Language of document : ECLI:EU:C:2020:125

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

27. Februar 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Richtlinie 2000/78/EG – Art. 2 und 6 – Verbot jeder Diskriminierung wegen des Alters  Besoldung der Beamten – Diskriminierendes Besoldungssystem – Auf der Grundlage einer früheren diskriminierenden Einstufung berechnete Besoldungsnachzahlung – Neue Diskriminierung – Art. 9 – Entschädigung wegen diskriminierender Rechtsvorschriften – Ausschlussfrist für die Stellung eines Antrags auf Entschädigung – Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität“

In den verbundenen Rechtssachen C‑773/18 bis C‑775/18

betreffend drei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Halle (Deutschland) mit Entscheidungen vom 15. August 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Dezember 2018, in den Verfahren

TK (C‑773/18),

UL (C‑774/18),

VM (C‑775/18)

gegen

Land Sachsen-Anhalt

erlässt


DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer A. Arabadjiev (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Siebten Kammer sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Landes Sachsen-Anhalt, vertreten durch J. Barone als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Valero, B.‑R. Killmann und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssachen zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 2, 6, 9 und 17 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) und von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

2        Sie ergehen im Rahmen von drei Rechtsstreitigkeiten zwischen TK (C‑773/18), UL (C‑774/18) und VM (C‑775/18) auf der einen und dem Land Sachsen-Anhalt (Deutschland) auf der anderen Seite wegen Entschädigung wegen Altersdiskriminierung, die sie bei ihrer Einstufung in Grundgehaltsstufen anlässlich ihrer Einstellung als Richter oder Beamter dieses Landes erlitten haben sollen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Gemäß Art. 1 der Richtlinie 2000/78 bezweckt diese „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

4        Art. 2 der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ,Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

b)      liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i)      diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…“

5        Art. 6 der Richtlinie 2000/78 bestimmt:

„(1)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)      die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)      die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

c)      die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.

(2)      Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.“

6        In Art. 9 der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist.

(3)      Die Absätze 1 und 2 lassen nationale Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung in Fällen, in denen es um den Grundsatz der Gleichbehandlung geht, unberührt.“

7        Art. 17 der Richtlinie 2000/78 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen diese Bestimmungen der Kommission spätestens am 2. Dezember 2003 mit und melden alle sie betreffenden späteren Änderungen unverzüglich.“

 Deutsches Recht

8        Gemäß § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897, im Folgenden AGG) hat dieses zum Ziel, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

9        § 7 Abs. 1 AGG bestimmt:

„Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden …“

10      In § 15 AGG („Entschädigung und Schadensersatz“) heißt es:

„(1)      Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2)      Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. …

(4)      Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

…“

11      Gemäß § 24 AGG gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechend für Beamte und Richter.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12      Die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑773/18 ist seit dem 1. Januar 2010 als Richterin bei einem Gericht des Landes Sachsen-Anhalt tätig. Die Kläger der Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑774/18 und C‑775/18 sind seit dem 1. August 2006 bzw. dem 1. Januar 2009 Beamte dieses Bundeslandes.

13      Bis zum 31. März 2011 einschließlich wurden die Kläger der Ausgangsverfahren nach dem Bundesbesoldungsgesetz vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Juli 2006 (BGBl. I S. 1466) (im Folgenden: BBesG a. F.) besoldet. Nach diesem Gesetz wurde die Stufe des Grundgehalts eines Beamten oder Richters innerhalb jeder Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach seinem Lebensalter bestimmt.

14      In seinem Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), hat der Gerichtshof entschieden, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters, das in Art. 21 der Charta verankert und durch die Richtlinie 2000/78, insbesondere deren Art. 2 und Art. 6 Abs. 1, konkretisiert worden ist, es verbietet, innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe die Grundvergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst bei dessen Einstellung nach seinem Alter zu bemessen.

15      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts teilte das Land Sachsen-Anhalt im Anschluss an die Verkündung dieses Urteils die Auffassung des Bundesministeriums des Innern (Deutschland), das die Bundesbehörden mit zwei Rundschreiben vom 27. Januar und 23. März 2012 angewiesen hatte, Widersprüche von Beamten oder Richtern gegen die Festsetzung ihrer Besoldung nach dem BBesG a. F. zurückzuweisen, weil dieses Urteil sich auf Angestellte beziehe und nicht auf Beamte und Richter übertragbar sei.

16      Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich ebenfalls, dass die deutschen Verwaltungsgerichte die Übertragbarkeit der im Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), entwickelten Grundsätze auf die Besoldungsbedingungen der Beamten und Richter unterschiedlich beurteilt haben.

