Language of document : ECLI:EU:F:2009:160

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

30. November 2009(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Disziplinarverfahren – Vorläufige Dienstenthebung eines Beamten – Einbehaltung eines Teilbetrags der Dienstbezüge – Vorwurf eines schweren Dienstvergehens – Verteidigungsrechte – Zuständigkeit – Unterbliebene Bekanntmachung einer Übertragung von Befugnissen – Unzuständigkeit des Urhebers der angefochtenen Maßnahme“

In der Rechtssache F‑80/08

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Fritz Harald Wenig, Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Woluwé-Saint-Pierre (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte G.-A. Dal, D. Voillemot, D. Bosquet und S. Woog,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall und D. Martin als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni sowie der Richter H. Kreppel (Berichterstatter) und H. Tagaras,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2009

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die bei der Kanzlei des Gerichts am 13. Oktober 2008 auf elektronischem Weg eingegangen ist (Eingang der Urschrift am selben Tag), beantragt Herr Wenig die Aufhebung der Entscheidung vom 18. September 2008, mit der die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ihn nach den Art. 23 und 24 des Anhangs IX des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) für unbestimmte Zeit vorläufig des Dienstes enthoben und für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten die Einbehaltung eines Teilbetrags von monatlich 1 000 Euro von seinen Dienstbezügen angeordnet hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 86 des Statuts bestimmt:

„(1)      Gegen Beamte oder ehemalige Beamte, die vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen durch das Statut auferlegten Pflichten verletzen, kann eine Disziplinarstrafe verhängt werden.

(3)      Die Disziplinarvorschriften und ‑verfahren sowie die für Verwaltungsuntersuchungen geltenden Vorschriften und Verfahren sind in Anhang IX des Statuts geregelt.“

3        Art. 23 des Anhangs IX des Statuts lautet:

„(1)      Hat die Anstellungsbehörde einem Beamten ein schweres Dienstvergehen, sei es eine Dienstpflichtverletzung oder eine rechtswidrige Handlung, zur Last zu legen, so kann sie den Beamten unverzüglich für einen befristeten oder unbefristeten Zeitraum vorläufig seines Dienstes entheben.

(2)      Außer in Ausnahmefällen erlässt die Anstellungsbehörde diese Verfügung nach Anhörung des betreffenden Beamten.“

4        Art. 24 Abs. 1 und 2 des Anhangs IX des Statuts sieht vor:

„(1)      In der Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung muss bestimmt werden, ob der Beamte während der Dauer der Dienstenthebung seine vollen Bezüge behält oder ob ein in derselben Verfügung festzusetzender Teilbetrag einzubehalten ist. Die dem Beamten gezahlten Bezüge dürfen jedoch das in Anhang VIII Artikel 6 des Statuts vorgesehene Existenzminimum zuzüglich etwaiger Familienzulagen nicht unterschreiten.

(2)      Die Rechtsstellung des vorläufig seines Dienstes enthobenen Beamten ist binnen einer Frist von sechs Monaten, gerechnet vom Tag des Inkrafttretens der Verfügung über die vorläufige Dienstenthebung, endgültig zu regeln. Ist nach Ablauf der sechs Monate eine Entscheidung nicht ergangen, so erhält der Beamte wieder seine vollen Dienstbezüge vorbehaltlich der Bestimmungen in Absatz 3.“

5        Am 30. November 2007 erließ die Kommission den Beschluss K(2007) 5730 über die Ausübung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten (im Folgenden: BSB) übertragen sind. Art. 1 Abs. 1 dieses in den Verwaltungsmitteilungen Nr. 57‑2007 vom 6. Dezember 2007 veröffentlichten Beschlusses sieht vor:

„Die Befugnisse, die der [Anstellungsbehörde] im Statut und der [zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde] in den [BSB] übertragen sind, werden im Falle des aus Verwaltungsmitteln besoldeten Personals der Kommission und des aus Mitteln für Forschung und technologische Entwicklung besoldeten Personals mit Ausnahme des Personals der Gemeinsamen Forschungsstelle – je nach Fall und vorbehaltlich der folgenden Bestimmungen – von der Kommission, dem für das Personal zuständigen Kommissionsmitglied, dem für den einheitlichen Außendienst zuständigen Kommissionsmitglied, dem Generaldirektor für Personal und den anderen Generaldirektoren, einschließlich der Leiter von Diensten und der Direktoren des [Amtes für die Feststellung und Abwicklung individueller Ansprüche], des [Amtes für Gebäude, Anlagen und Logistik in Brüssel] und des [Amtes für Gebäude, Anlagen und Logistik in Luxemburg] ausgeübt.“

6        Nach Nr. 14 des Abschnitts VI „Disziplinarordnung …“ der „Übersicht über die Anstellungsbehörden für aus dem Verwaltungshaushalt und aus Forschungsmitteln (außer [Gemeinsame Forschungsstelle]) besoldetes Personal der Kommission“, auf die Anhang I des Beschlusses K(2007) 730 verweist, wurden die der Anstellungsbehörde übertragenen Befugnisse zur Dienstenthebung eines Beamten nach den Art. 23 und 24 des Anhangs IX des Statuts in Bezug auf Beamte der Besoldungsgruppen AD 16 und AD 15 und Beamte der Besoldungsgruppe AD 14 der höheren Führungsebene (Direktoren oder diesen vergleichbar) von der Kommission und hinsichtlich der anderen Beamten vom Generaldirektor für Personal ausgeübt.

7        Mit Schreiben vom 9. Dezember 2008 wurde ein Beschlussentwurf K(2008) 5085 zur Änderung des Beschlusses K(2007) 5730 in die Tagesordnung der 1842. Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder vom 10. September 2008 aufgenommen. Nach diesem Beschlussentwurf sollte die Befugnis zur vorläufigen Dienstenthebung von Beamten der Besoldungsgruppen AD 16 und AD 15 sowie von Beamten der Besoldungsgruppe AD 14 der höheren Führungsebene (Direktoren oder diesen vergleichbar) auf das für Personalfragen zuständige Kommissionsmitglied übertragen werden. In der Sitzung vom 10. September 2008 entschied das Kollegium der Kommissionsmitglieder, den „Beschluss K(2007) 5730 … nach Maßgabe des Dokuments K(2008) 5085 zu ändern“, und fügte hinzu, dass dieser Beschluss „sofort Wirkung [entfalte]“ (im Folgenden: Beschluss vom 10. September 2008). Dieser Beschluss wurde nicht in den Verwaltungsmitteilungen veröffentlicht.

8        Am 29. April 2009 erließ die Kommission den Beschluss K(2009) 3074 zur Änderung des Beschlusses K(2007) 5730, in dem vorgesehen war, dass die der Anstellungsbehörde übertragenen Befugnisse zur Dienstenthebung eines Beamten im Hinblick auf Beamte der Besoldungsgruppen AD 16 und AD 15 und Beamte der Besoldungsgruppe AD 14 der höheren Führungsebene (Direktoren oder diesen vergleichbar) in der Zukunft von dem für Personalfragen zuständigen Kommissionsmitglied ausgeübt werden. Dieser Beschluss wurde in den Verwaltungsmitteilungen Nr. 33‑2009 vom 8. Mai 2009 veröffentlicht.

