Language of document : ECLI:EU:T:2019:448

URTEIL DES GERICHTS (Neunte Kammer)

27. Juni 2019(*)

„Staatliche Beihilfen – Ungarische Steuer auf Umsätze aus der Verbreitung von Werbung – Progression der Steuersätze – Abzug der vorgetragenen Verluste in Höhe von 50 % von der Steuerbemessungsgrundlage für Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erzielt haben – Beschluss, mit dem die Beihilfemaßnahmen für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärt werden und die Rückforderung der Beihilfen angeordnet wird – Begriff der staatlichen Beihilfe – Voraussetzung der Selektivität“

In der Rechtssache T‑20/17

Ungarn, vertreten durch M.‑Z. Fehér, G. Koós und E.‑Z. Tóth als Bevollmächtigte,

Kläger,

unterstützt durch

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, M. Rzotkiewicz und A. Kramarczyk-Szaładzińska als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch V. Bottka und P.‑J. Loewenthal als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen eines auf Art. 263 AEUV gestützten Antrags auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2017/329 der Kommission vom 4. November 2016 über die Maßnahme SA.39235 (2015/C) (ex 2015/NN) Ungarns bezüglich der Besteuerung von Werbeumsätzen (ABl. 2017, L 49, S. 36)

erlässt

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter L. Madise (Berichterstatter) und R. da Silva Passos,

Kanzler: N. Schall, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2019

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 11. Juni 2014 erließ die Ungarische Nationalversammlung das Gesetz Nr. XXII von 2014 über die Werbesteuer (im Folgenden: Werbesteuergesetz). Mit dem Gesetz, das am 15. August 2014 in Kraft trat, wurde eine neue Sondersteuer mit progressiv gestaffelten Steuersätzen auf in Ungarn mit der Verbreitung von Werbung erzielte Einkünfte eingeführt (im Folgenden: Werbesteuer), die zusätzlich zu bestehenden Unternehmenssteuern, insbesondere der Körperschaftsteuer, erhoben wurde. Während der von der Europäischen Kommission durchgeführten beihilferechtlichen Prüfung des Werbesteuergesetzes erklärten die ungarischen Behörden, Ziel dieser Steuer sei es, den Grundsatz der öffentlichen Lastenverteilung zu fördern.

2        Nach dem Werbesteuergesetz unterliegt der Werbesteuer, wer Werbung verbreitet. Steuerpflichtig sind somit die Herausgeber der Werbung (Zeitungen, audiovisuelle Medien, Anzeigendienste), jedoch weder die Inserenten (für die die Werbung gemacht wird) noch die Werbeagenturen, die als Vermittler zwischen den Inserenten und den Werbungsverbreitern fungieren. Steuerbemessungsgrundlage ist der mit der Verbreitung von Werbung in einem Geschäftsjahr erzielte Nettoumsatz. Räumlicher Geltungsbereich der Steuer ist Ungarn.

3        Der progressive Steuertarif war wie folgt festgelegt:

–        0 % für den Teil der Bemessungsgrundlage unter 0,5 Mrd. ungarische Forint (HUF) (rund 1 562 000 Euro);

–        1 % für den Teil der Bemessungsgrundlage zwischen 0,5 Mrd. HUF und 5 Mrd. HUF (rund 15 620 000 Euro);

–        10 % für den Teil der Bemessungsgrundlage zwischen 5 Mrd. HUF und 10 Mrd. HUF (rund 31 240 000 Euro);

–        20 % für den Teil der Bemessungsgrundlage zwischen 10 Mrd. HUF und 15 Mrd. HUF (rund 47 000 000 Euro);

–        30 % für den Teil der Bemessungsgrundlage zwischen 15 Mrd. HUF und 20 Mrd. HUF (rund 62 500 000 Euro);

–        40 % für den Teil der Bemessungsgrundlage über 20 Mrd. HUF (rund 94 000 000 Euro) (Dieser letztere Steuersatz wurde ab dem 1. Januar 2015 auf 50 % angehoben).

4        Steuerpflichtige, deren Gewinn im Geschäftsjahr 2013 vor Steuern gleich null oder negativ war, konnten vorgetragene Verluste früherer Geschäftsjahre in Höhe von 50 % von ihrer Bemessungsgrundlage für 2014 abziehen.

5        Nach einem Schriftwechsel mit den ungarischen Behörden leitete die Kommission mit Beschluss vom 12. März 2015 das förmliche beihilferechtliche Prüfverfahren gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV im Hinblick auf das Werbesteuergesetz ein, wobei sie die progressive Struktur der Steuer und die Bestimmungen zur Abzugsfähigkeit vorgetragener Verluste von der Steuerbemessungsgrundlage als staatliche Beihilfen betrachtete. In diesem Beschluss vertrat die Kommission die Auffassung, bei dem progressiven Steuersatz werde zwischen Unternehmen mit hohen Werbeeinnahmen (und somit großen Unternehmen) und Unternehmen mit geringen Werbeeinnahmen (und somit kleinen Unternehmen) unterschieden, wobei Letzteren auf Grundlage ihrer Größe ein selektiver Vorteil gewährt werde. Auch durch die Abzugsfähigkeit der Verluste in Höhe von 50 % für Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, werde ein selektiver Vorteil und somit eine staatliche Beihilfe gewährt.

6        Im Rahmen dieses Beschlusses erließ die Kommission aufgrund von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 [AEUV] (ABl. 1999, L 83, S. 1) eine Anordnung zur Aussetzung der in Rede stehenden Maßnahme.

7        Daraufhin änderte Ungarn die Werbesteuer aus eigener Initiative, ohne dies der Kommission anzuzeigen oder von ihr genehmigen zu lassen, durch das am 4. Juni 2015 erlassene Gesetz Nr. LXII von 2015, wobei der aus sechs Steuersätzen zwischen 0 % und 50 % bestehende progressive Steuertarif durch den folgenden aus zwei Steuersätzen bestehenden Tarif ersetzt wurde:

–        0 % für den Teil der Bemessungsgrundlage unter 100 Mio. HUF (rund 312 000 Euro);

–        5,3 % für den Teil der Bemessungsgrundlage über 100 Mio. HUF.

8        Durch das Gesetz Nr. LXII von 2015 wurde auch dessen optionale rückwirkende Anwendung ab Inkrafttreten des Werbesteuergesetzes im Jahr 2014 eingeführt. Die Steuerpflichtigen konnten also wählen, ob sie ihren Umsatz aus dem vorangehenden Steuerjahr nach dem alten oder dem neuen Tarif besteuert haben wollten.

9        Die Kommission schloss das förmliche Prüfverfahren mit Erlass des Beschlusses (EU) 2017/329 vom 4. November 2016 über die Maßnahme SA.39235 (2015/C) (ex 2015/NN) Ungarns bezüglich der Besteuerung von Werbeumsätzen (ABl. 2017, L 49, S. 36, im Folgenden: angefochtener Beschluss) ab. In Art. 1 des angefochtenen Beschlusses stellte die Kommission fest, dass die steuerrechtliche Regelung, die durch das Gesetz Nr. XXII von 2014 über die Werbesteuer, einschließlich seiner am 4. Juni 2015 geänderten Fassung, eingeführt worden sei und die aus progressiven Steuersätzen sowie aus Bestimmungen bestehe, die für Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, eine Minderung der Steuerschuld durch den Abzug vorgetragener Verluste vorsähen, eine staatliche Beihilfe darstelle, die Ungarn unter Verstoß gegen Art. 108 Abs. 3 AEUV rechtswidrig gewährt habe und die im Hinblick auf Art. 107 AEUV auch mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei.

10      In den Art. 2 und 3 des angefochtenen Beschlusses erklärte die Kommission jedoch, einige der aufgrund dieser Regelung gewährten Einzelbeihilfen stellten, sofern sie gewisse Voraussetzungen erfüllten, keine mit dem Binnenmarkt unvereinbaren staatlichen Beihilfen dar.

11      In Art. 4 des angefochtenen Beschlusses gab die Kommission Ungarn auf, die für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärten Beihilfen von den Empfängern zurückzufordern.

12      Zu diesem Zweck mussten die ungarischen Behörden von Unternehmen mit Werbeumsätzen für den Zeitraum zwischen dem Inkrafttreten der Werbesteuer im Jahr 2014 und dem Datum ihrer Aufhebung bzw. ihres Ersatzes durch eine beihilferechtlich einwandfreie Regelung die Differenz zwischen folgenden Beträgen zurückfordern: dem Steuerbetrag (1), den die Unternehmen bei Anwendung eines mit dem Beihilferecht übereinstimmenden Bezugssystems (einer Steuerregelung mit einem einheitlichen Steuersatz von 5,3 %, falls die ungarischen Behörden keinen anderen Satz festlegten, ohne Abzug vorgetragener Verluste) hätten zahlen müssen, und dem Steuerbetrag (2), den die Unternehmen zu zahlen verpflichtet waren oder bereits gezahlt hatten. Für den Fall, dass die Differenz zwischen Steuerbetrag (1) und Steuerbetrag (2) positiv sein sollte, musste somit der Beihilfebetrag zuzüglich Zinsen ab Fälligkeit der Steuer zurückgefordert werden. Eine Rückforderung wäre der Kommission zufolge jedoch nicht erforderlich, wenn Ungarn die fragliche Steuerregelung rückwirkend zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens im Jahr 2014 aufheben würde. Dies würde Ungarn nicht daran hindern, für die Zukunft, z. B. ab 2017, eine Steuerregelung ohne Progression einzuführen, bei der nicht zwischen den besteuerten Wirtschaftsakteuren unterschieden würde.

13      Die Kommission begründete im angefochtenen Beschluss die Einstufung der fraglichen Steuerregelung angesichts der Begriffsbestimmung in Art. 107 Abs. 1 AEUV im Kern wie folgt.

14      Zunächst führte die Kommission in Bezug auf die Zurechenbarkeit der fraglichen Maßnahme zum Staat und auf ihre Finanzierung durch staatliche Mittel aus, mit Erlass des Werbesteuergesetzes durch das ungarische Parlament habe Ungarn auf Einnahmen verzichtet, die es andernfalls von Unternehmen mit einem geringeren einschlägigen Umsatz (und somit von kleineren Unternehmen) hätte erheben müssen, wenn diese derselben Besteuerung unterlegen hätten wie Unternehmen mit höherem Umsatz (und somit größere Unternehmen).

