Language of document : ECLI:EU:C:2003:266

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

L. A. GEELHOED

vom 8. Mai 2003(1)

Rechtssache C-170/02 P

Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH

J. Wimmer Medien GmbH & Co. KG

Styria Medien AG

Zeitungs- und Verlags-Gesellschaft mbH

Eugen Ruß Vorarlberger Zeitungsverlag und Druckerei GmbH

„Die Presse“ Verlags-Gesellschaft mbH

„Salzburger Nachrichten“ Verlags-Gesellschaft mbH & Co. KG

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Untätigkeitsklage gegen die Kommission - Rechtsmittel - Wettbewerb - Beschwerde - Zusammenschluss von Unternehmen auf dem Mediensektor in Österreich“

I. - Einleitung

1.
    In diesem Rechtsmittelverfahren beantragen die Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH u. a. (im Folgenden: Rechtsmittelführerinnen) die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts erster Instanz vom 11. März 2002 in der Rechtssache T-3/02 (im Folgenden: angefochtener Beschluss)(2). Mit diesem Beschluss hat das Gericht die Untätigkeitsklage auf Feststellung, dass es die Kommission unter Rechtsverstoß rechtswidrig unterlassen habe, über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt zu entscheiden, für offensichtlich unzulässig erklärt.

II - Die anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts

2.
    Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen(3) lautet:

„Ein Zusammenschluss im Sinne dieser Verordnung hat gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn folgende Umsätze erzielt werden:

a)    ein weltweiter Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen von mehr als 5 Milliarden Euro und

b)    ein gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Millionen Euro;

dies gilt nicht, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in einem und demselben Mitgliedstaat erzielen.“

3.
    Artikel 4 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne dieser Verordnung sind innerhalb einer Woche nach dem Vertragsabschluss, der Veröffentlichung des Kauf- oder Tauschangebots oder des Erwerbes einer die Kontrolle begründenden Beteiligung bei der Kommission anzumelden. Die Frist beginnt mit der ersten der vorgenannten Handlungen.“

4.
    Artikel 6 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt:

„Die Kommission beginnt unmittelbar nach dem Eingang der Anmeldung mit deren Prüfung.

a)    Gelangt sie zu dem Schluss, dass der angemeldete Zusammenschluss nicht unter diese Verordnung fällt, so stellt sie dies durch Entscheidung fest.

b)    Stellt sie fest, dass der angemeldete Zusammenschluss zwar unter diese Verordnung fällt, jedoch keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, so trifft sie die Entscheidung, keine Einwände zu erheben und erklärt den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt.

    ...

c)    Stellt die Kommission unbeschadet des Absatzes 1a fest, dass der angemeldete Zusammenschluss unter diese Verordnung fällt und Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, so trifft sie die Entscheidung, das Verfahren einzuleiten.“

5.
    Nach Artikel 21 der Verordnung Nr. 4064/89 ist vorbehaltlich der Nachprüfung durch den Gerichtshof die Kommission ausschließlich dafür zuständig, die in dieser Verordnung vorgesehenen Entscheidungen zu erlassen.

III - Sachverhalt und Verfahren der ersten Instanz

6.
    Mit Beschluss vom 26. Januar 2001 genehmigte das nach dem österreichischen Recht hierfür zuständige Oberlandesgericht Wien die beabsichtigte Übernahme der zu der Zeitschriften Verlagsbeteiligungs-Aktiengesellschaft gehörenden Kurier-Magazine Verlags GmbH durch die Verlagsgruppe News GmbH, die angeblich vom Bertelsmann-Konzern beherrscht wird.

7.
    Mit Schreiben vom 25. Mai 2001 legten die Rechtsmittelführerinnen, die alle im österreichischen Pressesektor tätig sind, bei der Kommission eine Beschwerde gegen diese Übernahme ein. Mit dieser Beschwerde machten sie geltend, dass der Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne der Verordnung Nr. 4064/89 habe und daher bei der Kommission hätte angemeldet werden müssen, die über seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu entscheiden gehabt hätte.

