Language of document : ECLI:EU:C:2020:268

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

2. April 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Geistiges Eigentum – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2001/29/EG – Art. 3 Abs. 1 – Richtlinie 2006/115/EG – Art. 8 Abs. 2 – Begriff ‚öffentliche Wiedergabe‘ – Unternehmen, das standardmäßig mit einem Radioempfangsgerät ausgestattete Fahrzeuge vermietet“

In der Rechtssache C‑753/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden) mit Entscheidung vom 15. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2018, in dem Verfahren

Föreningen Svenska Tonsättares Internationella Musikbyrå u.p.a. (Stim),

Svenska artisters och musikers intresseorganisation ek. för. (SAMI)

gegen

Fleetmanager Sweden AB,

Nordisk Biluthyrning AB

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič (Berichterstatter) und C. Lycourgos,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Förening Svenska Tonsättares Internationella Musikbyrå u.p.a. (Stim) und der Svenska artisters och musikers intresseorganisation ek. för. (SAMI), vertreten durch P. Sande und D. Eklöf, advokater,

–        der Fleetmanager Sweden AB, vertreten durch S. Hallbäck, S. Wendén, J. Åberg und U. Dahlberg, advokater,

–        der Nordisk Biluthyrning AB, vertreten durch J. Åberg, C. Nothnagel und M. Bruder, advokater,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, J. Samnadda, E. Ljung Rasmussen und G. Tolstoy als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Januar 2020

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10) und von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. 2006, L 376, S. 28).

2        Es ergeht im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen der Förening Svenska Tonsättares Internationella Musikbyrå u.p.a. (Stim) (Schwedische Organisation für die Verwaltung der Rechte von Komponisten musikalischer Werke und ihren Verlegern) und der Fleetmanager Sweden AB (im Folgenden: Fleetmanager) bzw. zwischen der Svenska artisters och musikers intresseorganisation ek. för. (SAMI) (Schwedische Organisation für die Verwaltung der Leistungsschutzrechte von Künstlern) und der Nordisk Biluthyrning AB (im Folgenden: NB) über die Einordnung der Vermietung von mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Fahrzeugen im Hinblick auf das Urheberrecht.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

3        Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Urheberrechtsvertrag (im Folgenden: WCT) an, der mit Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. 2000, L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde und am 14. März 2010 für die Europäische Union in Kraft trat (ABl. 2010, L 32, S. 1).

4        Art. 8 („Recht der öffentlichen Wiedergabe“) WCT bestimmt:

„Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 11 Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 11 bis Absatz 1 Ziffern 1 und 2, Artikel 11 ter Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 14 Absatz 1 Ziffer 2 und Artikel 14 bis Absatz 1 der Berner Übereinkunft haben die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschließliche Recht, die öffentliche drahtlose oder drahtgebundene Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben, einschließlich der Zugänglichmachung ihrer Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“

5        Von der Diplomatischen Konferenz wurden am 20. Dezember 1996 Vereinbarte Erklärungen zum WCT abgegeben.

6        Die Vereinbarte Erklärung zu Art. 8 dieses Vertrags lautet:

„Die Bereitstellung der materiellen Voraussetzungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt für sich genommen keine Wiedergabe im Sinne dieses Vertrags oder der Berner Übereinkunft dar. …“

 Unionsrecht

 Richtlinie 2001/29

7        Der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 lautet:

„Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar.“

8        In Art. 3 dieser Richtlinie („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.

(3)      Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.“

 Richtlinie 2006/115

9        Art. 8 („Öffentliche Sendung und Wiedergabe“) Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet. Besteht zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern kein diesbezügliches Einvernehmen, so können die Bedingungen, nach denen die Vergütung unter ihnen aufzuteilen ist, von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.“

 Schwedisches Recht

10      Mit dem Upphovrättslag (1960:279) (Gesetz Nr. 279 von 1960 über das Urheberrecht, im Folgenden: Gesetz von 1960) wurde die Richtlinie 2001/29 in das schwedische Recht umgesetzt. In § 2 des Gesetzes von 1960 ist das ausschließliche Recht des Urhebers geregelt, durch öffentliche „Wiedergabe“ des Werks (Abs. 3 Nr. 1) oder dessen Aufführung (Abs. 3 Nr. 2) Vervielfältigungsstücke seines Werks herzustellen und öffentlich zugänglich machen.

