republik aus den oben in Rn. 108 wiedergegebenen Gründen verstehen, weshalb die Kommission ihre Position zur Rechtsgrundlage für die Berechnung der in Art. 31 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1290/2005 genannten 24‑Monats-Frist geändert hatte.

110    Daher sind der dritte Teil des ersten Klagegrundes und folglich der erste Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006, die Verteidigungsrechte, die Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 sowie das Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C187/12 bis C189/12)

111    Der vorliegende Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Mit dem ersten Teil wird im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006 und die Verteidigungsrechte geltend gemacht. Der zweite Teil wird aus einem Verstoß gegen die Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 sowie das Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), hergeleitet.

 Erster Teil des zweiten Klagegrundes, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006 und die Verteidigungsrechte geltend gemacht wird

112    Die Italienische Republik trägt im Wesentlichen vor, die Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 verstoße gegen Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006, da sie ihr keine umfassende Kenntnis von den Vorbehalten der Kommission vermittelt und ihr nicht erlaubt habe, die in dieser Vorschrift verankerten Verteidigungsrechte in Anspruch zu nehmen. In diesem Zusammenhang macht sie zum einen geltend, die Kommission trage in der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 vor, dass es sich bei den Silos unter allen Umständen um Produktionsanlagen handle, während sie in dem nach Verkündung des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), versandten Schreiben vom 28. März 2014 eingeräumt habe, dass die Silos nicht zwangsläufig als Produktionsanlagen anzusehen seien. Zum anderen enthalte die Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 keinen Hinweis darauf, dass die Nutzung der Silos zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau zu beurteilen sei (im Folgenden: von der Kommission aufgestelltes Kriterium). Sie habe erst durch das Schreiben der Kommission vom 28. März 2014 umfassende Kenntnis von deren Vorbehalten in der Frage des Abbaus der Silos im Fall einer Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe sie jedoch nicht mehr sämtliche in Art. 11 der Verordnung Nr. 885/2006 verankerten Verfahrensgarantien in Anspruch nehmen und auch ihre Verteidigungsrechte nicht mehr ausüben können.

113    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

114    Es sei in Erinnerung gerufen, dass die abschließende, endgültige Entscheidung über den Rechnungsabschluss nach ständiger Rechtsprechung nach einem besonderen kontradiktorischen Verfahren ergeht, das den betroffenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer sachdienlichen Äußerung gewährleisten muss (Urteile vom 29. Januar 1998, Griechenland/Kommission, C‑61/95, EU:C:1998:27, Rn. 39, vom 14. Dezember 2000, Deutschland/Kommission, C‑245/97, EU:C:2000:687, Rn. 47, und vom 3. Juli 2014, Niederlande/Kommission, T‑16/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:603, Rn. 69).

115    Außerdem ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006, dass dem betroffenen Mitgliedstaat in der Erstmitteilung das Ergebnis der Überprüfungen der Kommission und die Abhilfemaßnahmen mitgeteilt werden müssen, die künftig die Beachtung der betreffenden Unionsvorschriften sicherstellen sollen (vgl. oben, Rn. 91).

116    Wie oben in Rn. 25 dargelegt worden ist, geht im vorliegenden Fall aus der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 hervor, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau nach Ansicht der Kommission nicht erfüllt waren, da bestimmte Produktionsanlagen, darunter die streitigen Silos, an den von den Untersuchungsbeauftragten der Kommission besuchten ehemaligen Zuckererzeugungsstätten erhalten worden waren. In dieser Mitteilung hat die Kommission ferner darauf hingewiesen, dass die italienischen Unternehmen nicht für die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau in Betracht kämen, wenn sie die Umstrukturierungspläne nicht vollständig durchführten und wenn die übrigen mit der Erzeugungstätigkeit in Zusammenhang stehenden Gebäude, darunter die streitigen Silos, nicht abgerissen würden.

117    In ihrem Schreiben vom 9. Februar 2011 ist die Italienische Republik der Auffassung der Kommission entgegengetreten, wonach es sich bei den Silos jedenfalls um Produktionsanlagen handle, die unter die Abbauverpflichtung fielen, und im Wesentlichen geltend gemacht, dass die streitigen Silos zum einen keine Produktionsanlagen darstellten, da sie ausschließlich für die Lagerung des Endprodukts bestimmt seien, und die Auslegung der Kommission zum anderen gegen die Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 verstoße. Die Italienische Republik hat ihren Standpunkt in der bilateralen Besprechung vom 4. Mai 2011, in ihrer Stellungnahme vom 2. November 2011 zum Protokoll dieser Besprechung und im Schlichtungsverfahren bekräftigt.

118    Im Rahmen der bilateralen Besprechung vom 4. Mai 2011 hat die Kommission ihren Standpunkt aufrechterhalten, wonach die streitigen Silos als wesentlicher Bestandteil der Produktionsanlagen anzusehen und deshalb abzubauen seien.

119    Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), im Wesentlichen entschieden, dass der Begriff „Produktionsanlagen“ Silos umfasst, die für die Lagerung von Zucker des Empfängers der Umstrukturierungsbeihilfe bestimmt sind. Er hat jedoch die Auffassung vertreten, dass dem in zwei Fällen nicht so ist (im Folgenden: vom Gerichtshof zugelassene Ausnahmen): zum einen dann, wenn nachgewiesen ist, dass die Silos ausschließlich für die Lagerung von im Rahmen einer Quote erzeugtem Zucker verwendet werden, der von anderen Erzeugern eingelagert wird oder bei diesen gekauft worden ist, und zum anderen dann, wenn sie ausschließlich für die Verpackung oder Aufmachung von andernorts erzeugtem Zucker zu Vertriebszwecken genutzt werden (Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 32, 33 und 35).

120    Im Licht des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), hat die Kommission ihre Position zur Einstufung der Silos geändert und den italienischen Behörden, worauf oben in den Rn. 32 und 102 hingewiesen worden ist, mit Schreiben vom 28. März 2014 eine Frist von zwei Monaten für die Vorlage überzeugender Beweise dafür gewährt, dass die streitigen Silos vor Stellung der Anträge auf die streitigen Beihilfen im vorliegenden Fall ausschließlich der Lagerung und Verpackung des von anderen Erzeugern im Rahmen einer Quote erzeugten Zuckers gedient hatten.

121    Die Italienische Republik ist dieser Aufforderung nicht nachgekommen. In ihrem Schreiben vom 30. Mai 2014 hat sie nämlich lediglich das von der Kommission aufgestellte Kriterium beanstandet. In diesem Zusammenhang hat sie u. a. geltend gemacht, der Gerichtshof habe im Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), ausdrücklich anerkannt, dass die Lagerungssilos nicht abgebaut zu werden bräuchten, wenn nachgewiesen sei, dass sie für die Lagerung des von anderen Erzeugern eingelagerten oder bei diesen gekauften Zuckers verwendet würden oder für die Aufmachung andernorts erzeugten Zuckers bestimmt seien. Eine Prüfung der Nutzung der Silos vor Stellung des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe sei daher überflüssig. Schließlich hätten die italienischen Behörden der Kommission sämtliche Dokumente im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Bewilligung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau übermittelt, einschließlich der genehmigten Umstrukturierungspläne und der jährlichen Berichte über die vor Ort durchgeführten Kontrollen, in denen aufgeführt sei, welche Einrichtungen und Anlagen abgerissen, welche erhalten und wie sie im Einzelnen tatsächlich genutzt worden seien.

122    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Italienische Republik davon abgesehen hat, Beweise dafür vorzulegen, dass die streitigen Silos zum Zeitpunkt des Beihilfeantrags keine Produktionsanlagen darstellten, und folglich darauf verzichtet hat, ihre Verteidigungsrechte im Zusammenhang mit dieser Frage auszuüben.

123    In Anbetracht des Vorstehenden und im Licht der oben in Rn. 103 angeführten Rechtsprechung ist die Rüge einer Verletzung der Verteidigungsrechte unbegründet und zurückzuweisen.

124    Daher ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zweiter Teil des zweiten Klagegrundes: Verstoß gegen die Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 sowie das Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C187/12 bis C189/12)

125    Die Italienische Republik, unterstützt durch die Französische Republik und Ungarn, macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen die Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 sowie das Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), verstoßen, als sie die Auffassung vertreten habe, die Erhaltung der streitigen Silos stehe einer Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau entgegen.

126    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik, der Französischen Republik und Ungarns entgegen.

127    Vorab sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), nachdem er festgestellt hatte, dass der Begriff „Produktionsanlagen“ in den Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 nicht definiert ist, erstens entschieden hat, dass der Begriff „Produktion“ auch andere Abschnitte der Herstellung eines Erzeugnisses, die dem chemischen oder physikalischen Verarbeitungsprozess vor- oder nachgelagert sind, umfassen und folglich die Lagerung von Zucker einschließen kann, der nicht unmittelbar nach seiner Gewinnung aus dem Rohmaterial verpackt wird. Er hat daher den Schluss gezogen, dass die Lagerung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 968/2006 „unmittelbar mit der Erzeugung von Zucker in Verbindung stehen“ kann (Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 26). Zweitens ist der Gerichtshof der Ansicht gewesen, dass die Silos einen unmittelbaren Einfluss auf die erzeugbaren Zuckermengen und auf den Produktionsprozess haben können, die von der Nähe einer Lagereinrichtung abhängen, da sie es insbesondere erlauben, den Vertrieb des Produkts eines bestimmten Wirtschaftsjahres ganz oder teilweise zu verschieben und damit die Marktsituation im Sinne des fünften Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 320/2006 zu beeinflussen (Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 27 bis 29). Drittens hat er im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass nach Art. 3 Abs. 3 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 320/2006 grundsätzlich der fragliche Industriekomplex insgesamt außer Betrieb zu setzen ist, damit eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau in Anspruch genommen werden kann, und die Möglichkeit, Anlagen, die keine Produktionsanlagen sind, nicht abzubauen oder sogar in Zukunft weiter zu benutzen und dabei den Anspruch auf die volle Beihilfe zu behalten, eine eng auszulegende Ausnahme darstellt (Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 30).

128    Im Licht des Vorstehenden hat der Gerichtshof in Rn. 31 des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), für Recht erkannt, dass zur Lagerung des Zuckers des Beihilfeempfängers bestimmte Silos als Produktionsanlagen einzustufen sind, und zwar unabhängig davon, dass sie auch zu anderen Zwecken genutzt werden. Der Gerichtshof hat jedoch zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen (vgl. oben, Rn. 119).

129    Im vorliegenden Fall bestreitet die Italienische Republik nicht, dass die streitigen Silos am Ende des Umstrukturierungsprozesses an mehreren Zuckererzeugungsstätten der italienischen Unternehmen, die eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau in Anspruch genommen hatten, erhalten worden waren. Sie bestreitet auch nicht, keine Beweise dafür vorgelegt zu haben, dass die streitigen Silos zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf völlige Umstrukturierungsbeihilfe unter die vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen fielen.

130    Die Italienische Republik, unterstützt durch die Französische Republik und Ungarn, vertritt jedoch die Auffassung, die oben in Rn. 129 wiedergegebenen Umstände könnten die ihr auferlegte finanzielle Berichtigung nicht rechtfertigen.

131    Aus den Erwägungsgründen 1 und 5 der Verordnung Nr. 320/2006 geht hervor, dass das Ziel der in Rede stehenden Regelung darin besteht, die unrentable Zuckererzeugungskapazität in der Union abzubauen, indem den Unternehmen mit der geringsten Produktivität ein Anreiz zur Einstellung ihrer Quotenzuckererzeugung und zum Verzicht auf die betreffenden Quoten geboten wird.

132    Aus dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 320/2006 ergibt sich ferner, dass das System der Umstrukturierung insoweit auf einer freiwilligen Beteiligung des Zuckerunternehmens beruht, als mit ihm eine angemessene Umstrukturierungsbeihilfe als wirksamer wirtschaftlicher Anreiz geboten werden sollte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 44).

133    Um das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgte Ziel des Abbaus der unrentablen Zuckererzeugungskapazität in der Union zu erreichen, hat der Unionsgesetzgeber zwei verschiedene Systeme der Umstrukturierung vorgesehen, die sich nach Maßgabe der Art des vorgenommenen Abbaus unterscheiden, nämlich den völligen oder den teilweisen Abbau, die zu Umstrukturierungsbeihilfen in unterschiedlicher Höhe führen, wie aus Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 320/2006 in Verbindung mit dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 968/2006 hervorgeht.

134    Was erstens die Voraussetzungen angeht, die erfüllt sein müssen, damit eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau gewährt werden kann, verlangt Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006, dass das beantragende Zuckerunternehmen die Quote aufgibt, die es einer oder mehreren Fabriken zugewiesen hat, die Fabrik schließt und die Produktionsanlagen vollständig abbaut. Für die Gewährung einer Umstrukturierungsbeihilfe für teilweisen Abbau verlangt Art. 3 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 vom beantragenden Zuckerunternehmen hingegen, dass es seine Quote aufgibt, die es einer oder mehreren Fabriken zugewiesen hat, die betreffenden Produktionsanlagen der Fabriken teilweise abbaut und die übrigen Produktionsanlagen nicht mehr für die Erzeugung von Produkten verwendet, die unter die Gemeinsame Marktorganisation für Zucker (im Folgenden: GMO Zucker) fallen.

135    Zweitens wird in Art. 4 der Verordnung Nr. 968/2006 klargestellt, auf welche Produktionsanlagen sich die Abbauverpflichtung bezieht.

136    Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 968/2006 betrifft die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 320/2006 genannte Verpflichtung zum völligen Abbau Anlagen, die zur Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup benötigt werden (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 968/2006), solche, die unmittelbar mit der Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup in Verbindung stehen und für die Erzeugung im Rahmen der aufgegebenen Quote erforderlich sind, und zwar selbst dann, wenn sie für andere Produktionszwecke verwendet werden könnten (Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 968/2006), sowie alle sonstigen Anlagen, wie beispielsweise Verpackungsanlagen, die nicht mehr in Betrieb befindlich und aus Umweltschutzgründen abzubauen und zu entsorgen sind (Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006).