15      Zum Vorliegen eines Vorteils wies die Kommission darauf hin, dass Maßnahmen, welche die von den Unternehmen normalerweise zu tragenden Belastungen verminderten, genauso wie positive Leistungen einen Vorteil verschafften. Im vorliegenden Fall seien Unternehmen mit niedrigem Umsatz dadurch, dass sie einem wesentlich niedrigeren Durchschnittssteuersatz unterlägen, im Vergleich zu Unternehmen mit hohem Umsatz weniger belastet worden, was den kleineren Unternehmen gegenüber größeren Unternehmen einen Vorteil verschafft habe. Der Umstand, dass das Werbesteuergesetz für Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, die Möglichkeit vorsehe, von der Steuerbemessungsgrundlage vorgetragene Verluste in Höhe von 50 % abzuziehen, stelle ebenfalls einen Vorteil dar, weil die Steuerbelastung dieser Unternehmen im Vergleich zu Unternehmen, die von dieser Steuererleichterung keinen Gebrauch machen könnten, verringert werde.

16      Zur Begünstigung bestimmter Unternehmen infolge der festgestellten Vorteile (Selektivität) legte die Kommission dar, bei einem steuerlichen Vorteil sei eine Analyse in mehreren Stufen vorzunehmen. Zunächst müsse das steuerrechtliche Bezugssystem ermittelt und sodann geprüft werden, ob die fragliche Maßnahme von diesem System abweiche, indem sie zwischen Unternehmen differenziere, die sich im Hinblick auf die inhärenten Ziele des Systems in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden; bejahendenfalls sei schließlich zu prüfen, ob diese Abweichung durch die Natur oder den inneren Aufbau des steuerrechtlichen Bezugssystems gerechtfertigt sei. Wenn keine Abweichung gegeben oder diese gerechtfertigt sei, könne das Vorliegen eines selektiven Vorteils zugunsten bestimmter Unternehmen ausgeschlossen werden, während andernfalls angenommen werden könne, dass ein solcher Vorteil vorliege.

17      Im vorliegenden Fall stellte die Kommission zunächst fest, das Bezugssystem bestehe in einer speziellen Werbesteuer auf mit Werbedienstleistungen erzielte Umsätze. Jedoch könnten die progressiven Steuersätze der Werbesteuer nicht als Teil dieses Bezugssystems betrachtet werden. Das Bezugssystem sei nämlich selbst nur dann frei von staatlichen Beihilfen, wenn es zwei Voraussetzungen erfülle:

–        Alle Werbeumsätze müssten einem einheitlichen Steuersatz unterliegen;

–        es dürfe kein Element geben, das bestimmten Unternehmen einen selektiven Vorteil verschaffe.

18      Die Kommission vertrat sodann die Ansicht, die progressive Struktur der Besteuerung stelle insoweit, als sie für die Unternehmen nicht nur zu unterschiedlichen Grenzsteuersätzen, sondern auch zu unterschiedlichen Durchschnittssteuersätzen führe, eine Abweichung von dem Bezugssystem dar, das eine Werbesteuer mit einem einheitlichen Steuersatz für alle Unternehmen vorsehe, die in Ungarn Werbung verbreiteten.

19      Auch der Umstand, dass allein Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, vorgetragene Verluste in Höhe von 50 % von der Steuerbemessungsgrundlage für 2014 abziehen könnten, stelle eine Abweichung von dem Bezugssystem, d. h. von der Regel, Betreiber auf der Grundlage ihres Werbeumsatzes zu besteuern, dar. Da die Werbesteuer auf der Besteuerung des Umsatzes beruhe, könnten Kosten anders als bei der Besteuerung des Gewinns von der Steuerbemessungsgrundlage nicht abgezogen werden.

20      Die in der progressiven Struktur der Besteuerung bestehende Abweichung von dem Bezugssystem werde auch nicht durch die Natur oder den allgemeinen Aufbau der Regelung gerechtfertigt. Soweit die ungarischen Behörden argumentierten, dass die Werbesteuer auf einer Umverteilungslogik beruhe und dass der Umsatz sowie die Größe eines Unternehmens Indikatoren für dessen Zahlungsfähigkeit seien, so dass ein Unternehmen mit hohem Werbeumsatz über eine größere Zahlungsfähigkeit verfüge als ein Unternehmen mit geringem Werbeumsatz, belegten nach Auffassung der Kommission die von den ungarischen Behörden übermittelten Informationen weder, dass der Umsatz eines Unternehmens ein geeigneter Anhaltspunkt für dessen Zahlungsfähigkeit sei, noch, dass die progressive Struktur der Steuer durch die Natur und den allgemeinen Aufbau der Steuerregelung gerechtfertigt sei. Eine progressive Umsatzbesteuerung könne nur gerechtfertigt werden, wenn sie bestimmte negative Effekte der betreffenden Tätigkeit kompensieren oder diesen entgegenwirken solle und wenn diese Effekte sich überproportional mit dem durch diese Tätigkeit erzielten Umsatz erhöhten; eine solche Situation sei aber im vorliegenden Fall nicht dargetan worden.

21      Im Übrigen lasse sich die Abzugsfähigkeit vorgetragener Verluste in Höhe von 50 % entgegen dem Vorbringen der ungarischen Behörden nicht als Maßnahme gegen Steuervermeidung und gegen die Umgehung der Steuerpflicht rechtfertigen. Durch die Maßnahme werde eine willkürliche Unterscheidung zwischen zwei Gruppen von Unternehmen eingeführt, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, nämlich Unternehmen mit Verlustvorträgen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, auf der einen Seite und Unternehmen, die 2013 Gewinne erzielt hätten, aber Verluste aus früheren Steuerjahren hätten vortragen können, auf der anderen Seite.

22      Zudem würden in der Regelung die mit der Werbesteuerschuld verrechenbaren Verluste nicht auf 2013 entstandene Verluste beschränkt; stattdessen könne ein Unternehmen, das 2013 keine Gewinne erzielt habe, auch die aus früheren Jahren vorgetragenen Verluste geltend machen. Der Abzug von Verlusten, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Werbesteuergesetzes bereits bestanden hätten, könne eine Selektivität zur Folge haben, weil bestimmte Unternehmen mit erheblichen Verlustvorträgen durch die Gewährung solcher Abzüge bevorzugt werden könnten.

23      Die unterschiedliche Behandlung sei daher willkürlich, entspreche nicht dem Charakter einer umsatzbezogenen Steuer und könne nicht als Maßnahme zur Bekämpfung von Missbrauch und Steuerflucht betrachtet werden, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würde.

24      Infolgedessen gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass weder die Natur noch der allgemeine Aufbau der Steuerregelung die fraglichen Maßnahmen rechtfertige, die Werbeunternehmen mit niedrigerem Umsatz (und somit kleineren Unternehmen) sowie Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten und 50 % ihrer Verlustvorträge von der Steuerbemessungsgrundlage für 2014 hätten abziehen können, einen selektiven Vorteil verschafften.

25      Die Kommission stellte schließlich fest, dass die fragliche Maßnahme den Wettbewerb verfälsche oder zu verfälschen drohe und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtige. Insoweit hob sie insbesondere hervor, dass der ungarische Werbemarkt für den Wettbewerb geöffnet und durch die Präsenz von Marktteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten gekennzeichnet sei, so dass die Unternehmen, denen die niedrigsten Steuersätze zugutekämen, eine Betriebsbeihilfe erhielten.

26      Zu der 2015 geänderten Fassung der Werbesteuer erklärte die Kommission, diese beruhe auf denselben Grundsätzen und Merkmalen wie die Werbesteuer von 2014.

27      Erstens sehe die neue Struktur der Steuersätze weiterhin eine Ausnahme für Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100 Mio. HUF vor (Steuersatz von 0 %), während Unternehmen mit einem höheren Umsatz Werbesteuer in Höhe von 5,3 % zahlen sollten. Die Kommission habe Ungarn Gelegenheit gegeben, die Anwendung eines Steuersatzes von 0 % auf Werbeumsätze unter 100 Mio. HUF durch die Logik der Steuerregelung (z. B. den Verwaltungsaufwand) zu rechtfertigen. Ungarn habe jedoch keine Argumente vorgebracht, die zeigten, dass die Kosten der Steuererhebung (Verwaltungsaufwand) die Höhe der Steuereinnahmen (bis zu rund 17 000 Euro pro Steuerjahr) übersteigen würden.

28      Zweitens ermögliche die optionale Rückwirkung der geänderten Werbesteuer es den Unternehmen, die aufgrund dieser Rückwirkung fällige Steuerzahlung zu umgehen, und verschaffe den Unternehmen, die die früheren Steuersätze von 0 % oder 1 % behielten und sich so dem Steuersatz von 5,3 % entzögen, einen wirtschaftlichen Vorteil.

29      Drittens sei die Möglichkeit eines Abzugs von 50 % der Verlustvorträge von der Steuerbemessungsgrundlage für 2014, die auf Unternehmen beschränkt sei, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet hätten, durch die Änderung von 2015 nicht abgeschafft worden; vielmehr habe die Neuregelung diese Möglichkeit unverändert gelassen.

30      Demzufolge war die Kommission der Auffassung, dass das 2015 geänderte Werbesteuergesetz weiterhin genau die Elemente aufweise, die sie schon im Zusammenhang mit der Regelung von 2014 als staatliche Beihilfen gewertet habe.

31      Am 16. Mai 2017 erließ das ungarische Parlament das Gesetz Nr. XLVII von 2017 zur Änderung des Werbesteuergesetzes. Durch dieses Gesetz wurde im Kern die Werbesteuer rückwirkend aufgehoben.

32      Hierzu führt die Kommission in ihren Schriftsätzen vor dem Gericht aus, Ungarn habe keinen Gebrauch von der im 91. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses vorgesehenen Möglichkeit gemacht, innerhalb von zwei Monaten nach Erlass dieses Beschlusses rückwirkend einen einheitlichen Steuersatz festzulegen. Da Ungarn die bereits erhobene Werbesteuer aber rückwirkend („als Überzahlung“) aufgehoben habe, und zwar ausdrücklich, um dem angefochtenen Beschluss nachzukommen, sei die Pflicht zur Rückforderung der zuvor festgestellten Beihilfen erloschen.

 Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

33      Mit Schriftsatz, der am 16. Januar 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Ungarn die vorliegende Klage erhoben.

34      Mit gesondertem Schriftsatz, der am gleichen Tag eingegangen ist, hat Ungarn einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Beschlusses eingereicht (Rechtssache T‑20/17 R).

