Language of document : ECLI:EU:F:2008:95

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

8. Juli 2008(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Soziale Sicherheit – Krankenversicherung – Übernahme von Krankheitskosten – Austausch eines Rollstuhls – Umfang der Nachprüfung durch das Gericht“

In der Rechtssache F‑76/07

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Gerhard Birkhoff, ehemaliger Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Weitnau (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Hösgen,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall und B. Eggers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters H. Tagaras in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten sowie der Richter H. Kanninen und S. Gervasoni (Berichterstatter),

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2008

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 17. Juli 2007 per Fax beim Gericht eingegangen ist (Eingang des Originals am 19. Juli 2007), beantragt Gerhard Birkhoff, ein ehemaliger Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Entscheidung der Abrechnungsstelle vom 8. November 2006 aufzuheben, mit der sein Antrag auf Erteilung der für die Erstattung der Anschaffungskosten eines Rollstuhls nach der Regelung erforderlichen vorherigen Genehmigung abgelehnt worden ist (im Folgenden: streitige Entscheidung).

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 72 Abs. 1 des Beamtenstatuts der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„In Krankheitsfällen wird dem Beamten, seinem Ehegatten – sofern dieser nicht nach anderen Rechts- und Verwaltungsvorschriften Leistungen derselben Art und in derselben Höhe erhalten kann –, seinen Kindern und den sonstigen unterhaltsberechtigten Personen im Sinne von Anhang VII Artikel 2 nach einer von den Organen der Gemeinschaften im gegenseitigen Einvernehmen nach Stellungnahme des Statutsbeirats beschlossenen Regelung Ersatz der Aufwendungen bis zu 80 v. H. gewährleistet. Dieser Satz wird für die folgenden Leistungen auf 85 % angehoben: Beratungen und Besuche, chirurgische Eingriffe, Krankenhausbehandlung, Arzneimittel, Röntgenuntersuchungen, Analysen, Laboruntersuchungen und ärztlich verordnete prothetische Apparate mit Ausnahme von Zahnprothesen. Im Falle von Tuberkulose, Kinderlähmung, Krebs, Geisteskrankheiten und anderen von der Anstellungsbehörde als vergleichbar schwer anerkannten Krankheiten sowie für Untersuchungen zur Früherkennung und im Falle der Entbindung erhöht er sich auf 100 v. H. Der Erstattungssatz von 100 v. H. gilt jedoch nicht, wenn im Fall von Berufskrankheiten und Unfällen Artikel 73 zur Anwendung gekommen ist.

Im Rahmen der in Unterabsatz 1 genannten Regelung können die Organe nach dem Verfahren des Artikels 110 einem von ihnen die Zuständigkeit dafür übertragen, die Vorschriften für die Kostenerstattung festzulegen.

…“

3        Nach Art. 2 Abs. 5 von Anhang VII des Statuts behält das Kind eines Beamten, das dauernd gebrechlich ist oder an einer schweren Krankheit leidet, die es ihm unmöglich macht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ohne Rücksicht auf sein Alter die Eigenschaft als unterhaltsberechtigtes Kind des Beamten im Sinne des Art. 72 Abs. 1 des Statuts für die gesamte Dauer der Krankheit oder des Gebrechens.

4        Art. 110 des Statuts sieht vor:

„(1)      Die allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu diesem Statut werden von jedem Organ nach Anhörung seiner Personalvertretung und nach Stellungnahme des Statutsbeirats erlassen. Die Agenturen erlassen nach Anhörung der jeweiligen Personalvertretung im Einvernehmen mit der Kommission geeignete Durchführungsbestimmungen zu diesem Statut.

(2)      Für den Erlass von Regelungen im gegenseitigen Einvernehmen zwischen den Organen werden Agenturen nicht wie Organe behandelt. Die Kommission hört jedoch die Agenturen vor dem Erlass solcher Regelungen an.

(3)      Alle allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu diesem Statut sowie alle von den Organen im gegenseitigen Einvernehmen erlassenen Regelungen werden dem Personal zur Kenntnis gebracht.

(4)      Die Verwaltungen der Organe konsultieren einander regelmäßig über die Anwendung des Statuts. In diesen Konsultationen sind die Agenturen gemäß den Vorschriften, die sie in gegenseitigem Einvernehmen festlegen, gemeinsam vertreten.“

5        Zur Festlegung der Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 72 des Statuts erließen die Gemeinschaftsorgane eine gemeinsame Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Gemeinsame Regelung). Bei Erlass der streitigen Entscheidung war die Fassung der Gemeinsamen Regelung in Kraft, die in dem vom Präsidenten des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften aufgrund der Änderungen des Statuts durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 (ABl. L 124, S. 1) festgestellten gegenseitigen Einvernehmen der Organe erlassen worden war. Diese Fassung war nach ihrem Art. 55 am ersten Tag des Monats in Kraft getreten, der auf den Monat folgte, in dem dieses gegenseitige Einvernehmen festgestellt worden war, d. h. am 1. Dezember 2005.

