Language of document : ECLI:EU:C:2014:345

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 20. Mai 2014(1)

Rechtssache C‑202/13

Sean Ambrose McCarthy,

Helena Patricia McCarthy Rodriguez,

Natasha Caley McCarthy Rodriguez

gegen

Secretary of State for the Home Department

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Administrative Court] [Vereinigtes Königreich])



„Recht auf Einreise und Kurzaufenthalt – Staatsangehöriger eines Drittstaats, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers und im Besitz einer Aufenthaltskarte eines Mitgliedstaats ist – Nationale Vorschriften, die die Einreise in das nationale Hoheitsgebiet vom vorherigen Erhalt einer Einreiseerlaubnis abhängig machen“






Inhaltsverzeichnis

I – Einleitung

II – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

1. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

2. Protokoll Nr. 20

3. Richtlinie 2004/38

4. Verordnung (EG) Nr. 539/2001

5. Verordnung (EG) Nr. 562/2006

B – Nationales Recht

III – Sachverhalt

IV – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

V – Würdigung

A – Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38

1. Vorbemerkungen und Besonderheiten der Rechtssache

2. Analyse des abgeleiteten Aufenthaltsrechts in der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs

3. Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 im Fall, in dem der Unionsbürger, der von seiner Freizügigkeit tatsächlich vorher Gebrauch gemacht hat, in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt

a) Teleologische Rechtfertigung einer weiteren Auslegung der Richtlinie 2004/38

i) Zur fehlenden Koinzidenz des Mitgliedstaats, aus dem ein Unionsbürger stammt, und desjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt

ii) Zu den unterschiedlichen Richtungen, in die sich Unionsbürger bewegen

b) Kurzer Überblick über die einschlägige Rechtsprechung zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht

c) Zwischenergebnis

4. Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38, wenn der Unionsbürger, der von seiner Freizügigkeit durch Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat effektiv Gebrauch macht, sie gleichzeitig ausübt, indem er in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt: Der Fall des Rechts auf Einreise und kurzzeitigen Aufenthalt

a) Ausübung der Freizügigkeit im Aufnahmemitgliedstaat gleichzeitig mit dem Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt

b) Ausübung der Freizügigkeit nach einem Aufenthalt von gewisser Dauer im Aufnahmemitgliedstaat, der mit der Ausübung des Rechts auf Einreise und kurzzeitigen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, einhergeht

c) Zwischenergebnis

B – Zur Bestimmung von Maßnahmen, die auf der Grundlage von Art. 35 der Richtlinie 2004/38 erlassen werden können

1. Zum Rechtsmissbrauchsbegriff in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs

2. Zur Auslegung von Art. 35 der Richtlinie 2004/38 im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs

3. Zu den vom Vereinigten Königreich vorgebrachten Einwänden

C – Zum Protokoll Nr. 20

VI – Ergebnis


I –    Einleitung

1.        Ein Mitgliedstaat hat eine allgemeine Durchführungsmaßnahme umgesetzt und in Kraft gelassen, die verlangt, dass Staatsangehörige eines Drittstaats, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind und in diesen Mitgliedstaat einreisen wollen, im Besitz eines von diesem erteilten Einreisevisums sind.

2.        In der vorliegenden Rechtssache ist der Gerichtshof zum ersten Mal mit einem Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung von Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG(2) und von Art. 1 des dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) beigefügten Protokolls Nr. 20 befasst(3).

3.        Zur Beantwortung des Ersuchens hat sich der Gerichtshof u. a. zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 auf eine Drittstaatsangehörige zu äußern, die mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter, die Unionsbürger sind, in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit diese besitzen, lebt und die sie in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, auf Kurzreisen begleiten möchte. Obwohl eine hiermit eng verbundene Frage vom Gerichtshof bereits in dem kürzlich ergangenen Urteil O. und B.(4) behandelt worden ist, erscheint die dort herangezogene Lösung in Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles nicht zufriedenstellend. Ich werde daher eine allgemeinere Lösung vorschlagen, mit der die Kohärenz zwischen dem Anwendungsbereich des AEU-Vertrags und dem der Richtlinie 2004/38 gewährleistet werden kann.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

1.      Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

4.        Art. 20 Abs. 1 AEUV führt die Unionsbürgerschaft ein und bestimmt, dass Unionsbürger ist, „wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“. Nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a haben die Unionsbürger „das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“.

5.        Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV gilt dies „vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“.

2.      Protokoll Nr. 20

6.        Art. 1 des Protokolls Nr. 20 bestimmt:

„Das Vereinigte Königreich darf ungeachtet der Artikel 26 und 77 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, anderer Bestimmungen jenes Vertrags oder des Vertrags über die Europäische Union, im Rahmen dieser Verträge beschlossener Maßnahmen oder von der Union oder der Union und ihren Mitgliedstaaten mit einem oder mehreren Drittstaaten geschlossener internationaler Übereinkünfte an seinen Grenzen mit anderen Mitgliedstaaten bei Personen, die in das Vereinigte Königreich einreisen wollen, Kontrollen durchführen, die nach seiner Auffassung erforderlich sind

a)      zur Überprüfung des Rechts auf Einreise in das Vereinigte Königreich bei Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten und ihren unterhaltsberechtigten Angehörigen, welche die ihnen nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte wahrnehmen, sowie bei Staatsangehörigen anderer Staaten, denen solche Rechte aufgrund einer Übereinkunft zustehen, an die das Vereinigte Königreich gebunden ist, und

b)      zur Entscheidung darüber, ob anderen Personen die Genehmigung zur Einreise in das Vereinigte Königreich erteilt wird.

Die Artikel 26 und 77 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder die anderen Bestimmungen jenes Vertrags oder des Vertrags über die Europäische Union oder die im Rahmen dieser Verträge beschlossenen Maßnahmen berühren in keiner Weise das Recht des Vereinigten Königreichs, solche Kontrollen ein- oder durchzuführen. Wird im vorliegenden Artikel auf das Vereinigte Königreich Bezug genommen, so gilt diese Bezugnahme auch für die Gebiete, für deren Außenbeziehungen das Vereinigte Königreich verantwortlich ist.“

3.      Richtlinie 2004/38

7.        Aus dem fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie geht hervor, dass „[d]as Recht aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, … wenn es unter objektiven Bedingungen in Freiheit und Würde ausgeübt werden soll, auch den Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit gewährt werden [sollte]“.

8.        Gemäß dem 28. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 „[sollten die Mitgliedstaaten z]um Schutz gegen Rechtsmissbrauch oder Betrug, insbesondere Scheinehen oder andere Arten von Bindungen, die lediglich zum Zweck der Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts geschlossen wurden, … die Möglichkeit zum Erlass der erforderlichen Maßnahmen haben“.

9.        Zum persönlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38 bestimmt Art. 3 („Berechtigte“) Abs. 1:

„Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.“

10.      In Bezug auf das Recht auf Einreise der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, die Drittstaatsangehörige sind, bestimmt Art. 5 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38:

„(1)       Unbeschadet der für die Kontrollen von Reisedokumenten an den nationalen Grenzen geltenden Vorschriften gestatten die Mitgliedstaaten Unionsbürgern, die einen gültigen Personalausweis oder Reisepass mit sich führen, und ihren Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die einen gültigen Reisepass mit sich führen, die Einreise.

Für die Einreise von Unionsbürgern darf weder ein Visum noch eine gleichartige Formalität verlangt werden.

(2)       Von Familienangehörigen, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, ist gemäß der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 oder gegebenenfalls den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften lediglich ein Einreisevisum zu fordern. Für die Zwecke dieser Richtlinie entbindet der Besitz einer gültigen Aufenthaltskarte gemäß Artikel 10 diese Familienangehörigen von der Visumspflicht.

Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um diesen Personen die Beschaffung der erforderlichen Visa zu erleichtern. Die Visa werden so bald wie möglich nach einem beschleunigten Verfahren unentgeltlich erteilt.“

11.      In Bezug auf das Recht auf Aufenthalt und die Erteilung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, sieht Art. 10 dieser Richtlinie vor:

„(1)       Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, wird spätestens sechs Monate nach Einreichung des betreffenden Antrags eine ‚Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers‘ ausgestellt. Eine Bescheinigung über die Einreichung des Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte wird unverzüglich ausgestellt.

(2)       Für die Ausstellung der Aufenthaltskarte verlangen die Mitgliedstaaten die Vorlage folgender Dokumente:

a)      gültiger Reisepass;

b)      Bescheinigung über das Bestehen einer familiären Beziehung oder einer eingetragenen Partnerschaft;

c)      Anmeldebescheinigung des Unionsbürgers, den sie begleiten oder dem sie nachziehen, oder, wenn kein Anmeldesystem besteht, ein anderer Nachweis über den Aufenthalt des betreffenden Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat;

d)      in den Fällen des Artikels 2 Nummer 2 Buchstaben c) und d) der urkundliche Nachweis, dass die dort genannten Voraussetzungen vorliegen;

e)      in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe a) ein durch die zuständige Behörde des Ursprungs- oder Herkunftslands ausgestelltes Dokument, aus dem hervorgeht, dass die Betroffenen vom Unionsbürger Unterhalt beziehen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder der Nachweis schwerwiegender gesundheitlicher Gründe, die die persönliche Pflege des Familienangehörigen durch den Unionsbürger zwingend erforderlich machen;

f)      in den Fällen des Artikels 3 Absatz 2 Buchstabe b) der Nachweis über das Bestehen einer dauerhaften Beziehung mit dem Unionsbürger.“

12.      Gemäß Art. 11 der Richtlinie 2004/38 gilt die auf der Grundlage von Art. 10 erteilte Aufenthaltskarte grundsätzlich für fünf Jahre. Die Art. 12 bis 15 enthalten Bestimmungen über die Aufrechterhaltung und den Verlust des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen des Unionsbürgers.

13.      Zum Erlass von Maßnahmen gegen eventuellen Missbrauch der durch die Richtlinie 2004/38 verliehenen Rechte bestimmt Art. 35:

„Die Mitgliedstaaten können die Maßnahmen erlassen, die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte im Falle von Rechtsmissbrauch oder Betrug – wie z. B. durch Eingehung von Scheinehen – zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen. Solche Maßnahmen müssen verhältnismäßig sein und unterliegen den Verfahrensgarantien nach den Artikeln 30 und 31.“

4.      Verordnung (EG) Nr. 539/2001

14.      Der vierte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 539/2001(5) lautet: „In Anwendung von Artikel 1 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beteiligen sich Irland und das Vereinigte Königreich nicht an der Annahme dieser Verordnung. Unbeschadet des Artikels 4 des genannten Protokolls gilt diese Verordnung daher nicht für Irland und das Vereinigte Königreich.“

5.      Verordnung (EG) Nr. 562/2006

15.      Die Verordnung Nr. 562/2006(6) sieht vor, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union überschreiten, und legt Regeln für die Grenzkontrollen in Bezug auf Personen fest, die die Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union überschreiten. Ihr 27. Erwägungsgrund lautet: „Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich das Vereinigte Königreich gemäß dem Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden …, nicht beteiligt. Das Vereinigte Königreich beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für das Vereinigte Königreich nicht bindend oder anwendbar ist.“

B –    Nationales Recht

16.      Hinsichtlich des Rechts auf Einreise der Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, bestimmt Regulation 11 Abs. 2 bis 4 der Immigration (European Economic Area) Regulations 2006/1003 (im Folgenden: Immigration Regulations):

„(2)       Einer Person, die kein EWR-Staatsangehöriger ist, ist die Einreise in das Vereinigte Königreich zu gestatten, wenn sie Familienangehöriger eines EWR-Staatsangehörigen, Familienangehöriger mit Aufenthaltsrecht oder eine Person mit einem Recht auf Daueraufenthalt gemäß Regulation 15 ist und bei der Ankunft

a)      einen gültigen Reisepass und

b)      einen EEA family permit, eine Aufenthaltskarte oder eine Daueraufenthaltskarte vorweist.

(3)       Ein Beamter der Einwanderungsbehörde darf im Reisepass einer Person, der nach dieser Regulation die Einreise in das Vereinigte Königreich gestattet wird und die kein EWR-Staatsangehöriger ist, keinen Stempel anbringen, wenn die Person eine Aufenthaltskarte oder eine Daueraufenthaltskarte vorweist.

