Language of document : ECLI:EU:C:2019:1091

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

17. Dezember 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2011/83/EU – Art. 2 Nr. 8 Buchst. c und Nr. 9 – Außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag – Begriff der ‚Geschäftsräume‘ – Vertrag, der an einem Verkaufsstand einer Messe abgeschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher, der sich an einem gemeinsam genutzten Ort der Messe befindet, vom Unternehmer angesprochen wurde“

In der Rechtssache C‑465/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Straubing (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Juni 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2019, in dem Verfahren

B & L Elektrogeräte GmbH

gegen

GC

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen und der Richterin C. Toader,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 8 Buchst. c und Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der B & L Elektrogeräte GmbH und GC betreffend einen zwischen den Parteien anlässlich einer Messe abgeschlossenen Kaufvertrag über einen Dampfstaubsauger.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 21 und 22 der Richtlinie 2011/83 heißt es:

„(21)      Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag sollte definiert werden als ein Vertrag, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort, der nicht zu den Geschäftsräumen des Unternehmers gehört, geschlossen wird, also beispielsweise in der Wohnung oder am Arbeitsplatz des Verbrauchers. Außerhalb von Geschäftsräumen steht der Verbraucher möglicherweise psychisch unter Druck oder ist einem Überraschungsmoment ausgesetzt, wobei es keine Rolle spielt, ob der Verbraucher den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Die Begriffsbestimmung für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sollte auch Situationen einschließen, in denen der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen wird, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird. … Käufe während eines vom Unternehmer organisierten Ausflugs, in dessen Verlauf die erworbenen Erzeugnisse beworben und zum Verkauf angeboten werden, sollten als außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge gelten.

(22)      Als Geschäftsräume sollten alle Arten von Räumlichkeiten (wie Geschäfte, Stände oder Lastwagen) gelten, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Markt- und Messestände sollten als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie diese Bedingung erfüllen. Verkaufsstätten, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit saisonal ausübt, beispielsweise während der Fremdenverkehrssaison an einem Skiort oder Seebadeort, sollten als Geschäftsräume angesehen werden, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit in diesen Geschäftsräumen für gewöhnlich ausübt. Der Öffentlichkeit zugängliche Orte wie Straßen, Einkaufszentren, Strände, Sportanlagen und öffentliche Verkehrsmittel, die der Unternehmer ausnahmsweise für seine Geschäftstätigkeiten nutzt, sowie Privatwohnungen oder Arbeitsplätze sollten nicht als Geschäftsräume gelten. …“

4        In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke:

8.      ‚außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag‘ jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher,

a)      der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist;

c)      der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde; oder

9.      ‚Geschäftsräume‘

a)      unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, oder

b)      bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt;

…“

5        Art. 9 („Widerrufsrecht“) der Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 vor:

„Sofern nicht eine der Ausnahmen gemäß Artikel 16 Anwendung findet, steht dem Verbraucher eine Frist von 14 Tagen zu, in der er einen Fernabsatz- oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag ohne Angabe von Gründen und ohne andere Kosten als in Artikel 13 Absatz 2 und Artikel 14 vorgesehen widerrufen kann.“

 Deutsches Recht

6        Die Richtlinie 2011/83 wurde mit dem Gesetz vom 20. September 2013 zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (BGBl. 2013 I S. 3642) in deutsches Recht umgesetzt.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

7        B & L Elektrogeräte ist eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, die – u. a. auf Messen – Dampfstaubsauger vertreibt.

8        Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, besuchten GC und seine Ehefrau eine Messe in Straubing (Deutschland). Sie befanden sich im Gang einer der Ausstellungshallen dieser Messe vor dem Verkaufsstand von B & L Elektrogeräte, als ein Mitarbeiter dieses Unternehmens sie aus dem Verkaufsstand heraus oder auf dem Gang ansprach, um sie vom Kauf eines Staubsaugers zu überzeugen.

9        Auf Einladung des Mitarbeiters dieses Unternehmens begaben sich GC und seine Ehefrau in den Verkaufsstand und schlossen dort einen Vertrag über den Kauf eines Staubsaugers ab.

10      Später erklärte GC gegenüber B & L Elektrogeräte, dass er nicht mehr an diesem Vertrag „festhalten“ wolle. Er war der Ansicht, dass ihm gemäß den deutschen Vorschriften ein Widerrufsrecht zustehe und dass er hierüber zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht informiert worden sei.

11      B & L Elektrogeräte erhob beim vorlegenden Amtsgericht Straubing (Deutschland) Klage gegen GC und beantragte, diesen zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Kaufpreises zu verurteilen.

