Language of document : ECLI:EU:C:2007:419

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

VERICA TRSTENJAK

vom 10. Juli 20071(1)

Rechtssache C‑77/05

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland

gegen

Rat der Europäischen Union

„Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Nichtigkeitsklage – Gültigkeit der Verordnung Nr. 2007/2004 – Verstärkte Zusammenarbeit – Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union – Schengen-Besitzstand – Zusammenarbeit seitens des Vereinigten Königreichs – Verweigerung der Zulassung zur Zusammenarbeit – Verletzung wesentlicher Formvorschriften“





I –    Einleitung

1.        Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland (im Folgenden: Vereinigtes Königreich) hat gemäß Art. 230 EG Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union(2) erhoben.

2.        Bei dem vorliegenden Verfahren handelt es sich um ein Parallelverfahren zu der Rechtssache C‑137/05, in der das Vereinigte Königreich eine entsprechende Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 des Rates über Normen für Sicherheitsmerkmale und biometrische Daten in von den Mitgliedstaaten ausgestellten Pässen und Reisedokumenten(3) erhoben hat. Der Gerichtshof hat diese beiden Verfahren nicht verbunden, behandelt sie jedoch als Rechtssachen, die dieselbe Problematik betreffen. In beiden Rechtssachen hat am 13. März 2007 eine gemeinsame mündliche Verhandlung stattgefunden.

3.        In beiden Rechtssachen wird der Gerichtshof vor allem um eine Auslegung des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union ersucht, das zu den dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag beigefügten Protokollen gehört. Darüber hinaus stellt sich die weiter gehende Frage nach dem Umfang des Systems der verstärkten Zusammenarbeit innerhalb des Gefüges der Europäischen Union.

II – Rechtlicher Rahmen

A –    Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

4.        Die Artikel 61 EG bis 69 EG, die sich im Dritten Teil, Titel IV des Vertrags finden, sind mit „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr“ überschrieben.

5.        In Art. 62 EG heißt es:

„Der Rat beschließt nach dem Verfahren des Artikels 67 innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam

2.      Maßnahmen bezüglich des Überschreitens der Außengrenzen der Mitgliedstaaten, mit denen Folgendes festgelegt wird:

a)      Normen und Verfahren, die von den Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Personenkontrollen an diesen Grenzen einzuhalten sind;

…“

6.        Art. 69 EG lautet: „Für die Anwendung dieses Titels gelten unbeschadet des Protokolls über die Anwendung bestimmter Aspekte des Artikels 14 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf das Vereinigte Königreich und auf Irland die Bestimmungen des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands und des Protokolls über die Position Dänemarks.“

7.        Art. 311 EG bestimmt: „Die diesem Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen der Mitgliedstaaten beigefügten Protokolle sind Bestandteil dieses Vertrags.“

B –    Das Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union

8.        Das Protokoll (Nr. 2) zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (im Folgenden: Schengen-Protokoll) gehört zu den dem EU-Vertrag und dem EG‑Vertrag beigefügten Protokollen und wurde durch den Vertrag von Amsterdam in das primäre Gemeinschaftsrecht eingefügt.

9.        In Art. 1 des Schengen-Protokolls werden das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Griechische Republik, das Königreich Spanien, die Französische Republik, die Italienische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Portugiesische Republik, die Republik Finnland und das Königreich Schweden als Unterzeichner der Schengener Übereinkommen ermächtigt, untereinander eine verstärkte Zusammenarbeit im Rahmen dieser Übereinkommen und damit zusammenhängender Bestimmungen, die im Anhang zu dem Protokoll aufgeführt sind (im Folgenden zusammen als „Schengen-Besitzstand“ bezeichnet), zu begründen. Diese Zusammenarbeit erfolgt innerhalb des institutionellen und rechtlichen Rahmens der Europäischen Union und unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft.

10.      Art. 2 Abs. 1 des Schengen-Protokolls lautet: „Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags von Amsterdam ist der Schengen-Besitzstand, der auch die vor diesem Zeitpunkt erlassenen Beschlüsse des durch die Schengener Übereinkommen eingesetzten Exekutivausschusses umfasst, unbeschadet des Absatzes 2 dieses Artikels für die in Artikel 1 aufgeführten dreizehn Mitgliedstaaten sofort anwendbar. Ab demselben Zeitpunkt wird der Rat an die Stelle des genannten Exekutivausschusses treten.“

11.      Art. 3 des Schengen-Protokolls bestimmt: „Im Anschluss an die Festlegung nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabs. 2 behält Dänemark in Bezug auf diejenigen Teile des Schengen-Besitzstands, für die Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft als Rechtsgrundlage festgelegt ist, dieselben Rechte und Pflichten im Verhältnis zu den übrigen Unterzeichnern der Schengener Übereinkommen wie vor dieser Festlegung.“

12.      Art. 4 des Schengen-Protokolls lautet:

„Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland, die durch den Schengen-Besitzstand nicht gebunden sind, können jederzeit beantragen, dass einzelne oder alle Bestimmungen dieses Besitzstands auch auf sie Anwendung finden sollen.

Der Rat beschließt einstimmig über einen solchen Antrag, wobei die Einstimmigkeit mit den Stimmen seiner in Artikel 1 genannten Mitglieder und der Stimme des Vertreters der Regierung des betreffenden Staates zustande kommt.“

13.      Art. 5 des Schengen-Protokolls bestimmt:

„(1) Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands unterliegen den einschlägigen Bestimmungen der Verträge.

In diesem Zusammenhang gilt, sofern Irland oder das Vereinigte Königreich oder beide Länder dem Präsidenten des Rates nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums schriftlich mitgeteilt haben, dass sie sich beteiligen möchten, die Ermächtigung nach Artikel 11 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und Artikel 40 des Vertrags über die Europäische Union gegenüber den in Artikel 1 genannten Mitgliedstaaten sowie gegenüber Irland oder dem Vereinigten Königreich als erteilt, sofern eines dieser beiden Länder sich in den betreffenden Bereichen der Zusammenarbeit beteiligen möchte.

(2) Die einschlägigen Bestimmungen der Verträge nach Absatz 1 Unterabs. 1 finden auch dann Anwendung, wenn der Rat die in Artikel 2 Absatz 1 Unterabs. 2 genannten Maßnahmen nicht beschlossen hat.“

14.      In Art. 6 des Schengen-Protokolls heißt es: „Die Republik Island und das Königreich Norwegen werden bei der Durchführung des Schengen-Besitzstands und bei seiner weiteren Entwicklung auf der Grundlage des am 19. Dezember 1996 in Luxemburg unterzeichneten Übereinkommens assoziiert …“

15.      Nach Art. 8 des Schengen-Protokolls gelten bei den Verhandlungen über die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union der Schengen-Besitzstand und weitere Maßnahmen, welche die Organe im Rahmen seines Anwendungsbereichs getroffen haben, als ein Besitzstand, der von allen Staaten, die Beitrittskandidaten sind, vollständig zu übernehmen ist.

16.      Der Schengen-Besitzstand ist im Anhang zum Schengen-Protokoll definiert. Danach umfasst er das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnete Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen; das am 19. Juni 1990 in Schengen unterzeichnete Übereinkommen zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Französischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg und dem Königreich der Niederlande zur Durchführung des am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichneten Übereinkommens betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen mit der dazugehörigen Schlussakte und den dazu abgegebenen gemeinsamen Erklärungen; die Beitrittsprotokolle und ‑übereinkommen zu dem Übereinkommen von 1985 und dem Durchführungsübereinkommen von 1990, die mit Italien, Spanien und Portugal, Griechenland, Österreich sowie Dänemark, Finnland und Schweden geschlossen wurden, mit den dazugehörigen Schlussakten und Erklärungen; schließlich die Beschlüsse und Erklärungen des aufgrund des Durchführungsübereinkommens von 1990 eingesetzten Exekutivausschusses sowie die Rechtsakte zur Durchführung des Übereinkommens, die von den Organen erlassen worden sind, denen der Exekutivausschuss Entscheidungsbefugnisse übertragen hat.

C –    Das Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands

17.      Das Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands (im Folgenden: Protokoll zu Titel IV), das ebenfalls dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag beigefügt ist, regelt die Mitarbeit dieser beiden Mitgliedstaaten in den Fällen, in denen Vorschläge gemäß Titel IV des EG-Vertrags gemacht werden.

18.      In Art. 1 dieses Protokolls heißt es: „Vorbehaltlich des Artikels 3 beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland nicht an der Annahme von Maßnahmen durch den Rat, die nach Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgeschlagen werden …“

19.      Art. 2 des Protokolls zu Titel IV lautet:

„Entsprechend Artikel 1 und vorbehaltlich der Artikel 3, 4 und 6 sind Vorschriften des Titels IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, nach jenem Titel beschlossene Maßnahmen, Vorschriften internationaler Übereinkünfte, die von der Gemeinschaft nach jenem Titel geschlossen werden, sowie Entscheidungen des Gerichtshofs, in denen solche Vorschriften oder Maßnahmen ausgelegt werden, für das Vereinigte Königreich oder Irland nicht bindend oder anwendbar; und diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen berühren in keiner Weise die Zuständigkeiten, Rechte und Pflichten dieser Staaten; ebenso wenig berühren diese Vorschriften, Maßnahmen oder Entscheidungen in irgendeiner Weise den gemeinschaftlichen Besitzstand oder sind sie Teil des Gemeinschaftsrechts, soweit sie auf das Vereinigte Königreich und Irland Anwendung finden.“

20.      Art. 3 des Protokolls zu Titel IV bestimmt:

„(1) Das Vereinigte Königreich oder Irland kann dem Präsidenten des Rates innerhalb von drei Monaten nach der Vorlage eines Vorschlags oder einer Initiative gemäß Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beim Rat schriftlich mitteilen, dass es sich an der Annahme und Anwendung der betreffenden Maßnahme beteiligen möchte, was dem betreffenden Staat daraufhin gestattet ist …

(2) Kann eine Maßnahme nach Absatz 1 nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums mit Beteiligung des Vereinigten Königreichs oder Irlands angenommen werden, so kann der Rat die betreffende Maßnahme nach Artikel 1 ohne Beteiligung des Vereinigten Königreichs oder Irlands annehmen. In diesem Fall findet Artikel 2 Anwendung.“

21.      Art. 4 des Protokolls zu Titel IV lautet:

„Das Vereinigte Königreich oder Irland kann nach der Annahme einer Maßnahme gemäß Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft durch den Rat dem Rat und der Kommission jederzeit mitteilen, dass es die Maßnahme anzunehmen wünscht. In diesem Fall findet das in Artikel 11 Absatz 3 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vorgesehene Verfahren sinngemäß Anwendung.“

22.      Art. 7 des Protokolls zu Titel IV bestimmt, dass die Artikel 3 und 4 nicht das Protokoll über die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union berühren.

D –    Das Protokoll über die Position Dänemarks

23.      Art. 5 des Protokolls über die Position Dänemarks lautet:

„(1) Dänemark beschließt innerhalb von sechs Monaten, nachdem der Rat über einen Vorschlag oder eine Initiative zur Ergänzung des Schengen-Besitzstands nach den Bestimmungen des Titels IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beschlossen hat, ob es diesen Beschluss in einzelstaatliches Recht umsetzt. Fasst es einen solchen Beschluss, so begründet dieser eine Verpflichtung nach dem Völkerrecht zwischen Dänemark und den übrigen Mitgliedstaaten, die in Artikel 1 des Protokolls über die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union genannt sind, sowie gegenüber Irland oder dem Vereinigten Königreich, falls diese Mitgliedstaaten an den betreffenden Bereichen der Zusammenarbeit teilnehmen.

(2) Beschließt Dänemark, einen Beschluss des Rates nach Absatz 1 nicht umzusetzen, so werden die Mitgliedstaaten, die in Artikel 1 des Protokolls über die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union genannt sind, prüfen, welche Maßnahmen zu treffen sind.“

E –    Erklärungen im Anhang zum Vertrag von Amsterdam

24.      Die Erklärung zu Artikel 4 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (Erklärung Nr. 45) lautet:

„Die Hohen Vertragsparteien ersuchen den Rat, die Stellungnahme der Kommission einzuholen, bevor er über einen von Irland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland gestellten Antrag nach Artikel 4 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union entscheidet, einzelne oder alle Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden.

Ferner verpflichten sie sich, die größtmöglichen Anstrengungen zu unternehmen, damit Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland – wenn sie dies wünschen – Artikel 4 des genannten Protokolls in Anspruch nehmen können, so dass der Rat in der Lage ist, die in jenem Artikel genannten Beschlüsse, und zwar zum Zeitpunkt des Inkrafttretens jenes Protokolls oder zu jedem späteren Zeitpunkt, zu fassen.“

25.      Die Erklärung zu Artikel 5 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (Erklärung Nr. 46) lautet:

„Die Hohen Vertragsparteien übernehmen die Verpflichtung, sich nach besten Kräften dafür einzusetzen, dass ein Vorgehen unter Beteiligung aller Mitgliedstaaten in den Bereichen des Schengen-Besitzstands ermöglicht wird, insbesondere wenn Irland und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland nach Artikel 4 des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union einzelne oder alle Bestimmungen dieses Besitzstands übernommen haben.“

F –    Die Verordnung Nr. 2007/2004

26.      Im dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2007/2004 heißt es, dass unter Berücksichtigung der Erfahrungen der im Rahmen des Rates tätigen Gemeinsamen Fachinstanz „Außengrenzen“ eine Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als spezielle Fachinstanz zur Verbesserung der Koordinierung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen der Mitgliedstaaten errichtet werden sollte.

27.      Die Verordnung Nr. 2007/2004 stellt nach ihren Erwägungsgründen 23 bis 25 eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar.

28.      Im 25. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2007/2004 heißt es, dass diese eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstands darstellt, an denen das Vereinigte Königreich sich gemäß dem Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden(4), nicht beteiligt, und dass das Vereinigte Königreich sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung beteiligt, die für das Vereinigte Königreich nicht bindend oder anwendbar ist.

29.      Der 26. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2007/2004 enthält entsprechende Bestimmungen für Irland.

30.      Art. 1 der Verordnung Nr. 2007/2004 bestimmt:

„(1) Es wird eine Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (nachstehend ‚Agentur‘ genannt) zur Verbesserung des integrierten Schutzes der Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union errichtet.

(2) In dem Bewusstsein, dass die Verantwortung für die Kontrolle und die Überwachung der Außengrenzen den Mitgliedstaaten obliegt, erleichtert die Agentur die Anwendung bestehender und künftiger Maßnahmen der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Schutz der Außengrenzen und fördert ihre Wirksamkeit. Dies erfolgt durch die Koordinierung der Aktionen der Mitgliedstaaten bei der Durchführung dieser Maßnahmen, womit sie zu einem wirksamen, hohen und einheitlichen Niveau der Personenkontrollen und der Überwachung der Außengrenzen der Mitgliedstaaten beiträgt.