6        Gemäß Art. 1 der Gemeinsamen Regelung wurde für die Organe der Europäischen Gemeinschaften ein gemeinsames Krankheitsfürsorgesystem (im Folgenden: Krankheitsfürsorgesystem) geschaffen.

7        Art. 20 Abs. 1, 3 und 4 der Gemeinsamen Regelung sieht vor:

„(1)      Um das finanzielle Gleichgewicht des [Krankheitsfürsorgesystems] zu erhalten und dem Grundsatz der sozialen Sicherung in Artikel 72 des Statuts gerecht zu werden, können in den allgemeinen Durchführungsbestimmungen für bestimmte Leistungen Erstattungshöchstgrenzen festgelegt werden.

Liegen die der angeschlossenen Person entstandenen Kosten unter der Höchstgrenze, so wird die Erstattung auf der Grundlage des verauslagten Betrags berechnet.

(3)      Nicht erstattet werden die Kosten für Behandlungen, die die Abrechnungsstelle nach Stellungnahme des Vertrauensarztes als nicht sachdienlich oder nicht notwendig ansieht.

(4)      Die Kosten für Leistungen, die in den allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu dieser Regelung nicht vorgesehen sind, können nach Stellungnahme des Vertrauensarztes der Abrechnungsstelle zu 80 % erstattet werden. Dieser Sachverhalt wird den angeschlossenen Personen regelmäßig zur Kenntnis gebracht.“

8        Art. 27 der Gemeinsamen Regelung bestimmt, dass dann, wenn die Erstattung aufgrund dieser Regelung nur nach vorheriger Genehmigung erfolgen kann, die Anstellungsbehörde oder die von ihr bezeichnete Abrechnungsstelle die Entscheidung trifft. Die angeschlossene Person reicht den Antrag auf vorherige Genehmigung zusammen mit einer Verordnung und/oder einem Kostenvoranschlag des behandelnden Zahnarztes oder Arztes bei der Abrechnungsstelle ein. Diese legt den Antrag gegebenenfalls dem Vertrauenszahnarzt oder dem Vertrauensarzt vor, der seine Stellungnahme der Abrechnungsstelle binnen zwei Wochen übermittelt. Die Abrechnungsstelle entscheidet über den Antrag, wenn sie dazu befugt ist, oder übermittelt ihre Stellungnahme und gegebenenfalls die Stellungnahme des Vertrauenszahnarztes oder des Vertrauensarztes der Anstellungsbehörde zur Entscheidung. Die angeschlossene Person wird von der Entscheidung unverzüglich unterrichtet.

9        Art. 35 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung bestimmt:

„Bevor die Anstellungsbehörde bzw. der Verwaltungsrat über eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts entscheidet, ist die Stellungnahme des Verwaltungsausschusses einzuholen.

Dieser kann seinen Vorsitzenden beauftragen, zusätzliche Informationen einzuholen. Betrifft der Streitfall medizinische Fragen, so kann der Verwaltungsausschuss vor seiner Stellungnahme das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen einholen. Die Kosten des Gutachtens gehen zu Lasten des [Krankheitsfürsorgesystems].

Der Verwaltungsausschuss muss sich innerhalb einer Frist von zwei Monaten, gerechnet vom Tage des Eingangs des Antrags auf Stellungnahme, äußern. Diese Stellungnahme wird gleichzeitig der Anstellungsbehörde und dem Beschwerdeführer übermittelt.

Gibt der Verwaltungsausschuss innerhalb dieser Frist keine Stellungnahme ab, so kann die Anstellungsbehörde bzw. der Verwaltungsrat die Verfügung treffen.“

10      Art. 40 Abs. 4 der Gemeinsamen Regelung schreibt vor:

„Jeder Abrechnungsstelle werden Vertrauensärzte und Vertrauenszahnärzte beigeordnet; ihnen obliegen die sich aus dieser Regelung und ihren allgemeinen Durchführungsbestimmungen ergebenden Aufgaben.

Der Vertrauensarzt einer Abrechnungsstelle kann nicht gleichzeitig Vertrauensarzt eines Organs sein.“

11      Art. 41 der Gemeinsamen Regelung bestimmt:

„Dem Verwaltungsausschuss steht ein Ärztebeirat zur Seite, dem je ein Vertrauensarzt der einzelnen Organe und die Vertrauensärzte der einzelnen Abrechnungsstellen angehören.