8.
    Mit Schreiben vom 12. Juli 2001 teilte der Direktor der zur Generaldirektion Wettbewerb gehörenden Task-Force „Fusionskontrolle“ mit, da die Kurier-Magazine Verlags GmbH keinen Umsatz von jährlich 250 Millionen Euro erziele, sei die in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 festgelegte Umsatzschwelle nicht erreicht.

9.
    Als Antwort auf das Schreiben vom 7. August 2001, in dem die Rechtsmittelführerinnen diesen Standpunkt bestritten, erklärte der Direktor der Task-Force „Fusionskontrolle“ mit Schreiben vom 3. September 2001, dass seine Direktion die Ansicht der Rechtsmittelführerinnen nicht teile, und bekräftigte, dass der Zusammenschluss keine gemeinschaftsweite Bedeutung habe.

10.
    Mit Schreiben vom 11. September 2001 forderten die Rechtsmittelführerinnen die Kommission gemäß Artikel 232 Absatz 2 EG auf, eine formelle Entscheidung über Einleitung oder Nichteinleitung eines Prüfungsverfahrens gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 zu treffen.

11.
    Mit Schreiben vom 7. November 2001 bestätigte der Direktor der Task-Force „Fusionskontrolle“ den Empfang dieses Schreibens und antwortete, dass seine Dienststelle aus den im Schreiben vom 12. Juli 2001 angeführten Gründen nicht beabsichtige, eine neue Untersuchung einzuleiten. Ferner wies er darauf hin, dass die Kommission in Ermangelung einer Zuständigkeit gemäß der Verordnung über die Fusionskontrolle in der Sache nicht habe entscheiden können.

12.
    Am 10. Januar 2002 erhoben die Rechtsmittelführerinnen Untätigkeitsklage. Sie beantragten die Feststellung, dass die Kommission dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstoßen hat, dass sie über die von den Rechtsmittelführerinnen eingereichte Beschwerde betreffend die Durchführung eines Zusammenschlusses von gemeinschaftsweiter Bedeutung, angemeldet und innerstaatlich durch Beschluss des Oberlandesgerichts Wien bewilligt, keine Entscheidung getroffen hat, hilfsweise festzustellen, dass die Kommission es unterlassen hat, die am Zusammenschluss beteiligten Parteien zur Anmeldung des Zusammenschlusses bei ihr aufzufordern, und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

13.
    Das Gericht hat die sich aus den Akten ergebenen Angaben für ausreichend gehalten und beschlossen, gemäß Artikel 111 seiner Verfahrensordnung ohne Fortsetzung des Verfahrens die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen.

14.
    Das Gericht hat festgestellt, dass das Schreiben des Direktors der Task-Force „Fusionskontrolle“ vom 7. November 2001 die Antwort der Kommission auf die Aufforderung vom 11. September 2001 darstelle. Ferner hat es festgestellt, dass dieses Schreiben eine klare Stellungnahme auf die Aufforderung hin enthalte. In Randnummer 26 des angefochtenen Beschlusses führt das Gericht aus, es könne nicht geltend gemacht werden, dass das Schreiben vom 7. November 2001 nur den Standpunkt der Task-Force „Fusionskontrolle“ und nicht den der Kommission zum Ausdruck bringe. In den Schreiben vom 12. Juli und vom 3. September 2001 habe es zwar geheißen, dass diese „die Auffassung der Fusionskontrolldirektion wieder[geben] und die Europäische Kommission nicht binde[n]“; doch sei eine solche Erklärung im Schreiben vom 7. November 2001 nicht mehr enthalten, so dass dieses als Stellungnahme der Kommission anzusehen sei.

IV - Rechtsmittel

15.
    Die Rechtsmittelführerinnen haben am 7. Mai 2002 Rechtsmittel eingelegt. Sie beantragen mit ihrem Rechtsmittel, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ihrem in der ersten Instanz gestellten Antrag stattzugeben; hilfsweise beantragen sie, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen, auf jeden Fall aber der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16.
    Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

V - Rechtsmittelgründe

17.
    Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, nämlich erstens unvollständige Tatsachenfeststellung und zweitens unrichtige Beurteilung des Schreibens vom 7. November 2001.