(3) Die Agentur steht der Kommission und den Mitgliedstaaten außerdem mit der notwendigen technischen Unterstützung und Fachwissen im Bereich des Schutzes der Außengrenzen zur Seite und fördert die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten.

…“

31.      Art. 2 definiert die wesentlichen Aufgaben der Agentur wie folgt:

„(1) Die Agentur hat folgende Aufgaben:

a)      Koordinierung der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Schutzes der Außengrenzen;

b)      Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten einschließlich der Festlegung gemeinsamer Ausbildungsnormen;

c)      Durchführung von Risikoanalysen;

d)      Verfolgung der Entwicklungen der für die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen relevanten Forschung;

e)      Unterstützung der Mitgliedstaaten in Situationen, die eine verstärkte technische und operative Unterstützung an den Außengrenzen erfordern;

f)      Bereitstellung der notwendigen Unterstützung für die Mitgliedstaaten bei der Organisation gemeinsamer Rückführungsaktionen.

(2) Unbeschadet der Zuständigkeiten der Agentur können die Mitgliedstaaten mit anderen Mitgliedstaaten und/oder Drittländern an den Außengrenzen weiterhin auf operativer Ebene zusammenarbeiten, soweit diese Zusammenarbeit die Tätigkeit der Agentur ergänzt.

Die Mitgliedstaaten unterlassen jegliche Handlung, die den Betrieb der Agentur oder die Erreichung ihrer Ziele in Frage stellen könnte.

Die Mitgliedstaaten berichten der Agentur über diese nicht im Rahmen der Agentur erfolgenden operativen Maßnahmen an den Außengrenzen.“

32.      Art. 3 regelt die gemeinsamen Aktionen und Pilotprojekte an den Außengrenzen wie folgt:

„(1) Die Agentur bewertet, billigt und koordiniert Vorschläge der Mitgliedstaaten für gemeinsame Aktionen und Pilotprojekte.

Die Agentur kann selbst und im Benehmen mit dem/den betreffenden Mitgliedstaat/en Initiativen für gemeinsame Aktionen und Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ergreifen.

Sie kann auch beschließen, ihre technische Ausrüstung den Mitgliedstaaten, die an gemeinsamen Aktionen oder Pilotprojekten teilnehmen, zur Verfügung zu stellen.

(2) Die Agentur kann sich für die praktische Durchführung gemeinsamer Aktionen und Pilotprojekte seiner Fachaußenstellen nach Artikel 16 bedienen.

(3) Die Agentur bewertet die Ergebnisse der gemeinsamen Aktionen und Pilotprojekte und erstellt eine umfassende vergleichende Analyse dieser Ergebnisse mit dem Ziel, die Qualität, Kohärenz und Wirksamkeit künftiger Aktionen und Projekte zu verbessern; sie nimmt diese Analyse in ihren allgemeinen Tätigkeitsbericht nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe b) auf.

(4) Die Agentur kann beschließen, eine Kofinanzierung der Aktionen und Projekte nach Absatz 1 mit Zuschüssen aus ihrem Haushalt nach Maßgabe der Finanzvorschriften der Agentur zu gewähren.“

33.      Art. 4 betrifft die Risikoanalyse und bestimmt, dass die Agentur ein gemeinsames integriertes Risikoanalysemodell entwickelt und anwendet. Sie erstellt sowohl allgemeine als auch spezifische Risikoanalysen, die dem Rat und der Kommission übermittelt werden.

34.      Nach Art. 5, der die Ausbildung betrifft, erstellt die Agentur einen gemeinsamen zentralen Lehrplan für die Ausbildung von Grenzschutzbeamten und entwickelt diesen weiter; sie bietet Schulungen auf europäischer Ebene für die Ausbilder der nationalen Grenzschutzbeamten der Mitgliedstaaten an. Sie bietet auch Fortbildungskurse und Seminare über Themen im Zusammenhang mit der Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen und der Rückführung von Drittstaatsangehörigen für Beamte der zuständigen nationalen Dienste der Mitgliedstaaten an.

35.      Artikel 7 lautet:

„Die Agentur erstellt und führt ein Zentralregister der technischen Ausrüstungsgegenstände der Mitgliedstaaten für die Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen, die sie anhand einer Bedarfs‑ und Risikoanalyse der Agentur auf freiwilliger Basis und auf Antrag eines anderen Mitgliedstaats für einen vorübergehenden Zeitraum zur Verfügung zu stellen bereit sind.“

36.      Art. 12 regelt die Zusammenarbeit mit Irland und dem Vereinigten Königreich und bestimmt:

„(1) Die Agentur erleichtert die operative Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit Irland und dem Vereinigten Königreich bei in ihren Tätigkeitsbereich fallenden Fragen, soweit dies für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach Artikel 2 Absatz 1 erforderlich ist.

(2) Zu der von der Agentur nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f) zu leistenden Unterstützung zählt die Organisation von gemeinsamen Rückführungsaktionen, an denen sich auch Irland oder das Vereinigte Königreich oder beide Staaten beteiligen.

(3) Die Anwendung dieser Verordnung auf die Grenzen Gibraltars wird bis zu dem Zeitpunkt ausgesetzt, zu dem eine Einigung über den Umfang der Maßnahmen betreffend das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten durch Personen erzielt worden ist.“

37.      Gemäß Art. 15 der Verordnung Nr. 2007/2004 ist die Agentur eine Einrichtung der Gemeinschaft und besitzt Rechtspersönlichkeit. Die Agentur besitzt in jedem Mitgliedstaat die weitestgehende Rechts‑ und Geschäftsfähigkeit, die juristischen Personen nach dessen Rechtsvorschriften zuerkannt wird. Sie kann insbesondere bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern und ist vor Gericht parteifähig.

38.      Art. 21 der Verordnung Nr. 2007/2004 regelt die Zusammensetzung des Verwaltungsrats. Abs. 3 dieser Vorschrift bestimmt:

„(3) Länder, die bei der Umsetzung, Anwendung und Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands assoziiert sind, beteiligen sich an [den Tätigkeiten] der Agentur. Sie entsenden jeweils einen Vertreter und einen Stellvertreter in den Verwaltungsrat. Nach den einschlägigen Bestimmungen der Abkommen über ihre Assoziierung werden Vereinbarungen erarbeitet, die unter anderem Art und Umfang der Beteiligung dieser Länder an den Arbeiten der Agentur sowie detaillierte Vorschriften dafür, einschließlich Bestimmungen zu Finanzbeiträgen und Personal, festlegen.“

39.      Art. 29 dieser Verordnung enthält Vorschriften über den Haushaltsplan. Danach umfassen die Einnahmen der Agentur unbeschadet anderer Finanzmittel einen Zuschuss der Gemeinschaft aus dem Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union (Einzelplan Kommission), einen Beitrag der Länder, die bei der Umsetzung, Anwendung und Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands assoziiert sind, Gebühren für erbrachte Dienstleistungen und etwaige freiwillige Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten.

III – Sachverhalt und Verfahren

40.      Die Kommission legte dem Rat am 11. November 2003 den Vorschlag für die Verordnung Nr. 2007/2004 vor.

41.      Das Vereinigte Königreich teilte dem Rat am 14. Februar 2004 schriftlich mit, dass es sich gemäß Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls an der Annahme der Verordnung beteiligen wolle.

42.      Der Rat erließ trotz der Mitteilung des Vereinigten Königreichs am 26. Oktober 2004 die Verordnung Nr. 2007/2004, da er der Auffassung war, dass der Vorschlag der Verordnung Nr. 2007/2004 unter die Vorschläge und Initiativen falle, die zu dem Teil des Schengen-Besitzstands gehörten, an dem das Vereinigte Königreich nach dem Beschluss 2000/365/EG des Rates(5) nicht teilnimmt.

43.      Das Vereinigte Königreich ist der Meinung, der Umstand, dass es sich an der Annahme der Verordnung Nr. 2007/2004 nicht habe beteiligen können, stelle eine Verletzung des Art. 5 des Schengen-Protokolls dar. Es hat deshalb am 17. Februar 2005 die vorliegende Nichtigkeitsklage erhoben.

44.      Irland, die Republik Polen (im Folgenden: Polen) und die Slowakische Republik (im Folgenden: Slowakei) sind dem Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Vereinigten Königreichs beigetreten.

45.      Die Kommission und das Königreich Spanien (im Folgenden: Spanien) sind dem Verfahren als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates beigetreten.

46.      Das Vereinigte Königreich beantragt,

–        die Verordnung Nr. 2007/2004 für nichtig zu erklären;

–        gemäß Art. 231 EG zu entscheiden, dass nach der Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2007/2004 bis zum Erlass einer Neuregelung in diesem Bereich die Bestimmungen dieser Verordnung mit Ausnahme derjenigen fortgelten, die die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an der Anwendung der Verordnung ausschließen;

–        dem Rat die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

47.      Der Rat beantragt,

–        die Klage abzuweisen,

–        dem Vereinigten Königreich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

48.      Irland, Polen und die Slowakei schließen sich den Anträgen des Vereinigten Königreichs an.

49.      Die Kommission und Spanien schließen sich den Anträgen des Rates an.

50.      In der Sitzung vom 13. März 2007, die zusammen mit der Sitzung in der Rechtssache C‑137/05 abgehalten worden ist, haben das Vereinigte Königreich, der Rat, Irland, die Slowakei, die Kommission, die Niederlande und Spanien mündliche Ausführungen gemacht und Fragen des Gerichtshofs beantwortet.

IV – Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

A –    Vereinigtes Königreich

51.      Das Vereinigte Königreich begründet seinen Standpunkt mit der Unterscheidung zwischen zwei Arten von Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands. Die ersten seien die zum Schengen-Besitzstand gehörenden Maßnahmen (Schengen integral mesures), die zweiten seien die mit dem Schengen-Besitzstand zusammenhängenden Maßnahmen (Schengen linked mesures). Die Ersteren seien unauflöslich mit dem Schengen-Besitzstand verbunden wie z. B. die Maßnahmen zur Änderung dieses Besitzstands, an denen sich das Vereinigte Königreich nicht beteilige. Die Maßnahmen der zweiten Art seien dagegen nicht unauflöslich mit dem Schengen-Besitzstand verbunden, sondern könnten zur Erreichung seiner Ziele getroffen werden. Die Integrität des Schengen-Besitzstands sei nicht gefährdet, wenn sich das Vereinigte Königreich an der Annahme von Maßnahmen der zweiten Art beteilige. Die Verordnungen Nrn. 2007/2004 und 2252/2004 gehörten zu der zweiten Art von Maßnahmen. Bei der Verordnung Nr. 2007/2004 handele es sich um eine mit dem Schengen-Besitzstand zusammenhängende Maßnahme, die keine Regelung ersetze oder ändere.

52.      Das Hauptargument des Vereinigten Königreichs geht dahin, dass das Verhalten des Rates, der es daran gehindert habe, sich an der Annahme der Verordnung Nr. 2007/2004 zu beteiligen, rechtswidrig sei. Das Vereinigte Königreich habe dem Rat gemäß Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls und Art. 3 Abs. 1 des Protokolls zu Titel IV mitgeteilt, dass es sich an der Annahme der Verordnung Nr. 2007/2004 beteiligen wolle. Das Verhalten des Rates stelle eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Art. 230 Abs. 2 EG dar.

53.      Das Vereinigte Königreich führt aus, Art. 10 EG im Bereich des ersten Pfeilers und der Grundsatz der Zusammenarbeit im Rahmen des Titels VI EU(6) bildeten einen hinreichenden Schutz der Integrität des Schengen-Besitzstands vor jedem möglichen Missbrauch, und weist darauf hin, dass es sich schon in der Vergangenheit vor Erlass der Verordnung Nr. 2007/2004 an informellen Maßnahmen wie z. B. an der Arbeit der Gemeinsamen Fachinstanz „Außengrenzen“ (External Border Practitioners Common Unit) beteiligt habe. Der Rat habe besonders formalistisch gehandelt, wenn man berücksichtige, dass die vorhergehenden Maßnahmen in Form einer Zusammenarbeit zwischen Regierungen und nicht auf Gemeinschaftsebene angenommen worden seien. Zudem sei die Mitarbeit des Vereinigten Königreichs in den Bereichen Ausbildung, Risikoanalysen, wissenschaftliche Untersuchungen sowie technische und operative Unterstützung bei gemeinsamen Aktionen der Rückführung von Ausländern für die Beseitigung der Binnengrenzen nicht erforderlich gewesen. Das Vereinigte Königreich sei an der gemeinsamen Kontrolle der Außengrenzen des Schengen-Raums interessiert.

54.      Das Vereinigte Königreich wendet sich gegen die Auslegung des Rates, dass die Anwendung des Art. 5 des Schengen-Protokolls von der vorherigen Anwendung des Art. 4 dieses Protokolls abhänge. Der Rat habe Art. 5 des Schengen-Protokolls irrtümlich dahin ausgelegt, dass diese Vorschrift nur auf den Teil des Schengen-Besitzstands anwendbar sei, der aufgrund eines Beschlusses gemäß Art. 4 dieses Protokolls auf das Vereinigte Königreich Anwendung finde. Das Vereinigte Königreich bezeichnet diese Auslegung als „Unterordnungstheorie“. Diese stehe im Widerspruch zum Wortlaut des Schengen-Protokolls, zur Natur des Art. 5 und zu der Erklärung Nr. 46 im Anhang zum Vertrag von Amsterdam. Das Vereinigte Königreich schlägt anstelle der Unterordnungstheorie die Anwendung der „Unabhängigkeitstheorie“ vor, wonach die Anwendung des Art. 5 des Schengen-Protokolls von der Anwendung des Art. 4 unabhängig sei, da zwischen diesen beiden Vorschriften kein Verhältnis der Über‑ oder Unterordnung bestehe.

55.      Gegen die Unterordnungstheorie spreche der Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls, wonach die auf dieser Rechtsgrundlage angenommenen Rechtsakte für alle Mitgliedstaaten gälten. Deshalb unterliege die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands den einschlägigen Bestimmungen der Verträge. Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des Schengen-Protokolls regele nicht den Mechanismus des „opting out“, sondern den der verstärkten Zusammenarbeit. Dieser Bestimmung zufolge hänge die Beteiligung des Vereinigten Königreichs nicht von der Zustimmung der übrigen Mitgliedstaaten ab, die im Rahmen des Schengen-Besitzstands zusammenarbeiteten (im Folgenden: Schengen-Staaten). Die Argumente, mit denen versucht werde, darzutun, dass Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls hinsichtlich des Mitwirkungsrechts Irlands und des Vereinigten Königreichs unklar und unvollständig sei, seien nicht überzeugend. Das Vereinigte Königreich benötige die Zustimmung der Schengen-Staaten nicht, da seine schriftliche Mitteilung den Mechanismus der verstärkten Zusammenarbeit ausschließe (d. h. außer Kraft setze).

