Language of document : ECLI:EU:C:2013:749

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 14. November 2013(1)

Rechtssache C‑351/12

Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním, o.s. (OSA)

gegen

Léčebné lázně Mariánské Lázně a.s.

(Vorabentscheidungsersuchen des Krajský soud v Plzni [Tschechische Republik])

„Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Richtlinie 2001/29/EG – Definition der ‚öffentlichen Wiedergabe‘ – Wiedergabe durch Radio- oder Fernsehempfänger in Zimmern einer Kureinrichtung – Unmittelbare Wirkung – Freier Dienstleistungsverkehr – Ausschließliche Rechte einer Verwertungsgesellschaft in einem Mitgliedstaat“





1.        Radio- und Fernsehgeräte in den Zimmern einer Kureinrichtung in der Tschechischen Republik gewähren Zugang zu gesendeten Werken. Nach der Richtlinie 2001/29(2) steht den Inhabern der Urheberechte an solchen Werken das ausschließliche Recht zu, deren öffentliche Wiedergabe zu erlauben, und sie dürfen dafür Gebühren verlangen. Eine Verwertungsgesellschaft, der das ausschließliche Recht zusteht, in der Tschechischen Republik für Urheber von Musikwerken Lizenzverträge abzuschließen und Gebühren einzuziehen, verlangt Gebühren für die öffentliche Wiedergabe durch die fragliche Kureinrichtung. Die Einrichtung argumentiert zum einen dahin, dass die fragliche Dienstleistung keine „öffentliche Wiedergabe“ sei, und zum anderen dahin, dass das Gebietsmonopol der tschechischen Verwertungsgesellschaft eine Verletzung des Rechts der Einrichtung auf Abschluss eines Lizenzvertrags mit einer Verwertungsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat darstelle, das sich aus den EU-Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr ableite – und dieses Problem werde noch dadurch verschlimmert, dass die tschechische Verwertungsgesellschaft ihre auf nationaler Ebene beherrschende Stellung missbrauche, um überhöhte Gebühren zu verlangen.

2.        Das Krajský soud v Plzni (Landgericht, Pilsen) möchte wissen, ob die fragliche Dienstleistung eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie 2001/29 darstellt, ob ferner die einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie hinreichend genau und derart unbedingt sind, dass man sich in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen auf sie berufen kann, und ob es schließlich das EU-Recht einem Mitgliedstaat verwehrt, einer einzelnen Verwertungsgesellschaft ausschließliche Rechte innerhalb seines Staatsgebiets einzuräumen.

 Einschlägige Vorschriften des EU-Rechts

 Urheberrecht und verwandte Schutzrechte

3.        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 bestimmt: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

4.        Art. 5 der Richtlinie 2001/29 sieht insbesondere vor:

„…

(2)      Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf das in Artikel 2 vorgesehene Vervielfältigungsrecht vorsehen:

e)      in Bezug auf Vervielfältigungen von Sendungen, die von nicht kommerziellen sozialen Einrichtungen wie Krankenhäusern oder Haftanstalten angefertigt wurden, unter der Bedingung, dass die Rechtsinhaber einen gerechten Ausgleich erhalten.

(3)      Die Mitgliedstaaten können in den folgenden Fällen Ausnahmen oder Beschränkungen in Bezug auf die in [Art. 3] vorgesehenen Rechte vorsehen:

b)      für die Nutzung zugunsten behinderter Personen, wenn die Nutzung mit der Behinderung unmittelbar in Zusammenhang steht und nicht kommerzieller Art ist, soweit es die betreffende Behinderung erfordert;

(5) Die in [Abs. 3] genannten Ausnahmen und Beschränkungen dürfen nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden.“

 Freier Dienstleistungsverkehr

5.        Die Art. 56 ff. AEUV verbieten(3) Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Art. 57 AEUV definiert Dienstleistungen als Leistungen, die „in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“, und die insbesondere „gewerbliche“, „kaufmännische“, „handwerkliche“ und „freiberufliche Tätigkeiten“ umfassen.

6.        Diese Bestimmungen werden u. a. durch die Richtlinie 2006/123(4) durchgeführt und präzisiert, deren Art. 1 wie folgt lautet:

„(1)      Diese Richtlinie enthält allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.

(2)      Diese Richtlinie betrifft weder die Liberalisierung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die Einrichtungen des öffentlichen und privaten Rechts vorbehalten sind, noch die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen.

(3)      Diese Richtlinie betrifft weder die Abschaffung von Dienstleistungsmonopolen noch von den Mitgliedstaaten gewährte Beihilfen, die unter die gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften fallen.

Diese Richtlinie berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten, in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht festzulegen, welche Leistungen sie als von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erachten, wie diese Leistungen unter Beachtung der Vorschriften über staatliche Beihilfen organisiert und finanziert werden sollten und welchen spezifischen Verpflichtungen sie unterliegen sollen.

…“

7.        Art. 2 besagt u. a.:

„…

(2)      Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

a) nicht-wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse;

…“

8.        Art. 4 Nr. 1 definiert „Dienstleistung“ als „jede von [Art. 57 AEUV] erfasste selbstständige Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“.

9.        Art. 16 der Richtlinie 2006/123 sieht insbesondere vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten achten das Recht der Dienstleistungserbringer, Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ihrer Niederlassung zu erbringen.

Die Mitgliedstaaten dürfen die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig machen, die gegen folgende Grundsätze verstoßen:

a)      Nicht-Diskriminierung: die Anforderung darf weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei juristischen Personen – aufgrund des Mitgliedstaates, in dem sie niedergelassen sind, darstellen;

(2)      Die Mitgliedstaaten dürfen die Dienstleistungsfreiheit eines in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringers nicht einschränken, indem sie diesen einer der folgenden Anforderungen unterwerfen:

a)      der Pflicht, in ihrem Hoheitsgebiet eine Niederlassung zu unterhalten;

b)      der Pflicht, bei ihren zuständigen Behörden eine Genehmigung einzuholen; dies gilt auch für die Verpflichtung zur Eintragung in ein Register oder die Mitgliedschaft in einem Berufsverband oder einer Berufsvereinigung in ihrem Hoheitsgebiet, außer in den in dieser Richtlinie oder anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft vorgesehenen Fällen;

…“

10.      Gemäß Art. 17 findet Art. 16 jedoch u. a. keine Anwendung auf:

„1.      Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die in einem anderen Mitgliedstaat erbracht werden, …

11.      die Urheberrechte [und] die verwandten Schutzrechte …“

 Wettbewerbsregeln mit Geltung für Unternehmen

11.      Art. 102 AEUV bestimmt insbesondere:

„Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Dieser Missbrauch kann insbesondere in Folgendem bestehen:

a)      der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung von unangemessenen Einkaufs- oder Verkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen;

…“

12.      Art. 106 AEUV sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten werden in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen und insbesondere den [wettbewerbliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietenden] Artikeln … widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

(2)      Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, gelten die Vorschriften der Verträge, insbesondere die Wettbewerbsregeln, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Die Entwicklung des Handelsverkehrs darf nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden, das dem Interesse der Union zuwiderläuft.

