Language of document : ECLI:EU:T:2018:936

URTEIL DES GERICHTS (Sechste Kammer)

13. Dezember 2018(*)

„Unionsmarke – Anmeldung der Unionswortmarke MULTIFIT – Absolutes Eintragungshindernis – Fehlende Unterscheidungskraft – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) 2017/1001“

In der Rechtssache T‑98/18

Multifit Tiernahrungs GmbH mit Sitz in Krefeld (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwalt N. Weber und Rechtsanwältin L. Thiel,

Klägerin,

gegen

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten durch A. Sesma Merino, D. Walicka, M. Fischer und M. Eberl als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO vom 15. November 2017 (Sache R 846/2017‑1) über die Anmeldung des Wortzeichens MULTIFIT als Unionsmarke

erlässt

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten G. Berardis sowie des Richters S. Papasavvas (Berichterstatter) und der Richterin O. Spineanu‑Matei,

Kanzler: R. Ūkelytė, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 20. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 19. April 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung des EUIPO,

auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2018

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1        Am 3. November 2016 meldete die Klägerin, die Multifit Tiernahrungs GmbH, nach der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Unionsmarke (ABl. 2009, L 78, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EU] 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke [ABl. 2017, L 154, S. 1]) beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) eine Unionsmarke an.

2        Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen MULTIFIT.

3        Die Marke wurde für folgende Waren der Klassen 5, 28 und 31 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

–        Klasse 5: „Nahrungsergänzungsmittel, Diätfutter für veterinärmedizinische Zwecke“;

–        Klasse 28: „Spielzeug für Haustiere“;

–        Klasse 31: „Futtermittel für Tiere; Heu; Kauknochen; Sand (Streumittel für Tiere), insbesondere Vogelsand; Streu“.

4        Mit Entscheidung vom 16. März 2017 wies der Prüfer die Anmeldung gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c sowie Art. 7 Abs. 2 der Verordnung 2017/1001) für die oben in Rn. 3 genannten Waren zurück.

5        Am 27. April 2017 legte die Klägerin nach den Art. 58 bis 64 der Verordnung Nr. 207/2009 (jetzt Art. 66 bis 71 der Verordnung 2017/1001) beim EUIPO Beschwerde gegen die Entscheidung des Prüfers ein.

6        Mit Entscheidung vom 15. November 2017 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des EUIPO die Beschwerde zurück. Sie stellte insbesondere fest, dass die angemeldete Marke aus gewöhnlichen Wörtern bestehe, die unmittelbar von jeder Person verstanden würden. Die Wortneuschöpfung „multifit“ habe eine klare Bedeutung, die sich aus der Verbindung der beiden lexikalisch erfassten Einzelbestandteile und aus der Gebräuchlichkeit des Wortes „multi“ als Präfix in verschiedensten Kombinationen ergebe. Zum Wort „fit“ hob sie hervor, dass aufgrund seiner zahlreichen Verwendung für sämtliche Werbezwecke der Verbraucher insoweit abgestumpft sei und dass er dieses Wort lediglich als werbende Botschaft und nicht als Hinweis auf die Herkunft der erfassten Waren verstehe. Vor dem Hintergrund der angemeldeten Waren bestehe ein Mangel an Unterscheidungskraft, da das Zeichen bei dem relevanten Verbraucher vielmehr konkrete positive Assoziationen mit werbendem und anpreisendem Charakter bezüglich der vielfach fitnessfördernden und für viele Tiere passenden Waren hervorrufen werde. Schließlich wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass die von der Klägerin ohne Bezugnahme auf Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 erwähnte konkrete Benutzung der angemeldeten Marke nichts an diesem Ergebnis zu ändern vermöge.

 Anträge der Parteien

7        Die Klägerin beantragt,

–        die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

–        dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

8        Das EUIPO beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

9        Die Klägerin stützt ihre Klage auf einen einzigen Klagegrund, mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 rügt.

10      Sie macht geltend, die angemeldete Marke verfüge über das für eine Eintragung als Unionsmarke erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft.

11      Das EUIPO tritt diesem Vorbringen entgegen.

12      Nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen. Nach Art. 7 Abs. 2 finden die Vorschriften von Abs. 1 auch dann Anwendung, wenn die Eintragungshindernisse nur in einem Teil der Europäischen Union vorliegen.