17      Die Kläger der Ausgangsverfahren legten am 16. Dezember 2013 (C‑773/18), am 17. Februar 2012 (C‑774/18) und am 21. Dezember 2012 (C‑775/18) beim Land Sachsen-Anhalt Widerspruch gegen die Festsetzung ihrer Besoldung bis zum 31. März 2011 ein und machten eine Diskriminierung wegen des Alters geltend. Sie beantragten u. a. die Zahlung der in § 15 Abs. 2 AGG vorgesehenen Entschädigung.

18      Mit Urteilen vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), und vom 9. September 2015, Unland (C‑20/13, EU:C:2015:561), entschied der Gerichtshof, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 einer nationalen Maßnahme entgegenstehen, nach der sich die Grundgehaltsstufe eines Beamten oder Richters innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach seinem Lebensalter richtet.

19      Mit zwei Gesetzen vom 18. Dezember 2015 und 8. Dezember 2016 nahm das Land Sachsen-Anhalt eine Gehaltsnachzahlung ab dem Jahr 2008 vor, die für alle bei ihm beschäftigten Beamten und Richter galt. Für den Zeitraum bis einschließlich 31. März 2011 erfolgte die Nachzahlung in Höhe eines Prozentsatzes des Grundgehalts, das die Beamten und Richter in jedem betroffenen Jahr nach dem BBesG a. F. tatsächlich erhalten hatten.


20      Dem vorlegenden Gericht zufolge diente diese Gehaltsnachzahlung der Umsetzung zweier Urteile des Bundesverfassungsgerichts (Deutschland), in denen dieses entschieden hatte, dass die Besoldung der Richter und Beamten des Landes Sachsen-Anhalt unter dem im Grundgesetz vorgeschriebenen gesetzlichen Mindestbetrag lag, und ihm aufgegeben hatte, die Bezüge der bei ihm beschäftigten Beamten und Richter ab dem Jahr 2008 zu erhöhen.

21      Am 24. März (C‑773/18), 27. Juni (C‑774/18) und 24. Februar 2016 (C‑775/18) wurden die Widersprüche der Kläger der Ausgangsverfahren wegen verspäteter Erhebung zurückgewiesen. Das Land Sachsen-Anhalt führte hierzu u. a. aus, sie hätten die Zahlung der in § 15 Abs. 2 AGG vorgesehenen Entschädigung innerhalb der Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend machen müssen, die am 8. September 2011, dem Tag der Verkündung des Urteils Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), begonnen habe.

22      Am 18. April (C‑773/18), 22. Juli (C‑774/18) und 23. März 2016 (C‑775/18) erhoben die Kläger der Ausgangsverfahren beim vorlegenden Gericht Klage und beantragten u. a., das Land Sachsen-Anhalt zur Zahlung der in § 15 Abs. 2 AGG vorgesehenen Entschädigung zu verurteilen.

23      Das vorlegende Gericht fragt sich zum einen, ob die rückwirkende Erhöhung der Besoldung der Richter und Beamten für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2011 nicht eine neue Diskriminierung wegen des Alters enthält, da diese Erhöhung sich auf einen Prozentsatz des Grundgehalts belaufe, das aufgrund der diskriminierenden Einstufung in die Grundgehaltsstufe nach dem BBesG a. F. bezogen wurde.

24      Zum anderen sei fraglich, ob die Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), für die Kläger der Ausgangsverfahren die Zweimonatsfrist nach § 15 Abs. 4 AGG für die Geltendmachung ihrer Rechte, im vorliegenden Fall durch Erhebung von Widersprüchen, in Lauf setzen konnte. Angesichts der Tatsache, dass mehr als 60 % solcher im Land Sachsen-Anhalt erhobenen Widersprüche wegen Versäumung dieser Frist zurückgewiesen worden seien, sei zweifelhaft, ob Beamte und Richter in der Lage der Kläger der Ausgangsverfahren mit Verkündung dieses Urteils vom diskriminierenden Charakter der Berechnung ihrer eigenen Besoldung hätten Kenntnis nehmen können.

25      Unter diesen Umständen hat das Verwaltungsgericht Halle (Deutschland) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die nachträgliche prozentuale Erhöhung im Rahmen eines altersdiskriminierenden Entgeltsystems eine neue Diskriminierung, wenn der Erhöhungsprozentsatz für alle Stufen einer Besoldungsgruppe gleich hoch ausfällt und sich deshalb zwar der absolute, aber nicht der relative Abstand zwischen den Diskriminierten und den Nichtdiskriminierten verändert?

2.      Wenn Frage 1 zu bejahen ist, ist eine solche prozentuale Erhöhung über alle Altersstufen gerechtfertigt, wenn die Erhöhung darauf beruht, dass die ursprüngliche Bezahlung ein durch die Verfassung des Mitgliedstaats vorgegebenes Minimum unterschreitet?