(4)       Bevor ein Beamter der Einwanderungsbehörde einer Person nach dieser Regulation die Einreise in das Vereinigte Königreich verweigert, weil sie bei der Ankunft eines der unter Abs. 1 und 2 angeführten Dokumente nicht vorweist, hat er ihr jede angemessene Möglichkeit zu gewähren, sich das Dokument in einer angemessenen Frist zu beschaffen oder übermitteln zu lassen oder mit anderen Mitteln nachzuweisen, dass sie

a)      ein EWR-Staatsangehöriger ist,

b)      ein Familienangehöriger eines EWR-Staatsangehörigen ist, der berechtigt ist, diesen Staatsangehörigen in das Vereinigte Königreich zu begleiten oder ihm dorthin nachzuziehen, oder

c)      ein Familienangehöriger, der das Aufenthaltsrecht erhalten hat, oder eine Person mit einem Recht auf Daueraufenthalt ist …“

17.      Hinsichtlich der Ausstellung eines EEA family permit nach Regulation 11 sieht Regulation 12 Abs. 1, 4 und 5 der Immigration Regulations vor:

„(1)       Ein für die Einreiseerlaubnis zuständiger Beamter hat einem Antragsteller einen EEA family permit auszustellen, wenn die betreffende Person Familienangehöriger eines EWR-Staatsangehörigen ist und

a)      der EWR-Staatsangehörige

i)      sich im Einklang mit diesen Regulations im Vereinigten Königreich aufhält oder

ii)      innerhalb von sechs Monaten ab dem Datum der Antragstellung in das Vereinigte Königreich reisen wird und bei seiner Ankunft im Vereinigten Königreich ein EWR-Staatsangehöriger sein wird, der sich im Einklang mit diesen Regulations im Vereinigten Königreich aufhält, und

b)      der Familienangehörige den EWR-Staatsangehörigen in das Vereinigte Königreich begleiten oder ihm dort nachziehen wird und

i)      sich rechtmäßig in einem EWR-Staat aufhält oder

ii)      die Erfordernisse der Einwanderungsvorschriften (abgesehen von jenen, die sich auf die Einreiseerlaubnis beziehen) für die Einreise in das Vereinigte Königreich als Familienangehöriger eines EWR-Staatsangehörigen oder, im Fall von Verwandten in direkter absteigender Linie oder unterhaltsberechtigten Verwandten in direkter aufsteigender Linie des Ehepartners oder Lebenspartners des EWR-Staatsangehörigen, als Familienangehöriger des Ehegatten oder Lebenspartners erfüllen würde, wenn der EWR-Staatsangehörige oder der Ehepartner oder Lebenspartner im Vereinigten Königreich anwesend und niedergelassen wäre.

(4)       Ein gemäß dieser Regulation ausgestellter EEA family permit wird unentgeltlich und so bald wie möglich ausgestellt.

(5)       Ein EEA family permit wird jedoch nicht nach dieser Regulation ausgestellt, wenn der Antragsteller oder der betroffene EWR-Staatsangehörige aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gemäß Regulation 21 aus dem Vereinigten Königreich auszuweisen ist.“

III – Sachverhalt

18.      Herr Sean Ambrose McCarthy besitzt sowohl die britische als auch die irische Staatsbürgerschaft(7). Er ist mit einer kolumbianischen Staatsangehörigen verheiratet, mit der er eine Tochter hat.

19.      Nach den Angaben der Vertreter der Kläger des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat Herr McCarthy den Status eines „britischen Staatsangehörigen mit Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich“(8). Dieser Status ergibt sich aus seiner Geburt in Irland vor Inkrafttreten des Gesetzes über die britische Staatsangehörigkeit von 1948(9).

20.      Außerdem geht aus den in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen auch hervor, dass Herr McCarthy 52 Jahre in Irland gelebt hat, wohingegen er nur sechs Jahre, zwischen 1967 und 1973, im Vereinigten Königreich gelebt hat.

21.      Was seine Tochter betrifft, so ergibt sich ihre doppelte britische und irische Staatsbürgerschaft sowohl aus dem Status ihres Vaters als auch aus ihrer Geburt im Vereinigten Königreich, dem Mitgliedstaat, in dem sie allerdings nie gewohnt hat.

22.      Frau Helena Patricia McCarthy Rodriguez ist Inhaberin einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die ihr von den spanischen Behörden nach Art. 10 der Richtlinie 2004/38 ausgestellt wurde(10).

23.      Die Kläger des Ausgangsverfahrens wohnen seit Mai 2010 in Spanien, wo sie ein Haus besitzen. Sie haben auch ein Haus im Vereinigten Königreich, wohin sie regelmäßig reisen.

24.      Gemäß den Bestimmungen des nationalen Einwanderungsrechts müssen die Inhaber einer Aufenthaltskarte für die Einreise in das Vereinigte Königreich eine Einreiseerlaubnis (EEA family permit) mit einer Gültigkeitsdauer von sechs Monaten beantragen. Dieser family permit kann unter der Voraussetzung verlängert werden, dass sich sein Inhaber persönlich zu einer diplomatischen Vertretung des Vereinigten Königreichs im Ausland begibt und ein Formular ausfüllt, das Einzelheiten über die Existenzmittel und die berufliche Situation des Antragstellers enthält.

25.      Da in Spanien der Sitz der diplomatischen Vertretung des Vereinigten Königreichs in Madrid ist, muss Frau McCarthy jedes Mal, wenn sie ihren family permit verlängern will, um mit ihrer Familie in das Vereinigte Königreich zu reisen, von Marbella, wo die Familie lebt, nach Madrid fahren. Es ist vorgekommen, dass ihr bei Flügen in das Vereinigte Königreich das Einsteigen verweigert wurde, als sie nur ihre Aufenthaltskarte, nicht aber ihren family permit vorwies.

26.      Wie nämlich aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, hat der Secretary of State for the Home Department(11) (im Folgenden: Secretary of State) einen Leitfaden für Beförderungsunternehmen herausgegeben, die Beförderungen von Personen in das Vereinigte Königreich durchführen. Dieser Leitfaden soll die Beförderungsunternehmen dazu anhalten, keine Passagiere zu befördern, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind und keinen Aufenthaltstitel, der von den Behörden des Vereinigten Königreichs erteilt wurde, oder Reisedokumente wie einen gültigen EEA family permit besitzen(12).

27.      Am 6. Januar 2012 erhoben die Kläger des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht Klage gegen das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland auf Feststellung, dass das Vereinigte Königreich gegen seine Verpflichtung verstoßen hat, Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ordnungsgemäß in seine Rechtsordnung umzusetzen. Sie machten geltend, dass die nicht ordnungsgemäße Umsetzung dieser Bestimmung durch das Vereinigte Königreich und die Veröffentlichung des Leitfadens für Beförderungsunternehmen ihre Rechte auf Freizügigkeit ernstlich beeinträchtige.

28.      Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, richtete die Europäische Kommission am 22. Juni 2011 nach Art. 258 AEUV ein Aufforderungsschreiben an das Vereinigte Königreich, in dem sie zu dem Ergebnis kam, Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 sei nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden. Das Vereinigte Königreich antwortete am 22. September 2011. Die Kommission richtete am 26. April 2012 eine mit Gründen versehene Stellungnahme in demselben Sinne an das Vereinigte Königreich, auf die das Vereinigte Königreich am 24. Juli 2012 antwortete.

29.      Aus der Vorlageentscheidung geht ebenfalls hervor, dass die Kläger des Ausgangsverfahrens u. a. geltend machten, dass die Voraussetzungen der Regelung über den family permit, die für Inhaber von Aufenthaltskarten gälten, kostspielig seien und Nachteile für die Familie mit sich brächten(13).

30.      Durch eine Vereinbarung zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens erhielt Frau McCarthy vor dem vorlegenden Gericht vorläufigen Rechtsschutz des Inhalts, dass sie die Verlängerung ihres family permit schriftlich auf dem Postweg bei der diplomatischen Vertretung in Madrid beantragen kann, ohne sich persönlich dorthin begeben zu müssen.

31.      Der Secretary of State machte geltend, die Immigration Regulations setzten Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht um und seien als notwendige Maßnahme nach Art. 35 dieser Richtlinie sowie als Kontrollmaßnahme im Sinne von Art. 1 des Protokolls Nr. 20 gerechtfertigt. Es müsse berücksichtigt werden, dass es für die in Art. 10 der Richtlinie 2004/38 genannten Aufenthaltskarten kein einheitliches Muster gebe. Insbesondere seien diese Karten nicht ins Englische übersetzt und könnten gefälscht werden(14). Zudem gebe es ein „systemisches Problem mit Rechtsmissbrauch und Betrug“ durch Drittstaatsangehörige(15). Der Secretary of State legte dem vorlegenden Gericht Beweise hierzu vor(16).

32.      Nach Prüfung dieser Beweise kam das vorlegende Gericht zu dem Ergebnis, dass es die Sorgen des Secretary of State in Bezug auf einen Rechtsmissbrauch teile.

IV – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

33.      Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht mit Entscheidung vom 25. Januar 2013, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 17. April 2013, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Erlaubt Art. 35 der Richtlinie 2004/38 einem Mitgliedstaat, eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung zu erlassen, um das Recht aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie, wonach ausländische Familienangehörige von EU-Staatsangehörigen, die Inhaber einer gemäß Art. 10 der Richtlinie ausgestellten Aufenthaltskarte sind, von der Visumpflicht entbunden sind, zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen?

2.      Kann Art. 1 des Protokolls Nr. 20 über die Anwendung bestimmter Aspekte des Artikels 26 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf das Vereinigte Königreich und auf Irland dem Vereinigten Königreich erlauben, von Inhabern von Aufenthaltskarten den Besitz eines Einreisevisums zu verlangen, das vor der Ankunft an der Grenze beschafft werden muss?

3.      Bei Bejahung der ersten oder der zweiten Frage: Ist der Umgang des Vereinigten Königreichs mit Inhabern von Aufenthaltskarten im vorliegenden Fall gerechtfertigt, wenn man die im Urteil des vorlegenden Gerichts zusammengefassten Beweise berücksichtigt?

34.      Schriftliche Erklärungen wurden von den Klägern des Ausgangsverfahrens, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Republik Polen, der Slowakischen Republik und dem Vereinigten Königreich sowie von der Kommission abgegeben.

35.      Die Kläger des Ausgangsverfahrens, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, das Vereinigte Königreich sowie die Kommission haben auch mündliche Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 4. März 2014 abgegeben.

V –    Würdigung

36.      Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Frage, ob Art. 35 der Richtlinie 2004/38 und das Protokoll Nr. 20 dem Vereinigten Königreich gestatten, Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu erlassen, die allgemein das Recht von Drittstaatsangehörigen, die Inhaber einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, auf Einreise in das Vereinigte Königreich vom vorherigen Erhalt eines Einreisevisums abhängig machen.

37.      Ich werde im Folgenden zunächst prüfen, ob einer Person in der Lage wie der von Frau McCarthy die Bestimmungen des abgeleiteten Rechts zugutekommen können, die unter bestimmten Bedingungen Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, von der Verpflichtung befreien, sich ein Einreisevisum zu beschaffen. Wenn diese Frage bejaht wird, werde ich anschließend die Frage prüfen, ob das Vereinigte Königreich berechtigt ist, auf der Grundlage von Art. 35 der Richtlinie 2004/38 Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind und über eine von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Aufenthaltskarte im Sinne von Art. 10 dieser Richtlinie verfügen, die Verpflichtung aufzuerlegen, einen „family permit“ zu besitzen, um in das Vereinigte Königreich einreisen zu können. Abschließend werde ich dieselbe Frage im Hinblick auf das Protokoll Nr. 20 erörtern.

A –    Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38

38.      Zu Beginn ist hervorzuheben, dass die Parteien und die sonstigen Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 weder in ihren schriftlichen Erklärungen noch in ihren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung bestritten haben(17). Und auch wenn das Vereinigte Königreich die Anwendbarkeit der Richtlinie in der mündlichen Verhandlung substantiiert bestritten hat, wendet es diese doch auf den vorliegenden Fall an. Das vorlegende Gericht wirft diese Frage auch nicht auf. Es hat seine Argumentation nämlich ebenfalls auf die Anwendbarkeit der Richtlinie gestützt. Ich bin jedoch der Auffassung, dass es sich um eine Frage handelt, die es verdient, geprüft zu werden.

1.      Vorbemerkungen und Besonderheiten der Rechtssache

39.      Mit der Einführung der Unionsbürgerschaft im Jahr 1992(18) krönte der Vertrag von Maastricht eine lange Entwicklung(19). Zwischen dem „Europa der Bürger“(20), über das in den 70er und 80er Jahren debattiert wurde, und der aktuellen Unionsbürgerschaft wurde ein langer Weg beschritten, der als Leitfaden u. a. das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt im Staatsgebiet der Mitgliedstaaten hatte. Die Unionsbürgerschaft stellt heute den Status aller Unionsbürger dar, ob sie wirtschaftlich tätig(21) sind oder nicht(22). Ihre Aufnahme in die Verträge hat somit den Prozess der europäischen Integration legitimiert, indem die Teilhabe der Bürger gestärkt wurde.

40.      Seitdem beziehen die Unionsbürger, die sich im Staatsgebiet der Mitgliedstaaten bewegen, nicht nur ihre Reisen ins Zentrum ihres täglichen Lebens ein, sondern sehen darin auch einen zentralen Bestandteil der Vorstellung, die sie sich von sich selbst als Unionsbürger machen. Die Gesamtheit der Rechte und Pflichten, die ihnen sowie ihren Familienangehörigen gewährt werden, erleichtert nämlich insbesondere ihre freie Bewegung, ihren Aufenthalt, ihren Zugang zum Studium, ihre Suche nach Beschäftigung oder ihre Arbeit. Ihre Unionsbürgerschaft stellt daher einen wesentlichen Teil ihrer europäischen Identität dar(23).

41.      In der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situation will Frau McCarthy, die Staatsangehörige eines Drittstaats ist, ein Recht auf Einreise in den Mitgliedstaat erhalten, dessen Staatsbürgerschaft ihr Ehemann und ihre Tochter besitzen, d. h. in das Vereinigte Königreich, um sie dorthin insbesondere auf Kurzreisen zu begleiten.

42.      Außerdem haben sich die Kläger des Ausgangsverfahrens in einem anderen als dem Mitgliedstaat niedergelassen, dessen Staatsangehörigkeit Herr McCarthy besitzt, und zwar in Spanien, und die spanischen Behörden haben Frau McCarthy eine Aufenthaltskarte nach Art. 10 der Richtlinie 2004/38 ausgestellt.

43.      Die in Rede stehenden Reisen sind also Kurzreisen in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit Herr McCarthy und seine Tochter haben, die Unionsbürger sind und von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben.