35      Der Präsident des Gerichts hat mit Beschluss vom 23. März 2017, Ungarn/Kommission (T‑20/17 R, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:203), den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

36      Die Kommission hat am 27. März 2017 eine Klagebeantwortung eingereicht.

37      Die Republik Polen hat mit Schriftsatz, der am 19. Mai 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt, im Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge Ungarns zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 30. Mai 2017 hat der Präsident der Neunten Kammer des Gerichts diesen Streitbeitritt zugelassen.

38      Ungarn, die Kommission und die Republik Polen haben am 15. Mai, 28. Juni und 26. Juli 2017 jeweils eine Erwiderung, eine Gegenerwiderung und einen Streithilfeschriftsatz eingereicht.

39      Ungarn und die Kommission haben am 7. November 2017 Stellungnahmen zum Streithilfeschriftsatz der Republik Polen eingereicht.

40      Mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 hat Ungarn einen mit Gründen versehenen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

41      Das Gericht (Neunte Kammer) hat auf Vorschlag des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Das Gericht hat auch beschlossen, Ungarn drei Fragen zu stellen, die in der mündlichen Verhandlung beantwortet werden sollten.

42      In der Sitzung vom 10. Januar 2019 haben die Verfahrensbeteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

43      Ungarn, unterstützt durch die Republik Polen, beantragt,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        hilfsweise, den Teil des angefochtenen Beschlusses für nichtig zu erklären, in dem auch die im Jahr 2015 geänderte Regelung als verbotene staatliche Beihilfe eingestuft wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

44      Die Kommission beantragt,

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        Ungarn und der Republik Polen die Verfahrenskosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

45      Ungarn stützt seine Klage auf drei Klagegründe, mit denen es erstens einen Rechtsfehler bei der Einstufung der fraglichen Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV, zweitens eine Verletzung der Begründungspflicht und drittens einen Ermessensmissbrauch geltend macht.

46      Im vorliegenden Fall erscheint es zweckmäßig, zunächst den Klagegrund zu prüfen, mit dem ein Rechtsfehler bei der Einstufung der fraglichen Maßnahmen als staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV gerügt wird.

47      Vorab ist festzustellen, dass die Kommission zwar in den Gründen des angefochtenen Beschlusses angenommen hat, die optionale Rückwirkung der Werbesteuer in ihrer 2015 geänderten Fassung verschaffe, wie oben in Rn. 28 erwähnt, bestimmten Unternehmen einen Vorteil, dass diese Beurteilung im verfügenden Teil des angefochtenen Beschlusses jedoch keinen Niederschlag gefunden hat; dieser Faktor wurde daher, wie der Vertreter der Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, nicht als Bestandteil einer staatlichen Beihilfe identifiziert. Es bedarf somit keiner Prüfung des gegen diese Beurteilung der Kommission gerichteten Vorbringens.

48      Im Übrigen trägt Ungarn vor, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Werbesteuer selektive Maßnahmen zugunsten bestimmter Unternehmen enthalte. Weder die progressive Struktur der Steuer noch die Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für die 2013 defizitären Unternehmen stelle eine staatliche Beihilfe dar.

 Zur progressiven Struktur der Steuer

49      Ungarn macht zunächst geltend, es gebe keine Verpflichtung, eine progressive Struktur der Umsatzbesteuerung an sich zu rechtfertigen, damit diese nicht als staatliche Beihilfe qualifiziert werde. Es bestehe nämlich kein Unterschied zwischen der Besteuerung des Gewinns, bei der die Kommission die Progression akzeptiere, und der Besteuerung des Umsatzes, denn beide Steuerarten wiesen hinsichtlich der Kriterien für die Einstufung als staatliche Beihilfen dieselben Merkmale auf, wenn sie durch einen progressiven Steuertarif gekennzeichnet seien. In Anbetracht der Steuervielfalt könne der nationale Gesetzgeber zahlreiche Instrumente einsetzen, um die öffentlichen Lasten optimal zu verteilen. Da beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts immer noch die Mitgliedstaaten für die Festlegung der Steuersätze bei den direkten Steuern zuständig seien, hätten folglich die Vorschriften über die Werbesteuer, insbesondere der Rückgriff auf einen Tarif mit progressiven Steuersätzen, nicht eigens gerechtfertigt zu werden brauchen. Die Prüfung, ob eine Steuer staatliche Beihilfen beinhalte, hänge nicht von den Gründen ab, aus denen die Grundstruktur dieser Steuer gewählt worden sei.

50      Zur Verdeutlichung seines Vorbringens verweist Ungarn auf die Urteile vom 9. Mai 1985, Humblot (112/84, EU:C:1985:185), vom 17. September 1987, Feldain (433/85, EU:C:1987:371), vom 27. Oktober 2005, Distribution Casino France u. a. (C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, EU:C:2005:657), sowie vom 5. Februar 2014, Hervis Sport- és Divatkereskedelmi (C‑385/12, EU:C:2014:47), und führt aus, der Gerichtshof habe in keiner der von ihm geprüften Rechtssachen, die durch einen progressiven Steuertarif gekennzeichnete Steuerregelungen der Mitgliedstaaten betroffen hätten, entschieden, dass die betreffende Regelung deshalb als solche eine staatliche Beihilfe beinhalte oder gegen das Unionsrecht verstoße, weil der Steuertarif progressiv gestaffelte Steuersätze enthalte. Die Mitgliedstaaten seien nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs somit befugt, eine progressive Belastung bei einer Steuer mit einer anderen Besteuerungsgrundlage als dem Gewinn vorzusehen, ohne dass dies vom Grundsatz her eine staatliche Beihilfe zur Folge hätte.

51      Sollte hingegen entschieden werden, dass die Werbesteuer zu Recht als staatliche Beihilfe eingestuft worden sei, dann könnte die Kommission jede progressive Steuerregelung beihilferechtlich beanstanden, was zu einem willkürlichen Verbot einer derartigen steuerlichen Maßnahme führen würde.

52      Im Einzelnen macht Ungarn zu den beihilferechtlichen Kriterien im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV Folgendes geltend.

53      Was die Kriterien bezüglich des Einsatzes staatlicher Mittel und des Vorliegens eines Vorteils betrifft, so bestreitet Ungarn die Feststellung der Kommission im 42. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses, wonach „Ungarn auf Einnahmen [verzichtet], die es andernfalls von Unternehmen mit einem geringeren einschlägigen Umsatz (und somit von kleineren Unternehmen) erheben müsste, wenn sie derselben Besteuerung unterlegen hätten wie Unternehmen mit höherem Umsatz (und somit größere Unternehmen)“. Die Werbesteuer befreie nämlich die „Unternehmen mit einem geringeren einschlägigen Umsatz“ nicht von irgendeiner Steuerlast; vielmehr falle ihre Steuerbemessungsgrundlage nicht in die Steuerstufen, von denen an die höheren Steuersätze fällig würden. Diese Unternehmen entrichteten auf der „geringeren“ Steuerstufe ihrer Steuerbemessungsgrundlage somit eine Steuer in derselben Höhe wie die „Unternehmen mit höherem Umsatz“ auf derselben Steuerstufe ihrer Steuerbemessungsgrundlage.

54      Zu dem im angefochtenen Beschluss (Erwägungsgründe 50 bis 59) enthaltenen Vergleich verschiedener Steuersätze bemerkt Ungarn, die Kommission dürfe weder ein fiktives Bezugssystem mit einem einheitlichen oder mit einem ermittelten durchschnittlichen Steuersatz konzipieren noch die Rechtmäßigkeit einer mitgliedstaatlichen Steuerregelung prüfen, indem sie diese mit einem solchen fiktiven System vergleiche. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sei es nicht zulässig, eine Abweichung von dem Bezugssystem dadurch festzustellen, dass auf ein anderes Bezugssystem abgestellt werde, das willkürlich zu dem Zweck bestimmt worden sei, einen Vorteil zu entdecken.

55      Es sei daher nicht ordnungsgemäß nachgewiesen worden, dass die progressive Struktur der Werbesteuer selektive Vorteile verschaffe. Diese Struktur, auf der die Selektivität der Kommission zufolge beruhe, weiche nämlich nicht – wie auch die polnische Regierung hervorhebt – von dem Bezugssystem ab, zu dem sie gehöre, da sie ein Bestandteil dieses Systems sei.

56      Bei der Bemessungsgrundlage der Werbesteuer werde keine Differenzierung vorgenommen und gelte im Rahmen einer progressiv gestaffelten Besteuerung ein und derselbe Durchschnittssteuersatz für jeden Steuerpflichtigen mit derselben Steuerbemessungsgrundlage, so dass die auf dieser Grundlage berechnete Steuer jeweils gleich hoch sei. Es sei mithin keine Abweichung von dem Bezugssystem gegeben.

57      Im Unterschied zu der Steuerregelung, die Gegenstand des Urteils vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), gewesen sei und mit der eine bestimmte Gruppe von Unternehmen habe begünstigt werden sollen, nämlich die „Offshore-Unternehmen“ (die keine Arbeitnehmer beschäftigt und keine Geschäftsräume genutzt hätten und somit de facto von der Steuer befreit gewesen seien), werde die Werbesteuer von jedem Steuerpflichtigen nach Maßgabe seines Umsatzes und aufgrund der Steuersätze entrichtet, die auf jeder einzelnen Steuerstufe einheitlich anwendbar seien. Die beiden Rechtssachen seien daher nicht miteinander vergleichbar.

58      Der vorliegende Fall entspreche auch nicht einer Situation, in der eine Abgabe als Bestandteil einer Beihilfemaßnahme angesehen werden könne, wie sie im Urteil vom 27. Oktober 2005, Distribution Casino France u. a. (C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, EU:C:2005:657), festgestellt worden sei, wenn das Aufkommen aus dieser Abgabe notwendig für die Finanzierung einer Beihilfe verwendet werde. Da das Aufkommen aus der Werbesteuer in den allgemeinen Staatshaushalt eingestellt werde, könne unmöglich bestimmt werden, welche Ausgaben mit diesen Einnahmen konkret finanziert würden.

59      Daraus schließt die ungarische Regierung, dass der fragliche Tarif mit progressiv gestaffelten Steuersätzen weder eine selektive Wirkung habe noch einen finanziellen Vorteil verschaffe, weil der Betrag der Werbesteuer sowohl nach den ursprünglichen als auch nach den 2015 geänderten werbesteuerrechtlichen Vorschriften jeweils für dieselbe Steuerbemessungsgrundlage gleich hoch sei.