56.      Die Unabhängigkeitstheorie stehe auch mit Art. 7 des Protokolls zu Titel IV im Einklang. Diese Bestimmung wolle im Wesentlichen klarstellen, dass das Vereinigte Königreich und Irland aufgrund des Protokolls zu Titel IV nicht berechtigt seien, sich an den Teilen des Schengen-Besitzstands zu beteiligen, deren Rechtsgrundlage nach dem Beschluss 1999/436 des Rates(7) Titel IV sei. Wenn jedoch das Vereinigte Königreich dem Rat gemäß Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 des Schengen-Protokolls eine schriftliche Mitteilung mache und wenn die Rechtsgrundlage des Vorschlags, an dem es sich beteiligen wolle, Titel IV EG sei, sei das Protokoll zu Titel IV anwendbar. Im Übrigen entspreche die Unabhängigkeitstheorie auch dem Erfordernis der Integrität des Schengen-Besitzstands. Die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an diesem Besitzstand ohne vorherige Genehmigung stelle keine Gefährdung der Integrität des Schengen-Besitzstands dar, da dieser hinreichend durch Art. 10 EG und durch Art. 3 Abs. 2 des Protokolls zu Titel IV geschützt sei, der unter bestimmten Voraussetzungen die Annahme derartiger Maßnahmen ohne Beteiligung des Vereinigten Königreichs gestatte.

57.      Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs sieht das Schengen-Protokoll zwei Mechanismen der verstärkten Zusammenarbeit vor. Der erste sei in Art. 4 dieses Protokolls geregelt und sei auf die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in das Recht der Union und der Gemeinschaft anwendbar. Der zweite, der in Art. 5 dieses Protokolls geregelt sei, betreffe dagegen die Weiterentwicklung dieses Besitzstands. Art. 4 und Art. 5 des Schengen-Protokolls sähen für die Übernahme dieses Besitzstands und für die Beteiligung an Maßnahmen zu seiner Weiterentwicklung verschiedene Verfahren vor.

58.      Art. 5 des Schengen-Protokolls könne nur dahin ausgelegt werden, dass er allein auf solche Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands anwendbar sei, an denen sich das Vereinigte Königreich nicht beteilige. Würde er sich dagegen auf die Maßnahmen beziehen, an denen es sich beteilige, so müsste er – wie z. B. Art. 2 des Protokolls über die Position Dänemarks – Bestimmungen für den Fall enthalten, dass das Vereinigte Königreich beschließe, sich nicht an der Annahme dieser Maßnahmen zu beteiligen.

59.      Die vom Rat unter Berufung auf die Unterordnungstheorie vertretene Auslegung des Art. 5 verletze zudem den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Vereinigte Königreich und Irland hätten sich häufig an der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands beteiligt, ohne das in Art. 4 des Schengen-Protokolls vorgesehene Verfahren einzuhalten. Viele Ausnahmefälle, in denen die Beteiligung ohne Anwendung des Verfahrens nach Art. 4 des Protokolls möglich gewesen sei, zeigten, dass die Integrität des Schengen-Besitzstands nicht gefährdet worden sei.

60.      Die weite und flexible Auslegung des Konzepts „Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“, die sich aus der Praxis des Rates ergebe, verstoße im Übrigen gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Die Prüfung in zwei Schritten, die der Rat bei der Ermittlung vornehme, ob Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands vorlägen, sei folglich mit Art. 5 des Schengen-Protokolls unvereinbar. Der zweite Schritt der Prüfung, in dem untersucht werde, ob ein schwerwiegendes Problem für den freien Personenverkehr in einem Bereich bestehe, in dem die Personenkontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft worden seien, sei zu unbestimmt, als dass er mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit vereinbar wäre.

61.      Es treffe zu, dass das Vereinigte Königreich nicht eine Aufhebung der Binnengrenzen anstrebe, wie sie von den Schengen-Staaten verwirklicht worden sei. Dies impliziere jedoch theoretisch für die Schengen-Staaten kein Risiko einer Gefährdung der Integrität des Schengen-Besitzstands.

62.      Hilfsweise macht das Vereinigte Königreich geltend, falls sich der Gerichtshof der Unabhängigkeitstheorie anschließe, folge daraus noch nicht, dass Art. 5 des Schengen-Protokolls nicht auf die mit dem Schengen-Besitzstand zusammenhängenden Maßnahmen anwendbar sei. Diese Bestimmung sei nur auf die zu diesem Besitzstand gehörenden Maßnahmen anwendbar. Da die angefochtene Verordnung jedoch nicht zu diesen Letzteren zähle, hätte sich das Vereinigte Königreich an ihrer Annahme beteiligen müssen.

B –    Die Streithelfer zur Unterstützung des Vereinigten Königreichs

63.      Irland beruft sich auf die Vorschriften über die Auslegung der völkerrechtlichen Verträge in den Art. 31 und 32 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge von 1969 und trägt vor, keine Auslegung dürfe dem eindeutigen Wortlaut der Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls widersprechen. Sie teilt die Auffassung des Vereinigten Königreichs, dass die Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls voneinander unabhängig seien, und beruft sich auf Art. 8 dieses Protokolls und auf Art. 6 Abs. 2 des Beschlusses 2002/192/EG des Rates(8). Der Umstand, dass in diesem Beschluss nur die Maßnahmen genannt seien, die zum Schengen-Besitzstand gehörten und in Anwendung des Schengen-Protokolls angenommen worden seien, bedeute nicht, dass eine dynamische Auslegung des Schengen-Protokolls zulässig sei. Denn der Rat könne mit seinem Beschluss nicht das primäre Gemeinschaftsrecht ändern. Außerdem behindere die Praxis des Rates die Mitarbeit Irlands und des Vereinigten Königreichs unverhältnismäßig.

64.      Die Slowakei unterstützt das Vereinigte Königreich und trägt vor, der Umstand, dass sich ein Mitgliedstaat nicht am Schengen-Besitzstand beteilige, könne kein Kriterium für seinen Ausschluss von der Teilnahme gemäß Art. 5 des Schengen-Protokolls oder Art. 3 Abs. 1 des Protokolls zu Titel IV sein. Ihrer Meinung nach erfordert die Prüfung zuvor festgelegte Kriterien; sie schlägt deshalb eine andere Auslegung der Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls vor. Danach dürfe die Zusammenarbeit aufgrund des Art. 5 des Schengen-Protokolls nur verweigert werden, wenn ein begründeter Zweifel bezüglich des Vorliegens einer Gefährdung der Integrität und der Kohärenz des Schengen-Besitzstands bestehe. Die Mitwirkung eines Mitgliedstaats, der kein Schengen-Staat sei, müsse den Zielen des Schengen-Besitzstands eindeutig und direkt widersprechen, was in der Praxis bedeute, dass sie das Funktionieren und die Wirksamkeit der zum Schengen-Besitzstand gehörenden Maßnahmen tatsächlich beeinträchtigen müsse.

65.      Die Slowakei weist ferner darauf hin, dass die Auffassung des Rates, wonach Art. 4 des Schengen-Protokolls für die Zusammenarbeit bei Maßnahmen zur Weiterentwicklung bindend sei, Art. 5 des Protokolls überflüssig mache.

66.      Nach Auffassung Polens, das nur in der Rechtssache C‑77/05 schriftliche Erklärungen eingereicht hat, wirft diese Rechtssache das Problem der Unklarheit des Begriffs „Schengen-Besitzstand“ und der Beteiligung des Vereinigten Königreichs an der Zusammenarbeit im Rahmen des Schengen-Systems auf. Der Begriff Schengen-Besitzstand sei nicht klar definiert; deshalb könne man grundsätzlich nicht mit Sicherheit sagen, ob die Verordnung Nr. 2007/2004 Teil dieses Besitzstands sei oder eine seiner Weiterentwicklungen oder eine Maßnahme auf der Grundlage dieses Besitzstands. Beim Schengen-Besitzstand handele es sich nicht um ein Rechtsgebiet, sondern um eine Gesamtheit von Einzelregelungen. Folglich füge sich die Verordnung Nr. 2007/2004 in kein Rechtsgebiet ein, sondern stelle eine eigenständige Maßnahme dar, die nicht mit den anderen Bereichen des Schutzes der Außengrenzen zusammenhänge. Nach Auffassung der polnischen Regierung kann die Verordnung Nr. 2007/2004 als eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands angesehen werden. Das Recht des Vereinigten Königreichs, sich an Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands zu beteiligen, ergebe sich unmittelbar aus Art. 5 des Schengen-Protokolls, so dass es nicht nötig sei, das Verfahren des Art. 4 des Protokolls einzuhalten. Die Vielzahl und die Verschiedenartigkeit der Formen der Zusammenarbeit der Staaten im Rahmen des Schengen-Besitzstands zeigten, dass dieser Besitzstand äußerst flexibel sei. Außerdem kennzeichne diese Vielzahl diesen Besitzstand in seiner Komplexität. Deshalb teilt Polen nicht die Auffassung, dass die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an der Verordnung Nr. 2007/2004 eine Gefahr für die Integrität des Schengen-Besitzstands mit sich bringe.

C –    Der Rat

67.      Der Rat vertritt die Auffassung, dass die vom Vereinigten Königreich vertretene Unabhängigkeitstheorie mit dem Grundsatz der Integrität des Schengen-Besitzstands nicht vereinbar sei und zum Aufbau und systematischen Zusammenhang des Schengen-Protokolls und des Protokolls zu Titel IV im Widerspruch stehe. Die Unabhängigkeitstheorie gefährde den Grundsatz der Integrität des Schengen-Besitzstands, vor allem, wenn sie zusammen mit der Beschränkung auf die zum Schengen-Besitzstand gehörenden Maßnahmen angewandt werde. Der Rat bestreitet, dass Art. 5 des Schengen-Protokolls bezwecke, dem Vereinigten Königreich und Irland Rechte zu garantieren. Er wolle vielmehr die Tätigkeit der Schengen-Staaten vor Behinderungen der Weiterentwicklung der verstärkten Zusammenarbeit durch einen oder mehrere Staaten schützen. Dieser Zweck des Art. 5 des Schengen-Protokolls ergebe sich aus der Gegenüberstellung mit Art. 4. Deshalb könne dem Vorbringen, dass das Vereinigte Königreich und Irland automatisch in die Zusammenarbeit einbezogen würden, sobald sie dem Rat Mitteilung gemacht hätten, nicht beigepflichtet werden.

68.      Nach Auffassung des Rates ist die ratio legis des Art. 4 des Schengen-Protokolls der Schutz der Integrität des Schengen-Besitzstands. Zwischen der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und den Begleitmaßnahmen bestehe ein klarer Zusammenhang.

69.      Zudem hingen die im Bereich der verstärkten Zusammenarbeit im Schengen-Raum erlassenen Maßnahmen voneinander ab und seien miteinander verbunden. Es könne deshalb auch dann zu einer Beeinträchtigung der Integrität kommen, wenn es sich bei der fraglichen Maßnahme nicht um eine nach Auffassung des Vereinigten Königreichs zum Schengen-Besitzstand gehörende Maßnahme handele, sondern wenn eine Prüfung in zwei Schritten ergebe, dass ein Problem vorliege, das mit dem freien Personenverkehr in einem Bereich zusammenhänge, in dem die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft worden seien.

70.      Der Rat bemerkt weiter unter Berufung auf die Wahrung des Grundsatzes der Integrität und der Kohärenz des Schengen-Besitzstands, dass sich das Vereinigte Königreich nach einer eventuellen Erklärung und nach Einhaltung des in Art. 4 des Schengen-Protokolls vorgesehenen Verfahrens nicht mehr einseitig von der Beteiligung an der Weiterentwicklung dieses Besitzstands zurückziehen (opt out) könne. Ein Beispiel für die mögliche mangelnde Kohärenz der Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands sei die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an den Rückführungsaktionen und seine Nichtbeteiligung an den Maßnahmen der Verweigerung einer erneuten Einreise in die EU.

71.      Das Unter‑ oder Überordnungsverhältnis zwischen den Art. 5 und 4 des Schengen-Protokolls sei auch nötig, um die Anwendung des Mechanismus des Art. 4 in dem Verfahren nach Art. 5 zu verhindern. Insoweit bildeten Art. 10 EG und der Grundsatz der Zusammenarbeit keinen ausreichenden Schutz vor einer Beeinträchtigung der Integrität des Schengen-Besitzstands. Die Berufung auf Art. 3 Abs. 2 des Protokolls zu Titel IV gehe fehl, da Art. 7 dieses Protokolls den Anwendungsbereich des Protokolls in dem Sinne einschränke, dass im Fall der mangelnden Kohärenz das Schengen-Protokoll gegenüber dem Protokoll zu Titel IV eine lex specialis bilde. Der in Art. 3 Abs. 1 des Protokolls zu Titel IV vorgesehene Mechanismus des „opt in“ beziehe sich nur auf Maßnahmen, die auf der Grundlage des Titels IV angenommen worden seien, nicht dagegen auf Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands. Wollte man der vom Vereinigten Königreich vertretenen Unabhängigkeitstheorie folgen, so hätte Art. 7 des Protokolls zu Titel IV keinen Sinn. Das Vereinigte Königreich könnte einfach Art. 3 Abs. 1 anwenden und mitteilen, dass es sich an den Maßnahmen nach Titel IV, die zugleich Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands seien, beteiligen wolle. Auf diese Weise würde jedoch der in Art. 4 des Schengen-Protokolls vorgesehene Schutz beeinträchtigt.