…“

 Einschlägige Vorschriften des tschechischen Rechts

13.      Gemäß § 23 des Gesetzes Nr. 121/2000 über das Urheberrecht (im Folgenden: Urheberrechtsgesetz) ist als „Aufführung der Rundfunk- oder Fernsehübertragung eines Werkes“ die Zugänglichmachung des durch Rundfunk oder Fernsehen übertragenen Werkes mit Hilfe eines technisch zum Empfang von Rundfunk- oder Fernsehsendungen ausgerüsteten Geräts zu verstehen. Allerdings umfasst dies nicht die Zugänglichmachung eines Werkes für Patienten bei der Erbringung von Gesundheitsfürsorge in Gesundheitseinrichtungen(5).

14.      Gemäß § 97 Abs. 1 des Urheberrechtsgesetzes ist eine Verwertungsgesellschaft eine Person, die die Berechtigung zur Ausübung der kollektiven Verwertung erhalten hat. Nach § 98 Abs. 6 Buchst. c desselben Gesetzes ist die Berechtigung einem Antragsteller zu erteilen, wenn – u. a. – nicht bereits eine andere Person zur Geltendmachung des entsprechenden Rechts in Bezug auf denselben Schutzgegenstand und, soweit es um Werke geht, zur Geltendmachung des entsprechenden Rechts in Bezug auf dieselbe Art von Werken berechtigt ist. Das vorlegende Gericht stellt fest, dass diese Bestimmung ein gesetzliches Monopol in der Tschechischen Republik begründet.

 Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

15.      Die Ochranný svaz autorský pro práva k dílům hudebním, o.s. (Gesellschaft für den Schutz des Urheberrechts an Musikwerken, im Folgenden: OSA), ist eine berechtigte Verwertungsgesellschaft in der Tschechischen Republik. Sie handelt auch für andere in der Tschechischen Republik und in bestimmten anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Verwertungsgesellschaften.

16.      Die Léčebné lázně Mariánské Lázně a.s. (Kurgesellschaft Marienbad, im Folgenden: Kureinrichtung) erbringt u. a. stationäre und ambulante Behandlungen (zur Prävention, Heilung und Rehabilitation) unter Nutzung der örtlichen natürlichen Heilquellen in Kombination mit Beherbergungs- und Bewirtungsdienstleistungen.

17.      Während des streitgegenständlichen Zeitraums (1. Mai 2008 bis 31. Dezember 2009) waren die Zimmer der Kureinrichtung mit Fernseh- und Radiogeräten ausgestattet, die von der OSA verwaltete Werke zugänglich machten. Dennoch hatte die Kureinrichtung mit der OSA keine Lizenzvereinbarung abgeschlossen. Die OSA verlangt Gebühren in Höhe von 546 995 CZK (etwa 21 000 Euro) zuzüglich Zinsen.

18.      Die Kureinrichtung macht geltend, dass sie unter die in § 23 des Urheberrechtsgesetzes geregelte Ausnahme falle. Diese Bestimmung stehe im Einklang mit der Richtlinie 2001/29, und selbst dann, wenn dies nicht der Fall wäre, könne man sich darauf in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen nicht berufen. Zudem missbrauche die OSA ihre Monopolstellung, indem sie höhere Gebühren verlange, als sie in benachbarten Mitgliedstaaten verlangt würden. Die Kureinrichtung, deren Kundschaft international sei und deren Fernseh- und Radiogeräte ausländische Sendungen empfingen, sei daher im Wettbewerb gegenüber ähnlichen Einrichtungen in benachbarten Mitgliedstaaten benachteiligt.

19.      Das Krajský soud v Plzni ersucht um eine Vorabentscheidung über folgende Fragen:

1.      Ist die Richtlinie 2001/29 so auszulegen, dass eine Ausnahme, durch die eine Vergütung für Urheber für eine Wiedergabe ihres Werkes im Wege der Fernseh- oder Rundfunkübertragung über einen Fernseh- oder Rundfunkempfänger an Patienten in den Zimmern einer gewerblich tätigen Kureinrichtung ausgeschlossen wird, im Widerspruch zu Art. 3 und Art. 5 (Art. 5 Abs. 2 Buchst. e, Abs. 3 Buchst. b und Abs. 5) steht?

2.      Ist der Inhalt dieser Bestimmungen der Richtlinie über die angeführte Nutzung eines Werkes derart unbedingt und hinreichend genau, dass sich Gesellschaften zur kollektiven Verwertung von Urheberrechten darauf vor den innerstaatlichen Gerichten in einem Rechtsstreit zwischen Einzelnen berufen können, wenn der Staat die Richtlinie nicht ordnungsgemäß in das innerstaatliche Recht umgesetzt hat?

3.      Sind die Art. 56 ff. AEUV und 102 AEUV (bzw. Art. 16 der Richtlinie 2006/123 so auszulegen, dass sie der Anwendung einer innerstaatlichen rechtlichen Regelung entgegenstehen, die die Ausübung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten im Hoheitsgebiet eines Staates nur einer (Monopol-)Gesellschaft zur kollektiven Verwertung von Urheberrechten vorbehält und damit einem Dienstleistungsempfänger nicht die freie Wahl einer Verwertungsgesellschaft aus einem anderen Staat der Europäischen Union ermöglicht?

20.      Schriftliche Erklärungen sind von den Parteien des Ausgangsverfahrens und von den Regierungen Deutschlands, Österreichs, Polens, der Tschechischen Republik und Ungarns sowie von der Europäischen Kommission vorgelegt worden, und sie alle – mit Ausnahme der deutschen Regierung – haben auch in der Verhandlung am 26. Juni 2013 ihren Standpunkt mündlich vorgetragen. Das Vorbringen war auf Wunsch des Gerichtshofs auf die dritte Frage beschränkt, soweit sie sich auf die Auslegung von Art. 56 AEUV bezieht.

 Prüfung

 Frage 1

21.      Die erste Frage geht dahin, ob der in § 23 des Urheberrechtsgesetzes geregelte Sachverhalt (Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke durch Radio- oder Fernsehübertragungen für Patienten bei der Erbringung von Gesundheitsfürsorge in Gesundheitseinrichtungen) so zu betrachten ist wie der Sachverhalt in der Entscheidung SGAE(6) (in der der Gerichtshof feststellte, dass die Verbreitung eines Signals mittels Fernsehgeräten durch ein Hotel für Kunden, die in den Zimmern des Hotels übernachten, eine „öffentliche Wiedergabe“ darstelle) oder so wie in der Entscheidung SCF(7) (in der der Gerichtshof entschied, dass in der unentgeltlichen Sendung von Tonträgern in einer privaten Zahnklinik für Patienten, die aktiv keine Wahlmöglichkeit ausüben konnten, keine „öffentliche Wiedergabe“ zu sehen sei).

22.      Natürlich obliegt es dem nationalen Gericht, zu entscheiden, ob der Sachverhalt in dem Ausgangsverfahren – der die Zugänglichmachung von gesendeten Werken in den Zimmern einer Kureinrichtung betrifft – unter die Zugänglichmachung von Werken für Patienten bei der Erbringung von Gesundheitsfürsorge in einer Gesundheitseinrichtung im Sinne von § 23 des Urheberrechtsgesetzes fällt.

23.      Kurz gesagt, sind die OSA, die tschechische Regierung und die Kommission der Auffassung, dass die Wiedergabe eines Werks durch ein Fernseh- oder Radiogerät in einem Zimmer einer Kureinrichtung eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Sie halten diesen Sachverhalt für vergleichbar mit dem in der Rechtssache SGAE und für unterschiedlich im Vergleich zu dem Sachverhalt in der Rechtssache SCF. Die Kureinrichtung vertritt die entgegengesetzte Auffassung.