137    Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 320/2006 und dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 968/2006 können im Fall eines völligen Abbaus somit ausnahmsweise alle Anlagen erhalten werden, die weder zur Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup benötigt werden noch unmittelbar mit der Erzeugung dieser Produkte in Verbindung stehen, wie beispielsweise Verpackungsanlagen, sofern sie in Betrieb befindlich und nicht aus Umweltschutzgründen abzubauen und zu entsorgen sind.

138    Darüber hinaus sieht Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 968/2006 vor, dass die Abbauverpflichtung bei einem teilweisen Abbau die in Abs. 1 dieses Artikels genannten Anlagen betrifft (vgl. oben, Rn. 136), die nach dem Umstrukturierungsplan nicht für andere Produktionszwecke oder sonstige Verwendungen auf dem Fabrikgelände genutzt werden sollen. Außerdem geht aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 hervor, dass Produktionsanlagen, die erhalten werden können, nicht mehr für die Erzeugung von Produkten verwendet werden dürfen, die unter die GMO Zucker fallen. Daher können gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 968/2006 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 Anlagen erhalten werden, die für die Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup benötigt wurden oder unmittelbar mit der Erzeugung dieser Produkte in Verbindung standen, sofern sie nicht mehr für die Erzeugung von Produkten verwendet werden, die unter die GMO Zucker fallen, und nach dem Umstrukturierungsplan für andere Produktionszwecke oder sonstige Verwendungen auf dem Fabrikgelände genutzt werden sollen.

139    Drittens müssen die Zuckerunternehmen bei Stellung des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe zwischen völligem und teilweisem Abbau wählen.

140    Aus Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, c, d und e in Verbindung mit Abs. 3 Buchst. c und h der Verordnung Nr. 320/2006 sowie Art. 9 Abs. 2 Buchst. a und c der Verordnung Nr. 968/2006 ergibt sich nämlich, dass ein Antrag auf Umstrukturierungsbeihilfe u. a. die Verpflichtung des Beihilfeantragstellers zur Aufgabe der betreffenden Quote und zum vollständigen oder teilweisen Abbau der Produktionsanlagen innerhalb einer von dem betreffenden Mitgliedstaat zu setzenden Frist sowie einen Umstrukturierungsplan umfassen muss, der u. a. eine vollständige technische Beschreibung der betreffenden Produktionsanlagen, eine Übersicht der Maßnahmen und Aktionen sowie der geschätzten Kosten für diese Maßnahmen und Aktionen, den Finanzplan sowie den Zeitplan für die Umsetzung der verschiedenen vorgesehenen Maßnahmen enthalten muss.

141    Im Einklang mit den oben in Rn. 140 erwähnten Bestimmungen muss der Beihilfeempfänger somit spätestens zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe für völligen oder teilweisen Abbau sämtliche Produktionsanlagen bezeichnet haben, zu deren Abbau er sich nach dem Umstrukturierungsplan verpflichtet. Hinsichtlich der streitigen Silos setzt dies daher voraus, dass bereits bei Stellung des Beihilfeantrags festgelegt werden muss, ob sie Produktionsanlagen darstellen, deren Abbau bei einem Antrag auf Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau zwingend im Umstrukturierungsplan vorzusehen ist, oder ob sie unter die vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen fallen.

142    Jede andere Auslegung würde die in Art. 4 der Verordnung Nr. 320/2006 und Art. 9 der Verordnung Nr. 968/2006 aufgestellten Anforderungen ihres Inhalts berauben und überdies die in der in Rede stehenden Regelung vorgenommene Unterscheidung zwischen teilweisem und völligem Abbau verkennen (vgl. oben, Rn. 133).

143    Zum einen würden, falls die Zuckerunternehmen zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe nicht wissen, ob die auf ihren Produktionsgeländen vorhandenen Silos Produktionsanlagen darstellen oder nicht, diese unter Verstoß gegen Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 320/2006 im Umstrukturierungsplan insoweit nicht als abzubauende Produktionsanlagen erwähnt (vgl. oben, Rn. 140).

144    Außerdem würde die Verpflichtung zum Abbau sämtlicher Produktionsanlagen, die bei Stellung eines Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau eingegangen werden muss (vgl. oben, Rn. 140), verletzt, da sie sich naturgemäß nicht auf die Gesamtheit der zum Zeitpunkt der Übernahme dieser Verpflichtung bestehenden Produktionsanlagen bezöge.

145    Zum anderen könnten Silos, die zum Zeitpunkt des Beihilfeantrags Produktionsanlagen darstellten, bei einer Prüfung ihrer Einstufung als Produktionsanlagen am Ende des Umstrukturierungsprozesses sowohl im Fall eines völligen Abbaus als auch bei teilweisem Abbau erhalten werden, weil sie nach der Umstrukturierung nicht mehr als Zuckererzeugungsanlagen genutzt werden sollen. Folglich wäre die Möglichkeit zur Erhaltung eines Teils der Produktionsanlagen nicht mehr charakteristisch für den teilweisen Abbau, sondern würde sich auch auf den völligen Abbau erstrecken, obwohl die Betreiber aufgrund der damit verbundenen Kosten eine um 25 % höhere Umstrukturierungsbeihilfe erhalten als bei teilweisem Abbau, wie aus Art. 3 Abs. 5 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 320/2006 sowie dem vierten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 968/2006 hervorgeht.

146    Entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik, der Französischen Republik und Ungarns hat die Kommission daher keinen Fehler begangen, als sie die Ansicht vertreten hat, die Einstufung der streitigen Silos sei zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe zu prüfen.

147    Die vorstehende Feststellung kann durch das Vorbringen der Italienischen Republik, der Französischen Republik und Ungarns nicht entkräftet werden.

148    Als Erstes macht die Italienische Republik in Bezug auf die für die Aufmachungs- und Verpackungstätigkeit bestimmten Silos geltend, das von der Kommission aufgestellte Kriterium entspreche nicht dem mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziel der Erhaltung der Arbeitsplätze und der Tätigkeit der von der Umstrukturierung betroffenen Unternehmen. Sie weist insoweit darauf hin, dass die in Rede stehende Regelung ausdrücklich die Aufrechterhaltung der Verpackungstätigkeiten und den Erhalt der dafür benötigten Anlagen erlaube. Um die Kontinuität der Verpackungstätigkeit sicherzustellen, müssten jedoch unstreitig Silos vorgehalten werden. Werde ein für die Verpackung verwendetes Silo abgerissen, führe dies folglich zur Einstellung des Geschäftsbetriebs des betreffenden Unternehmens und zum Verlust von Arbeitsplätzen, was dem zuvor in Erinnerung gerufenen Ziel zuwiderlaufe.

149    In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass mehrere Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 die Bedeutung belegen, die der Unionsgesetzgeber der Beschäftigungssituation in den von der Umstrukturierung der Zuckerindustrie betroffenen Regionen beigemessen hat. Beispielsweise ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 Buchst. c und Abs. 4 Buchst. c der Verordnung Nr. 320/2006, dass sowohl bei völligem als auch bei teilweisem Abbau der Produktionsanlagen Maßnahmen getroffen werden müssen, die die Wiederbeschäftigung der Arbeitskräfte erleichtern. Außerdem gestattet Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 968/2006 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 bei einem teilweisen Abbau den Erhalt der Produktionsanlagen, um sie für die Erzeugung von Produkten wiederzuverwenden, die nicht unter die GMO Zucker fallen (vgl. oben, Rn. 138), wodurch die Arbeitsplätze an den ehemaligen Zuckererzeugungsstätten erhalten werden können. In der gleichen Weise gestattet Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006 in Verbindung mit dem vierten Erwägungsgrund dieser Verordnung bei einem völligen Abbau den Erhalt der Anlagen, die weder zur Erzeugung von Zucker, Isoglukose oder Inulinsirup benötigt werden noch unmittelbar mit der Erzeugung dieser Produkte in Verbindung stehen, wie beispielsweise Verpackungsanlagen, die in Betrieb befindlich und nicht aus Umweltschutzgründen abzubauen und zu entsorgen sind (vgl. oben, Rn. 137).

150    Das Ziel des Schutzes der Arbeitsplätze und der Tätigkeit der von der Umstrukturierung betroffenen Unternehmen ist gleichwohl zusammen mit dem in den Erwägungsgründen 1 und 5 der Verordnung Nr. 320/2006 zum Ausdruck kommenden Hauptziel der in Rede stehenden Regelung, nämlich dem Abbau der unrentablen Zuckererzeugungskapazität in der Union, zu prüfen (vgl. oben, Rn. 131).

151    Außerdem können die von der Italienischen Republik angestellten Erwägungen sozialer Art die von ihr vorgeschlagene Auslegung der in Rede stehenden Regelung, welche die wesentliche Unterscheidung, die der Unionsgesetzgeber zwischen teilweisem und völligem Abbau hat einführen wollen (vgl. oben, Rn. 133, 134 und 145), unterläuft und folglich gegen diese Regelung verstößt, nicht rechtfertigen.

152    Daher ist das Argument der Italienischen Republik zurückzuweisen.

153    Als Zweites machen die Italienische Republik, die Französische Republik und Ungarn im Wesentlichen geltend, die Verpflichtung zum völligen Abbau der Produktionsanlagen könne auch dann erfüllt sein, wenn die für die Verpackung oder Aufmachung bestimmten Silos nicht zerstört würden, sofern die Erzeugungsquote aufgegeben und damit die Zuckererzeugung endgültig eingestellt werde.

154    Aus den Rn. 133, 134 und 145 des vorliegenden Urteils geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber, um das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgte Ziel des Abbaus der unrentablen Zuckererzeugungskapazität in der Union zu erreichen, zwei sich nach der Art des vorgenommenen Abbaus unterscheidende Umstrukturierungsregelungen vorgesehen hat, die zu Umstrukturierungsbeihilfen in unterschiedlicher Höhe führen. Außerdem setzt die Wahl zwischen teilweisem und völligem Abbau, wie oben in den Rn. 139 bis 141 ausgeführt, voraus, dass das eine Umstrukturierungsbeihilfe beantragende Unternehmen bereits bei Stellung des Beihilfeantrags sämtliche auf dem betreffenden Gelände vorhandenen Produktionsanlagen bezeichnet, zu deren vollständiger oder teilweiser Zerstörung vor Ende des Umstrukturierungsprozesses es sich verpflichtet.

155    Folglich müssen die abzubauenden Produktionsanlagen nach der Logik des vom Unionsgesetzgeber eingeführten Systems bereits bei Stellung des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe bezeichnet werden. Entgegen dem Vorbringen Ungarns läuft das von der Kommission aufgestellte Kriterium der Systematik der Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie daher nicht zuwider.

156    In Anbetracht des Vorstehenden ist das Vorbringen der Italienischen Republik, der Französischen Republik und Ungarns zurückzuweisen.

157    Als Drittes wirft die Italienische Republik der Kommission vor, im Schreiben vom 28. März 2014 von ihr einen Nachweis darüber verlangt zu haben, dass die streitigen Verpackungssilos ausschließlich dazu verwendet würden, von anderen Erzeugern erzeugten Zucker zu verpacken. Die Erhaltung der für die Verpackung bestimmten Silos sei nämlich nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006 zulässig, so dass es keine Rolle spiele, ob der zu verpackende Zucker von anderen Erzeugern oder vom Anlagenbetreiber stamme. Ebenso wie die Französische Republik trägt sie ferner vor, aus Rn. 33 des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), ergebe sich, dass Aufmachungs- oder Verpackungssilos nicht als Produktionsanlagen einzustufen seien, wenn der in diesen Silos gelagerte Zucker „andernorts im Rahmen einer Quote“ erzeugt werde, während es für Lagerungssilos nach Rn. 32 des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), erforderlich sei, dass der Zucker bei anderen Erzeugern gekauft worden sei.

158    Erstens ist oben in den Rn. 136 und 137 bereits ausgeführt worden, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006 lediglich die Erhaltung von Anlagen gestattet, die keine Produktionsanlagen sind. Folglich hat die Kommission die Italienische Republik zu Recht aufgefordert, im Wesentlichen nachzuweisen, dass die streitigen Verpackungssilos, deren Vorhandensein auf den abgebauten Produktionsgeländen im Rahmen der Untersuchung EX/2010/010/IT festgestellt worden war, zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe unter eine der vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen fielen und daher nicht als Produktionsanlagen einzustufen waren.

159    Zweitens hat der Gerichtshof im Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 26 und 31), entschieden, dass ein Silo, das zur Lagerung des Zuckers des Beihilfeempfängers gedient hat, eine Anlage darstellt, die im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 968/2006 unmittelbar mit der Erzeugung von Zucker in Verbindung steht. Ein solches Silo falle somit nicht unter die in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006 genannten sonstigen Anlagen, wie beispielsweise Verpackungsanlagen, deren Erhaltung bei einem völligen Abbau zulässig sein kann, sofern sie in Betrieb befindlich und nicht aus Umweltschutzgründen abzubauen und zu entsorgen sind.

160    Silos, die für die Lagerung der Produktion des Beihilfeempfängers verwendet wurden, können gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006 folglich nicht erhalten werden, da das nur bei einem teilweisen Abbau und unter der Voraussetzung möglich ist, dass diese Silos nach der Umstrukturierung nicht mehr für die Erzeugung von unter die GMO Zucker fallenden Produkten genutzt werden.

161    In Anbetracht des Vorstehenden ist auch das von Ungarn in seiner Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts vorgebrachte Argument zurückzuweisen, wonach der vierte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 968/2006 innerhalb der Produktionsanlagen eine Untergruppe von Anlagen unterscheide, „die nicht Bestandteil der eigentlichen Produktionsanlage sind“, darunter Silos zur Lagerung von Zucker, und unabhängig vom vollständigen oder partiellen Charakter des Abbaus erhalten werden dürften.