Der erste Rechtsmittelgrund: unvollständige Tatsachenfeststellung

18.
    Mit dem ersten Rechtsmittelgrund machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht seine rechtliche Würdigung auf die Erklärung der Kommission gestützt habe, dass die Schreiben vom 12. Juli 2001 und vom 3. September 2001 „die Auffassung der Fusionskontrolldirektion wieder[geben] und die Europäische Kommission nicht binde[n]“, ohne den Inhalt dieser Erklärung in die Tatsachenfeststellungen aufzunehmen.

19.
    Die Kommission ist der Ansicht, dass dieser Rechtsmittelgrund unzulässig oder zumindest unbegründet sei, da die Feststellung der Tatsachen im angefochtenen Beschluss ausreichend sei, um die rechtliche Beurteilung des Gerichts überprüfen zu können.

Würdigung

20.
    Ich teile die Ansicht der Kommission. Erstens kann, wie auch die Kommission geltend gemacht hat, nach ständiger Rechtsprechung gemäß Artikel 225 EG und Artikel 51 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel nur auf die Verletzung von Rechtsvorschriften gestützt werden, nicht aber auf die Würdigung von Tatsachen.

21.
    Zweitens greift dieser Rechtsmittelgrund nicht durch, soweit die Rechtsmittelführerinnen geltend machen, die Darstellung des Sachverhalts sei so unvollständig, dass die rechtliche Beurteilung des Gerichts nicht überprüfbar sei. Aus den Randnummern 1 bis 7 des angefochtenen Beschlusses in Verbindung mit Randnummer 26 geht mehr als deutlich hervor, dass die Schreiben vom 12. Juli und vom 3. September 2001 im Gegensatz zum Schreiben vom 7. November 2001 sehr wohl einen Vorbehalt in dem Sinne enthielten, dass sie nur die Ansicht der Generaldirektion Wettbewerb wiedergegeben hätten. Der Umstand, dass diese Wendungen bei der Zusammenfassung dieser früheren Schreiben nicht ausdrücklich im Sachverhalt wiedergegeben sind, ändert hieran nichts.

Zweiter Rechtsmittelgrund: unrichtige rechtliche Beurteilung des Schreibens des Direktors der Task-Force „Fusionskontrolle“ vom 7. November 2001

22.
    Die Rechtsmittelführerinnen sind der Ansicht, dass das Schreiben vom 7. November 2001 nur vom Direktor der Task-Force „Fusionskontrolle“ stamme und dass dieses Schreiben die Kommission als Organ rechtlich nicht binden könne. Das Gericht habe daher einen Rechtsfehler dadurch begangen, dass es die Ansicht vertreten habe, die Kommission habe in diesem Schreiben im Sinne von Artikel 232 Absatz 2 EG Stellung genommen und die Unterlassung sei daher abgestellt worden.

23.
    Der Direktor habe in diesem Schreiben ausdrücklich auf die Schreiben vom 12. Juli 2001 und vom 3. September 2001 verwiesen. Darin heiße es, dass sein Dienst nicht beabsichtige, ein Prüfungsverfahren einzuleiten. In diesen früheren Schreiben habe der Direktor auch ausdrücklich ausgeführt, dass der eingenommene rechtliche Standpunkt nur die Meinung der Generaldirektion Wettbewerb wiedergebe und die Kommission nicht binde.

24.
    Die Auslegung des Gerichts, dass das Schreiben vom 7. November 2001 der Kommission als beschwerende Maßnahme zugerechnet werden könne, da darin im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Schreiben nicht davon gesprochen werde, dass die Kommission nicht daran gebunden sei, erscheine willkürlich und verstoße gegen den Grundsatz des guten Glaubens und damit gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts.

25.
    Auch sei dieses Verfahren nicht mit der Rechtssache zu vergleichen, die mit dem Urteil Air France/Kommission(4) abgeschlossen worden sei, in der eine Presseerklärung eines Sprechers der Generaldirektion Wettbewerb als Entscheidung im Namen der Kommission betrachtet worden sei.