24.      Ich stimme der OSA, der tschechischen Regierung und der Kommission zu.

25.      Es ist richtig, dass der Gerichtshof in der Rechtssache SCF den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100(8) auslegte und nicht den in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29. Er bezog sich dabei aber trotzdem weitgehend auf seine Urteile in den Rechtssachen SGAE und Football Association Premier League u. a.(9), die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 betrafen. Obgleich er zwischen beiden Bestimmungen differenzierte, tat er dies nur, um die umso größere Bedeutung des gewerblichen Charakters der Aktivitäten im Kontext der Richtlinie 92/100(10) hervorzuheben.

26.      In seiner Rechtsprechung hat der Gerichtshof eine Reihe von Kriterien entwickelt, die er teilweise aus der Auslegung für die Union und/oder ihre Mitgliedstaaten verbindlicher internationaler Abkommen(11) ableitete, um festzustellen, ob eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der fraglichen Richtlinie vorliegt. Diese Kriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen.

27.      Erstens ist der Begriff weit auszulegen, um ein hohes Schutzniveau zugunsten der Rechteinhaber zu erreichen(12). Zweitens kommt es nicht auf das konkrete Kommunikationsmittel an, sondern entscheidend ist, dass der Öffentlichkeit die Möglichkeit des Zugangs zu den fraglichen Werken eingeräumt wird(13). Drittens bedeutet der Begriff „öffentlich“ eine unbestimmte, aber recht große Zahl an möglichen Zuschauern oder Zuhörern, und insoweit sind die kumulativen Wirkungen einer Vielzahl an möglichen Empfängern, sowohl gleichzeitig als auch aufeinanderfolgend, zu berücksichtigen(14). Viertens muss es sich bei dem fraglichen Publikum um ein „neues“ Publikum in dem Sinne handeln, dass es sich von dem im Rahmen der Genehmigung der ursprünglichen Sendung in Betracht gezogenen Publikum unterscheidet (wie etwa dann, wenn eine Sendung, die zum Anschauen im privaten Kreis gedacht ist, einem großen Publikum gezeigt wird)(15). Umfasst schließlich die Wiedergabe auch ein gewerbliches Element (zieht sie beispielsweise Kunden an), ist dies ein bedeutsamer Hinweis darauf, dass sie in den Anwendungsbereich nicht nur des Rechts auf eine angemessene Vergütung gemäß Art. 8 der Richtlinie 1992/100 oder 2006/115, sondern auch des Rechts der öffentlichen Wiedergabe nach Art. 3 der Richtlinie 2001/29 fällt(16).

28.      Wendet man diese Kriterien an, so scheint mir, dass die Bereitstellung von Fernseh- und Radiogeräten in den Zimmern einer Kureinrichtung gemeinsam mit der Bereitstellung des entsprechenden Signals, das das Hören oder Anschauen von Sendungen ermöglicht, dem Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 unterfällt, sofern nicht in Ausnahmefällen eines oder mehrere der Kriterien nicht erfüllt sind. Insbesondere wird eine Kureinrichtung wahrscheinlich, sowohl gleichzeitig als auch nacheinander, eine unbestimmte, aber recht große Zahl an Personen beherbergen, die in ihren Zimmern Sendungen empfangen können und die ein neues Publikum in dem Sinne darstellen, dass die ursprüngliche Erlaubnis sich auf Sendungen bezog, die von Einzelnen allein oder im privaten bzw. familiären Kreis gehört oder angesehen werden. Zudem scheint es nur schwer zu widerlegen, dass die Bereitstellung von Fernseh- und Radiogeräten in den Zimmern für die Einrichtung gewerblicher Natur ist, da ihr Vorhandensein wohl eher als ihr Fehlen dazu geeignet ist, Kunden anzuziehen. Die Kureinrichtung hat selbst vorgetragen, dass sie im Wettbewerb benachteiligt werde, wenn sie höhere Gebühren zahlen müsse als Einrichtungen in Nachbarländern; ein solcher Nachteil wäre noch gravierender, wenn sie gar keinen Zugang zu Sendungen ermöglichen würde, während alle Wettbewerber dies täten.

29.      In der Rechtssache SCF stellte der Gerichtshof fest, dass die einschlägigen Kriterien nicht erfüllt seien, wenn Hintergrundmusik in der Gegenwart von Patienten in einer privaten Zahnarztpraxis gesendet werde. Insbesondere handele es sich bei den Patienten eines Zahnarzts um eine „bestimmte Gesamtheit potenzieller Leistungsempfänger“ und nicht um eine unbestimmte Gruppe von „Personen allgemein“, zu einem gegebenen Zeitpunkt sei ihr Kreis begrenzt, die Sendung von Hintergrundmusik werde sich kaum auf das Einkommen des Zahnarzts auswirken, und die Patienten seien unabhängig von ihrem Willen der Musik ausgesetzt(17).

30.      Keine dieser Erwägungen scheint in einem Sachverhalt wie dem im Ausgangsverfahren zuzutreffen. Kureinrichtungen haben typischerweise einen breiteren und weniger leicht bestimmbaren Kundenkreis als Zahnärzte (hier beschrieb der Rechtsanwalt der Kureinrichtung diese im Rahmen der mündlichen Verhandlung als möglicherweise die größte Einrichtung dieser Art in Europa), die Verfügbarkeit eines Zugangs zu Fernseh- und Radiosendung kann sehr wohl die Wahl der Unterkunft durch den Patienten beeinflussen, und insoweit ist die Verfügbarkeit einer Wahlmöglichkeit wahrscheinlich von Bedeutung.

31.      Zudem befinden sich die Fernseh- und Radiogeräte in den Zimmern der Bewohner. Sie werden in Zusammenhang mit der Nutzung der von der Kureinrichtung angebotenen Unterkünfte verwendet und nicht in Zusammenhang mit der Gesundheitsfürsorge. Dieser Sachverhalt ist eindeutig gleichgelagert wie der Fall der Hotelgäste in der Entscheidung SGAE.

32.      Zweitens ist zu überlegen, ob der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unter die in Art. 5 Abs. 2 Buchst. e oder Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Ausnahmen fallen kann. Meiner Meinung nach ist das zu verneinen.

33.      Art. 5 Abs. 2 Buchst. e greift nicht ein, denn er betrifft eine mögliche Ausnahme von dem in Art. 2 der Richtlinie vorgesehenen Vervielfältigungsrecht und nicht von dem in Art. 3 vorgesehenen Recht, die öffentliche Wiedergabe zu erlauben. Nur um Letzteres geht es im Ausgangsverfahren. Jedenfalls aber umfasst Art. 5 Abs. 2 Buchst. e „nicht kommerzielle soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Haftanstalten“. Eine gewerbliche Kureinrichtung erfüllt diese Definition nicht.

34.      Art. 5 Abs. 3 Buchst. b ist nur anwendbar auf eine Nutzung nicht kommerzieller Art und darüber hinaus auf eine Nutzung „zugunsten behinderter Personen, wenn die Nutzung mit der Behinderung unmittelbar in Zusammenhang steht, … soweit es die betreffende Behinderung erfordert“. Weder im Vorlagebeschluss noch im Vortrag der Beteiligten vor dem Gerichtshof gibt es einen Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Fernseh- und Radiogeräten in Kureinrichtungen und einer konkreten Behinderung, an der Patienten möglicherweise leiden.

35.      Da keine dieser beiden Ausnahmen eingreift, ist Art. 5 Abs. 5, auf den das nationale Gericht ebenfalls Bezug nimmt, der jedoch nur den Anwendungsbereich dieser Ausnahmen beschränkt, nicht von Bedeutung.