60      Die polnische Regierung trägt ergänzend vor, selbst wenn die progressiven Steuersätze nicht Teil des für die Werbesteuer spezifischen Bezugssystems sein sollten, begünstigten sie keine Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der Werbesteuer verfolgte Hauptziel in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation wie andere Unternehmen befänden. Da die Struktur dieser Steuersätze nämlich auf einer nach Steuerstufen gestaffelten Progression und nicht auf einer allgemeinen Progression beruhe, stehe sie im Einklang mit dem Gleichheitsgebot. Denn innerhalb ein und derselben umsatzbezogenen Steuerstufe würden alle Unternehmen genau auf dieselbe Weise behandelt, da sie ein und demselben Steuersatz unterlägen, so dass keine Kategorie von Unternehmen als privilegiert angesehen werden könne.

61      Auf dieses Vorbringen, mit dem geltend gemacht wird, die Progression der Werbesteuer sei mit keiner staatlichen Beihilfe verbunden, erwidert die Kommission, die Situationen, die Gegenstand der Urteile vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981), gewesen seien, entsprächen der Fallgestaltung der Werbesteuer.

62      Vor allem ergebe sich aus dem Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), dass für die Feststellung, ob eine steuerliche Maßnahme bestimmten Unternehmen einen selektiven Vorteil verschaffe, nicht die Prüfung ausreiche, ob eine Abweichung von den Vorschriften des Bezugssystems vorliege, so wie der betreffende Mitgliedstaat sie selbst festgelegt habe, sondern dass auch untersucht werden müsse, ob die Grenzen bzw. die Struktur dieses Bezugssystems kohärent oder aber – wie im vorliegenden Fall – eindeutig willkürlich oder voreingenommen festgelegt worden seien, um diese Unternehmen angesichts der normalen Zielsetzung dieses Systems zu bevorzugen. In diesem Urteil habe der Gerichtshof entschieden, dass sich die selektive Begünstigung bestimmter von der Steuer befreiter Unternehmen aus der Konzeption der fraglichen Steuer ergebe, obwohl damit das Ziel verfolgt worden sei, eine allgemeine Besteuerung einzuführen.

63      Auf einer ähnlichen Situation beruhe die Feststellung in den Erwägungsgründen 50 bis 54 des angefochtenen Beschlusses, dass Ungarn das im Rahmen der Werbesteuer angewandte System der progressiv gestaffelten Besteuerung von Anfang an gezielt als selektives Bezugssystem angelegt habe, um bestimmte Unternehmen gegenüber anderen zu bevorzugen.

64      Soweit Ungarn unter Berufung auf das Urteil vom 27. Oktober 2005, Distribution Casino France u. a. (C‑266/04 bis C‑270/04, C‑276/04 und C‑321/04 bis C‑325/04, EU:C:2005:657), geltend mache, dass wegen des fehlenden Verwendungszusammenhangs zwischen der Werbesteuer und der Finanzierung spezifischer Maßnahmen das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe ausgeschlossen werden könne, sei dieses Urteil nicht einschlägig, da es im vorliegenden Fall nicht um eine durch die Steuer finanzierte Beihilfemaßnahme, sondern um die mit dieser Steuer selbst aufgrund ihrer Konzeption bewirkten Beihilfen gehe.

65      Im Übrigen bedeute ein auf jeder Stufe des Steuertarifs einheitlicher Steuersatz nicht, dass die Steuerpflichtigen gleichbehandelt würden, da nur die Steuerpflichtigen mit einem höheren Umsatz unter die höheren Steuersätze der höheren Stufen fielen. Für einen Steuerpflichtigen komme es auf den tatsächlichen Durchschnittssteuersatz und den Betrag der Gesamtbelastung an, nicht darauf, ob der Steuersatz auf irgendeiner Steuerstufe einheitlich sei oder nicht. Im Vergleich zu einer für alle Steuerpflichtigen im gleichen Verhältnis geltenden Umsatzbesteuerung mit einem einheitlichen Steuersatz hätten im Rahmen der progressiven Werbesteuer im Allgemeinen diejenigen Unternehmen eine höhere Steuerlast zu tragen, die die höchsten Steuerstufen erreichten.

66      Entgegen dem Vorbringen Ungarns habe die Kommission kein „auf einem einheitlichen Steuersatz beruhendes“ neues Bezugssystem zugrunde gelegt. Während der Durchschnittssteuersatz, auf den sie verwiesen habe, jedem Unternehmen eigen sei, habe sie in den Erwägungsgründen 48 und 56 des angefochtenen Beschlusses eine Werbesteuer mit einheitlichem Steuersatz beschrieben, die als Bezugssystem dienen solle und bei der es weder Steuerstufen noch einen progressiven Tarif gebe; dies sei ihres Erachtens das einzige System, mit dem eine Diskriminierung zwischen Unternehmen vermieden werden könne, die sich im Hinblick auf das mit der Werbesteuer verfolgte Ziel in vergleichbaren Situationen befänden. Diese Argumentation folge der Begründung des Gerichtshofs im Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732). Zwar habe sie im angefochtenen Beschluss auf eine zu keiner staatlichen Beihilfe führenden Werbesteuer mit einheitlichem Steuersatz verwiesen, jedoch Ungarn über die Höhe dieses Steuersatzes frei entscheiden lassen. Dies zeige, dass sie nicht die Steuerhoheit Ungarns beschränkt, sondern nur die beihilferechtlichen Regeln angewandt habe.

67      Unter Bezugnahme auf die Erwägungsgründe 46 bis 71 des angefochtenen Beschlusses verweist die Kommission insbesondere auf die dreistufige Prüfung, die sie vorgenommen habe, um die selektive Struktur der Werbesteuer zu beurteilen.

68      Was die Selektivität des gewährten Vorteils anbelange, so habe sie im angefochtenen Beschluss nachgewiesen, dass die progressiven Steuersätze zu einer Unterscheidung zwischen Unternehmen mit hohen Werbeeinnahmen (d. h. größeren Unternehmen wie Magyar RTL) und solchen mit geringen Werbeeinnahmen (d. h. kleineren Unternehmen) führten und somit zur Folge hätten, dass Letzteren ein auf ihrer Größe beruhender selektiver Vorteil verschafft werde (Erwägungsgründe 49 bis 56). Bei einer diskriminierungsfreien Umsatzsteuer mit einheitlichem Steuersatz müsse aber ein Unternehmen mit höherem Umsatz entsprechend mehr Steuern zahlen, wobei für alle Bestandteile des Umsatzes ein einheitlicher Steuersatz gelte. Anders als bei gewinnbezogenen Steuern sollten bei Umsatzsteuern die bei der Generierung des Umsatzes entstehenden Kosten nicht berücksichtigt werden, und würden tatsächlich auch nicht berücksichtigt. Dies finde seine Erklärung darin, dass ein hoher Umsatz nicht zwangsläufig zu einem hohen Gewinn führe und der Umsatz an sich kein geeigneter Anhaltspunkt für die Zahlungsfähigkeit sei.

69      Bei Umsatzsteuern seien mehrere Steuerstufen und damit einhergehende progressive Steuersätze nur in Ausnahmefällen durch die Natur des Steuersystems gerechtfertigt, d. h., wenn das spezifische Ziel der Steuer progressive Steuersätze erforderlich mache. Progressive Steuersätze könnten z. B. gerechtfertigt sein, wenn sich die negativen externen Effekte einer Tätigkeit, denen die Steuer entgegenwirken solle, ebenfalls progressiv – also überproportional – mit dem durch die Tätigkeit erzielten Umsatz erhöhten. Ungarn habe aber nicht dargetan, dass die progressive Struktur der Werbesteuer wegen möglicher negativer externer Effekte von Werbeaktivitäten gerechtfertigt wäre.

70      Im Folgenden sind die oben zusammengefassten Argumente zu prüfen.

71      Gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

72      Nach ständiger Rechtsprechung sind Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht auf Subventionen beschränkt, denn der Beihilfebegriff umfasst nicht nur positive Leistungen wie etwa Subventionen selbst, sondern auch staatliche Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die, obwohl sie keine Subventionen im strengen Wortsinn darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. Februar 1961, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, 30/59, EU:C:1961:2, S. 42, vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 33, vom 15. März 1994, Banco Exterior de España, C‑387/92, EU:C:1994:100, Rn. 13, und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 71).

73      Daraus folgt, dass im Bereich der Steuern eine Maßnahme, mit der die staatlichen Behörden bestimmten Unternehmen eine steuerliche Vergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber die Begünstigten finanziell besserstellt als die übrigen Abgabepflichtigen, eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. März 1994, Banco Exterior de España, C‑387/92, EU:C:1994:100, Rn. 14, vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 72, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 56).

74      Um nachzuweisen, dass bestimmte Unternehmen steuerlich bevorzugt behandelt werden, d. h., dass die fragliche Maßnahme selektiver Natur ist, muss festgestellt werden, ob diese Maßnahme im Rahmen einer bestimmten rechtlichen Regelung geeignet ist, bestimmte Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Regelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission, 173/73, EU:C:1974:71, Rn. 33; vgl. auch Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich, C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

75      Insbesondere setzt die Einstufung einer vorteilhaften steuerlichen Maßnahme als „selektiv“ nach der in der Rechtsprechung verankerten Prüfungsmethode in einem ersten Schritt voraus, dass im Vorfeld die geltende allgemeine oder „normale“ Steuerregelung ermittelt und geprüft wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 57, und vom 28. Juni 2018, Andres [Insolvenz Heitkamp BauHolding]/Kommission, C‑203/16 P, EU:C:2018:505, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung).

76      Anhand dieser Steuerregelung ist dann in einem zweiten Schritt zu beurteilen und gegebenenfalls festzustellen, ob der mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährte Vorteil selektiv ist, wenn nämlich dargetan wird, dass diese Maßnahme von dem „allgemeinen“ System insoweit abweicht, als sie zwischen Wirtschaftsteilnehmern differenziert, die sich im Hinblick auf das mit der geltenden allgemeinen oder „normalen“ Steuerregelung verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a., C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 49, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 57). Die Steuervergünstigung, d. h. die Differenzierung, kann jedoch keinen selektiven Vorteil darstellen, wenn sie aus der Natur und der Struktur der Regelung gerechtfertigt ist, zu der sie gehört (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke, C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 42, vom 15. Dezember 2005, Unicredito Italiano, C‑148/04, EU:C:2005:774, Rn. 51 und 52, vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 52, vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission, C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 83, und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 58 und 60).