72.      Der Rat wendet sich gegen das Vorbringen des Vereinigten Königreichs zur weiten und flexiblen Auslegung des Konzepts der Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands und trägt vor, durch eine einfache Prüfung in zwei Schritten lasse sich feststellen, ob es sich um eine solche Maßnahme handele oder nicht. Bei dieser Prüfung werde ermittelt, wie eng der Zusammenhang zwischen der vorgeschlagenen Maßnahme und der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen sein müsse, damit diese Maßnahme als eine Maßnahme zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands angesehen werden könne. Im ersten Schritt dieser Prüfung werde untersucht, ob der Schengen-Besitzstand auf die fragliche Maßnahme anwendbar sei. Der Umfang dieses Besitzstands ergebe sich aus dem Beschluss 1999/437/EG des Rates vom 17. Mai 1999 zum Erlass bestimmter Durchführungsvorschriften zu dem Übereinkommen zwischen dem Rat der Europäischen Union und der Republik Island und dem Königreich Norwegen über die Assoziierung dieser beiden Staaten bei der Umsetzung, Anwendung und Entwicklung des Schengen-Besitzstands(9). Der zweite Schritt dieser Prüfung bestehe darin, dass man sich die Frage vorlege, die in der vom COREPER geprüften und gebilligten Note des Präsidiums vom 22. Oktober 1999 gestellt werde, nämlich ob es sich um ein schwerwiegendes Problem für den freien Personenverkehr in einem Bereich handele, in dem die Personenkontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft worden seien und in dem eine gemeinsame Regelung der Kontrollen an den Außengrenzen erlassen worden sei, die folglich auch Island und Norwegen binden müsse. Zweck dieser Prüfung sei es, im Rat eine größere Kohärenz bei der Diskussion von Rechtsakten sicherzustellen, die sich in die Schengen-Zusammenarbeit einfügten. Die genannte Prüfung sei ein wichtiges Hilfsmittel bei der Wahl des richtigen Verfahrens. Der Einwand, diese Prüfung sei vom Gemischten Ausschuss für Norwegen und Island entwickelt worden, sei unbegründet. Zwischen den Maßnahmen, die dieser Gemischte Ausschuss angenommen habe, und denen, die aufgrund von Art. 5 des Schengen-Protokolls angenommen worden seien, gebe es keine inhaltlichen Unterschiede.

73.      Die vom Vereinigten Königreich getroffene Unterscheidung zwischen mit dem Schengen-Besitzstand zusammenhängenden Maßnahmen und zum Schengen-Besitzstand gehörenden Maßnahmen sei im Gemeinschaftsrecht unbekannt. Das Schengen-Protokoll behandle den Schengen-Besitzstand als ein Ganzes. Der Rat hätte die Position des Vereinigten Königreichs beim Erlass des Beschlusses 1999/435(10) berücksichtigen können, habe dies jedoch nicht getan.

74.      Zum Vorbringen des Vereinigten Königreichs betreffend die Zusammenarbeit bei den Maßnahmen des Schengen-Besitzstands führt der Rat aus, dass die Position des Vereinigten Königreichs aufgrund einer besonderen Prüfung bestimmt werden könne. Wenn es um einen Vorschlag gehe, dessen Rechtsgrundlage Titel IV sei und der keine Weiterentwicklung dieses Besitzstands zum Inhalt habe, könne sich das Vereinigte Königreich gemäß Art. 3 Abs. 1 des Protokolls zu Titel IV beteiligen (opt in). Handele es sich dagegen um einen Vorschlag, der eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands impliziere, so werde der Rat die Position des Vereinigten Königreichs anhand des Art. 4 des Schengen-Protokolls prüfen. Wenn das Vereinigte Königreich an den Teilen des Schengen-Besitzstands mitarbeite, die in dem Beschluss 2000/365 aufgeführt seien, könne es ohne eine vorherige besondere Mitteilung bei der Annahme von Rechtsakten mitwirken. Ergebe sich jedoch aus diesem Beschluss, dass das Vereinigte Königreich nicht an den genannten Teilen des Besitzstands mitwirke, müsse es, um mitarbeiten zu können, das Verfahren nach Art. 4 des Schengen-Protokolls einhalten.

75.      Die Mitwirkung des Vereinigten Königreichs bei der Annahme von Maßnahmen, die zum Schengen-Besitzstand gehören, erklärt sich nach dem Vorbringen des Rates aus der Besonderheit der Zusammenarbeit im Einzelfall. So sei die Verordnung Nr. 334/2002(11) auf der Grundlage des früheren Art. 100c EG-Vertrag vor der Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union erlassen worden. Bei den anderen Rechtsakten handele es sich eher um Durchführungsmaßnahmen als um normative Akte, d. h. um Akte, die durch ihre Zugehörigkeit zur Exekutive gekennzeichnet seien, wie z. B. die Entscheidung 2004/573.(12) Die Richtlinie 2001/40(13) und die Entscheidung 2004/191(14) seien Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands, an dem sich das Vereinigte Königreich nicht beteilige. Die Mitwirkung an der Annahme dieser beiden Rechtsakte beruhe darauf, dass die genannte Richtlinie nur die gegenseitige Anerkennung der Entscheidungen über die Rückführung von Ausländern regele. Sie betreffe tatsächlich die Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die sich der Rückführung entziehen und in das Vereinigte Königreich einreisen könnten.

76.      Die mit den Personenkontrollen an den Außengrenzen zusammenhängenden Maßnahmen gehörten zum Schengen-Besitzstand. Zu diesen Maßnahmen zähle auch die Verordnung Nr. 2007/2004, wie sich aus ihrem Art. 2 ergebe. Das Vereinigte Königreich habe nicht beantragt, an diesem Teil des Schengen-Besitzstands teilzunehmen, weshalb die entsprechenden Maßnahmen im Beschluss 2000/365 auch nicht erwähnt würden. Die Aufgaben und die Zuständigkeiten der Agentur beträfen Bereiche, die eindeutig mit dem freien Personenverkehr zusammenhingen. Solange es dem Vereinigten Königreich nicht gestattet werde, an dem die Außengrenzen betreffenden Teil des Schengen-Besitzstands mitzuarbeiten, könne die Gemeinschaft keine Regelung über die Kontrolle der Außengrenzen des Vereinigten Königreichs und die Beteiligung des Vereinigten Königreichs an den Politiken der Gemeinschaft im Bereich der Kontrolle der Außengrenzen erlassen.

D –    Die Streithelfer zur Unterstützung des Rates

77.      Die Kommission stimmt der Auffassung des Rates zum Verhältnis zwischen den Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls zu. Auch wenn sie den Standpunkt des Vereinigten Königreichs betreffend die Unterscheidung zwischen zum Schengen-Besitzstand gehörenden und nur mit ihm zusammenhängenden Maßnahmen nicht teilt, vertritt sie die Meinung, dass die Verordnung Nr. 2007/2004 eine zum Schengen-Besitzstand gehörende Maßnahme sei, da sie unauflöslich mit dem Teil des Schengen-Besitzstands verbunden sei, an dem sich das Vereinigte Königreich nicht beteilige.

78.      Nach Auffassung der Kommission ist das wesentliche Merkmal der verstärkten Zusammenarbeit und des Schengen-Besitzstands der Grundsatz der Integrität. Folglich bestehe das wesentliche Ziel in der Wahrung dieser Integrität und der Kohärenz des Schengen-Besitzstands. Zwar sehe das Schengen-Protokoll eine teilweise Mitarbeit für einzelne Mitgliedstaaten vor, die keine Schengen-Staaten seien; dies verleihe diesen Staaten jedoch nicht die Befugnis, nach Gutdünken zu entscheiden, an welchen Teilen des Schengen-Besitzstands sie mitwirken wollten, denn dies würde zur Entstehung eines Patchworks von Mitwirkungen und Verpflichtungen führen.

79.      Art. 5 des Schengen-Protokolls könne nicht isoliert, d. h. außerhalb des Zusammenhangs des gesamten Protokolls betrachtet werden. Deshalb gehe die Theorie, wonach zwischen Art. 4 und Art. 5 dieses Protokolls ein Verhältnis der Unabhängigkeit bestehe, fehl.

80.      Die Kommission trägt abschließend vor, das Konzept der Maßnahmen „auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ im Sinne des Art. 5 des Schengen-Protokolls sei weder unklar noch ungenau. Das Verfahren der Annahme von Rechtsakten auf der Grundlage dieser Vorschrift unterscheide sich in den Fällen, in denen es sich um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands handele, nicht von der Bestimmung der Rechtsgrundlage für den Erlass der Rechtsakte der Gemeinschaft. Die vom Rat vorgenommene Prüfung in zwei Schritten zur Feststellung, ob es sich um eine Weiterentwicklung des Besitzstands handele, sei richtig und ausreichend.

81.      Spanien führt aus, die vom Vereinigten Königreich vorgeschlagene Auslegung des Schengen-Protokolls gefährde die bereits im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit erlassenen Maßnahmen und verstoße somit gegen den Grundsatz der Integrität des Schengen-Besitzstands. Das Mitwirkungsrecht des Vereinigten Königreichs ergebe sich nicht aus einer systematischen, teleologischen und historischen Auslegung des Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls. Zum Hilfsvorbringen des Vereinigten Königreichs trägt Spanien vor, es sei Sache des Rates, zu entscheiden, welche Maßnahmen ihre Grundlage im Schengen-Besitzstand hätten.

V –    Stellungnahme der Generalanwältin

82.      Der Vertrag von Amsterdam hat der europäischen Integration eine neue Dimension eröffnet(15). Durch diesen Vertrag wurde ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts geschaffen(16). In der Lehre wird darauf hingewiesen, dass der Begriff der verstärkten Zusammenarbeit auch für die Weiterentwicklung und die Ergänzung dieses Raums gilt(17), zu dem nach Art. 1 des Schengen-Protokolls auch der Schengen-Besitzstand gehört(18). Dieser wurde zunächst als Teil des Völkerrechts konzipiert und sodann durch Art. 2 Abs. 1 des Schengen-Protokolls in das Recht der Union und der Gemeinschaft eingeführt(19).

83.      In den Rechtssachen C‑77/05 und C‑137/05 geht es um die Auslegung der Protokolle, die insbesondere die verstärkte Zusammenarbeit betreffen(20). Die herkömmliche Konzeption der europäischen Integration geht von dem Gedanken einer einheitlichen Integration aus, d. h. von der Begründung einheitlicher Rechte, die in allen Mitgliedstaaten gelten(21). Nach den Änderungen der Gründungsverträge, durch die die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union erweitert wurde, und infolge der letzten Erweiterungen der Union, die zu einer größeren Uneinheitlichkeit der Strukturen und der Interessen geführt haben, kann das Konzept der einheitlichen Integration nicht mehr so angewandt werden wie zu der Zeit, als die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft aus sechs oder neun Mitgliedern bestand(22). Die verstärkte Zusammenarbeit ist der zutreffende Ausdruck des Ausgleichs zwischen Erweiterung und Vertiefung der Union(23). Der Schengen-Besitzstand bildet nach der Lehre eine besondere, veränderte Form der verstärkten Zusammenarbeit, die von einigen Mitgliedstaaten durch völkerrechtliche Verträge(24) außerhalb des institutionellen Rahmens der damaligen Gemeinschaft und heutigen Union begründet worden sei(25), nämlich durch das am 14. Juni 1985 in Schengen unterzeichnete Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (im Folgenden: Übereinkommen von Schengen) und durch das am 19. Juni 1990 unterzeichnete Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 (im Folgenden: Durchführungsübereinkommen). Diese beiden Übereinkommen hätten mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam aufgehört, als selbständige völkerrechtliche Akte zu bestehen(26).

84.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das primäre Gemeinschaftsrecht die Unterscheidung zwischen zum Schengen-Besitzstand gehörenden Maßnahmen (Schengen integral mesures) und mit dem Schengen-Besitzstand zusammenhängenden Maßnahmen (Schengen linked mesures) nicht kennt. Auch das Vereinigte Königreich räumt dies ein, wenn es in seiner Erwiderung vorträgt, dass diese Unterscheidung ein analytisches Instrument sei, das der Entscheidung diene, in welchen seltenen Fällen es rechtmäßig sei, Irland und das Vereinigte Königreich von der Zusammenarbeit bei der Annahme von Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands auszuschließen(27).

85.      Art. 5 des Schengen-Protokolls nennt Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands(28). Alle Verfahrensbeteiligten haben jedoch in der mündlichen Verhandlung von einer „Weiterentwicklung“ des Schengen-Besitzstands gesprochen. Deshalb ist zu prüfen, ob die Begriffe Maßnahmen „auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ und Maßnahmen „zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands“ dasselbe bedeuten.

86.      Im abgeleiteten Recht verwendet z. B. die Richtlinie 2001/51/EG des Rates vom 28. Juni 2001 zur Ergänzung der Regelungen nach Art. 26 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985(29) im sechsten Erwägungsgrund in der englischen und spanischen, nicht jedoch in der slowenischen, der französischen, der deutschen und der italienischen Fassung dieselbe Formulierung wie Art. 5 des Schengen-Protokolls(30). Die Verordnung (EG) Nr. 377/2004 des Rates zur Schaffung eines Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen(31) gebraucht im 13. Erwägungsgrund dieselbe Wendung wie das Schengen-Protokoll in der englischen, der französischen, der italienischen und der spanischen, nicht dagegen in der slowenischen und der deutschen Fassung(32). In der Entscheidung 2005/267/EG des Rates vom 16. März 2005 zur Einrichtung eines sicheren web-gestützten Informations‑ und Koordinierungsnetzes für die Migrationsbehörden der Mitgliedstaaten(33) werden im 12. Erwägungsgrund die Maßnahmen erwähnt, die eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung darstellen(34). In der englischen, der französischen, der italienischen und der spanischen Fassung werden dieselben Worte gebraucht wie in Art. 5 des Schengen-Protokolls, nicht dagegen in der slowenischen und der deutschen Fassung.

87.      Ich möchte im Übrigen darauf aufmerksam machen, dass diejenigen Sprachfassungen, in denen das abgeleitete Recht, das auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands erlassen wurde, nicht dieselben Worte gebraucht – wie z. B. die italienische und die deutsche Fassung des Schengen-Protokolls und der in Nr. 86 genannten Akte des abgeleiteten Rechts –, inhaltlich genau mit denjenigen Sprachfassungen übereinstimmen, in denen dieselben Worte verwendet werden, wie dies z. B. bei der englischen Fassung dieser Rechtsakte der Fall ist. Wenn wegen der unterschiedlichen Formulierung dieser Rechtsakte ihr Inhalt in den verschiedenen Sprachen verschieden wäre, müssten bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts ihre verschiedenen Sprachfassungen verglichen werden(35). Haben die verschiedenen Sprachfassungen einen verschiedenen Inhalt, so muss die fragliche Bestimmung anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört(36). Zweck des Art. 5 des Schengen-Protokolls ist es, ein besonderes Verfahren für die Mitwirkung des Vereinigten Königreichs und Irlands an den neuen Bestimmungen vorzusehen, die auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands erlassen werden und somit eine Weiterentwicklung dieses Besitzstands darstellen.