 Sachverhalt

9        Zur Zeit der für diesen Rechtsstreit maßgeblichen Ereignisse war der Kläger Kommissionsbeamter der Besoldungsgruppe AD 15 und nahm die Aufgaben des Direktors der Direktion G „Marktzugang und Industrie“ wahr, die der Generaldirektion (GD) Handel der Kommission unterstellt und insbesondere für die Durchführung der Antidumpingpolitik zuständig ist.

10      Am 7. September 2008 veröffentlichte die britische Wochenzeitung Sunday Times in ihrer Papierausgabe sowie auf ihrer Website einen Artikel mit dem Titel „Enthüllt: wie ein Eurokrat Geschäftsgeheimnisse bei verschwenderischen Diners durchsickern ließ“ („Revealed: how Eurocrat leaked trade secrets over lavish dinners“). In diesem Artikel war die Sprache von drei Abendessen, bei denen sich der Kläger zwischen März und September 2008 in Brüsseler Restaurants (Belgien) mit Journalisten der Sunday Times getroffen habe, die sich ihm als Geschäftspartner eines chinesischen Exporteurs vorgestellt hätten, der interessiert an bestimmten, von der Kommission eingeleiteten Antidumpingverfahren sei. In dem Artikel hieß es weiter, dass der Kläger seinen Gesprächspartnern im Verlauf dieser Abendessen und in telefonischen Gesprächen Informationen zu laufenden Kommissionsverfahren gegeben habe, und zwar Informationen, die er nicht hätte weitergeben dürfen. Als Gegenleistung für diese Informationen sei dem Betroffenen außerdem angeboten worden, mit dem angeblichen chinesischen Exporteur bei Geschäften für ein Entgelt von jährlich 600 000 Euro zusammenzuarbeiten; der Kläger habe eine derartige Zusammenarbeit jedoch nur für den Zeitraum nach seinem Eintritt in den Ruhestand in Betracht gezogen. Auf das ihm während des zweiten Abendessens unterbreitete Angebot hin, ihm einen Betrag von 100 000 Euro zu zahlen, habe der Betroffene entgegnet, dass ihm dieser Betrag auf ein Sperrkonto überwiesen werden könne, zu dem er Zugang habe, sobald er in den Ruhestand versetzt worden sei; die Überweisung könne allerdings nur anhand der Ergebnisse erfolgen, die der angebliche chinesische Exporteur aufgrund der übermittelten Informationen habe erzielen können.

11      Im Rahmen einer von der Kommission eingeleiteten Verwaltungsuntersuchung wurde der Kläger am 10. September 2008 von zwei Beamten des Untersuchungs- und Disziplinaramts der Kommission (im Folgenden: IDOC) angehört. Im Verlauf dieser Anhörung räumte der Kläger im Beistand seines Rechtsanwalts ein, zu den drei im Artikel der Sunday Times beschriebenen Abendessen eingeladen worden zu sein und daran teilgenommen zu haben, ohne seine Vorgesetzten davon in Kenntnis zu setzen. Er räumte weiter ein, seinen Gesprächspartnern mehrere Informationen gegeben zu haben, insbesondere die Namen zweier Kerzen herstellender chinesischer Gesellschaften, denen im Anschluss an ein zu diesem Zeitpunkt noch laufendes Antidumpingverfahren Marktwirtschaftsbehandlung hätte zuerkannt werden können. Der Kläger betonte jedoch, dass diese Informationen halb öffentlich gewesen seien und jedenfalls keinen geschäftsrelevanten Wert gehabt hätten. Schließlich gab er zwar gegenüber den Beamten des IDOC an, dass ihm seine Gesprächspartner im Verlauf des zweiten Abendessens angeboten hätten, ihm im Austausch für die Informationen einen Geldbetrag auf ein Bankkonto in einem steuerbegünstigten Land zu überweisen, doch bestritt er, dieses Angebot angenommen zu haben, und betonte, dass er im Verlauf dieser Kontakte lediglich die Möglichkeit in Betracht gezogen habe, nach seiner Versetzung in den Ruhestand geschäftlich mit dem chinesischen Exporteur zusammenzuarbeiten.

12      Mit Schreiben vom 11. September 2008 teilte das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied dem Kläger in seiner Eigenschaft als Anstellungsbehörde mit, dass er gegen ihn nach den Art. 23 und 24 des Anhangs IX des Statuts eine Dienstenthebungsmaßnahme und die Einbehaltung eines Teilbetrags von seinen Dienstbezügen in Betracht ziehe, und lud ihn zu einer Anhörung, die am 12. September 2008 stattfinden sollte.

13      Mit Schreiben vom 12. September 2008 beantragte der Rechtsbeistand des Klägers bei der Kommission, die Anhörung zu verschieben, und teilte mit, dass der Betroffene „während des gesamten gegen ihn eingeleiteten Verfahrens von der französischen Sprache Gebrauch machen“ wolle.

14      Ebenfalls am 12. September 2008 informierte das für Personal zuständige Kommissionsmitglied den Kläger, dass die Anhörung am 16. September 2008 stattfinde und der Betroffene in dieser Anhörung die französische Sprache gebrauchen könne.

15      Am 16. September 2008 wurde der Kläger von dem für das Personal zuständigen Kommissionsmitglied gehört. In dieser Anhörung, von der ein in englischer Sprache verfasstes Protokoll aufgenommen wurde, wiederholte der Betroffene im Wesentlichen die gegenüber den Beamten des IDOC gemachten Erklärungen.

16      Ebenfalls am 16. September 2008 stellte der Kläger als Privatkläger Strafantrag u. a. gegen die Autoren des Artikels der Sunday Times.

17      Mit Entscheidung vom 18. September 2008, deren Bezugsvermerke auf den Beschluss K(2007) 5730 der Kommission vom 30. November 2007 über die Ausübung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den BSB übertragen sind, „in der zuletzt mit Beschluss … vom 10. September 2008 geänderten Fassung“ verwiesen, enthob das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied den Kläger gemäß den Art. 23 und 24 des Anhangs IX des Statuts für unbestimmte Zeit vorläufig seines Dienstes und ordnete für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten die Einbehaltung eines Teilbetrags von monatlich 1 000 Euro von seinen Dienstbezügen an (im Folgenden: streitige Entscheidung).

18      Das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied begründete die streitige Entscheidung mit dem Umstand, der durch „in verschiedenen Presseartikeln, insbesondere in der Sunday Times“, veröffentlichte Informationen und bei den von den Beamten des IDOC sowie von ihm selbst durchgeführten Anhörungen des Klägers zutage getretenen sei, dass der Betroffene gegen die Art. 11, 12 und 17 Abs. 1 des Statuts verstoßen habe. Der Kläger habe vertrauliche Informationen an unbefugte Personen weitergegeben, sich bereit gezeigt für eine spätere Anstellung durch diese Personen für ein beachtliches Gehalt als Gegenleistung für eine Zusammenarbeit, die noch vor seiner Versetzung in den Ruhestand begonnen habe, und weder seine Vorgesetzten informiert, dass er von diesen Gesprächspartnern kontaktiert worden sei, noch ihre Zustimmung eingeholt, diese wiederholten Kontakte fortzuführen. Schließlich seien derartige Machenschaften, sollten sie festgestellt werden, in Anbetracht insbesondere der „schweren Beschädigung des Ansehens der Kommission“, zu der sie geführt hätten, und angesichts des hohen Ranges des Betroffenen innerhalb der Kommission ein „schweres Dienstvergehen des Klägers“.