3.      Steht das Unionsrecht, insbesondere Art. 9 der Richtlinie 2000/78, einer Regelung entgegen, die einen Anspruch auf Entschädigung für eine altersdiskriminierende Bezahlung nach zwei Monaten entfallen lässt, wenn

–        die Frist mit der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), beginnt, obwohl der Betroffene nicht unter den Bundesangestelltentarifvertrag fällt, sondern seine persönliche Situation der in der Rechtssache entspricht, in der das Urteil vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), ergangen ist, oder der in der Rechtssache, in der das Urteil vom 9. September 2015, Unland (C‑20/13, EU:C:2015:561), ergangen ist;

–        das Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), von den betroffenen Beamten und Richtern (Arbeitnehmern) nur aus allgemeinen öffentlichen Quellen entnommen werden kann;

–        die Dienstherren (Arbeitgeber) eine Übertragbarkeit auf Beamte nach Verkündung des vorgenannten Urteils verneint haben und dabei das Vorliegen einer Altersdiskriminierung in Abrede gestellt haben, wobei diese Rechtsmeinung zumindest teilweise auch nach außen kommuniziert worden ist;

–        die Rechtsprechung der erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte innerhalb der genannten Frist und auch danach bis zur Verkündung des Urteils vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), überwiegend das Vorliegen einer Altersdiskriminierung verneint hat;

–        obergerichtliche Rechtsprechung innerhalb der Frist nicht existierte und die erste höchstrichterliche Entscheidung erst nach Verkündung des Urteils vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), ergangen ist;

–        im Beamten- oder Richterverhältnis (Arbeitsverhältnis) Ausschlussfristen nur für die Erstattung besonderer Kosten gelten und solche Fristen nicht kürzer als sechs Monate sind;

–        Ansprüche auf Besoldung (Arbeitsentgelt) einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen, die mit dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Anspruch fällig geworden ist und der Begünstigte den Anspruch kennt oder kennen müsste, andernfalls eine Verjährungsfrist von zehn Jahren läuft;

–        nationale Ansprüche auf Besoldung (Arbeitsentgelt), die nicht gesetzlich festgesetzt sind, zeitnah, d. h. innerhalb des Haushaltsjahrs, für das sie begehrt wird, geltend zu machen sind?

4.      Hat es Einfluss auf die Antwort zu Frage 3, wenn die Rechtslage unklar oder verworren ist?

5.      Genügt es für den Anlauf einer Ausschlussfrist, wenn der benachteiligte Personenkreis die unterschiedliche Behandlung kennt, oder muss auch der Grund für die Ungleichbehandlung, also das Differenzierungskriterium, bekannt sein?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Frage

 Zulässigkeit

26      Das Land Sachsen-Anhalt bestreitet die Zulässigkeit der ersten und der zweiten Vorlagefrage und macht geltend, dass sie für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht erheblich seien. Da die Ausgangsverfahren die Zahlung von Entschädigungen nach § 15 Abs. 2 AGG beträfen, komme es nämlich nicht darauf an, ob die Kläger der Ausgangsverfahren Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung aufgrund einer zweiten angeblich erlittenen Diskriminierung hätten.

27      Insoweit genügt der Hinweis, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, ist, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegten Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28      Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania, C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Kläger der Ausgangsverfahren vor dem vorlegenden Gericht geltend machen, die rückwirkende Erhöhung der Besoldung der Richter und Beamten für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2011 habe eine neue Frist nach § 15 Abs. 4 AGG in Gang gesetzt, da sie eine neue Diskriminierung wegen des Alters bedinge.

30      Unter diesen Umständen kann der Gerichtshof nicht feststellen, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand der Ausgangsrechtsstreitigkeiten steht oder dass die erste und die zweite Frage hypothetischer Natur sind.

31      Folglich sind diese Vorlagefragen zulässig.

 Zur Beantwortung der Fragen

32      Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer Maßnahme entgegenstehen, mit der Beamten und Richtern im Hinblick auf die Gewährleistung einer angemessenen Besoldung eine Besoldungsnachzahlung in Höhe eines Prozentsatzes des Grundgehalts gewährt wird, das sie zuvor u. a. gemäß einer für ihre jeweilige Besoldungsgruppe bei ihrer Einstellung nach ihrem Lebensalter bestimmten Grundgehaltsstufe bezogen haben.

33      Gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“ im Sinne dieser Richtlinie, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe geben darf. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person.


34      Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob eine Gehaltsnachzahlung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 enthält.

35      Insoweit steht fest, dass die in den Gesetzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2015 und vom 8. Dezember 2016 vorgesehene rückwirkende Besoldungsnachzahlung den betroffenen Richtern und Beamten gewährt wurde, um sicherzustellen, dass sie für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 eine Besoldung erhalten, die der im Grundgesetz vorgesehenen Bedeutung ihres Amtes entsprach, und zwar in Höhe eines Prozentsatzes des bisherigen Grundgehalts, wobei gemäß dem BBesG a. F. die Stufe des Grundgehalts wiederum für jede Besoldungsgruppe bei Einstellung dieser Richter und Beamten nach ihrem Lebensalter bestimmt worden war. Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 einer nationalen Maßnahme entgegenstehen, nach der sich die Grundgehaltsstufe eines Beamten innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach seinem Lebensalter richtet (Urteil vom 19. Juni 2014, Specht u. a., C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 52).