88.      In erster Linie ist darauf hinzuweisen, dass die hier zu prüfende Rechtssache die Auslegung der dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag beigefügten Protokolle und Erklärungen betrifft. Die Rechtslehre unterscheidet hinsichtlich der Protokolle und der Erklärungen zwei traditionelle Kategorien von Anhängen der Gründungsverträge(37). Nach Art. 311 EG sind die dem EG-Vertrag im gegenseitigen Einvernehmen der Mitgliedstaaten beigefügten Protokolle(38) Bestandteil dieses Vertrags und haben denselben rechtlichen Wert wie die Gründungsverträge(39). Entsprechend hat der Gerichtshof in der Rechtssache Miraglia(40) Art. 2 des Schengen-Protokolls als Teil des primären Gemeinschaftsrechts angewandt. Die dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag beigefügten Erklärungen stehen dagegen nicht auf derselben Stufe wie die Protokolle(41), da sie keine bindende Wirkung haben(42). Die von der Regierungskonferenz angenommenen Erklärungen sind nicht Teil der Gründungsverträge, können aber gemäß Art. 31 Abs. 2 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge zur Auslegung dieser Verträge herangezogen werden(43). Der Unterschied zwischen den Protokollen und den Erklärungen hat insofern eine besondere Bedeutung, als die Organe die Protokolle bei ihrer Gesetzgebungstätigkeit berücksichtigen müssen(44).

A –    Zulässigkeit der Klage

89.      Die Nichtigkeitsklage ist fristgemäß nach Art. 230 EG vom Vereinigten Königreich als Mitgliedstaat gegen die Verordnung Nr. 2007/2004, eine Handlung des Rates, erhoben worden. Die Klage ist gemäß Art. 230 EG zulässig(45).

B –    Rechtsstellung einiger anderer Staaten im Hinblick auf den Schengen-Besitzstand

90.      Vor einer Untersuchung der Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Bereich des Schengen-Besitzstands ist kurz auf die Position bestimmter anderer Staaten einzugehen. Im Rahmen des Schengen-Besitzstands gibt es nämlich verschiedene Formen der Zusammenarbeit, die jeweils nur für einige Staaten Geltung besitzen.

1.      Dänemark

91.      Dänemark akzeptiert den Grundsatz der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen, aber nicht den Grundsatz, wonach auf den Schengen-Besitzstand die sogenannte Gemeinschaftsmethode in den Bereichen Justiz und Inneres anwendbar ist(46). Dänemark gehört nach Art. 1 des Schengen-Protokolls zu den Schengen-Staaten, aber Art. 3 des Protokolls regelt als lex specialis die Sonderstellung dieses Mitgliedstaats.

92.      Dem Vertrag von Amsterdam ist im Übrigen ein besonderes Protokoll über die Position Dänemarks beigefügt. Nach Art. 5 dieses Protokolls ist der Schengen-Besitzstand für Dänemark ein Teil des Völkerrechts(47). Wegen des Grundsatzes der Integrität gestattet es Art. 5 Abs. 2 des genannten Protokolls den anderen Schengen-Staaten insbesondere, sich auf den Grundsatz der Gegenseitigkeit (tu quoque) zu berufen, wenn Dänemark beschließe, einen Beschluss des Rates über einen Vorschlag oder eine Initiative zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands nicht umzusetzen.

2.      Neue Mitgliedstaaten

93.      Da die Klage vor Inkrafttreten des Vertrags über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union erhoben worden ist, wird sich die Prüfung gemäß dem Grundsatz tempus regit actum auf den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union beschränken. Im Übrigen entspricht die Stellung Bulgariens und Rumäniens im Wesentlichen der Stellung der Mitgliedstaaten, die im Jahr 2004 beigetreten sind(48).

94.      Die Position der neuen Mitgliedstaaten ist allgemein in Art. 8 des Schengen-Protokolls geregelt. Dort heißt es: „Bei den Verhandlungen über die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten in die Europäische Union gelten der Schengen-Besitzstand und weitere Maßnahmen, welche die Organe im Rahmen seines Anwendungsbereichs getroffen haben, als ein Besitzstand, der von allen Staaten, die Beitrittskandidaten sind, vollständig zu übernehmen ist.“(49)

95.      Die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands, die nicht in Art. 3 Abs. 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts genannt werden, sind für die neuen Mitgliedstaaten ab dem Tag des Beitritts bindend; sie sind aber nur gemäß einem entsprechenden Beschluss des Rates anzuwenden, den der Rat nach einer gemäß den geltenden Schengen-Evaluierungsverfahren durchgeführten Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des betreffenden Besitzstands gegeben sind, und nach Anhörung des Europäischen Parlaments gefasst hat(50). Das primäre Gemeinschaftsrecht sieht auf diese Weise vor, dass die neuen Mitgliedstaaten Schengen-Staaten werden, wenn die in den Schengen-Evaluierungsverfahren aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind(51). Somit lässt sich die Position der neuen Mitgliedstaaten genauer dahin definieren, dass sie sich in einer Art Übergangszeit befinden. Dann aber kann der Auffassung Polens nicht zugestimmt werden, das darin die Vielfalt und die Verschiedenartigkeit der Zusammenarbeit erblickt.

3.      Island und Norwegen

96.      Island und Norwegen bilden zusammen mit Schweden, Finnland und Dänemark die Nordische Passunion, in deren Bereich die Kontrollen an den Binnengrenzen schon seit 1957 abgeschafft sind(52). Schweden, Finnland und Dänemark wurden sodann durch die Unterzeichnung und das Inkrafttreten des Schengener Übereinkommens.

97.      Seit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam bestimmt sich die Stellung dieser beiden Staaten nach Art. 6 des Schengen-Protokolls, der es Island und Norwegen, obwohl sie nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, gestattet, am Schengen-Besitzstand mitzuwirken. Aus diesem Grund ist Art. 6 dieses Protokolls eher eine Vorschrift des Völkerrechts, die das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und zwei Drittstaaten regelt, als eine Rechtsvorschrift der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union.

C –    Die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Hinblick auf den Schengen-Besitzstand

98.      Das Vereinigte Königreich und Irland wirken an der Politik der Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen nicht mit und wollen durch die gemeinschaftsrechtliche Regelung betreffend Drittstaatsangehörige nicht gebunden sein(53). Deshalb heißt es im Schengen-Protokoll, dass das Vereinigte Königreich und Irland durch den Schengen-Besitzstand nicht gebunden sind(54). Nach Art. 4 des Schengen-Protokolls können das Vereinigte Königreich und Irland jedoch jederzeit beantragen, dass einzelne oder alle Bestimmungen dieses Besitzstands auch auf sie Anwendung finden sollen.

99.      Das Protokoll zu Titel IV gestattet es dem Vereinigten Königreich und Irland, an den gemäß Titel IV EG erlassenen Rechtsakten nicht teilzunehmen (opt out)(55). Die nach Titel IV EG angenommenen Maßnahmen sind für diese Staaten nicht bindend(56).

100. Das Vereinigte Königreich und Irland wirken im Bereich der sogenannten flankierenden Maßnahmen (mesures compensatoires) des Schengen-Besitzstands bei der zukünftigen Entwicklung dieser Maßnahmen mit(57). In der Rechtslehre wird die Position des Vereinigten Königreichs so beschrieben, dass dieses den freien Personenverkehr ohne Kontrollen an den Binnengrenzen völlig ablehne, aber gleichwohl an dem repressiven Teil der rechtlichen Regelung betreffend den freien Personenverkehr mitwirken wolle(58).

101. Der Rat hat dem Willen des Vereinigten Königreichs Rechnung getragen und im Beschluss 2000/365 festgelegt, an welchen Teilen des Schengen-Besitzstands es sich beteiligt. Art. 8 Abs. 2 dieses Beschlusses bringt klar zum Ausdruck, dass die Mitteilung des Vereinigten Königreichs an den Präsidenten des Rates nach Art. 5 des Schengen-Protokolls, dass es sich an allen Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands nach Art. 1 des Beschlusses 2000/365 beteiligen will, als erfolgt gilt(59).

D –    Das Verhältnis zwischen Art. 4 und Art. 5 des Schengen-Protokolls

102. In der vorliegenden Rechtssache stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Art. 4 und 5 des Schengen-Protokolls, die beide die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands behandeln. Art. 5 Abs. 1 enthält eine Art ius variandi – ein Wahlrecht des Vereinigten Königreichs und Irlands in Bezug auf die neuen Rechtsakte des Schengen-Besitzstands(60). Im Gegensatz zu dem, was bei der Annahme der bereits in diesem Bereich bestehenden Rechtsakte geschieht, sind im Hinblick auf die Mitwirkung des Vereinigten Königreichs und Irlands gemäß Art. 5 des Schengen-Protokolls die Zustimmung der anderen teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie die Zustimmung der Kommission nicht erforderlich. Art. 5 Abs. 1 des Protokolls verlangt lediglich eine schriftliche Mitteilung des Vereinigten Königreichs oder Irlands, dass sie sich an den Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands beteiligen möchten. Aufgrund dieser offiziellen Mitteilung haben das Vereinigte Königreich und Irland die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten wie die übrigen Schengen-Staaten und können sich an der Annahme dieser Rechtsakte beteiligen. Dies bedeutet letztlich, dass diese beiden Mitgliedstaaten durch ihr Verhalten die Annahme einer beliebigen Schengen-Maßnahme verzögern oder ganz verhindern können(61).

103. In der Lehre und Rechtsprechung hat sich noch keine Meinung zu der Frage herausgebildet, ob Art. 5 des Schengen-Protokolls mit dem Mechanismus der einseitigen Willenserklärung auch auf diejenigen Rechtsakte anwendbar ist, die den bereits existierenden Schengen-Besitzstand weiterentwickeln, die das Vereinigte Königreich und Irland jedoch nicht gemäß Art. 4 des genannten Protokolls übernommen haben. Die Lehre geht von der Annahme aus, dass aufgrund einer logischen und systematischen Auslegung die Möglichkeit einer Mitwirkung des Vereinigten Königreichs und Irlands an Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands gemäß Art. 5 des Schengen-Protokolls abzulehnen sei, wenn diese Weiterentwicklung nicht eigenständig existieren könne. Dies sei der Fall, wenn die Maßnahme zur Weiterentwicklung des Besitzstands nicht ohne die gleichzeitige Anwendung von Maßnahmen und Rechtsakten durchgeführt werden könne, die für Irland und das Vereinigte Königreich keine Geltung besäßen(62).

104. In der Lehre wird einerseits die These vertreten, dass das Vereinigte Königreich und Irland an diesen Rechtsakten nur dann mitwirken könnten, wenn sie zuvor das in Art. 4 des Schengen-Protokolls festgelegte Verfahren einhielten(63). Dem wird entgegengehalten, dass nicht klar sei, ob bei der Annahme von Rechtsakten zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands Art. 4 Anwendung finden könne, da er im Aufbau des Protokolls dem Art. 5, der die Möglichkeit der Weiterentwicklung regele, vorangehe(64). Insbesondere die englische Lehre hebt hervor, dass für die Mitwirkung des Vereinigten Königreichs an Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands die Zustimmung der Schengen-Staaten nicht erforderlich sei(65), eine Zustimmung, die doch Art. 4 des Schengen-Protokolls kennzeichne.

105. Bei einer näheren Betrachtung ist der Anwendungsbereich der freien Wahlmöglichkeit des Vereinigten Königreichs nach Art. 5 des Schengen-Protokolls jedoch enger, als es auf den ersten Blick scheint.

106. Es ist klar, dass das Vereinigte Königreich und Irland bei der Weiterentwicklung einer Maßnahme des Schengen-Besitzstands mitwirken können, an der sie gemäß Art. 4 des Schengen-Protokolls beteiligt sind.

107. Anders ist es jedoch, wenn das Vereinigte Königreich oder Irland nicht gemäß Art. 4 an dem Bereich mitarbeiten, der Gegenstand der Weiterentwicklung ist. Die Anwendung des Verfahrens nach Art. 5 des Schengen-Protokolls ohne die Anwendung von dessen Art. 4 ist nur dann möglich, wenn es sich um einen Akt zur Weiterentwicklung dieses Besitzstands handelt, der eigenständig angewandt werden kann. Die Wahlfreiheit ist auf diejenigen Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands beschränkt, die eigenständig angewandt werden können(66). Wenn das Vereinigte Königreich oder Irland allein aufgrund des in Art. 5 des Schengen-Protokolls vorgesehenen Mechanismus an der Schengen-Zusammenarbeit in einem Bereich teilnehmen könnten, bei dem für die Mitarbeit die vorherige Anwendung des Art. 4 dieses Protokolls erforderlich ist, würde die praktische Wirksamkeit der letztgenannten Vorschrift verloren gehen(67). Auf dieses Problem ist die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen eingegangen. Ihrer Meinung nach würde dies auf die Anwendung eines Teils des Schengen-Besitzstands auf das Vereinigte Königreich hinauslaufen, ohne dass dieses diesen Besitzstand von sich aus übernommen hätte. Deshalb unterliege die Mitarbeit des Vereinigten Königreichs und Irlands bei der Weiterentwicklung eines Teils des Schengen-Besitzstands grundsätzlich der vorherigen Einhaltung des in Art. 4 des Schengen-Protokolls geregelten Verfahrens(68). Auch der Beschluss 2000/365 stützt sich auf ein entsprechendes Verständnis des Verhältnisses zwischen Art. 4 und Art. 5 des Schengen-Protokolls. Rechtsgrundlage dieses Beschlusses ist Art. 4 des Schengen-Protokolls(69). Die Bestimmungen, die die Anwendung des Verfahrens nach Art. 5 des Schengen-Protokolls regeln, werden nur in Art. 8 Abs. 2 des Beschlusses 2000/365 erwähnt. Dies bedeutet, dass die Rechtsgrundlage der Regelung der Anwendung des Mechanismus des Art. 5 des Schengen-Protokolls ausschließlich Art. 4 dieses Protokolls ist. Dies wird im Übrigen durch die Praxis des Rückgriffs auf das Verfahren nach Art. 4 vor der Anwendung des Verfahrens nach Art. 5 des Schengen-Protokolls klar bestätigt.

