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Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichts Halle (Deutschland) eingereicht am 10. Dezember 2018 - VM gegen Land Sachsen-Anhalt

(Rechtssache C-775/18)

Verfahrenssprache: Deutsch

Vorlegendes Gericht

Verwaltungsgericht Halle

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: VM

Beklagter: Land Sachsen-Anhalt

Vorlagefragen

1.    Ist die nachträgliche prozentuale Erhöhung eines altersdiskriminierenden Entgeltsystems eine neue Diskriminierung, wenn der Erhöhungsprozentsatz für alle Stufen einer Besoldungsgruppe gleich hoch ausfällt und deshalb sich zwar der absolute, aber nicht der relative Abstand zwischen den Diskriminierten und den Nichtdiskriminierten verändert?

2.    Wenn die Frage zu 1. zu bejahen ist, ist eine solche prozentuale Erhöhung über alle Altersstufen gerechtfertigt, wenn die Erhöhung darauf beruht, dass die ursprüngliche Bezahlung ein durch die Verfassung des Mitgliedstaats vorgegebenes Minimum unterschreitet?

3.    Steht Europarecht, insbesondere Art. 9 Richtlinie 2000/78/EG1 einer Regelung entgegen, die einen Anspruch auf Entschädigung für eine altersdiskriminierende Bezahlung nach zwei Monaten entfallen lässt, wenn

–    die Frist mit der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, C-297/10 und C-298/10, ECLI:EU:C:2011:560 (Hennigs und Mai) beginnt, obwohl der Betroffene nicht unter den Bundesangestelltentarifvertrag fällt, sondern seine persönliche Situation der im Urteils vom 19. Juni 2014, C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12, ECLI:EU:C:2014:2005 (Specht) entspricht,

–    das vorgenannte Urteil von den betroffenen Beamten und Richtern (Arbeitnehmern) nur aus allgemeinen öffentlichen Quellen entnommen werden kann,

–    die Dienstherren (Arbeitgeber) eine Übertragbarkeit auf Beamte nach Erlass des vorgenannten Urteils verneint haben und dabei das Vorliegen einer Altersdiskriminierung in Abrede gestellt haben, wobei diese Rechtsmeinung zumindest teilweise auch nach außen kommuniziert worden ist,

–    die Rechtsprechung der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte innerhalb der genannten Frist und auch danach bis zur Verkündung des Urteils Specht überwiegend das Vorliegen einer Altersdiskriminierung verneint haben,

–    obergerichtliche Rechtsprechung in der Frist nicht existierte und die erste höchstrichterliche Entscheidung erst nach Erlass des Urteils Specht ergangen ist,

–    im Beamten- oder Richterverhältnis (Arbeitsverhältnis) Ausschlussfristen nur für die Erstattung besonderer Kosten gelten und solche Fristen nicht kürzer als sechs Monate sind,

–    Ansprüche auf Besoldung (Arbeitsentgelt) einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, die mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Anspruch fällig geworden und der Begünstigte den Anspruch kennt oder kennen müsste, sonst eine Verjährungsfrist von zehn Jahren läuft,

– nationale Ansprüche auf Besoldung (Arbeitsentgelt), die nicht gesetzlich festgesetzt sind, zeitnah, d. h. innerhalb des Haushaltsjahres, für das sie begehrt wird, geltend zu machen sind?

4.    Hat es Einfluss auf die Antwort zu Frage 3, wenn die Rechtslage unklar oder verworren ist?

5.    Genügt es für den Anlauf einer Ausschlussfrist, wenn der benachteiligte Personenkreis die unterschiedliche Behandlung kennt, oder muss auch der Grund für die Ungleichbehandlung, also das Differenzierungskriterium, bekannt sein?

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1 Richtlinie des Rates 2000/78/EG vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, ABl. 2000, L 303, S. 16.