44.      An dieser Stelle ist zu bemerken, dass in der mündlichen Verhandlung klargestellt wurde, wie aus den Nrn. 19 bis 21 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, dass die doppelte britische und irische Staatsbürgerschaft von Herrn McCarthy und seiner Tochter auf besonderen historischen Umständen beruht.

45.      Nach derzeitigem Stand des Unionsrechts hängt allerdings die Frage, ob eine Person die Staatsangehörigkeit dieses oder jenes Mitgliedstaats besitzt, allein vom innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats ab(24). Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass „die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit … nach dem internationalen Recht der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten [unterliegt]“(25).

46.      Folglich sind Herr McCarthy und seine Tochter nach der Erklärung von 1983(26) und für die Zwecke des Unionsrechts britische Staatsangehörige(27).

2.      Analyse des abgeleiteten Aufenthaltsrechts in der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs 

47.      Um zu bestimmen, ob ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht auf die Richtlinie 2004/38 gestützt werden kann, ist von ihrem Art. 3 auszugehen. Insoweit hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung aus den Bestimmungen dieser Richtlinie eine grammatische, systematische und teleologische Auslegung vorgenommen, die er in seinem kürzlich ergangenen Urteil O. und B.(28) bestätigt hat.

48.      In seinen Ausführungen hat der Gerichtshof nämlich hervorgehoben, dass Art. 21 AEUV zwar bestimmt, dass jeder Unionsbürger das Recht hat, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dieses Recht jedoch nicht absolut ist, sondern nach diesem Artikel „vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“(29) ausgeübt wird. In Bezug auf die Richtlinie 2004/38 hat er darauf hingewiesen, dass sie die Ausübung des elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, das den Unionsbürgern unmittelbar aus Art. 21 Abs. 1 AEUV erwächst, erleichtern soll und dass sie u. a. bezweckt, dieses Recht zu verstärken(30).

49.      Der Gerichtshof hat darauf hingewiesen, dass weder Art. 21 Abs. 1 AEUV noch die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 Drittstaatsangehörigen eigenständige Rechte verleihen. Die etwaigen Rechte, die die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft Drittstaatsangehörigen verleihen, sind nämlich keine eigenen Rechte dieser Staatsangehörigen, sondern Rechte, die daraus abgeleitet werden, dass ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat(31).

50.      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ausgeführt, dass, wie eine Auslegung der Richtlinie 2004/38 nach ihrem Wortlaut, ihrer Systematik und dem mit ihr verfolgten Ziel ergibt, sie für Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, begründet(32). Genauer gesagt wird der persönliche Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38 durch ihren Art. 3 Abs. 1 festgelegt, wonach die Richtlinie für jeden Unionsbürger gilt, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, „begibt oder sich dort aufhält“, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Art. 2 Nr. 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen(33).

51.      Folglich kann nur ein Berechtigter im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2004/38 – wie er vom Gerichtshof ausgelegt wird – Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte aus dieser Richtlinie herleiten. Ein solcher Berechtigter kann ein Unionsbürger oder ein Familienangehöriger im Sinne von Art. 2 Nr. 2 sein(34).

52.      Auf den vorliegenden Fall übertragen bedeutet dies, dass die Situation von Frau McCarthy als Ehefrau eines Unionsbürgers unter den Begriff „Familienangehörige“ in Art. 2 Nr. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 fällt(35). Wie die polnische Regierung in ihren Erklärungen ausgeführt hat, „begeben sich“ Herr McCarthy und seine Tochter jedoch in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, und nicht, wie es Art. 3 der Richtlinie 2004/38 vorsieht, in einen anderen Mitgliedstaat als den, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Anders gesagt könnten die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 grundsätzlich nicht erfüllt sein, wenn sich der Unionsbürger in den Mitgliedstaat begibt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

53.      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs wird nämlich der zumindest vernünftige Charakter einer solchen Auslegung dadurch bestätigt, dass sich andere Bestimmungen der Richtlinie 2004/38, insbesondere die Art. 6, 7 Abs. 1 und 2 sowie 16 Abs. 1 und 2, auf das Aufenthaltsrecht(36) eines Unionsbürgers und das abgeleitete Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen entweder in einem „anderen Mitgliedstaat“ oder im „Aufnahmemitgliedstaat“ beziehen. Folglich geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass ein Drittstaatsangehöriger, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, aus dieser Richtlinie kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, herleiten kann(37).

54.      Bezüglich des Zwecks der abgeleiteten Rechte auf Einreise und auf Aufenthalt, die die Richtlinie 2004/38 für die Familienangehörigen der Unionsbürger vorsieht, weist der Gerichtshof darauf hin, dass die Richtlinie die Ausübung des elementaren und persönlichen Rechts, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, erleichtern soll(38). Gleichwohl stellt der Gerichtshof klar, dass der Gegenstand dieser Richtlinie, wie aus ihrem Art. 1 Buchst. a hervorgeht, die Bedingungen sind, unter denen dieses Recht ausgeübt wird(39). Da ein Staat nach völkerrechtlichen Grundsätzen(40) seinen eigenen Staatsangehörigen das Recht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen und dort zu bleiben, nicht verwehren darf, regelt die Richtlinie 2004/38 – ebenfalls nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs – lediglich die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt eines Unionsbürgers in anderen Mitgliedstaaten als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt(41).

55.      Ist daher davon auszugehen, dass die Richtlinie 2004/38 in Situationen wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keine Anwendung findet?

56.      Ich bin davon nicht überzeugt. Ich denke vielmehr, dass es geboten ist, den Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38 weiter auszulegen, um dieser nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen.

57.      Um bestimmen zu können, ob in der in den Nrn. 41 bis 43 der vorliegenden Schlussanträge beschriebenen Situation Frau McCarthy von der Verpflichtung, sich als Familienangehörige eines Unionsbürgers ein Einreisevisum zu beschaffen, befreit sein kann, erscheint es erforderlich, sich folgende Frage zu stellen: Würde die Richtlinie 2004/38, ausgelegt im Licht von Art. 21 AEUV, ein solches Recht aufgrund der vorherigen oder gleichzeitigen Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit von Herrn McCarthy erlauben?

58.      Für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst klarzustellen, dass der Gerichtshof auf der Grundlage der Verträge den Familienangehörigen im Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, zwei Arten von Aufenthaltsrechten gewährt hat(42). Die erste bezieht sich auf das Recht auf Familienzusammenführung, das dem Bürger infolge der vorherigen oder gleichzeitigen Ausübung der Freizügigkeit gewährt und aus dem Verbot von Hemmnissen hergeleitet wird(43). Die zweite ergibt sich aus der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 AEUV und soll verhindern, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen die Unionsbürgerschaft verleiht, verwehrt wird(44).

59.      Im Rahmen der vorliegenden Schlussanträge ist nur die vorstehend erwähnte erste Art des Aufenthaltsrechts zu würdigen. Meiner Ansicht nach betrifft sie zwei verschiedene Situationen, die im Folgenden geprüft werden. Die erste betrifft die des Unionsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit „ausgeübt hat“ und sich in den Mitgliedstaat begibt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (vorherige Ausübung), und die zweite die des Unionsbürgers, der sein Recht auf Freizügigkeit in dem Zeitpunkt „ausübt“, in dem er in diesen Mitgliedstaat reist (gleichzeitige Ausübung).

3.      Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 im Fall, in dem der Unionsbürger, der von seiner Freizügigkeit tatsächlich vorher Gebrauch gemacht hat, in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt

60.      Es wäre angebracht, die Richtlinie 2004/38 weit dahin auszulegen, dass sie auf Unionsbürger und Staatsangehörige eines Drittstaats, die Familienangehörige sind, angewandt werden kann, die in den Mitgliedstaat reisen, dessen Staatsangehörigkeit diese Unionsbürger besitzen. Eine solche Auslegung scheint mir nicht nur im Hinblick auf die Rolle, die die Unionsbürgerschaft beim derzeitigen Stand des Unionsrechts, wie es sich aus meinen Erwägungen in den Nrn. 39 und 40 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, spielt, sondern auch im Licht der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs gerechtfertigt.

a)      Teleologische Rechtfertigung einer weiteren Auslegung der Richtlinie 2004/38

61.      Der Unionsbürgerstatus „ist dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein“(45). Daher üben diese Bürger, wenn sie von einem Mitgliedstaat in einen anderen einschließlich dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, reisen, nur ihre Rechte auf Freizügigkeit und Aufenthalt aus, die ihnen nach dem Unionsrecht zustehen.

62.      In der heutigen Europäischen Union kann ein Bürger seine Herkunft in einem Mitgliedstaat haben, dessen Staatsangehörigkeit er nicht besitzt(46), oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten besitzen, in dem oder denen er nie gewohnt hat(47). Er kann auch mehrere Staatsangehörigkeiten besitzen, ja sogar in zwei oder mehr Mitgliedstaaten wohnen und dabei tatsächliche, sowohl berufliche als auch persönliche Bindungen zu all diesen Staaten behalten.

i)      Zur fehlenden Koinzidenz des Mitgliedstaats, aus dem ein Unionsbürger stammt, und desjenigen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt

63.      Es scheint mir der heutigen Wirklichkeit der Union nicht zu entsprechen, davon auszugehen, dass das Land, aus dem ein Unionsbürger stammt, und das Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, derselbe Mitgliedstaat ist.

64.      Erlauben Sie mir, hierzu an zwei Beispielen die Situation zahlreicher Unionsbürger zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts zu veranschaulichen.

65.      Nehmen wir zunächst den Fall eines deutsch-französischen Paares, F und A. Sie wohnen seit 25 Jahren im Vereinigten Königreich. Ihr Sohn, FA, wurde in London geboren und besitzt die doppelte deutsche und französische Staatsbürgerschaft. Er lebte mehrere Jahre in Berlin, wo er, nachdem er eine Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe abgeschlossen hatte, mehreren Beschäftigungen nachgegangen ist. In Frankreich war er hingegen nur für Aufenthalte von sehr kurzer Dauer, u. a. anlässlich von Sommerurlauben. FA ist mit einer Argentinierin verheiratet. Sie haben ein Kind, das Unionsbürger ist, und wohnen seit einem Jahr in Lyon.

66.      Ist in diesem Fall davon ausgehen, dass FA zum Zeitpunkt seiner Niederlassung in Lyon nach Frankreich (einer der Mitgliedstaaten, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt) zurückkehrt, obwohl er nie dort gewohnt hat? Eine Bejahung dieser Frage würde sich auf den unzutreffenden Gedanken stützen, dass FA Frankreich zu einem bestimmten Zeitpunkt seines Lebens verlassen hat, um sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben.

67.      Nehmen wir sodann ein zweites Beispiel, das eines litauisch-polnischen Paares, L und P. Sie leben seit 30 Jahren in Litauen und haben eine Tochter, LP. Diese wurde in Vilnius geboren, besitzt die litauische Staatsbürgerschaft und kann folglich die polnische nicht haben(48). LP wohnte während ihres Universitätsstudiums in mehreren Mitgliedstaaten, u. a. in Polen, wo sie ihren Ehemann kennenlernte, der chilenischer Staatsbürger ist. Das Paar hat sich vor Kurzem in Krakau niedergelassen.

68.      Habe ich im Licht dieser beiden Beispiele automatisch, ohne mir Fragen zu stellen, davon auszugehen, dass immer eine Übereinstimmung zwischen dem Mitgliedstaat, aus dem ein Unionsbürger stammt, und dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, besteht? Was FA betrifft, hat dieser trotz seiner doppelten deutsch-französischen Staatsbürgerschaft vor seiner Niederlassung in Lyon nie in Frankreich gelebt. Es besteht jedoch kaum Zweifel daran, dass dieser Mitgliedstaat einer der Mitgliedstaaten ist, aus dem FA stammt.

69.      Was hingegen LP betrifft, kann niemand daran zweifeln, dass sie aus zwei Mitgliedstaaten stammt. Ihre Eltern haben nämlich nicht nur der eine die polnische und der andere die litauische Staatsangehörigkeit, sondern sie spricht selbst beide Sprachen fließend und hat in einem dieser beiden Mitgliedstaaten studiert. LP besitzt jedoch nicht die polnische Staatsbürgerschaft.

70.      Folglich besteht bei FA eine Koinzidenz der Länder, deren Staatsangehörigkeiten er besitzt, und der Länder, aus denen er stammt, was bei LP nicht der Fall ist.

71.      Diese beiden Beispiele spiegeln meines Erachtens die Wirklichkeit eines nicht zu vernachlässigenden Teils der Unionsbürger wider. Ich komme nun auf die Richtlinie 2004/38 zurück.

72.      Wenn insoweit die Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte grundsätzlich nur Unionsbürgern oder ihren Familienangehörigen gewährt werden, die in einen Mitgliedstaat reisen, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, wäre es dann nicht zumindest paradox, dass LP sich auf die Richtlinie 2004/38 berufen kann, FA aber nicht?