26.
    Die Kommission ist der Ansicht, dass unabhängig von der Frage, ob im Schreiben vom 7. November 2001 ein Vorbehalt in Bezug auf die rechtliche Bindungskraft des Schreibens für die Kommission gemacht worden sei, die Untätigkeitsklage unzulässig gewesen sei. In diesem Schreiben habe sie auch darauf hingewiesen, dass wegen Fehlens einer entsprechenden Rechtsgrundlage keine Entscheidung habe getroffen werden können, was beinhalte, dass auch keine Untätigkeit festgestellt werden könne(5).

27.
    Erstens müsse die Klage für unzulässig erklärt werden, da keine Rechtsgrundlage dafür gegeben sei, auf eine Beschwerde hin eine ablehnende Entscheidung zu erlassen. Im Unterschied zur Verordnung Nr. 17(6) und der darauf gestützten Verordnung Nr. 2842/98(7), insbesondere deren Artikel 6, sähen die Verordnung Nr. 4064/89 und die Verordnung 447/98(8) kein Beschwerdeverfahren vor(9). Ferner stehe ein langwieriges Beschwerdeverfahren dem Hauptzweck der Verordnung entgegen, für die ihr unterliegenden Unternehmen eine wirksame Kontrolle und die Rechtssicherheit sicherzustellen.

28.
    Zweitens führt die Kommission aus, selbst wenn das Schreiben vom 25. Mai 2001 als Antrag an sie aufzufassen wäre, die vom Zusammenschluss betroffenen Unternehmen zur Anmeldung dieses Vorgangs zu verpflichten und diesen danach zu untersuchen, sei die Untätigkeitsklage unzulässig. Sie sei gemäß der Verordnung Nr. 4064/89 nicht verpflichtet, auf Antrag eines Dritten eine Anmeldung zu erzwingen, den angemeldeten Vorgang danach zu untersuchen und eine Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung an die anmeldenden Parteien zu richten, so dass Dritte diese Entscheidung rechtlich anfechten könnten. Eine derartige Verpflichtung habe der Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst nicht vorgesehen. Erstens setze der Erlass einer Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 4064/89 eine vorherige Anmeldung durch die Beteiligten voraus. Zweitens würde eine von einem Dritten veranlasste Anmeldung, die schließlich zu einer Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 1 a der Verordnung Nr. 4064/89 führe, den in der Verordnung verankerten „one-stop shop“-Grundsatz verkennen, der eine klare Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission und einer nationalen Wettbewerbsbehörde vorsehe. Dies könne dazu führen, dass parallele Verfahren betrieben werden müssten. Die vom Zusammenschluss betroffenen Parteien würden so erst dann Rechtssicherheit erhalten, wenn sowohl das nationale als auch das gemeinschaftliche Verfahren abgelaufen sei.

29.
    Drittens führt die Kommission aus, selbst wenn es den Rechtsmittelführerinnen gelänge, sie auf dem Weg der Untätigkeitsklage zur Überprüfung einer Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde mittels einer (vorbereitenden) Entscheidung zu veranlassen, mit der die Parteien aufgefordert würden, ihren Zusammenschluss anzumelden, würde die nachfolgende Prüfung und schließlich eine Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung ihre Rechtsstellung nicht verändern. Sie hätten keinen Anspruch darauf, dass eine Aufsichtsbehörde anstelle einer anderen über einen Zusammenschluss Dritter entscheide. Ihre Rechtsstellung könne dies nicht beeinflussen, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass die eine Wettbewerbsbehörde strengere Maßstäbe als die andere anlege. Zudem müsse der Rechtschutz Dritter in erster Linie durch Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde sichergestellt werden. Dass ihnen offenkundig nach dem nationalen Recht bestimmte Rechtsbehelfe nicht offen stünden, könne dabei nicht ausschlaggebend sein(10).

30.
    Zum Schluss führt die Kommission aus, dass die Rechtsmittelführerinnen erst vier Monate nach der inhaltlichen Entscheidung der zuständigen nationalen Behörde bei der Kommission einen Antrag gestellt hätten. Ausgehend davon, dass sie vom nationalen Verfahren unterrichtet gewesen seien und erst vier Monate, nachdem ihnen bekannt geworden sei, dass sich die nationale Behörde in der Sache als zuständig erachte, seien sie zumindest im Rahmen der Fusionskontrolle zu spät tätig geworden.