Der Ärztebeirat kann vom Verwaltungsausschuss oder dem Zentralbüro in allen Fragen medizinischer Art, die sich im Rahmen dieses Krankheitsfürsorgesystems ergeben, zu Rate gezogen werden. …“

12      Nach Art. 52 der Gemeinsamen Regelung übertragen die Organe der Kommission gemäß Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 3 des Statuts die Befugnis, durch allgemeine Durchführungsbestimmungen, die nach Stellungnahme des Verwaltungsausschusses und nach Anhörung des Statutsbeirats festgelegt werden, die Vorschriften für die Kostenerstattungen festzulegen mit dem Ziel, das finanzielle Gleichgewicht des Krankheitsfürsorgesystems zu erhalten und dem in Art. 72 Abs. 1 Unterabs. 1 des Statuts verankerten Grundsatz der sozialen Sicherung zu entsprechen.

13      Nach Art. 54 Abs. 3 der Gemeinsamen Regelung ist bis zum Erlass der allgemeinen Durchführungsbestimmungen durch die Kommission jede Bezugnahme auf die allgemeinen Durchführungsbestimmungen in der Gemeinsamen Regelung als Bezugnahme auf die Anhänge der vorher geltenden, zuletzt am 20. Januar 1999 geänderten Regelung zu verstehen.

14      Anhang I Titel XII Buchst. F der Gemeinsamen Regelung bestimmt:

„Die Kosten für die Anschaffung oder Miete der folgenden ärztlich verordneten Hilfsmittel sowie die Reparaturkosten für die in den Nummern 3 und 4 genannten Hilfsmittel werden mit einem Satz von 85 % erstattet:

4.      Rollstühle und ähnliche Hilfsmittel nach Vorlage eines Kostenvoranschlags.

Für den Erwerb orthopädischer Schuhe und der unter Nummer 4 aufgeführten Hilfsmittel ist jedoch eine vorherige Genehmigung nach Stellungnahme des Vertrauensarztes der Abrechnungsstelle erforderlich; dem Antrag auf vorherige Genehmigung für orthopädische Schuhe ist ein Kostenvoranschlag beizufügen.“

15      Die in Art. 52 der Gemeinsamen Regelung vorgesehenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen für die Erstattung der Krankheitskosten wurden von der Kommission am 2. Juli 2007 erlassen (im Folgenden: Durchführungsbestimmungen). Nach ihrem Art. 2 traten sie am 1. Juli 2007 in Kraft. Anhang II der Durchführungsbestimmungen, der orthopädisches Material, Bandagen und sonstige medizinische Hilfsmittel betrifft, die mit einem Satz von 85 % oder – bei anerkannter schwerer Krankheit – von 100 % erstattet werden, sieht in Nr. 5 der dort enthaltenen Tabelle vor, dass die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls auf eine Anschaffung alle fünf Jahre beschränkt ist.

 Sachverhalt

16      Der Kläger ist ehemaliger Beamter der Kommission und befindet sich im Ruhestand. Seine Tochter, die seit einem 1978 erlittenen Unfall querschnittsgelähmt ist, benutzt einen Rollstuhl.

17      Das Krankheitsfürsorgesystem erstattete dem Kläger im Juli 2004 die Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls in Höhe von 2 574,42 Euro.

18      Im September 2006 brach ein Rohr am Rückenteil des Rollstuhls.

19      Mit am 7. November eingegangenem Schreiben vom 1. November 2006 stellte der Kläger bei der Abrechnungsstelle einen Antrag auf vorherige Genehmigung der Anschaffung eines neuen Rollstuhls des gleichen Modells wie des vorigen. Er fügte seinem Antrag einen Kostenvoranschlag sowie ein Attest des behandelnden Arztes seiner Tochter bei, der darauf hinwies, dass beim bisherigen Rollstuhl die Sicherheit der Benutzerin auch nach einer Reparatur nicht mehr hinreichend gewährleistet wäre.

20      Nach Einholung der Stellungnahme des Vertrauensarztes lehnte die Abrechnungsstelle den Antrag mit der streitigen Entscheidung ab. Darin führte sie aus, eine Kostenerstattung für einen Rollstuhl sei zuletzt 2004 gewährt worden; die Erstattung der Kosten eines neuen Rollstuhls sei nur alle fünf Jahre möglich.

21      Mit Schreiben vom 13. November 2006 bat der Kläger um Erläuterung der Ablehnungsgründe unter Hinweis darauf, dass er in der Regelung keine entsprechende Vorschrift finden könne. Daraufhin überprüfte die Verwaltung seinen Antrag, der in der Sitzung des Ärztebeirats vom 7. Dezember 2006 erörtert wurde. Nach dieser Sitzung wandte sich der Vertrauensarzt mit einem Schreiben an den Kläger, in dem er diesen bat, von einem Orthopädiemeister einen sachverständigen Bericht über die Gründe des Bruchs des Rückteils des Rollstuhls und die funktionellen Mängel einer Reparatur erstellen zu lassen und vorzugsweise die Zweitmeinung eines anderen Orthopädiemechanikers einzuholen.