73.      Erschiene die Unionsbürgerschaft unter diesen Umständen nicht als ein Opfer ihres eigenen Erfolgs?

ii)    Zu den unterschiedlichen Richtungen, in die sich Unionsbürger bewegen

74.      Die Richtlinie 2004/38 geht von der Annahme aus, dass der Unionsbürger, um sich innerhalb der Union zu bewegen, immer von dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, in einen anderen geht, obwohl dies nicht immer der Fall ist, wie die oben genannten Beispiele dies veranschaulichen. Meines Erachtens wäre es der aktuellen Realität der Unionsbürgerschaft auch nicht angemessen, abschließend die verschiedenen Richtungen aufzuzählen, in die sich Unionsbürger innerhalb der Union bewegen(49). Der Unionsgesetzgeber hat, so scheint mir, nicht beabsichtigt, eine begrenzte Anzahl von Fortbewegungshypothesen (numerus clausus) einzuführen, um diejenigen auszuschließen, die zwischen dem Aufnahmemitgliedstaat und dem, dessen Staatsangehörigkeit ein Unionsbürger besitzt, erfolgen. Wie ich in Nr. 62 der vorliegenden Schlussanträge bereits erläutert habe, ist es schwierig, alle Arten von Fortbewegungen zu identifizieren, die ein Unionsbürger vornehmen kann. Daher denke ich nicht, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 dahin ausgelegt werden sollte, dass der Gesetzgeber eine begrenzte Anzahl von Fortbewegungshypothesen eingeführt und so vom Geltungsbereich der Richtlinie die in den Nrn. 64 bis 73 der vorliegenden Schlussanträge genannten Fälle ausgeschlossen hätte.

75.      Im vorliegenden Fall würde eine solche Auslegung zu dem paradoxen Ergebnis, das mich zumindest zum Nachdenken bringt, führen, dass Frau McCarthy ihren Ehemann auf allen Reisen in alle Mitgliedstaaten außer den, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begleiten könnte! Mit anderen Worten würde sich das Recht auf Freizügigkeit eines Unionsbürgers, der sich von seinen Familienangehörigen, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, je nach der Anzahl von Staatsangehörigkeiten, die er hat, reduzieren! Können wir zudem eine Auslegung der Richtlinie 2004/38 zulassen, die eine unterschiedliche Behandlung der Familienangehörigen eines Unionsbürgers je nachdem, in welchen Mitgliedstaat sie reisen, gestatten würde?

76.      Nach alledem bin ich davon überzeugt, dass eine mehr mit der Wirklichkeit der Unionsbürger zusammenhängende Auslegung der Richtlinie 2004/38 erforderlich ist, wenn wir ihre praktische Wirksamkeit bewahren wollen. Um zu einer solchen Auslegung zu gelangen, werde ich zunächst sehr kurz auf die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs eingehen, was das abgeleitete Aufenthaltsrecht betrifft.

b)      Kurzer Überblick über die einschlägige Rechtsprechung zum abgeleiteten Aufenthaltsrecht

77.      Wie in Nr. 58 der vorliegenden Schlussanträge bemerkt, wird das Recht, von einem Familienangehörigen, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, begleitet zu werden, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Unionsbürger gewährt, der, nachdem er in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er mit dem Familienangehörigen wohnte, sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat (vorherige Ausübung), in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zurückkehrt, und zwar unabhängig davon, ob er wirtschaftlich tätig ist(50) oder nicht(51). Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang kurz das Ergebnis in Erinnerung zu rufen, zu dem der Gerichtshof in den Urteilen Singh(52) und Eind(53) gelangt ist.

78.      Im Urteil Singh(54) war der Gerichtshof nämlich der Auffassung, dass ein Bürger, der in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er hatte, zurückkehrte, um einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, nachdem er eine gewisse Zeit in einem anderen Mitgliedstaat als Arbeitnehmer beschäftigt war, das aus den Verträgen und dem abgeleiteten Recht fließende Recht hatte, von seinem Partner, der Angehöriger eines Drittstaats war, unter denselben Bedingungen wie den im abgeleiteten Recht vorgesehenen begleitet zu werden(55). Andernfalls könnte er davon abgehalten werden, sein Land zu verlassen, um in einem anderen Mitgliedstaat eine unselbständige oder selbständige Tätigkeit auszuüben(56). Bezüglich der Rechtsgrundlage, auf die sich dieses Urteil stützt, möchte ich darauf hinweisen, dass der Tenor des Urteils wie folgt lautet: „Artikel 52 EWG-Vertrag und die Richtlinie 73/148 … verpflichten einen Mitgliedstaat, dem Ehegatten eines Angehörigen dieses Staates ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit die Einreise in sein Hoheitsgebiet und den Aufenthalt dort zu gestatten, wenn sich der Angehörige dieses Staates mit diesem Ehegatten in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats begeben hatte, um dort eine unselbständige Tätigkeit … auszuüben, und zurückkehrt, um sich im Hoheitsgebiet des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, … niederzulassen“(57). Der Gerichtshof hat allerdings die Richtlinie 73/148 offenbar nur entsprechend angewandt, wie er es danach ausdrücklich in den Urteilen Eind(58) und O. und B.(59) getan hat.

79.      Im Urteil Eind(60) hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der seine Tochter aus einem Drittland zu sich kommen ließ, als er in einem anderen Mitgliedstaat arbeitete, das Recht hatte, sich von ihr bei seiner Rückkehr als wirtschaftlich nicht Tätiger in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, begleiten zu lassen. Der Gerichtshof hat die abschreckende Wirkung berücksichtigt, die sich aus der einfachen Perspektive ergeben würde, nach seiner Rückkehr in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, kein gemeinsames Leben mit den Familienangehörigen fortführen zu können. Somit ist die Begründung des Urteils Eind(61) sowohl auf die Bestimmungen des Vertrags als auch auf die der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) gestützt. Insoweit hat der Gerichtshof ausgeführt, dass „das Recht des Wanderarbeitnehmers, in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zurückzukehren und sich dort aufzuhalten, nachdem er einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis in einem anderen Mitgliedstaat nachgegangen ist, vom Gemeinschaftsrecht verliehen [wird], soweit es notwendig ist, um die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Freizügigkeit zu gewährleisten, das den Arbeitnehmern nach Art. 39 EG und den zur Umsetzung dieses Rechts erlassenen Regelungen wie der Verordnung Nr. 1612/68 zusteht. Eine solche Auslegung wird durch die Einführung der Stellung des Unionsbürgers bestätigt, die die grundlegende Stellung der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten sein soll.“(62) Allerdings hat der Gerichtshof klar ausgesprochen, dass die Verordnung Nr. 1612/68 „entsprechend“ gelte(63).

80.      Vor Kurzem hat der Gerichtshof im Urteil O. und B. entschieden, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass die Richtlinie 2004/38 entsprechend(64) gilt, wenn ein Unionsbürger im Rahmen eines in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, auf der Grundlage und unter Beachtung von Art. 7 Abs. 1 und 2 oder Art. 16 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 erfolgten Aufenthalts von einer gewissen Dauer ein Familienleben mit einem Drittstaatsangehörigen entwickelt oder gefestigt hat und mit seinem Familienangehörigen in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, zurückkehrt(65).

81.      Erstens ergibt sich aus dieser Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass im Licht nicht nur des Primärrechts, sondern auch des Sekundärrechts das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers und seiner Familienangehörigen, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nach der „vorherigen“ Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit anerkannt wird. Mit anderen Worten hat der Gerichtshof dieses Aufenthaltsrecht im Fall der endgültigen Rückkehr in den Herkunftsmitgliedstaat nach einem Aufenthalt in einem anderen Staat anerkannt.

82.      Zweitens geht aus dieser Rechtsprechung hervor, dass der Gerichtshof diese Urteile eher mit den Verträgen als mit dem abgeleiteten Recht begründet hat. Auch wenn ich mit dem Ergebnis, zu dem der Gerichtshof gekommen ist, einverstanden bin, bin ich allerdings skeptisch, was die Begründung betrifft, der er gefolgt ist. Der Gerichtshof hat nämlich in diesen Urteilen die Verträge im Licht des abgeleiteten Rechts, insbesondere der Richtlinie 2004/38, ausgelegt(66). Erlauben Sie mir insoweit, zumindest in Bezug auf eine solche Auslegung unter Berücksichtigung der Hierarchie zwischen dem primären und dem sekundären Recht Zweifel zu äußern. Es ist nämlich meines Erachtens das sekundäre Recht, das im Licht der Verträge ausgelegt werden muss, und nicht umgekehrt. Müsste man andernfalls nicht befürchten, dass eine Handlung oder eine Praxis der Organe oder der Mitgliedstaaten eine Revision der Verträge außerhalb der dafür vorgesehenen Verfahren mit sich bringt?

83.      Ich denke daher, dass eine weniger enge Auslegung der Richtlinie 2004/38 angebrachter wäre und offensichtlich die Wirkung hätte, die Kohärenz zwischen dem Geltungsbereich des Vertrags und dem der Richtlinie zu gewährleisten.

c)      Zwischenergebnis

84.      Ich bin der Auffassung, dass diese Rechtssache eine besonders günstige Gelegenheit für den Gerichtshof ist, die Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 nach vorheriger Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit durch einen Unionsbürger, der in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und dabei von einem Familienangehörigen, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, begleitet wird, zu prüfen.

85.      Ich halte es zunächst für erforderlich, in Anbetracht des Systems der Unionsrechtsquellen sowie der Rolle, die die Unionsbürgerschaft heute in der Union spielt, eine kohärentere Auslegung dieser Richtlinie vorzunehmen. Eine solche Auslegung würde insbesondere, wie aus Nr. 75 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, unlogische Ergebnisse wie die Tatsache verhindern, dass Frau McCarthy ihren Ehemann bei Reisen in alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begleiten kann.

86.      Sodann bietet die vorliegende Rechtssache eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Recht eines Unionsbürgers, sich bei seinen Reisen von einem Familienangehörigen, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, begleiten zu lassen, um die Realität der Wanderungsbewegungen der Unionsbürger in der heutigen Union, in der der Begriff des Herkunftslands unscharf wird, besser widerzuspiegeln. Unter diesem Blickwinkel stellt das Urteil O. und B.(67) einen ersten Schritt in diese Richtung dar, denn der Gerichtshof hat sich für die entsprechende Anwendung der Richtlinie 2004/38 ausgesprochen. Es ist jedoch nicht schwer, sich vorzustellen, dass die entsprechende Anwendung dieser Richtlinie insgesamt zahlreiche Nachteile aufweist.

87.      Schließlich hat der Gerichtshof keine weiteren Situationen berücksichtigt, die in Zukunft wohl auftreten werden, u. a. diejenigen der Unionsbürger, die nie in dem Mitgliedstaat gelebt haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Der Gerichtshof könnte also die Gelegenheit ergreifen, um klarzustellen, dass die Richtlinie 2004/38 auf die Familienangehörigen eines Unionsbürgers unabhängig davon anwendbar ist, welcher Mitgliedstaat das Ziel ist.

88.      Aufgrund all dessen schlage ich vor, festzustellen, dass die Richtlinie 2004/38 auf Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie sind, anwendbar ist, wenn der Unionsbürger, nachdem er sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt und sich für eine gewisse Dauer in einem anderen Mitgliedstaat aufgehalten hat, mit seinen Familienangehörigen in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

4.      Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38, wenn der Unionsbürger, der von seiner Freizügigkeit durch Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat effektiv Gebrauch macht, sie gleichzeitig ausübt, indem er in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt: der Fall des Rechts auf Einreise und kurzzeitigen Aufenthalt

89.      Ich habe dem Gerichtshof vorgeschlagen, den Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38 auf das abgeleitete Aufenthaltsrecht auszudehnen, das dem Unionsbürger zugutekommen würde, der, nachdem er von seiner Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dabei von Familienangehörigen begleitet wird, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind. Für den Fall, dass der Gerichtshof dem nicht folgen sollte, prüfe ich im Folgenden auch die Anwendbarkeit dieser Richtlinie in dem Fall, in dem der Unionsbürger gleichzeitig von seiner Freizügigkeit Gebrauch macht, indem er in den Mitgliedstaat reist, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und zwar ausschließlich im Hinblick auf das Recht auf Einreise und kurzzeitigen Aufenthalt.

90.      Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Recht auf Einreise für alle Unionsbürger in Art. 21 AEUV garantiert wird. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 präzisiert die Voraussetzungen dieses Rechts, das sich einzig auf den Besitz der Unionsbürgerschaft stützt. Es steht daher in engem Zusammenhang mit dem in Art. 6 der Richtlinie vorgesehenen Recht auf Aufenthalt bis zu drei Monaten.

a)      Ausübung der Freizügigkeit im Aufnahmemitgliedstaat gleichzeitig mit dem Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt

91.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein mit einem Familienangehörigen, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, wohnender Unionsbürger, der gleichzeitig seine Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausübt, das Recht auf Familienzusammenführung für diesen Familienangehörigen in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Das ist u. a. der Fall im Urteil Carpenter(68).

92.      Dieses Urteil betrifft einen Dienstleistungserbringer, der in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen war und der Dienstleistungen an Empfänger erbrachte, die sich in anderen Mitgliedstaaten aufhielten. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Weigerung, den Aufenthalt seiner Ehefrau zu erlauben, „sich nachteilig auf ihr Familienleben und damit auf die Bedingungen auswirken würde, unter denen Herr Carpenter eine Grundfreiheit wahrnimmt“(69). Er ist daher aufgrund von Art. 49 des EG-Vertrags (jetzt Art. 56 AEUV) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit Herr Carpenter besaß, nach den Verträgen seiner Ehefrau das Recht auf Aufenthalt nicht verweigern durfte, zumal die Entscheidung, Frau Carpenter auszuweisen, ein Eingriff in das Recht von Herrn Carpenter auf Achtung seines Familienlebens darstellte(70).