11      Die §§ 45 und 46 des Gesetzes von 1960 regeln dem Urheberrecht verwandte Schutzrechte für ausübende Künstler und für Hersteller von Ton- und Bildaufzeichnungen.

12      Nach § 47 dieses Gesetzes, mit dem Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 umgesetzt wird, dürfen Tonaufzeichnungen öffentlich wiedergegeben oder öffentlich zugänglich gemacht werden, es sei denn, die Wiedergabe erfolgt in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind. Bei einer solchen Verwendung haben die Hersteller und die ausübenden Künstler, deren Werk wiedergegeben wird, Anspruch auf eine angemessene Vergütung.

 Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

13      Fleetmanager und NB sind Gesellschaften zur Vermietung von Kraftfahrzeugen mit Sitz in Schweden. Sie bieten, direkt oder über Vermittler, mit Radioempfangsgeräten ausgestattete Fahrzeuge zur Vermietung für einen Zeitraum von höchstens 29 Tagen an, was nach innerstaatlichem Recht als kurzzeitige Vermietung gilt.

14      In dem Rechtsstreit zwischen Stim und Fleetmanager vor dem Tingsrätt (erstinstanzliches Gericht, Schweden) beantragte Stim, diese Gesellschaft zu verurteilen, ihr 369 450 Schwedische Kronen (SEK) (rund 34 500 Euro) zuzüglich Zinsen wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht zu zahlen. Stim machte geltend, dass Fleetmanager dadurch, dass sie Dritten, nämlich Autovermietungen, mit Radioempfangsgeräten ausgestattete Fahrzeuge zur kurzzeitigen Vermietung an Privatkunden zur Verfügung stelle, zu den Verstößen gegen das Urheberrecht beigetragen habe, die von diesen Autovermietungen, die der Öffentlichkeit musikalische Werke ohne eine entsprechende Genehmigung zur Verfügung gestellt hätten, begangen worden seien.

15      Das erstinstanzliche Gericht war der Auffassung, dass die Vermietung von mit Radioempfangsgeräten ausgestatteten Fahrzeugen eine „öffentliche Wiedergabe“ musikalischer Werke im Sinne des Gesetzes von 1960 sei und dass es begründet sei, die Urheber dieser Werke zu entschädigen. Es stellte jedoch auch fest, dass Fleetmanager an dieser Verletzung des Urheberrechts nicht mitgewirkt habe, so dass die von Stim erhobene Klage abgewiesen wurde. Dieses Urteil wurde in der Berufungsinstanz bestätigt. Stim legte gegen diese Entscheidung Revision beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden) ein.

16      In dem Rechtsstreit zwischen SAMI und NB erhob NB beim Patent- och marknadsdomstol (Gericht für geistiges Eigentum und Wirtschaftssachen, Schweden) Klage und beantragte, festzustellen, dass sie nicht verpflichtet sei, an SAMI eine Vergütung zu entrichten, weil in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 Tonaufzeichnungen hätten gehört werden können, weil ihre Fahrzeuge bei der Vermietung sowohl an private als auch an gewerbliche Kunden mit Radioempfangsgerät und CD-Abspielgerät ausgestattet gewesen seien.

17      Das angerufene Gericht vertrat die Auffassung, dass das Gesetz von 1960 im Einklang mit der Richtlinie 2001/29 auszulegen sei und dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 genannte Verwendung eines Tonträgers einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 entspreche. Des Weiteren habe NB durch die Bereitstellung von Radioempfangsgeräten in Mietwagen den Insassen dieser Fahrzeuge die Möglichkeit gegeben, Tonaufzeichnungen zu hören, weshalb dies als „Wiedergabe“ anzusehen sei. Außerdem seien die anderen Tatbestandsmerkmale der „öffentlichen Wiedergabe“ ebenfalls erfüllt. Folglich entschied es, dass SAMI von NB entschädigt werden müsse, und wies die von NB erhobene Klage ab. Dieses Urteil wurde in der Berufungsinstanz vom Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (in Stockholm tagendes Berufungsgericht für geistiges Eigentum und Wirtschaftssachen, Schweden) aufgehoben. SAMI legte gegen das Berufungsurteil Revision beim Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) ein.