22      Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 16. Dezember 2006, er habe das Ersuchen des Vertrauensarztes an den Lieferanten und die Reparaturwerkstatt weitergeleitet, meine aber, dass Ursache des Schadens die Brüchigkeit des verwendeten Materials sei. Er teilte der Abrechnungsstelle mit, dass er aus Gründen der Sicherheit beschlossen habe, einen neuen, solideren Rollstuhl zu kaufen, für den er Kostenerstattung beantragen werde.

23      Mit Schreiben vom 8. Januar 2007 legte der Kläger gegen die streitige Entscheidung Beschwerde ein.

24      Die Anstellungsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheidung vom 18. April 2007 zurück. Sie bestätigte, dass der Antrag auf vorherige Genehmigung mit der Begründung abgelehnt worden sei, dass eine Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls nur alle fünf Jahre möglich sei. Die Abrechnungsstelle sei jedoch bereit, die Reparaturkosten entsprechend der Regelung dann zu übernehmen, wenn sie nicht vom Hersteller übernommen würden. Allerdings falle die Frage der Qualität des verwendeten Materials und allgemein der Sicherheit des Rollstuhls nicht in ihren Zuständigkeitsbereich, sondern betreffe das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Käufer und dem Hersteller.

 Verfahren und Anträge der Parteien

25      Der Kläger hat am 11. Dezember 2007 ein Schriftstück bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht, das aufgrund Beschlusses des Gerichts nicht in das Register eingetragen worden ist, da das schriftliche Verfahren am 21. November 2007 geschlossen worden ist.

26      Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 55 der Verfahrensordnung hat das Gericht die Parteien mit Schreiben vom 6. Februar 2008 zur Beantwortung schriftlicher Fragen und zur Vorlage von Unterlagen aufgefordert. Dieser Aufforderung sind die Parteien nachgekommen.

27      Mit am 20. Februar 2008 in das Register der Kanzlei eingetragenem Schriftsatz hat der Kläger die Eröffnung eines zweiten Schriftwechsels beantragt und ein neues Beweisangebot unterbreitet. Das Gericht hat diesen Schriftsatz zu den Akten genommen und der Kommission zur Stellungnahme übermittelt; es hat jedoch die Zulassung eines zweiten Schriftwechsels abgelehnt.

28      Mit Schreiben vom 12. März 2008 hat das Gericht den Parteien den vorbereitenden Sitzungsbericht übersandt. Darin hat es u. a. seine Absicht bekundet, in der mündlichen Verhandlung eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits anzustreben.

29      Mit am 17. März 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Kommission gegenüber dem Gericht erklärt, dass sie mit dem Versuch einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits nicht einverstanden sei, da sie sich gegenüber dem Kläger mit dem Angebot, die Kosten für die Reparatur des Rollstuhls zu übernehmen, bereits fürsorglich gezeigt habe.

30      Am 19. März 2008 hat der Kläger der Kanzlei des Gerichts ein neues Schriftstück zugeleitet, das zu den Akten zu nehmen vom Gericht abgelehnt worden ist.

31      Mit Schreiben vom 4. April 2008 hat das Gericht die Parteien über die Änderung der Zusammensetzung des Spruchkörpers in Kenntnis gesetzt, in dem Richter Kreppel in seiner Eigenschaft als Präsident durch Richter Tagaras und dieser in seiner Eigenschaft als Richter durch Richter Kanninen ersetzt worden ist.

32      Die Parteien haben mündlich verhandelt und die in der mündlichen Verhandlung vom 9. April 2008 gestellten Fragen des Gerichts beantwortet.

33      Der Kläger beantragt,

–        die Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde vom 18. April 2007 aufzuheben;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

34      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

35      Auch wenn die Klage formal gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 18. April 2007 gerichtet ist, mit der die Beschwerde vom 11. Januar 2007 zurückgewiesen wurde, bewirkt sie doch, dass das Gericht mit der streitigen Entscheidung befasst wird, gegen die diese Beschwerde eingelegt worden ist (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichtshofs vom 17. Januar 1989, Vainker/Parlament, 293/87, Slg. 1989, 23, Randnr. 8).

 Vorbringen der Parteien

36      Der Kläger macht geltend, er habe nach den Art. 72 und 110 des Statuts sowie Anhang I Titel XII Buchst. F Nr. 4 der Gemeinsamen Regelung Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls für seine querschnittsgelähmte Tochter.