13      Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet Unterscheidungskraft einer Marke im Sinne dieser Bestimmung, dass die Marke geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. Urteil vom 24. Februar 2016, Coca Cola/HABM [Form einer Konturflasche ohne Riffelung], T‑411/14, EU:T:2016:94‚ Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14      Diese Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise, die aus den Verbrauchern dieser Waren oder Dienstleistungen bestehen, zu beurteilen (vgl. Urteil vom 24. Februar 2016, Form einer Konturflasche ohne Riffelung, T‑411/14, EU:T:2016:94‚ Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

15      Die Eintragung von Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, auf die sich diese Marken beziehen, ist nicht schon wegen einer solchen Verwendung ausgeschlossen. An die Beurteilung der Unterscheidungskraft solcher Marken sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als an sonstige Zeichen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 35 und 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

16      Außerdem reicht die Tatsache allein, dass eine Marke von den angesprochenen Verkehrskreisen als Werbeslogan wahrgenommen wird und dass andere Unternehmen sie sich im Hinblick auf ihren anpreisenden Charakter grundsätzlich zu eigen machen könnten, nicht aus, um den Schluss zu ziehen, dass dieser Marke die Unterscheidungskraft fehlt (Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 44).

17      Der anpreisende Sinn einer Wortmarke schließt nicht aus, dass sie gleichwohl geeignet ist, gegenüber den Verbrauchern die Herkunft der von ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Eine solche Marke kann daher von den angesprochenen Verkehrskreisen gleichzeitig als Werbeslogan und als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen wahrgenommen werden. Sofern diese Verkehrskreise die Marke als Herkunftshinweis wahrnehmen, ist es folglich für ihre Unterscheidungskraft unerheblich, dass sie gleichzeitig oder sogar in erster Linie als Werbeslogan aufgefasst wird (Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 45).

18      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob – wie von der Klägerin vorgetragen – die Beschwerdekammer mit ihrer Feststellung, dass die Anmeldemarke keine Unterscheidungskraft habe, gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 verstoßen hat.

19      Erstens hat die Beschwerdekammer hinsichtlich der maßgeblichen Verkehrskreise angenommen, dass die von der angemeldeten Marke beanspruchten Waren sich sowohl an die breite Öffentlichkeit, insbesondere Tierbesitzer, als auch an Fachleute, insbesondere Gewerbetreibende im Tierfachhandel, richteten. Außerdem bestehe, da sich die angemeldete Marke aus zwei englischen Wörtern zusammensetze, das relevante Publikum aus englischsprachigen Verbrauchern innerhalb der Union. Die Beschwerdekammer hat auch darauf hingewiesen, dass Fachleute ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl und Herkunft der Waren legten, die sie später zum Verkauf anböten, und dass das allgemeine Publikum die Waren für ein Haustier mit einem leicht erhöhten Aufmerksamkeitsgrad wähle, um dem Tier einen angemessenen Lebensraum und angemessene Nahrung zu bieten. Beim Grad der Aufmerksamkeit sei also auf ein im Bereich dieser Waren erfahrenes, normal informiertes und angemessen aufmerksames und verständiges Publikum abzustellen. Diesen Beurteilungen der Beschwerdekammer, die im Übrigen von der Klägerin nicht angegriffen werden, ist angesichts der Art der von der angemeldeten Marke beanspruchten Waren und der Marke selbst zu folgen.

20      Zweitens sollen die von der angemeldeten Marke beanspruchten Waren offenkundig der Förderung des Tierwohls dienen.

21      Drittens ist in Bezug auf die Beurteilung der Bedeutung der angemeldeten Marke durch die Beschwerdekammer festzustellen, dass die Marke sich aus zwei englischsprachigen Wörtern der Umgangssprache, nämlich „multi“ und „fit“, zusammensetzt. Wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Begriff „multi“ um ein Wortelement mit der Bedeutung von „much, many, more than one“ (viel, viele, mehrere), das bei vielen englischsprachigen Wörtern als Vorsilbe verwendet wird, etwa „multimedia“ (mehrere Medien) oder „mulitcolor“ (vielfarbig). Das Wort „fit“ könne mehrere Bedeutungen haben; es könne daher etwa für „passend“, „geeignet“ oder auch für „in guter körperlicher Verfassung“ stehen. Die Klägerin hat den diesen Begriffen von der Beschwerdekammer beigemessenen Sinngehalt nicht beanstandet.

22      Im vorliegenden Fall genügt daher die Feststellung, dass die oben in Rn. 21 wiedergegebene Bedeutung der angemeldeten Marke in Anbetracht der Begriffe, aus denen sie besteht, von der Beschwerdekammer zutreffend festgestellt wurde.