18      Unter diesen Umständen hat der Högsta domstol (Oberster Gerichtshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Führt die Vermietung standardmäßig mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteter Fahrzeuge dazu, dass derjenige, der die Vermietung vornimmt, ein Nutzer ist, der eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 bzw. im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vornimmt?

2.      Welche Bedeutung kommt, wenn überhaupt, dem Umfang der Autovermietung und der Mietdauer zu?

 Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

19      Im Anschluss an die Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts haben Stim und SAMI mit Schriftsatz, der am 6. Februar 2020 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.

20      Zur Stützung ihres Antrags haben sie geltend gemacht, dass, wie aus den Nrn. 39, 52 und 53 der Schlussanträge des Generalanwalts hervorgehe, bestimmte Gesichtspunkte, die im Wesentlichen die Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Sphäre bei der Feststellung, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ vorliege, beträfen, falsch verstanden worden sein könnten. Deshalb sei der Gerichtshof möglicherweise darüber nicht hinreichend unterrichtet.

21      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen stellt, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Die Schlussanträge des Generalanwalts oder ihre Begründung binden den Gerichtshof nicht (Urteil vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka, C‑156/17, EU:C:2020:51, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Ferner kann der Gerichtshof nach ständiger Rechtsprechung von Amts wegen auf Vorschlag des Generalanwalts oder auf Antrag der Parteien gemäß Art. 83 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anordnen, wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder ein zwischen den Parteien nicht erörtertes Vorbringen als entscheidungserheblich ansieht. Dagegen sehen die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die Parteien vor, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 30. Januar 2020, Köln-Aktienfonds Deka, C‑156/17, EU:C:2020:51, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Im vorliegenden Fall soll der von Stim und SAMI gestellte Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens ihnen ermöglichen, auf die vom Generalanwalt in seinen Schlussanträgen getroffenen Feststellungen zu antworten.

24      Im Übrigen ist der Gerichtshof nach Anhörung des Generalanwalts der Auffassung, dass er über alle Angaben verfügt, die zur Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts erforderlich sind, und dass das gesamte entscheidungserhebliche Vorbringen zwischen den Parteien erörtert worden ist.

25      Demzufolge ist das mündliche Verfahren nicht wiederzueröffnen.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

26      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen sind, dass die Vermietung von mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Fahrzeugen eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

27      Diese Frage stellt sich im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, die zum einen die Frage betreffen, ob eine nicht gestattete öffentliche Wiedergabe musikalischer Werke im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 durch Gesellschaften vorliegt, die mit einem Radioempfangsgerät ausgestattete Fahrzeuge vermieten, und zum anderen die, ob eine Einrichtung für die kollektive Verwaltung der Leistungsschutzrechte von Künstlern von diesen Gesellschaften eine angemessene Vergütung verlangen kann, wenn die Vermietung dieser Fahrzeuge eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 mit sich bringt.

28      Es ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, da der Unionsgesetzgeber keinen anderen Willen zum Ausdruck gebracht hat, der in den beiden genannten Bestimmungen verwendete Ausdruck „öffentliche Wiedergabe“ so auszulegen ist, dass er dieselbe Bedeutung hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 49 und 50, sowie vom 16. Februar 2017, Verwertungsgesellschaft Rundfunk, C‑641/15, EU:C:2017:131, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Zudem ist dieser Ausdruck im Licht der entsprechenden Begriffe, die in den Vorschriften des Völkerrechts enthalten sind, so auszulegen, dass er mit diesen vereinbar bleibt, wobei auch der Kontext dieser Begriffe und die Zielsetzung der einschlägigen Bestimmungen der Übereinkünfte im Bereich des geistigen Eigentums zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 189, sowie vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 51 bis 56).