12      Das vorlegende Gericht geht davon aus, dass der von B & L Elektrogeräte auf der Messe betriebene Verkaufsstand als „Geschäftsräume“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin (C‑485/17, EU:C:2018:642), anzusehen ist.

13      Das vorlegende Gericht stellt fest, dass es sich bei dem Verkaufsstand, der sich in einer der Ausstellungshallen der Messe befand, nicht um einen geschlossenen, sondern um einen frei zugänglichen Ort handele, und dass Verbraucher, die wie GC und seine Ehefrau auf dem Gang einer Ausstellungshalle vor einem Verkaufsstand stehen blieben, damit rechnen müssten, von einem Verkäufer angesprochen zu werden.

14      Allerdings weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass in der von ihm zu entscheidenden Rechtssache der fragliche Gang offensichtlich nicht als Geschäftsraum des Unternehmers angesehen werden könne, weil er ihm nicht zur Ausübung seiner Tätigkeit, sondern als Zugang zu allen Ständen der in der Halle vertretenen Unternehmern diene. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der in dieser Rechtssache in Rede stehende Sachverhalt dem im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 geschilderten entspricht, durch den präzisiert werde, dass es sich bei einem vom Unternehmer ausnahmsweise genutzten der Öffentlichkeit zugänglichen Ort grundsätzlich nicht um „Geschäftsräume“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie handele.

15      Somit liege ein „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 vor, wenn der Kaufvertrag geschlossen werde, während sich der Verbraucher außerhalb und der Unternehmer innerhalb der Geschäftsräume befänden, was dem Sachverhalt in der dem Amtsgericht vorliegenden Rechtssache entspreche; der Verbraucher müsse dann ein Widerrufsrecht haben.

16      Unter diesen Umständen hat das Amtsgericht Straubing beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Liegt ein außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag im Sinne des Art. 2 Nr. 8 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 mit der Folge eines Widerrufsrechts nach Art. 9 der Richtlinie vor, wenn ein Unternehmer, der sich auf einer Messe in bzw. vor einem Verkaufsstand befindet, der als Geschäftsraum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie gilt, einen Verbraucher anspricht, der in einer Messehalle auf einer Verbrauchermesse im Gang vor dem Verkaufsstand steht, ohne mit dem Unternehmer zu kommunizieren, und daraufhin der Vertrag im Verkaufsstand zustande kommt?

 Zur Vorlagefrage

17      Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf die zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden.

18      Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

19      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 in Verbindung mit Nr. 9 dieser Vorschrift dahin auszulegen ist, dass es sich bei einem Vertrag, der an einem von einem Unternehmer anlässlich einer Messe betriebenen Verkaufsstand zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher, der sich auf dem verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsständen gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang befand, von diesem Unternehmer angesprochen worden war, um einen „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene[n] Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung handelt.

20      Die Richtlinie 2011/83 definiert einen „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene[n] Vertrag“ zum einen in ihrem Art. 2 Nr. 8 Buchst. a als jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers an einem Ort geschlossen wird, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist, und zum anderen in ihrem Art. 2 Nr. 8 Buchst. c als jeden Vertrag zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher, der in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel geschlossen wird, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem anderen Ort als den Geschäftsräumen des Unternehmers bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers persönlich und individuell angesprochen wurde.

21      Den Begriff „Geschäftsräume“ definiert Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie zum einen als unbewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit dauerhaft ausübt, und zum anderen als bewegliche Gewerberäume, in denen der Unternehmer seine Tätigkeit für gewöhnlich ausübt.

22      Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eines der Ziele der Richtlinie 2011/83 insbesondere in ihrem 21. Erwägungsgrund dargelegt wird, wonach der Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers möglicherweise psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist, wobei es keine Rolle spielt, ob er den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Insoweit wollte der Unionsgesetzgeber auch Situationen einschließen, in denen der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen wird, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird (Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 33).

23      Folglich hat der Unionsgesetzgeber den Schutz des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Verträgen für den Fall vorgesehen, dass sich der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht in einer vom Unternehmer ständig oder gewöhnlich genutzten Räumlichkeit befindet, und zwar, weil der Verbraucher, wenn er sich von sich aus in eine solche Räumlichkeit begibt, damit rechnen kann, vom Unternehmer angesprochen zu werden, so dass er sich danach gegebenenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen kann, er sei vom Angebot dieses Unternehmers überrascht worden (Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 34).

