Language of document : ECLI:EU:C:2017:592

Gutachten 1/15

Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV

„Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV – Geplantes Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union – Übermittlung von Fluggastdatensätzen aus der Union nach Kanada – Geeignete Rechtsgrundlagen – Art. 16 Abs. 2, Art. 82 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. d und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV – Vereinbarkeit mit Art. 7, Art. 8 und Art. 52 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“

Leitsätze – Gutachten des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 26. Juli 2017

1.        Internationale Übereinkünfte – Abschluss – Vorheriges Gutachten des Gerichtshofs – Gegenstand – Fragen zur materiellen oder formellen Vereinbarkeit einer Übereinkunft mit dem Vertrag – Vereinbarkeit der Übereinkunft mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union

(Art. 6 Abs. 1 EUV, Art. 217 und 218 AEUV)

2.        Handlungen der Organe – Wahl der Rechtsgrundlage – Kriterien – Handlung der Union mit zwei Zielsetzungen oder Komponenten – Abstellen auf die wesentliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente – Untrennbare Zielsetzungen oder Komponenten – Rückgriff auf mehrere Rechtsgrundlagen – Grenzen – Unvereinbarkeit der Verfahren

3.        Internationale Übereinkünfte – Übereinkünfte der Union – Abschluss – Abkommen EU-Kanada über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Rechtsgrundlage – Auswirkungen der dem EU- und dem AEU-Vertrag beigefügten Protokolle Nrn. 21 und 22 über die Position des Vereinigten Königreichs, Irlands und Dänemarks – Unanwendbarkeit des Abkommens auf Dänemark

(Art. 16 Abs. 2 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV; dem EU- und dem AEU-Vertrag beigefügte Protokolle Nrn. 21 und 22)

4.        Internationale Übereinkünfte – Übereinkünfte der Union – Abschluss – Abkommen EU-Kanada über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Abkommen, mit dem das Ziel verfolgt wird, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und die Fluggastdatensätze zu schützen – Rechtsgrundlage – Art. 16 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV

(Art. 39 EUV, Art. 16 Abs. 2, Art. 39 und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV; dem EU- und dem AEU-Vertrag beigefügte Protokolle Nrn. 21 und 22; dem EU- und dem AEU-Vertrag beigefügte Erklärung Nr. 21)

5.        Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Geltungsbereich – Verarbeitung von Fluggastdatensätzen auf der Grundlage einer internationalen Übereinkunft zwischen der Union und einem Drittland – Einbeziehung – Erfordernis der Gewährleistung eines Niveaus des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte, das dem in der Union garantierten gleichwertig ist – Bedeutung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8; Richtlinie 95/46 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 25 Abs. 6)

6.        Internationale Übereinkünfte – Übereinkünfte der Union – Abschluss – Abkommen mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten – Verpflichtung, den Eingriff auf das absolut Notwendige zu beschränken – Bedeutung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8)

7.        Grundrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Einschränkung der Ausübung der in der Charta niedergelegten Rechte und Freiheiten – Voraussetzungen – Erfordernis, dass die Einschränkung gesetzlich vorgesehen sein muss – Bedeutung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 52 Abs. 1)

8.        Grundrechte – Schutz personenbezogener Daten – Verarbeitung mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage – Begriff des Gesetzes – Abkommen mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Einbeziehung

(Art. 218 Abs. 6 Buchst. a und v und Art. 294 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 8 Abs. 2 und Art. 52 Abs. 1)

9.        Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss eines Abkommens mit einem Drittland durch die Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Eingriff – Rechtfertigung – Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität – Zulässigkeit

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8; Richtlinie 2016/681 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 6 Abs. 4, Art. 7 Abs. 6 und Art. 13 Abs. 4)

10.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Sensible Daten – Erfordernis einer präzisen und fundierten, auf andere Gründe als den Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität gestützten Rechtfertigung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1)

11.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Automatisierte Verarbeitung der Daten – Beurteilung nach den bei der Verarbeitung der Daten verwendeten Modellen, Kriterien und Datenbanken

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8)