77      Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass mit der Natur der „normalen“ Regelung das damit verfolgte Ziel gemeint ist, während unter der Struktur der „normalen“ Regelung deren Besteuerungsvorschriften zu verstehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 81, und vom 7. März 2012, British Aggregates/Kommission, T‑210/02 RENV, EU:T:2012:110, Rn. 84). Der vorstehend erwähnte Begriff Ziel oder Natur der „normalen“ Steuerregelung bezieht sich auf die Grund- oder Leitprinzipien dieser Steuerregelung; er bezieht sich weder auf die mit dem betreffenden Steueraufkommen gegebenenfalls finanzierten Politikfelder noch auf die mit der Einführung von Abweichungen von dieser Steuerregelung möglicherweise verfolgten Ziele.

78      Im vorliegenden Fall ist zunächst zu prüfen, welches die „normale“ Steuerregelung ist, anhand deren grundsätzlich untersucht werden muss, ob ein selektiver Vorteil vorliegt.

79      Soweit die Kommission im angefochtenen Beschluss vor allem auf das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), verweist, ist festzustellen, dass die drei Steuern, die Gegenstand der Rechtssachen waren, in denen jenes Urteil ergangen ist, zusammengenommen die allgemeine Steuerregelung für alle in Gibraltar niedergelassenen Unternehmen bildeten, während im vorliegenden Fall die von der Kommission als staatliche Beihilfe eingestufte Maßnahme Bestandteil einer die Verbreitung von Werbung betreffenden sektorspezifischen Steuer ist. Die Geltung der „normalen“ Steuerregelung kann sich daher keinesfalls über diesen Sektor hinaus erstrecken (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 54 bis 63).

80      Ungarn weist somit zu Recht darauf hin, dass die Steuersätze vom Inhalt einer Steuerregelung nicht abstrahiert werden können, wie es die Kommission getan hat (vgl. 48. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses). Unabhängig davon, ob es sich um einen einheitlichen oder einen progressiven Steuertarif handelt, gehört die Höhe der Belastung ebenso wie die Bemessungsgrundlage, der Steuertatbestand und der Kreis der Steuerpflichtigen zu den grundlegenden Merkmalen einer rechtlichen Regelung über die Erhebung einer Steuer. Wie die polnische Regierung hervorhebt, erklärt selbst die Kommission in Rn. 134 ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 [AEUV] (ABl. 2016, C 262, S. 1): „Im Falle von Steuern setzt sich das Bezugssystem aus Elementen wie der Steuerbemessungsgrundlage, den Steuerpflichtigen, dem Steuertatbestand und den Steuersätzen zusammen.“ Ist die Höhe der Belastung, anhand deren sich die Struktur der „normalen“ Regelung bestimmen lässt, nicht festgelegt, kann auch nicht geprüft werden, ob eine Abweichung vorliegt, die bestimmte Unternehmen begünstigt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission, C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 56, und vom 7. März 2012, British Aggregates/Kommission, T‑210/02 RENV, EU:T:2012:110, Rn. 52). Deshalb muss für den Fall, dass im Rahmen ein und derselben Steuer für bestimmte Unternehmen andere Steuersätze sowie andere Steuerbefreiungen gelten als für andere Unternehmen ermittelt werden, welche die „normale“ Situation in diesem Bereich ist, die von der „normalen“ Regelung erfasst wird; andernfalls kann die oben in den Rn. 75 und 76 erwähnte Prüfungsmethode nicht angewandt werden.

81      Im Übrigen ergibt sich aus dem angefochtenen Beschluss und aus dem Verteidigungsvorbringen der Kommission, dass diese versucht hat, eine „normale“ Regelung mit einer Abgabenstruktur als Bezugssystem zu bestimmen. Insbesondere aus den Erwägungsgründen 52 und 53 des angefochtenen Beschlusses geht hervor, dass im Rahmen dieser Regelung nach Ansicht der Kommission der Umsatz der Unternehmen unabhängig von seiner Höhe mit einem einheitlichen Steuersatz belastet werden sollte. Die Kommission hat übrigens bedauert, dass die ungarischen Behörden ihr keinen Wert für diesen einheitlichen Satz genannt hätten (52. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses), und sogar den Satz von 5,3 % für alle Werbeumsätze vorgeschlagen (Erwägungsgründe 91 und 93 des angefochtenen Beschlusses). Es ist jedoch festzustellen, dass die „normale“ Regelung mit einem einheitlichen Steuersatz, auf die sich die Kommission an manchen Stellen des angefochtenen Beschlusses bezogen hat, eine hypothetische Regelung ist, die nicht herangezogen werden konnte. Die – im Rahmen der oben in den Rn. 75 und 76 erwähnten Methode in einem zweiten Schritt vorzunehmende – Prüfung, ob ein Steuervorteil selektiver Natur ist, muss nämlich im Hinblick auf die – im Rahmen dieser Methode in einem ersten Schritt ermittelten – tatsächlich vorhandenen Merkmale der „normalen“ Steuerregelung, in die er sich einfügt, erfolgen, nicht aber im Hinblick auf Hypothesen, die von der zuständigen Behörde nicht in Betracht gezogen worden sind.

82      Die Kommission hat infolgedessen dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie im angefochtenen Beschluss auf eine „normale“ Regelung abgestellt hat, die entweder unvollständig (ohne Steuersatz) oder hypothetisch (mit einem einheitlichen Steuersatz) war.

83      In Anbetracht der progressiven Natur der fraglichen Steuer und des Umstands, dass es keine unterschiedlich gestaffelten Steuersätze für bestimmte Unternehmen gab, konnte im vorliegenden Fall, wie die ungarische Regierung vorträgt, als einzige „normale“ Regelung die Werbesteuer als solche mit ihrer durch einen progressiven Einheitstarif sowie durch Steuerstufen gekennzeichneten Struktur herangezogen werden.

84      Es ist jedoch zu prüfen, ob die Schlussfolgerung der Kommission trotz des Fehlers, der ihr bei der Identifizierung der relevanten „normalen“ Steuerregelung unterlaufen ist, nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt ist, die sich im angefochtenen Beschluss finden und aufgrund deren gegebenenfalls festgestellt werden kann, dass bestimmte Unternehmen einen selektiven Vorteil erhalten haben.

85      Die Kommission hat nämlich nicht nur angenommen, die progressive Struktur der fraglichen Besteuerung weiche von einer „normalen“ Regelung ab – die sie im vorliegenden Fall unvollständig oder hypothetisch bestimmt hatte –, sondern das Vorliegen eines selektiven Vorteils zugunsten von Unternehmen mit geringem Umsatz im Wesentlichen auch unter Berufung auf das Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), begründet, das eine Steuerregelung betraf, die als solche im Hinblick auf das mit ihr angeblich verfolgte Ziel, d. h. im Hinblick auf ihre Natur, diskriminierend war. Im vorliegenden Fall ging die Kommission davon aus, die Struktur der Werbesteuer mit ihren progressiven Steuersätzen und ihren Steuerstufen stehe im Widerspruch zu dem mit dieser Steuer verfolgten Ziel und habe eine Diskriminierung zwischen den Unternehmen dieses Sektors zur Folge. Es ist somit zu prüfen, ob diese Beurteilung begründet ist.

86      Im 49. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat die Kommission ausgeführt, es müsse „auch geprüft werden, ob der Mitgliedstaat die Grenzen [des Bezugssystems] auf einheitliche Weise oder, im Gegenteil, eindeutig willkürlich oder voreingenommen festgelegt hat, um bestimmte Unternehmen gegenüber anderen zu bevorzugen“. Im 51. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses hat sie dargelegt, „[d]ie mit dem Gesetz eingeführten progressiven Steuersätze [bewirkten] also, dass verschiedene Unternehmen abhängig von ihrer Größe einer unterschiedlichen Besteuerung unterliegen (ausgedrückt als Anteil an ihrem insgesamt aus Werbedienstleistungen erwirtschafteten Jahresumsatz), da der von den Unternehmen erzielte Werbeumsatz in gewissem Maße mit ihrer Größe korreliert“. Im 54. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses heißt es außerdem, „[d]as Bezugssystem [sei] daher auf eine Weise selektiv angelegt, die im Hinblick auf das Ziel der Werbesteuer, nämlich die Förderung des Grundsatzes der öffentlichen Lastenverteilung und die Einnahme von Mitteln für den Staatshaushalt, nicht gerechtfertigt ist“.

87      Das von der Kommission genannte Ziel, Einnahmen für den Haushalt zu erzielen, ist jedoch allen nicht zweckgebundenen Steuern gemeinsam, die den Kern der Steuerregelungen ausmachen, und reicht für sich allein nicht aus, um die Natur der verschiedenen Steuern zu ergründen, z. B. anhand des Wesens der von ihnen erfassten Steuerpflichtigen, anhand ihres allgemeinen oder sektorspezifischen Charakters oder anhand des mit ihnen eventuell verfolgten Ziels wie etwa bei Steuern, durch die bestimmte Umweltschäden verringert werden sollen (Ökosteuer). Im Übrigen kann die progressive Tarifstruktur einer Steuer an sich nicht im Widerspruch zu dem Ziel, Einnahmen dem Haushalt zuzuführen, stehen. Auch das Ziel, eine gerechte Besteuerung zu fördern, ist sehr allgemein und könnte für die meisten Steuern angeführt werden. Es kann daher nicht dem spezifischen Ziel einer Steuer entsprechen.

88      Aus den Akten geht hervor, dass mit dem Werbesteuergesetz eine Steuer auf den Umsatz von Werbungsverbreitern eingeführt wurde, die den ungarischen Behörden zufolge, wie sich aus dem 33. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses ergibt, auf einer Umverteilungslogik beruhen sollte. Da keine andere spezielle Zweckrichtung genannt wurde, wie etwa die Kompensation oder Vermeidung negativer Effekte der betreffenden Tätigkeit, ist davon auszugehen, dass der nationale Gesetzgeber dieses Ziel verfolgt hat. Die Kommission nahm im angefochtenen Beschluss aber den Standpunkt ein, dass eine Umverteilungslogik in Form einer progressiven Tarifstruktur mit einer Umsatzsteuer unvereinbar sei, weshalb dieses Ziel bei der Prüfung etwaiger selektiver Vorteile keine Berücksichtigung finden könne.

89      Entgegen dem Vorbringen der Kommission stand die durch einen progressiven Steuertarif gekennzeichnete Struktur der Werbesteuer jedoch a priori im Einklang mit dem Ziel der ungarischen Behörden, auch wenn die fragliche Steuer auf den Umsatz erhoben wurde.  Es kann nämlich durchaus davon ausgegangen werden, dass ein Unternehmen mit hohem Umsatz wegen verschiedener Größenvorteile relativ geringere Kosten als ein Unternehmen mit niedrigem Umsatz hat – da die fixen Stückkosten (z. B. Gebäude, Grundsteuern, Ausrüstung, Personalkosten) und die variablen Stückkosten (z. B. Versorgung mit Rohstoffen) mit steigendem Geschäftsvolumen abnehmen – und somit ein relativ höheres verfügbares Einkommen erzielt, weshalb es eine im Verhältnis höhere Umsatzsteuer entrichten kann.