162    Drittens hat die Italienische Republik im betreffenden Rechnungsabschlussverfahren nicht nachgewiesen, ja nicht einmal vorgetragen, dass die streitigen Silos zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe für die Aufmachung und Verpackung von Zucker verwendet wurden, den der Beihilfeempfänger im Rahmen einer anderen Erzeugungsquote andernorts erzeugt hatte. Folglich braucht auf das Argument der Italienischen Republik, wonach im Wesentlichen Silos, die für die Aufmachung und Verpackung von „andernorts im Rahmen einer Quote erzeugtem“ Zucker bestimmt seien, unter eine der vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen fielen, nicht geantwortet zu werden, da damit nicht die von der Kommission getroffene Feststellung in Frage gestellt wird, dass die streitigen Silos zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe nicht unter eine der vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen fielen.

163    Daher ist das Argument der Italienischen Republik zurückzuweisen.

164    Als Viertes trägt die Italienische Republik im Wesentlichen vor, die Folgen der von der Kommission angewandten finanziellen Berichtigung und des Abbaus der streitigen Silos stünden in einem unangemessenen Verhältnis zu den mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Zielen, die durch die Aufgabe der Quote und die damit verbundene endgültige Einstellung der Zuckererzeugung voll und ganz erreicht würden.

165    Zunächst ist festzustellen, dass die in Rede stehende Regelung die Zerstörung der Produktionsanlagen, einschließlich der Silos, die der Lagerung des vom Beihilfeempfänger erzeugten Zuckers gedient haben, nur bei einem völligem Abbau vorschreibt. Eine solche Verpflichtung erscheint angesichts des mit dieser Regelung verfolgten Ziels, die unrentable Zuckererzeugungskapazität in der Union abzubauen, nicht unverhältnismäßig.

166    Sodann ist die Erhaltung der Silos, sollten sie zum Zeitpunkt des Beihilfeantrags als Produktionsanlagen eingestuft werden, bei einem teilweisen Abbau zulässig. In diesem Fall muss der Beihilfeempfänger die Silos nicht abbauen und kann auf dem teilweise abgebauten Produktionsgelände weiterhin wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben. Aus diesen Gründen erhält er eine um 25 % geringere Umstrukturierungsbeihilfe, als er sie bei einem völligen Abbau erhielte.

167    Im Übrigen ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss die Italienische Republik nicht zur Zerstörung der streitigen Silos verpflichtet, sondern eine finanzielle Berichtigung von 25 % ausspricht, die der Differenz zwischen dem Betrag der Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau und dem der Umstrukturierungsbeihilfe für teilweisen Abbau entspricht.

168    Schließlich sei darauf hingewiesen, dass die in Rede stehende Regelung, wie der Gerichtshof im Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), zur Frage der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung festgestellt hat, es dem Erzeuger erlaubt, frei zu entscheiden, ob er in den Genuss der Beihilfe gelangen möchte, die Fabrik auszuwählen, für die er die entsprechende Quote aufgibt, und sich gegebenenfalls für einen vollständigen oder nur teilweisen Abbau der Produktionsanlagen zu entscheiden. Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass der Vorteil, den der Erzeuger durch die Umstrukturierungsbeihilfe erlangen kann, somit großenteils von seinen eigenen Entscheidungen abhängt. Folglich ist er zu dem Schluss gelangt, dass die fragliche Regelung nicht unverhältnismäßig ist (Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 44 bis 46).

169    Daher ist das Argument der Italienischen Republik zurückzuweisen.

170    Als Fünftes machen die Französische Republik und Ungarn geltend, das von der Kommission aufgestellte Kriterium berücksichtige nicht den saisonalen Charakter der Zuckererzeugung und stelle die praktische Anwendbarkeit der vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen in Frage. Sie weisen insoweit darauf hin, dass die Anträge auf Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 320/2006 bis zum 31. Januar vor dem jeweiligen Wirtschaftsjahr, in dem die Quote hätte aufgegeben werden müssen, beim Mitgliedstaat zu stellen gewesen seien. Da dieses Datum im saisonalen Zuckererzeugungszyklus gelegen habe, sei es unter Berücksichtigung der Funktions- und Verwendungsmerkmale der Silos jedoch sehr wahrscheinlich gewesen, dass diese noch für die Quotenzuckererzeugung des Antragstellers der Umstrukturierungsbeihilfe verwendet worden seien. Daher sei die Annahme, so Ungarn, dass die Unternehmen zu diesem Zeitpunkt ausschließlich von Anderen erzeugten Zucker in den Silos lagerten, unrealistisch. Die Französische Republik fügt dem hinzu, dass ein Unternehmen nur selten an ein- und demselben Ort über eine Anlage zur Erzeugung eigenen Quotenzuckers und über Silos verfüge, die zur Lagerung, Verpackung oder Aufmachung von Zucker dienten, der von anderen Erzeugern im Rahmen einer Quote erzeugt worden sei.

171    Zum einen bedeutet die Tatsache, dass es schwierig ist, bereits bei Stellung des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe die Voraussetzungen der vom Gerichtshof zugelassenen Ausnahmen zu erfüllen, nicht, dass diese Voraussetzungen nicht erfüllt werden können. Die Kommission hat im Übrigen das Urteil Nr. 2966 des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) vom 15. Juni 2015 vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass von den drei am Tag des Antrags auf die betreffende Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau vorhandenen Silos eines für die Lagerung des auf dem Produktionsgelände des beihilfebegünstigten Unternehmens erzeugten Zuckers verwendet wurde, während die beiden anderen Silos der Lagerung und Verpackung des von anderen Erzeugern erzeugten Zuckers dienten.

172    Zum anderen ist die Erhaltung der Silos, die keine Produktionsanlagen darstellen, eine Ausnahme von der vom Gerichtshof in Rn. 30 des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), in Erinnerung gerufenen Regel, wonach der fragliche Industriekomplex insgesamt außer Betrieb zu setzen ist, damit die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau gewährt werden kann. Dass die Silos bei einer Prüfung ihrer Nutzung am Tag des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe nahezu immer als Produktionsanlagen eingestuft werden, ist daher nur die Folge der Tatsache, dass die Möglichkeit, Anlagen, die keine Produktionsanlagen sind, nicht abzubauen oder sogar in Zukunft weiter zu benutzen und dabei den Anspruch auf die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau zu behalten, eine eng auszulegende Ausnahme von der vom Gerichtshof in Erinnerung gerufenen Regel darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a., C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737, Rn. 30).

173    Folglich ist das Vorbringen der Französischen Republik und Ungarns zurückzuweisen.

174    Als Sechstes trägt die Französische Republik vor, aus der in Art. 11 der Verordnung Nr. 968/2006 vorgesehenen Möglichkeit zur Änderung des Umstrukturierungsplans ergebe sich, dass sich die genaue Nutzung der erhaltenen Silos im Verlauf des Abbauprozesses noch ändern könne. Daher stehe der evolutive Charakter des Abbauprozesses einer Prüfung der Nutzung der Silos zum Zeitpunkt des Beihilfeantrags entgegen. Ungarn seinerseits macht im Wesentlichen geltend, das von der Kommission aufgestellte Kriterium widerspreche dem Handlungsspielraum, über den die Zuckerunternehmen nach der anwendbaren Regelung, insbesondere nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 968/2006, bei der Erstellung und Durchführung der Umstrukturierungspläne verfügten.

175    Zum einen dürfen der Handlungsspielraum, über den die Beihilfeempfänger bei der Erstellung des Umstrukturierungsplans verfügen, und die Möglichkeit, diesen Umstrukturierungsplan nach Art. 11 der Verordnung Nr. 968/2006 zu ändern, nicht gegen die Bestimmungen der Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006, insbesondere die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b der Verordnung Nr. 320/2006 festgelegte Hauptverpflichtung zum Abbau der Produktionsanlagen, die bei einem völligen Abbau die Zerstörung aller am Tag des Beihilfeantrags vorhandenen Produktionsanlagen beinhaltet, verstoßen.

176    Zum anderen berücksichtigt das Vorbringen der Französischen Republik und Ungarns nicht den Unterschied zwischen völligem und teilweisem Abbau, der mit der in Rede stehenden Regelung gleichwohl untrennbar verknüpft ist (vgl. oben, Rn. 133, 134 und 145). Die Möglichkeit zur Erhaltung von Produktionsanlagen, darunter Silos, besteht jedoch nur bei einem teilweisen Abbau und gegen Zahlung eines Beihilfebetrags, der unter dem Betrag liegt, der bei einem Abbau aller Produktionsanlagen gezahlt würde.

177    Daher ist das Vorbringen der Französischen Republik und Ungarns zurückzuweisen.

178    Als Siebtes und Letztes macht die Französische Republik im Wesentlichen geltend, aus der Verwendung des Indikativ Futur in der französischen Sprachfassung des Ausdrucks „Produktionsanlagen, die nicht … verwendet werden [sollen]“ in Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 ergebe sich, dass die Voraussetzung im Zusammenhang mit der Nutzung der auf einem Produktionsgelände erhaltenen Anlagen nicht zum Zeitpunkt des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe geprüft werden dürfe.

179    Es sei in Erinnerung gerufen, dass es nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 bei einem teilweisen Abbau zulässig ist, einen Teil der Produktionsanlagen zu erhalten und diejenigen abzubauen, die vom Beihilfeempfänger nach Abschluss der Umstrukturierung voraussichtlich nicht mehr verwendet werden. Außerdem stellt Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 968/2006 in diesem Zusammenhang klar, dass alle Anlagen abzubauen sind, „die nach dem Umstrukturierungsplan nicht für andere Produktionszwecke oder sonstige Verwendungen auf dem Fabrikgelände genutzt werden sollen“.

180    Aus einer Zusammenschau der oben in Rn. 179 erwähnten Bestimmungen geht daher hervor, dass der Empfänger einer Umstrukturierungsbeihilfe für teilweisen Abbau bereits bei Stellung des Antrags auf Umstrukturierungsbeihilfe wissen muss, welche Anlagen er nach Abschluss der Umstrukturierung nicht mehr zu verwenden gedenkt, und sie im Umstrukturierungsplan aufzuführen hat.

181    Vor diesem Hintergrund kann die Verwendung des Indikativ Futur in der französischen Sprachfassung von Art. 3 Abs. 4 Buchst. b der Verordnung Nr. 320/2006 dem von der Kommission aufgestellten Kriterium nicht entgegenstehen.

182    Daher ist das Argument der Französischen Republik zurückzuweisen.

183    Da keines der Argumente der Italienischen Republik, der Französischen Republik und Ungarns begründet ist, sind der zweite Teil des zweiten Klagegrundes und folglich der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Dritter Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der loyalen Zusammenarbeit, ne bis in idem und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie Verletzung der Fürsorgepflicht

184    Der dritte Klagegrund gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile. Der erste Teil wird aus einem Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der loyalen Zusammenarbeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie einer Verletzung der Fürsorgepflicht hergeleitet. Mit dem zweiten Teil wird ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem geltend gemacht.

185    Zunächst ist der zweite Teil und anschließend der erste Teil des dritten Klagegrundes zu prüfen.

 Zweiter Teil des dritten Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem

186    Die Italienische Republik rügt einen Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem und begründet dies im Wesentlichen damit, dass sich die frühere Untersuchung EX/2008/008/IT der Kommission auf Fragen bezogen habe, die mit denen der Untersuchung EX/2010/010/IT identisch seien.

187    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

188    Ohne dass auf die Frage eingegangen zu werden braucht, ob der Grundsatz ne bis in idem im Rahmen des Verfahrens für den Rechnungsabschluss des EAGFL Anwendung findet, ist erstens mit der Kommission festzustellen, dass die Untersuchungen EX/2008/008/IT und EX/2010/010/IT verschiedene Zielsetzungen verfolgten. Aus dem Auftragsschreiben für die Untersuchung EX/2008/008/IT, das die Kommission den italienischen Behörden per Telefax vom 10. Oktober 2008 übermittelt hat, geht nämlich hervor, dass die Kommission im Wesentlichen Kontrollen im Zusammenhang mit der Erzeugung von und dem Handel mit Zucker ab dem Wirtschaftsjahr 2006/2007 sowie bestehende Kontrollberichte untersuchen und erörtern wollte. Aus dem Auftragsschreiben für die Untersuchung EX/2010/010/IT, das die Kommission den italienischen Behörden per Telefax vom 30. August 2010 übermittelt hat, geht hingegen hervor, dass die Kommission beabsichtigte, die Produktionsstätten der durch die Umstrukturierungsbeihilfe begünstigten italienischen Unternehmen zu besichtigen, Kontrollen der Maßnahmen zur Umstrukturierung der Zuckerindustrie zu erörtern und ausgewählte Zahlungen zu untersuchen.

189    Darüber hinaus ist in Bezug auf die Untersuchung EX/2008/008/IT festzustellen, dass die Kommission den italienischen Behörden am 8. April 2009 eine aus einem Schreiben und einer Anlage bestehende Mitteilung im Sinne von Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 übermittelt hatte, mit der sie den italienischen Behörden im Einklang mit dieser Vorschrift die in der in Rede stehenden Anlage dargelegten Ergebnisse der Untersuchung mitteilte. Darin hieß es u. a., dass „die fraglichen Produktionsstätten von Eridania [Sadam] im Großen und Ganzen bereits abgerissen worden [seien], vor Ort noch einige Lagerungssilos und Verpackungsmaschinen in Betrieb [seien]“ und „[d]en Angaben der Inspektoren zufolge bisher keine Probleme aufgetreten [seien]“. Dieser Auszug aus der Anlage zur Mitteilung vom 8. April 2009 bezieht sich jedoch auf Aussagen der technischen Inspektoren der Agenzia per le Erogazioni in Agricoltura (AGEA, Agentur für die Gewährung von Beihilfen im Agrarsektor, Italien) anlässlich des Besuchs der Kommission am Verwaltungssitz des Unternehmens Eridania Sadam, die die Kommission im Rahmen der Darlegung der Ergebnisse der Untersuchung EX/2008/008/IT lediglich wiedergegeben hat, ohne Konsequenzen daraus zu ziehen.