12.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Verarbeitung im Einklang mit den Zielen des Abkommens von Chicago – Zulässigkeit

13.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Erfordernis, klare und präzise Regeln für den Zugang zu den Daten und deren Verwendung vorzusehen – Bedeutung

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8)

14.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Speicherung und Verwendung der Daten während des Aufenthalts der Fluggäste in dem Drittland – Mindestanforderungen

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8)

15.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Schutz personenbezogener Daten – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Speicherung der Daten nach der Ausreise der Fluggäste aus dem Drittland – Unzulässigkeit – Ausnahme – Fluggäste, von denen eine Gefahr im Bereich des Terrorismus oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgeht

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und 8)

16.      Grundrechte – Achtung des Privatlebens – Achtung bei der Verarbeitung personenbezogener Daten – Verpflichtung, der betroffenen Person Auskunft über die sie betreffenden Daten zu erteilen, damit sie überprüfen kann, ob die Daten zutreffen und ihre Verarbeitung zulässig ist – Bedeutung – Abschluss durch die Union eines Abkommens mit einem Drittland über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen – Erfordernis, vorzusehen, dass die Fluggäste über die Übermittlung und Verwendung ihrer Daten informiert werden

(Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 7 und Art. 47 Abs. 1)

17.      Grundrechte – Schutz personenbezogener Daten – Kontrollstellen – Erfordernis der Unabhängigkeit – Zweck

(Art. 16 Abs. 2 AEUV; Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 8 Abs. 3)

1.      Bestimmungen einer internationalen Übereinkunft, die die Union gemäß den Art. 217 und 218 AEUV geschlossen hat, sind ab dem Inkrafttreten der Übereinkunft Bestandteil der Unionsrechtsordnung. Sie müssen darum mit den Verträgen und den Verfassungsgrundsätzen, die sich aus ihnen ableiten lassen, im Einklang stehen. Art. 218 Abs. 11 AEUV dient dazu, Komplikationen zu vermeiden, die entstehen könnten, wenn die Vereinbarkeit internationaler Übereinkünfte, die die Union verpflichten, mit den Verträgen vor Gericht bestritten würde. Eine gerichtliche Entscheidung, mit der eine die Union verpflichtende internationale Übereinkunft nach ihrem Abschluss wegen ihres Inhalts oder des Verfahrens ihres Zustandekommens für mit den Verträgen unvereinbar erklärt würde, würde nämlich nicht nur unionsintern, sondern auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen zu ernsten Schwierigkeiten führen und könnte für alle Beteiligten einschließlich der Drittstaaten Nachteile mit sich bringen. In Anbetracht des Zwecks des Verfahrens gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV ist die Anrufung des Gerichtshofs schon dann zulässig, wenn die Gefahr der Ungültigerklärung eines Rechtsakts, mit dem eine internationale Übereinkunft geschlossen wird, besteht.

Demnach müssen im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 218 Abs. 11 AEUV alle Fragen zulässig sein, die Zweifel an der materiellen oder formellen Vereinbarkeit des Abkommens mit den Verträgen hervorrufen können. Die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Abkommens mit den Verträgen kann insoweit nicht nur von den Vorschriften über die Zuständigkeit, das Verfahren oder das institutionelle Gefüge der Union, sondern auch von den Bestimmungen des materiellen Rechts abhängen. Dasselbe gilt für eine Frage nach der Vereinbarkeit einer internationalen Übereinkunft mit Art. 6 Abs. 1 EUV und folglich mit den Garantien der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die den Verträgen rechtlich gleichrangig ist.

(vgl. Rn. 67, 69, 70, 74)

2.      Siehe Text der Entscheidung.

(vgl. Rn. 76-78)

3.      Der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage ist ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen. Ein Unterschied bei den Regeln über die Abstimmung im Rat kann zur Unvereinbarkeit der fraglichen Rechtsgrundlagen führen.