36.      Daher würde ich die erste Frage dahin gehend beantworten, dass eine nationale gesetzliche Ausnahme, durch die eine Vergütung für Urheber für eine Wiedergabe ihres Werkes über Fernseh- oder Rundfunkempfänger an Patienten in den Zimmern einer gewerblichen Kureinrichtung ausgeschlossen wird, gegen die Richtlinie 2001/29 verstößt.

 Frage 2

37.      Sind die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2001/29 derart unbedingt und hinreichend genau, dass sich Verwertungsgesellschaften darauf vor den innerstaatlichen Gerichten berufen können, wenn der Staat die Richtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat?

38.      Kurz gesagt, wird diese Frage von der OSA bejaht. Sie führt die Entscheidung Kücükdeveci(18) an und vertritt die Auffassung, dass ein innerstaatliches Gericht in einem solchen Rechtsstreit eine Regelung in Art. 23 des Urhebergesetzes, die in Widerspruch zum Unionsrecht steht, nicht anwenden dürfe.

39.      Die Kureinrichtung trägt vor, dass nach den in der Rechtssache Foster u. a.(19) aufgeführten Kriterien die OSA eine Verkörperung des Staates darstelle: Sie unterstehe dem Staat oder seiner Aufsicht oder Kontrolle und sei mit besonderen Rechten ausgestattet, die über diejenigen hinausgingen, die nach den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Einzelnen gälten. Sie sei daher mit dem Staat gleichzusetzen und könne sich nicht auf die Wirkungen der Richtlinie berufen.

40.      Die tschechische Regierung ist der Ansicht, dass sich die Frage nach der unmittelbaren Wirksamkeit nicht stelle: Die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 23 des Urheberrechtsgesetzes – das Senden in einer Gesundheitseinrichtung bei der Erbringung von Gesundheitsfürsorge – seien nicht erfüllt. Selbst wenn eine Kureinrichtung nach dem innerstaatlichen Recht eine Gesundheitseinrichtung darstelle, werde Gesundheitsfürsorge den Patienten nicht in ihren Zimmern zur Verfügung gestellt.

41.      Die Regierungen Deutschlands und Ungarns verweisen darauf, dass eine Richtlinie nicht aus sich selbst heraus Verpflichtungen für den Einzelnen begründen könne. Weder eine öffentliche Körperschaft noch ein Einzelner könne sich unmittelbar auf sie berufen.

42.      Die Kommission ist der Auffassung, dass in einem Fall wie dem hier in Rede stehenden das innerstaatliche Gericht das nationale Recht im Einklang mit dem EU-Recht auslegen müsse. Der Umstand, dass es hier um die Rechtswirkungen der Richtlinie gegenüber einem Einzelnen oder im Hinblick auf die Rechtsbeziehungen zwischen Einzelnen gehe, ändere daran nichts.

43.      Im Wesentlichen stimme ich den Argumenten der OSA und der Kommission zu.

44.      Erstens müssen die innerstaatlichen Gerichte bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks von einschlägigen Richtlinien auslegen, um das von der Richtlinie angestrebte Ziel zu erreichen. Diese Verpflichtung wohnt dem System des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union inne. Sie ermöglicht es den innerstaatlichen Gerichten, die volle Wirksamkeit des EU-Rechts zu gewährleisten, wenn sie Rechtsstreitigkeiten innerhalb ihrer Rechtsordnung entscheiden.

45.      Nur dann, wenn eine solche Herangehensweise nicht möglich ist – z. B., weil sie zu einer Auslegung contra legem führen würde –, ist es erforderlich, zu prüfen, ob die betreffende Bestimmung einer Richtlinie unmittelbar wirksam ist und, wenn das der Fall ist, ob man sich auf diese unmittelbare Wirkung gegenüber der anderen Partei des nationalen Rechtsstreits berufen kann.

46.      Daher obliegt es dem vorlegenden Gericht, unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der in diesem Recht anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie 2001/29 zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von ihr verfolgten Ziel übereinstimmt(20).

47.      Zweitens ist meiner Auffassung nach der Vortrag der Kureinrichtung, dass es sich bei der OSA um eine Verkörperung des Staates handele, ohne Relevanz. Nur wenn sich die Kureinrichtung auf eine Bestimmung der Richtlinie 2001/29 berufen wollte, die noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist, könnte sie sich auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinie gegenüber einer staatlichen Stelle berufen(21). Allerdings ergibt sich aus der Antwort, die ich im Hinblick auf die erste Frage vorgeschlagen habe, dass dies nicht der Fall ist. Die Kureinrichtung beruft sich offenkundig vielmehr auf eine Auslegung des innerstaatlichen Rechts, die nicht im Einklang mit der Richtlinie steht. Im Licht der oben angeführten Rechtsprechung ist eine solche Auslegung nicht zulässig(22). Jedenfalls scheint die Behauptung, dass es sich bei der OSA um eine Verkörperung des Staates handelt, schwerlich begründbar, da Verwertungsgesellschaften privatrechtliche Ansprüche Einzelner durchzusetzen suchen und keine Form von staatlichen Befugnissen ausüben.

48.      Die Antwort auf die zweite Frage sollte daher dahin gehend lauten, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat die Richtlinie 2001/29 nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat, ein innerstaatliches Gericht in einem Rechtsstreit wegen Gebühren aus der Verwertung von Urheberrechten gegen einen Einzelnen sein nationales Recht so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zwecks dieser Richtlinie auszulegen hat, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen.

 Frage 3

49.      Das nationale Gericht stellt weiter die Frage, ob bestimmte Regelungen des EU-Rechts über den freien Dienstleistungsverkehr und/oder über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung es einem Mitgliedstaat verwehren, die Ausübung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten in seinem Hoheitsgebiet nur einer (Monopol-)Gesellschaft vorzubehalten, wodurch Dienstleistungsempfängern nicht die freie Wahl einer Verwertungsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat bleibt.

 Zulässigkeit

50.      Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Frage nur sehr entfernt Einfluss auf die Entscheidung des Ausgangsverfahrens habe, da es in diesem um die Definition des Begriffs der „öffentlichen Wiedergabe“ gehe. Die tschechische und die österreichische Regierung gehen noch weiter: Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass die Kureinrichtung versucht habe, einen Vertrag mit einer Verwertungsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu schließen, und wie auch immer die Antwort auf diese Frage aussehen möge, könne dies keine Auswirkungen auf eine Klage auf Zahlung von urheberrechtlichen Gebühren haben. Diese Regierungen sehen die Frage daher als unzulässig an. In der mündlichen Verhandlung hat sich die OSA dieser Auffassung angeschlossen.

51.      Ich bin nicht der Ansicht, dass der Gerichtshof die Beantwortung dieser Frage ablehnen sollte. Nach der ständigen Rechtsprechung hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden. Nur in Ausnahmefällen darf er die Entscheidung über eine vorgelegte Frage ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind(23).

52.      Im vorliegenden Fall liegen solche Umstände nicht vor. Der Vorlagebeschluss stellt fest, dass die Kureinrichtung geltend gemacht habe, die OSA missbrauche ihr gesetzliches Monopol, indem sie höhere Gebühren verlange als Verwertungsgesellschaften mit Sitz in den angrenzenden Mitgliedstaaten. Um sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, muss das vorlegende Gericht diesen Vortrag unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Regelungen über den freien Dienstleistungsverkehr und über den Wettbewerb prüfen und darf insoweit auch Hinweise des Gerichtshofs erbitten und erhalten.