19      Am 24. September 2008 reichte der Kläger einen vom 23. September 2008 datierten Antrag auf Beistand nach Art. 24 des Statuts an die Kommission ein, alle geeigneten Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Berufsehre zu treffen und insbesondere Klage zu erheben, damit die Rechtswidrigkeit der Machenschaften der Autoren des Artikels der Sunday Times festgestellt würden.

20      Am 3. Oktober 2008 legte der Kläger Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts ein, um die Aufhebung der streitigen Entscheidung zu erreichen.

21      Mit Note vom 22. Januar 2009 antwortete die Kommission auf den Antrag des Klägers auf Beistand vom 24. September 2008, dass die vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) eingeleitete Untersuchung an die Stelle der Untersuchungen der Anstellungsbehörde nach Art. 24 des Statuts trete. Die Kommission fügte hinzu, dass diese Note keine Ablehnung des Antrags auf Beistand bedeute.

22      Am 29. Januar 2009 schloss das OLAF die Untersuchung ab und übermittelte seine Schlussfolgerungen am 12. Februar 2009 den belgischen Justizbehörden.

23      Mit Entscheidung vom 3. Februar 2009 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde gegen die streitige Entscheidung zurück.

24      Mit Entscheidung vom 18. Februar 2009 wurde dem Kläger auf seinen Antrag hin gestattet, seine Ruhestandsansprüche mit Wirkung vom 1. Mai 2009 geltend zu machen.

 Anträge der Parteien und Verfahren

25      Mit Klageschrift, die bei der Kanzlei des Gerichts am 13. Oktober 2008 per E-Mail eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Am selben Tag ist beim Gericht außerdem ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung eingegangen.

26      Den Parteien ist mit Schreiben der Kanzlei vom 14. Oktober 2008 die Aussetzung des Verfahrens zur Hauptsache bis zur ausdrücklichen oder stillschweigenden Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde des Klägers vom 3. Oktober 2008 mitgeteilt worden.

27      Mit Beschluss vom 17. Dezember 2008 hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung zurückgewiesen.

28      Nach der Zurückweisung der Beschwerde sind die Parteien mit Schreiben der Kanzlei vom 25. Februar 2009 über die Wiederaufnahme des Verfahrens vor Gericht informiert worden.

29      Der Kläger beantragt,

–        die streitige Entscheidung aufzuheben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

30      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger seine eigenen Kosten und die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

31      Im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme hat das Gericht die Kommission aufgefordert, Auskunft darüber zu geben, ob der in den Bezugsvermerken der streitigen Entscheidung erwähnte Beschluss vom 10. September 2008 erlassen wurde, und falls ja, eine Abschrift dieses Beschlusses vorzulegen und anzugeben, ob er veröffentlicht wurde. Die Kommission hat daraufhin mit Schreiben vom 3. Juni 2009 die Abschrift der Mitteilung des Vizepräsidenten der Kommission vom 9. September 2008, in der der Entwurf, der dem Beschluss vom 10. September 2008 zugrunde lag, enthalten war, und das Protokoll der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder vom 10. September 2008 vorgelegt, in der der Entwurf angenommen worden war. Außerdem hat die Kommission eingeräumt, dass der Beschluss vom 10. September 2008 nicht in den Verwaltungsmitteilungen veröffentlicht worden sei, gleichzeitig aber darauf hingewiesen, dass die Mitteilung vom 9. September 2008 im Intranet der Kommission verbreitet worden sei, und die elektronische Verknüpfung angegeben, mit der sie aufgerufen werden konnte.

32      Im vorbereitenden Sitzungsbericht hat das Gericht die Parteien aufgefordert, ihre mündlichen Ausführungen auf die Frage nach der Zuständigkeit des für das Personal zuständigen Kommissionsmitglieds zum Erlass der streitigen Entscheidung zu konzentrieren.

 Rechtliche Würdigung

 Zur Zulässigkeit

33      Die Kommission erinnert hat, dass der Kläger mit der streitigen Entscheidung auf unbestimmte Zeit vorläufig seines Dienstes enthoben und für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten die Einbehaltung eines Teilbetrags von monatlich 1 000 Euro von seinen Dienstbezügen angeordnet worden sei, und macht sodann geltend, dass er, nachdem er am 1. Mai 2009 in den Ruhestand versetzt worden sei, kein Interesse mehr daran haben, die Aufhebung der streitigen Entscheidung zu verlangen, zumindest soweit er mit dieser Entscheidung seines Amtes enthoben worden sei.

34      Hierzu ist festzustellen, dass die streitige Entscheidung, soweit mit ihr die vorläufige Dienstenthebung des Klägers auf unbestimmte Zeit angeordnet wurde, stillschweigend, aber zwangsläufig aufgehoben wurde als der Kläger am 1. Mai 2009 in den Ruhestand versetzt wurde, da eine Maßnahme der vorläufigen Dienstenthebung nur im aktiven Dienst befindliche Beamte betreffen kann. Die streitige Entscheidung war zudem bereits vor Erhebung der vorliegenden Klage hinfällig, soweit sie die Einbehaltung eines Teilbetrags von den Dienstbezügen des Klägers angeordnet hat, denn diese Einbehaltung war gemäß Art. 24 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts auf einen Zeitraum von sechs Monaten beschränkt.

35      Gleichwohl haben diese Umstände die vorliegende Klage weder gegenstandslos werden lassen noch dazu geführt, dass der Kläger kein Interesse mehr daran hätte, die Aufhebung der streitigen Entscheidung in vollem Umfang zu verlangen, da sich diese Entscheidung nicht nur auf seine materielle Lage, sondern auch auf seine Ehrenhaftigkeit ausgewirkt hat (vgl. entsprechend zum Rechtsschutzinteresse eines wegen Vollinvalidität in den Ruhestand versetzten Beamten an der Aufhebung seiner Beurteilung Urteil des Gerichtshofs vom 22. Dezember 2008, Gordon/Kommission, C‑198/07 P, Slg. 2008, I‑0000, Randnrn. 44 und 45).

36      Die Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen.

 Zur Begründetheit

37      Der Kläger stützt seine Klage auf folgende sieben Gründe:

–        Verstoß gegen Art. 25 Abs. 2 des Statuts wegen Begründungsmangels;

–        Verletzung der Verteidigungsrechte;

–        Verstoß gegen Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK);

–        offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf die zur Last gelegten Tatsachen;

–        Verstoß gegen Art. 23 des Anhangs IX des Statuts in Bezug auf den Vorwurf des schweres Dienstvergehens;

–        Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;

–        Nichtbeachtung der Fürsorgepflicht.

38      In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger mit einem einen achten Klagegrund geltend gemacht, die streitige Entscheidung sei ohne entsprechende Zuständigkeit erlassen worden.

 Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 25 Abs. 2 des Statuts wegen Begründungsmangels

–       Vorbringen der Parteien

39      Der Kläger macht geltend, dass die streitige Entscheidung weder hinreichend noch ordnungsgemäß begründet worden sei, da in ihr nicht im Einzelnen dargelegt werde, aus welchen Gründen es sich bei den ihm zur Last gelegten Tatsachen um ein Dienstvergehen, zudem um ein schweres, handele.

40      Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen, da die streitige Entscheidung hinreichend begründet sei.