Bei einem Beschluss des Rates über den Abschluss eines geplanten Abkommens, der auf Art. 16 Abs. 2 AEUV und auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird, ergibt sich die Unvereinbarkeit der Rechtsgrundlagen nicht aus den den Verträgen beigefügten Protokollen Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und Nr. 22 über die Position Dänemarks. Da Irland und das Vereinigte Königreich mitgeteilt haben, dass sie sich an dem Beschluss beteiligen wollen, haben die Vorschriften des Protokolls Nr. 21 keine Auswirkungen auf die Abstimmungsregeln im Rat, wenn der Beschluss auf Art. 16 Abs. 2 AEUV gemeinsam mit Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV gestützt wird.

Mit dem Protokoll Nr. 22 soll ein Rechtsrahmen festgelegt werden, der es den Mitgliedstaaten ermöglicht, ihre Zusammenarbeit im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts durch den Erlass von Maßnahmen ohne Beteiligung des Königreichs Dänemark, die für diesen Mitgliedstaat nicht bindend sind, weiter auszubauen, und dem Königreich Dänemark gleichzeitig die Option bietet, sich am Erlass von Maßnahmen in diesem Bereich zu beteiligen und an sie unter den Bedingungen von Art. 8 des Protokolls gebunden zu sein. Der Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens ist sowohl auf Art. 16 AEUV als auch auf Art. 87 AEUV zu stützen. Soweit er auf Art. 87 AEUV zu stützen ist, fällt er also unter den Dritten Teil Titel V Kapitel 5 des AEU-Vertrags. Nach den Art. 2 und 2a des Protokolls Nr. 22 sind für das Königreich Dänemark deshalb weder die Bestimmungen des Beschlusses noch das geplante Abkommen bindend. Außerdem wird sich das Königreich Dänemark nach Art. 1 des Protokolls Nr. 22 nicht am Erlass des Beschlusses beteiligen. Das Protokoll Nr. 22 kann somit im vorliegenden Fall bei gemeinsamem Rückgriff auf Art. 16 Abs. 2 AEUV und Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV nicht zu unterschiedlichen Abstimmungsregeln im Rat führen.

(vgl. Rn. 78, 107, 109-111, 113, 117)

4.      Nach seinen Zielen und seinem Inhalt hat das geplante Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung und Verarbeitung von Fluggastdatensätzen zwei Komponenten. Die eine betrifft die Erforderlichkeit der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die andere den Schutz personenbezogener Daten. Die beiden Komponenten sind untrennbar miteinander verbunden, so dass beide als wesentlich anzusehen sind. Inhaltlich besteht das geplante Abkommen nämlich zu einem großen Teil aus detaillierten Regeln, mit denen gewährleistet wird, dass die Bedingungen, unter denen die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an einen Drittstaat für die Verwendung zu Zwecken des Schutzes der öffentlichen Sicherheit erfolgt, mit dem Schutz personenbezogener Daten im Einklang stehen.

Der Beschluss über den Abschluss des geplanten Abkommens ist daher als Erstes unmittelbar dem mit Art. 16 Abs. 2 AEUV verfolgten Ziel zuzuordnen. Unbeschadet des Art. 39 AEUV stellt diese Vorschrift nämlich eine geeignete Rechtsgrundlage dar, wenn der Schutz personenbezogener Daten eines der wesentlichen Ziele oder Komponenten der vom Unionsgesetzgeber erlassenen Regeln ist. Das gilt auch für Regeln im Rahmen des Erlasses von Maßnahmen, die unter die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen und die polizeiliche Zusammenarbeit fallen, wie Art. 6a des Protokolls Nr. 21 und Art. 2a des Protokolls Nr. 22 sowie die Erklärung zum Schutz personenbezogener Daten im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und der polizeilichen Zusammenarbeit im Anhang der Schlussakte der Regierungskonferenz, die den Vertrag von Lissabon angenommen hat, bestätigen.