31.
    Sollte der Gerichtshof die Ansicht der Kommission nicht teilen, so sei das Rechtsmittel deshalb als unzulässig zurückzuweisen, weil sie in ihrem Schreiben vom 7. November 2001 Stellung genommen habe.

Würdigung

32.
    Bevor ich auf den zweiten Rechtsmittelgrund eingehe, möchte ich zunächst die Ausführungen der Kommission behandeln.

33.
    Zum einen ist es fraglich, ob das Vorbringen der Kommission, das sich nicht gegen den verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung richtet, sondern gegen die Gründe, aus denen das Gericht zu dieser Entscheidung gekommen ist, zulässig ist. Zum anderen hat das Gericht gemäß Artikel 111 seiner Verfahrensordnung ohne Fortsetzung des Verfahrens entschieden, so dass die Kommission keine Gelegenheit zur Darlegung oder Erläuterung ihres Standpunkts gehabt hat. Zudem schließt beides nicht aus, dass von Amts wegen geprüft werden kann, ob eines der Argumente der Kommission stichhaltig ist. Daher bin ich der Ansicht, dass auf das fragliche Vorbringen einzugehen ist.

34.
    Das erste der drei von der Kommission angeführten Argumente betrifft im Kern ihre Befugnisse bzw. ihre Pflichten aufgrund einer Beschwerde im Rahmen der Fusionskontrolle.

35.
    Die Kommission macht, kurz zusammengefasst, geltend, es bestehe keine Rechtsgrundlage für einen Antrag auf Beschwerdeabweisung, sie sei nicht verpflichtet, auf Antrag Dritter tätig zu werden, und, falls es diesen gelinge, sie auf dem Weg über eine Untätigkeitsklage zum Tätigwerden zu veranlassen, werde ihre Rechtstellung dadurch nicht berührt.

36.
    In diesem Zusammenhang sei bemerkt, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber auf Gemeinschaftsebene für eine vorbeugende Fusionskontrolle durch eine vorgeschriebene vorherige Anmeldung und unter Beachtung einer Wartezeit, bevor der Zusammenschluss vollzogen werden darf, entschieden hat, und zwar mit der Möglichkeit, bei Nichteinhaltung dieser Vorschriften eine Geldbuße zu verhängen.

37.
    Für Zusammenschlüsse mit einem gewissen Umfang, d. h. Zusammenschlüsse, die die in Artikel 1 der Verordnung aufgeführten Umsatzschwellen überschreiten, die so genannten Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung, ist die Kommission ausschließlich zuständig. Auf diese Zusammenschlüsse dürfen die Mitgliedstaaten ihr nationales Wettbewerbsrecht nicht anwenden. Dies bedeutet eine strikte Zuständigkeitsverteilung zwischen der Kommission einerseits und den nationalen Wettbewerbsbehörden andererseits in Bezug auf die Fusionskontrolle.

38.
    Die Verordnung Nr. 4064/89 ist zu allererst gekennzeichnet durch beschleunigte Verfahren, u. a., um den betreffenden Marktbeteiligten so schnell wie möglich Aufschluss und damit Rechtssicherheit zu verschaffen.

39.
    Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Untätigkeitsklage der Rechtsmittelführerinnen zulässig gewesen ist. Die ersten drei Argumente der Kommission überzeugen mich nicht. Gleichartige Argumente hat sie auch schon in der Rechtssache Air France/Kommission(11) bereits angeführt. Das Gericht hat diese zu Recht zurückgewiesen. Dass es dabei um die Frage der Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage ging, ändert daran nichts.

40.
    Erstens können Dritte ein Interesse daran haben, dass die Kommission prüft, ob der Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist. Eine derartige Entscheidung der Kommission zeitigt eine Reihe von Rechtsfolgen sowohl für die vom Zusammenschluss betroffenen Unternehmen als auch für die Mitgliedstaaten und auch für Dritte, wie etwa die unmittelbaren Wettbewerber der vom Zusammenschluss betroffenen Parteien. Diese Dritten können durch eine derartige Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen sein(12).