–       Würdigung durch das Gericht

41      Nach ständiger Rechtsprechung soll die Verpflichtung, eine beschwerende Entscheidung zu begründen, es dem Gemeinschaftsrichter ermöglichen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung zu überprüfen, und dem Betroffenen ausreichende Hinweise zu geben, damit er erkennen kann, ob die Entscheidung zu Recht ergangen ist oder ob sie einen Fehler aufweist, aufgrund dessen ihre Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden kann. Diese Verpflichtung ist erfüllt, wenn die angefochtene Maßnahme in einem Kontext ergangen ist, der dem betroffenen Beamten bekannt ist und der es ihm ermöglicht, die Tragweite der ihm gegenüber getroffenen Maßnahme zu verstehen (Urteile des Gerichts erster Instanz vom 16. Dezember 1993, Turner/Kommission, T‑80/92, Slg. 1993, II‑1465, Randnr. 62, und vom 27. November 1997, Pascall/Kommission, T‑20/96, Slg. ÖD 1997, I‑A‑361 und II‑977, Randnr. 44).

42      Im vorliegenden Fall geht aus den Akten hervor, dass die Kommission in der streitigen Entscheidung, deren Inhalt in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist, eingehend geschildert hat, worin das dem Kläger zur Last gelegte schwere Dienstvergehen bestehen soll. Sie hat außerdem angegeben, dass dieser Vorwurf auf Informationen beruhe, die „in verschiedenen Presseartikeln, insbesondere [im Artikel] der Sunday Times“ aufgedeckt worden seien, und dass derartige Machenschaften, sollten sie festgestellt werden, in Anbetracht insbesondere der dadurch hervorgerufenen „schweren Beschädigung des Ansehens der Kommission“, zu der sie geführt hätten, und angesichts des hohen Ranges des Betroffenen innerhalb der Kommission ein „schweres Dienstvergehen des Klägers“ seien.

43      Daraus folgt, dass die streitige Entscheidung entgegen dem Vorbringen des Klägers hinreichend begründet ist.

44      Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

–       Vorbringen der Parteien

45      Der Kläger macht geltend, die Kommission habe die streitige Entscheidung auf „in verschiedenen Presseartikeln, insbesondere in der Sunday Times vom 7. September 2008“, veröffentlichte Informationen gestützt. Ihm sei jedoch nur der Artikel der Sunday Times übermittelt worden, und nicht die anderen Presseartikel. Daher sei der Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verletzt worden.

46      Die Kommission entgegnet, dass sie die Verteidigungsrechte dadurch gewahrt habe, dass sie den Kläger vor Erlass der streitigen Entscheidung angehört habe.

47      Falls später Straf‑ oder Disziplinarverfahren eingeleitet werden sollten, erhalte der Kläger jedenfalls erneut Gelegenheit, sich zu äußern.

–       Würdigung durch das Gericht

48      Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beachtung der Verteidigungsrechte ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der in allen gegen eine Person eingeleiteten Verfahren, die zu einer diese Person beschwerenden Maßnahme führen können, auch dann gewahrt werden muss, wenn dies in der Regelung für das betreffende Verfahren nicht ausdrücklich angeordnet ist (vgl. Urteile des Gerichts erster Instanz vom 6. Mai 1997, Quijano/Kommission, T‑169/95, Slg. ÖD 1997, I‑A‑91 und II‑273, Randnr. 44, und vom 10. Juli 1997, Gaspari/Parlament, T‑36/96, Slg. ÖD 1997, I‑A‑201 und II‑595, Randnr. 32).

49      Dieser Grundsatz, der den Erfordernissen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, gebietet es, jeder Person, der gegenüber eine beschwerende Entscheidung ergehen kann, Gelegenheit zu geben, zu den Gesichtspunkten Stellung zu nehmen, auf die bei der Begründung dieser Entscheidung zu ihrem Nachteil abgestellt wird (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Dezember 1994, Lisrestal u. a./Kommission, T‑450/93, Slg. 1994, II‑1177, Randnr. 42, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1996, Kommission/Lisrestal u. a., C‑32/95 P, Slg. 1996, I‑5373, Randnr. 21).

50      Nach Art. 23 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts, der die Wahrung der Verteidigungsrechte in Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung von Beamten garantieren soll, kann die Anstellungsbehörde außer in Ausnahmefällen eine dahin gehende Entscheidung erst nach Anhörung des betreffenden Beamten erlassen.

51      Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass der Kläger am 16. September 2008, also vor Erlass der streitigen Entscheidung, nach Art. 23 Abs. 2 des Anhangs IX des Statuts durch den für das Personal zuständigen Vizepräsidenten der Kommission angehört wurde, der den Kläger über die Vorwürfe eines schweren Dienstvergehens informierte und so in die Lage versetzte, dazu Stellung zu nehmen.

52      Was darüber hinaus das Vorbringen des Klägers betrifft, die Kommission habe ihm vor der Anhörung am 16. September 2008 nur den Artikel der Sunday Times übermittelt, während sie selbst in der streitigen Entscheidung angegeben habe, sich auf „verschiedene Presseartikel, insbesondere [den Artikel] der Sunday Times“ gestützt zu haben, geht aus den Akten hervor, dass sich die nach der Veröffentlichung des Artikels der Sunday Times verbreiteten Presseartikel tatsächlich darauf beschränkt haben, die von den Journalisten der Sunday Times aufgedeckten Informationen inhaltlich zu wiederholen, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt hat.

53      Der Kläger kann folglich nicht behaupten, dass die Kommission den Grundsatz der Wahrung der Verteidigungsrechte verletzt habe.

54      Der zweite Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

 Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 6 EMRK

–       Vorbringen der Parteien

55      Der Kläger macht geltend, die streitige Entscheidung verstoße gegen den in Art. 6 EMRK garantierten Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit, da sich die Anstellungsbehörde bei der vorläufigen Dienstenthebung auf Informationen gestützt habe, die ohne sein Wissen und infolge einer von den Journalisten der Sunday Times gestellten Falle erlangt worden seien.

56      Die Kommission entgegnet hierauf, dass die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte, wonach Art. 6 EMRK nicht für Disziplinarverfahren gelte, erst recht auf eine vorläufige Dienstenthebung zu übertragen sei.

–       Würdigung durch das Gericht

57      Die Grundrechte sind nach ständiger Rechtsprechung integraler Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Wahrung der Gemeinschaftsrichter zu sichern hat. Er lässt sich dabei von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und von den Hinweisen leiten, die die völkerrechtlichen Verträge über den Schutz der Menschenrechte geben, an deren Abschluss die Mitgliedstaaten beteiligt waren oder denen sie beigetreten sind. Hierbei kommt der EMRK besondere Bedeutung zu (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juni 2003, Schmidberger, C‑112/00, Slg. 2003, I‑5659, Randnr. 71, und vom 27. Juni 2006, Europäisches Parlament/Rat, C‑540/03, Slg. 2006, I‑5769, Randnr. 35, und vom 18. Januar 2007, PKK und KNK/Rat, C‑229/05 P, Slg. 2007, I‑439, Randnr. 76).

58      Nach Art. 6 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch darauf, dass seine Sache in billiger Weise öffentlich und innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird, und zwar von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht, das über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat.