Als Zweites ist der Beschluss auch auf Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV zu stützen. Diese Vorschrift sieht vor, dass das Europäische Parlament und der Rat für die Zwecke von Art. 87 Abs. 1 AEUV – wonach die Union eine polizeiliche Zusammenarbeit zwischen allen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten entwickelt – Maßnahmen erlassen können, die das Einholen, Speichern, Verarbeiten, Analysieren und Austauschen sachdienlicher Informationen betreffen. Unter den Begriff der sachdienlichen Informationen im Sinne von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV können in den Bereichen der Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie entsprechender Ermittlungen personenbezogene Daten fallen, unter die Begriffe „Verarbeiten“ und „Austauschen“ solcher Daten sowohl ihre Weitergabe an die Behörden der zuständigen Mitgliedstaaten als auch die Verwendung der Daten durch diese Behörden. Der Umstand, dass die Fluggastdatensätze ursprünglich von Fluggesellschaften für gewerbliche Zwecke erhoben wurden und nicht durch eine zuständige Behörde zur Verhütung oder Aufdeckung von Straftaten sowie zu entsprechenden Ermittlungen, steht der Heranziehung von Art. 87 Abs. 2 Buchst. a AEUV als geeignete Rechtsgrundlage für den Beschluss des Rates über den Abschluss des geplanten Abkommens nicht entgegen.

(vgl. Rn. 90, 92, 94-96, 98, 99, 101)

5.      Die verschiedenen Verarbeitungen, die mit den Datensätzen der Fluggäste, die aus der Union in ein Drittland reisen, nach dem geplanten Abkommen vorgenommen werden können, nämlich ihre Übermittlung von der Union an das Drittland, der Zugang zu den Daten zu ihrer Verwendung oder ihre Speicherung, berühren das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens, das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert ist. Denn dieses Recht erstreckt sich auf jede Information, die eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person betrifft. Die im geplanten Abkommen vorgesehenen Verarbeitungen der Fluggastdatensätze fallen zudem unter Art. 8 der Charta, weil sie Verarbeitungen personenbezogener Daten im Sinne dieses Artikels darstellen und deshalb zwangsläufig die dort vorgesehenen Erfordernisse des Datenschutzes erfüllen müssen.

Das Recht auf Schutz personenbezogener Daten verlangt u. a., dass im Fall der Übermittlung personenbezogener Daten aus der Union in ein Drittland der Fortbestand des durch das Unionsrecht gewährten hohen Niveaus des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleistet wird. Auch wenn sich die Mittel zur Gewährleistung eines solchen Schutzniveaus von denen unterscheiden können, die in der Union herangezogen werden, um die Wahrung der Anforderungen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, zu gewährleisten, müssen sie sich gleichwohl in der Praxis als wirksam erweisen, um einen Schutz zu gewährleisten, der dem in der Union garantierten der Sache nach gleichwertig ist.

Dieses Erfordernis, dass das Drittland ein Schutzniveau der Grundfreiheiten und Grundrechte gewährleisten muss, das dem in der Union garantierten Niveau der Sache nach gleichwertig ist, gilt auch im Fall der Weitergabe von Fluggastdatensätzen durch das Drittland an andere Drittländer. Damit soll verhindert werden, dass das in dem Abkommen über die Übermittlung der Datensätze vorgesehene Schutzniveau durch die Weitergabe personenbezogener Daten an Drittländer umgangen werden könnte, und gewährleistet werden, dass das vom Unionsrecht gewährte Schutzniveau fortbesteht. Die Weitergabe personenbezogener Daten an ein Drittland erfordert daher ein Abkommen zwischen der Union und dem betreffenden Drittland, das dem geplanten Abkommen äquivalent ist, oder einen Beschluss der Kommission gemäß Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 95/46 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, mit dem festgestellt wird, dass das Drittland ein angemessenes Schutzniveau im Sinne des Unionsrechts gewährleistet, und der sich auf die Behörden erstreckt, an die Fluggastdatensätze weitergegeben werden sollen.

(vgl. Rn. 122, 123, 134, 214)

6.      Die Weitergabe personenbezogener Daten an einen Dritten, etwa eine Behörde, stellt unabhängig von der späteren Verwendung der übermittelten Informationen einen Eingriff in das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Grundrecht dar. Dasselbe gilt für die Speicherung personenbezogener Daten und den Zugang zu den Daten zu ihrer Verwendung durch die Behörden. Für die Feststellung eines solchen Eingriffs kommt es nicht darauf an, ob die übermittelten Informationen als sensibel anzusehen sind oder ob die Betroffenen durch den Vorgang irgendwelche Nachteile erlitten haben.