 Begründetheit

53.      Ich werde die Rechtslage zunächst im Hinblick auf den Missbrauch einer beherrschenden Stellung prüfen und dann im Hinblick auf die Erbringung von Dienstleistungen.

–       Missbrauch einer beherrschenden Stellung

54.      Im Kern fragt das vorlegende Gericht, ob es Art. 102 AEUV einem Mitgliedstaat verwehrt, einer Verwertungsgesellschaft ein auf das Hoheitsgebiet bezogenes Monopol einzuräumen, das die Empfänger der Dienstleistungen dieser Gesellschaft in ihrer freien Wahl einschränkt.

55.      Wie bereits in dem Vorbringen mehrerer Beteiligter vor dem Gerichtshof erläutert worden ist, kann ein gesetzliches Monopol in einem Mitgliedstaat eine beherrschende Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV begründen. Allerdings ist die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte im Sinne von Art. 106 Abs. 1 AEUV für sich genommen noch nicht mit Art. 102 AEUV unvereinbar. Ein Mitgliedstaat verstößt gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote nur dann, wenn das betreffende Unternehmen allein durch die Ausübung solcher Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzen könnte oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der das Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht(24).

56.      Der von der Kureinrichtung im Ausgangsverfahren behauptete Missbrauch liege darin, dass die OSA wegen des Fehlens von Wettbewerbern überhöhte Lizenzgebühren verlange. Ob die Gebühren tatsächlich überhöht sind oder nicht, muss das nationale Gericht entscheiden. Falls es so ist (der Vorlagebeschluss enthält insoweit keine Stellungnahme), muss es aus dieser Entscheidung diejenigen Konsequenzen ziehen, die es im Hinblick auf das Ausgangsverfahren für angemessen erachtet. Die Feststellung eines Missbrauchs einer beherrschenden Stellung würde sich allerdings in erster Linie auf das Verhalten der OSA beziehen und nicht auf die Wirksamkeit der innerstaatlichen Gesetze, die das Monopol einräumen. Diese Gesetze würden nur dann in Zweifel gezogen werden, wenn dargelegt würde, dass sie eine Lage schaffen, in der die OSA einen solchen Missbrauch begeht. Ich stimme der Kommission und mehreren Mitgliedstaaten darin zu, dass nichts in den Akten darauf hindeutet, dass die Bedingungen, unter denen das Monopol eingeräumt wurde, so gestaltet sind, dass sie die Verwertungsgesellschaft dazu veranlassen, überhöhte Gebühren zu verlangen. Allerdings obliegt es dem innerstaatlichen Gericht, in dieser Frage eine abschließende Entscheidung zu treffen, soweit dies im Rahmen des Ausgangsverfahrens von Bedeutung ist.

–       Dienstleistungen

57.      Die OSA und einige der Mitgliedstaaten haben vorgetragen, dass die Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften nicht unter die EU-Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr falle: Entweder handele es sich nicht um „Dienstleistungen“, weil sie lediglich die kollektive Ausübung der Rechte durch die Rechteinhaber darstellten, oder es handele sich um nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 durch deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. a ausgenommen sind.

58.      Dem kann ich mich nicht anschließen. Die Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften ist regelmäßig als eine Tätigkeit angesehen worden, die von den Regelungen der Verträge über den freien Dienstleistungsverkehr erfasst wird(25). Zwar stimmt es, dass Verwertungsgesellschaften in erster Linie ihren Mitgliedern (den Rechteinhabern, für die sie Gebühren einziehen) Dienstleistungen erbringen. Aber es wäre gekünstelt, zu argumentieren, dass eine Verwertungsgesellschaft, obwohl sie über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt, lediglich der verlängerte Arm jedes einzelnen ihrer Mitglieder sei, das jeweils für sich selbst handele. Diese Gesellschaften bieten eindeutig Dienstleistungen für Rechteinhaber an, für die es sonst schwierig wäre, Gebühren einzuziehen, insbesondere für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken.

59.      Der Umstand, dass diese Dienstleistungen nicht genau in eine der in Art. 57 AEUV (nicht abschließend) aufgezählten Kategorien passen oder dass Verwertungsgesellschaften grundsätzlich ohne Gewinnabsichten arbeiten, kann meiner Ansicht nach nichts daran ändern. Diese Gesellschaften verlangen notwendigerweise eine gewisse Vergütung, wenn auch nur, um ihre Verwaltungs- und Personalkosten zu decken. Insoweit kann ich mich auch der Auffassung, dass es sich bei der Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften um nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse handele, nicht anschließen.

60.      Darüber hinaus erbringen Verwertungsgesellschaften nicht nur Dienstleistungen für die Rechteinhaber, sondern auch für die Nutzer wie z. B. die Kureinrichtung(26). Einem ehrlichen und sorgfältigen Nutzer, der den Rechteinhabern im Hinblick auf die öffentliche Wiedergabe ihrer Werke Gebühren zahlen möchte, würde dies schwerfallen, wenn es das System der von den Verwertungsgesellschaften eingeräumten Lizenzen für bestimmte Repertoires nicht gäbe.

–       Art. 16 der Richtlinie 2006/123

61.      In ihrem Vorbringen vor dem Gerichtshof sind die Parteien nahezu einhellig(27) der Ansicht, dass Art. 16 der Richtlinie 2006/123 auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist, wenngleich sie die Nichtanwendbarkeit unterschiedlich begründen. So sei die Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften keine „Dienstleistung“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie; es handele sich um nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a ausgeschlossen seien; es handele sich um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, auf die Art. 16 gemäß Art. 17 Nr. 1 keine Anwendung finde; und/oder sie seien vom Anwendungsbereich des Art. 16 durch Art. 17 Nr. 11 ausgenommen, der eine Ausnahme für Urheberrechte und verwandte Schutzrechte vorsieht.

62.      Ob es sich bei der Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften gar nicht um Dienstleistungen handelt oder ob es sich um nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse handelt, habe ich bereits geprüft.

63.      Allerdings könnte es sich meines Erachtens bei der in Rede stehenden Tätigkeit um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (Art. 17 Nr. 1 der Richtlinie 2006/123) handeln, die von den Mitgliedstaaten festzulegen sind (Art. 1 Abs. 3 derselben Richtlinie) und die deshalb konkret vom Anwendungsbereich des Art. 16 und durch Art. 1 Abs. 2 auch vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen sind.

64.      Jedenfalls muss diese Tätigkeit meiner Ansicht nach vom Anwendungsbereich des Art. 16 der Richtlinie 2006/123 (der Bestimmung, zu deren Auslegung das vorlegende Gericht Hinweise erbittet) ausgenommen sein, soweit sie in den Bereich der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte fällt, die in Art. 17 Nr. 11 der Richtlinie aufgeführt sind. Obgleich die Vorschrift ihrem Wortlaut nach nur Rechte erfasst, ist offenkundig, dass sie sich tatsächlich auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit solchen Rechten beziehen muss, da nur Dienstleistungen von der Anwendbarkeit des Art. 16 ausgenommen sein können. Darüber hinaus bestimmt Art. 1 Abs. 3, dass die Richtlinie nicht die Abschaffung von Monopolen betrifft.