108. Folglich ist zu prüfen, ob die Verordnung Nr. 2007/2004 eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands ist, die eigenständig angewandt werden kann. Wie ich bereits dargelegt habe, ist die Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen ein wesentlicher Teil des Schengen-Besitzstands. Die Aufhebung der Binnengrenzen ist jedoch notwendig mit der Vereinheitlichung der Kontrollen an den Außengrenzen verbunden(70). Somit gehören auch die Kontrollen an den Außengrenzen zum Schengen-Besitzstand(71). Deshalb wird in Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2007/2004 vor allem darauf hingewiesen, dass die Kontrolle und die Überwachung der Außengrenzen aufgrund des Prinzips des indirekten Schutzes ausschließlich den Mitgliedstaaten obliegen. Gleichwohl wird sofort im Anschluss an diese Vorschrift bestimmt, dass die Agentur „die Anwendung bestehender und künftiger Maßnahmen der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Schutz der Außengrenzen [erleichtert] und … ihre Wirksamkeit [fördert]. Dies erfolgt durch die Koordinierung der Aktionen der Mitgliedstaaten bei der Durchführung dieser Maßnahmen …“(72) Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, dass die Verordnung Nr. 2007/2004 nicht eigenständig angewandt werden kann, da sie mit einer vereinfachten und wirksameren Anwendung der bestehenden und zukünftigen Maßnahmen einhergeht. Dies bedeutet, wie oben in Nr. 103 dargelegt wurde, dass die Verordnung Nr. 2007/2004 nicht ohne gleichzeitige Umsetzung anderer Rechtsakte des Schengen-Besitzstands angewandt werden kann. Damit erweist sich im konkreten Fall, dass die insbesondere vom Rat und von der Kommission vertretene Theorie, wonach Art. 5 des Schengen-Protokolls Art. 4 untergeordnet ist, die zutreffende Auslegung des Schengen-Protokolls darstellt.

109. Diesem Ergebnis stehen auch nicht die dem Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärungen Nr. 45 und Nr. 46 entgegen. Die genannte Erklärung Nr. 45 verweist ausdrücklich auf das Verfahren nach Art. 4 und nicht auf das nach Art. 5 des Schengen-Protokolls.

110. Meiner Meinung nach geht aus der dem Vertrag von Amsterdam beigefügten Erklärung Nr. 46 hervor, dass die Aktionen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands dem Verfahren nach Art. 4 des Schengen-Protokolls unterliegen. Es ist nicht möglich, diese Erklärung so auszulegen, dass der Grundsatz der Integrität des Schengen-Besitzstands gefährdet wird.

E –    Der Grundsatz der Integrität

111. Im zweiten Erwägungsgrund des Beschlusses 2000/365, der die Stellung des Vereinigten Königreichs betrifft, wird die Bedeutung des Grundsatzes der Integrität des Schengen-Besitzstands hervorgehoben: „Der Schengen-Besitzstand wurde als kohärentes Ganzes konzipiert und wird auch als solches angewendet; er ist von allen Staaten, die dem Grundsatz der Abschaffung der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen zustimmen, in vollem Umfang zu übernehmen und anzuwenden.“(73)

112. Dieser Grundsatz wird auch in Art. 8 des Schengen-Protokolls bekräftigt, wo es heißt, dass die Staaten, die Beitrittskandidaten sind, den Schengen-Besitzstand vollständig übernehmen müssen.

113. Der Grundsatz der Integrität des Schengen-Besitzstands ist eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes qui habet commoda ferre debet onera et contra, der auch im Völkerrecht gilt. Im Bereich des ersten Pfeilers verweist die Lehre(74) hinsichtlich dieses Rechtsgrundsatzes insbesondere auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache 39/72(75), in dem dieser entschieden hat: „Es geht nicht an, dass ein Mitgliedstaat die Bestimmungen einer Verordnung der Gemeinschaft unvollständig anwendet oder unter ihnen eine Auswahl trifft, so dass er bestimmte Regelungen des Gemeinschaftsrechts vereitelt, gegen die er im Rechtsetzungsverfahren Vorbehalte angemeldet oder Einwände vorgebracht hat oder die nach seiner Auffassung gewissen nationalen Interessen zuwiderlaufen … Stört ein Staat aufgrund der Vorstellung, die er sich von seinem nationalen Interesse macht, einseitig das mit der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft verbundene Gleichgewicht zwischen Vorteilen und Lasten, so stellt dies die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor dem Gemeinschaftsrecht in Frage und schafft Diskriminierungen für die Einzelnen …“ Diese Ausführungen können ohne Weiteres auf den Schengen-Besitzstand angewandt werden.

114. Der Grundsatz der Integrität des Schengen-Besitzstands dient nicht nur der Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Schengen-Staaten bei der Weiterentwicklung und der Anwendung des Schengen-Besitzstands, sondern schützt auch den Schengen-Besitzstand insgesamt(76). Aufgrund der Verteidigung des gesamten Schengen-Besitzstands ist dieser Grundsatz Ausdruck des Allgemeininteresses der Schengen-Staaten.

115. Die Mitarbeit an einem Teil des Schengen-Besitzstands macht es wegen des Grundsatzes der Integrität erforderlich, dass der Mitgliedstaat, der sich an irgendeiner Maßnahme des Schengen-Besitzstands beteiligt, die Vorteile und die Lasten, die sich aus der Mitarbeit an diesem Teil des Besitzstands ergeben, auf sich nimmt. Deshalb gestattet der Grundsatz der Integrität ihm nicht, frei zu wählen, ob er sich gemäß Art. 5 des Schengen-Protokolls an einem Rechtsakt zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands beteiligen möchte, wenn dieser Rechtsakt nicht eigenständig angewandt werden kann. Aus den in den Nrn. 103 bis 108 entwickelten Argumenten ergibt sich, dass die Verordnung Nr. 2007/2004 nicht eigenständig angewandt werden kann. Das Vereinigte Königreich kann nur dann in den Genuss des Vorteils kommen, der sich im konkreten Fall aus seiner Mitwirkung an der Verordnung Nr. 2007/2004 ergibt, wenn es auch die damit zusammenhängenden Lasten auf sich nimmt. Diese Last besteht nach Art. 1 Abs. 2 der Verordnung in der Anwendung bestehender und künftiger Maßnahmen der Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Schutz der Außengrenzen.

F –    Angeblich widersprüchliches Verhalten des Rates bei der Prüfung der Frage, ob es sich um eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands handelt

116. Das Vereinigte Königreich hat in seinen Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm die Zusammenarbeit im Rahmen von Maßnahmen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands mehrfach vom Rat gestattet worden sei. So verweist es u. a. auf die Richtlinie 2001/51, auf die Entscheidung 2002/463/EG des Rates vom 13. Juni 2002 über ein Aktionsprogramm für die Verwaltungszusammenarbeit in den Bereichen Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung (ARGO-Programm)(77), auf die Verordnung Nr. 377/2004 und auf die Entscheidung 2005/267 und vertritt die Auffassung, dass das Konzept der „Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“ ungenau und unklar sei.

117. Um festzustellen, ob es sich um eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands handelt, nimmt der Rat eine Prüfung in zwei Schritten vor. Er prüft in einem ersten Schritt, ob es sich um eine gewöhnliche Maßnahme im Bereich des Titels IV EG oder eine Maßnahme handelt, die zum Schengen-Besitzstand gehört(78). Im zweiten Schritt untersucht er dagegen, ob es sich um ein schwerwiegendes (essential) Problem für den freien Personenverkehr in einem Bereich handelt, in dem die Personenkontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft worden sind. Diese Prüfung in zwei Schritten ist vergleichbar mit der Prüfung, die im Rahmen des ersten Pfeilers bei der Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage der Rechtsakte der Organe vorgenommen wird. Dazu hat der Gerichtshof ausgeführt: „Nach ständiger Rechtsprechung muss sich im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft die Wahl der Rechtsgrundlage eines Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen. Zu diesen Umständen gehören insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts.“(79)

118. Diese vom Rat in zwei Schritten vorgenommene Prüfung ermöglicht es dem Gerichtshof, aufgrund objektiver Umstände zu ermitteln, ob eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands vorliegt. Dabei muss er u. a. untersuchen, ob die Maßnahme ihrem materiellen Anwendungsbereich nach allgemein auf den Schengen-Besitzstand zurückgeführt werden kann und ob es sich um ein schwerwiegendes (essential) Problem für den freien Personenverkehr in einem Bereich handelt, in dem die Binnengrenzen abgeschafft worden sind.

119. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass nach ständiger Rechtsprechung „der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, [verlangt], dass die von einer Gemeinschaftsbestimmung eingesetzten Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet sind und nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen“(80), und hinzugefügt: „Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der … genannten Voraussetzungen angeht, so verfügt der Gemeinschaftsgesetzgeber in einem Bereich wie dem hier betroffenen, der von ihm politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen verlangt und in dem er komplexe Prüfungen durchführen muss, über ein weites Ermessen. Folglich ist eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme nur dann rechtswidrig, wenn sie zur Erreichung des Zieles, das die zuständigen Organe verfolgen, offensichtlich ungeeignet ist.“(81)

120. Die vom Rat in zwei Schritten vorgenommene Prüfung kann nicht als offensichtlich ungeeignet angesehen werden, denn sie ist zur Erreichung des verfolgten Ziels – der Feststellung, ob ein bestimmter vorgeschlagener Rechtsakt eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands ist – geeignet. Deshalb greift das Vorbringen, der Begriff des Schengen-Besitzstands sei viel zu unbestimmt, nicht durch.

121. Gegenstand der Verordnung Nr. 377/2004 ist die Schaffung eines Netzes von Verbindungsbeamten für Einwanderungsfragen. Im zehnten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es, dass sich das Vereinigte Königreich an dieser Verordnung gemäß Art. 5 des Schengen-Protokolls und gemäß Art. 8 Abs. 2 des Beschlusses 2000/365 beteiligt. Art. 8 Abs. 2 des Beschlusses 2000/365 bestätigt, dass sich das Vereinigte Königreich an diesem Bereich des Schengen-Besitzstands beteiligt, und stellt die Vermutung auf(82), dass die Mitteilung nach Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls als erfolgt gilt. Auch der zwölfte Erwägungsgrund der Entscheidung 2005/267, mit der ein sicheres web-gestütztes Informations‑ und Koordinationsnetz für den Informationsaustausch über vorschriftswidrige Migration, illegale Einreise und Einwanderung und die Rückführung von Personen mit rechtswidrigem Aufenthalt eingerichtet wird, weist darauf hin, dass das Verfahren nach Art. 5 Abs. 1 des Schengen-Protokolls eingehalten wurde. Weiter heißt es dort, dass Art. 8 Abs. 2 des Beschlusses 2000/365 angewandt wurde, soweit die Maßnahmen der Entscheidung 2005/267 eine Weiterentwicklung der Bestimmungen des Schengen-Besitzstands zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung darstellen, an denen sich das Vereinigte Königreich beteiligt(83). Folglich ist bei diesem Rechtsakt Art. 5 des Schengen-Protokolls kraft der Genehmigung, deren Rechtsgrundlage Art. 4 dieses Protokolls ist, richtig angewandt worden.

122. Die Richtlinie 2005/51 ergänzt die Regelungen nach Art. 26 des Durchführungsübereinkommens in Bezug auf die Verpflichtungen der Beförderungsunternehmen, die ausländische Staatsangehörige in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten verbringen. Diese Richtlinie ist ein Beispiel für eine auf der Grundlage des Titels IV erlassene Maßnahme, an der sich das Vereinigte Königreich gemäß Art. 1 des Beschlusses 2000/365 beteiligt. Im siebten Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird ausgeführt: „Nach Art. 3 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft hat das Vereinigte Königreich … mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie beteiligen möchte.“ Gleichwohl heißt es im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie im Hinblick auf Island und Norwegen, dass „diese Richtlinie eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands … [darstellt]“(84). Diese Richtlinie bildet somit eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands, ist aber trotzdem keine gewöhnliche Maßnahme gemäß Titel IV. Deshalb wäre es falsch gewesen, hier das Protokoll zu Titel IV anzuwenden.

123. Die Richtlinie 2001/40 behandelt die Frage der gegenseitigen Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen, d. h. die Anerkennung einer Rückführungsentscheidung, die von einer zuständigen Behörde eines Mitgliedstaats gegenüber einem Drittstaatsangehörigen erlassen wurde. Im sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird darauf hingewiesen, dass das Vereinigte Königreich gemäß Art. 3 des Protokolls zu Titel IV mitgeteilt hat, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Richtlinie beteiligen wolle. In der Lehre wird die Auffassung vertreten, dass in Bezug auf diese Richtlinie die Anwendung des Art. 3 des Protokolls zu Titel IV falsch sei, da es sich ohne jeden Zweifel um eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands handele. Zugleich wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Richtlinie eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands sei, die eigenständig angewandt werden könne, und dass sie folglich ein typisches Beispiel für die Anwendung des Art. 5 des Schengen-Protokolls sei(85).

124. Die Entscheidung 2004/573 koordiniert die gemeinsame Rückführung auf dem Luftweg von Drittstaatsangehörigen, die individuellen Rückführungsmaßnahmen unterliegen. In den Erwägungsgründen 11 und 12 dieser Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine Maßnahme zur Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands handelt. Im vierten Erwägungsgrund wird klar zum Ausdruck gebracht, dass die Gemeinschaft eine Regelungslücke im Bereich der Organisation von Sammelflügen vermeiden müsse. Die Verwendung des Begriffs „Regelungslücke“ macht deutlich, dass diese Entscheidung eigenständig angewandt werden kann. Deshalb ist auch die Entscheidung 2004/573 eine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands, die eigenständig angewandt werden kann. Dies bedeutet, dass das Vereinigte Königreich sich gemäß Art. 5 des Schengen-Protokolls an ihr beteiligen kann.

125. Die Entscheidung 2002/463 des Rates (ARGO-Programm) bezweckt, die Zusammenarbeit zwischen den Verwaltungs‑ und Justizbehörden der Mitgliedstaaten zu fördern, die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu fördern, die gesamte Leistungsfähigkeit der Verwaltungs‑ und Justizbehörden der Mitgliedstaaten bei der Ausführung ihrer Aufgaben im Zusammenhang mit der Anwendung der Gemeinschaftsregeln zu verbessern und die Transparenz der Maßnahmen der Verwaltungs‑ und Justizbehörden der Mitgliedstaaten dadurch zu fördern, dass die Beziehungen zwischen ihnen und den betroffenen nationalen und internationalen Regierungs‑ und Nichtregierungsorganisationen gestärkt werden. Im zwölften Erwägungsgrund dieser Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass das Vereinigte Königreich gemäß Art. 3 des Protokolls zu Titel IV mitgeteilt hat, dass es sich an der Annahme und Anwendung der genannten Entscheidung beteiligen wolle. Der Rat untersuchte das Verhältnis zwischen der Entscheidung 2002/463 und der Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen und kam zu dem Ergebnis, dass diese Maßnahme kein Rechtsakt auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands sei. Untersucht man die in Art. 3 beschriebenen Ziele und die in Kapitel II aufgeführten Aktionen, insbesondere die in Art. 8 der Entscheidung 2002/463(86) beschriebenen Arten von Aktionen, so kann festgestellt werden, dass sie für den freien Personenverkehr nicht wesentlich sind. Es handelt sich in Wirklichkeit um einen gewöhnlichen Rechtsakt gemäß Titel IV. Deshalb ist die Auffassung des Rates, dass hier keine Maßnahme auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands vorliege, zutreffend.