190    Außerdem lässt die Tatsache, dass die Kommission im Rahmen der Untersuchung EX/2008/008/IT um die Übermittlung der Kontrollberichte und von Informationen über die Umstrukturierungspläne zweier am Umstrukturierungsprogramm teilnehmender italienischer Unternehmen gebeten hat, nicht den Schluss zu, dass sich die Kommission mit der Frage des tatsächlichen Abbaus aller Produktionsanlagen, einschließlich der streitigen Silos, beschäftigt hätte.

191    Zweitens hat die Italienische Republik im Rahmen der Untersuchung EX/2010/010/IT – in ihrer Stellungnahme vom 2. November 2011 zum Protokoll der bilateralen Besprechung vom 4. Mai 2011 (vgl. oben, Rn. 28) – ausdrücklich vorgetragen, dass sich diese Untersuchung und die Untersuchung EX/2008/008/IT unterschieden, insbesondere, dass die Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 keinerlei Verweis auf die Untersuchung EX/2008/008/IT oder die in diesem Rahmen durchgeführten Überprüfungen enthalte, einerseits, und lediglich Tatsachen oder Umstände aufführe, die ausschließlich im Laufe der Untersuchung EX/2010/010/IT festgestellt worden seien, andererseits.

192    In Anbetracht des Vorstehenden ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz ne bis in idem zurückzuweisen.

 Erster Teil des dritten Klagegrundes: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der loyalen Zusammenarbeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie Verletzung der Fürsorgepflicht

193    Die Italienische Republik macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes, der loyalen Zusammenarbeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen sowie die Fürsorgepflicht verletzt, da sie Kenntnis von der Auffassung der italienischen Behörden zur Erhaltung der streitigen Silos im Falle eines völligen Abbaus gehabt habe, bis zur Untersuchung EX/2010/010/IT insoweit aber keine Einwände erhoben habe. Auch die Tatsache, dass die Frage der streitigen Silos erneut in die Untersuchung EX/2010/010/IT einbezogen worden sei, stelle einen Verstoß gegen die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie eine Verletzung der Fürsorgepflicht dar.

194    Die Französische Republik trägt ihrerseits vor, die Kommission habe insoweit gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verstoßen, als sie, obwohl sich ihre Auslegung des Begriffs „Produktionsanlagen“ im Laufe der Zeit verändert habe, nicht alle Mitgliedstaaten darüber informiert habe, was zu Ungleichbehandlungen zwischen diesen Staaten geführt habe.

195    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen. Sie vertritt ferner die Ansicht, das von der Französischen Republik zur Stützung der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit angeführte Vorbringen stelle einen Klagegrund dar, der von der Italienischen Republik nicht vorgebracht worden und daher unzulässig sei.

196    Als Erstes ist die Behauptung der Italienischen Republik, dass die Kommission die Frage der streitigen Silos unter Verstoß gegen die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie unter Verletzung der Fürsorgepflicht erneut in die Untersuchung EX/2010/010/IT einbezogen habe, aus den oben in den Rn. 188 bis 191 dargelegten Gründen zurückzuweisen.

197    Als Zweites sei darauf hingewiesen, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, gegenseitig achten und unterstützen.

198    Der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ist seiner Natur nach beiderseitig. Er verpflichtet die Mitgliedstaaten nämlich dazu, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten, und erlegt den Unionsorganen entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf (Urteile vom 16. Oktober 2003, Irland/Kommission, C‑339/00, EU:C:2003:545, Rn. 71 und 72, sowie vom 6. November 2014, Griechenland/Kommission, T‑632/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:934, Rn. 34).

199    Aus der oben in Rn. 198 wiedergegebenen Rechtsprechung ergibt sich, dass es im vorliegenden Fall Sache der Mitgliedstaaten war, für die Beseitigung von Unklarheiten hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung der in Rede stehenden Regelung zu sorgen und gegebenenfalls die Kommission zu der Möglichkeit zu befragen, Unternehmen, die Silos zu erhalten beabsichtigten, eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau zu gewähren, zumal die Entscheidung über die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Art. 5 der Verordnung Nr. 320/2006 dem mit einem solchen Antrag befassten Mitgliedstaat obliegt.

200    Bei Zweifeln hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung der in Rede stehenden Regelung hatte die Italienische Republik somit die Kommission zu befragen.

201    Aus den Verfahrensakten geht jedoch nicht hervor, dass die Italienische Republik die Kommission ausdrücklich zu der Möglichkeit befragt hätte, die streitigen Silos zu erhalten und eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau in Anspruch zu nehmen. Insbesondere ist festzustellen, dass diese Frage von den italienischen Behörden im Telefax vom 22. März 2006, das der Kommission übermittelt worden war, um Klarstellungen zur Auslegung des Entwurfs der Verordnung Nr. 968/2006 u. a. in Bezug auf den völligen Abbau zu erhalten, nicht aufgeworfen worden war. Auch der Bericht der Schlichtungsstelle vom 10. Februar 2013 (vgl. oben, Rn. 30) bestätigt, dass die Italienische Republik nicht zu den sechs Mitgliedstaaten gehörte, die gezielte Fragen zur Einbeziehung von Silos in die Abbauvorgänge gestellt haben.

202    Entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik war die Kommission daher nicht verpflichtet, sie im Vorfeld der Untersuchung EX/2010/010/IT über ihren Standpunkt zum Abbau der streitigen Silos zu informieren.

203    In Anbetracht des Vorstehenden ist auch das oben in Rn. 194 wiedergegebene Vorbringen der Französischen Republik zurückzuweisen, da von der Kommission nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nicht verlangt werden konnte, dass sie allen Mitgliedstaaten ihren Standpunkt zum Abbau der Silos mitteilt.

204    Schließlich können nach Art. 40 Abs. 5 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß Art. 53 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht entsprechend anwendbar ist, mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Außerdem bestimmt Art. 145 Abs. 2 der Verfahrensordnung, dass der Streithilfeschriftsatz insbesondere die Anträge des Streithelfers, die der vollständigen oder teilweisen Unterstützung der Anträge einer Hauptpartei zu dienen bestimmt sind, sowie die vom Streithelfer geltend gemachten Gründe und Argumente enthalten muss.

205    Nach der Rechtsprechung verleihen diese Bestimmungen dem Streithelfer das Recht, nicht nur Argumente, sondern auch Angriffs- und Verteidigungsmittel selbständig vorzubringen, soweit sie die Anträge einer der Parteien unterstützen und nicht völlig anderer Natur sind als die Erwägungen, die dem Rechtsstreit, wie er zwischen dem Kläger und dem Beklagten begründet worden ist, zugrunde liegen, was den Gegenstand des Rechtsstreits verändern würde (vgl. Urteile vom 20. September 2011, Regione autonoma della Sardegna u. a./Kommission, T‑394/08, T‑408/08, T‑453/08 und T‑454/08, EU:T:2011:493, Rn. 41 und 42 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. Januar 2016, Doux/Kommission, T‑434/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2016:7, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

206    Im vorliegenden Fall macht die Französische Republik, die im Wesentlichen vorträgt, das Fehlen einer Mitteilung des Standpunkts der Kommission betreffend die Verpflichtung zum Abbau von Silos zwecks Erhalt einer Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau an alle Mitgliedstaaten habe zu einer Ungleichbehandlung zwischen diesen Staaten geführt, einen eigenständigen Klagegrund geltend, der weder in der Klageschrift noch in der Klagebeantwortung eine Grundlage findet.

207    Folglich bezieht sich der von der Französischen Republik geltend gemachte Klagegrund nicht auf den Gegenstand des Rechtsstreits, wie er von den Parteien festgelegt worden ist, und ändert damit den Rahmen dieses Rechtsstreits. Daher ist er in Anwendung der oben in Rn. 205 wiedergegebenen Rechtsprechung als unzulässig zurückzuweisen.

208    Als Drittes kann sich nach ständiger Rechtsprechung auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes jeder berufen, bei dem die Unionsverwaltung durch bestimmte Zusicherungen begründete Erwartungen geweckt hat. Präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung solche Zusicherungen dar. Hingegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine konkreten Zusicherungen gegeben hat (vgl. Urteile vom 12. September 2012, Griechenland/Kommission, T‑356/08, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:418, Rn. 108 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 12. November 2015, Italien/Kommission, T‑255/13, nicht veröffentlicht, EU:T:2015:838, Rn. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).

209    Im vorliegenden Fall hat die Italienische Republik nicht nachgewiesen, dass die Kommission ihr konkrete Zusicherungen hinsichtlich der Möglichkeit gegeben hätte, die streitigen Silos im Fall eines völligen Abbaus zu erhalten.

210    Erstens kann die Tatsache, dass die Kommission anlässlich der Untersuchung EX/2008/008/IT keine Einwände gegen die Erhaltung der streitigen Silos erhoben hat, einer Stellungnahme des Organs, mit der es die Auslegung der in Rede stehenden Regelung durch die italienischen Behörden billigt, nicht gleichgestellt werden. Die italienischen Behörden hätten nämlich nur aufgrund einer ausdrücklichen und klaren Willensbekundung seitens der Kommission den Schluss ziehen dürfen, dass dieses Organ die Erhaltung der streitigen Silos gebilligt hatte (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 14. Dezember 2011, Spanien/Kommission, T‑106/10, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:740, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

211    Zweitens geht entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik oben aus Rn. 189 hervor, dass die Kommission im Verlauf der Untersuchung EX/2008/008/IT nicht das Vorhandensein von Silos an den Produktionsstätten bestimmter italienischer Unternehmen festgestellt und lediglich die von den technischen Inspektoren der AGEA übermittelten diesbezüglichen Informationen zur Kenntnis genommen hat. Abgesehen davon sei darauf hingewiesen, dass die Durchführung der Umstrukturierungsregelung seinerzeit noch lief und die Erhaltung der Silos folglich nicht rechtswidrig war (vgl. oben, Rn. 74).

212    Drittens stellt der von der Italienischen Republik angeführte Umstand, dass die Kommission bei Eingang einer Kopie der von den Beihilfeempfängern aufgestellten und von den italienischen Behörden genehmigten Umstrukturierungspläne, aus denen hervorging, dass die streitigen Silos erhalten werden sollten, keinen Einwand erhoben hat, keine konkrete Zusicherung im Sinne der oben in Rn. 208 wiedergegebenen Rechtsprechung dar.

213    Zum einen stellt das Fehlen von Einwänden seitens der Kommission insoweit keine ausdrückliche und klare Willensbekundung im Sinne der oben in Rn. 210 wiedergegebenen Rechtsprechung dar, dass dieses Organ die Erhaltung der streitigen Silos gebilligt hätte. Zum anderen sei in Erinnerung gerufen, dass die Entscheidung über die Gewährung der Umstrukturierungsbeihilfe nach Art. 5 der Verordnung Nr. 320/2006 den Mitgliedstaaten und nicht der Kommission obliegt. Außerdem geht aus Art. 9 der Verordnung Nr. 968/2006 hervor, dass allein die Mitgliedstaaten für die Prüfung der Zulässigkeit von Anträgen auf Umstrukturierungsbeihilfen und die Prüfung der Frage zuständig sind, ob die Umstrukturierungspläne sämtliche in Art. 9 Abs. 2 dieser Verordnung aufgezählten Bedingungen erfüllen. Schließlich ist mit der Kommission festzustellen, dass das Organ nach Art. 10 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 968/2006 eine Kopie der von den Mitgliedstaaten genehmigten Umstrukturierungspläne erhält, ohne dass von ihr verlangt wird, dass sie zu diesen Plänen Stellung nimmt.

214    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erläutert, dass sie bei Eingang der Umstrukturierungspläne eine Kontrolle zu „statistischen“ Zwecken in der wirtschaftlichen Bedeutung des Begriffs durchführe, mit der im Wesentlichen überprüft werden solle, wie sich die Umstrukturierung des betreffenden Unternehmens auf die Reduzierung der Quoten und die auszuführenden Haushalte auswirke. Die Übereinstimmung der Durchführung der Umstrukturierung mit der in Rede stehenden Regelung werde hingegen erst in einem zweiten Schritt, d. h. nach Durchführung der im Umstrukturierungsplan vorgesehenen Maßnahmen, überprüft.

215    Daher ist die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes zurückzuweisen.

216    Als Viertes und Letztes rügt die Italienische Republik eine Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Fürsorgepflicht, die im Wesentlichen damit begründet wird, dass die Kommission bereits vor der Untersuchung EX/2010/010/IT gewusst habe, dass die durch die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau begünstigten italienischen Unternehmen beabsichtigten, die streitigen Silos zu erhalten, vor der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 aber keine Einwände erhoben habe.