90      Die Kommission hat daher einen weiteren Fehler bei der Identifizierung des mit der Werbesteuer verfolgten Ziels begangen, das, wie die ungarischen Behörden dargelegt haben, darin bestand, eine sektorspezifische Besteuerung des Umsatzes unter Berücksichtigung einer Umverteilungslogik einzuführen.

91      In diesem Stadium der Prüfung stellt sich die Frage, ob die Kommission trotz der beiden vorstehend festgestellten Fehler bei der Bestimmung des Bezugssystems und dessen Zielsetzung zu Recht weitere Umstände dartun konnte, die ausweislich des Werbesteuergesetzes belegen, dass die Werbesteuer unter Berücksichtigung des Bezugssystems (siehe oben, Rn. 83) und dessen Zielsetzung (siehe oben, Rn. 88) mit selektiven Vorteilen verbunden ist. Die Frage geht, genauer gesagt, dahin, ob die Kommission nachgewiesen hat, dass die von den ungarischen Behörden gewählte Struktur der Besteuerung im Widerspruch zu dem mit dieser Regelung verfolgten Ziel steht.

92      Der Unionsrichter hat sich bereits mehrfach zur Frage selektiver Vorteile im Rahmen von Steuerregelungen oder ganz allgemein von Regelungen über Zwangsabgaben geäußert, die dadurch gekennzeichnet waren, dass sie Bestimmungen zur Anpassung dieser Abgaben je nach der Situation der Abgabepflichtigen enthielten. Insoweit folgt aus dem Umstand, dass eine Steuer durch eine progressive Tarifstruktur, durch Abschläge auf die Bemessungsgrundlage, durch Steuerbegrenzungen oder durch andere Anpassungsmechanismen gekennzeichnet ist und zu unterschiedlichen tatsächlichen Steuerbelastungen je nach dem Umfang der Bemessungsgrundlage der Steuerpflichtigen oder nach den Parametern der erwähnten Anpassungsmechanismen führt, nicht zwangsläufig, wie der oben in den Rn. 73 bis 77 angeführten Rechtsprechung zu entnehmen ist, dass damit ein selektiver Vorteil für bestimmte Unternehmen verbunden wäre.

93      Diese Feststellung kann insbesondere durch verschiedene konkrete Beispiele im Zusammenhang mit der oben in Rn. 91 aufgeworfenen Frage verdeutlicht werden, die zeigen, unter welchen Umständen eine Abweichung von der „normalen“ Regelung deshalb vorliegen kann, weil eine Maßnahme zur Anpassung der in Rede stehenden Steuer die Natur dieser Regelung, d. h. das mit dieser verfolgte Ziel, verkennt.

94      In den Fällen, in denen eine solche Abweichung festgestellt wurde – nämlich in den Urteilen vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 49 bis 55), vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757, Rn. 86 und 87), vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280), vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 85 bis 108), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 58 bis 94 in Verbindung mit Rn. 123) – und in denen es jeweils um eine Steuerbegrenzung (im ersten Urteil), um Steuerbefreiungen (in den drei folgenden Urteilen) und um Minderungen der Steuerbemessungsgrundlage (im letzten Urteil) ging, hat der Gerichtshof angesichts der mit den betreffenden Steuern verfolgten Ziele – Bekämpfung negativer externer, insbesondere ökologischer, Effekte (in den ersten drei Urteilen), Einführung einer allgemeinen Steuerregelung für sämtliche Unternehmen (im folgenden Urteil) und Abschreibung des aus dem Erwerb von Unternehmensbeteiligungen resultierenden Geschäfts- und Firmenwerts unter bestimmten Umständen von der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage (im letzten Urteil) – entschieden, dass die Vorteile, die nur für bestimmte Unternehmen, nicht aber für andere vorgesehen waren, die sich im Hinblick auf diese Ziele in einer vergleichbaren Situation befanden, aus diesem Grund selektiver Natur waren.

95      Aus diesen Urteilen ergibt sich, dass der Vorteil – unabhängig davon, ob mit der Steuer auch ein Ziel verfolgt wird, das auf die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit der steuerpflichtigen Unternehmen gerichtet ist, ob der Vorteil einen besonderen Wirtschaftssektor gegenüber den übrigen steuerpflichtigen Unternehmen oder eine besondere Form der Geschäftstätigkeit betrifft oder ob der Vorteil potenziell jedem steuerpflichtigen Unternehmen offensteht – selektiver Natur ist, wenn er zu Ungleichbehandlungen führt, die im Widerspruch zu dem mit der Steuer verfolgten Ziel steht. Das mit einer Steuer verfolgte Ziel kann jedoch als solches eine Anpassung zur Verteilung oder zur Begrenzung der Steuerlast beinhalten. Es können auch besondere Situationen, bei denen bestimmte Steuerpflichtige von den anderen unterschieden werden, berücksichtigt werden, ohne dass das Ziel der Steuer verkannt würde.

96      In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in dem oben in Rn. 94 angeführten Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 33 bis 36), entschieden, die teilweise Vergütung von Abgaben auf den Energieverbrauch von Unternehmen, die gewährt worden sei, wenn die Abgaben einen bestimmten Nettoproduktionswert dieser Unternehmen überstiegen hätten, stelle keine staatliche Beihilfe dar, sofern sie allen abgabepflichtigen Unternehmen unabhängig vom Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit zugutekomme, auch wenn sie bei Unternehmen mit demselben Energieverbrauch zu unterschiedlichen Abgabenbelastungen habe führen können.

97      Auch in dem oben in Rn. 94 angeführten Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 77 bis 83), hat der Gerichtshof entschieden, die Vorteile, die sich daraus ergeben könnten, dass zwei Unternehmenssteuern, deren Bemessungsgrundlage nicht der erzielte Gewinn sei, allgemein auf 15 % des Gewinns begrenzt würden, was dazu führe, dass Unternehmen mit derselben Steuerbemessungsgrundlage eventuell unterschiedlich hohe Steuern zu entrichten hätten, beruhten auf objektiven, von der Auswahl der betroffenen Unternehmen unabhängigen Kriterien und seien daher nicht selektiver Natur.

98      Im Urteil vom 8. September 2011, Paint Graphos u. a. (C‑78/08 bis C‑80/08, EU:C:2011:550, Rn. 48 bis 62), hat der Gerichtshof für Recht erkannt, im Rahmen der Körperschaftsteuer – der in jener Rechtssache „normalen“ Regelung – stelle die vollständige Steuerbefreiung für Genossenschaften keinen selektiven Vorteil dar, da diese sich nicht in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation wie Handelsgesellschaften befänden, sofern sie nachweislich unter genossenschaftsspezifischen Bedingungen tätig seien, was u. a eine deutlich niedrigere Gewinnspanne als bei Kapitalgesellschaften bedeute.

99      Im Urteil vom 29. März 2012, 3M Italia (C‑417/10, EU:C:2012:184, Rn. 37 bis 44), hat der Gerichtshof festgestellt – wobei er auch die besondere Situation bestimmter Unternehmen berücksichtigte –, dass ein Mechanismus zur Pauschalregelung alter Steuerstreitigkeiten, der Unternehmen offenstehe, wenn sie objektive Kriterien erfüllten, aufgrund deren sie sich nicht in einer ähnlichen tatsächlichen und rechtlichen Situation wie die anderen Unternehmen befänden, keinen selektiven Vorteil verschaffe, auch wenn er dazu führen könne, dass die durch ihn begünstigten Unternehmen unter sonst gleichen Umständen weniger Steuern zahlten als andere Unternehmen.

100    Auch in dem oben in Rn. 94 angeführten Urteil vom 26. April 2018, ANGED (C‑233/16, EU:C:2018:280), hat der Gerichtshof im Rahmen einer für Einzelhandelseinrichtungen erhobenen Abgabe, deren Bemessungsgrundlage im Wesentlichen aus der Verkaufsfläche bestand und mit der negative externe Effekte im Bereich des Umweltschutzes sowie der Raumordnung korrigiert und ausgeglichen werden sollten, entschieden, der 60%ige Abschlag bzw. die vollständige Abgabenbefreiung für Einrichtungen, die bestimmte Tätigkeiten ausübten, sowie für solche, deren Verkaufsfläche einen bestimmten Schwellenwert nicht überschritten, stellten keine staatlichen Beihilfen dar, wenn diese verschiedenen Einrichtungen sich hinsichtlich der Effekte, die mit der betreffenden Abgabe korrigiert und ausgeglichen werden sollten, d. h. hinsichtlich der mit dieser Abgabe verfolgten Ziele, nachweislich in einer anderen Situation als die anderen abgabepflichtigen Einrichtungen befänden.

101    Diese Beispiele bestätigen, dass es Steuern gibt, deren Natur es nicht ausschließt, sie mit Anpassungsmechanismen zu versehen, die bis zu Steuerbefreiungen reichen können, ohne dass diese Mechanismen die Gewährung selektiver Vorteile zur Folge hätten. Es liegt, kurz gesagt, keine Selektivität vor, wenn diese Besteuerungsunterschiede und die daraus eventuell resultierenden Vorteile – selbst wenn deren Rechtfertigung nur in der Aufteilung der Steuer zwischen den Steuerpflichtigen besteht – sich aus der bloßen, nicht auf einer Ausnahme beruhenden Anwendung der „normalen“ Regelung ergeben, wenn vergleichbare Situationen gleichbehandelt werden und wenn diese Anpassungsmechanismen nicht im Widerspruch zu dem mit der betreffenden Steuer verfolgten Ziel stehen. Ebenso führen Sondervorschriften, die für bestimmte Unternehmen wegen ihrer besonderen Situation eine Steuerermäßigung oder gar eine Steuerbefreiung vorsehen, nicht zwangsläufig zu einem selektiven Vorteil, wenn diese Vorschriften nicht dem mit der betreffenden Steuer verfolgten Ziel zuwiderlaufen. In diesem Zusammenhang kann der Umstand, dass nur diejenigen Steuerpflichtigen eine Maßnahme in Anspruch nehmen können, die die Voraussetzungen für deren Anwendung erfüllen, dieser Maßnahme für sich allein keinen selektiven Charakter verleihen (vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a., C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung). Derartige Mechanismen erfüllen die oben in Rn. 76 genannte Voraussetzung, wonach sie im Einklang mit der Natur und der Struktur der Regelung stehen müssen, zu der sie gehören.