126. Durch die Verordnung Nr. 334/2002(87) wird eine einheitliche Visagestaltung eingeführt. Es handelt sich um eine Maßnahme gemäß Titel IV und aufgrund des Beschlusses 2000/365 um einen Teil des Schengen-Besitzstands, an dem sich das Vereinigte Königreich nicht beteiligt. Der Rat stellte klar, dass diese Verordnung die Verordnung Nr. 1683/95(88) ändert, die als Rechtsakt des ersten Pfeilers noch vor Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam aufgrund des damaligen Art. 100 c Abs. 3 EG-Vertrag erlassen worden war. Dies sind in den Augen des Rates besondere Umstände, die es dem Vereinigten Königreich ermöglichten, sich an der Annahme der Verordnung Nr. 334/2002 zu beteiligen. In Wirklichkeit ist auf den ersten Blick schwer verständlich, warum der Rat beim Erlass dieser Verordnung aufgrund der Tatsache, dass das Vereinigte Königreich beim Erlass der Verordnung Nr. 1683/95 mitgewirkt hatte, das Vorliegen besonderer Umstände bejaht, beim Erlass der Verordnung Nr. 2007/2004 jedoch verneint hat, obwohl das Vereinigte Königreich in der Einrichtung mitgearbeitet hatte, die die Vorgängerin der Agentur war. Die einheitliche Visagestaltung betrifft eine Frage, die eng mit der Kontrolle an den Außengrenzen und teilweise auch an den Binnengrenzen zusammenhängt. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die einheitliche Visagestaltung nur ein Aspekt des Schengen-Besitzstands ist, während die Agentur, die Gegenstand der Verordnung Nr. 2007/2004 ist, der Verbesserung des integrierten Schutzes der Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Union dient (Art. 1 Abs. 1), was eine größere Anzahl von Bereichen berührt, die zum Schengen-Besitzstand gehören. Genau dieser unterschiedliche Umfang des materiellen Geltungsbereichs der Regelungen könnte den Schluss gestatten, dass der Rat bei der Beurteilung der mit der Mitwirkung des Vereinigten Königreichs am Erlass der Verordnung Nr. 2007/2004 zusammenhängenden komplexen Fragen nicht auf eine Weise vorgegangen ist, die offensichtlich unverhältnismäßig war.

127. Selbst wenn das Vorgehen des Rates, der es dem Vereinigten Königreich gestattet hat, an der Annahme bestimmter Rechtsakte mitzuwirken, die unter Titel IV EG fallen und somit zum Schengen-Besitzstand gehören, falsch gewesen sein sollte, hat dies rechtlich nicht die Bedeutung eines Präzedenzfalls und kann dem Vereinigten Königreich keinen Anspruch auf die Anwendung des Art. 5 des Schengen-Protokolls verleihen. Nach ständiger Rechtsprechung kann „eine schlichte Praxis des Rates Regeln des EG‑Vertrags nicht abändern und folglich auch kein Präjudiz schaffen, das die Organe der Gemeinschaft bei der Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage binden würde“(89).

128. Nach alledem ist die Klage des Vereinigten Königreichs unbegründet.

G –    Kosten

129. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat einen entsprechenden Antrag gestellt hat, hat das Vereinigte Königreich, das mit seinem Vorbringen unterlegen ist, die Kosten zu tragen.

130. Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

VI – Entscheidungsvorschlag

131. Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Das Vereinigte Königreich trägt die Kosten des Verfahrens.

3.      Die Streithelfer tragen ihre eigenen Kosten.


1 – Originalsprache: Slowenisch.


2 – ABl. L 349, S. 1.


3 – ABl. L 385, S. 1.


4 – ABl. L 131, S. 43.


5 – Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden (ABl. L 131, S. 43).


6 – Urteil des Gerichtshofs vom 16. Juni 2005, Pupino (C‑105/03, Slg. 2005, I‑5285, Randnr. 42).


7 – Beschluss 1999/436/EG des Rates vom 20. Mai 1999 zur Festlegung der Rechtsgrundlagen für die einzelnen Bestimmungen und Beschlüsse, die den Schengen-Besitzstand bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union (ABl. L 176, S. 17).


8 – Beschluss 2002/192/EG des Rates vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64, S. 20).


9 – ABl. L 176, S. 31.


10 – Beschluss 1999/435/EG des Rates vom 20. Mai 1999 zur Bestimmung des Schengen-Besitzstands zwecks Festlegung der Rechtsgrundlagen für jede Bestimmung und jeden Beschluss, die diesen Besitzstand bilden, nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und des Vertrags über die Europäische Union (ABl. L 176, S. 1).


11 – Verordnung (EG) Nr. 334/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 über eine einheitliche Visagestaltung (ABl. L 53, S. 7).


12 – Entscheidung 2004/573/EG des Rates vom 29. April 2004 betreffend die Organisation von Sammelflügen zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen, die individuellen Rückführungsmaßnahmen unterliegen, aus dem Hoheitsgebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten (ABl. L 261, S. 28).


13 – Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. L 149, S. 34).


14 – Entscheidung 2004/191/EG des Rates vom 23. Februar 2004 zur Festlegung der Kriterien und praktischen Einzelheiten zum Ausgleich finanzieller Ungleichgewichte aufgrund der Anwendung der Richtlinie 2001/40/EG über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. L 60, S. 55).


15 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, Baden-Baden 2004, S. 79. Nach Auffassung des Autors handelt es sich um eine neue Phase der Integration nach der Schaffung des Binnenmarkts und der Währungsunion.


16 – Es ist darauf hinzuweisen, dass der Vertrag von Amsterdam im Hinblick auf die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Titel VI EU geändert und den neuen Titel IV EG eingefügt hat.


17 – Bribosia, H., „Différenciation et avant-gardes au sein de l'Union européenne, Bilan et perspectives du Traité d'Amsterdam“, Cahiers de droit européen, Nr. 1‑2/2000, S. 57 (88). Zur Bedeutung der verstärkten Zusammenarbeit möchte ich noch auf die Rede hinweisen, die der frühere Präsident der Europäischen Kommission Jacques Delors im März 2007 vor dem Senat des Königreichs Belgien gehalten hat. Eine Zusammenfassung ist in Agence Europe Nr. 9407 vom 17. April 2007 veröffentlicht.


18 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 83. Der Autor verweist außerdem auf Art. 43 Buchst. i EU, wo es heiße, dass die vorgeschlagene verstärkte Zusammenarbeit die Bestimmungen des Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union unberührt lasse.


19 – Den Boer, M., „Not Merely a Matter of Moving House: Police Co-operation from Schengen to the TEU“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, 7(2000), S. 336 (337); Bender, T., „Die verstärkte Zusammenarbeit nach Nizza“, ZaöRV 2001, S. 730 (743); Gautier, M., „Accords de Schengen“, Teil 2630 der Enzyklopädie JurisClasseur Europe Traité, Nr. 38; Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 82, der darauf hinweist, dass das Schengen-Protokoll auf den ersten und den dritten Pfeiler anwendbar und deshalb dem EU-Vertrag und dem EG-Vertrag beigefügt worden sei.


20 – Im Urteil vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien (C‑503/03, Slg. 2006, I‑1097, Randnr. 34) hat der Gerichtshof entschieden, dass „die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands nur in dem Maße anwendbar sind, in dem sie mit den Rechtsvorschriften der Union und der Gemeinschaft vereinbar sind“. Nach Art. 1 des Schengen-Protokolls erfolgt die Zusammenarbeit innerhalb des institutionellen und rechtlichen Rahmens der Europäischen Union und unter Beachtung der Verträge. Diese Bestimmung ist ein besonderer Ausdruck des in Art. 43 Abs. 1 EU aufgestellten Grundsatzes, wonach die verstärkte Zusammenarbeit die Verträge und den institutionellen Rahmen der Union sowie das Recht der Gemeinschaft beachten muss.


21 – Bender, T., „Die verstärkte Zusammenarbeit nach Nizza“, S. 730, 731 und 767.


22 – Jacqué, J.‑P., Droit institutionnel de l’Union européenne, 3. Auflage Paris 2004, S. 161, meint, die verstärkte Zusammenarbeit beruhe auf der Erwägung, dass alle Mitgliedstaaten unmöglich mit derselben Geschwindigkeit auf dem Wege der Integration voranschreiten könnten.


23 – Blanke, „Titel VII, Bestimmungen über eine verstärkte Zusammenarbeit“, in: Grabitz/Hilf, Nr. 1.


24 – Die Lehre weist unter Berufung auf Art. 134 des Durchführungsübereinkommens darauf hin, dass der Schengen-Besitzstand von Anfang an nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht gestanden habe (Van Simaeys, B., Carlier, J.‑Y., „Le nouvel espace de liberté, de sécurité et de justice“, in: Lejeune, Y. (Hrsg.): Le traité d’Amsterdam, Espoirs et déceptions, Brüssel 1999, S. 250).


25 – Blanke, „Titel VII, Bestimmungen über eine verstärkte Zusammenarbeit“, in: Grabitz/Hilf, Nr. 9, Gautier, M., Accords de Schengen, S. 1 und 2. Zu einer Entwicklung außerhalb der Gründungsverträge sei es gekommen, weil die Gemeinschaft zwar für den freien Personenverkehr, aber noch nicht für die Regelung der Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen zuständig gewesen sei.


26 – Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 3. Nach Auffassung der Autorin ist der Besitzstand, der sich auf der Grundlage der Übereinkommen von Schengen gebildet hatte, durch den Vertrag von Amsterdam in den institutionellen Rahmen der Europäischen Union einbezogen worden.


27 – Erwiderung in der Rechtssache C‑77/05, Nr. 72.


28 – In der englischen Fassung dieses Protokolls heißt es: „Proposals and initiatives to build upon the Schengen acquis“, in der französischen Fassung: „Les propositions et initiatives fondées sur l’acquis de Schengen“, in der deutschen Fassung: „Vorschläge und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands“, in der italienischen Fassung: „Le proposte e le iniziative che si baseranno sull’acquis di Schengen“ und in der spanischen Fassung: „Las propuestas e iniciativas para desarrollar el acervo de Schengen“.


29 – ABl. L 187, S. 45.


30 – In der slowenischen Fassung heißt es: „Ta direktiva pomeni nadaljnji razvoj schengenskega pravnega reda …“, in der englischen Fassung: „This Directive builds on the Schengen acquis …“, in der französischen Fasssung: „La présente directive constitue un développement de l'acquis de Schengen …“, in der deutschen Fassung: „Diese Richtlinie stellt eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands … dar …“, in der italienischen Fassung: „Il presente strumento rappresenta uno sviluppo dell'acquis di Schengen …“ und in der spanischen Fassung: „La presente Directiva constituye un desarrollo del acervo de Schengen …“


31 – ABl. L 64, S. 1.


32 – In der slowenischen Fassung heißt es: „Ta uredba je akt, ki temelji na schengenskem pravnem redu …“, in der englischen Fassung: „This Regulation constitutes an act building on the Schengen acquis …“, in der französischen Fassung: „Le présent règlement constitue un acte fondé sur l'acquis de Schengen …“, in der deutschen Fassung: „Diese Verordnung stellt einen auf dem Schengen-Besitzstand aufbauenden …Rechtsakt … dar“, in der italienischen Fassung: „Il presente regolamento costituisce un atto basato sull'acquis di Schengen …“, und in der spanischen Fassung: „El presente Reglamento constituye un acto que desarrolla el acervo de Schengen …“


33 – ABl. L 83, S. 48.


34 – In der englischen Fassung heißt es: „… to the extent that its measures develop provisions of the Schengen acquis against the organisation of illegal immigration …“, in der französischen Fassung: „… pour autant que ses mesures développent les dispositions de l’acquis de Schengen afin de lutter contre l’organisation de l'immigration illégale …“, in der deutschen Fassung: „…deren Maßnahmen eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung darstellen …“, in der italienischen Fassung: „… nella misura in cui le sue misure sviluppano le disposizioni dell'acquis di Schengen volte a combattere l'organizzazione di immigrazione illegale …“ und in der spanischen Fassung: „… en la medida en que desarrolla las disposiciones del acervo de Schengen en materia de lucha contra la organización de la inmigración ilegal …“.


35 – Ich möchte dazu auf das Urteil vom 2. April 1998, EMU Tabac u. a. (C‑296/95, Slg. 1998, I-1605, Randnr. 36) verweisen, in dem der Gerichtshof im Hinblick auf den Unterschied zwischen der dänischen und der griechischen Fassung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1) in der durch die Richtlinie 92/108/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 390, S. 124) geänderten Fassung ausgeführt hat: „… die Nichtbeachtung zweier Sprachfassungen, wie dies die Kläger des Ausgangsverfahrens vorschlagen, [würde] im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes stehen, wonach es die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung der Gemeinschaftsverordnungen verbietet, im Fall von Zweifeln eine Bestimmung für sich allein zu betrachten, sondern vielmehr dazu zwingt, sie unter Berücksichtigung ihrer Fassungen in den anderen Amtssprachen auszulegen … Schließlich ist grundsätzlich allen Sprachfassungen der gleiche Wert beizumessen, der nicht je nach Umfang der Bevölkerung der Mitgliedstaaten, die die betreffende Sprache gebraucht, schwanken kann.“


36 – Urteile vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (C‑30/77, Slg. 1977, 1999, Randnr. 14) und vom 7. Dezember 1995, Rockfon (C‑449/93, Slg. 1995, I‑4291, Randnr. 28). In der Rechtssache Rockfon ging es um die Auslegung von Art. 1 der Richtlinie 75/129EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29). Auszulegen war der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff „Betrieb“, auf Englisch „establishment“, auf Französisch „établissement“, auf Italienisch „stabilimento“, auf Slowenisch „obrat“. Nach einer Prüfung der verschiedenen Sprachfassungen der Richtlinie ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass „[a]us einem Vergleich der verwendeten Ausdrücke … hervor[geht], dass sie einen unterschiedlichen Inhalt haben, und zwar von Fall zu Fall Betrieb, Niederlassung, Unternehmen, Arbeitsmittelpunkt, räumliche Einheit oder Arbeitsort“ (Randnr. 27).


37 – Michel, V., „Actes annexés au traité“, Nr. 150 der Enzyklopädie JurisClasseur Europe Traité, Punkt 3.