93.      Ebenso hat der Gerichtshof vor Kurzem im Urteil S. und G. entschieden, dass Art. 45 AEUV einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsbürgerschaft der Unionsbürger besitzt, in dem Fall, dass der Unionsbürger in diesem Staat wohnt, sich aber regelmäßig als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Vorschrift in einen anderen Mitgliedstaat begibt, ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verleiht, sofern dessen Verweigerung eine abschreckende Wirkung in Bezug auf die tatsächliche Ausübung der Rechte des betreffenden Arbeitnehmers aus Art. 45 AEUV hätte(71).

94.      Aus diesen Urteilen ergibt sich, dass der Gerichtshof im Fall der gleichzeitigen Ausübung der Freizügigkeit, insbesondere für regelmäßige Reisen, die nicht die Niederlassung eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat zur Folge haben, in erster Linie im Licht des primären Rechts das abgeleitete Aufenthaltsrecht der Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, anerkannt hat.

b)      Ausübung der Freizügigkeit nach einem Aufenthalt von gewisser Dauer im Aufnahmemitgliedstaat, der mit der Ausübung des Rechts auf Einreise und kurzzeitigen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt, einhergeht

95.      Vorab ist zu bemerken, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung in den Fällen, in denen ein Unionsbürger nicht von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat(72) oder die anderen in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 verlangten Voraussetzungen nicht vorliegen, den Familienangehörigen, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt hat, weder im Rahmen der Richtlinie noch im Licht des Vertrags.

96.      Insoweit erscheint mir interessant, hervorzuheben, dass der Gerichtshof gerade im Rahmen dieser Rechtsprechung das Erfordernis des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 bekräftigt hat, wenn sich ein Unionsbürger in den Mitgliedstaat begibt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt(73). Er hat nämlich festgestellt, dass sich aus der Richtlinie 2004/38 nicht für alle Drittstaatsangehörigen das Recht ergibt, in einen Mitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten, sondern nur für diejenigen, die im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie „Familienangehörige“ eines Unionsbürgers sind, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, niedergelassen hat(74).

97.      Ich frage mich jedoch, ob es sachdienlich ist, diese Rechtsprechung auf Fälle wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu übertragen. Insbesondere habe ich Zweifel, einen Unionsbürger, der sein Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat zur gleichen Zeit wie seine Reisen in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, ausgeübt hat, und seine Familienangehörigen, die ihn begleiten, vom Geltungsbereich der Richtlinie 2004/38 auszuschließen.

98.      Anders als im vorliegenden Fall hatten nämlich die betreffenden Unionsbürger u. a. in den Rechtssachen, in denen die Urteile McCarthy(75), Dereci u. a.(76), O u. a.(77), Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku(78) oder Iida(79) ergangen sind, i) entweder ihr Recht auf Freizügigkeit nie ausgeübt, weil sie immer in dem Mitgliedstaat gewohnt haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen, ii) oder sie wurden weder von dem einem Drittstaat angehörenden Familienangehörigen begleitet, noch war dieser ihnen nachgezogen. In diesen Rechtssachen erfüllten die betreffenden Unionsbürger also nicht die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38.

99.      Der tatsächliche Rahmen des Rechtsstreits des Ausgangsverfahrens unterscheidet sich auch von dem der Rechtssachen, in denen vor Kurzem die Urteile O. und B. sowie S. und G.(80) ergangen sind, weil die Unionsbürger mit Wohnsitz in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, i) sich entweder im Aufnahmemitgliedstaat nicht als Arbeitnehmer, sondern in der Eigenschaft als Unionsbürger nach Art. 21 Abs. 1 AEUV oder in der Eigenschaft als Dienstleistungsempfänger im Sinne von Art. 56 AEUV aufgehalten haben(81) ii) oder die Grenzen überquert haben, um sich in einen anderen Mitgliedstaat als Arbeitnehmer für einen in einem davon verschiedenen Mitgliedstaat niedergelassenen Arbeitgeber oder in der Eigenschaft als Arbeitnehmer zu begeben, die sich im Rahmen ihrer Tätigkeiten für einen Arbeitgeber, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, regelmäßig in einen anderen Mitgliedstaat begeben. Mit anderen Worten hatte sich der Unionsbürger in diesen Urteilen, wie es im Übrigen im Urteil Carpenter der Fall war, nicht im Aufnahmemitgliedstaat niedergelassen.

100. Insoweit ist zu beachten, dass im vorliegenden Fall Herr McCarthy und seine Tochter ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben, da sie „sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, niedergelassen haben“, und zwar in Spanien. Frau McCarthy hat sie in diesen Mitgliedstaat begleitet, wo sie folglich eine Aufenthaltskarte im Sinne von Art. 10 der Richtlinie 2004/38 erhalten hat. Dass sich die Kläger des Ausgangsverfahrens „aktuell“ in Spanien aufhalten, deutet auf ein Sichniederlassen und damit auf einen Aufenthalt von einer gewissen Dauer hin. Dieser Aufenthalt von einer gewissen Dauer ist nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs ein relevanter Gesichtspunkt für die Annahme, dass die Richtlinie 2004/38 anwendbar ist(82), auch wenn sie nur entsprechend angewandt worden ist.

101. Gleichzeitig zu diesem Aufenthalt von einer gewissen Dauer in Spanien als Familienangehörige eines Unionsbürgers wollte Frau McCarthy ihr abgeleitetes Recht auf Einreise und Kurzaufenthalt ausüben, um ihre Familie ins Vereinigte Königreich zu begleiten. Ich bin daher der Ansicht, dass die Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 im vorliegenden Fall kaum zweifelhaft ist.

102. Für diese Auslegung spricht der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38, der zwei Voraussetzungen aufstellt: a) Der Unionsbürger begibt sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder hält sich dort auf, und b) der Familienangehörige, der Staatsangehöriger eines Drittstaats ist, begleitet ihn oder zieht ihm nach.

103. Meiner Meinung nach handelt es sich also um kumulative Voraussetzungen, die in dem Zeitpunkt zu erfüllen sind, in dem das Recht auf Einreise und Kurzaufenthalt von den Familienangehörigen des betreffenden Unionsbürgers geltend gemacht wird. Da Herr McCarthy und seine Tochter im Zeitpunkt ihrer Kurzreise ins Vereinigte Königreich mit Frau McCarthy rechtmäßig in Spanien leben, meine ich daher, dass die Rechtssache unter diese Richtlinie fällt. Herr McCarthy „hält sich“ in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Spanien, in dem Zeitpunkt auf, in dem er durch die Richtlinie gewährte Rechte geltend macht, um sich in das Vereinigte Königreich „zu begeben“.

104. Da die Freizügigkeit jedoch eine der Grundlagen der Union darstellt, sind Ausnahmen von dieser Grundfreiheit eng auszulegen(83). In Anbetracht des Kontexts und der Ziele der Richtlinie 2004/38 sowie der in Art. 21 Abs. 1 AEUV anerkannten Grundfreiheit, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, können ihre Bestimmungen nicht eng ausgelegt und dürfen keinesfalls ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt werden(84).

c)      Zwischenergebnis

105. Für den Fall, dass der Gerichtshof meinem ersten Vorschlag nicht folgen sollte(85), schlage ich, da Art. 5 der Richtlinie 2004/38 nur das eng mit dem Recht auf Kurzaufenthalt (Aufenthalt bis zu drei Monaten) verbundene Recht auf Einreise vorsieht(86), dem Gerichtshof vor, die Richtlinie 2004/38 zumindest auf Unionsbürger und Familienangehörige, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, anzuwenden, die ihre Rechte auf Freizügigkeit tatsächlich ausüben, indem sie sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, während sie Kurzreisen in den Mitgliedstaat unternehmen, dessen Staatsangehörigkeit die betreffenden Unionsbürger besitzen. In diesem Fall würde der Gerichtshof nur die Situationen vom Geltungsbereich der Richtlinie ausschließen, in denen der Unionsbürger nach vorheriger Ausübung der Freizügigkeit mit den Familienangehörigen, die Staatsangehörige eines Drittstaats sind, in den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, für einen anderen als einen kurzfristigen Aufenthalt reist.

B –    Zur Bestimmung von Maßnahmen, die auf der Grundlage von Art. 35 der Richtlinie 2004/38 erlassen werden können

106. Die erste und die dritte Vorlagefrage, die zusammen zu prüfen sind, betreffen die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es Art. 35 der Richtlinie 2004/38 einem Mitgliedstaat, der sich einem „systemischen Rechtsmissbrauch“ bei der Ausstellung der Aufenthaltskarten im Sinne von Art. 10 der Richtlinie gegenüber sieht, gestattet, eine wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme zu erlassen. Diese Maßnahme wird allgemein und präventiv angewandt und beruht nicht auf der vorherigen Feststellung eines Rechtsmissbrauchs in einem konkreten Fall.

107. Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich damit beginnen, kurz den Rechtsmissbrauchsbegriff in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu analysieren. Sodann werde ich im Licht dieser Rechtsprechung prüfen, wie Art. 35 der Richtlinie 2004/38 in Anbetracht insbesondere der von der Regierung des Vereinigten Königreichs vorgebrachten Argumente auszulegen ist.

1.      Zum Rechtsmissbrauchsbegriff in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs

108. Ich möchte zu Beginn darauf hinweisen, dass der Begriff Rechtsmissbrauch in den meisten Mitgliedstaaten bekannt ist. Zum Beispiel lautet die klassische Definition des Rechtsmissbrauchs im französischen Schrifttum wie folgt: „übermäßiger Gebrauch einer von Rechts wegen bestehenden Berechtigung; Handlung, die für den Inhaber eines Rechts, einer Befugnis oder einer Funktion darin besteht, bei deren Ausübung von den Normen abzuweichen, die für deren zulässigen Gebrauch gelten“(87). Es ist also klarzustellen, dass die Funktion dieses Begriffs voraussetzt, dass der Urheber des Missbrauchs Inhaber eines Rechts ist(88).

109. Die Definition im deutschen Schrifttum ist folgende: „Die Ausübung eines subjektiven Rechts ist missbräuchlich, wenn sie zwar formell dem Gesetz entspricht, die Geltendmachung jedoch wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls treuwidrig ist“(89).

110. Im polnischen Recht kann eine Handlung oder Unterlassung des Inhabers eines Rechts, die, obwohl sie formal dem Gebrauch dieses Rechts entspricht, in einer mit den Regeln der sozialen Koexistenz unvereinbaren oder seinem sozioökonomischen Ziel zuwiderlaufenden Weise erfolgt, nicht als Ausübung des fraglichen Rechts angesehen werden und ist nicht rechtsschutzfähig(90).

111. Da dieser Begriff im Unionsrecht nur sporadisch im abgeleiteten Recht erscheint(91), muss sich seine Untersuchung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs beziehen. Der Gerichtshof sieht darin zum einen einen nationalrechtlichen Grundsatz, und zwar in dem Kontext, dass ein Rechtssubjekt sich das Unionsrecht „einzig mit dem Ziel, sich der Anwendung des nationalen Rechts zu entziehen“(92), zunutze macht, und zum anderen einen unionsrechtlichen Grundsatz, und zwar in dem Kontext, dass ein Rechtssubjekt „in betrügerischer oder überzogener Weise ein ihm vom Unionsrecht verliehenes Recht verwendet“(93).

112. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass der Rechtsmissbrauchsbegriff einen selbständigen Begriff des Unionsrechts darstellt, wonach „[d]ie Feststellung eines Missbrauchs … zum einen voraus[setzt], dass eine Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergibt, dass trotz formaler Einhaltung der [unions]rechtlichen Bedingungen das Ziel der Regelung nicht erreicht wurde. Zum anderen setzt sie ein subjektives Element voraus, nämlich die Absicht, sich einen [unionsrechtlich] vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden.“(94)

113. Für die Zwecke der Richtlinie ist die Kommission der Ansicht, dass der Rechtsmissbrauch „ein Verhalten [ist], das allein dem Zweck dient, das unionsrechtlich garantierte Recht, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, zu erlangen, wodurch trotz formaler Einhaltung der unionsrechtlichen Kriterien der Zweck der Regelung der Unionsvorschriften nicht erreicht wird“(95).

114. Der Gerichtshof hat außerdem hervorgehoben, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, das Vorliegen dieser beiden objektiven und subjektiven Elemente festzustellen, deren Beweis nach nationalem Recht zu erbringen ist, „soweit dies die Wirksamkeit des [Unions]rechts nicht beeinträchtigt“(96). Er hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Anwendung einer nationalen Vorschrift über den Rechtsmissbrauch nicht die volle Wirksamkeit und die einheitliche Anwendung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten beeinträchtigen darf. Insbesondere können die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Ausübung eines sich aus einer Unionsbestimmung ergebenden Rechts nicht die Tragweite dieser Bestimmung verändern oder die mit ihr verfolgten Zwecke vereiteln(97).

115. Insoweit besteht meines Erachtens kaum ein Zweifel, dass das Vereinigte Königreich den Beweis für einen Rechtsmissbrauch nicht erbracht hat, denn weder das objektive noch das subjektive Element ist im vorliegenden Fall zu erkennen. Allerdings scheint es mir angebracht, den soeben bei der Analyse von Art. 35 der Richtlinie 2004/38 vertretenen Standpunkt im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs unter Berücksichtigung der vom Vereinigten Königreich vorgetragenen Argumente zu vertiefen.

2.      Zur Auslegung von Art. 35 der Richtlinie 2004/38 im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs

116. Art. 35 der Richtlinie 2004/38 gestattet den Mitgliedstaaten im Fall von Rechtsmissbrauch oder Betrug – wie z. B. bei Scheinehen –, die Maßnahmen zu erlassen, die notwendig sind, um die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte zu verweigern, aufzuheben oder zu widerrufen.