36      Das vorlegende Gericht fragt sich daher, ob es eine neue Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellt, wenn die durch das BBesG a. F. wegen ihres Alters benachteiligten Beamten und Richter aufgrund des Umstands, dass ihr Grundgehalt unter demjenigen von Beamten und Richtern mit gleichwertiger Erfahrung liegt, die aber in einem höheren Lebensalter als sie eingestellt wurden, für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. März 2011 in absoluten Zahlen eine niedrigere Ergänzungszahlung erhalten als Letztere.

37      Insoweit trifft es zwar zu, dass eine Besoldungsnachzahlung in Höhe eines einheitlichen Prozentsatzes des Grundgehalts eines Beamten oder Richters als solche in keinem inneren Zusammenhang mit dem Lebensalter steht und zwischen den betroffenen Personen keine andere Unterscheidung trifft als die, die sich aus dem Referenzsystem ergibt, das dieses Grundgehalt bestimmt.

38      Da jedoch im vorliegenden Fall, wie das vorlegende Gericht ausführt, als Referenzsystem das BBesG a. F. diente, das die Stufe des Grundgehalts für die jeweilige Besoldungsgruppe bei der Einstellung dieser Richter und Beamten nach deren Lebensalter bestimmte, hat dieser Zusammenhang zur Folge, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, in den Gesetzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. Dezember 2015 und vom 8. Dezember 2016 vorgesehene Besoldungsnachzahlung für diese Beamten wiederum eine Ungleichbehandlung nach Maßgabe des Lebensalters dieser Richter und Beamten bewirkt.

39      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Besoldungsnachzahlung eine neue Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 enthält.

40      In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein kann.

41      Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung darstellt, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Verfolgung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

42      Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 Maßnahmen vorsehen können, die Ungleichbehandlungen wegen des Alters einschließen. Sie verfügen nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen (Urteil vom 19. Juni 2014, Specht u. a., C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 46).

43      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich die in Rn. 39 des vorliegenden Urteils festgestellte Ungleichbehandlung aus der Verfolgung des sich aus dem Grundgesetz ergebenden Ziels, den Beamten und Richtern des Landes Sachsen-Anhalt eine angemessene Besoldung zu gewährleisten.

44      Das Ziel, den Beamten und den Richtern dieses Landes eine Besoldung zu gewährleisten, die der Bedeutung der ausgeübten Funktionen entspricht, ist als legitimes Ziel anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Februar 2019, Escribano Vindel, C‑49/18, EU:C:2019:106, Rn. 66).

45      Allerdings muss, wie sich schon aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ergibt, geprüft werden, ob im Rahmen des den Mitgliedstaaten zuerkannten weiten Ermessens, auf das in Rn. 42 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

46      Insoweit ist eine Besoldungsnachzahlung, die nach einem einheitlichen Prozentsatz des Grundgehalts festgesetzt wird, in der Regel geeignet, das Ziel zu erreichen, den Beamten und den Richtern eine Besoldung zu gewährleisten, die der Bedeutung der ausgeübten Funktionen entspricht.

47      In Bezug darauf, ob diese Maßnahme über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses legitimen Ziels erforderlich ist, fragt sich das vorlegende Gericht, ob die Besoldungsnachzahlung nicht nach anderen Modalitäten und insbesondere entsprechend der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe hätte festgesetzt werden müssen.


48      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Rn. 63, 72 und 86 des Urteils vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), entschieden hat, dass die Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die darauf abzielt, eine Diskriminierung wegen des Alters zu beseitigen und die für einen Übergangszeitraum auf die frühere, auf einer Ungleichbehandlung wegen des Alters beruhende Besoldungsregelung Bezug nimmt, wenn ein solcher Bezug erforderlich ist, um den Schutz erworbener Rechte zu gewährleisten und seine Auswirkungen mit der Zeit abnehmen und verschwinden.

49      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in Rn. 81 jenes Urteils ausgeführt, dass die Ermittlung der Nachteile, die mit einer solchen Übergangsregelung für die betroffenen Beamten verbunden sein können, besonders kompliziert ist, insbesondere in Anbetracht der Zahl der betroffenen Beamten und des Fehlens eines gültigen Bezugssystems, das einen Vergleich zwischen den bevorzugten und den benachteiligten Beamten ermöglicht.