37      Seine Tochter sei nämlich wegen ihres Gesundheitszustands ständig auf einen Rollstuhl angewiesen.

38      Seit dem im September 2006 eingetretenen Bruch des Rückenteils des Rollstuhls gewährleiste der Rollstuhl die Sicherheit seiner Tochter nicht mehr hinreichend. Damals habe sich aufgrund des Bruchs eines Rohrs im Rückenteil des Rollstuhls gezeigt, dass dieser aus einer mangelhaften Aluminiumlegierung hergestellt sei. Ein Austausch des gebrochenen Teils mit dem vom Hersteller gelieferten Teil genüge daher als Schutz vor einem neuerlichen Bruch des Rückenteils des Rollstuhls nicht. Der plötzliche Bruch eines für die Stabilität des Rollstuhls notwendigen Teils könne schlimmste Folgen für seine Tochter haben, die in ihrer Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sei und die in diesem Fall einen Sturz nicht verhindern könnte.

39      Der Austausch des Rollstuhls stelle die einzig sachgerechte Lösung dar. Der Aufwand einer Prüfung des Rollstuhls auf seine Dauerfestigkeit stehe in keinem Verhältnis zu den Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls.

40      Im Übrigen habe der behandelnde Arzt seiner Tochter am 18. September 2006 mit der Begründung, dass der alte Rollstuhl auch nach einer Reparatur die Sicherheit seiner Benutzerin nicht mehr gewährleiste, eine ärztliche Verordnung über die Anschaffung eines neuen Rollstuhls ausgestellt.

41      Überdies habe der Kläger den Bruch des Rückenteils des Rollstuhls gemäß der Medizinprodukteverordnung dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gemeldet. Nach dieser Meldung könne jedoch der Rollstuhl nicht mehr verwendet werden, solange das Untersuchungsverfahren nicht abgeschlossen sei.

42      Schließlich könne die Kommission vom Kläger auch nicht verlangen, den Hersteller haftbar zu machen. Da nämlich zum Zeitpunkt des Bruchs des Rückenteils des Rollstuhls die Garantiezeit bereits abgelaufen gewesen sei, hätte die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Hersteller den Nachweis erfordert, dass ein Materialfehler und damit eine Verletzung der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169, S. 1) vorliege. Ein solcher Nachweis könne aber nur aufgrund eines langen und aufwändigen Verfahrens erbracht werden; seiner Tochter sei jedoch nicht zuzumuten, in der Zwischenzeit auf den Gebrauch eines Rollstuhls zu verzichten. Ein Vorgehen gegen den Hersteller könne daher nur Gegenstand eines etwaigen Regressanspruchs der Kommission in Bezug auf Erstattung der Kosten für den ursprünglichen Rollstuhl sein, doch könne ein solches Verfahren keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Erstattung der Kosten für die anstehende Neuanschaffung haben.

43      Die Kommission könne sich auch nicht auf die Durchführungsbestimmungen stützen, da solche nicht bestünden.

44      Die Kommission trägt vor, die Klage werde nicht auf rechtliche Argumente, sondern lediglich auf tatsächliche Behauptungen gestützt.

45      Der Antrag auf Übernahme der Kosten für einen Austausch des Rollstuhls durch sie sei zu Recht abgelehnt worden. Denn nach Art. 20 Abs. 3 der Gemeinsamen Regelung würden die Kosten für Behandlungen, die die Abrechnungsstelle nach Stellungnahme des Vertrauensarztes als nicht sachdienlich oder nicht notwendig ansehe, nicht erstattet. Ein Austausch des Rollstuhls sei aber nicht notwendig.

46      Als Erstes macht die Kommission geltend, die fehlende Notwendigkeit eines Austauschs des Rollstuhls stehe aufgrund des Gutachtens der Vertrauensärzte und des durch die Gemeinsame Regelung eingesetzten Ärztebeirats fest. Nach ständiger Rechtsprechung erstrecke sich nämlich die Kontrolle des Gemeinschaftsrichters nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn, die als endgültig anzusehen seien, wenn sie unter ordnungsgemäßen Voraussetzungen erfolgt seien, was der Kläger nicht in Abrede stelle.

47      Als Zweites trägt die Kommission vor, der Kläger erbringe nicht den ihm obliegenden Nachweis, dass der Rollstuhl im Fall einer Reparatur der Rückenlehne keine ausreichende Sicherheit garantieren würde. Erstens sei der Arzt, der die Anschaffung eines neuen Rollstuhls verschrieben habe, nicht auf die Möglichkeit eines Austauschs der Rückenlehne eingegangen. Zweitens müsse die Zuverlässigkeit der vom Hersteller gelieferten Ersatzteile als gewährleistet angesehen werden. Drittens führe die Meldung des Unfalls an die zuständige Bundesstelle nur zu einer Risikobewertung, die dem Hersteller mitgeteilt werde, damit er sie berücksichtigen könne; keinesfalls reiche sie für den Nachweis aus, dass die Benutzung des reparierten Rollstuhls gefährlich sei. Viertens gebe es keinen Grund, anzunehmen, dass der Hersteller seine Konformitätserklärung für die Materialien gefälscht habe. Fünftens hätten der Hersteller und ein Orthopädietechnikermeister bestätigt, dass ein Austausch der beschädigten Rückenrohre ausreichend sei. Sechstens lasse der Antrag auf Erstattung der Anschaffungskosten eines neuen Rollstuhls nicht darauf schließen, dass der Kläger ernsthaft an der Qualität der Aluminiumlegierung zweifle, beantrage er doch eine Kostenerstattung für das gleiche Modell, das aus der gleichen Legierung wie das beschädigte bestehe. Wie sich schließlich aus dem vom Kläger am 2. November 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingereichten ergänzenden Schriftsatz ergebe, lehne der Kläger es ab, die gebrochenen Teile für eine technische Untersuchung zur Verfügung zu stellen und behindere damit die Aufklärung der Gründe für den plötzlichen Bruch der Rückenlehne des Rollstuhls.