117. Hierbei stellt sich die Frage nach der Art von Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten erlassen können, um sich auf der Grundlage dieses Artikels vor Rechtsmissbrauch zu schützen: nur Einzelmaßnahmen oder auch Maßnahmen, die allgemein und präventiv angewandt werden?

118. Zur Beantwortung dieser Frage ist Art. 35 im Licht der vorstehend in den Nrn. 112 und 114 angeführten Rechtsprechung zu sehen, nach der bei der Prüfung, ob für die Zwecke dieses Artikels ein Rechtsmissbrauch vorliegt, eine zweistufige Prüfung zu erfolgen hat, um das genannte objektive Element und subjektive Element zu prüfen(98).

119. Vor einer solchen Prüfung ist zu fragen, was das Ziel von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist.

120. Insoweit heißt es im fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38, dass „[d]as Recht aller Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, … wenn es unter objektiven Bedingungen in Freiheit und Würde ausgeübt werden soll, auch den Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit gewährt werden [sollte]“.

121. Was erstens sämtliche objektive Umstände betrifft, aus denen sich ergeben sollte, dass trotz der formalen Beachtung der in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Voraussetzungen das Ziel ihres Art. 5 Abs. 2 nicht erreicht sei, sind die Behörden des Vereinigten Königreichs schlicht und einfach ihrer Pflicht nicht nachgekommen, sie zu prüfen. Ich erinnere daran, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Prüfung des im Rahmen eines Rechtsmissbrauchs beanstandeten Verhaltens in concreto zu erfolgen hat(99). Wie aus den meisten der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen hervorgeht, verlangt Art. 35 der Richtlinie 2004/38 die Feststellung eines Rechtsmissbrauchs in einem konkreten Fall, um den Inhabern einer Aufenthaltskarte im Sinne von Art. 10 der Richtlinie das durch Art. 5 verliehene Recht, ohne Visum einzureisen, verweigern zu können.

122. Ich zögere daher nicht, zu behaupten, dass im vorliegenden Fall das objektive Element des vom Secretary of State behaupteten Rechtsmissbrauchs nicht gegeben ist, da das Ziel von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 meiner Meinung nach erreicht wurde. Die Ausübung des Rechts der Kläger des Ausgangsverfahrens auf Freizügigkeit hat nämlich de facto zu ihrer Niederlassung in einem Mitgliedstaat, und zwar Spanien, geführt, und dies in der Absicht, dort gemeinsam zu wohnen und mit dem Willen, für Kurzaufenthalte ins Vereinigte Königreich zu reisen. Mit anderen Worten ist diese Bestimmung nicht nur formal beachtet. Die Reisen der Kläger des Ausgangsverfahrens sind nicht künstlich, sondern real. Diese Reisen entsprechen einem legitimen Gebrauch ihres Rechts auf Freizügigkeit, da sie sich weder den Vorschriften des Vereinigten Königreichs entziehen wollten noch in betrügerischer und übermäßiger Weise die durch diese Richtlinie verliehenen Rechte gebrauchen wollten, was das Vereinigte Königreich nicht bestreitet.

123. Was zweitens das subjektive Element betrifft, das in dem Willen besteht, einen sich aus der Richtlinie 2004/38 ergebenden Vorteil zu erlangen, ist offensichtlich, dass dieses ebenfalls nicht vorliegt. Die Behörden des Vereinigten Königreichs haben sich nämlich für die Aussetzung der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 nicht auf das individuelle Verhalten der Kläger des Ausgangsverfahrens gestützt.

124. Vielmehr haben die Behörden des Vereinigten Königreichs, sei es in ihren Schriftsätzen oder in der mündlichen Verhandlung, weder die Authentizität der Ehe von Herrn und Frau McCarthy noch die Tatsache bestritten, dass das Ehepaar in Spanien ein tatsächliches Familienleben führt. Eine Ehe kann für die Zwecke der Richtlinie 2004/38 nur dann als Scheinehe qualifiziert werden, wenn diese Ehe „lediglich zum Zweck der Inanspruchnahme des Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechts geschlossen [wurde], auf das andernfalls kein Anspruch bestanden hätte“(100).

125. Ich weise sodann darauf hin, dass die in Art. 35 der Richtlinie 2004/38 genannten Maßnahmen unter die Art. 30 und 31 der Richtlinie fallen. Wie aus den meisten der beim Gerichtshof abgegebenen Erklärungen hervorgeht, würde somit eine allgemein angewandte Maßnahme die in diesen Artikeln vorgesehenen Verfahrensgarantien aushöhlen. Folglich sind die in Art. 35 genannten Maßnahmen individuelle Maßnahmen, die eine systematische Aussetzung der durch die Richtlinie verliehenen Rechte nicht rechtfertigt. Vielmehr gibt eine systematische Aussetzung dieser Rechte weder dem vorlegenden Gericht noch dem Gerichtshof die Möglichkeit, zu prüfen, ob die Voraussetzungen, die die Behörden des Vereinigten Königreichs dazu veranlasst haben, dieses Recht im vorliegenden Fall unangewandt zu lassen, wirklich vorliegen.

126. Nach den Leitlinien beruht das System der Richtlinie 2004/38 gerade auf individuellen Entscheidungen, und die nationalen Behörden müssen allen Umständen des Einzelfalls Bedeutung beimessen. Genauer gesagt müssen sie das Verhalten der betreffenden Personen unter Berücksichtigung der Ziele des Unionsrechts beurteilen und auf der Grundlage objektiver Kriterien handeln(101).

127. Wie nämlich die Kommission in diesen Leitlinien zutreffend feststellt, muss bei der Auslegung des Missbrauchsbegriffs im Kontext der Richtlinie 2004/38 dem Status des EU-Bürgers gebührend Rechnung getragen werden. Entsprechend dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts muss die Prüfung, ob Unionsrecht missbraucht worden ist, im Rahmen des Unionsrechts erfolgen und nicht auf der Grundlage des einzelstaatlichen Einwanderungsrechts. Die Richtlinie hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, im Einzelfall Nachprüfungen anzustellen, wenn ein begründeter Verdacht auf Rechtsmissbrauch besteht. Systematische Überprüfungen lässt das Unionsrecht jedoch nicht zu. Außerdem dürfen die Maßnahmen der Mitgliedstaaten gegen Scheinehen nicht über Gebühr in die legitimen Rechte von EU-Bürgern und ihren Familienangehörigen eingreifen, und sie dürfen nicht so beschaffen sein, dass sie die Betroffenen davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Sie dürfen das Unionsrecht weder seiner Wirkung berauben noch eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit bewirken(102).

128. Schließlich bestehen meines Erachtens kaum Zweifel daran, dass das Vereinigte Königreich bei der Beurteilung der Ausübung des Rechts auf Einreise von Frau McCarthy, das sich aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ergibt, die Tragweite dieser Bestimmung verändert und den von ihr verfolgten Zielen empfindlich geschadet hat. Das Vereinigte Königreich macht insoweit geltend, dass ein Rechtsmissbrauch ganz einfach dadurch gelöst werden könne, dass die Bestimmung, die Gegenstand eines eventuellen Rechtsmissbrauchs sei, unangewandt bleibe, was meiner Meinung nach der Konzeption des Rechtsmissbrauchs selbst entgegensteht und die mit der Richtlinie 2004/38 verfolgten Ziele gefährdet.

3.      Zu den vom Vereinigten Königreich vorgebrachten Einwänden

129. Im Gegensatz zu den anderen Parteien und Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, hat das Vereinigte Königreich in seinen Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass es aktuell mit einer erheblichen Anzahl von Fällen missbräuchlicher Geltendmachung des Einreiserechts von Familienangehörigen, die Staatsangehörige von Drittstaaten seien, zur Umgehung von Einreise- und Grenzkontrollen, konfrontiert sei. Es stuft diese Situation als „systemischen Rechtsmissbrauch“ ein.

130. Wenn das Vereinigte Königreich akzeptieren würde, dass alle angeblich nach Art. 10 der Richtlinie 2004/38 ausgestellten Aufenthaltskarten die Drittstaatsangehörigen von jeder Visumskontrolle befreiten, würden diese Karten eine einfachere Einreise in sein Staatsgebiet ermöglichen. Die Regierung des Vereinigten Königreichs habe Beweise für einen systemischen Rechtsmissbrauch vorgelegt.

131. Auch wenn der Gebrauch des Adjektivs „systemisch“ meines Erachtens nicht mit dem Begriff des Rechtsmissbrauchs im Rahmen des Unionsrechts vereinbar ist, ist dennoch zu prüfen, ob die von diesem Mitgliedstaat vorgelegten Beweise die Voraussetzungen erfüllen, die der Rechtsmissbrauchsbegriff verlangt.

132. Die vom Vereinigten Königreich als Beweise vorgelegten Unterlagen betreffen u. a. eine 2011 von der UK Border Agency durchgeführte Studie, die 1 494 „Versuche“ einer Verwendung gefälschter Dokumente, die in betrügerischer Weise durch Scheinehen oder gefälschte Belege erlangt worden seien, aufgedeckt habe(103). Insbesondere sei das Vereinigte Königreich mit der Verwendung von gefälschten Dokumenten oder von Dokumenten, die in betrügerischer Weise durch Scheinehen oder gefälschte Belege erlangt worden seien, konfrontiert(104). Eine von einer Behörde des Vereinigten Königreichs durchgeführte Prüfung der von den anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltskarten habe ergeben, dass die von zwölf Mitgliedstaaten ausgestellten Karten nicht den Mindestsicherheitsstandards der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation für Reisedokumente der Union genügten. Außerdem seien Betrug und Missbrauch der Freizügigkeitsrechte durch Drittstaatsangehörige als schwerwiegendes Problem von den Mitgliedstaaten anerkannt worden(105). Das Fehlen einheitlicher Mindestnormen für die in Art. 10 der Richtlinie 2004/38 genannten Aufenthaltskarten und das sich daraus ergebende Risiko eines missbräuchlichen Gebrauchs zur Umgehung der Einreisekontrollen bereite insbesondere dem Vereinigten Königreich Sorge.

133. Es ist offensichtlich, dass die vom Vereinigten Königreich vorgelegten Beweise nicht als konkrete Beweise, die mit dem individuellen Verhalten der Kläger des Ausgangsverfahrens zusammenhängen, angesehen werden können. Diese Beweise erfüllen nicht die objektive und die subjektive Voraussetzung, wie sie aus den Nrn. 121 bis 127 der vorliegenden Schlussanträge hervorgehen, die zum Zweck der Feststellung des Vorliegens eines Rechtsmissbrauchs in einem konkreten Fall verlangt werden. Ich erinnere insoweit daran, dass nicht bestritten worden ist, dass das Verhalten der Kläger des Ausgangsverfahrens keinen Rechtsmissbrauch im Sinne des Unionsrechts darstellt.

134. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass ein genereller Betrugsverdacht nicht ausreichen kann, um eine Maßnahme, die die Ziele des AEU‑Vertrags beeinträchtigt, zu rechtfertigen(106). Die Beurteilung missbräuchlicher Verhaltensweisen obliegt grundsätzlich den nationalen Gerichten, aber ihre Bewertung darf keinesfalls die Einheitlichkeit und die Wirksamkeit des Unionsrechts gefährden(107).

135. Was darüber hinaus die fehlende Beachtung der von der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation festgelegten Mindestsicherheitsstandards betrifft, auf die das Vereinigte Königreich hingewiesen hat, hat der Vertreter des Königreichs Spanien in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die von den spanischen Behörden erteilten Aufenthaltskarten für Familienangehörige eines Unionsbürgers die Standards dieser Organisation beachteten.

136. Bezüglich einer eventuellen Nichteinhaltung der vom Königreich Spanien in seinem Staatsgebiet umgesetzten Sicherheitsstandards möchte ich jedenfalls betonen, dass eine eventuelle Nichtbeachtung der Richtlinie 2004/38 durch einen Mitgliedstaat keinen Rechtsmissbrauch darstellt und daher nicht unter deren Art. 35 fällt(108).

137. Was den family permit anbelangt, bin ich der Auffassung, dass dieser ganz einfach einer Visumspflicht gleichkommt, die nicht nur gegen Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38, sondern auch gegen deren Ziele und deren System verstößt. Gewiss hat die nach Art. 10 der Richtlinie ausgestellte Karte deklaratorischen Charakter und begründet kein Recht, denn sie bescheinigt nur ein bereits bestehendes Recht. Dennoch kann man behaupten, dass diese Karte von den Mitgliedstaaten akzeptiert werden muss, wenn die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Rechts auf Freizügigkeit gemäß dem Unionsrecht vom Staatsangehörigen eines Drittstaats, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, erfüllt sind(109).

138. Schließlich denke ich, dass es gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung verstoßen würde, einem Mitgliedstaat zu gestatten, die von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Aufenthaltskarte nicht zu berücksichtigen. Es ist festzustellen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Ausübung der sich aus der Freizügigkeit ergebenden Rechte, ohne die Vorlage von Personenstandsurkunden, die im Allgemeinen vom Heimatstaat des Arbeitnehmers ausgestellt werden, nicht möglich ist. Folglich sind die Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats verpflichtet, von den zuständigen Behörden der anderen Mitgliedstaaten ausgestellte Urkunden und ähnliche Schriftstücke über den Personenstand zu beachten, sofern deren Richtigkeit nicht durch konkrete, auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Anhaltspunkte ernstlich in Frage gestellt ist(110).