59      Ein Verfahren zur vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung eines Teilbetrags von Dienstbezügen ist jedoch kein gerichtliches, sondern ein Verwaltungsverfahren, so dass die Kommission nicht als „Gericht“ im Sinne von Art. 6 EMRK angesehen werden kann (vgl. entsprechend Beschluss des Gerichtshofs vom 16. Juli 1998, N/Kommission, C‑252/97 P, Slg. 1998, I‑4871, Randnr. 52; Urteile des Gerichts erster Instanz vom 17. Oktober 1991, de Compte/Parlament, T‑26/89, Slg. 1991, II‑781, Randnr. 94, und vom 21. November 2000, A/Kommission, T‑23/00, Slg. ÖD 2000, I‑A‑263 und II‑1211, Randnr. 24). Die Einhaltung der Verpflichtungen, die dieser Artikel einem „Gericht“ auferlegt, kann daher von der Kommission, wenn sie einen Beamten vorläufig des Dienstes enthebt und Teilbeträge von seinen Dienstbezügen einbehält, nicht verlangt werden.

60      Folglich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf einen Verstoß der Kommission gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK berufen.

61      Der dritte Klagegrund kann daher nicht durchgreifen.

 Zum vierten und zum fünften Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler in Bezug auf die behaupteten Tatsachen und Verstoß gegen Art. 23 des Anhangs IX des Statuts in Bezug auf den Vorwurf eines schweren Dienstvergehens

–       Vorbringen der Parteien

62      Der Kläger macht geltend, dass das ihm von der Kommission zur Last gelegte schwere Dienstvergehen, insbesondere der Vorwurf, er habe gegen Art. 11 Abs. 2 und Art. 17 Abs. 1 des Statuts verstoßen, offensichtlich jeder Grundlage entbehre, da es auf falschen Informationen aus dem Artikel der Sunday Times beruhe.

63      Er habe nur „halb öffentliche“, jeglicher geschäftsrelevanter Auswirkungen entbehrende Informationen zu Antidumpingverfahren weitergegeben, die insbesondere die voraussichtliche Dauer dieser Verfahren, die für die Marktwirtschaftsbehandlung zu erfüllenden Kriterien oder die Notwendigkeit einen Rechtsanwalt oder einen in diesem Bereich tätigen Berater beizuziehen, betroffen hätten.

64      Außerdem habe er zwar drei Einladungen zu Abendessen mit Journalisten der Sunday Times angenommen, die sich als Geschäftspartner eines chinesischen Exporteurs ausgegeben hätten, doch sei die Teilnahme an Abendessen – die bei der Kommission gängige Praxis sei – nicht unvereinbar mit den Dienstpflichten der Beamten und erfordere nicht die Einholung der vorherigen Zustimmung nach Art. 11 Abs. 2 des Statuts.

65      Schließlich habe er zu keinem Zeitpunkt eine Geldsumme erhalten oder die Weitergabe weiterer Informationen davon abhängig gemacht, dass er nach seiner Versetzung in den Ruhestand bei dem fraglichen chinesischen Exporteur angestellt werde.

66      Die Kommission tritt dem damit entgegen, dass die Frage, ob der Kläger tatsächlich das ihm zur Last gelegte schwere Dienstvergehen begangen habe, nur im Rahmen eines etwaigen Disziplinarverfahrens untersucht werden könne. Jedenfalls sei der dem Kläger gemachte Vorwurf nicht völlig unbegründet, da der Artikel der Sunday Times, auf den sich der Vorwurf gestützt habe, sehr ausführlich sei und der Kläger teilweise eingeräumt habe, dass er stimme.

–       Würdigung durch das Gericht

67      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die gerichtliche Kontrolle der Begründetheit einer Maßnahme der vorläufigen Dienstenthebung in Anbetracht der Vorläufigkeit einer solchen Maßnahme nur sehr eingeschränkt sein kann. Das Gericht hat sich folglich auf die Prüfung zu beschränken, ob der Vorwurf eines schweren Dienstvergehens hinreichend glaubhaft ist und nicht offensichtlich jeder Grundlage entbehrt (vgl. entsprechend zu einem Beschluss über die Zurückweisung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz gegen eine vorläufige Dienstenthebung, Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 10. Februar 1999, Willeme/Kommission, T‑211/98 R, Slg. ÖD 1999, I‑A‑15 und II‑57, Randnr. 30).

68      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass der Artikel der Sunday Times, dessen Informationen zusammen mit den Erklärungen, die der Kläger bei seinen Anhörungen abgegeben hat, der streitigen Entscheidung zugrunde liegen, sehr detailliert verfasst ist und sich wiederholt auf die in Anführungszeichen gesetzten Antworten des Klägers bezieht, die dieser auf die ihm von den Journalisten gestellten Fragen gegeben hat.

69      Zweitens ergibt sich aus den Akten, dass der Kläger bei seinen Anhörungen durch die Beamten des IDOC und das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied im Beistand seines Rechtsanwalts einen Teil der im Artikel der Sunday Times behaupteten Tatsachen eingeräumt hat. So hat er eingeräumt, seinen Gesprächspartnern bei den Abendessen, zu denen er eingeladen worden sei, oder bei den Telefonaten bestimmte Informationen gegeben zu haben, insbesondere die Namen zweier Kerzen herstellender chinesischer Gesellschaften, denen im Anschluss an ein zu diesem Zeitpunkt noch laufendes Antidumpingverfahren Marktwirtschaftsbehandlung hätte zuerkannt werden können. Der Kläger kann insoweit nicht ernsthaft die Vertraulichkeit dieser Informationen bestreiten oder behaupten, dass sie „halb öffentlich“ gewesen seien, da sie einem Wirtschaftsteilnehmer, der vor Beendigung des Antidumpingverfahrens Verträge mit diesen Gesellschaften abschließen wollte, einen gewissen Vorteil verschaffen konnten. Die beiden fraglichen Gesellschaften haben im Übrigen tatsächlich Marktwirtschaftsbehandlung erhalten und mussten keinen Antidumpingzoll nach der Verordnung (EG) Nr. 1130/2008 der Kommission vom 14. November 2008 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Kerzen (Lichte) und dergleichen mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 306, S. 22) zahlen.

70      Drittens, auch wenn der Kläger gegenüber den Beamten des IDOC angegeben hat, dass ihm während des zweiten Abendessens als Gegenleistung für die Informationsweitergabe die Überweisung einer Geldsumme auf ein auf seinen Namen lautendes Konto in einem steuerbegünstigten Land angeboten worden sei, ist unstreitig, dass er weder seine Vorgesetzten hiervon unterrichtet noch den Kontakt zu seinen Gesprächspartnern abgebrochen hat, sondern von diesen vielmehr eine neue Einladung zum Abendessen angenommen hat.

71      Viertens wurden die Informationen im Artikel der Sunday Times zwar tatsächlich dadurch erlangt, dass dem Kläger eine Falle gestellt wurde, um ihn zu einem Fehlverhalten zu verleiten, doch wurde diese Falle jedenfalls nicht von der Kommission, sondern von Dritten – im vorliegenden Fall von den Journalisten der Sunday Times – gestellt, und es ist weder nachgewiesen noch auch nur behauptet worden, dass die Machenschaften von der Verwaltung in Auftrag gegeben worden wären. Der Kläger kann der Kommission folglich nicht vorwerfen, sich auf die im Artikel der Sunday Times enthaltenen Informationen gestützt zu haben.

72      Zudem ist zu bemerken, dass sich die streitige Entscheidung nicht auf die Wiedergabe der in der Sunday Times enthaltenen Informationen beschränkt, sondern auch ausdrücklich auf die Angaben Bezug genommen hat, die der Kläger bei den Anhörungen durch die Beamten des IDOC und den für das Personal zuständigen Vizepräsidenten der Kommission gemacht hatte.