217    Zu den Garantien, die das Unionsrecht in Verwaltungsverfahren gewährt, gehört u. a. der in Art. 41 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2000, C 364, S. 1) niedergelegte Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, aus dem die Verpflichtung des zuständigen Organs folgt, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (vgl. Urteil vom 27. September 2012, Applied Microengineering/Kommission, T‑387/09, EU:T:2012:501, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

218    Zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung gehört auch die Fürsorgepflicht der Verwaltung (Schlussanträge von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache Nölle, C‑16/90, EU:C:1991:233, Nr. 28). Aus der Rechtsprechung geht insbesondere hervor, dass die Verwaltung bei der Entscheidung über die Situation eines Beamten oder Bediensteten aufgrund der Fürsorgepflicht u. a. gehalten ist, sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen, und dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Beamten Rechnung zu tragen hat (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2006, Angelidis/Parlament, T‑416/03, EU:T:2006:375, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

219    Im vorliegenden Fall geht erstens aus den Akten nicht hervor, dass die Kommission die Frage des tatsächlichen Abbaus aller Produktionsanlagen durch die an der Umstrukturierungsregelung beteiligten italienischen Unternehmen im Vorfeld der Untersuchung EX/2010/010/IT geprüft hätte (vgl. oben, Rn. 188 bis 190). In diesem Zusammenhang sei in Erinnerung gerufen, dass die Erhaltung der Silos vor der Untersuchung EX/2010/010/IT nicht rechtswidrig war, da die Durchführung der Umstrukturierungsregelung noch lief (vgl. oben, Rn. 211). Zweitens ist entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik keineswegs nachgewiesen, dass die Kommission im Vorfeld der Untersuchung EX/2010/010/IT darüber informiert war, dass die durch die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau begünstigten italienischen Unternehmen die streitigen Silos nach den Abbauvorgängen zu erhalten beabsichtigten. Drittens oblag es der Italienischen Republik bei Zweifeln hinsichtlich der ordnungsgemäßen Anwendung der in Rede stehenden Regelung, die Kommission zu befragen, was sie jedoch nicht getan hat (vgl. oben, Rn. 199 bis 201). Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie den italienischen Behörden ihren Standpunkt zum Abbau der streitigen Silos erstmals in der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 mitgeteilt hat. Die Italienische Republik hat das Vorliegen einer Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Fürsorgepflicht mithin nicht nachgewiesen.

220    In Anbetracht des Vorstehenden sind der erste Teil des dritten Klagegrundes und folglich der dritte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Vierter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005, Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006, die im Dokument VI/5330/97 festgelegten Leitlinien der Kommission und die Begründungspflicht

221    Der vierte Klagegrund gliedert sich im Wesentlichen in zwei Teile, mit denen erstens ein Verstoß gegen die Begründungspflicht, Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005, Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006 sowie das Fehlen einer Prüfung des Standpunkts der Schlichtungsstelle und zweitens ein Verstoß gegen die im Dokument VI/5330/97 festgelegten Leitlinien der Kommission geltend gemacht werden.

 Erster Teil des vierten Klagegrundes, mit dem im Wesentlichen ein Verstoß gegen die Begründungspflicht, Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005, Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006 sowie das Fehlen einer Prüfung des Standpunkts der Schlichtungsstelle geltend gemacht werden

222    Die Italienische Republik macht im Wesentlichen geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005 sowie Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006. Außerdem rügt sie im Wesentlichen das Fehlen einer Prüfung des Standpunkts der Schlichtungsstelle und eine unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses in diesem Punkt.

223    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

224    Was erstens den angeblichen Verstoß gegen Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005 sowie Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006 angeht, ist mit der Kommission festzustellen, dass die Italienische Republik lediglich die Begehung solcher Verstöße behauptet, ohne ihre Behauptung in irgendeiner Weise zu belegen.

225    Nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung muss die Klageschrift neben dem Streitgegenstand die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten, woran es im vorliegenden Fall fehlt.

226    Folglich ist die Rüge der Italienischen Republik, mit der ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1290/2005 sowie Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 2 und Kapitel 3 der Verordnung Nr. 885/2006 geltend gemacht wird, als unzulässig zurückzuweisen.

227    Was zweitens die Rüge betrifft, mit der geltend gemacht wird, die Kommission habe den von der Schlichtungsstelle in ihrem Bericht formulierten Standpunkt nicht geprüft, sei darauf hingewiesen, dass es in Art. 31 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1290/2005 heißt:

„Vor jeder Entscheidung über eine Ablehnung der Finanzierung werden die Ergebnisse der Überprüfungen der Kommission sowie die Antworten des betreffenden Mitgliedstaats jeweils schriftlich übermittelt; danach bemühen sich beide Parteien um eine Einigung über das weitere Vorgehen.

Gelingt dies nicht, so kann der Mitgliedstaat die Einleitung eines Verfahrens beantragen, in dem versucht wird, innerhalb von vier Monaten eine Einigung herbeizuführen; die Ergebnisse dieses Verfahrens werden in einem Bericht erfasst, der an die Kommission übermittelt und von dieser geprüft wird, bevor sie entscheidet, ob sie die Finanzierung ablehnt.“

228    Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Kommission vor dem Erlass einer Entscheidung über eine Ablehnung der Finanzierung lediglich verpflichtet ist, den Bericht der Schlichtungsstelle zu „prüfen“, so dass dieser Bericht für sie nicht bindend ist.

229    Darüber hinaus geht im vorliegenden Fall aus dem Bericht der Schlichtungsstelle vom 10. Februar 2013 hervor, dass die Schlichtungsstelle die Kommission angesichts der Schwierigkeiten bei der Auslegung der in Rede stehenden Regelung, mit denen die Kommission selbst konfrontiert gewesen war, aufgefordert hatte, in Anwendung des Dokuments VI/5330/97 eine Kürzung der finanziellen Berichtigung oder gar einen Verzicht auf jegliche Berichtigung in Betracht zu ziehen.

230    In dem Schreiben vom 28. März 2014, das den italienischen Behörden von der Kommission nach Verkündung des Urteils vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), übermittelt worden war, hat diese jedoch im Wesentlichen die Möglichkeit einer Kürzung der Berichtigung oder eines Verzichts auf jegliche Berichtigung aufgrund von Schwierigkeiten bei der Auslegung der in Rede stehenden Regelung ausgeschlossen und u. a. geltend gemacht, die meisten der 23 an der Umstrukturierungsregelung für die Zuckerindustrie beteiligten Mitgliedstaaten hätten diese Regelung eindeutig dahin ausgelegt, dass sie einen Abbau der Silos vorschreibe, so dass die in Rede stehende Regelung keine Auslegungsprobleme aufwerfe.

231    Damit hat die Kommission implizit, aber notwendigerweise zu dem von der Schlichtungsstelle in ihrem Bericht formulierten Standpunkt Stellung genommen.

232    Schließlich kann eine angemessene Begründung entgegen dem Vorbringen der Italienischen Republik in einer wörtlichen Wiedergabe einer von der Kommission bereits abgegebenen Stellungnahme bestehen.

233    Daher kann die Italienische Republik weder mit Erfolg das Fehlen einer Prüfung des von der Schlichtungsstelle formulierten Standpunkts noch eine diesen Standpunkt betreffende unzureichende Begründung des angefochtenen Beschlusses geltend machen.

234    In Anbetracht des Vorstehenden ist der erste Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zweiter Teil des vierten Klagegrundes: Verstoß gegen die im Dokument VI/5330/97 festgelegten Leitlinien

235    Die Italienische Republik, unterstützt durch die Französische Republik und Ungarn, wirft der Kommission vor, gegen die im Dokument VI/5330/97 festgelegten Leitlinien verstoßen zu haben, und begründet dies im Wesentlichen damit, dass die Kommission den Betrag der finanziellen Berichtigung im Zusammenhang mit der Umstrukturierung der Zuckerindustrie angesichts der objektiven Schwierigkeiten bei der Auslegung der in Rede stehenden Regelung in der Frage der Erhaltung der Silos bei einem völligen Abbau einerseits und der sofortigen Ergreifung von Maßnahmen zur Beseitigung der von ihr festgestellten Mängel durch die italienischen Behörden andererseits im Einklang mit den im Dokument VI/5330/97 festgelegten Leitlinien hätte kürzen oder sogar von jeglicher Berichtigung hätte absehen müssen. Sie stellt insoweit fest, dass auch diese Lösung den Grundsätzen der Billigkeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung entsprochen hätte.

236    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

237    Nach Anhang 2 („Finanzielle Auswirkungen von Mängeln der mitgliedstaatlichen Kontrollen im Rahmen des Rechnungsabschlusses des EAGFL, Abteilung [‚Garantie‘]“) des Dokuments VI/5330/97 müssen finanzielle Berichtigungen angewandt werden, wenn die Kommission feststellt, dass die Mitgliedstaaten die Kontrollen, die in den anwendbaren Verordnungen besonders verlangt werden oder jedenfalls für die Gewährleistung der Ordnungsmäßigkeit der im Rahmen der Abteilung „Garantie“ des EAGFL getätigten Ausgaben wesentlich sind, nicht durchgeführt haben.

238    Anhang 2 („Grenzfälle“) Abs. 2 des Dokuments VI/5330/97 (im Folgenden: Grenzfall in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97) sieht Folgendes vor:

„Sind die Mängel auf Probleme bei der Auslegung der Gemeinschaftsvorschriften zurückzuführen, ausgenommen in Fällen, wo nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass der Mitgliedstaat derartige Probleme mit der Kommission anspricht und wenn die innerstaatlichen Behörden wirksame Maßnahmen getroffen haben, um die Mängel sofort nach ihrer Aufdeckung abzustellen, kann dies als mildernder Umstand berücksichtigt und ein niedrigerer Berichtigungssatz vorgeschlagen werden.“

239    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das fragliche Organ – in der vorliegenden Rechtssache die Kommission – dadurch, dass es behördliche Verhaltensnormen, die Außenwirkungen entfalten sollen, wie die Leitlinien, die Gegenstand des Dokuments VI/5330/97 sind, erlassen und durch ihre Veröffentlichung oder – wie hier – durch ihre Mitteilung an die Mitgliedstaaten angekündigt hat, sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anzuwenden, die Ausübung seines eigenen Ermessens beschränkt hat und nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes geahndet würde. Daher ist nicht auszuschließen, dass derartige Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung unter bestimmten Voraussetzungen und je nach ihrem Inhalt Rechtswirkungen entfalten können und insbesondere die Verwaltung von ihnen im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie der Gleichbehandlung oder dem Vertrauensschutz vereinbar sind, sofern ein solches Vorgehen nicht gegen andere höherrangige Vorschriften des Unionsrechts verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 2011, Griechenland/Kommission, T‑344/05, nicht veröffentlicht, EU:T:2011:440, Rn. 192, vom 16. September 2013, Spanien/Kommission, T‑3/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:473, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 10. Juli 2014, Griechenland/Kommission, T‑376/12, EU:T:2014:623, Rn. 106 [nicht veröffentlicht]).

240    Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Grenzfall in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 ein Gewichtungsfaktor ist, dessen Anwendung nicht automatisch beansprucht werden kann. Wie der Wortlaut des Dokuments VI/5330/97, in dem er vorgesehen ist, belegt, hängt seine Anwendung nämlich zum einen von der Voraussetzung, dass sich der von der Kommission im Rechnungsabschlussverfahren festgestellte Mangel aus Problemen bei der Auslegung der Regelung der Europäischen Union ergibt, und zum anderen davon ab, dass die innerstaatlichen Behörden wirksame Maßnahmen getroffen haben, um den Mangel sofort nach seiner Aufdeckung durch die Kommission abzustellen.

241    Was die erste Voraussetzung für die Anwendung des Grenzfalls in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 angeht, ist zunächst festzustellen, dass die Italienische Republik, die Französische Republik und Ungarn geltend gemacht haben, mehrere Mitgliedstaaten hätten Schwierigkeiten bei der Auslegung der Verordnungen Nrn. 320/2006 und 968/2006 gehabt, insbesondere hinsichtlich des Begriffs „Produktionsanlagen“ und der Möglichkeit, im Rahmen des völligen Abbaus einer Zuckererzeugungsstätte die Lagerungssilos zu erhalten. Außerdem haben die Französische Republik und Ungarn vorgetragen, dass die Kommission selbst Auslegungsprobleme gehabt und sich ihr Standpunkt im Laufe der Zeit verändert habe. Darüber hinaus hat die Schlichtungsstelle die Ansicht vertreten, die Kommission habe Auslegungsprobleme gehabt, da sie ihren juristischen Dienst im Jahr 2006 um ein Gutachten gebeten habe. Schließlich ist festzuhalten, dass das Urteil vom 14. November 2013, SFIR u. a. (C‑187/12 bis C‑189/12, EU:C:2013:737), lediglich die Frage geregelt hat, unter welchen Voraussetzungen ein Silo nicht als eine unter die Abbauverpflichtung fallende Produktionsanlage einzustufen war, sich aber weder zur Frage des Zeitpunkts, zu dem die Nutzung der Silos zu prüfen war, noch zu der Frage geäußert hat, ob die Abbauverpflichtung zwangsläufig die Zerstörung der Produktionsanlagen beinhaltete.

242    In Anbetracht der oben in Rn. 241 wiedergegebenen Umstände ist entgegen dem Vorbringen der Kommission festzustellen, dass die in Rede stehende Regelung Auslegungsprobleme hinsichtlich der Frage der Erhaltung von Silos bei einem völligen Abbau aufwarf.

243    Diese Feststellung lässt sich nicht durch das Argument der Kommission entkräften, wonach sie den Mitgliedstaaten, die sie danach gefragt hätten, stets vollkommen kohärente Informationen über die Verpflichtung zum Abbau der Silos erteilt habe, da dieses Argument nicht untermauert wird und sich jedenfalls nicht auf die Feststellung des Bestehens objektiver Schwierigkeiten bei der Auslegung der in Rede stehenden Regelung hinsichtlich der Frage der Erhaltung der Silos bei einem völligen Abbau auswirkt.

244    Im vorliegenden Fall ist die erste Voraussetzung für die Anwendung des Grenzfalls in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 somit erfüllt.

245    Was die zweite Voraussetzung für die Anwendung des Grenzfalls in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 betrifft, wonach der Mitgliedstaat sofort nach der Aufdeckung des Mangels Maßnahmen zu seiner Abstellung getroffen haben muss, ist festzuhalten, dass die Italienische Republik unverzüglich Maßnahmen ergriffen hat, um sich dem in der Erstmitteilung vom 9. Dezember 2010 formulierten Standpunkt der Kommission zu beugen, indem sie die AGEA aufgefordert hat, die Freigabe der von den Empfängern der Umstrukturierungsbeihilfe gemäß Art. 16 der Verordnung Nr. 968/2006 geleisteten Sicherheiten auszusetzen. Außerdem hat die Italienische Republik die Schreiben der AGEA an die durch die Umstrukturierungsbeihilfe begünstigten italienischen Unternehmen vorgelegt, in denen es hieß, dass die AGEA die Sicherheiten nicht freigeben könne, und sie gemahnt wurden, die Silos vor dem 30. September 2011 abzureißen.