38 – Nach der deutschen Rechtslehre enthält das Gemeinschaftsrecht keine Definition des in Art. 311 EG verwendeten Begriffs „Protokolle“ (Weber in: von der Groeben/Schwarze, Art. 311, Nr. 1).


39 – Michel, V., „Actes annexés au traité“, Nr. 36. Nach Auffassung der Autorin haben die Protokolle genau denselben rechtlichen Wert wie die Gründungsverträge.


40 – Urteil vom 10. März 2005, Miraglia (C‑469/03, Slg. 2005, I‑2009).


41 – Weber in: von der Groeben/Schwarze, Art. 311, Nr. 2.


42 – Lenaerts, K., Van Nuffel, P., Bray, R., Constitutional Law of the European Union, 2. Auflage, London 2005, S. 710; Blumann, C., Dubois, L., Droit institutionnel de l'Union européenne, 2. Auflage, Paris 2005, S. 394.


43 – Weber in: von der Groeben/Schwarze, Art. 311, Nr. 3; Michel, V., „Actes annexés au traité“, Nr. 42. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 30. April 1996 in der Rechtssache Niederlande/Rat (C‑58/94, Slg. 1996, 2169), in der das Königreich der Niederlande u. a. die Nichtigerklärung des Beschlusses 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43) beantragt hatte, auf die Erklärung zum Recht auf Zugang zu Informationen Bezug genommen, die im Anhang Nr. 17 der Schlussakte der Tagung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, die den EU-Vertrag angenommen haben, wiedergegeben ist.


44 – Michel, V., „Actes annexés au traité“, S. 37.


45 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 222, weist noch auf eine andere Lehrmeinung hin, wonach, wenn ein Rechtsakt im Bereich der verstärkten Zusammenarbeit gegenüber einem Mitgliedstaat keine Gültigkeit besitze, dieser ihn nur dann anfechten könne, wenn der rechtliche Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit überschritten worden sei, weil ein Sekundärrechtsakt ultra vires erlassen worden sei oder die Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, die sich nicht an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, nicht gewahrt seien. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden, da sie dem eindeutigen Wortlaut des Art. 230 EG widerspricht.


46 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 103; Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 39. Diese Autoren weisen darauf hin, dass das Königreich Dänemark nicht akzeptiere, dass der gesamte Schengen-Besitzstand Teil des Gemeinschaftsrechts werde, wenn man die Merkmale dieses Letzteren berücksichtige. Folglich sei dieser Mitgliedstaat mit der supranationalen Gemeinschaftsmethode des ersten Pfeilers nicht einverstanden und ziehe den intergouvernementalen Ansatz des dritten Pfeilers vor.


47 – Jacqué, J.‑P., Droit institutionnel de l’Union européenne, S. 163.


48 – Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 36.


49 – Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 36. Mit anderen Worten wirken die zehn Mitgliedstaaten, die im Jahr 2004 beigetreten sind, ab dem Tag des Beitritts am Schengen-Besitzstand mit, soweit dieser einen Teil des Besitzstands der Gemeinschaft bildet, den sie übernehmen mussten. Siehe auch Art. 3 Abs. 1 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge.


50 – Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge.


51 – Mariani, Th., Rapport d’information déposé par la Délégation de l’Assemblée nationale pour l’Union européenne, sur la politique européenne des visas (Dokumente E 2811, E 3023, E 3159 und E 3208), Paris 2007, S. 20.


52 – Van Simaeys, B., Carlier, J.‑Y., „Le nouvel espace de liberté, de sécurité et de justice“, S. 258. Die Nordische Passunion ist ein Zusammenschluss der nordischen Länder betreffend die Überschreitung der gemeinsamen Grenzen ohne Reisepass.


53 – Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 31, verweist außerdem auf das Protokoll über die Anwendung bestimmter Aspekte des Art. 14 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, wonach das Vereinigte Königreich und Irland die Kontrolle von Personen, die die Grenzen überschreiten, aufrechterhalten können.


54 – Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 30 und 32.


55 – Art. 1 des Protokolls zu Titel IV.


56 – Art. 2 des Protokolls zu Titel IV. Das Vereinigte Königreich nimmt nach den Bestimmungen des Vertrags von Amsterdam nicht nur nicht am Schengener Recht teil, sondern hat sich zugleich ein „opt out“ vom gesamten Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gesichert (Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 90).


57 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 82, stellt klar, dass sich der Inhalt des Schengener Rechts nicht auf die Abschaffung der Binnengrenzkontrollen und ein gemeinsames Außengrenzkontrollregime beschränke, sondern auch flankierende Maßnahmen im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit, der Visums-Politik und des Informationsaustauschs im Rahmen des Schengen-Informationssystems SIS und des Sirene-Netzwerks, die Daten über Drittstaatsangehörige enthielten, umfasse. Ein anderer Teil der Lehre weist darauf hin, dass in bestimmten Bereichen die flankierenden Maßnahmen eine weiter gehende Erscheinung seien, die Union insgesamt beträfen und sich folglich nicht nur auf den Schengen-Besitzstand bezögen (Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 84, die in diesem Sinne z. B. die Bekämpfung der illegalen Einwanderung von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nennt).


58 – Gautier, M., „Accords de Schengen“, S. 32.


59 – In Art. 1 des Beschlusses 2000/365 sind die Bestimmungen des Schengen-Besitzstands aufgeführt, die auf das Vereinigte Königreich Anwendung finden. Siehe auch den Beschluss 2004/926/EG des Rates vom 22. Dezember 2004 (ABl. L 395, S. 70).


60 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 96.


61 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 96, weist darauf hin, dass wegen der Besonderheit des Schengen-Protokolls, die durch Art. 7 des Protokolls zu Titel IV bekräftigt werde, das Obstruktionsverbot für die sonstigen Regelungsbereiche des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für den Schengen-Besitzstand nicht gelte.


62 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 97, verweist im Übrigen auf die Meinung, die versucht, das in Art. 4 des Schengen-Protokolls festgelegte Erfordernis der Zustimmung der Schengen-Staaten auf Art. 5 dieses Protokolls auszudehnen. Dies würde im Ergebnis – im Einklang mit der Unabhängigkeitstheorie – dazu führen, dass die Art. 4 und 5 getrennte Anwendungsbereiche hätten.


63 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 98.


64 – Schauer, M., Schengen – Maastricht – Amsterdam, Auf dem Weg zu einer flexiblen Union, Wien 2000, S. 215. Der Autor dieser Studie steht auf dem Standpunkt, dass Art. 5 im Verhältnis zu Art. 4 des Schengen-Protokolls eine Sonderregelung bilde.


65 – Dougan, M., „Union Competences“, in: Arnull, A., Dashwood, A., Dougan, M., Ross, M., Spaventa, E., Wyatt, D., Wyatt and Dashwood's European Union Law, 5. Aufl., London 2006, S. 115. Der Autor betrachtet die Frage der Position des Vereinigten Königreichs im Bereich des Schengen-Besitzstands aus der Warte des neuen Organisationsgrundsatzes der Flexibilität der Union. Er sieht im Schengen-Protokoll eine Erscheinungsform der primären Flexibilität, da es sich um eine Flexibilität handele, die in den Gründungsverträgen vorgesehen sei.


66 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 98.


67 – Zur Anwendung des Grundsatzes der praktischen Wirksamkeit bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge wird in der Lehre die Auffassung vertreten, dass dieser Grundsatz eng mit der teleologischen Auslegung des völkerrechtlichen Vertrags zusammenhänge (Stein, T., von Buttlar, Chr., Völkerrecht, 11. völlig überarbeitete Auflage, Köln 2005, S. 28).


68 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 98. Der Autor führt aus, dass die einseitige Willenserklärung, die auf der freien Beteiligungsmöglichkeit nach Art. 5 des Schengen-Protokolls beruhe, auf diese Weise keine große Bedeutung für die Weiterentwicklung von Maßnahmen oder Bereichen haben werde, die nicht eigenständig angewandt werden könnten.


69 – In dem Text über die Rechtsgrundlage des Beschlusses 2000/365 heißt es wörtlich: „gestützt auf Artikel 4 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union (im Folgenden ‚Schengen-Protokoll‘ genannt) …“


70 – Opermann, Th., Europarecht, München 2005, S. 504.


71 – Im Jahr 2006 wurde die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 105, S. 1) erlassen. Der 27. Erwägungsgrund dieser Verordnung ist eindeutig: „Diese Verordnung stellt eine Weiterentwicklung von Bestimmungen des Schengen-Besitzstands dar, an denen sich das Vereinigte Königreich gemäß dem Beschluss 2000/365/EG des Rates vom 29. Mai 2000 zum Antrag des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland, einzelne Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf sie anzuwenden, nicht beteiligt. Das Vereinigte Königreich beteiligt sich daher nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für das Vereinigte Königreich nicht bindend oder anwendbar ist.“ Nach Art. 1 enthält diese Verordnung zwei gleichwertige Aspekte, nämlich erstens den Grundsatz, dass keine Grenzkontrollen in Bezug auf Personen stattfinden, die die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union überschreiten, und zweitens die Regeln für die Grenzkontrollen in Bezug auf Personen, die die Außengrenzen dieser Mitgliedstaaten überschreiten.


72 – Opermann, Th., Europarecht, S. 505, der die Auffassung vertritt, dass die Agentur zu den gemeinsamen technischen und Verwaltungseinrichtungen der Schengen-Staaten gehöre.


73 – Entsprechend heißt es auch im 2. Erwägungsgrund des Beschlusses des Rates 2002/192/EG vom 28. Februar 2002 zum Antrag Irlands auf Anwendung einzelner Bestimmungen des Schengen-Besitzstands auf Irland (ABl. L 64, S. 20): „Der Schengen-Besitzstand wurde als kohärentes Ganzes konzipiert und wird auch als solches angewendet; er ist von allen Staaten, die dem Grundsatz der Abschaffung der Personenkontrollen an ihren gemeinsamen Grenzen zustimmen, in vollem Umfang zu übernehmen und anzuwenden.“


74 – Kolb, R., „La maxime ‚qui habet commoda, ferre debet onera et contra‘ (celui qui jouit des avantages doit supporter aussi les charges et vice versa) en droit international public“, Revue Belge de Droit International 2004, S. 12 (23).


75 – Urteil des Gerichtshofs vom 7. Februar 1973, Kommission/Italien (39/72, Slg. 1973, 101, Randnrn. 20 und 24).


76 – De Kerchove d’Ousselghem, G., „Un espace de liberté, de sécurité et de justice aux dimensions incertaines. Quelques réflexions sur le recours aux coopérations renforcées en matière de justice et d'affaires intérieures“, in: Lejeune, Y. (Hrsg.): Le traité d’Amsterdam, Espoirs et déceptions, Brüssel 1999, S. 290. Der Autor hebt hervor, dass das Bemühen um einen größeren Zusammenhalt (cohérence) bei der Zusammenarbeit der Schengen-Staaten der erste Grund für die Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union gewesen sei.


77 – ABl. L 161, S. 11.


78 – In der Lehre wird die Ansicht vertreten, dass die Rechtsakte, die das bestehende Schengener Recht änderten, ohne Zweifel zur Weiterentwicklung des Schengener Rechts selbst gehörten. Etwas anderes könne jedoch gelten, wenn es sich um Maßnahmen handele, die das bestehende Schengener Recht nicht änderten (Bracke, N., Flexibility, Justice Cooperation and the Treaty of Amsterdam“, in: Marinho, C., Asylum, Immigration and Schengen Post-Amsterdam, Maastricht 2001, S. 65).


79 – Urteile vom 4. April 2000, Kommission/Rat (C‑269/97, Slg. 2000, I‑2257, Randnr. 43), vom 30. Januar 2001, Spanien/Rat (C‑36/98 Slg. 2001, I‑779, Randnr. 58) und vom 6. Dezember 2005, ABNA (verbundene Rechtssachen C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnr. 54).


80 – Randnr. 68 des Urteils ABNA (zitiert in Fn. 79).


81 – Randnr. 69 des Urteils ABNA (zitiert in Fn. 79).


82 – Diese Vermutung wird durch folgenden Satz bestätigt: „… gilt die Mitteilung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland an den Präsidenten des Rates nach Art. 5 des Schengen-Protokolls, dass es sich an allen Vorschlägen und Initiativen auf der Grundlage des Schengen-Besitzstands nach Art. 1 beteiligen will, als unwiderruflich erfolgt“.


83 – Es ist anzumerken, dass in dem zitierten Erwägungsgrund auch darauf hingewiesen wird, dass Art. 3 des Protokolls zu Titel IV angewandt wurde, da es sich um eine Maßnahme auf der Grundlage des Titels IV EG handele.


84 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 98, führt aus, dass bei ähnlichen Rechtsakten angesichts der Formulierung der Erklärungen betreffend Norwegen und Island mit Sicherheit feststehe, dass es sich um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands handele. Deshalb sei unklar, warum diese auf das Protokoll zu Titel IV Bezug nähmen.


85 – Thym, D., Ungleichzeitigkeit und europäisches Verfassungsrecht, S. 98.


86 – In Art. 8 der Entscheidung 2002/463 werden folgende Maßnahmenarten aufgeführt: Ausbildungsmaßnahmen, Personalaustausch, Maßnahmen zur Förderung der informatisierten Aktenbearbeitung und Verfahrensweise einschließlich des Einsatzes der neuesten Techniken für den elektronischen Datenaustausch, Bewertung der Auswirkungen der auf den Art. 62 und 63 des Vertrags beruhenden gemeinsamen Regeln und Verfahren, Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung optimaler Verfahrensweisen im Hinblick auf die Verbesserung der Arbeitsverfahren und Ausrüstung, die Vereinfachung der Verfahren und die Verkürzung der Fristen, operative Maßnahmen, darunter die Einrichtung gemeinsamer operativer Zentren und Bildung entsprechender Teams, Untersuchungen, Forschungsarbeiten, Konferenzen und Seminare, Verfahren zur Anhörung und Heranziehung der zuständigen nationalen und internationalen Regierungs‑ und Nichtregierungsorganisationen, Tätigkeiten der Mitgliedstaaten in dritten Ländern, Informationsaufenthalte in Herkunfts‑ und Durchreiseländern sowie Bekämpfung von Urkundendelikten.


87 – Verordnung (EG) Nr. 334/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 über eine einheitliche Visagestaltung (ABl. L 53, S. 7).


88 – Verordnung (EG) Nr. 1683/95 des Rates vom 29. Mai 1995 über eine einheitliche Visagestaltung (ABl. L 164, S. 1).


89 – Urteil des Gerichtshofs vom 28. November 2006, Parlament/Rat (C‑414/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 37). Durch dieses Urteil wurde die Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel (ABl. L 176, S. 1) für nichtig erklärt.