24      Was insbesondere eine Situation betrifft, in der ein Unternehmer seine Tätigkeiten am Verkaufsstand einer Messe ausübt, ist daran zu erinnern, dass gemäß dem 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 Markt- und Messestände als Geschäftsräume behandelt werden sollen, wenn sie als Räumlichkeiten dienen, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 41).

25      Aus diesem Erwägungsgrund geht außerdem hervor, dass der Öffentlichkeit zugängliche Orte wie Straßen, Einkaufszentren, Strände, Sportanlagen und öffentliche Verkehrsmittel, die der Unternehmer ausnahmsweise für seine Geschäftstätigkeiten nutzt, sowie Privatwohnungen oder Arbeitsplätze dagegen nicht als Geschäftsräume gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin, C‑485/17, EU:C:2018:642, Rn. 42).

26      Der Gerichtshof hat u. a. im Licht dieser Erwägungen im Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin (C‑485/17, EU:C:2018:642), entschieden, dass Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass ein Messestand eines Unternehmers, an dem der Unternehmer seine Tätigkeiten an wenigen Tagen im Jahr ausübt, unter den Begriff „Geschäftsräume“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

27      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag zwischen dem Verbraucher GC und dem Unternehmen B & L Elektrogeräte an dem von Letzterem auf einer Messe betriebenen Verkaufsstand abgeschlossen wurde, wobei dieser Stand vom vorlegenden Gericht als „Geschäftsräume“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 7. August 2018, Verbraucherzentrale Berlin (C‑485/17, EU:C:2018:642), angesehen wird.

28      Unter diesen Umständen ist zu beurteilen, ob bei einem Vertrag, der abgeschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher, der sich auf dem für die verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsstände gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang befand, von diesem Unternehmer angesprochen worden war, dennoch angenommen werden kann, dass es sich um einen „außerhalb von Geschäftsräumen“ abgeschlossenen Vertrag im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Richtlinie 2011/83 handelt.

29      Insoweit kann der den verschiedenen in der Ausstellungshalle vertretenen Verkaufsständen gemeinsam zur Verfügung stehende Gang, auf dem sich auch der Stand von B & L Elektrogeräte befand, nicht als „Geschäftsräume“ im Sinne von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83 angesehen werden, da er als Zugang für die Stände aller in dieser Halle vertretenen Unternehmer diente.

30      Dieser vom vorlegenden Gericht festgestellte Sachverhalt entspricht dem im 22. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 geschilderten Fall, wonach der Öffentlichkeit zugängliche Orte wie Straßen und Einkaufszentren nicht als „Geschäftsräume“ gelten sollten.

31      Daher ist ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers in einem Geschäftsraum des Unternehmers abgeschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem Ort, der nicht zu den Geschäftsräumen des Unternehmers gehört, etwa auf dem für die verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsstände gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang, persönlich und individuell angesprochen worden war, als ein „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 anzusehen.

32      Wie in Rn. 22 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt, kann der Verbraucher, wenn er sich außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers befindet, möglicherweise psychisch unter Druck stehen oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt sein, wobei es keine Rolle spielt, ob er den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Im 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 wird erläutert, dass der Unionsgesetzgeber insoweit auch Situationen einschließen wollte, in denen der Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen wird, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen wird.

33      Dieses Überraschungsmoment ist in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gegeben, bei der ein Verbraucher sich in einer Messehalle befindet, bei der es sich um einen von den verschiedenen in dieser Halle vertretenen Ständen gemeinsam genutzten Ort handelt, so dass in diesem Zusammenhang nur der Verkaufsstand des fraglichen Unternehmers dessen Geschäftsraum darstellt, und bei der dieser Verbraucher von dem Unternehmer mit dem Ziel angesprochen wird, unmittelbar danach an seinem Stand einen Vertrag abzuschließen. Folglich ist ein solcher Vertrag als ein „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ im Sinne von Art. 2 Nr. 8 Buchst. c der Richtlinie 2011/83 anzusehen.

34      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass es sich bei einem Vertrag, der an einem von einem Unternehmer anlässlich einer Messe betriebenen Verkaufsstand zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher, der sich auf dem verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsständen gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang befand, von diesem Unternehmer angesprochen worden war, um einen „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene[n] Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung handelt.

 Kosten

35      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Verbindung mit Art. 2 Nr. 9 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass es sich bei einem Vertrag, der an einem von einem Unternehmer anlässlich einer Messe betriebenen Verkaufsstand zwischen dem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher, der sich auf dem verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsständen gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang befand, von diesem Unternehmer angesprochen worden war, um einen „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene[n] Vertrag“ im Sinne dieser Bestimmung handelt.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Deutsch.