41.
    Der Ansicht der Kommission, die Verordnung Nr. 4064/89 kenne kein förmliches Beschwerdeverfahren, so dass es keine Rechtsgrundlage für die Zurückweisung einer Beschwerde gebe, und die Feststellung, dass ein bestimmter Zusammenschluss nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung sei, könne nur nach einer Anmeldung durch die vom Zusammenschluss betroffenen Unternehmen erfolgen, kann nicht gefolgt werden.

42.
    Aus dem Umstand, dass die Verordnung Nr. 4064/89 die Kommission ermächtigt, bestimmte Zusammenschlüsse zu beurteilen, folgt, dass sie auch befugt ist, ihre eigene Zuständigkeit im Bezug auf einen bestimmten Zusammenschluss zu prüfen. Sie kann dies sowohl aufgrund der Anmeldung durch die vom Zusammenschluss betroffenen Unternehmen als auch von Amts wegen oder aufgrund eines entsprechenden Antrags Dritter tun. Für eine Entscheidung hierüber ist eine vorherige Anmeldung nicht erforderlich.

43.
    Der Umstand, dass die Verordnung Nr. 4064/89 kein Beschwerdeverfahren kennt, ändert daran nichts. Als unmittelbar Betroffene sind Dritte berechtigt, bei der Kommission einen Antrag auf Prüfung zu stellen, ob ein bestimmter Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist. Ist die Kommission der Ansicht, dass ein bestimmter Zusammenschluss nicht von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist, so kann sie dies durch Entscheidung feststellen. Wie das Gericht auch in dem bereits angeführten Urteil Air France/Kommission entschieden hat, können Dritte in diesem Fall eine Nichtigkeitsklage gegen diese Entscheidung oder, wenn die Kommission auf ihren Antrag nicht eingeht, Untätigkeitsklage erheben.

44.
    Mehr Gewicht hat meines Erachtens das Argument, das die Kommission daraus herleitet, dass die Rechtsmittelführerinnen ihren Antrag erst vier Monate, nachdem die zuständige nationale Behörde eine Entscheidung erlassen habe, bei ihr eingereicht hätten.

45.
    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss die Aufforderung zum Tätigwerden innerhalb einer angemessenen Frist ergehen, wenn es sich erweist, dass das Organ nicht bereit ist, tätig zu werden, oder keine Anstalten hierzu trifft. Was angemessen ist, hängt vom konkreten Fall ab. Nach der Rechtsprechung kann ein zu langes Abwarten jedenfalls dazu führen, dass die danach erhobene Untätigkeitsklage für unzulässig erklärt wird(13).

46.
    Im vorliegenden Fall hat die zuständige nationale Behörde am 26. Januar 2001 eine Entscheidung erlassen. Der Antrag an die Kommission datiert vom 25. Mai 2001. Nach Ansicht der Kommission hätten die Rechtsmittelführerinnen die Frage der Zuständigkeit bereits im nationalen Verfahren oder so schnell wie möglich danach aufwerfen müssen, jedoch nicht erst vier Monate später. In diesem Zusammenhang weist die Kommission darauf hin, dass eine derartig lange Frist dem Zweck der Fusionskontrolle, nämlich einer sachgerechten Kontrolle und der Rechtssicherheit, zuwiderlaufe. Dadurch hätten die Rechtsmittelführerinnen ihre Rechte verwirkt.