139. Insofern würde die Tatsache, dass die Durchführung von Maßnahmen mit allgemeiner Geltung durch das Vereinigte Königreich akzeptiert würde, bedeuten, es einem Mitgliedstaat zu erlauben, das Recht auf Freizügigkeit zu umgehen, was zur Folge hätte, dass andere Mitgliedstaaten ebenfalls solche Maßnahmen erlassen könnten und einseitig die Anwendung der Richtlinie aussetzen könnten.

140. Ich bin daher der Meinung, dass die vom Vereinigten Königreich vorgelegten Beweise nicht ausreichen, um seine Behauptung in Bezug auf einen eventuellen systemischen Rechtsmissbrauch zu untermauern.

141. Aus allen diesen Gründen denke ich, dass die erste und die dritte Frage dahin gehend zu beantworten sind, dass Art. 35 der Richtlinie 2004/38 einem Mitgliedstaat nicht gestattet, eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung zu erlassen, die darin besteht, Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die im Besitz einer gültigen von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltskarte sind, das Recht zu nehmen, von der Visumspflicht befreit zu werden, sofern diese Maßnahme präventiv ist und nicht auf der vorherigen Feststellung eines Rechtsmissbrauchs im konkreten Fall beruht.

C –    Zum Protokoll Nr. 20

142. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 des Protokolls Nr. 20 es dem Vereinigten Königreich gestattet, von Drittstaatsangehörigen, die Inhaber einer nach der Richtlinie 2004/38 ausgestellten Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, zu verlangen, dass sie im Besitz eines vor der Ankunft an der Grenze beschafften Einreisevisums sind.

143. Es ist gleich zu Beginn zu bemerken, dass der rechtliche Rang der Protokolle keinen Zweifel aufwirft. Nach Art. 51 EUV sind „[d]ie Protokolle und Anhänge der Verträge … Bestandteil der Verträge“. Daher stehen in der Normenhierarchie die Protokolle mit Sicherheit über dem abgeleiteten Unionsrecht.

144. Genauer gesagt stellt das Protokoll Nr. 20 eine Ausnahme zu den Verpflichtungen dar, die dem Vereinigten Königreich und Irland nach den Art. 26 AEUV und 77 AEUV obliegen; diese Ausnahme geht auf den Willen zurück, sich an der Durchführung des Titels V des dritten Teils des AEU-Vertrags zum Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts nicht zu beteiligen(111). Allerdings hat dieses Protokoll, worauf die Kommission ausdrücklich hingewiesen hat, nicht das Ziel, dem Vereinigten Königreich Sonderprivilegien einzuräumen, sondern wurde erlassen, um dem Wunsch dieses Mitgliedstaats Rechnung zu tragen, zum einen die Kontrollen an den Grenzen zu den meisten Mitgliedstaaten und zum anderen das „einheitliche Reisegebiet“ zwischen dem Vereinigten Königreich und Irland aufrechtzuerhalten(112).

145. Insofern erlaubt das Protokoll Nr. 20 gemäß seinem Art. 2 diesen beiden Mitgliedstaaten, weiterhin untereinander Regelungen über den freien Personenverkehr zwischen ihren Hoheitsgebieten („einheitliches Reisegebiet“) zu treffen, sofern die Rechte der in Art. 1 Abs. 1 Buchst. a dieses Protokolls genannten Personen in vollem Umfang gewahrt bleiben. Wenn nämlich das Vereinigte Königreich beschließen würde, sich nicht mehr auf seine Sonderbefugnis der Nichtteilnahme am Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu berufen, würde Irland dieselbe Entscheidung treffen, denn sein Standpunkt rechtfertigt sich ausschließlich dadurch, dass Irland durch dieses einheitliche Reisegebiet an das Vereinigte Königreich gebunden ist(113).

146. Außerdem bestimmt Art. 3, dass die übrigen Mitgliedstaaten an ihren Grenzen oder an allen Orten, an denen ihr Hoheitsgebiet betreten werden kann, solche Kontrollen bei Personen durchführen können, die aus dem Vereinigten Königreich oder Irland in ihr Hoheitsgebiet einreisen wollen.

147. Ich bin der Meinung, dass Art. 1 des Protokolls Nr. 20 im Licht dieser Erwägungen auszulegen ist.

148. Zunächst darf das Vereinigte Königreich „nur“ an seinen Grenzen die Kontrollen durchführen, die es zur Überprüfung des Rechts auf Einreise in sein Hoheitsgebiet bei Bürgern von Mitgliedstaaten oder deren unterhaltsberechtigten Angehörigen, die die ihnen nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte wahrnehmen, für erforderlich hält.

149. Zwar definieren weder der AEU-Vertrag noch das Protokoll Nr. 20 den Begriff „Kontrollen an den Grenzen“. Gleichwohl sieht Art. 2 Nr. 9 der Verordnung Nr. 562/2006 vor, dass der Ausdruck Grenzkontrollen „die an einer Grenze nach Maßgabe und für die Zwecke dieser Verordnung unabhängig von jedem anderen Anlass ausschließlich aufgrund des beabsichtigten oder bereits erfolgten Grenzübertritts durchgeführten Maßnahmen, die aus Grenzübertrittskontrollen und Grenzüberwachung bestehen“, bezeichnet. Somit ist im vorliegenden Fall ganz offensichtlich, dass die Pflicht, sich einen family permit zu beschaffen, keine Überprüfung an den Grenzen darstellt, insbesondere da der family permit vor der Reise in den diplomatischen Vertretungen des Vereinigten Königreichs in den Mitgliedstaat beantragt werden muss.

150. Sodann besteht kein Zweifel daran, dass die Richtlinie 2004/38 weiterhin anwendbar ist, wie aus Art. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 20 eindeutig hervorgeht, der sich auf die Staatsangehörigen von Mitgliedstaaten und ihre unterhaltsberechtigten Angehörigen bezieht, die die ihnen „nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte“ wahrnehmen. Somit sind ihre Rechte auf Einreise anhand von Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie zu beurteilen, der die Dokumente festlegt, die die Einreise der Familienangehörigen eines Unionsbürgers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten gestatten.

151. Schließlich beinhalten nach Art. 1 Buchst. a des Protokolls Nr. 20 die Kontrollen an den Grenzen u. a. die Prüfung der Dokumente, anhand deren das Einreiserecht der betreffenden Personen in das Hoheitsgebiet des Vereinigten Königreichs überprüft werden kann. Diese Überprüfung gestattet allerdings diesem Mitgliedstaat nicht, den Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die eine Aufenthaltskarte nach Art. 10 der Richtlinie 2004/38 besitzen, einseitig die Einreise zu verweigern, indem ihnen allgemein auferlegt wird, ein zusätzliches Dokument zu beschaffen und an seinen Grenzen vorzuweisen, das vom Unionsrecht nicht vorgesehen ist.

152. Ich schlage daher vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 1 des Protokolls Nr. 20 dem Vereinigten Königreich nicht gestattet, von Drittstaatsangehörigen, die Inhaber einer gemäß Art. 10 der Richtlinie 2004/38 ausgestellten Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, zu verlangen, dass sie ein Einreisevisum besitzen, das sie vor ihrer Ankunft an der Grenze beschaffen müssen.

VI – Ergebnis

153. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) vorgelegten Fragen wie folgt zu antworten:

1.         Art. 35 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG gestattet einem Mitgliedstaat nicht den Erlass einer Maßnahme mit allgemeiner Geltung, die darin besteht, Familienangehörigen eines Unionsbürgers, die im Besitz einer gültigen von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltskarte sind, das Recht zu nehmen, von der Visumspflicht befreit zu werden, sofern diese Maßnahme präventiv ist und nicht auf der vorherigen Feststellung eines Rechtsmissbrauchs im konkreten Fall beruht.

2.         Art. 1 des Protokolls Nr. 20 über die Anwendung bestimmter Aspekte des Artikels 26 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf das Vereinigte Königreich und auf Irland gestattet dem Vereinigten Königreich nicht, von Drittstaatsangehörigen, die Inhaber einer gemäß Art. 10 der Richtlinie 2004/38 ausgestellten Aufenthaltskarte für Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, zu verlangen, dass sie ein Einreisevisum besitzen, das sie vor ihrer Ankunft an der Grenze beschaffen müssen.


1 – Originalsprache: Französisch


2 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77).


3 –      Protokoll über die Anwendung bestimmter Aspekte des Artikels 26 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf das Vereinigte Königreich und auf Irland.


4 – C‑456/12, EU:C:2014:135.


5 – Verordnung des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 81, S. 1).


6 – Verordnung des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 105, S. 1).


7 – Mit der Verwendung des Ausdrucks „britische Staatsbürgerschaft“ übernehme ich hier und im Folgenden die Formulierung in der Vorlageentscheidung.


8 – British subject with a right of abode in the United Kingdom.


9 – British Nationality Act 1948. An Act to make provision for British nationality and for citizenship of the United Kingdom and Colonies and for purposes connected with the matters aforesaid, 30th July 1948. Jedoch ist nach der neuen Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs vom 1. Januar 1983 über die Bestimmung des Begriffs „Staatsangehörige“ (ABl. 1983, C 23, S. 1, im Folgenden: Erklärung von 1983) der Begriff „Staatsangehörige“ so zu verstehen, dass er sich nicht nur auf die britischen Bürger im engeren Sinne bezieht, sondern auch auf britische Untertanen, die das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzen und aufgrund dieser Tatsache von der Einwanderungskontrolle dieses Mitgliedstaats wie im Fall von Herrn McCarthy befreit sind (die Erklärung von 1983 wurde bei dem am 1. Januar 1983 erfolgten Inkrafttreten des Gesetzes von 1981 über die britische Staatsangehörigkeit [British Nationality Act 1981] abgegeben).


10 –      Aus den Akten geht hervor, dass diese Aufenthaltskarte am 25. April 2015 abläuft.


11 – Innenminister des Vereinigten Königreichs.


12 – Gemäß Section 40 des Immigration and Asylum Act 1999 (Einwanderungs- und Asylgesetz 1999) müssen die Beförderungsunternehmen im Fall der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung eine Geldbuße zahlen.


13 – Sie verweisen insoweit auf das Verfahren zur Verlängerung des family permit, das sie dazu zwinge, nach Madrid zu fahren und dort zu übernachten.


14 – Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Secretary of State u. a. auf eine 2011 von der UK Border Agency durchgeführte Analyse der von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Aufenthaltskarten im Hinblick auf die Mindestsicherheitsstandards der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation für maschinenlesbare Reisedokumente verweist.


15 – In der Vorlageentscheidung werden diese Formulierung sowie die der „systemischen Missbräuche“ verwendet, um den missbräuchlichen Gebrauch der Freizügigkeitsrechte und insbesondere des dem Familienangehörigen, der nicht Staatsangehöriger des EWR ist, zustehenden Rechts auf Einreise durch Drittstaatsangehörige zur Umgehung der nationalen Einreisekontrollen zu bezeichnen.


16 – Insoweit ist hervorzuheben, dass die von der Bundesrepublik Deutschland und von der Republik Estland ausgestellten Aufenthaltskarten grundsätzlich den entsprechenden Sicherheitsstandards, insbesondere denen der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation, genügten, so dass vorgesehen ist, die Immigration Regulations für die Personen zu ändern, die über eine von diesen beiden Mitgliedstaaten ausgestellte Aufenthaltskarte verfügen.


17 – Was die Republik Polen anbelangt, so hat sie lediglich die Frage der Anwendbarkeit dieser Richtlinie auf den vorliegenden Fall aufgeworfen.


18 – Es ist zu bemerken, dass der alte Art. 17 Abs. 1 des EG-Vertrags vorsah, dass „[d]ie Unionsbürgerschaft … die nationale Staatsbürgerschaft [ergänzt], … sie aber nicht [ersetzt]“. Dieser Satz, der durch den Vertrag von Amsterdam (ABl. 1997, C 340, S. 1) hinzugefügt worden war, wurde durch den Vertrag von Lissabon geändert, dessen Art. 20 Abs. 1 bestimmt, dass die Unionsbürgerschaft „zur nationalen Staatsbürgerschaft [hinzutritt], … sie aber nicht [ersetzt]“. Vgl. auch Art. 9 des EU-Vertrags. Für eine Analyse dieser Änderung vgl. De Waele, H., „EU citizenship: Revisiting its Meaning, Place and Potential“, European Journal of Migration and Law, 12 (2010), S. 319 bis 336, S. 320.


19 – Für einen historischen Rückblick auf die Schaffung der Unionsbürgerschaft vgl. O’Leary, S., The evolving Concept of Community Citizenship, From the Free Movement of Persons to Union Citizenship, Den Haag, London, Boston (Kluwer), 1996, S. 4, und Carabot Benlolo, M., Les fondements juridiques de la citoyenneté européenne, Bruylant, 2007, S. 1.


20 – Vgl. den Tindemans-Bericht vom 29. Dezember 1975, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Sonderbeilage 1/76, und den Bericht des Ad-hoc-Ausschusses für das „Europa der Bürger“ vom 29. März 1985, Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, 85/3.


21 – Vgl. die Art. 26 AEUV, 45 AEUV, 49 AEUV und 56 AEUV. Die Rechte, die Arbeitnehmern, Selbständigen oder Dienstleistungserbringern zugutekommen, bestanden vor der Einführung der Unionsbürgerschaft und gehören zum Binnenmarkt.


22 – Art. 21 AEUV.