48      Der Kläger habe infolgedessen keinen Anspruch auf Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl.

49      Grundlage der streitigen Entscheidung sei im Übrigen die Entscheidung des Ärztebeirats vom 3. Juni 2004. Wie in der Stellungnahme des Vertrauensarztes ausgeführt worden sei, habe der Ärztebeirat damals auf der Grundlage des Zeitwerts entschieden, dass die Anschaffung eines neuen Rollstuhls vor Ablauf der Frist von fünf Jahren nach Kauf des letzten Rollstuhls nicht notwendig sei. Diese Regel sei inzwischen von der Kommission in Anhang II Nr. 5 der Durchführungsbestimmungen als neue Vorschrift niedergelegt worden.

 Würdigung durch das Gericht

50      Zu Recht macht die Kommission geltend, dass sich die Kontrolle des Gemeinschaftsrichters nicht auf ärztliche Beurteilungen im eigentlichen Sinn erstreckt, die als endgültig anzusehen sind, wenn sie unter ordnungsgemäßen Bedingungen zustande gekommen sind (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 19. Januar 1988, Biedermann/Rechnungshof, 2/87, Slg. 1988, 143, Randnr. 8).

51      Ärztliche Beurteilungen von Vertrauensärzten der Abrechnungsstellen fallen jedoch nicht in den Geltungsbereich der von der Kommission angeführten Rechtsprechung. Der Gemeinschaftsrichter kann zwar nicht die Richtigkeit der ärztlichen Beurteilungen der Vertrauensärzte der Abrechnungsstellen überprüfen, doch bedeutet dies nicht, dass diese Beurteilungen, selbst wenn sie unter ordnungsgemäßen Bedingungen zustande gekommen sind, endgültig und seiner Nachprüfung entzogen sind, wie dies bei ärztlichen Beurteilungen des ärztlichen Invaliditätsausschusses nach Art. 7 von Anhang II des Statuts oder des in Art. 59 des Statuts genannten unabhängigen Arztes der Fall ist (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23. November 2004, O/Kommission, T‑376/02, Slg. ÖD 2004, I‑A‑349 und II‑1595, Randnr. 29; Urteil des Gerichts vom 22. Mai 2007, López Teruel/HABM, F‑99/06, Slg. ÖD 2007, I‑A-0000 und II‑0000, Randnrn. 74 bis 76). Die von einem einem Gemeinschaftsorgan angehörenden Arzt einseitig abgegebenen Beurteilungen bieten nämlich, was die Ausgewogenheit zwischen den Beteiligten und die Objektivität angeht, nicht die gleichen Garantien wie die Beurteilungen des ärztlichen Invaliditätsausschusses wegen seiner Zusammensetzung oder des als Schiedsrichter benannten Arztes wegen der Modalitäten seiner Benennung (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichtshofs vom 21. Mai 1981, Morbelli/Kommission, 156/80, Slg. 1981, 1357, Randnrn. 15 bis 20; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23. März 1993, Gill/Kommission, T‑43/89, Slg. 1993, II‑303, Randnr. 36). Außerdem sehen weder das Statut noch die Gemeinsame Regelung vor, dass die ärztlichen Beurteilungen, die von den Vertrauensärzten der Abrechnungsstellen zu den Anträgen auf Erstattung von Krankheitskosten abgegeben werden, vor einer ärztlichen Instanz angefochten werden könnten, die die gleichen Ausgewogenheits- und Objektivitätsgarantien bietet wie der Invaliditätsausschuss oder der unabhängige Arzt.