Bei einer von der Union geplanten internationalen Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland stellen somit sowohl die Übermittlung der Fluggastdatensätze von der Union an die zuständige Behörde des Drittlands als auch die von der Union mit dem Drittland ausgehandelte Regelung der Bedingungen, unter denen die Daten gespeichert, verwendet und eventuell an andere Behörden des Drittlands, Europol, Eurojust, gerichtliche oder Polizeibehörden der Mitgliedstaaten oder Behörden weiterer Drittländer weitergegeben werden können Eingriffe in das durch Art. 7 der Charta garantierte Grundrecht dar. Diese Vorgänge stellen, weil es sich bei ihnen um Verarbeitungen personenbezogener Daten handelt, auch einen Eingriff in das durch Art. 8 der Charta garantierte Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten dar.

Die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Rechte können jedoch keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen, sondern müssen im Hinblick auf ihre gesellschaftliche Funktion gesehen werden. Der Schutz des Grundrechts auf Achtung des Privatlebens auf Unionsebene verlangt, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Notwendige beschränken. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die betreffende Regelung, die den Eingriff enthält, klare und präzise Regeln für die Tragweite und die Anwendung der betreffenden Maßnahme vorsehen und Mindesterfordernisse aufstellen, so dass die Personen, deren Daten übermittelt wurden, über ausreichende Garantien verfügen, die einen Schutz vor Missbrauchsrisiken ermöglichen. Sie muss insbesondere angeben, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme, die die Verarbeitung solcher Daten vorsieht, getroffen werden darf, damit gewährleistet ist, dass der Eingriff auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Das Erfordernis, über solche Garantien zu verfügen, ist umso bedeutsamer, wenn die personenbezogenen Daten automatisch verarbeitet werden. Dies gilt insbesondere, wenn es um den Schutz der besonderen Kategorie sensibler personenbezogener Daten geht.

(vgl. Rn. 124-126, 136, 140, 141)

7.      Das Erfordernis gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dass jede Einschränkung der Ausübung der Grundrechte gesetzlich vorgesehen sein muss, bedeutet, dass die gesetzliche Grundlage für den Eingriff in die Grundrechte den Umfang der Einschränkung der Ausübung des betreffenden Rechts selbst festlegen muss.

(vgl. Rn. 139)

8.      Eine von der Union geplante internationale Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland fällt unter den Begriff des Gesetzes im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und somit von Art. 52 Abs. 1 der Charta.

Art. 218 Abs. 6 AEUV spiegelt nämlich auf internationaler Ebene die Verteilung der Befugnisse der Organe bei interner Rechtsetzung wider und stellt eine Symmetrie zwischen dem internen Rechtsetzungsverfahren bei Unionsmaßnahmen und dem Verfahren zum Erlass internationaler Übereinkünfte her, um zu gewährleisten, dass das Parlament und der Rat im Zusammenhang mit einem bestimmten Bereich unter Wahrung des durch die Verträge vorgesehenen institutionellen Gleichgewichts die gleichen Befugnisse haben. Deshalb ist für den Abschluss von internationalen Übereinkünften, die Bereiche betreffen, in denen im internen Rechtsetzungsverfahren das in Art. 294 AEUV vorgesehene ordentliche Gesetzgebungsverfahren Anwendung findet, nach Art. 218 Abs. 6 Buchst. a Ziff. v AEUV die Zustimmung des Parlaments erforderlich. Eine solche Übereinkunft kann daher als das Äquivalent auf internationaler Ebene eines Gesetzgebungsakts im internen Rechtsetzungsverfahren angesehen werden.

Die in der betreffenden internationalen Übereinkunft vorgesehene Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland beruht somit auf einer sonstigen gesetzlich geregelten Grundlage im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Charta.