23 – Untersuchungen aus dem Jahr 2010 haben gezeigt, dass fast neun von zehn Bürgern wissen, dass sie das Recht auf Freizügigkeit besitzen. Vgl. Bericht über die Unionsbürgerschaft 2010, „Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten“ (KOM[2010] 603 endgültig, S. 16). Die Unionsbürgerschaft ist praktisch ein Synonym für die Freizügigkeit. Vgl. Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. August 2011 über das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger (2013) (KOM[2011] 489 endgültig, S. 1).


24 – Vgl. u. a. die Erklärung Nr. 2 zur Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats, die von den Mitgliedstaaten der Schlussakte des Vertrags über die Europäische Union (ABl. 1992, C 191, S. 98) beigefügt wurde, und Art. 3 des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit, das der Europarat am 6. November 1997 verabschiedet hat und am 1. März 2000 in Kraft getreten ist. Das Königreich Spanien und das Vereinigte Königreich haben dieses Übereinkommen weder unterzeichnet noch ratifiziert.


25 – Vgl. u. a. Urteile Micheletti u. a. (C‑369/90, EU:C:1992:295, Rn. 10), Kaur (C‑192/99, EU:C:2001:106, Rn. 19) und Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 37).


26 – Vgl. Fn. 9.


27 – Es ist hier zu bemerken, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die Freizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr nicht voll verwirklicht wären, wenn ein Mitgliedstaat die Berufung auf die Vorschriften des Unionsrechts denjenigen seiner Staatsangehörigen verwehren könnte, die in einem anderen Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie ebenfalls besitzen, niedergelassen sind und die vom Unionsrecht gebotenen Möglichkeiten nutzen, um im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates ihre Tätigkeit in der Form der Dienstleistung auszuüben. Vgl. Urteil Gullung (292/86, EU:C:1988:15, Rn. 12).


28 – EU:C:2014:135.


29 – Ebd. (Rn. 34).


30 – Ebd. (Rn. 35).


31 – Ebd. (Rn. 36).


32 – Ebd. (Rn. 37).


33 – Hervorhebung nur hier.


34 – Vgl. u. a. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache O. und B. (EU:C:2013:837, Nr. 68).


35 – Vgl. Urteil Iida (C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 57).


36 – Hervorhebung nur hier.


37 – Vgl. Urteil O. und B. (EU:C:2014:135, Rn. 40).


38 – Vgl. Urteile Metock u. a. (C‑127/08, EU:C:2008:449, Rn. 59 und 82), McCarthy (C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 28) und Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 50).


39 – Vgl. Urteile McCarthy (EU:C:2011:277, Rn. 33) und O. und B. (EU:C:2014:135, Rn. 41).


40 – Dieser Grundsatz ist in Art. 3 des Protokolls Nr. 4 zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 16. September 1963 schriftlich kodifiziert, der vorsieht, dass „[n]iemandem … das Recht entzogen werden [darf], in das Hoheitsgebiet des Staates einzureisen, dessen Angehöriger er ist“. Ich weise allerdings darauf hin, dass das Vereinigte Königreich dieses Protokoll nicht ratifiziert hat. Es ist am 2. Mai 1968 in Kraft getreten.


41 – Urteile McCarthy (EU:C:2011:277, Rn. 29) und O. und B. (EU:C:2014:135, Rn. 41 und 42).


42 – Vgl. Gastaldi, G., „Citoyenneté de l’Union et libre circulation: du critère économique au statut unique“, Dossiers de droit européen, 28, 2013, S. 127.


43 – Vgl. Urteile Singh (C‑370/90, EU:C:1992:296), Carpenter (C‑60/00, EU:C:2002:434) und Eind (C‑291/05, EU:C:2007:771).


44 – Vgl. Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124).


45 – Urteil Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458). Diese Rechtsprechung wurde durch zahlreiche spätere Urteile bestätigt, vgl. u. a. Urteil Huber (C‑524/06, EU:C:2008:724).


46 – Dies ist u. a. der Fall bei Unionsbürgern, bei denen jeder Elternteil eine andere Staatsbürgerschaft hat, die aber nur die Staatsbürgerschaft eines dieser beiden Mitgliedstaaten besitzen.


47 – Dies ist auch der Fall der Unionsbürger, deren Eltern jeder eine andere Staatsbürgerschaft hat und deren Kind in einem anderen als dem Mitgliedstaat geboren wurde, dessen Staatsbürgerschaft sie haben.


48 – Das litauische Recht sieht die doppelte Staatsbürgerschaft nicht vor.


49 – Im gegenteiligen Sinne, vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache O. und B. (EU:C:2013:837, Nr. 77).


50 – Vgl. Urteil Singh (EU:C:1992:296).


51 – Vgl. Urteil Eind (EU:C:2007:771).


52 – EU:C:1992:296.


53 – EU:C:2007:771.


54 – EU:C:1992:296.


55 – Die abgeleiteten Aufenthaltsrechte sind vom Gerichtshof auf der Grundlage von Art. 52 EWG-Vertrag (jetzt Art. 49 AEUV) und der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs (ABl. L 172, S. 14), die durch die Richtlinie 2004/38 aufgehoben und ersetzt wurde, anerkannt.


56 – Vgl. Urteil Singh (EU:C:1992:296, Rn. 19 und 20).


57 – Ebd. (Rn. 25).


58 – EU:C:2007:771.


59 – EU:C:2014:135


60 – EU:C:2007:771


61 – Ebd.


62 – Ebd. (Rn. 32).


63 – Ebd. (Tenor).


64 – Hervorhebung nur hier.


65 – Urteil O. und B. (EU:C:2014:135, Rn. 61 und Tenor).


66 – Ebd.


67 – Ebd.


68 – EU:C:2002:434.


69 – Ebd. (Rn. 39).


70 – Ebd. (Rn. 41).


71 – C‑457/12, EU:C:2014:136, Rn. 46 und Tenor.


72 – Was vorliegend nicht der Fall ist.


73 – Vgl. u. a. Urteile McCarthy (EU:C:2011:277), Dereci u. a. (EU:C:2011:734), O u. a. (C‑356/11 und C‑357/11, EU:C:2012:776) sowie Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku (C‑87/12, EU:C:2013:291).


74 – Vgl. Urteile Dereci u. a. (EU:C:2011:734, Rn. 56), Iida (EU:C:2012:691, Rn. 51), O u. a. (EU:C:2012:776, Rn. 41) sowie O. und B. (EU:C:2014:135, Rn. 39).


75 – EU:C:2011:277, Rn. 31 und 39.


76 – EU:C:2011:734, Rn. 54.


77 – EU:C:2012:776, Rn. 42.


78 – EU:C:2013:291, Rn. 30.


79 – EU:C:2012:691, Rn. 65.


80 – EU:C:2014:135 und EU:C:2014:136.


81 – Diese Bürger haben sich nicht in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen, wie es bei Herrn McCarthy der Fall ist.


82 – Vgl. Urteil O. und B. (EU:C:2014:135, Rn. 53).


83 – Vgl. entsprechend Urteile Kempf (139/85, EU:C:1986:223, Rn. 13) und Jipa (C‑33/07, EU:C:2008:396, Rn. 23). Vgl. auch die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat, Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38 (KOM[2009] 313 endgültig, S. 3, im Folgenden: Hilfestellung).


84 – Urteil Metock u. a. (EU:C:2008:449, Rn. 84).


85 – Vgl. Abschnitt A Unterabschnitt 3 der vorliegenden Schlussanträge.


86 – Hier ist zu bemerken, dass die Mitgliedstaaten außer den in Art. 5 der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen kein weiteres Erfordernis für die Einreise von Unionsbürgern, wie ein Einreisevisum, verlangen können. Vgl. Urteil Yiadom (C‑357/98, EU:C:2000:604, Rn. 23). Vgl. auch Barnard, C., The Substantive Law of the EU. The Four Freedoms, Oxford (Oxford University Press), 2010, S. 424.


87 – Cornu, G., Vocabulaire juridique, Paris PUF, 8. Aufl., Juni 2009.


88 – Simon, D., und Rigaux, A., „La technique de consécration d’un nouveau principe général du droit communautaire: l’exemple de l’abus de droit“, Mélanges en hommage à Guy Isaac: 50 ans de droit communautaire, Bd. 2 (2004), S. 559 bis 587, S. 563.


89 – Creifelds, Rechtswörterbuch, 20. Aufl., München 2011, S. 977.


90 – Vgl. Art. 5 des polnischen Zivilgesetzbuchs und Machnikowski, P., Kodeks cywilny – komentarz, E. Gniewek (Hrsg.), Warschau 2006, S. 14.


91 – Dies ist u. a. bei Art. 35 der Richtlinie 2004/38 der Fall.


92 – In dieser Weise präzisiert, schließt der Begriff rein künstliche Konstruktionen oder Betrug in Bezug auf die Zuständigkeit des Unionsrechts ein, d. h. den Missbrauch, der die Anwendbarkeit des Unionsrechts durch künstliche Schaffung eines Anknüpfungspunkts an dieses Recht betreffen kann (Lagondet, F., a. a. O., S. 8).


93 – Simon, D., und Rigaux, A., a. a. O., S. 564. Vgl. auch Waelbroeck, D., „La notion d’abus de droit dans l’ordre juridique communautaire“, Mélanges en hommage à Jean Victor Louis, Bd. I (2003), S. 565 bis 616, S. 597.


94 – Urteil Emsland-Stärke (C‑110/99, EU:C:2000:695, Rn. 52 und 53).


95 – Vgl. KOM(2009) 313 endgültig, S. 15.


96 – Hervorhebung nur hier. Urteile Emsland-Stärke (EU:C:2000:695, Rn. 52 bis 54) und, vor Kurzem, Ungarn/Slowakei (C‑364/10, EU:C:2012:630, Rn. 58).


97 – Urteile Pafitis u. a. (C‑441/93, EU:C:1996:92, Rn. 68) und Kefalas u. a. (C‑367/96, EU:C:1998:222, Rn. 22).


98 – Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Bozkurt (C‑303/08, EU:C:2010:413, Nr. 67).


99 – Vgl. Urteile Kefalas u. a. (EU:C:1998:222, Rn. 28) und Diamantis (C‑373/97, EU:C:2000:150, Rn. 34).


100 – Vgl. KOM(2009) 313 endgültig, S. 16.


101 – KOM(2009) 313 endgültig, Punkt 4.3. Vgl. auch Urteil Metock u. a. (EU:C:2008:449, Rn. 74 und 75).


102 – KOM(2009) 313 endgültig, S. 16.


103 – Es ist zu bemerken, dass das Vereinigte Königreich zwei gänzlich unterschiedliche rechtliche Situationen als Rechtsmissbrauch qualifiziert, Scheinehen und den Gebrauch von gefälschten Belegen. Der Begriff Rechtsmissbrauch gilt nur für die erste.


104 – Nach einem Dokument der Kommission hat sie nach einer Bitte des Rates die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihr Informationen über die missbräuchliche Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit mittels Scheinehen zu übermitteln. Zwölf Mitgliedstaaten haben Statistiken zu „aufgedeckten“ Fällen vorgelegt. Nach diesem Dokument hat das Vereinigte Königreich unter Stützung auf mit der Echtheit der Ehen zusammenhängenden Befürchtungen 176 Anträge auf einen family permit abgelehnt (von insgesamt 256 Fällen, in denen ein Verdacht auf Missbrauch bestand und die ungefähr 2 % der in diesem Zeitraum eingegangenen Anträge darstellen). Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 25. November 2013, Freizügigkeit der EU-Bürger und ihrer Familien: fünf grundlegende Maßnahmen (COM[2013] 837 final, S. 9).


105 – Im April 2012 habe der Rat ein Dokument über zu ergreifende Maßnahmen angenommen, das die Überschrift trägt „EU-Aktion gegen den Migrationsdruck – Eine strategische Antwort“, wovon einer der strategischen Prioritätsbereiche „Gewährleistung und Schutz der Freizügigkeit durch Verhinderung des Missbrauchs der Freizügigkeitsrechte durch Drittstaatsangehörige“ sei.


106 – Vgl. Urteil Kommission/Belgien (C‑577/10, EU:C:2012:814, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).


107 – Simon, D., und Rigaux, A., Le système juridique communautaire, 3. Aufl., 2001, S. 582.


108 – Ich weise insofern darauf hin, dass es nach den Art. 258 AEUV und 259 AEUV in dem Fall, dass ein Mitgliedstaat gegen eine der Verpflichtungen aus den Verträgen verstoßen hat, Sache der Kommission oder eines anderen Mitgliedstaats ist, gegebenenfalls beim Gerichtshof Klage auf Feststellung der Vertragsverletzung zu erheben.


109 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Dias (C‑325/09, EU:C:2011:498, Rn. 54).


110 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Dafeki (C‑336/94, EU:C:1997:579, Rn. 19).


111 – Dieser Wille kommt auch in Bezug auf den in den Rahmen der Europäischen Union einbezogenen Schengen-Besitzstand zum Ausdruck.


112 – Zu den durch den Vertrag von Lissabon vorgenommenen Änderungen des Standpunkts des Vereinigten Königreichs und Irlands zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vgl. insbesondere Chevallier-Govers, C., „Le traité de Lisbonne et la différenciation dans l’espace de liberté, de sécurité et de justice“, Le traité de Lisbonne. Reconfiguration ou déconstitutionnalisation de l’Union européenne?, Bruylant, 2009, S. 271 ff.


113 – Vgl. Toth, A. G., The legal effects of the protocols relating to the United Kingdom, Ireland and Denmark, in The European Union after Amsterdam. A legal analysis, 1998, S. 227 bis 252, S. 233, und Guillard, C., L’intégration différenciée dans l’Union européenne, Thèse, Bruylant, 2006, S. 466.