–       Art. 56 ff. AEUV

65.      Die Tatsache, dass die von Verwertungsgesellschaften erbrachten Dienstleistungen nicht von (Art. 16) der Richtlinie umfasst sind, bedeutet nicht, dass sie auch von den allgemeineren Bestimmungen der Art. 56 ff. AEUV ausgenommen wären. In dieser Hinsicht lässt sich nicht bestreiten, dass Gebietsmonopole, die das Gebiet begrenzen, in dem Verwertungsgesellschaften tätig sein dürfen, diese in ihrem Recht auf freien Dienstleistungsverkehr einschränken, wobei eine solche Einschränkung nach den genannten Bestimmungen grundsätzlich verboten ist. Zudem beschränken sie auch die Freiheit sowohl der Rechteinhaber als auch der Nutzer, zwischen Dienstleistungsanbietern zu wählen.

66.      Die Diskussion vor dem Gerichtshof hat sich auf die Frage konzentriert, ob solche Beschränkungen gerechtfertigt sein können – ob sie ein rechtmäßiges, mit den Verträgen vereinbares Ziel verfolgen, ob sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und ob sie geeignet sind, das damit verfolgte Ziel zu verwirklichen, ohne über das für die Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinauszugehen(28).

67.      Jede Entscheidung hierüber muss auf der Grundlage von Tatsachenfeststellungen erfolgen, die im Zusammenhang mit einem Vorabentscheidungsersuchen grundsätzlich außerhalb der Zuständigkeit des Gerichtshofs liegen. Allerdings gestatten es die im Rahmen sowohl des schriftlichen Verfahrens als auch der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Argumente dem Gerichtshof, dem nationalen Gericht einige Hinweise zu der von ihm durchzuführenden Würdigung zu geben.

68.      Im Hinblick auf das verfolgte Ziel ist nur schwer zu leugnen, dass die Wahrung der Interessen der Inhaber von Urheberrechten (und von Nutzern) durch die Sicherstellung einer fairen und effizienten Einziehung und Verwaltung von Lizenzgebühren ein rechtmäßiges Ziel bildet, das mit den Verträgen vereinbar ist. Tatsächlich wird der überwältigende Nutzen der Verwertungsgesellschaften als solcher auch nicht in Zweifel gezogen.

69.      Was zu prüfen ist, ist die Frage, ob die Gründe des Allgemeininteresses, die zugunsten der Errichtung und/oder Erhaltung von Gebietsmonopolen für diese Gesellschaften vorgetragen worden sind, „zwingend“ in dem Sinne sind, dass solche Monopole nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich sind, um das Ziel der fairen und effizienten Einziehung und Verwaltung zu erreichen, und ob sie nicht über das Maß dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

70.      Hier ist es meiner Ansicht nach wichtig, die in dem Vorbringen vor dem Gerichtshof geschilderte Art und Weise zu berücksichtigen, in der die Verwertungsgesellschaften arbeiten, insbesondere im Hinblick auf Musikwerke.

71.      Die Verwertungsgesellschaften sind Vereinigungen von Rechteinhabern, die die ihren Mitgliedern insbesondere wegen der öffentlichen Wiedergabe von deren Werken geschuldeten Gebühren einziehen. Dies erreichen sie, indem sie Nutzern, die eine öffentliche Wiedergabe beabsichtigen, bezogen auf ein bestimmtes Repertoire, das eine Reihe von Musikwerken oder die Werke verschiedener Rechteinhaber umfasst, Lizenzen einräumen. Sie ziehen Gebühren von den Lizenznehmern ein und überwachen Nutzer oder potenzielle Nutzer, um zu ermitteln, ob Werke öffentlich wiedergegeben werden und ob der betreffende Nutzer über eine Lizenz verfügt.

72.      Üblicherweise (wenngleich nicht ohne Ausnahme) arbeiten Verwertungsgesellschaften in der Europäischen Union (sei es aufgrund eines gesetzlichen oder rein faktischen Monopols) innerhalb des Gebiets eines einzigen Mitgliedstaats, und sie können verpflichtet sein, jeden in dem Mitgliedstaat ansässigen oder niedergelassenen Rechteinhaber als Mitglied aufzunehmen. In diesem Fall überwachen sie die Nutzer innerhalb dieses Mitgliedstaats und räumen ihnen Lizenzen ein. Möchte ein Nutzer eine Lizenz für ein Repertoire erhalten, das von einer Verwertungsgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat verwaltet wird, so ist dies durch gegenseitige Vereinbarungen zwischen den Gesellschaften möglich, wobei jede in ihrem eigenen Gebiet die andere vertritt.

73.      Argumente zugunsten der Rechtfertigung von Monopolen sind von der OSA und allen an dem Verfahren beteiligten Mitgliedstaaten vorgetragen worden, Argumente dagegen von der Kureinrichtung und insbesondere von der Kommission.

74.      Um die wichtigsten Argumente für eine Rechtfertigung in aller Kürze zusammenzufassen: Es wurde betont, dass ein System gesetzlicher Gebietsmonopole mit gegenseitiger Vertretungsregelung den Nutzern eine zentrale Anlaufstelle innerhalb des Mitgliedstaats biete und damit Unsicherheiten darüber beseitige, wo Lizenzen zu erwerben seien und welche Rechte im Rahmen verschiedener Lizenzen zur Verfügung stünden. Ein solches System verhindere eine Zersplitterung von Repertoires, bei der Verwertungsgesellschaften sich die lukrativsten Rechteinhaber „herauspickten“ und die Interessen von Minderheiten oder lokale kulturelle Interessen vernachlässigten. Dieses System verschaffe den Rechteinhabern eine stärkere Verhandlungsbasis gegenüber den Nutzern in einem bestimmten Gebiet und helfe damit, einen Unterbietungswettbewerb im Hinblick auf die Höhe der Lizenzgebühren zu vermeiden. Es ermögliche den Mitgliedstaaten, erforderliche Vorgaben für die Verwaltung von Verwertungsgesellschaften zu machen und sie öffentlicher Aufsicht und Kontrolle zu unterstellen. Das System reduziere die Kosten, da eine Verdoppelung der erforderlichen Mittel sowohl für die Verwertung als auch für die Überwachung potenzieller Rechteverletzer innerhalb des jeweiligen Gebiets vermieden werde.

75.      Zu den dem Gerichtshof vorgetragenen Gegenargumenten gehört, wiederum in aller Kürze: Zentrale nationale Anlaufstellen seien nicht erforderlich, da eine EU-weite „Plattform“ eingerichtet werden könne, die allen potenziellen Nutzern sämtliche benötigten Informationen zur Verfügung stelle. In Mitgliedstaaten (wie Schweden und dem Vereinigten Königreich), in denen es kein Gebietsmonopol gebe, sei keine Zersplitterung der Repertoires ersichtlich, noch hätten die Nutzer dort Schwierigkeiten, die Lizenzen, die sie erhalten möchten, zu finden und zu erwerben. Die Möglichkeit einer freien Wahl des Dienstleisters sowohl für Rechteinhaber als auch für Nutzer werde zu einem effektiven Wettbewerb und damit zu faireren Gebühren und zu einer effizienteren Einziehung führen, was allen Beteiligten zugutekommen werde. Ein gesetzliches Monopol sei nicht erforderlich, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, Verwertungsgesellschaften wirksam zu regulieren. Die Einziehungskosten (die sich nach den tatsächlichen Feststellungen in einem Bereich von 15 bis 20 % der Lizenzgebühren bewegen) würden durch die gegenseitige Vertretung in Wahrheit erhöht, während eine Verwertungsgesellschaft aus einem Mitgliedstaat keinerlei Schwierigkeiten habe, die Nutzung in anderen Mitgliedstaaten zu überwachen, sei es durch den Einsatz eigener Mittel oder durch Zuhilfenahme der Mittel einer Verwertungsgesellschaft in dem anderen Mitgliedstaat. Die Möglichkeit der Einräumung von Mehrgebietslizenzen brächte nicht nur den Nutzern (wie etwa der Kureinrichtung, die dargelegt hat, dass sie Teil eines in mehreren Mitgliedstaaten tätigen Konzerns ist), sondern auch den Rechteinhabern Vorteile.