(vgl. Rn. 145-147)

9.      Die Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten Grundrechte, die mit einer von der Union geplanten internationalen Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland verbunden sind, haben eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung und sind nicht geeignet, den Wesensgehalt der genannten Grundrechte zu beeinträchtigen. Denn mit dem geplanten Abkommen wird u. a. das Ziel verfolgt, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, indem Fluggastdatensätze übermittelt und im Rahmen der Bekämpfung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität verwendet werden. Dieses Ziel stellt nämlich eine dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung der Union dar, die auch schwere Eingriffe in die in den Art. 7 und 8 der Charta niedergelegten Grundrechte rechtfertigen kann. Darüber hinaus trägt der Schutz der öffentlichen Sicherheit auch zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer bei. Da aufgrund der Bewertung der von den Fluggästen ausgehenden Risiken durch die Analyse dieser Daten vor Ankunft der Fluggäste die Sicherheits- und Grenzkontrollen wesentlich erleichtert und beschleunigt werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Übermittlung der Fluggastdaten an das Drittland und ihre anschließende Verarbeitung geeignet sind, die Verwirklichung des mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziels des Schutzes der öffentlichen Sicherheit zu gewährleisten.

(vgl. Rn. 148, 149, 151-153)

10.    Bei einer von der Union geplanten internationalen Übereinkunft über die Übermittlung sensibler Fluggastdaten an ein Drittland verstößt jede Maßnahme, die auf dem Postulat beruht, dass eines oder mehrere der in der geplanten Übereinkunft genannten Merkmale – etwa die rassische oder ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, die Gewerkschaftszugehörigkeit oder die Gesundheit oder das Sexualleben einer Person – als solche, unabhängig vom konkreten Verhalten des betreffenden Fluggasts, für das Ziel der Verarbeitung der Fluggastdaten erheblich sein könnte, gegen die in den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union in Verbindung mit deren Art. 21 niedergelegten Rechte. In Anbetracht des Risikos einer gegen Art. 21 der Charta verstoßenden Verarbeitung von Daten bedürfte die Übermittlung sensibler Daten an das Drittland einer präzisen und besonders fundierten, auf andere Gründe als den Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität gestützten Rechtfertigung. Ohne eine solche Rechtfertigung stehen Art. 7, Art. 8, Art. 21 und Art. 52 Abs. 1 der Charta sowohl der Übermittlung sensibler Daten an das Drittland als auch der von der Union mit dem Drittland ausgehandelten Regelung der Bedingungen für die Verwendung und Speicherung solcher Daten durch die Behörden des Drittlands entgegen.

(vgl. Rn. 164-167)

11.    Bei einem von der Union geplanten internationalen Übereinkommen über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland, das zum Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität eine automatisierte Verarbeitung der Daten vorsieht, hängt der Umfang des Eingriffs der automatisierten Analysen der Fluggastdatensätze in die in den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegten Rechte im Wesentlichen von den im Voraus festgelegten Modellen und Kriterien sowie den Datenbanken ab, auf denen die automatisierte Verarbeitung der Daten beruht. Die im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien müssten deshalb spezifisch und zuverlässig sein, so dass sie die Identifizierung von Personen ermöglichen, gegen die ein begründeter Verdacht der Beteiligung an terroristischen Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität bestehen könnte, und dürften nicht diskriminierend sein. Ferner müssten die Datenbanken, mit denen die Fluggastdatensätze abgeglichen werden, zuverlässig und aktuell sein und von dem betreffenden Drittland in Zusammenhang mit der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität betrieben werden.

(vgl. Rn. 168, 172)

12.    Eine internationale Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland geht dadurch, dass es die Übermittlung der Datensätze sämtlicher Fluggäste an das Drittland ermöglicht, nicht über das hinaus, was absolut notwendig ist. Die Fluggastdatensätze erleichtern nämlich u. a. die Sicherheitskontrollen an den Grenzen, denen nach Art. 13 des Abkommens von Chicago über die Internationale Zivilluftfahrt sämtliche Fluggäste nach den Gesetzen und Vorschriften des Drittlands unterliegen.