47.
    Es geht hier nicht so sehr darum, ob die Aufforderung vom 11. September 2001 zu spät erfolgt ist, sondern darum, ob der am 25. Mai 2001 von den Rechtsmittelführerinnen eingereichte Antrag nicht an sich verspätet und eine Untätigkeitsklage damit unzulässig gewesen ist. Ich habe Verständnis für den Standpunkt der Kommission. Dabei ist erheblich, dass die allgemeine Ausgestaltung der Verordnung Nr. 4064/89 durch das Erfordernis der Schnelligkeit (strikte Fristen) und der Rechtssicherheit für die Marktbeteiligten gekennzeichnet ist. Das betrifft meines Erachtens nicht nur die Verfahren aufgrund einer Anmeldung, sondern auch einen Antrag eines Dritten, der der Ansicht ist, dass ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung sei und dass die Kommission ihn daher zu prüfen habe. Dies erfordert, dass ein derartiger Antrag eines Dritten innerhalb einer angemessenen Frist gestellt wird, und zwar umso mehr, wenn bereits ein nationales Verfahren eingeleitet worden ist. Was angemessen ist, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Im vorliegenden Fall haben die Rechtsmittelführerinnen jedoch vier Monate damit gewartet, die angebliche Zuständigkeit der Kommission geltend zu machen und damit die Unzuständigkeit der österreichischen Behörde zu rügen. Da die Rechtsmittelführerinnen, wenn sie denn keine Kenntnis von dem bevorstehenden Zusammenschluss und der entsprechenden Prüfung durch die nationalen Behörde hatten, jedenfalls bald nach der Entscheidung dieser Behörde davon unterrichtet waren, ist eine derartige Frist nicht angemessen zu nennen. Aus diesem Grund hat das Gericht die Untätigkeitsklage für unzulässig erklären können.

48.
    Für die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung ist dies jedoch nicht erheblich, da die von den Rechtsmittelführerinnen beim Gericht eingereichte Klage ohnehin unzulässig war. Das Gericht hat aus guten Gründen aus dem Schreiben vom 7. November 2001 ableiten können, dass dieses Schreiben - da darin kein Vorbehalt mehr gemacht wurde - der Kommission zuzurechnen war und dass es eine Stellungnahme im Sinne von Artikel 232 Absatz 2 EG enthielt. Dass in diesem Schreiben auf das Schreiben vom 12. Juli 2001 verwiesen wurde, in dem dieser Vorbehalt sehr wohl gemacht wurde, ändert daran nichts. Die Verweisung im Schreiben vom 7. November 2001 beschränkt sich nämlich darauf, dass die Verordnung Nr. 4064/89 angeblich unanwendbar ist, da die Umsatzschwellen im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 dieser Verordnung nicht überschritten wurden. Ich halte daher auch den zweiten von den Rechtsmittelführerinnen geltend gemachten Grund für nicht stichhaltig.

VI - Entscheidungsvorschlag

49.
    Nach allem schlage ich dem Gerichtshof vor,

1.    das Rechtsmittel zurückzuweisen und

2.    den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.


1: -     Originalsprache: Niederländisch.


2: -     Beschluss des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 11. März 2002 in der Rechtssache T-3/02 (Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission, Slg. 2002, II-1473).


3: -     ABl. L 395, S. 1, berichtigt durch ABl. 1990, L 257, S. 13, und geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 180, S. 1).


4: -     Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93 (Air France/Kommission, Slg. 1994, II-121).


5: -     Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 247/87 (Star Fruit, Slg. 1989, 291).


6: -     ABl. Nr. 13 vom 21. Februar 1962, S. 204.


7: -     Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (ABl. L 354, S. 18).


8: -     Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission vom 1. März 1998 über die Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 61, S. 1).


9: -     Die Kommission verweist hierbei auf das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 27. November 1997 in der Rechtssache T-290/94 (Kaysersberg SA/Kommission, Slg. 1997, II-2137). In diesem Urteil ist ausgeführt worden, dass die Ansprüche Dritter im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 nicht den Rechten von Beschwerdeführern im Rahmen der Verordnung Nr. 17 entsprechen.


10: -     Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. Juni 1996 in der Rechtssache T-398/94 (Kahn Scheppvaart BV/Kommission, Slg. 1996, II-477, Randnr. 50) und auf das Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P (Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677).


11: -     Angeführt in Fußnote 4.


12: -     Urteile vom 26. November 1996 in der Rechtssache C-68/95 (T. Port, Slg. 1996, I-6065), vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76 (Metro, Slg. 1977, 1875), vom 19. Mai 1992 in der Rechtssache C-198/91 (Cook, Slg. 1992, I-2489) und vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93 (Air France/Kommission, angeführt in Fußnote 4).


13: -     Urteil vom 6. Juli 1971 in der Rechtssache 59/70 (Niederlande/Kommission, Slg. 1971, 639, Randnrn. 15 bis 19).