76.      Eine angemessene Würdigung dieser Argumente würde an vielen Stellen eine Entscheidung zwischen sich widersprechendem Tatsachenvortrag erfordern, was im Rahmen dieses Verfahrens außerhalb der Zuständigkeit des Gerichtshofs liegt (es ist möglicherweise eher Sache des Gesetzgebers). In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das Gericht erst kürzlich der Klage gegen eine Kommissionsentscheidung stattgegeben hat, mit der u. a. festgestellt worden war, dass eine Reihe von Verwertungsgesellschaften unrechtmäßig die territorialen Abgrenzungen koordiniert hätte, durch die der Geltungsbereich einer Lizenz auf das jeweilige Inlandsgebiet der Verwertungsgesellschaft beschränkt werde(29). In seinem Urteil stellte das Gericht insbesondere fest, dass die Kommission eine Reihe von ähnlichen Behauptungen wie in dem hier vorliegenden Rechtsstreit nicht hinreichend substantiiert habe(30). Gegen das Urteil wurde kein Rechtsmittel eingelegt, und die Kommission hat in dem hier vorliegenden Verfahren eingeräumt, dass sie in diesem Fall vor dem Gericht nicht hinreichend substantiiert vorgetragen habe. Ich ziehe jedoch aus diesen Feststellungen des Gerichts, die ein anderes Verfahren und andere Umstände betreffen, keine abschließende Schlussfolgerung(31), außer zu betonen, dass eine gründliche Ermittlung des Sachverhalts, die über das hinausgeht, was dem Gerichtshof in dem vorliegenden Verfahren möglich ist, wünschenswert ist, um eine endgültige Entscheidung darüber zu treffen, ob gesetzliche Gebietsmonopole für Verwertungsgesellschaften gerechtfertigt sind.

77.      Um auf die in dem hier vorliegenden Verfahren vorgetragenen Argumente zurückzukommen, scheint mir zunächst einmal nichts in den Gegenargumenten einen ernsthaften Zweifel daran zu begründen, dass gesetzliche Monopole wie das hier in Rede stehende geeignet sind, die faire und effiziente Einziehung und Verwaltung von Lizenzgebühren sicherzustellen. Es ist zwar richtig, dass die Kommission behauptet, dass sie zu einer Verdoppelung von Kosten führten, doch der Rechtsanwalt der OSA hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die Kosten im Zusammenhang mit gegenseitigen Vertretungsvereinbarungen normalerweise geteilt würden.

78.      Stärker in Frage gestellt ist, ob solche Monopole zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich und angemessen sind.

79.      Insoweit gilt: „Much might be said on both sides“ („Es lässt sich viel für beide Seiten anführen“)(32) – und es scheint mir, dass es mit dem Vorbringen vor dem Gerichtshof in dem hier vorliegenden Verfahren keiner Seite gelungen ist, den Streit für sich zu entscheiden.

80.      Beispielsweise sehe ich einerseits die Überzeugungskraft der Argumente, wonach eine zentrale Anlaufstelle innerhalb eines beliebigen Gebiets sowohl für die Rechteinhaber als auch für die Nutzer in überragendem Maße wünschenswert sei. Andererseits scheint es plausibel, dass eine entsprechende Einrichtung auf EU-Ebene geschaffen werden könnte, wenn alle Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs in diesem Bereich abgeschafft würden. Allerdings ist es keinesfalls gesichert, dass Letzteres notwendig ohne eine Regulierung der Fall wäre. Oder, mag die Kommission in den wenigen Mitgliedstaaten, in denen derzeit kein gesetzliches Monopol besteht, auch keinen Beweis für eine Zersplitterung der Repertoires oder für eine Vernachlässigung der Musik von Interesse für Minderheiten gefunden haben, so bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass solche Auswirkungen nicht in der Praxis durch die in der Mehrheit der Mitgliedstaaten vorhandenen gesetzlichen oder faktischen Monopole verhindert werden. Oder: Während die gebotene Regulierung der Tätigkeit von Verwertungsgesellschaften nicht notwendig die Schaffung nationaler Monopole erfordern mag, könnte es sich als schwierig erweisen, das angestrebte Ziel allein dadurch zu erreichen, dass diese Gesellschaften je nach den Mitgliedstaaten, in denen sie ihre Tätigkeit ausüben, einer Vielzahl nationaler Regelungen unterworfen werden.

81.      Kurzum scheint mir, dass trotz guter Argumente, die für die Abschaffung nationaler Gebietsmonopole vorgetragen worden sind, um das im Vertrag festgelegte Verbot von Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs zu achten, nicht dargetan worden ist, dass sowohl der freie Dienstleistungsverkehr als auch die faire und effiziente Einziehung und Verwaltung von Lizenzgebühren für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken durch fest installierte Radio- und Fernsehgeräte ohne einen EU-weiten rechtlichen Rahmen erreicht werden kann. Meine Auffassung wird gestützt durch den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die kollektive Verwertung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt. Im Vorschlag heißt es: „Das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 3 EUV) verlangt ein Tätigwerden der EU, da sich die rechtlichen Rahmenbedingungen auf nationaler und auf EU-Ebene als unzureichend erwiesen haben, um die bestehenden Probleme anzugehen.“(33)

82.      Da dies so ist, bin ich der Ansicht, dass im Hinblick auf die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken durch fest installierte Radio- und Fernsehgeräte, solange noch keine EU-weite Regelung erfolgt ist, mit Recht angenommen werden kann, dass nationale gesetzliche Monopole für Verwertungsgesellschaften ein rechtmäßiges Ziel verfolgen, das mit den Verträgen vereinbar ist, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sind und nicht über das dazu erforderliche Maß hinausgehen. Dem steht in meinen Augen auch nicht entgegen, dass in einer kleinen Zahl der Mitgliedstaaten solche Monopole nicht bestehen. In diesen Fällen widerlegt die Ausnahme nicht die Regel. Jedoch wird es Sache des nationalen Gerichts sein, über diese Fragen im Licht des ihm unterbreiteten Sachverhalts abschließend zu entscheiden.

 Ergebnis

83.      Nach alledem sollte der Gerichtshof meines Erachtens die vom Krajský soud v Plzni gestellten Fragen in folgendem Sinne beantworten:

1.      Eine Ausnahmeregelung, durch die eine Vergütung für Urheber für eine Wiedergabe ihres Werks über Fernseh- oder Rundfunkempfänger an Patienten in den Zimmern einer gewerblichen Kureinrichtung ausgeschlossen wird, steht im Widerspruch zu den Bestimmungen der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft.

2.      Hat ein Mitgliedstaat die Richtlinie 2001/29 nicht ordnungsmäßig umgesetzt, so sind die nationalen Gerichte verpflichtet, ihr nationales Recht so weit wie möglich im Licht des Wortlauts und des Zwecks dieser Richtlinie auszulegen, um das von ihr verfolgte Ziel zu erreichen. In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen ist es nicht von Bedeutung, ob die Bestimmungen der Richtlinie derart unbedingt und hinreichend genau sind, dass sich ein Einzelner gegenüber einer staatlichen oder dem Staat unterstehenden Stelle auf diese Bestimmungen berufen kann.