50      In Rn. 96 jenes Urteils hat der Gerichtshof daraus für die Zeit vor dem Inkrafttreten der neuen nationalen Regelung gefolgert, dass eine nach der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe berechnete Besoldungsnachzahlung nur bei Vorliegen eines gültigen Bezugssystems Anwendung finden kann und dass ein solches Bezugssystem im Rahmen des BBesG a. F. nicht bestand, da dessen diskriminierende Aspekte potenziell alle betroffenen Beamten betrafen.

51      Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung ist festzustellen, dass, soweit eine Maßnahme wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende erforderlich ist, um unter Umständen, die insbesondere sowohl durch eine hohe Zahl von betroffenen Beamten und Richtern als auch durch das Fehlen eines gültigen Bezugssystems gekennzeichnet sind, den Schutz erworbener Rechte zu gewährleisten, und soweit sie nicht dazu führt, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zeitlich unbegrenzt zu erhalten, die Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 es nicht verbieten, dass an ein solches früheres Besoldungssystem eine Besoldungsnachzahlung anknüpft, mit der Beamten und Richtern für eine begrenzte Übergangszeit vor Inkrafttreten einer neuen Regelung, die das Ziel verfolgt, eine Diskriminierung wegen des Alters zu beseitigen, eine Besoldung gewährleistet werden soll, die der Bedeutung der ausgeübten Funktionen entspricht.

52      Unter diesen Umständen und vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen ist nicht ersichtlich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Maßnahme über das hinausginge, was zur Erreichung des durch das deutsche Grundgesetz vorgegebenen Ziels erforderlich ist, den Beamten und den Richtern des Landes Sachsen-Anhalt eine angemessene Besoldung zu gewährleisten.

53      Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer Maßnahme nicht entgegenstehen, mit der Beamten und Richtern im Hinblick auf die Gewährleistung einer angemessenen Vergütung eine Besoldungsnachzahlung in Höhe eines Prozentsatzes des Grundgehalts gewährt wird, das sie zuvor u. a. gemäß einer für die jeweilige Besoldungsgruppe bei ihrer Einstellung nach ihrem Lebensalter bestimmten Grundgehaltsstufe bezogen haben, soweit eine solche Maßnahme erforderlich ist, um unter Umständen, die insbesondere sowohl durch eine hohe Zahl von betroffenen Beamten und Richtern als auch durch das Fehlen eines gültigen Bezugssystems gekennzeichnet sind, den Schutz erworbener Rechte zu gewährleisten, und soweit sie nicht dazu führt, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zeitlich unbegrenzt zu erhalten.

 Zu den Fragen 3 bis 5

54      Mit seinen Fragen 3 bis 5, die ebenfalls zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 der Richtlinie 2000/78 sowie die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dahin auszulegen sind, dass sie es einem Mitgliedstaat verbieten, den Beginn einer Ausschlussfrist von zwei Monaten für die Stellung eines Antrags auf Ersatz des Schadens, der aus einer Maßnahme entstanden ist, die eine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, auf den Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer ähnlichen Regelung festgestellt wurde, insbesondere wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat Uneinigkeit über die Frage besteht, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar ist.

55      Zunächst steht fest, dass das AGG die Richtlinie 2000/78 in deutsches Recht umsetzt, dass § 15 Abs. 2 AGG den Zweck verfolgt, den Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Art. 17 dieser Richtlinie nachzukommen, und dass diese Bestimmung des AGG hierzu eine Entschädigung wegen des durch eine Altersdiskriminierung verursachten Nichtvermögensschadens vorsieht.

56      Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass die Gewährung einer solchen Entschädigung allein vom Nachweis des Vorliegens einer Diskriminierung abhängt, dass der Schaden nach ständiger nationaler Rechtsprechung für den Zeitraum der Diskriminierung pauschal mit 100 Euro pro Monat angesetzt wird und dass die Ansprüche aus § 15 Abs. 2 AGG gemäß § 15 Abs. 4 AGG schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber innerhalb von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt geltend gemacht werden müssen, zu dem der Arbeitnehmer von der Diskriminierung Kenntnis erlangt.

57      Der Beginn dieser Frist in Fällen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden wurde gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Deutschland) auf den Tag der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), festgesetzt.


58      Mithin ist zu prüfen, ob die Dauer dieser Frist und die Festsetzung ihres Beginns auf den 8. September 2011 den Anforderungen von Art. 9 der Richtlinie 2000/78 sowie den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität genügen.

59      Nach dieser Bestimmung haben die Mitgliedstaaten u. a. sicherzustellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus der Richtlinie 2000/78 auf dem Verwaltungsweg geltend machen können.

60      Somit ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass die Frage der Fristen für die Einleitung von Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Richtlinie vom Unionsrecht nicht geregelt wird (Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 24).

61      Nach ständiger Rechtsprechung ist es daher Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, solche Verfahrensmodalitäten zu regeln, wobei diese nicht weniger günstig ausgestaltet sein dürfen als die entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 25).