102    Werden Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der Steuer verfolgte Ziel oder auf die Gründe für deren Anpassung in einer vergleichbaren Situation befinden, hingegen insoweit nicht gleichbehandelt, so führt diese Diskriminierung zu einem selektiven Vorteil, der, sofern die übrigen Voraussetzungen des Art. 107 Abs. 1 AEUV gegeben sind, eine staatliche Beihilfe darstellen kann.

103    Insbesondere progressive Tarifstrukturen, einschließlich erheblicher Abschläge auf die Bemessungsgrundlage, die in den Steuersystemen der Mitgliedstaaten nichts Außergewöhnliches sind, bedeuten daher als solche nicht, dass staatliche Beihilfen gegeben wären. In Rn. 139 ihrer Bekanntmachung zum Begriff der staatlichen Beihilfe (siehe oben, Rn. 80) erklärt die Kommission dazu, die Progression einer Einkommensteuer könne wegen der mit einer solchen Steuer verbundenen Umverteilungslogik gerechtfertigt sein. Es gibt jedoch keinen Grund, diese Einschätzung nur auf Einkommensteuern oder auf Abgaben zur Kompensation und Vermeidung gewisser negativer Effekte der betreffenden Tätigkeit anzuwenden, wie es die Kommission in den Erwägungsgründen 68 und 69 des angefochtenen Beschlusses tut, nicht aber auf die Besteuerung der Unternehmenstätigkeit anstelle des Nettoeinkommens oder des Gewinns der Unternehmen. Aus der oben in den Rn. 73 bis 77 wiedergegebenen Rechtsprechung geht nämlich nicht hervor, dass ein Mitgliedstaat, um zu vermeiden, dass eine Maßnahme zur Anpassung einer Steuer als selektiver Vorteil gewertet wird, nur auf bestimmte Zweckrichtungen begrenzte Anpassungskriterien vorsehen könnte, wie etwa die Umverteilung des Wohlstands oder die Kompensation und Vermeidung negativer externer Effekte. In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, dass die gewünschte Anpassung – anders als dies in der Rechtssache der Fall war, in der das oben in Rn. 94 angeführte Urteil vom 22. Dezember 2008, British Aggregates/Kommission (C‑487/06 P, EU:C:2008:757), ergangen ist – nicht willkürlich ist, dass sie diskriminierungsfrei angewandt wird und dass sie weiterhin dem mit der fraglichen Steuer verfolgten Ziel entspricht. Die oben in den Rn. 96, 97 und 99 erwähnten Anpassungsmechanismen, die der Gerichtshof nicht als selektiv eingestuft hat, dienten beispielsweise keiner auf negative externe Effekte ausgerichteten Besteuerung und entsprachen übrigens auch keiner Umverteilungslogik, sondern verfolgten andere Ziele. Außerdem ist es, wie bereits oben in Rn. 89 dargelegt, nicht ausgeschlossen, dass eine Umverteilungslogik auch den progressiven Tarif einer Umsatzsteuer rechtfertigen kann, wie die ungarische Regierung im vorliegenden Fall zu Recht bemerkt. Im Übrigen kann eine Umverteilungslogik, wie die oben in Rn. 98 erwähnte Rechtssache zeigt, sogar eine vollständige Steuerbefreiung für bestimmte Unternehmen rechtfertigen.

104    Ein Anpassungskriterium, das bei einer Umsatzsteuer die Form einer progressiven Besteuerung ab einem bestimmten Schwellenwert – selbst wenn dieser hoch ist – annimmt und das möglicherweise dem Wunsch entspricht, die Tätigkeit eines Unternehmens erst dann zu besteuern, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang erreicht, bedeutet daher für sich allein nicht, dass ein selektiver Vorteil gegeben wäre.

105    Aus den vorstehenden Rn. 91 bis 104 ergibt sich somit, dass die Kommission allein aus der progressiven Struktur der Werbesteuer nicht den Schluss ziehen durfte, dass mit dieser neuen Steuer selektive Vorteile verbunden seien.

106    Sollte die Kommission im angefochtenen Beschluss allerdings nachweisen, dass die konkret angewandte progressive Tarifstruktur so konzipiert ist, dass das mit dieser Steuer verfolgte Ziel weitgehend seiner Substanz beraubt wird, wäre die Annahme erlaubt, dass der Vorteil selektiver Natur ist, den Unternehmen daraus ziehen können, die von einer Nullbesteuerung oder von einer im Vergleich mit anderen Unternehmen geringen Besteuerung profitieren.

107    Es ist also noch zu prüfen, ob die Kommission im angefochtenen Beschluss diesen Nachweis geführt hat.

108    Dazu hat die Kommission im 60. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses erklärt, aus den am 17. Februar 2015 von den ungarischen Behörden übermittelten Informationen über Steuervorauszahlungen gehe hervor, dass die für Werbeumsätze in den zwei höchsten Steuerstufen geltenden Steuersätze von 30 % und 40 % im Jahr 2014 tatsächlich nur ein einziges Unternehmen betroffen hätten und dass auf dieses Unternehmen 80 % der gesamten vom ungarischen Staat eingenommenen Steuervorauszahlungen entfallen seien. Diese Zahlen veranschaulichten die konkreten Auswirkungen der nach dem Werbegesetz geltenden unterschiedlichen Behandlung von Unternehmen sowie den selektiven Charakter der darin festgelegten progressiven Steuersätze.

109    Diese Tatsachenfeststellung korreliert jedoch mit keiner anderen Argumentation als mit dem Verweis auf den Grundsatz einer progressiven Besteuerung, weshalb sie jedenfalls nicht als Begründung für den Nachweis ausreicht, dass die im vorliegenden Fall für die fragliche Steuer vorgesehene progressive Tarifstruktur mit der Zielsetzung dieser Steuer unvereinbar ist.

110    Ferner hat die Kommission im angefochtenen Beschluss zwar erklärt, dass die progressive Tarifstruktur der Werbesteuer zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmen führe, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, mit anderen Worten, dass sie zu einer diskriminierenden Behandlung führe. Sie hat sich insoweit jedoch hauptsächlich nur darauf berufen, dass der tatsächliche Durchschnittssteuersatz und der Grenzsteuersatz für die Unternehmen je nach ihrem Umsatz und ihrer Größe variieren müssten (Erwägungsgründe 50, 51, 58 und 59 des angefochtenen Beschlusses). Diese Änderung des tatsächlichen Durchschnittssteuersatzes und des Grenzsteuersatzes je nach dem Umfang der Bemessungsgrundlage ist aber das Wesen jeder Steuerregelung mit progressiver Struktur; wie oben in Rn. 104 erwähnt, ist eine derartige Regelung als solche und allein deswegen nicht geeignet, selektive Vorteile zu verschaffen. Wenn in der progressiven Tarifstruktur einer Steuer das mit dieser Steuer verfolgte Ziel zum Ausdruck kommt, kann im Übrigen nicht angenommen werden, dass sich zwei Unternehmen mit einer unterschiedlichen Steuerbemessungsgrundlage im Hinblick auf dieses Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen Situation befinden.

111    Angesichts der Fehler, die sie bei der Ermittlung der „normalen“ Steuerregelung sowie des mit dieser Regelung verfolgten Ziels und bei der Annahme, eine progressive Umsatzbesteuerung sei ihrem Wesen nach mit der Gewährung selektiver Vorteile verbunden, begangen hat, ist der Kommission im angefochtenen Beschluss folglich nicht der Nachweis gelungen, dass die Werbesteuer – sei es in ihrer ursprünglichen Fassung oder in der 2015 geänderten Fassung – aufgrund ihrer progressiven Struktur mit selektiven Vorteilen und daher mit staatlichen Beihilfen verbunden ist.

 Zur Minderung der Steuerbemessungsgrundlage wegen der für 2014 vorgesehenen Abzugsfähigkeit vorgetragener Verluste in Höhe von 50 % für Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erwirtschaftet haben

112    Ungarn macht geltend, die fragliche Minderung der Bemessungsgrundlage bringe für kein einziges Unternehmen einen selektiven Vorteil mit sich. Sie entspreche der Minderung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage aufgrund der erlittenen Vorjahresverluste, wozu auch die im Jahr 2013 rentablen Unternehmen berechtigt gewesen seien. Die verlustbezogene Minderung der Steuerbemessungsgrundlage habe somit unterschiedslos für jeden Werbesteuerpflichtigen unabhängig davon bestanden, ob er 2013 rentabel oder defizitär gewesen sei. Die Möglichkeit einer Minderung der Bemessungsgrundlage der neuen Werbesteuer habe dem Anliegen entsprochen, die Belastung bereits defizitärer Unternehmen für das erste Jahr der Besteuerung zu beschränken, worauf die ungarischen Behörden ausweislich des 33. Erwägungsgrundes des angefochtenen Beschlusses schon während der Phase der Vorprüfung dieser Steuer durch die Kommission hingewiesen hätten. Die im Jahr 2013 defizitären Unternehmen hätten sich hinsichtlich ihrer steuerlichen Verpflichtungen für das Geschäftsjahr 2014 nicht in einer ähnlichen Situation wie die im Jahr 2013 rentablen Unternehmen befunden.

113    Außerdem werde der Standpunkt Ungarns durch die Rechtssachen gestützt, in denen die Urteile vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732), und vom 21. Mai 2015, Pazdziej (C‑349/14, EU:C:2015:338), ergangen seien. Im zweiten Urteil habe der Gerichtshof eine Regelung unionsrechtlich gebilligt, mit der im Rahmen einer Steuer mit einer anderen Bemessungsgrundlage als dem Einkommen eine Besteuerung durchgeführt worden sei, die gleichwohl das Einkommen berücksichtigt habe. Es sei daher nicht ausgeschlossen, eine Regelung einzuführen, mit der ein Vorteil aufgrund von Kriterien gewährt werden könne, die mit der Bemessungsgrundlage der betreffenden Steuer nichts zu tun hätten, ohne dass damit eine staatliche Beihilfe verbunden wäre. Auch das erste Urteil zeige, dass eine Steuer aufgrund von Kriterien angepasst werden könne, die nichts mit der Bemessungsgrundlage zu tun hätten; es könne folglich argumentiert werden, dass die hier in Rede stehende Minderung der Bemessungsgrundlage eine allgemeine steuerliche Maßnahme sei, da sie unterschiedslos für alle Unternehmen nach Maßgabe eines objektiven Kriteriums gelte, das auf ihre Rentabilität abstelle.