(vgl. Rn. 187-189)

13.    Eine von der Union geplante internationale Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland muss, um zu gewährleisten, dass die Speicherung der übermittelten Fluggastdatensätze, der Zugang zu ihnen durch die in der Übereinkunft vorgesehenen nationalen Behörden und die Verwendung der Daten durch diese Behörden auf das absolut Notwendige beschränkt wird, klare und präzise Regeln vorsehen, aus denen hervorgeht, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen diese Behörden die Daten speichern, Zugang zu ihnen haben und sie verwenden dürfen.

In Bezug auf die Speicherung personenbezogener Daten ist festzustellen, dass die Regelung u. a. stets objektiven Kriterien genügen muss, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden personenbezogenen Daten und dem verfolgten Ziel herstellen. Was die Verwendung rechtmäßig gespeicherter personenbezogener Daten durch eine Behörde angeht, darf sich die Regelung nicht darauf beschränken, dass der Zugang zu solchen Daten einem der in der Regelung genannten Zwecke zu entsprechen hat, sondern auch die materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwendung der Daten festlegen muss.

(vgl. Rn. 190-192)

14.    Bei einer internationalen Übereinkunft, die die Speicherung und Verwendung der Datensätze der Fluggäste bis zu deren Ausreise aus dem betreffenden Drittland vorsieht, vor allem um die Sicherheits- und Grenzkontrollen zu erleichtern, können die Speicherung und Verwendung der Fluggastdatensätze zu diesem Zweck schon aufgrund ihrer Art nicht auf einen bestimmten Kreis von Fluggästen begrenzt werden oder Gegenstand einer vorherigen Genehmigung eines Gerichts oder einer unabhängigen Verwaltungsstelle sein. Solange sich die Fluggäste in dem Drittland befinden oder im Begriff sind, aus dem Drittland auszureisen, besteht also der erforderliche Zusammenhang zwischen den Daten und dem mit dem Abkommen verfolgten Ziel, so dass das Abkommen nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist, nur weil es die systematische Speicherung und Verwendung der Datensätze sämtlicher Fluggäste ermöglicht. Desgleichen hängt die systematische Verwendung der Fluggastdatensätze zu dem Zweck, die Zuverlässigkeit und Aktualität der im Voraus festgelegten Modelle und Kriterien, auf denen die automatisierten Verarbeitungen der Daten beruhen, zu überprüfen oder neue Modelle und Kriterien für diese Verarbeitungen festzulegen, unmittelbar mit der Durchführung der Sicherheits- und Grenzkontrollen zusammen, so dass davon auszugehen ist, dass auch sie nicht über das hinausgeht, was absolut notwendig ist.

Die Verwendung der Fluggastdatensätze während des Aufenthalts der Fluggäste in dem Drittland muss auf neue Umstände gestützt werden, da den Fluggästen nach der Überprüfung ihrer Datensätze die Einreise in das Hoheitsgebiet des Drittlands gestattet wurde. Eine solche Verwendung erfordert Regeln, aus denen hervorgeht, unter welchen materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen die Verwendung der Daten erfolgen darf, um diese insbesondere vor Missbrauchsrisiken zu schützen. Solche Regeln müssen sich auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten Behörden des Drittlands die Daten verwenden dürfen.

Gibt es objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Datensätze eines oder mehrerer Fluggäste einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung terroristischer Straftaten oder grenzübergreifender schwerer Kriminalität leisten könnten, scheint die Verwendung der Daten nicht über das hinauszugehen, was absolut notwendig ist. Damit in der Praxis die vollständige Einhaltung dieser Voraussetzungen gewährleistet ist, ist es unabdingbar, dass die Verwendung der gespeicherten Fluggastdatensätze während des Aufenthalts der Fluggäste in dem Drittland grundsätzlich – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen wird und dass deren Entscheidung im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird.