62      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass Art. 9 der Richtlinie 2000/78 einer Frist wie der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen nicht entgegensteht, sofern zum einen diese Frist nicht weniger günstig ist als die für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe und zum anderen die Festlegung des Zeitpunkts, mit dem der Lauf dieser Frist beginnt, die Ausübung der durch diese Richtlinie verliehenen Rechte nicht unmöglich macht oder übermäßig erschwert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 42).

63      In Bezug auf die Vereinbarkeit von § 15 Abs. 4 AGG mit dem Äquivalenzprinzip hat der Gerichtshof außerdem festgestellt, dass die Möglichkeit, für Vermögens- und Nichtvermögensschäden, die infolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität entstanden sind, entschädigt zu werden, mit dem AGG geschaffen worden ist und dass es daher vor dem Erlass dieses Gesetzes keine im eigentlichen Sinne entsprechenden Verfahren gab (Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 30). Der Inhalt der dem Gerichtshof vorliegenden Akten scheint diese Feststellung zu bestätigen.


64      Aus den Akten geht ferner hervor, dass die Rechte aus § 15 Abs. 2 AGG unabhängig davon geltend gemacht werden können, ob das Arbeitsverhältnis öffentlich- oder privatrechtlicher Natur ist und ob diese Beziehungen einem Tarifvertrag unterliegen oder nicht.

65      Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die in der dritten Vorlagefrage genannten Ansprüche, die sämtlich an finanzielle Ansprüche anzuknüpfen scheinen, die speziell in Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst bestehen, dem nach § 15 AGG geltend gemachten Entschädigungsanspruch vergleichbar sind und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der in Rede stehenden Verfahren günstigeren Verfahrensmodalitäten unterliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 29).

66      Allein das vorlegende Gericht besitzt nämlich eine unmittelbare Kenntnis der Verfahrensmodalitäten solcher Ansprüche im Bereich des öffentlichen Dienstrechts und ist daher am besten in der Lage, sowohl den Gegenstand als auch die wesentlichen Merkmale der als vergleichbar dargestellten Verfahren des innerstaatlichen Rechts zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 28).

67      Im Rahmen dieser Prüfung setzt die Wahrung des Grundsatzes der Äquivalenz voraus, dass die betreffende Regelung in gleicher Weise für Verfahren gilt, die auf die Verletzung des Unionsrechts gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung des innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern sie einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. September 2018, Rudigier, C‑518/17, EU:C:2018:757, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

68      Was den Effektivitätsgrundsatz betrifft, ist festzustellen, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen innerstaatlichen Stellen zu prüfen ist. Zu berücksichtigen sind dabei gegebenenfalls u. a. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (Urteil vom 21. Dezember 2016, TDC, C‑327/15, EU:C:2016:974, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Festsetzung von Ausschlussfristen grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil eine solche Festsetzung ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist, die zugleich den Betroffenen und die Behörde schützt. Solche Fristen sind nämlich grundsätzlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Die Mitgliedstaaten müssen aber für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festlegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen. Unter diesem Vorbehalt ist es den Mitgliedstaaten unbenommen, mehr oder weniger lange Fristen vorzusehen (Urteil vom 21. Dezember 2016, TDC, C‑327/15, EU:C:2016:974, Rn. 98 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Was insbesondere § 15 Abs. 4 AGG betrifft, der eine Frist von zwei Monaten für die Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber vorsieht, hat der Gerichtshof entschieden, dass nicht ersichtlich ist, dass die Länge dieser Ausschlussfrist die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 38 und 39).

71      Hinsichtlich des Beginns der Ausschlussfrist hat der Gerichtshof ausgeführt, dass dieser nicht in der Weise festgesetzt werden darf, dass ein Arbeitnehmer möglicherweise nicht innerhalb dieser Frist erkennen kann, dass und in welchem Umfang er diskriminiert wurde, so dass ihm die Geltendmachung seiner Ansprüche unmöglich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 40).

72      Der Gerichtshof hat insoweit klargestellt, dass § 15 Abs. 4 AGG, falls die darin vorgesehene Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, zu dem der Arbeitnehmer von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis erlangt, nicht geeignet ist, die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Bulicke, C‑246/09, EU:C:2010:418, Rn. 41).

73      Der Gerichtshof sieht es nämlich nicht als übermäßige Behinderung an, eine Ausschlussfrist erst ab dem Zeitpunkt laufen zu lassen, zu dem der Betroffene von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis genommen hat oder sie zumindest hätte zur Kenntnis nehmen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2019, Flausch u. a., C‑280/18, EU:C:2019:928, Rn. 55).

74      Aus der in den Rn. 71 bis 73 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass eine Person nur dann in der Lage ist, das Vorliegen oder den Umfang einer ihr widerfahrenen Diskriminierung zu erkennen, wenn sie sowohl die Ungleichbehandlung, der sie ausgesetzt ist, als auch den Grund dieser Ungleichbehandlung und den diskriminierenden Charakter der aus diesem Grund resultierenden Ungleichbehandlung erkennen kann.