246    Auch die zweite Voraussetzung für die Anwendung des Grenzfalls in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 war somit erfüllt.

247    Aus der Verwendung des Verbs „können“ im Wortlaut des Grenzfalls in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 ergibt sich jedoch, dass die Kommission bei seiner Anwendung über einen Ermessensspielraum verfügt, so dass sie selbst dann nicht zu einer Kürzung der finanziellen Berichtigung oder einem Verzicht auf jegliche Berichtigung verpflichtet ist, wenn die oben in Rn. 240 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

248    Insbesondere kann die Kommission es ablehnen, den Grenzfall in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 anzuwenden, wenn diese Anwendung zu einem Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Unionsrechts wie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung führen kann.

249    Insoweit ist festzustellen, dass im Anhang des Protokolls der bilateralen Besprechung vom 4. Mai 2011 auf den von der Kommission im Rahmen dieser Besprechung eingenommenen Standpunkt verwiesen wird, wonach die italienischen Zuckererzeuger dadurch, dass sie sich dem Abbau entzogen hätten, eine Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau erhalten, keinerlei Ausgaben für den Abbau der streitigen Silos getätigt und einen finanziellen Vorteil aus der Nutzung dieser Silos gezogen hätten, während Erzeuger aus anderen Mitgliedstaaten, die ihre Lagerungssilos abgebaut hätten, alle damit verbundenen Belastungen hätten tragen müssen, ohne irgendeinen Vorteil daraus zu ziehen. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass sie die Erhaltung der streitigen Silos in Italien, während sie anderen Mitgliedstaaten dieses Recht versagt habe, nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht hinnehmen könne.

250    Dieser Standpunkt wird von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung erneut bekräftigt, in der sie ausführt, die Erhaltung der streitigen Silos habe den italienischen Erzeugern einen erheblichen Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten verschafft, die sehr wohl einen Abbau der Silos vorgenommen hätten.

251    Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hat die Kommission zu Recht im Wesentlichen die Ansicht vertreten, mangels Zerstörung der streitigen Silos habe die Anwendung des Grenzfalls in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 zu einer Ungleichbehandlung zwischen italienischen Zuckererzeugern und solchen aus anderen Mitgliedstaaten geführt, die die Silos hätten zerstören müssen, um die Umstrukturierungsbeihilfe für völligen Abbau zu erhalten.

252    Daher kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie den Grenzfall in Anhang 2 des Dokuments VI/5330/97 nicht angewandt hat.

253    In Anbetracht des Vorstehenden sind der zweite Teil des vierten Klagegrundes und folglich der vierte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

 Fünfter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006 und den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie Verfälschung der Tatsachen

254    Der fünfte Klagegrund wird zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Berichtigung wegen verspäteter Zahlung des Saldos der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004 vorgebracht und gliedert sich im Wesentlichen in drei Teile, mit denen erstens ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006, zweitens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und drittens eine Verfälschung der Tatsachen geltend gemacht werden.

 Erster Teil des fünften Klagegrundes: Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006

255    Die Italienische Republik wirft der Kommission im Wesentlichen vor, nicht anerkannt zu haben, dass die Überschreitung der Fristen für die Zahlung der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004 (im Folgenden: streitige Zahlungen) die Folge des Vorliegens besonderer Umstände bei der Verwaltung im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006 sei, die es im vorliegenden Fall gerechtfertigt hätten, von einer Berichtigung abzusehen.

256    Die Kommission tritt der Rüge der Italienischen Republik entgegen.

257    Der 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2006 lautet:

„Das gemeinschaftliche Agrarrecht sieht im Rahmen des EGFL Fristen für die Zahlung der Beihilfen an die Begünstigten vor, die von den Mitgliedstaaten eingehalten werden müssen. Ohne Begründung nicht fristgerecht geleistete Zahlungen gelten als nicht ordnungsgemäß getätigte Ausgaben, die als solche von der Kommission nicht erstattet werden dürfen. Um jedoch die finanziellen Auswirkungen entsprechend dem festgestellten Zahlungsverzug anzupassen, ist vorzusehen, dass die Kommission die Zahlungen gestaffelt nach der Länge der Fristüberschreitung kürzt. Überdies ist eine Marge vorzusehen, damit die Zahlungen u. a. nicht gekürzt werden müssen, wenn der Zahlungsverzug die Folge eines Rechtsstreits ist.“

258    Art. 9 der Verordnung Nr. 883/2006 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 451/2009 der Kommission vom 29. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung Nr. 883/2006 (ABl. 2009, L 135, S. 12) sieht vor:

„(1)      Nicht termin- bzw. fristgerecht getätigte Ausgaben kommen für eine Gemeinschaftsfinanzierung in Betracht, und die monatlichen Zahlungen werden wie folgt gekürzt:

a)      Belaufen sich die nicht termin- bzw. fristgerecht getätigten Ausgaben auf bis zu 4 % der termin- und fristgerecht getätigten Ausgaben, so wird keine Kürzung vorgenommen;

b)      nach Inanspruchnahme der Marge von 4 % werden die darüber hinaus gehenden verspätet getätigten Ausgaben wie folgt gekürzt:

–        bei Ausgaben, die im ersten Monat nach dem Monat, in dem die Zahlungsfrist abgelaufen ist, getätigt wurden, um 10 %;

–        bei Ausgaben, die im zweiten Monat nach dem Monat, in dem die Zahlungsfrist abgelaufen ist, getätigt wurden, um 25 %;

–        bei Ausgaben, die im dritten Monat nach dem Monat, in dem die Zahlungsfrist abgelaufen ist, getätigt wurden, um 45 %;

–        bei Ausgaben, die im vierten Monat nach dem Monat, in dem die Zahlungsfrist abgelaufen ist, getätigt wurden, um 70 %;

–        bei Ausgaben, die nach dem vierten Monat, in dem die Zahlungsfrist abgelaufen ist, getätigt wurden, um 100 %.

c)      Die unter den Buchstaben a und b vorgesehene Marge von 4 % wird auf 5 % erhöht, wenn es sich um Zahlungen handelt, bei denen die Fristen nach dem 15. Oktober 2009 ablaufen.“

(3)      Treten bei der Verwaltung bestimmter Maßnahmen besondere Umstände ein oder bringen die Mitgliedstaaten schlüssige Begründungen bei, so wendet die Kommission eine von den Absätzen 1 und 2 abweichende Staffelung und/oder geringere Kürzungsprozentsätze bzw. den Prozentsatz ‚null‘ an.

…“

259    Nach der Rechtsprechung ist bei der Berechnung der zulasten des EAGFL gehenden Finanzierungskosten davon auszugehen, dass die von der anwendbaren Agrarregelung vorgesehenen Fristen eingehalten werden. Wenn also die nationalen Behörden nach Fristablauf weiterhin Beihilfen auszahlen, wird dadurch der EAGFL mit unzulässigen und daher nicht berücksichtigungsfähigen Beträgen belastet (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 28. Oktober 1999, Italien/Kommission, C‑253/97, EU:C:1999:527, Rn. 126, und vom 12. September 2007, Griechenland/Kommission, T‑243/05, EU:T:2007:270, Rn. 116). Folglich muss der Mitgliedstaat sein Kontrollsystem unter Berücksichtigung der für die Zahlung der Beihilfen im Unionsrecht vorgesehenen Frist ausgestalten. Überdies dient die Marge von 4 % oder 5 % des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a und c der Verordnung Nr. 883/2006 gerade dazu, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, zusätzliche Kontrollen durchzuführen, und soll zugleich darauf hinweisen, dass sich die Zahl der Monate, um die die Frist überschritten wird, nicht auf die Zahlungen auswirkt, die diese Schwelle nicht übersteigen (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 12. September 2007, Griechenland/Kommission, T‑243/05, EU:T:2007:270, Rn. 116).

260    Darüber hinaus obliegt dem Mitgliedstaat nach der Rechtsprechung der Nachweis, dass die Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006 erfüllt sind, d. h., er muss nachweisen, dass bei der Verwaltung bestimmter Maßnahmen besondere Umstände eingetreten sind, oder schlüssige Begründungen beibringen. Er muss insbesondere nachweisen, dass die Verspätungen vernünftige Grenzen nicht überschritten haben (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteile vom 18. September 2003, Griechenland/Kommission, C‑331/00, EU:C:2003:472, Rn. 117, vom 11. Juni 2009, Griechenland/Kommission, T‑33/07, nicht veröffentlicht, EU:T:2009:195, Rn. 372, und vom 26. September 2012, Italien/Kommission, T‑84/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:471, Rn. 136).

261    Schließlich ist Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006, da mit ihm eine Ausnahme eingeführt wird, eng auszulegen (vgl. entsprechend Urteil vom 26. September 2012, Italien/Kommission, T‑84/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:471, Rn. 137 und die dort angeführte Rechtsprechung).

262    Im vorliegenden Fall bestreitet die Italienische Republik nicht, dass es verspätete Zahlungen gegeben hat. Sie bestreitet auch nicht, dass die verspätet getätigten Ausgaben die Marge von 5 % der termin- und fristgerecht getätigten Ausgaben überschreiten. Sie trägt jedoch vor, die Verspätungen seien durch besondere Umstände bei der Verwaltung gerechtfertigt. Diese besonderen Umstände bei der Verwaltung lägen in der Anhängigkeit mehrerer komplexer Rechtssachen betreffend die Ordnungsgemäßheit bestimmter von ihr getätigter Ausgaben in Italien sowie in der Tatsache begründet, dass die Agenzia veneta per i pagamenti in agricultura (AVEPA, Zahlstelle für die Region Venetien, Italien) aufgrund dieser Verfahren sämtliche fälligen Zahlungen an die an den Verfahren beteiligten Unternehmen ausgesetzt habe.

263    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass die AVEPA und die AGEA am 7. Februar 2005 durch eine Meldung des Nucleo Antifrodi Carabinieri di Parma (Italien) (NAC, Carabinieri-Betrugsbekämpfungsstelle Parma, Italien) über einen mutmaßlichen Betrug zulasten des Fonds insbesondere im Zusammenhang mit Sonderprämien für männliche Rinder und Extensivierungsprämien für die Jahre 2000 bis 2003, die mehrere italienische Unternehmen bezogen hatten, unterrichtet worden waren.

264    Infolge dieser Meldung ist gegen die betreffenden Unternehmen ein Strafverfahren vor dem Tribunale di Treviso (erstinstanzliches Gericht Treviso, Italien) mit einer für den 2. Oktober 2006 anberaumten Vorverhandlung eingeleitet worden.

265    In Anbetracht des Vorstehenden hat die AVEPA gemäß Art. 33 Abs. 1 des italienischen Decreto legislativo (Legislativdekret) Nr. 228/2001 vom 18. Mai 2001 (im Folgenden: Legislativdekret Nr. 228) eine Maßnahme zur Aussetzung aller fälligen Zahlungen an zwei in diesem Strafverfahren beschuldigte Unternehmen erlassen. Der genannte Artikel lautet: „Zahlungen zugelassener Zahlstellen … werden gegenüber Empfängern, hinsichtlich deren die Kontroll- und Prüfstellen detaillierte Informationen über den unberechtigten Bezug von Mitteln aus dem Gemeinschaftshaushalt oder dem nationalen Haushalt übermittelt haben, bis zur endgültigen Aufklärung des Sachverhalts ausgesetzt.“

266    Gleichzeitig hat die Procura presso la Corte dei Conti per il Veneto (Staatsanwaltschaft beim Rechnungshof für die Region Venetien, Italien) wegen desselben Sachverhalts eine Klage auf Rechnungslegung vor der Corte dei Conti per il Veneto (Rechnungshof für die Region Venetien, Italien) erhoben. Am 23. September 2009 hat dieser Gerichtshof im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die vorläufige Beschlagnahme des Vermögens der beschuldigten begünstigten Unternehmen sowie der Zahlungen angeordnet, hinsichtlich deren die Unternehmen Gläubiger der AVEPA waren, mit Ausnahme u. a. der streitigen Zahlungen.

267    Angesichts dieser Entscheidung hat die AVEPA die Zahlung bestimmter ausgesetzter Beträge, die von der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angeordneten vorläufigen Beschlagnahme nicht erfasst waren, darunter der Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004, um die es bei den streitigen Zahlungen geht, am 19. Oktober 2009 wieder aufgenommen.

268    Im Übrigen hat die Italienische Republik nicht behauptet, dass die streitigen Zahlungen Gegenstand des Straf- und des Rechnungslegungsverfahrens gewesen seien, die oben in den Rn. 264 und 266 erwähnt werden. Im Rahmen des in Rede stehenden Rechnungsabschlussverfahrens hat sie im Gegenteil anerkannt, dass die zu den Haushaltslinien 050302092124023, 050302102124033 und 050302992128007 gehörenden streitigen Zahlungen nicht speziell einem Urteil zugeordnet werden könnten, und sich gleichzeitig auf die „untrennbare Konnexität“ zwischen den Zahlungen, um die es in den oben in den Rn. 263 bis 266 beschriebenen Verfahren geht, einerseits, und den streitigen Zahlungen andererseits berufen.

269    In Anbetracht des Vorstehenden ist davon auszugehen, dass die von der Italienischen Republik geltend gemachten nationalen Verfahren nicht die streitigen Zahlungen betreffen und die Aussetzung der streitigen Zahlungen folglich nicht auf ein gerichtliches Verfahren oder ein Urteil, sondern auf die Anwendung von Art. 33 Abs. 1 des Legislativdekrets Nr. 228 durch die AVEPA zurückzuführen ist.