114    Die Kommission entgegnet auf dieses Vorbringen, die Prüfung der Selektivität gegenüber dem Bezugssystem müsse anhand der Werbesteuer erfolgen, nicht aber im Hinblick auf das gesamte ungarische Steuerrecht, einschließlich der Körperschaftsteuer. Die fragliche Maßnahme verschaffe einen selektiven Vorteil, denn sie ermögliche es, die Bemessungsgrundlage der Werbesteuer und folglich die Steuerlast der betroffenen Unternehmen im Vergleich mit Unternehmen zu verringern, die für diese Verringerung nicht in Betracht kämen. Der Abzug der bei Erlass des Werbesteuergesetzes bestehenden Verluste führe zur Selektivität, weil er zum einen, wie im 55. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegt, nicht als Teil des Bezugssystems betrachtet werden könne und weil er zum anderen, wie in den Erwägungsgründen 62 bis 64 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, bestimmte Unternehmen mit erheblichen Verlustvorträgen unter Abweichung vom Bezugssystem bevorzugen könne. Die Einführung der Werbesteuer im Lauf des Jahres, die Ungarn auch aus Gründen der steuerlichen Entlastung für das erste Jahr zur Rechtfertigung der Maßnahme anführe, habe die finanziellen Planungen nicht nur der im Jahr 2013 defizitären Steuerpflichtigen, sondern auch der im selben Jahr rentablen Steuerpflichtigen beeinflusst. Beide Unternehmensgruppen befänden sich im Hinblick auf das mit der Steuer verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Situation. Im Übrigen werde im Gegensatz zur Besteuerung des Gewinns mit der Werbesteuer der Umsatz besteuert. Es sei aber, wie im 62. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses dargelegt, normalerweise nicht möglich, Kosten und somit auch Verluste von einer solchen Steuerbemessungsgrundlage abzuziehen.

115    Die von Ungarn angeführten Urteile stützten nicht seine Argumentation. Insbesondere komme die ungarische Werbesteuerregelung nicht der französischen Wohnungssteuer gleich, um die es im Urteil vom 21. Mai 2015, Pazdziej (C‑349/14, EU:C:2015:338), gegangen sei und die eine Vermögensteuer gewesen sei. Da der Umsatz Bemessungsgrundlage der Werbesteuer sei, stehe der Abzug der vorgetragenen Verluste nicht mit dieser Bemessungsgrundlage, sondern mit einem ganz anderen Faktor, dem Gewinn, im Zusammenhang. Die Abzugsfähigkeit der Verluste sei daher nicht durch das Wesen der Steuer gerechtfertigt.

116    Jedenfalls werde die Selektivität dieser Maßnahme dadurch belegt, dass der Abzug der Verluste ratione temporis auf die 2014 fällige Steuer beschränkt gewesen und ratione personae allein den 2013 defizitären Unternehmen zugutegekommen sei.

117    Zunächst ist das Vorbringen zurückzuweisen, mit dem Ungarn darauf verweist, die im Jahr 2013 rentablen Unternehmen hätten die Möglichkeit – zusätzlich zu der hier in Rede stehenden Möglichkeit –, ihre früheren Verluste von der Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer abzuziehen. Dieses Vorbringen ist für die Prüfung irrelevant, ob im Rahmen der einzigen einschlägigen Bezugsregelung, nämlich der Werbesteuer mit ihren progressiven Tarifen, ein selektiver Vorteil vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck, C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 54 und 55). Es ist allein der Frage nachzugehen, ob mit der Minderung der Bemessungsgrundlage für die im Jahr 2013 defizitären Unternehmen in diese Regelung ein Element eingeführt wird, das im Widerspruch zu ihrer Zielsetzung steht und, soweit es einen selektiven Vorteil verschafft, diskriminierend ist, wie die Kommission nach ihrer Analyse in den Erwägungsgründen 62 bis 65 des angefochtenen Beschlusses anführt.

118    Insoweit ist angesichts der Feststellungen in den vorstehenden Rn. 95 und 101 darauf hinzuweisen, dass bestimmte Anpassungen einer Steuer, mit denen besonderen Situationen Rechnung getragen werden soll, nicht als selektive Vorteilsgewährung zu verstehen sind, selbst wenn sie sich nicht aus der Natur, d. h. der Zielsetzung, des Bezugssystems ergeben, sofern die betreffenden Bestimmungen nicht im Widerspruch zu der Zielsetzung der fraglichen Steuer stehen und nicht diskriminierend sind.

119    Im vorliegenden Fall ist erstens die Annahme der Kommission im 62. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses unzutreffend, durch die Minderung der Bemessungsgrundlage könne grundsätzlich ein selektiver Vorteil gewährt werden, weil bei einer Umsatzsteuer „Kosten normalerweise nicht von der Steuerbemessungsgrundlage abzugsfähig sind“.

120    Der Gerichtshof hat nämlich, wie oben in Rn. 97 erwähnt, im Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 77 bis 83), entschieden, eine Steuerbegrenzung aufgrund objektiver Kriterien, die von der Auswahl der betroffenen Unternehmen unabhängig seien, d. h. die auf zufälligen Umständen beruhten, weise auch dann keine Selektivität auf, wenn diese Kriterien von der fraglichen Steuerbemessungsgrundlage abgekoppelt seien, wie sich insbesondere aus den Rn. 81 und 83 jenes Urteils ergibt. Eines der Kriterien für den Anspruch auf die in jenem Urteil geprüfte und als nicht selektiv befundene Steuerbegrenzung bestand gerade darin, dass kein Gewinn erzielt worden war, während die betreffende Steuer eine andere Bemessungsgrundlage hatte. Das Gleiche muss folgerichtig gelten, wenn es sich nicht um eine Steuerbegrenzung, sondern wie im vorliegenden Fall um eine Minderung der Steuerbemessungsgrundlage handelt. Außerdem kann nicht festgestellt werden, dass das von der Kommission im angefochtenen Beschluss angesprochene und oben in Rn. 112 erwähnte Anliegen, dem der ungarische Gesetzgeber Rechnung tragen wollte, dem mit der Werbesteuer verfolgten oben in Rn. 90 genannten Ziel zuwiderlaufen würde. Dieses Ziel umfasst nämlich eine Umverteilungslogik, mit der die Minderung der Bemessungsgrundlage zur Verringerung der Steuerlast für Unternehmen, die in dem Steuerjahr vor dem Veranlagungsjahr keinen Gewinn erzielten, im Einklang steht.

121    Zweitens geht aus dem Urteil vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 77 bis 83), auch hervor, dass die Kommission im 63. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht annimmt, durch die Maßnahme werde im vorliegenden Fall eine willkürliche Differenzierung zwischen verschiedenen Unternehmensgruppen eingeführt, die sich in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befänden, da nur Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erzielt hätten, vorgetragene Verluste in Höhe von 50 % von der Bemessungsgrundlage der Werbesteuer für 2014 hätten abziehen können.

122    Das von den ungarischen Behörden gewählte Unterscheidungskriterium, wonach im Jahr 2013 kein Gewinn erzielt wurde, ist nämlich objektiver Natur. Es hängt vom Zufall ab, ob die betroffenen Unternehmen dieses Kriterium erfüllen. Schließlich ist festzustellen, dass aufgrund dieses Kriteriums, mit dem im ersten Jahr nach Einführung der Werbesteuer die Steuerlast für in einer ungünstigen Lage befindliche Steuerpflichtige erleichtert werden soll, im Hinblick auf das vom ungarischen Gesetzgeber verfolgte Ziel, eine sektorspezifische Besteuerung unter Berücksichtigung einer Umverteilungslogik einzuführen, Unternehmen unterschiedlich behandelt werden, die sich nicht in einer ähnlichen Situation befinden: einerseits solche, die 2013 einen Gewinn erzielten, und andererseits solche, die im selben Jahr keinen Gewinn erzielten. Zwar ist davon auszugehen, dass das vom ungarischen Gesetzgeber gewählte Unterscheidungskriterium in bestimmten Sonderfällen von Unternehmen, die für 2013 und die vorhergehenden Jahre Verluste der gleichen Größenordnung verzeichneten, zu sogenannten „Schwelleneffekten“ führen kann, vor allem, wenn die Verluste 2013 fast ausgeglichen waren; solche Effekte sind jedoch zahlreichen Anpassungsmechanismen immanent, die notwendigerweise Grenzwerte enthalten, woraus für sich allein nicht geschlossen werden kann, dass mit solchen Mechanismen selektive Vorteile gewährt würden.

123    Schließlich kann aus der Tatsache, dass der betreffende Vorteil nur für die sich aus dem ersten Veranlagungsjahr ergebende Steuer vorgesehen war und nicht für die folgenden Steuerjahre, nicht geschlossen werden, dass Unternehmen, die davon in diesem ersten Jahr profitierten, gegenüber Unternehmen begünstigt wurden, die von demselben Vorteil hätten profitieren können, wenn er in den Folgejahren weiter gewährt worden wäre. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, einen Steuervorteil fortbestehen zu lassen; insoweit sind die zwischen zwei verschiedenen Steuerjahren bestehenden Situationen nicht miteinander vergleichbar. Im Übrigen hat die Kommission diesen Standpunkt nicht im angefochtenen Beschluss, sondern nur in der Gegenerwiderung vertreten.

124    Die Kommission hat somit zu Unrecht angenommen, der Umstand, dass Unternehmen, die 2013 keinen Gewinn erzielten, im ersten Veranlagungsjahr der Werbesteuer die vorgetragenen Verluste in Höhe von 50 % von der Bemessungsgrundlage abziehen konnten, beinhalte eine Diskriminierung, die im Widerspruch zu dem mit dieser Steuer verfolgten Ziel stehe und einen für eine staatliche Beihilfe charakteristischen selektiven Vorteil darstelle.

125    Nach alledem ist der angefochtene Beschluss insgesamt für nichtig zu erklären, ohne dass das übrige Vorbringen der ungarischen Regierung geprüft zu werden braucht.

 Kosten

126    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie antragsgemäß zur Tragung der Kosten Ungarns einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes zu verurteilen.

127    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Republik Polen hat daher ihre eigenen Kosten zu tragen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Neunte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss (EU) 2017/329 der Kommission vom 4. November 2016 über die Maßnahme SA.39235 (2015/C) (ex 2015/NN) Ungarns bezüglich der Besteuerung von Werbeumsätzen wird für nichtig erklärt.

2.      Die Europäische Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten Ungarns, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

3.      Die Republik Polen trägt ihre eigenen Kosten.

Gervasoni

Madise

da Silva Passos

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Juni 2019.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Ungarisch.