75      Da im vorliegenden Fall das BBesG a. F. vorsah, dass die Grundgehaltsstufe eines Beamten oder Richters innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach dessen Lebensalter zu bestimmen war, konnten die Kläger der Ausgangsverfahren ab dem Zeitpunkt ihrer Einstellung sowohl ihre Ungleichbehandlung als auch deren Grund erkennen.

76      Dagegen erscheint in den Ausgangsverfahren unstreitig, dass die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einstellung weder erkannt hatten noch erkennen konnten, dass die Ungleichbehandlung, der sie aus diesem Grund ausgesetzt waren, diskriminierend war. Aus den Vorlageentscheidungen geht nämlich hervor, dass sie davon erst kurz vor Erhebung ihrer Widersprüche Kenntnis erlangt haben.

77      Es stellt sich daher die Frage, ob die Kläger der Ausgangsverfahren ab dem Tag der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), in der Lage waren, diesen diskriminierenden Charakter zu erkennen, wie das Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung entschieden hat, dass die einschlägigen rechtlichen Gesichtspunkte in diesem Urteil hinreichend klar dargelegt worden seien.

78      Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass die Art und der Umfang der den Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 hinsichtlich einer nationalen Regelung wie dem BBesG a. F. obliegenden Verpflichtung mit der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), erläutert und verdeutlicht worden sind (Urteil vom 19. Juni 2014, Specht u. a., C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 104).

79      Es steht fest, dass das Land Sachsen-Anhalt seine Beschäftigten damals nicht von der Verkündung dieses Urteils unterrichtet hat, sondern dass dieses am Tag seiner Verkündung auf der Website des Gerichtshofs verfügbar war. Außerdem geht aus den Vorlageentscheidungen hervor, dass dieses Urteil sowohl über die deutschen Medien bei der breiten Öffentlichkeit als auch bei Mitgliedern einer die Beamten dieses Landes vertretenden Gewerkschaft verbreitet wurde.

80      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass von 10 667 bei den Landesbehörden eingereichten Anträgen auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG 7 071 abgelehnt worden seien, davon 6 516 wegen verspäteter Einreichung im Hinblick auf die in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehene Frist. Somit seien 4 151 Anträge fristgerecht eingereicht worden, davon über 700 durch eine Gewerkschaft, die für ihre Mitglieder gehandelt habe.


81      Dem vorlegenden Gericht zufolge fielen die Beamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalt in dem in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum nicht unter die Regelung, um die es in der Rechtssache gegangen sei, in der das Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), ergangen sei, sondern unter die Regelung, um die es in den Rechtssachen ging, in denen die Urteile vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), sowie vom 9. September 2015, Unland (C‑20/13, EU:C:2015:561), ergangen sind.

82      Nach der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), habe das Land Sachsen-Anhalt ebenso wie das Bundesministerium des Innern in seinen Rundschreiben vom 27. Januar und 23. März 2012 die Auffassung vertreten, dass dieses Urteil nicht auf seine Beamten oder Richter übertragbar sei, da es nur Angestellte betreffe.

83      Das vorlegende Gericht führt aus, dass diese Auffassung bis zur Verkündung der Urteile vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005), sowie vom 9. September 2015, Unland (C‑20/13, EU:C:2015:561), von der Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte geteilt worden sei und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht erst nach Verkündung des Urteils vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑540/12), erfolgt sei.

84      So seien die in den Ausgangsverfahren einschlägigen rechtlichen Gesichtspunkte erst nach und nach im Zuge der aufeinanderfolgenden Urteile des Gerichtshofs geklärt worden und bis zur Verkündung der Urteile vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 51), sowie vom 9. September 2015, Unland (C‑20/13, EU:C:2015:561, Rn. 33 und 34), nicht in hinreichender Klarheit festgestellt worden.

85      Schließlich geht aus den Vorlageentscheidungen hervor, dass die Kläger der Ausgangsverfahren weder zeitnah vom Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), Kenntnis genommen noch dessen Bedeutung in Bezug auf ihre eigene Besoldung erkannt haben.

86      Aus diesen Tatsachen und insbesondere aus dem Umstand, dass mehrere Tausend Beamte und Richter des Landes Sachsen-Anhalt ihre Anträge innerhalb der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist eingereicht haben, geht klar hervor, dass der im vorliegenden Fall festgesetzte Fristbeginn die Ausübung der durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht hat.

87      Dagegen sprechen, wie offenbar auch das vorlegende Gericht meint, andere Anhaltspunkte dafür, dass unter den von ihm dargelegten besonderen Umständen die Ausübung dieser Rechte durch die Beamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalt übermäßig erschwert wurde, da der Fristbeginn so festgesetzt wurde, dass die Gefahr bestand, dass sie nicht innerhalb der Zweimonatsfrist erkennen konnten, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert worden waren.