3.      Die Anwendung einer innerstaatlichen rechtlichen Regelung, die die Ausübung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten im Hoheitsgebiet eines Staates nur einer (Monopol-)Gesellschaft zur kollektiven Verwertung von Urheberrechten vorbehält und damit einem Dienstleistungsempfänger nicht die freie Wahl einer Verwertungsgesellschaft aus einem anderen Staat der Europäischen Union ermöglicht, wird nicht durch Art. 102 AEUV oder Art. 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ausgeschlossen. Eine solche Regelung ist gemäß den Art. 56 ff. AEUV nur dann unzulässig, wenn festgestellt wird, dass sie kein rechtmäßiges und mit den Verträgen vereinbares Ziel verfolgt, nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, nicht dazu geeignet ist zu gewährleisten, dass das verfolgte Ziel erreicht wird, oder über das dazu erforderliche Maß hinausgeht.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).


3 – Unter bestimmten Bedingungen, die hier nicht von Bedeutung sind.


4 – Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36).


5 – Bis August 2008 galt diese Ausnahme auch für die Zugänglichmachung eines Werkes für beherbergte Personen im Rahmen der Erbringung von mit der Beherbergung zusammenhängenden Dienstleistungen.


6 – Urteil vom 7. Dezember 2006 (C‑306/05, Slg. 2006, I‑11519, Randnrn. 32 bis 47).


7 – Urteil vom 15. März 2012 (C‑135/10, Randnrn. 70 bis 102).


8 – Richtlinie 92/100/EWG des Rates vom 19. November 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 346, S. 61), vgl. jetzt Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung) (ABl. L 376, S. 28). Diese Bestimmung (in 2006 unverändert beibehalten) lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet.“


9 – Urteil vom 4. Oktober 2011 (C‑403/08 und C‑429/08, Slg. 2011, I‑9083, Randnrn. 183 bis 207).


10 – Vgl. Urteile SCF (Randnrn. 74, 75 und 89) und Football Association Premier League u. a. (Randnr. 188).


11 –      Darunter insbesondere das Internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, angenommen in Rom am 26. Oktober 1961, die Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung vom 28. September 1979, das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WHO), unterzeichnet in Marrakesch am 15. April 1994 und genehmigt durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 2. Dezember 1994 (ABl. L 336, S. 1), und den im Rahmen der WIPO (World Intellectual Property Organisation) geschlossenen Vertrag über Darbietungen und Tonträger, angenommen am 20. Dezember 1996 und genehmigt durch den Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6).


12 – Vgl. Urteile SGAE (Randnr. 36) und Football Association Premier League u. a. (Randnr. 186).


13 – Vgl. Urteile SGAE (Randnrn. 43 bis 46), Football Association Premier League u. a. (Randnrn. 192 bis 194) und SCF (Randnr. 82).


14 – Vgl. Urteile SGAE (Randnrn. 37 bis 39) und SCF (Randnrn. 84 bis 87).


15 – Vgl. Urteile SGAE (Randnrn. 40 bis 42) und Football Association Premier League u. a. (Randnrn. 197 bis 199).


16 – Vgl. Urteile SGAE (Randnr. 44), Football Association Premier League u. a. (Randnrn. 204 bis 206) und SCF (Randnrn. 88 ff.).


17 – Vgl. Randnrn. 95 bis 98 des Urteils.


18 – Urteil vom 19. Januar 2010 (C‑555/07, Slg. 2010, I‑365, Randnr. 56).


19 – Urteil vom 12. Juli 1990 (C‑188/89, Slg. 1990, I‑3313, Randnrn. 16 bis 22).


20 – Klassische Veranschaulichungen dieser Grundsätze bieten u. a. die Urteile vom 13. November 1990, Marleasing (C‑106/89, Slg. 1990, I‑4135), vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a. (C‑397/01 bis C‑403/01, Slg. 2004, I‑8835), und vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057). Für aktuellere Beispiele vgl. z. B. die Urteile vom 24. Januar 2012, Dominguez (C‑282/10, Randnrn. 23 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 5. September 2012, Lopes Da Silva Jorge (C‑42/11, Randnrn. 53 ff. und die dort angeführte Rechtsprechung).


21 – Vgl. z. B. Urteil Dominguez (Randnrn. 32 ff., insbesondere Randnrn. 38 und 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22 – Vgl. Randnrn. 44 bis 46 des vorgenannten Urteils.


23 – Vgl. als aktuelles Beispiel das Urteil vom 27. Juni 2013, Di Donna (C‑492/11, Randnrn. 24 und 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24 – Vgl. als aktuelles Beispiel das Urteil vom 3. März 2011, AG2R Prévoyance (C‑437/09, Slg. 2011, I‑973, Randnrn. 67 und 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).


25 – Vgl. Urteile vom 25. Oktober 1979, Greenwich Film Production (22/79, Slg. 1979, 3275, Randnr. 12), vom 2. März 1983, GVL/Kommission (7/82, Slg. 1983, 483, Randnr. 38), und vom 20. Oktober 1993, Phil Collins u. a. (C‑92/92 und C‑326/92, Slg. 1993, I‑5145, Randnr. 24).


26 – Vgl. Urteil vom 11. Dezember 2008, Kanal 5 und TV4 (C‑52/07, Slg. 2008, I‑9275, Randnr. 29 sowie Nrn. 40 bis 42 der Schlussanträge von Generalanwältin Trstenjak).


27 – Die Kureinrichtung hat sich zu dieser Bestimmung nur ganz knapp im Zusammenhang mit einem Urteil des tschechischen Verfassungsgerichtshofs geäußert.


28 – Vgl. für ein aktuelles Beispiel der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs das Urteil vom 18. Juli 2013, Citroën Belux (C‑265/12, Randnr. 37).


29 – Urteil des Gerichts vom 12. April 2013, CISAC/Kommission (T‑442/08), betreffend die Entscheidung der Kommission K(2008) 3435 endgültig vom 16. Juli 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/C2/38.698 – CISAC).


30 – Vgl. Nrn. 146 ff. des Urteils.


31 – Die angefochtene Entscheidung in der Rechtssache T‑442/08 betraf „die Bedingungen der Verwaltung von Rechten zur öffentlichen Aufführung von Musikwerken und die Erteilung entsprechender Lizenzen, und zwar ausschließlich im Hinblick auf die Verwertungsarten der Übertragung per Internet, Satellit und Kabel“ (Randnr. 1 des Urteils). Der vorliegende Fall betrifft die öffentliche Wiedergabe durch fest installierte Radio- und Fernsehgeräte, also einen Sachverhalt, in dem gebietsbezogene Aspekte von größerer Bedeutung sein könnten.


32 – Sir Roger de Coverley, zitiert in der Zeitung The Spectator, 20. Juli 1711 (frei übersetzt).


33 – COM(2012) 372 endgültig, derzeit vor dem Parlament und dem Rat anhängig; vgl. Abschnitt 3.2 der Begründung. Obgleich der von dem Vorschlag erfasste Bereich nicht genau mit dem in dem vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Bereich übereinstimmt, scheint mir, dass die Notwendigkeit eines abgestimmten Vorgehens in beiden Fällen einen relevanten Gesichtspunkt darstellt.