270    Zweitens ist festzuhalten, dass das in Art. 33 des Legislativdekrets Nr. 228 vorgesehene Verfahren zur Aussetzung der Zahlungen präventiv angewandt wird. Es besteht darin, noch vor der endgültigen Aufklärung des Sachverhalts auf einen entsprechenden Hinweis der Kontrollorgane das Bestehen von Unregelmäßigkeiten anzunehmen und dem Empfänger die in Rede stehenden Beträge nur dann auszuzahlen, wenn dieser endgültig entlastet wird. Nach der Rechtsprechung läuft ein solcher Ansatz der Einhaltung von Zahlungsfristen somit grundsätzlich zuwider (Urteil vom 26. September 2012, Italien/Kommission, T‑84/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:471, Rn. 140).

271    Daher ist mit der Kommission festzustellen, dass das Verfahren zur Aussetzung der streitigen Zahlungen im vorliegenden Fall keine besonderen Umstände bei der Verwaltung begründet. Das in Art. 33 des Legislativdekrets Nr. 228 vorgesehene Verfahren zur Aussetzung der Zahlungen stellt nämlich eine Ausnahme von den Zahlungsfristen dar, die einem reibungslosen Funktionieren der anwendbaren Unionsvorschriften entgegensteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. September 2012, Italien/Kommission, T‑84/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:471, Rn. 142).

272    Drittens hat die Italienische Republik trotz des Ersuchens der Kommission, auf das die Schlichtungsstelle in ihrem Bericht vom 6. Mai 2014 verweist, keine Informationen zum Nachweis darüber vorgelegt, dass die Marge von 5 % ausschließlich aufgrund von Zahlungen überschritten worden war, die vor den nationalen Gerichten angefochten worden sind.

273    Das von der Italienischen Republik in der Erwiderung vorgebrachte Argument, wonach im Wesentlichen die Kommission von ihr zu Unrecht einen Nachweis darüber verlangt habe, dass die Verspätung der streitigen Zahlungen ihren Ursprung in einem einzigen Urteil habe, ist zurückzuweisen. Wie nämlich insbesondere aus dem Schreiben vom 18. Januar 2012, das die Kommission gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 885/2006 an die Italienische Republik versandt hat, hervorgeht, hat die Kommission die italienischen Behörden für die Zwecke von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006 um einen Nachweis darüber ersucht, dass die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2006 genannte Marge von 4 %, die in Anwendung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung später auf 5 % angehoben worden ist, aufgrund gerichtlicher Verfahren und nicht aufgrund eines einzigen Urteils überschritten worden war. Im Schreiben vom 18. Januar 2012 hat die Kommission die italienischen Behörden im Übrigen letztmalig dazu aufgefordert, eine Kopie der Urteile vorzulegen, aus denen sich die überschüssigen Beträge für jeden einzelnen der folgenden Haushaltsposten ergaben: 050302092124023, 050302102124033 und 050302992128007.

274    Viertens und letztens können auch die von der Italienischen Republik behauptete Komplexität der streitigen Verfahren vor dem Tribunale di Treviso und dem Rechnungshof für die Region Venetien sowie der von ihr geltend gemachte Ausnahmecharakter des vorliegenden Falls die Verspätung der streitigen Zahlungen nicht rechtfertigen, da die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 883/2006 vorgesehene Marge von 5 %, worauf oben in Rn. 259 hingewiesen worden ist, gerade dazu dient, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, zusätzliche Kontrollen durchzuführen, ohne dass sich die Zahl der Monate, um die die Frist überschritten wird, auf die Zahlungen auswirkt, die diese Schwelle nicht überschreiten (vgl. in diesem Sinne entsprechend auch Urteile vom 5. Juli 2012, Griechenland/Kommission, T‑86/08, EU:T:2012:345, Rn. 191, und vom 26. September 2012, Italien/Kommission, T‑84/09, nicht veröffentlicht, EU:T:2012:471, Rn. 146).

275    In Anbetracht des Vorstehenden hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie zum einen die Auffassung vertreten hat, dass die auf die Gerichtsverfahren zurückzuführende Nichteinhaltung der Zahlungsfristen in die in Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 883/2006 genannte Marge von 5 % fallen müsse, und zum anderen, dass Zahlungen, die infolge eines Streits über die Zulässigkeit von den nationalen Behörden zuvor abgelehnter oder zurückgeforderter Zahlungen verspätet vorgenommen worden seien, keinen besonderen Umstand bei der Verwaltung im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006 darstellten, worüber die Kommission die Italienische Republik im Schreiben vom 2. Juli 2014 in Kenntnis gesetzt hatte (vgl. oben, Rn. 41).

276    Daher ist der erste Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

 Zweiter Teil des fünften Klagegrundes: Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

277    Die Italienische Republik wirft der Kommission vor, dadurch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen zu haben, dass sie für die streitigen Zahlungen im Zusammenhang mit den Schlachtprämien für das Antragsjahr 2004 eine Berichtigung vorgenommen habe, obwohl diese mit den verspäteten Zahlungen im Zusammenhang mit den Ausgaben in Höhe von ca. 4,4 Mio. Euro, die Gegenstand der vom Rechnungshof für die Region Venetien im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angeordneten vorläufigen Beschlagnahme gewesen seien und für die die Kommission keine Berichtigung vorgenommen habe, vergleichbar seien.

278    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

279    Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Gleichbehandlung oder Nichtdiskriminierung, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteile vom 9. September 2004, Spanien/Kommission, C‑304/01, EU:C:2004:495, Rn. 31, vom 14. Dezember 2004, Swedish Match, C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 70, und vom 21. Juli 2011, Nagy, C‑21/10, EU:C:2011:505, Rn. 47).

280    In ihrer Klagebeantwortung hat die Kommission, nachdem sie darauf hingewiesen hatte, dass das Vorbringen der Italienischen Republik nicht klar sei, erläutert, dass die Zahlungen, die Gegenstand der vom Rechnungshof für die Region Venetien im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angeordneten vorläufigen Beschlagnahme gewesen seien, trotz ihrer Verspätung nicht in die Berichtigung einbezogen worden seien, weil sich in den verschiedenen Haushaltslinien, auf denen die Zahlungen ausgewiesen worden seien, ein Hinweis auf die Marge von 4 % finde, während dies bei den streitigen Zahlungen nicht der Fall sei.

281    Diese Behauptungen werden von der Italienischen Republik nicht bestritten, die lediglich vorträgt, alle vom in Rede stehenden Rechnungsabschlussverfahren betroffenen verspäteten Zahlungen müssten durch ein allgemeines Sicherungsbedürfnis gerechtfertigt sein, das sich darin gezeigt habe, dass die AVEPA im Einklang mit Art. 33 des Legislativdekrets Nr. 228 die Maßnahme zur Aussetzung aller fälligen Zahlungen an die Unternehmen getroffen habe, gegen die in Italien Verfahren anhängig seien.

282    Zum einen geht oben aus den Rn. 266 bzw. 271 hervor, dass der Rechnungshof für die Region Venetien die streitigen Zahlungen nicht in die Beträge einbezogen hat, die Gegenstand der von ihm im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angeordneten vorläufigen Beschlagnahme gewesen waren, und das in Art. 33 des Legislativdekrets Nr. 228 vorgesehene Verfahren zur Aussetzung der Zahlungen einer Einhaltung der Regelung der Europäischen Union über die Zahlungsfristen entgegensteht. Die Italienische Republik kann somit nicht mit Erfolg das Vorliegen eines allgemeinen Sicherungsbedürfnisses geltend machen, das die Aussetzung der streitigen Zahlungen durch die AVEPA gerechtfertigt haben soll.

283    Zum anderen wird von der Italienischen Republik nicht bestritten, dass in den Haushaltslinien, auf denen die einem Betrag von 4,4 Mio. Euro entsprechenden Zahlungen ausgewiesen worden waren, die Marge von 4 % angegeben war, während die Marge von 5 % in den zu den streitigen Zahlungen gehörenden Haushaltslinien nicht erwähnt wurde.

284    In Anbetracht des Vorstehenden hat die Italienische Republik nicht nachgewiesen, dass die streitigen Zahlungen und die in die Marge von 4 % fallenden Zahlungen in Höhe von 4,4 Mio. Euro miteinander vergleichbar waren und die Kommission folglich gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat, als sie lediglich für die streitigen Zahlungen eine Berichtigung auferlegt hat.

285    Daher ist der zweite Teil des fünften Klagegrundes zurückzuweisen.

 Dritter Teil des fünften Klagegrundes: Verfälschung der Tatsachen

286    Die Italienische Republik wirft der Kommission vor, die Tatsachen verfälscht zu haben. In der Klageschrift weist sie lediglich darauf hin, dass sich „der angefochtene Beschluss [im Licht der vorstehenden Erwägungen] hinsichtlich des mit dem vorliegenden Klagegrund angefochtenen Teils aufgrund der Verfälschung der Tatsachen … als rechtswidrig [erweist]“.

287    Die Kommission ist dieser Rüge in ihren Schriftsätzen nicht entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung hat sie ihr gegenüber jedoch eine Unzulässigkeitseinrede erhoben, die mit einem Mangel an Klarheit begründet worden ist.

288    Ebenfalls in der mündlichen Verhandlung hat die Italienische Republik die Unzulässigkeit der von der Kommission erhobenen Unzulässigkeitseinrede geltend gemacht und vorgetragen, ihre verspätete Erhebung beeinträchtige den kontradiktorischen Charakter des Verfahrens vor dem Gericht. Die Italienische Republik hat jedoch klargestellt, dass das Gericht die Unzulässigkeit der fraglichen Rüge in der mündlichen Verhandlung von Amts wegen feststellen könne. Für den Fall, dass das Gericht dies zu tun beabsichtige, hat die Italienische Republik schließlich klargestellt, dass sie sich mit ihrer Rüge einer Verfälschung der Tatsachen im Wesentlichen gegen die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der tatsächlichen Umstände des Falls wenden wolle. Nach Ansicht der Italienischen Republik rechtfertigten die Umstände des Falls nämlich die Verspätung der streitigen Zahlungen.

289    Es sei darauf hingewiesen, dass der Unionsrichter anhand der Umstände des jeweiligen Falls prüfen kann, ob es nach den Grundsätzen einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt ist, eine Rüge als unbegründet zurückzuweisen, ohne zuvor über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, EU:C:2002:118, Rn. 52).

290    Aus den von der Italienischen Republik in der mündlichen Verhandlung gelieferten und oben in Rn. 288 wiedergegebenen Erläuterungen ergibt sich, dass sie der Kommission mit ihrer Rüge einer Verfälschung der Tatsachen implizit, aber notwendigerweise vorwerfen wollte, einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der tatsächlichen Umstände begangen zu haben.

291    Allerdings geht oben aus den Rn. 263 bis 275 hervor, dass die von der Italienischen Republik behaupteten tatsächlichen Umstände des Falls keine besonderen Umstände bei der Verwaltung im Sinne von Art. 9 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2006 darstellten, die eine Verspätung der streitigen Zahlungen hätten rechtfertigen können. Daher kann die Italienische Republik nicht mit Erfolg das Vorliegen eines offensichtlichen Fehlers bei der Würdigung des angefochtenen Beschlusses rügen.

292    Da der dritte Teil des fünften Klagegrundes unbegründet ist, ist er zurückzuweisen, ohne dass es einer Entscheidung über die von der Kommission bzw. der Italienischen Republik in der mündlichen Verhandlung erhobenen Unzulässigkeitseinreden bedarf.

293    In Anbetracht des Vorstehenden ist der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

 Sechster Klagegrund: Verstoß gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 501/2008 sowie die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Zurechenbarkeit finanzieller Berichtigungen an die Mitgliedstaaten

294    Der sechste Klagegrund wird zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der Berichtigung wegen verspäteter Zahlung bestimmter Ausgaben im Zusammenhang mit den Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse vorgebracht. Die Italienische Republik wirft der Kommission vor, dass sie ihr eine finanzielle Berichtigung wegen Nichteinhaltung der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2008 genannten Frist von 60 Kalendertagen zwischen dem Eingang der Zahlungsanträge und der tatsächlichen Zahlung bestimmter in den Wirtschaftsjahren 2009 und 2010 gewährter Beihilfen im Zusammenhang mit den Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse auferlegt hat. Die Italienische Republik macht im Wesentlichen erstens geltend, die Nichteinhaltung der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2008 festgelegten Zahlungsfrist haben ihren Ursprung in der irrtümlichen Vorlage der italienischen Sprachfassung von Art. 20 Abs. 2 Satz 2 dieser Verordnung in seiner vor dem Inkrafttreten der im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Oktober 2012 veröffentlichten Berichtigung geltenden Fassung (ABl. 2012, L 287, S. 25, im Folgenden: streitige Vorschrift) durch die Kommissionsdienststellen, so dass die Überschreitung der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2008 genannten Frist ihr nicht zurechenbar sei. Daher wäre es unbillig, ihr die sich aus der Anwendung der streitigen Vorschrift ergebenden Folgen aufzubürden, zumal im vorliegenden Fall kein Schaden für den Unionshaushalt festgestellt werden könne. Im Übrigen sei der von ihr angeblich begangene Fehler offensichtlich entschuldbar. Zweitens habe die von der Kommission angewandte Berichtigung zur Folge, dass der streitigen Vorschrift unter Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes rückwirkende Kraft verliehen werde.

295    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Italienischen Republik entgegen.

296    Art. 20 der Verordnung Nr. 501/2008 bestimmt:

„Der Mitgliedstaat leistet die Zahlungen gemäß Artikel 18 und 19 innerhalb von sechzig Kalendertagen nach Antragseingang.

