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Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Najwyższy (Polen), eingereicht am 9. September 2018 – DŚ/Zakład Ubezpieczeń Społecznych Oddział w Jaśle

(Rechtssache C-522/18)

Verfahrenssprache: Polnisch

Vorlegendes Gericht

Sąd Najwyższy

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kläger:

Beklagter: Zakład Ubezpieczeń Społecznych Oddział w Jaśle

Vorlagefragen

Ist Art. 19 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Satz 3 und Art. 2 EUV, Art. 267 Abs. 3 AEUV sowie Art. 47 der Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass in jedem Fall eine Verletzung des Grundsatzes der Unabsetzbarkeit der Richter als Bestandteil des Grundsatzes des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, wenn der nationale Gesetzgeber das Alter für den Eintritt in den Ruhestand (Ruhestandsalter) von Richtern eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats (zum Beispiel von 70 auf 65 Jahre) herabsetzt und das neue, niedrigere Ruhestandsalter gegenüber Richtern im aktiven Dienst anwendet, ohne die Entscheidung über die Inanspruchnahme des niedrigeren Ruhestandsalters ausschließlich dem betroffenen Richter zu überlassen?

Ist Art. 19 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Satz 3 und Art. 2 EUV, Art. 267 Abs. 3 AEUV sowie Art. 47 der Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit sowie der für die Gewährleistung wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes in unionsrechtlichen Angelegenheiten erforderliche Standard der Unabhängigkeit verletzt werden, wenn der nationale Gesetzgeber unter Verstoß gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter die Regelaltersgrenze, bis zu der ein Richter eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats im Amt verbleiben kann, von 70 auf 65 Jahre herabsetzt und die Möglichkeit zum Verbleib im Amt von der im Ermessen stehenden Zustimmung eines Organs der Exekutive abhängig macht?

Ist Art. 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf1 dahin auszulegen, dass eine Diskriminierung wegen des Alters vorliegt, wenn das Alter für den Eintritt in den Ruhestand (Ruhestandsalter) von Richtern eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats herabgesetzt und der Verbleib im Amt des bisherigen Richters dieses Gerichts, der das neue, niedrigere Alter für den Eintritt in den Ruhestand erreicht hat, von der Zustimmung eines Organs der Exekutive abhängig gemacht wird?

Sind Art. 2, Art. 9 und Art. 11 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 und Art. 47 der Grundrechtecharta dahin auszulegen, dass im Falle einer Diskriminierung von Richtern eines letztinstanzlichen Gerichts eines Mitgliedstaats wegen des Alters, die darin besteht, dass das Alter für den Eintritt in den Ruhestand (Ruhestandsalter) von bisher 70 auf 65 Jahre herabgesetzt wird, dieses Gericht – das in einer beliebigen Rechtssache in einer Besetzung mit Beteiligung eines von den Folgen dieser diskriminierenden nationalen Vorschriften betroffenen Richters tagt, der nicht den Willen zum Ausdruck gebracht hat, das neue Ruhestandsalter in Anspruch zu nehmen – bei der Entscheidung der Vorfrage betreffend den Spruchkörper verpflichtet ist, nationale Vorschriften, die mit der Richtlinie 2000/78 und Art. 21 der Grundrechtecharta nicht vereinbar sind, unangewendet zu lassen und weiterhin unter Mitwirkung dieses Richters zu entscheiden, wenn dies die einzig effektive Möglichkeit ist, einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Rechte dieses Richters zu garantieren?

Ist Art. 19 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 3 Satz 3 und Art. 2 EUV, Art. 267 AEUV und Art. 47 der Grundrechtecharta dergestalt auszulegen, dass der Rechtsstaat als solch grundlegender Wert der Europäischen Union anzusehen ist, dass im Falle von Zweifeln an der Vereinbarkeit nationaler Vorschriften, die das Alter für den Eintritt in den Ruhestand (Ruhestandsalter) von Richtern in der in den Fragen 1 und 2 beschriebenen Art und Weise herabsetzen, mit diesem Wert sowie dem sich aus ihm ergebenden Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes – im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Gerichte und seiner Richter – das nationale Gericht berechtigt sein muss, die Anwendung nationaler Vorschriften, die gegen den Grundsatz der Unabsetzbarkeit der Richter verstoßen, von Amts wegen in Bezug auf alle Richter, die vom Anwendungsbereich dieser Vorschriften umfasst sind, auszusetzen?

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1 ABl. 2000, L 303, S. 16.