88      In den Rn. 81 bis 84 des vorliegenden Urteils ist nämlich darauf hingewiesen worden, dass das Urteil vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), nicht die für die Kläger des Ausgangsverfahrens geltende nationale Regelung betraf, dass das Land Sachsen-Anhalt und die zuständigen Bundesbehörden im Anschluss an die Verkündung dieses Urteils die Auffassung vertraten, dass dieses nicht auf Beamte und Richter übertragbar sei, und dass diese Auffassung bis zur Verkündung der Urteile vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 51), sowie vom 9. September 2015, Unland (C‑20/13, EU:C:2015:561, Rn. 33 und 34), von der Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte geteilt wurde.

89      Daher scheint das vorlegende Gericht zu Recht davon auszugehen, dass die Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), trotz der Klarstellungen und Präzisierungen in Bezug auf Art und Umfang der den Mitgliedstaaten nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 obliegenden Verpflichtung, die darin vorgenommen wurden, die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Vorschriften über die Besoldung der Beamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalt mit diesen Bestimmungen weder für die zuständigen Behörden des Landes Sachsen-Anhalt noch für die zuständigen Bundesbehörden oder für die Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte hinreichend geklärt hat.

90      Unter diesen Umständen bestand die Gefahr, dass die Beamten und selbst die Richter des Landes Sachsen-Anhalt nicht innerhalb von zwei Monaten nach Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), erkennen konnten, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert worden waren.

91      Diese Gefahr scheint sowohl dadurch bestätigt, dass die Kläger der Ausgangsverfahren nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts die Bedeutung dieses Urteils für ihre eigene Besoldung nicht sofort erkannt haben, als auch dadurch, dass über 60 % der Widersprüche von Beamten und Richtern des Landes Sachsen-Anhalt wegen Verspätung zurückgewiesen wurden.

92      Diese Umstände begründen somit Zweifel daran, dass die Festsetzung des Beginns der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist auf den Tag der Verkündung des Urteils vom 8. September 2011, Hennigs und Mai (C‑297/10 und C‑298/10, EU:C:2011:560), die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannten Kriterien hinreichend berücksichtigte, insbesondere diejenigen in Bezug auf die Komplexität der anzuwendenden Rechtsvorschriften und die Zahl der möglicherweise betroffenen Personen.

93      Es obliegt jedoch dem vorlegenden Gericht, das allein über eine unmittelbare Kenntnis der Ausgangsrechtsstreitigkeiten verfügt, anhand sämtlicher einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Beginn der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist so festgelegt wurde, dass die Ausübung der ihnen durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte durch die Beamten und Richter des Landes Sachsen-Anhalt übermäßig erschwert wurde.

94      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen 3 bis 5 zu antworten, dass der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, den Beginn einer Ausschlussfrist von zwei Monaten für die Stellung eines Antrags auf Ersatz des Schadens, der aus einer Maßnahme entstanden ist, die eine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, auf den Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer ähnlichen Regelung festgestellt wurde, wenn die Gefahr besteht, dass die Betroffenen nicht innerhalb der Frist erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert wurden. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat Uneinigkeit über die Frage besteht, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar ist.

 Kosten

95      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer Maßnahme nicht entgegenstehen, mit der Beamten und Richtern im Hinblick auf die Gewährleistung einer angemessenen Vergütung eine Besoldungsnachzahlung in Höhe eines Prozentsatzes des Grundgehalts gewährt wird, das sie zuvor u. a. gemäß einer für die jeweilige Besoldungsgruppe bei ihrer Einstellung nach ihrem Lebensalter bestimmten Grundgehaltsstufe bezogen haben, soweit eine solche Maßnahme erforderlich ist, um unter Umständen, die insbesondere sowohl durch eine hohe Zahl von betroffenen Beamten und Richtern als auch durch das Fehlen eines gültigen Bezugssystems gekennzeichnet sind, den Schutz erworbener Rechte zu gewährleisten, und soweit sie nicht dazu führt, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zeitlich unbegrenzt zu erhalten.

2.      Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, den Beginn einer Ausschlussfrist von zwei Monaten für die Stellung eines Antrags auf Ersatz des Schadens, der aus einer Maßnahme entstanden ist, die eine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, auf den Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer ähnlichen Regelung festgestellt wurde, wenn die Gefahr besteht, dass die Betroffenen nicht innerhalb der Frist erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert wurden. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat Uneinigkeit über die Frage besteht, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar ist.

Arabadjiev

von Danwitz

Kumin

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Februar 2020.

Der Kanzler

 

Für den Präsidenten der Siebten Kammer

A. Calot Escobar

 

A. Arabadjiev


*      Verfahrenssprache: Deutsch.