Diese Frist kann jedoch nach der ersten Registrierung des Zahlungsantrags jederzeit ausgesetzt werden, indem der vertragschließenden Organisation mitgeteilt wird, dass ihr Antrag nicht annehmbar ist, weil entweder die beantragte Zahlung nicht zuschussfähig ist, dem Antrag nicht die für alle zusätzlichen Zahlungsanträge vorgeschriebenen Belege beigefügt sind oder der Mitgliedstaat ergänzende Auskünfte oder Überprüfungen für notwendig hält. Nach Eingang der angeforderten Informationen bzw. nach den Überprüfungen durch den Mitgliedstaat, die innerhalb von dreißig Kalendertagen übermittelt bzw. vorgenommen werden müssen, läuft die Frist weiter.

…“

297    Die italienische Fassung von Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 501/2008 vor der im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Oktober 2012 veröffentlichten Berichtigung bestimmte Folgendes:

„Diese Frist kann jedoch nach der ersten Registrierung des Zahlungsantrags jederzeit ausgesetzt werden, indem der vertragschließenden Organisation mitgeteilt wird, dass ihr Antrag nicht annehmbar ist, weil entweder die beantragte Zahlung nicht zuschussfähig ist, dem Antrag nicht die für alle zusätzlichen Zahlungsanträge vorgeschriebenen Belege beigefügt sind oder der Mitgliedstaat ergänzende Auskünfte oder Überprüfungen für notwendig hält. Nach Eingang der angeforderten Informationen bzw. nach den Überprüfungen durch den Mitgliedstaat, die innerhalb von dreißig Kalendertagen übermittelt bzw. vorgenommen werden müssen, beginnt die Frist erneut zu laufen.“

(„Tale termine può tuttavia essere sospeso in qualunque momento del periodo di 60 giorni successivo alla prima registrazione della domanda di pagamento, mediante notifica all’organizzazione contraente creditrice che la domanda non è ricevibile, in quanto il credito non è esigibile oppure la domanda non è corredata dei documenti giustificativi necessari per le domande successive o lo Stato membro ritiene necessario richiedere informazioni supplementari o procedere a verifiche. Il termine decorre nuovamente a partire dalla data di ricevimento delle informazioni richieste o dalla data delle verifiche effettuate dallo Stato membro, che devono essere trasmesse o rispettivamente effettuate entro un termine di 30 giorni di calendario a decorrere dalla notifica.“)

298    Mit der im Amtsblatt der Europäischen Union vom 18. Oktober 2012 veröffentlichten Berichtigung ist der in der streitigen Vorschrift verwendete Ausdruck „beginnt erneut zu laufen“ („decorre nuovamente“) durch „läuft weiter“ („continua a decorrere“) ersetzt worden.

299    Darüber hinaus geht aus der Rechtsprechung hervor, dass die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der Unionsverordnungen eine isolierte Betrachtung nur einer Sprachfassung einer Vorschrift ausschließt; sie gebietet vielmehr, die Vorschrift im Lichte der anderen Sprachfassungen auszulegen und anzuwenden (Urteil vom 17. Oktober 1996, Lubella, C‑64/95, EU:C:1996:388, Rn. 17).

300    Was als Erstes die von der Italienischen Republik erhobenen Rügen angeht, mit denen im Wesentlichen ein Verstoß gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 501/2008 und die fehlende Zurechenbarkeit der Überschreitung der in Abs. 1 dieses Artikels genannten Zahlungsfrist an die Italienische Republik geltend gemacht werden, ist zum einen festzustellen, dass die italienische Sprachfassung von Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 501/2008 insoweit nicht eindeutig war, als sie sich in Satz 1 ausdrücklich auf die Aussetzung der in Art. 20 Abs. 1 dieser Verordnung festgelegten Zahlungsfrist bezog („[d]iese Frist kann … ausgesetzt werden“ – im Italienischen: „[t]ale termine può … essere sospeso“), während sie in Satz 2 auf die Unterbrechung ebendieser Frist zu verweisen schien („[n]ach Eingang der angeforderten Informationen bzw. nach den Überprüfungen durch den Mitgliedstaat … beginnt die Frist erneut zu laufen“ – im Italienischen: „[i]l termine decorre nuovamente a partire dalla data di ricevimento delle informazioni richieste o dalla data delle verifiche effettuate dallo Stato membro“).

301    Zum anderen bestreitet die Italienische Republik nicht die Behauptung der Kommission, dass die Art. 2941 ff. des italienischen Zivilgesetzbuchs zwischen der Aussetzung und der Unterbrechung von Fristen unterschieden, wobei im Fall einer Unterbrechung eine neue Frist zu laufen beginne, während bei einer Aussetzung der vor Eintritt des Aussetzungsgrundes verstrichene Zeitraum zu dem Zeitraum hinzugerechnet werde, der nach Wegfall des die Aussetzung rechtfertigenden Ereignisses erneut zu laufen beginne.

302    Folglich konnte die Italienische Republik die streitige Vorschrift in Anwendung der oben in Rn. 299 angeführten Rechtsprechung nicht dahin auslegen, als gestatte sie es ihr, die in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2008 festgesetzte Frist durch ergänzende Auskunftsersuchen oder Überprüfungen bei den vertragschließenden Organisationen zu unterbrechen, ohne zuvor zu überprüfen, ob die anderen Sprachfassungen der streitigen Vorschrift ihre Auslegung bestätigten, und diese Vorschrift gegebenenfalls im Licht der Fassungen in den anderen Amtssprachen sowie von Sinn und Zweck der Regelung auszulegen und anzuwenden, zu der sie gehört (vgl. entsprechend Urteile vom 27. Oktober 1977, Bouchereau, 30/77, EU:C:1977:172, Rn. 14, und vom 9. Januar 2003, Givane u. a., C‑257/00, EU:C:2003:8, Rn. 37).

303    Im vorliegenden Fall hat die Italienische Republik die streitige Vorschrift – ungeachtet ihrer Doppeldeutigkeit im Licht von Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 501/2008 – jedoch angewandt, ohne die anderen Sprachfassungen von Art. 20 Abs. 2 der Verordnung Nr. 501/2008 zu berücksichtigen, weshalb sie für die Nichteinhaltung der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2008 genannten Zahlungsfrist allein verantwortlich ist.

304    Daher sind die Rügen eines Verstoßes gegen Art. 20 der Verordnung Nr. 501/2008 und der Nichtzurechenbarkeit der verspäteten Zahlungen an die Italienische Republik zurückzuweisen.

305    Was als Zweites den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes aufgrund der rückwirkenden Anwendung der streitigen Vorschrift in der Fassung der Berichtigung aus dem Jahre 2012 betrifft, sei darauf hingewiesen, dass eine Berufung auf diesen Grundsatz gegenüber einer Unionsregelung nach der Rechtsprechung nur möglich ist, wenn die Union selbst zuvor eine Lage geschaffen hat, die ein berechtigtes Vertrauen hervorrufen konnte (vgl. Urteil vom 15. Januar 2002, Weidacher, C‑179/00, EU:C:2002:18, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil vom 10. Juni 2009, Polen/Kommission, T‑257/04, EU:T:2009:182, Rn. 245).

306    Im vorliegenden Fall ist jedoch nicht nachgewiesen, dass die Union eine Lage geschaffen hätte, aufgrund deren die Italienische Republik an die Ordnungsgemäßheit der streitigen Vorschrift glauben durfte und berechtigterweise annehmen konnte, sie anwenden zu dürfen.

307    Erstens geht aus der gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 885/2006 versandten Mitteilung vom 27. April 2010 (vgl. oben, Rn. 43) im Wesentlichen hervor, dass die Kommission bereits anlässlich zweier früherer Untersuchungen in Bezug auf die Italienische Republik Probleme mit verspäteten Zahlungen festgestellt hatte und die Kommissionsdienststellen seit 2005 – in ihren Schriftwechseln mit den italienischen Behörden – stets erläutert hatten, in welcher Weise die Bestimmungen, die nunmehr Gegenstand von Art. 20 der Verordnung Nr. 883/2006 sind, auszulegen waren.

308    So hat die Kommission in Reaktion auf eine prozessleitende Maßnahme nach Art. 89 der Verfahrensordnung ein Schreiben vom 9. Februar 2006 vorgelegt, das sie im Rahmen einer früheren Untersuchung an die Italienische Republik gerichtet und in dem sie ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass „die [Zahlungsfrist] erneut zu laufen beginnen [muss], sobald die erwarteten Informationen eingegangen sind oder die Überprüfung durchgeführt worden ist“.

309    In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass die auf den von der oben in Rn. 308 erwähnten Untersuchung betroffenen Sachverhalt anwendbare Regelung nicht Art. 20 der Verordnung Nr. 501/2008, sondern Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 94/2002 der Kommission vom 18. Januar 2002 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 2826/2000 des Rates über Informations- und Absatzförderungsmaßnahmen für Agrarerzeugnisse im Binnenmarkt (ABl. 2002, L 17, S. 20) war. Diese beiden Vorschriften waren jedoch im Wesentlichen identisch. Art. 12 Abs. 5 der Verordnung Nr. 94/2002 lautete nämlich:

„Der Mitgliedstaat leistet die Zahlungen nach den vorhergehenden Absätzen innerhalb von 60 Kalendertagen ab Antragseingang. Diese Frist kann jedoch nach der ersten Registrierung des Zahlungsantrags jederzeit ausgesetzt werden, indem dem Vertragsnehmer mitgeteilt wird, dass sein Antrag nicht zulässig ist, weil entweder die beantragte Zahlung nicht zuschussfähig ist, dem Antrag nicht die für alle Zahlungsanträge vorgeschriebenen Belege beigefügt sind oder der Mitgliedstaat ergänzende Auskünfte oder Überprüfungen für notwendig hält. Nach Eingang der angeforderten Informationen läuft die Frist für die Dauer von höchstens 30 Kalendertagen weiter. Außer in Fällen höherer Gewalt wird die Erstattung an den betreffenden Mitgliedstaat bei verspäteter Zahlung gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 296/96 gekürzt.“

310    Daher ist davon auszugehen, dass die Kommission die italienischen Behörden vor Erlass des angefochtenen Beschlusses mehrfach darüber unterrichtet hatte, wie die Zahlungsfrist von 60 Tagen nach ihrer Aussetzung zu berechnen war.

311    Zweitens hat die Italienische Republik in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass sie es war, die die Kommission zum Zeitpunkt der Einleitung des in Rede stehenden Rechnungsabschlussverfahrens über das Problem mit der Übersetzung der streitigen Vorschrift unterrichtet hatte. Folglich wusste die Italienische Republik, dass die streitige Vorschrift möglicherweise nicht korrekt war, hat sich aber dennoch bewusst für ihre Anwendung entschieden.

312    In Anbetracht des Vorstehenden kann die Italienische Republik nicht mit Erfolg geltend machen, die streitige Vorschrift habe bei ihr ein berechtigtes Vertrauen geweckt.

313    Als Drittes und Letztes ist das Argument der Italienischen Republik zurückzuweisen, wonach die Nichteinhaltung der Zahlungsfristen keinen Schaden für den Unionshaushalt verursacht habe, so dass es unbillig wäre, ihr die Folgen der Anwendung der streitigen Vorschrift aufzubürden.

314    Aus der Rechtsprechung geht nämlich hervor, dass der EGFL nur die nach unionsrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Interventionen im Rahmen der gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte finanziert (vgl. in diesem Sinne entsprechend Urteil vom 24. Februar 2005, Griechenland/Kommission, C‑300/02, EU:C:2005:103, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

315    Die Regelung der Europäischen Union verpflichtet die Mitgliedstaaten unter Androhung finanzieller Sanktionen jedoch zur Einhaltung der in Art. 20 der Verordnung Nr. 501/2008 genannten Zahlungsfrist.

316    Zunächst ergibt sich aus dem oben in Rn. 257 dargelegten 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 883/2006, dass ohne Begründung nach den in der Regelung der Europäischen Union für die Zahlung der Beihilfen an die Begünstigten festgelegten Fristen geleistete Zahlungen als nicht ordnungsgemäß getätigte Ausgaben gelten, die als solche von der Kommission nicht erstattet werden dürfen.

317    Außerdem bestimmt Art. 20 Abs. 3 der Verordnung Nr. 501/2008, dass „[a]ußer in Fällen höherer Gewalt … der von der Kommission an den Mitgliedstaat gezahlte monatliche Vorschuss bei verspäteter Zahlung gemäß den Vorschriften von Artikel 9 der Verordnung … Nr. 883/2006 gekürzt [wird]“.

318    Schließlich heißt es im 19. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 501/2008, dass „[i]m Interesse der ordnungsgemäßen Haushaltsführung … eine Geldstrafe vorzusehen [ist], wenn die Fristen für … die Zahlungen der Mitgliedstaaten nicht eingehalten werden“.

319    Im Licht des Vorstehenden verstößt die Überschreitung der in Art. 20 Abs. 1 der Verordnung Nr. 501/2008 genannten Zahlungsfrist durch die Italienische Republik gegen die Regelung der Europäischen Union und genügt, um die Ausgaben zu nicht ordnungsgemäß getätigten und daher nicht zuschussfähigen Ausgaben zu machen, ohne dass das Vorliegen eines Schadens für den Fonds nachgewiesen werden zu braucht.

320    Daher ist der sechste Klagegrund zurückzuweisen.

321    Da keiner der von der Italienischen Republik geltend gemachten Klagegründe begründet ist, wird die Klage insgesamt abgewiesen.

 Kosten

322    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

323    Da die Italienische Republik mit ihren Anträgen unterlegen ist, trägt sie ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

324    Schließlich tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

325    Daher tragen die Französische Republik und Ungarn ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Italienische Republik trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Französische Republik und Ungarn tragen ihre eigenen Kosten.

Kanninen

Schwarcz

Iliopoulos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. März 2019.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis



*      Verfahrenssprache: Italienisch.