73      Der Kläger kann folglich schon nach den vorstehend dargelegten Gegebenheiten nicht behaupten, dass der von der Kommission erhobene Vorwurf eines schweren Dienstvergehens offensichtlich jeder Grundlage entbehre.

74      Der vierte und der fünfte Klagegrund sind deshalb zurückzuweisen.

 Zum sechsten und zum siebten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Fürsorgepflicht

–       Vorbringen der Parteien

75      Der Kläger macht geltend, dass er, da er sich bei seiner Anhörung durch den für das Personal zuständigen Vizepräsidenten der Kommission im Urlaub befunden habe, diesem vorgeschlagen habe, seinen Urlaub um acht Wochen zu verlängern. Die Kommission habe jedoch, anstatt diese Lösung zu wählen, die seine öffentliche Infragestellung hätte verhindern können und gleichzeitig der Verwaltung eine ausreichende Frist verschafft hätte, die Angelegenheit zu untersuchen, den Erlass der streitigen Entscheidung vorgezogen. Die Kommission habe daher sowohl den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als auch die Fürsorgepflicht verletzt.

76      Außerdem habe die Kommission dadurch die Fürsorgepflicht verletzt, dass sie mit ihm in Englisch kommuniziert und die streitige Entscheidung ebenfalls in dieser Sprache verfasst habe, obwohl er wiederholt darum gebeten habe, dass im Verfahren die französische Sprache gebraucht werde, damit insbesondere seine Rechtsanwälte das Verfahren „perfekt verstehen“ könnten.

77      Die Kommission bestreitet, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder die Fürsorgepflicht verstoßen zu haben, und weist darauf hin, dass Urlaubsansprüche von der Befugnis der Anstellungsbehörde, einen Beamten nach Art. 23 des Anhangs IX des Statuts vorläufig seines Dienstes zu entheben, völlig zu trennen seien. Außerdem seien die Interessen des Klägers berücksichtigt worden, denn die Einbehaltung eines Teilbetrags von seinen Dienstbezügen sei auf monatlich 1 000 Euro begrenzt worden.

–       Würdigung durch das Gericht

78      In Ansehung, erstens, der Schwere des Vorwurfs, der gegen den Kläger als einen hohen Beamten der GD Handel, der für die Direktion G „Marktzugang und Industrie“ verantwortlich ist, erhoben wird, zweitens, der Beschädigung des Ansehens der Kommission aufgrund der Publizität, die dieser Angelegenheit gegeben wurde, und drittens, der Notwendigkeit, in der sich die Kommission befand, vom OLAF eine unparteiliche Verwaltungsuntersuchung vornehmen zu lassen, ist davon auszugehen, dass die Anstellungsbehörde weder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gegen die Fürsorgepflicht verstoßen hat, indem sie auf der Grundlage einer dem vorliegenden Fall angemessenen globalen und vorläufigen Beurteilung die streitige Entscheidung getroffen hat. Dass der Kläger als Privatkläger Strafantrag gegen die Autoren des Artikels der Sunday Times gestellt hat, kann diese Schlussfolgerung nicht widerlegen, da dieser Umstand in keinem Zusammenhang zur Richtigkeit oder Schwere des dem Betroffenen vorgeworfenen Fehlverhaltens steht.

79      Dem Argument, wonach die Kommission dadurch gegen die Fürsorgepflicht verstoßen habe, dass sie mit dem Kläger in Englisch kommuniziert und die streitige Entscheidung in dieser Sprache verfasst habe, kann nicht gefolgt werden. Obwohl nämlich der Kläger mit Schreiben seines Anwalts vom 12. September 2008 beantragt hatte, „im Rahmen des gesamten gegen ihn eingeleiteten Verfahrens von der französischen Sprache Gebrauch machen“ zu können, ist nämlich unstreitig, dass er sich bei seiner Anhörung am 16. September 2008 in Französisch ausdrücken konnte. Darüber hinaus, auch wenn das Protokoll dieser Anhörung in englischer Sprache abgefasst ist, weist der Kläger nicht nach und behauptet noch nicht einmal, dass er oder seine Rechtsanwälte diese Unterlagen nicht hätten verstehen können. Die Akten zeigen vielmehr, dass der Kläger über eine profunde Kenntnis der englischen Sprache verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts erster Instanz vom 23. März 2000, Rudolph/Kommission, T‑197/98, Slg. ÖD 2000, I‑A‑55 und II‑241, Randnr. 46, und vom 17. Mai 2006, Lavagnoli/Kommission, T‑95/04, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑121 und II‑A‑2‑569, Randnr. 48).

80      Der sechste und der siebte Klagegrund sind daher zurückzuweisen.

 Zum achten Klagegrund: Unzuständigkeit des Urhebers der Maßnahme

–       Vorbringen der Parteien

81      Der Kläger macht geltend, dass die streitige Entscheidung von einer unzuständigen Stelle stamme. Nach dem Beschluss K(2007) 5730 der Kommission vom 30. November 2007 hätte die Entscheidung vom Kollegium der Kommissionsmitglieder getroffen werden müssen und nicht, wie vorliegend geschehen, von dem für das Personal zuständigen Kommissionsmitglied. Auch wenn die Kommission am 10. September 2008 einen Beschluss erlassen habe, mit dem die Befugnis zur vorläufigen Dienstenthebung von Beamten der Besoldungsgruppe AD 15 auf das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied übertragen worden sei, könne dieser Beschluss dem Kläger nicht entgegengehalten werden, da er nicht vor Erlass der streitigen Entscheidung veröffentlicht oder verbreitet worden sei.

82      Die Kommission beantragt, den Klagegrund zurückzuweisen. Die Veröffentlichung des Beschlusses vom 10. September 2008 sei nicht zwingend erforderlich gewesen, und das Fehlen einer Veröffentlichung des Beschlusses habe seinem Inkrafttreten und damit seiner Geltendmachung gegenüber Dritten in keiner Weise entgegengestanden. Jedenfalls sei dieser Beschluss in der Datenbank im Intranet der Kommission zugänglich gewesen, die die Mitteilungen an das Kollegium der Kommissionsmitglieder sowie die Protokolle ihrer Sitzungen enthalte.

–       Würdigung durch das Gericht

83      Zunächst ist daran zu erinnern, dass der auf Unzuständigkeit des Urhebers einer beschwerenden Maßnahme gestützte Klagegrund ein Grund zwingenden Rechts ist, den das Gericht in jedem Fall von Amts wegen zu prüfen hat (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2000, Salzgitter/Kommission, C‑210/98 P, Slg. 2000, I‑5843, Randnr. 56; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. Juli 2006, Vounakis/Kommission, T‑165/04, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑155 und II‑A‑2‑735, Randnr. 30; Urteile des Gerichts vom 13. Dezember 2006, de Brito Sequeira Carvalho/Kommission, F‑17/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑1‑149 und II‑A‑1‑577, Randnr. 51, und vom 18. September 2007, Botos/Kommission, F‑10/07, Slg. ÖD 2007, I‑A-1‑0000 und II‑A-1-0000, Randnr. 78).

84      Da die streitige Entscheidung im vorliegenden Fall auf einen Beschluss vom 10. September 2008 zur Änderung des „Beschlusses über die Ausübung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den [BSB] übertragen sind“, Bezug nimmt und dieser Beschluss vom 10. September 2008 nicht in den Akten war, hat das Gericht aufgrund der vorgenannten Rechtsprechung von Amts wegen im Wege einer prozessleitenden Maßnahme die Vorlage einer Abschrift dieses Beschlusses und Angaben zu seiner Bekanntmachung verlangt.