52      Deshalb unterliegt die Entscheidung einer Abrechnungsstelle, die Übernahme von in der Gemeinsamen Regelung vorgesehenen Krankheitskosten zu genehmigen, ebenso wie die Stellungnahme des Vertrauensarztes der Abrechnungsstelle, die dieser Entscheidung gegebenenfalls zugrunde liegt, der Nachprüfung durch das Gericht, die zwar beschränkt ist, sich jedoch auf tatsächliche und Rechtsfehler sowie auf offensichtliche Beurteilungsfehler erstreckt (Urteile des Gerichts erster Instanz vom 11. Mai 2000, Pipeaux/Parlament, T‑34/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑79 und II‑337, Randnrn. 29 und 30, sowie vom 12. Mai 2004, Hecq/Kommission, T‑191/01, Slg. ÖD 2004, I‑A‑147 und II‑659, Randnrn. 64 bis 78; Urteil des Gerichts vom 18. September 2007, Botos/Kommission, F‑10/07, Slg. ÖD 2007, I‑0000 und II‑0000, Randnrn. 40 bis 50).

53      Im Rahmen der vorliegenden Klage macht der Kläger im Wesentlichen zwei Klagegründe geltend, erstens einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der Notwendigkeit, den beschädigten Rollstuhl auszutauschen, und zweitens einen Rechtsfehler, den die Abrechnungsstelle begangen habe, indem sie sich auf nicht bestehende Durchführungsbestimmungen berufen habe.

54      Wie sich aus der streitigen Entscheidung ergibt, hat die Abrechnungsstelle die Genehmigung zur Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines neuen Rollstuhls durch das Krankheitsfürsorgesystem mit der Begründung abgelehnt, dass dem Kläger die Kosten eines Rollstuhls 2004 erstattet worden seien und dass eine Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre möglich sei.

55      Die Anstellungsbehörde hat in ihrer Antwort auf die Beschwerde keinen weiteren Grund für ihre Ablehnung der Genehmigung angeführt. Sie hat insbesondere nicht angegeben, dass ihrer Ansicht nach der Austausch des Rollstuhls nicht erforderlich sei. Vielmehr hat sie in dieser Antwort hervorgehoben, dass sie für die vom Kläger hinsichtlich der Solidität des Materials des Rollstuhls und dessen Sicherheit geäußerten Bedenken und Beanstandungen nicht zuständig sei und dass die Frage der Sicherheit des Rollstuhls das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Käufer und dem Hersteller des Rollstuhls, der Firma Otto Bock, betreffe.

56      Der Kläger hat zwar mit seinem Vorbringen, das er in erster Linie darauf stützt, dass die Neuanschaffung eines Rollstuhls erforderlich sei, um die Sicherheit seiner Tochter zu gewährleisten, diese Frage ins Zentrum der streitigen Erörterungen gestellt. Die mündliche Verhandlung hat gezeigt, dass die Kommission selbst der Auffassung ist, dass die Fünfjahresregel und die fehlende Notwendigkeit eines Austauschs des Rollstuhls ein und denselben Ablehnungsgrund darstellen, da die Vermutung gilt, dass der Austausch eines Rollstuhls vor Ablauf von fünf Jahren nicht notwendig ist. Wie die Kommission jedoch in der mündlichen Verhandlung in Beantwortung einer Frage des Gerichts eingeräumt hat, handelt es sich dabei um zwei unterschiedliche Ablehnungsgründe, da der erste, der auf der unmittelbaren Anwendung einer Rechtsvorschrift beruht, dem Erstattungsanspruch grundsätzlich unter bloßer Berücksichtigung des Zeitpunkts der Kostenerstattung für den vorherigen Rollstuhl entgegengehalten werden kann, während der zweite eine konkrete, gegebenenfalls schwierige Prüfung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls voraussetzt.

57      Es lässt sich daher nicht behaupten, dass der Erlass der streitigen Entscheidung damit begründet worden sei, dass der Austausch des beschädigten Rollstuhls nicht notwendig sei.

58      Somit ist der zweite Klagegrund zu prüfen, der sich auf den Ablehnungsgrund bezieht, dass die Kostenerstattung für einen neuen Rollstuhl nur alle fünf Jahre erlangt werden könne.

59      Insoweit geht aus Anhang II Nr. 5 der Durchführungsbestimmungen in der Tat hervor, dass eine Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls auf eine Anschaffung alle fünf Jahre beschränkt ist.

60      Diese Durchführungsbestimmungen, die von der Kommission im Wege der Zuständigkeitsübertragung durch die Organe gemäß Art. 72 Abs. 3 des Statuts nach der Gemeinsamen Regelung vom 1. Dezember 2005 erlassen worden sind, sind aber erst am 1. Juli 2007 in Kraft getreten. Bis zu diesem Zeitpunkt galten nach Art. 54 Abs. 2 der Gemeinsamen Regelung vom 1. Dezember 2005 diejenigen Vorschriften über die Erstattung von Krankheitskosten der Beamten und sonstigen Bediensteten durch die Gemeinschaften, die im Anhang I der vorangehenden Fassung der Gemeinsamen Regelung enthalten waren. Anhang I Titel XII Buchst. F Nr. 4 der Gemeinsamen Regelung, der die Voraussetzungen für die Kostenerstattung eines Rollstuhls betrifft, sagt aber nicht, dass eine Erstattung von Kosten für die Anschaffung eines Rollstuhls nur alle fünf Jahre genehmigt werden kann.