30      Nach ständiger Rechtsprechung vereint der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine „Handlung der Wiedergabe“ eines Werks und dessen „öffentliche“ Wiedergabe (Urteile vom 16. März 2017, AKM, C‑138/16, EU:C:2017:218, Rn. 22, vom 7. August 2018, Renckhoff, C‑161/17, EU:C:2018:634, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Um zu ermitteln, ob die Vermietung von mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Fahrzeugen eine Handlung der Wiedergabe im Sinne der Richtlinien 2001/29 und 2006/115 darstellt, ist in Anbetracht einer Reihe weiterer Kriterien, die unselbständig und miteinander verflochten sind, eine individuelle Beurteilung vorzunehmen. Diese Kriterien sind zudem einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden, da sie im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C‑610/15, EU:C:2017:456, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32      Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof beständig die zentrale Rolle des Nutzers und der Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben. Dieser Nutzer nimmt nämlich eine Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn ohne dieses Tätigwerden die Kunden das ausgestrahlte Werk nicht oder nur schwer empfangen könnten (vgl. u. a. Urteile vom 15. März 2012, SCF, C‑135/10, EU:C:2012:140, Rn. 82 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 15. März 2012, Phonographic Performance [Ireland], C‑162/10, EU:C:2012:141, Rn. 31, und vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C‑610/15, EU:C:2017:456, Rn. 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Gemäß dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, der im Wesentlichen die Vereinbarte Erklärung zu Art. 8 WCT übernimmt, „[stellt d]ie bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, … selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar“.

34      Gleiches gilt für die Bereitstellung eines Radioempfangsgeräts, das in ein Mietfahrzeug eingebaut ist und das ohne weiteres Tätigwerden seitens der Autovermietung die terrestrische Rundfunksendung empfangen kann, die in dem Gebiet, in dem sich das Fahrzeug befindet, zugänglich ist, wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge ausgeführt hat.

35      Eine Bereitstellung wie die in der vorstehenden Randnummer genannte unterscheidet sich von den Handlungen der Wiedergabe, mit denen Dienstleister geschützte Werke absichtlich dadurch an ihre Kunden übertragen, dass sie willentlich ein Signal über Fernseh- oder Radioempfänger, die sie in ihrer Einrichtung installiert haben, verbreiten (Urteil vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 47 und 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Folglich ist festzustellen, dass die Autovermietungen dadurch, dass sie der Öffentlichkeit mit Radioempfangsgeräten ausgestattete Fahrzeuge zur Verfügung stellen, keine öffentliche „Handlung der Wiedergabe“ geschützter Werke vornehmen.

37      Diese Auslegung kann nicht mit dem Vorbringen in Frage gestellt werden, dass die Autovermietungen ihren Kunden – von Stim und SAMI als „öffentlich“ eingestufte – Räume zur Verfügung stellten, nämlich die Fahrgasträume der Mietfahrzeuge, in denen mit Hilfe der Radioempfangsgeräte, mit denen diese Fahrzeuge ausgestattet seien, geschützte Objekte gehört werden könnten. Die Bereitstellung eines solchen Raumes stellt nämlich genauso wie die Bereitstellung von Radioempfangsgeräten keine Handlung der Wiedergabe dar. Im Übrigen geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es unerheblich ist, ob es sich beim Ort der Wiedergabe um einen privaten oder um einen öffentlichen Ort handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 2006, SGAE, C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 50).

38      Daher ist nicht zu prüfen, ob eine solche Bereitstellung als „öffentliche“ Wiedergabe anzusehen ist.

39      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen sind, dass die Vermietung von mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Fahrzeugen keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

 Zur zweiten Frage

40      In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

41      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass die Vermietung von mit einem Radioempfangsgerät ausgestatteten Fahrzeugen keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Schwedisch.