85      Wie in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils bereits ausgeführt, hat die Kommission in Beantwortung dieser prozessleitenden Maßnahme eine Abschrift der Mitteilung des Vizepräsidenten der Kommission vom 9. September 2008, in der der Entwurf, der dem Beschluss vom 10. September 2008 zugrunde lag, enthalten war, und das Protokoll der Sitzung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder vom 10. September 2008 vorgelegt, in der der Entwurf angenommen worden sein soll.

86      Nach Ansicht des Klägers kann ihm der Beschluss vom 10. September 2008 jedoch nicht entgegengehalten werden, da er nicht vor Erlass der streitigen Entscheidung veröffentlicht worden sei. Nach dem Beschluss K(2007) 5730 der Kommission vom 30. November 2007 hätte die streitige Entscheidung vom Kollegium der Kommissionsmitglieder erlassen werden müssen und nicht, wie vorliegend geschehen, von dem für das Personal zuständigen Kommissionsmitglied.

87      Das Gericht hält dieses Argument des Klägers, obwohl er es erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, für zulässig, was die Kommission auch nicht bestreitet. Zum einen kann nämlich die Frage, ob das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied ordnungsgemäß ermächtigt war, die streitige Entscheidung zu erlassen, nur beantwortet werden, wenn die Frage beantwortet wird, ob der Beschluss vom 10. September 2008 Dritten entgegengehalten werden konnte. Die letztgenannte Frage ist mit der vorhergehenden untrennbar verbunden und stellt somit ebenso wie diese eine Frage zwingenden Rechts dar, die das Gericht von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 18. Februar 1964, Rotterdam und Putterskoek, 73/63 und 74/63, Slg. 1964, 3, 29). Zum anderen wäre, selbst wenn man annähme, dass die Frage nach der Wirksamkeit des Beschlusses vom 10. September 2008 gegenüber Dritten nicht mit der Frage nach der Zuständigkeit verbunden wäre und diese die einzige Frage wäre, die das Gericht von Amts wegen prüfen könnte, das Vorbringen des Klägers nach Art. 43 Abs. 1 der Verfahrensordnung als Angriffsmittel zu prüfen, das auf rechtlichen oder tatsächlichen Gründen beruht, die erst während des Verfahrens, und zwar bei der vom Gericht von Amts wegen vorgenommenen Prüfung der Frage nach der Zuständigkeit des Urhebers zum Erlass der streitigen Entscheidung, zutage getreten sind. Darüber hinaus ist die Kommission mit der prozessleitenden Maßnahme des Gerichts vor der mündlichen Verhandlung in Kenntnis gesetzt worden, dass die Veröffentlichung des Beschlusses vom 10. September 2008 erörtert werden wird. Folglich ist es der Kommission ermöglicht worden, ihre Verteidigung in Bezug auf diesen Punkt vorzubereiten, wie dies im Übrigen ihre schriftliche Antwort auf diese Maßnahme und die Bemerkungen ihres Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gezeigt haben.

88      Das Vorbringen des Klägers, wonach ihm der Beschluss vom 10. September 2008 nicht entgegengehalten werden könne, weil er nicht veröffentlicht worden sei, ist auch begründet.

89      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Beschlüsse über die Verteilung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde übertragen sind, interne Verwaltungsvorschriften des Organs sind (Urteil des Gerichtshofs vom 30. Mai 1973, De Greef/Kommission, 46/72, Slg. 1973, 543, Randnr. 18), und dass, wie das Gericht erster Instanz im Urteil vom 25. März 1999, Hamptaux/Kommission (T‑76/98, Slg. ÖD 1999, I‑A‑59 und II‑303, Randnr. 23), entschieden hat, weder die Bestimmungen des EG‑Vertrags noch die des Statuts – insbesondere nicht dessen Art. 2 – vorsehen, dass die Veröffentlichung derartiger Beschlüsse Voraussetzung für ihr Inkrafttreten und damit für ihre Geltendmachung gegenüber Dritten ist.

90      Jedoch gebietet erstens der Grundsatz der Rechtssicherheit, wonach Bürgern ein hoheitlicher Rechtsakt nicht entgegengehalten werden kann, bevor sie die Möglichkeit haben, von ihm Kenntnis zu nehmen (Urteile des Gerichtshofs vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, Slg. 1979, 69, Randnr. 15; Weingut Decker, 99/78, Slg. 1979, 101, Randnr. 3, und vom 11. Dezember 2007, Skoma‑Lux, C‑161/06, Slg. 2007, I‑10841, Randnr. 37), dass Beschlüsse über die Ausübung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den BSB übertragen sind, nach den Modalitäten und in den Formen, die von der Verwaltung festzulegen sind, angemessen bekannt gemacht werden, und zwar auch dann, wenn dies in keiner Vorschrift ausdrücklich vorgeschrieben wird.

91      Zweitens ist die Kommission selbst grundsätzlich bestrebt, die Bekanntmachung der Beschlüsse über die Ausübung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den BSB übertragen sind, sicherzustellen, da diese Beschlüsse ja gewöhnlich in den Verwaltungsmitteilungen veröffentlicht werden. Insbesondere wurde der Beschluss K(2007) 5730, der durch den Beschluss vom 10. September 2008 geändert wurde, in den Verwaltungsmitteilungen Nr. 57‑2007 vom 6. Dezember 2007 veröffentlicht. Darüber hinaus bestimmt Art. 5 des Beschlusses K(2007) 5730, der den Generaldirektoren die Möglichkeit einräumt, Befugnisse an ihnen nachgeordnete Stellen wie stellvertretende Generaldirektoren, Direktoren, Referatsleiter oder Bereichsleiter zu übertragen, dass diese Befugnisübertragungen „in geeigneter Weise veröffentlicht und dem Personal zur Kenntnis gebracht [werden]“.

92      Drittens hat der Gerichtshof bereits auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Beschlüssen über die Bestimmung der für Personalfragen zuständigen Stellen eine gewisse Publizität zu verleihen. So hat er in einem Fall, in dem ein Kläger gegen die Entscheidung des Europäischen Parlaments über eine im Anschluss an ein internes Auswahlverfahren ausgesprochene Ernennung eines Beamten auf die Stelle eines Abteilungsleiters vorging und geltend machte, dass der Generalsekretär des Parlaments die Mitglieder des Prüfungsausschusses rechtswidrig benannt habe, weil die dem Generalsekretär zu diesem Zweck vom Präsidium des Parlaments übertragene Befugnis dem Personal nicht zur Kenntnis gebracht worden sei, festgestellt, dass diese Übertragung der Befugnis „rechtswirksam“ war, da sie eine allgemein zulässige Verteilung organinterner Befugnisse zum Inhalt hatte und darüber hinaus den Generaldirektoren des Organs, den Fraktionsvorsitzenden, dem Sekretariat und dem Kontrollbüro sowie der nach Art. 9 des Statuts gebildeten Personalvertretung mitgeteilt worden war, deren Aufgabe nach der genannten Bestimmung u. a. darin besteht, die Interessen des Personals gegenüber dem Organ wahrzunehmen und für eine ständige Verbindung zwischen dem Organ und dem Personal zu sorgen (Urteil des Gerichtshofs vom 25. November 1976, Küster/Parlament, 123/75, Slg. 1976, 1701, Randnrn. 6 bis 8).