(vgl. Rn. 197-202)

15.    Bei einer von der Union geplanten internationalen Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit vor Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität die Speicherung der Datensätze der Fluggäste nach deren Ausreise aus dem Drittland vorsieht, dürfte bei Fluggästen, bei denen eine solche Gefahr weder bei ihrer Ankunft in dem Drittland noch bis zu ihrer Ausreise aus dem Drittland festgestellt wurde, nach ihrer Ausreise kein Zusammenhang, sei er auch mittelbarer Art, zwischen ihren Fluggastdatensätzen und dem mit dem geplanten Abkommen verfolgten Ziel bestehen, der die Speicherung der Daten rechtfertigen würde. Die dauerhafte Speicherung der Datensätze sämtlicher Fluggäste nach ihrer Ausreise aus dem Drittland beschränkt sich somit nicht auf das absolut Notwendige. Gibt es in konkreten Fällen allerdings objektive Anhaltspunkte dafür, dass von bestimmten Fluggästen auch nach ihrer Ausreise aus dem Drittland eine Gefahr im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität ausgehen könnte, erscheint eine Speicherung der sie betreffenden Datensätze über ihren Aufenthalt in dem Drittland hinaus zulässig. Die Verwendung der auf diese Weise gespeicherten Fluggastdatensätze müsste sich auf objektive Kriterien stützen, die definieren, unter welchen Umständen und unter welchen Voraussetzungen die im geplanten Abkommen genannten Behörden des Drittlands Zugang zu diesen Daten haben. Ferner müsste eine solche Verwendung – außer in hinreichend begründeten Eilfällen – einer vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle unterworfen werden, wobei die Entscheidung, mit der die Verwendung genehmigt wird, im Anschluss an einen mit Gründen versehenen Antrag ergeht, der von den zuständigen Behörden insbesondere im Rahmen von Verfahren zur Verhütung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten gestellt wird. Eine Dauer der Speicherung von Fluggastdatensätzen von fünf Jahren geht nicht über das hinaus, was zur Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität absolut notwendig ist.

(vgl. Rn. 205-209)

16.    Das in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union niedergelegte Grundrecht auf Achtung des Privatlebens setzt voraus, dass sich die betroffene Person vergewissern kann, dass ihre personenbezogenen Daten fehlerfrei verarbeitet werden und die Verarbeitung zulässig ist. Sie muss, um die nötigen Nachprüfungen durchführen zu können, ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden Daten haben, die Gegenstand einer Verarbeitung sind.

Bei einer von der Union geplanten internationalen Übereinkunft über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen an ein Drittland muss den Fluggästen die Weitergabe ihrer Datensätze an das Drittland und die Verwendung dieser Daten mitgeteilt werden, sobald dies die Ermittlungen der im geplanten Abkommen genannten Behörden nicht mehr beeinträchtigen kann. Diese Mitteilung ist nämlich der Sache nach erforderlich, damit die Fluggäste ihr Recht auf Auskunft über die sie betreffenden Datensätze und gegebenenfalls auf Berichtigung der Daten sowie ihr Recht, gemäß Art. 47 Abs. 1 der Charta bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, ausüben können.

In Fällen, in denen objektive Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verwendung der Fluggastdatensätze zur Bekämpfung von Terrorismus und grenzübergreifender schwerer Kriminalität rechtfertigen und eine vorherige Genehmigung durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle erforderlich machen, ist daher eine individuelle Information der Fluggäste erforderlich. Dasselbe gilt für Fälle, in denen die Fluggastdatensätze an andere Behörden oder an Einzelpersonen weitergegeben werden. Eine solche Mitteilung darf aber erst erfolgen, wenn sie die Ermittlungen der im geplanten Abkommen genannten Behörden nicht mehr beeinträchtigen kann.

(vgl. Rn. 219, 220, 223, 224)

17.    Nach Art. 8 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird die Einhaltung der gemäß Abs. 1 und 2 dieses Artikels hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten bestehenden Anforderungen von einer unabhängigen Stelle überwacht. Die Gewährleistung der Unabhängigkeit einer solchen Kontrollstelle, deren Errichtung auch in Art. 16 Abs. 2 AEUV vorgesehen ist, soll die wirksame und zuverlässige Kontrolle der Einhaltung der Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sicherstellen und ist im Licht dieses Zwecks auszulegen. Die Errichtung einer unabhängigen Kontrollstelle stellt daher ein wesentliches Element zur Wahrung des Schutzes der Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten dar.

(vgl. Rn. 228, 229)