61      Zwar macht die Kommission geltend, die streitige Entscheidung beruhe auf einer Empfehlung des Ärztebeirats vom 3. Juni 2004, die im Rahmen der Änderung der Durchführungsbestimmungen abgegeben worden sei und nach der eine Neuanschaffung eines Rollstuhls frühestens nach fünf Jahren genehmigt werde.

62      Der Ärztebeirat verfügt jedoch nur über eine Beratungszuständigkeit, wie sich aus Art. 22 der am 3. Juni 2004 wie auch aus Art. 41 der bei Erlass der streitigen Entscheidung in Kraft befindlichen Gemeinsamen Regelung ergibt. Folglich stellt eine Empfehlung des Ärztebeirats als solche keine Vorschrift dar, die von der Verwaltung anzuwenden wäre oder den Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften entgegengehalten werden könnte. Außerdem ergibt sich aus den Akten nicht, dass die Empfehlung des Ärztebeirats vom 3. Juni 2004 veröffentlicht worden wäre. Der Kläger trägt daher zu Recht vor, dass sich die Verwaltung für den Erlass der streitigen Entscheidung auf nicht in Kraft befindliche Bestimmungen gestützt habe.

63      Mithin ist festzustellen, dass die streitige Entscheidung rechtsfehlerhaft ist.

64      Der Umstand – unterstellt, er sei erwiesen –, dass die streitige Entscheidung auch aus einem anderen Grund, nämlich dem der fehlenden Notwendigkeit eines Austauschs des Rollstuhls, gerechtfertigt sein könnte, kann der Aufhebung dieser Entscheidung nicht entgegenstehen. Anders verhielte es sich, wenn die Verwaltung über kein Ermessen verfügte und wenn deshalb eine Aufhebung der streitigen Entscheidung nur die Wirkung haben könnte, dass die Verwaltung durch sie verpflichtet würde, eine inhaltsgleiche neue Entscheidung zu erlassen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 12. Dezember 1996, Stott/Kommission, T‑99/95, Slg. 1996, II‑2227, Randnr. 32). Mit einem solchen Fall einer gebundenen Entscheidung weist im vorliegenden Fall die Situation, in der sich die Kommission nach Verkündung des vorliegenden Urteils befinden wird, keine Ähnlichkeit auf. Zwar hat nämlich die Kommission mehrmals vor dem Gericht betont, sie habe geprüft, dass der Rollstuhl nach einer Reparatur sicher und zuverlässig wäre, doch wird der Vertrauensarzt der Abrechnungsstelle, der mit dem Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten für einen neuen Rollstuhl erneut befasst sein wird, bei seiner Beurteilung der Begründetheit dieser Übernahme über ein weites Ermessen verfügen. Bei dieser Gelegenheit wird der Kläger seine Rechte z. B. in der Weise zweckdienlich wahrnehmen können, dass er Unterlagen jeder Art vorlegt oder Beweise jeder Art anbietet; der freie Gebrauch dieser Möglichkeit ist ihm jedoch im vorliegenden Verfahren wegen des für das Gericht geltenden verfahrensrechtlichen Rahmens verwehrt (vgl. Randnrn. 25, 27 und 30 des vorliegenden Urteils). Daraus folgt, dass die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Ersetzung von Gründen, die im Übrigen von der Kommission nicht ausdrücklich beantragt worden ist, nicht erfüllt sind.

65      Nach alledem ist die streitige Entscheidung aufzuheben, ohne dass eine Prüfung des weiteren Klagegrundes erforderlich wäre.

 Kosten

66      Nach Art. 122 der Verfahrensordnung finden die Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung über die Prozesskosten und Gerichtskosten nur auf die Rechtssachen Anwendung, die ab dem Inkrafttreten dieser Verfahrensordnung, also ab dem 1. November 2007, beim Gericht anhängig gemacht werden. Auf die Rechtssachen, die beim Gericht vor diesem Zeitpunkt anhängig waren, sind weiterhin die insoweit geltenden Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz entsprechend anzuwenden.

67      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag des Klägers sämtliche Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Abrechnungsstelle vom 8. November 2006 wird aufgehoben.

2.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt sämtliche Kosten.

Tagaras

Kanninen

Gervasoni

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 8. Juli 2008.

Die Kanzlerin                                In Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten

W. Hakenberg

 

       H. Tagaras

Die vorliegende Entscheidung sowie die darin zitierten und noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte sind auf der Internetseite des Gerichtshofs verfügbar: www.curia.europa.eu


* Verfahrenssprache: Deutsch.