93      Allgemeiner hat der Gerichtshof – wenn auch nicht in Rechtssachen, in denen Entscheidungen über die Ausübung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den BSB übertragen sind, in Frage gestellt wurden – ebenfalls entschieden, dass eine Gemeinschaftsregelung es nach dem Gebot der Rechtssicherheit den Betroffenen ermöglichen müsse, den Umfang der Verpflichtungen, die sie ihnen auferlegt, genau zu erkennen, denn die Einzelnen müssten ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen können (Urteil vom 21. Juni 2007, ROM-projecten, C‑158/06, Slg. 2007, I‑5103, Randnr. 25; Urteil Skoma‑Lux, Randnr. 38). Im Urteil Skoma‑Lux (Randnrn. 33, 34, 36 und 38) war der Gerichtshof daher der Auffassung, dass das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Veröffentlichung einer Gemeinschaftsregelung in der Amtssprache des Adressaten nicht nur auf Vorschriften wie Art. 254 Abs. 2 EG oder den Art. 4, 5 und 8 Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) beruhe, sondern sich außerdem aus dem Gebot der Rechtssicherheit ableite (vgl. auch Urteil des Gerichtshofs vom 10. März 2009, Heinrich, C‑345/06, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 44).

94      Viertens ergibt sich das Erfordernis, die Beschlüsse über die Verteilung der Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den BSB übertragen sind, angemessen bekannt zu geben, auch aus den Regeln einer ordnungsgemäßen Personalverwaltung, wie das Gericht im Urteil vom 9. Juli 2008, Kuchta/EZB (F‑89/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 62) ausdrücklich festgestellt hat.

95      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der Beschluss vom 10. September 2008 nicht in den Verwaltungsmitteilungen veröffentlicht wurde und zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung auch nicht in anderer Weise bekannt gemacht worden war. Die Kommission hat zwar auf die prozessleitende Maßnahme des Gerichts geantwortet, dass die Mitteilung vom 9. September 2008, in der der Entwurf eines Beschlusses zur Änderung des Beschlusses K(2007) 5730 enthalten gewesen sei, im Intranet des Organs verbreitet worden sei, doch macht sie keine Angaben zum Zeitpunkt dieser Verbreitung. Jedenfalls weist sie ebenso wenig nach, dass das Protokoll der Sitzung vom 10. September 2008, in der dieser Entwurf angenommen wurde, vor dem Erlass der streitigen Entscheidung im Intranet verbreitet worden ist. Der Kläger war daher zu dem Zeitpunkt, zu dem die streitige Entscheidung erlassen und ihm mitgeteilt wurde, nicht in der Lage, vom Inhalt des Beschlusses vom 10. September 2008 in zweckdienlicher Weise Kenntnis zu nehmen.

96      Überdies ist darauf hinzuweisen, dass die Verpflichtung der Kommission, den Beschluss vom 10. September 2008 angemessen bekannt zu machen, im vorliegenden Fall in besonderem Maße gilt. Während nämlich die Befugnis zur vorläufigen Dienstenthebung eines Beamten nach dem Beschluss K(2007) 5730 der höchsten Stelle der Kommission – dem Kollegium der Kommissionsmitglieder – zustand, wurde diese Befugnis mit dem Beschluss vom 10. September 2008 einer einzigen Person, nämlich dem für das Personal zuständigen Kommissionsmitglied übertragen. Eine von einer einzigen Person getroffene Maßnahme bietet aber dem von ihr betroffenen Beamten einen geringeren Grad an Schutz als eine Maßnahme, die von einer Kollegialbehörde getroffen wird, denn eine Kollegialbehörde ist aufgrund der Beratung ihrer Mitglieder imstande, eine größere Zahl relevanter Informationen zu berücksichtigen. Da der Beschluss vom 10. September 2008 eine Verringerung des den Beamten garantierten Schutzniveaus und somit eine Beeinträchtigung ihrer Rechte zur Folge hatte, hätte er demzufolge erst recht angemessen bekannt gemacht werden müssen.

97      Schließlich hat das Fehlen einer Veröffentlichung des Beschlusses vom 10. September 2008 offenbar auch verhindert, dass die Verwaltung selbst von ihrer eigenen Entscheidung angemessen Kenntnis nehmen konnte. Wie sich nämlich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, hat die Kommission am 29. April 2009 erneut einen Beschluss über die Befugnisse, die der Anstellungsbehörde im Statut und der zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigten Behörde in den BSB übertragen sind, und zwar den Beschluss K(2009) 3074 „zur Änderung des Beschlusses K(2007) 5730“ erlassen. In diesem Beschluss, der in den Verwaltungsmitteilungen vom 8. Mai 2009 veröffentlicht wurde, hat die Kommission – als hätte es den Beschluss vom 10. September 2008 nie gegeben – entschieden, dass die der Anstellungsbehörde übertragenen Befugnisse zur Dienstenthebung eines Beamten im Hinblick auf Beamte der Besoldungsgruppe AD 16 und AD 15 und Beamte der Besoldungsgruppe AD 14 der höheren Führungsebene (Direktoren oder diesen vergleichbar) in der Zukunft von dem für Personalfragen zuständigen Kommissionsmitglied und nicht mehr vom Kollegium der Kommissionsmitglieder ausgeübt werden.

98      Da der Beschluss vom 10. September 2008 dem Kläger folglich nicht entgegengehalten werden kann, kann dieser zu Recht behaupten, dass das für das Personal zuständige Kommissionsmitglied zum Erlass der streitigen Entscheidung nicht befugt gewesen sei und diese Entscheidung von der im Beschluss K(2007) 5730 bezeichneten Stelle – dem Kollegium der Kommissionsmitglieder – hätte getroffen werden müssen.

99      Da der Klagegrund der Unzuständigkeit des für das Personal zuständigen Kommissionsmitglieds für den Erlass der streitigen Entscheidung begründet ist, ist die streitige Entscheidung aufzuheben.

 Kosten

100    Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.

101    Aus dem vorliegenden Urteil ergibt sich, dass die Kommission unterlegen ist. Der Kläger hat auch ausdrücklich beantragt, die Kosten der Kommission aufzuerlegen. Da die Umstände des vorliegenden Falls die Anwendung des Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, ist die Kommission daher zur Tragung der Kosten im Verfahren zur Hauptsache zu verurteilen.

102    Was die Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes anbelangt, steht fest, dass der Kläger im Rahmen dieses Verfahrens unterlegen ist. Da die Kommission jedoch nicht beantragt hat, dem Kläger die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen, trägt insoweit jede Partei ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 18. September 2008, mit der sie Herrn Wenig gemäß den Art. 23 und 24 des Anhangs IX des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften auf unbestimmte Zeit vorläufig des Dienstes enthoben und für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten die Einbehaltung eines Teilbetrags von monatlich 1 000 Euro von seinen Dienstbezügen angeordnet hat, wird aufgehoben.

2.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens zur Hauptsache.

3.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes.

Gervasoni

Kreppel

Tagaras

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. November 2009.

Die Kanzlerin

 

      Der Präsident

W. Hakenberg

 

      S. Gervasoni

Die vorliegende Entscheidung sowie die darin zitierten und noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte sind auf der Internetseite des Gerichtshofs verfügbar: www.curia.europa.eu


* Verfahrenssprache: Französisch.