23      Viertens ist in Bezug auf das Verständnis der maßgeblichen Verkehrskreise von der angemeldeten Marke festzustellen, dass sich der Begriff „multifit“, anders als von der Klägerin geltend gemacht, genauso zusammensetzt wie zahlreiche andere Wörter mit der Vorsilbe „multi“, die durchaus verständlich sind. Die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit wird also, wie die Beschwerdekammer zutreffend angenommen hat, von den maßgeblichen Verkehrskreisen ohne Weiteres dahin verstanden werden, dass sie „in vielerlei Hinsicht passend“ oder „in vielerlei Hinsicht in guter körperlicher Verfassung“ bedeutet.

24      Die Klägerin macht außerdem geltend, dass das maßgebliche Publikum in dem betreffenden Zeichen keine Werbeaussage erkennen werde, da es sich nicht um einen Werbeslogan handele. Die angemeldete Marke vermittele eine neutrale Aussage, die nicht geeignet sei, jemanden oder etwas in ein positives Licht zu setzen. Bei den Begriffen, aus denen sich das Zeichen zusammensetze, handele es sich weder um einen Qualitätshinweis noch um eine Aufforderung zum Kauf.

25      Wie die Beschwerdekammer jedoch zutreffend festgestellt hat, hat die angemeldete Marke lobenden Charakter, da sie die positiven Aspekte der beanspruchten Waren insoweit hervorhebt, als sie suggeriert, dass diese in vielerlei Hinsicht geeignet bzw. passend sind oder in vielerlei Hinsicht ermöglichen, in guter körperlicher Verfassung zu sein. Folglich wird die Marke von den maßgeblichen Verkehrskreisen spontan so wahrgenommen werden, als hebe sie die Vorzüge der von ihr beanspruchten Waren hervor und sei daher anpreisend. Anders als von der Klägerin dargestellt, vermittelt die angemeldete Marke also keine neutrale Aussage und kann als Qualitätshinweis oder als Aufforderung zum Kauf angesehen werden.

26      Die Klägerin führt ferner aus, mit der angemeldeten Marke würden den von ihr erfassten Waren menschliche Eigenschaften zugesprochen, so dass sie eine gewisse Originalität aufweise, die geeignet sei, das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 zu überwinden. Außerdem sei die Verwendung des Präfixes „multi“ in Verbindung mit dem Begriff „fit“ nicht geeignet, dem Zeichen eine konkrete Bedeutung zu geben, da es sich um eine ungewöhnliche Verbindung zweier Begriffe handele, die der Interpretation bedürfe. Die Verkehrskreise müssten sich angesichts des verwendeten Präfixes „multi“ fragen, warum eine Ware, wenn sie dazu überhaupt in der Lage sei, vielfach oder in vielerlei Hinsicht fit mache oder die Fitness fördere oder in vielerlei Hinsicht passe. Die verschiedenen Bedeutungen, die die Beschwerdekammer der angemeldeten Marke beimesse, zeigten, dass es dieser „an einem eindeutigen die Herkunftsfunktion ausschließenden Sinngehalt fehl[e]“.

27      Soweit Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der mit diesen Marken bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, nicht beschreibend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 sind, können sie eine, und sei es auch einfache, Sachaussage enthalten und dennoch geeignet sein, den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen (vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, EU:C:2010:29, Rn. 56 und 57).

28      Wie oben in Rn. 23 ausgeführt, werden die maßgeblichen Verkehrskreise im vorliegenden Fall die Zusammensetzung der Begriffe „multi“ und „fit“ ohne jede Überlegung dahin verstehen, dass sie „in vielerlei Hinsicht passend“ oder „in vielerlei Hinsicht in guter körperlicher Verfassung“ bedeuten. Da nämlich, insbesondere in der Werbebranche, die Vorsilbe „multi“ häufig mit den unterschiedlichsten Begriffen verbunden wird, der Bestandteil „fit“ üblich und gewöhnlich ist und die Verbindung der beiden Bestandteile keinerlei Besonderheit enthält, die gegen die sprachlichen, syntaktischen oder grammatikalischen Regeln der englischen Sprache verstößt, stellt die angemeldete Marke, wie die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt hat, eine herkömmliche Werbeaussage dar, die nicht geeignet ist, bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auszulösen.

29      Unter diesen Umständen kann die Klägerin nicht mit Erfolg – noch dazu unter Berufung auf gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001 ergangene Entscheidungen des EUIPO – geltend machen, dass der Umstand, dass die angemeldete Marke auf zweierlei Weise verstanden werden könne, zeige, dass es ihr an einem eindeutigen Sinngehalt fehle und sie damit einen gewissen Interpretationsaufwand erfordere sowie einen Denkprozess auslöse. Soweit die Klägerin darüber hinaus vorträgt, dass die angemeldete Marke aufgrund ihrer vagen, individuellen, ja sogar subjektiven Aussage und obwohl sie positive Gefühle hervorrufen könne, nicht die Eigenschaften oder die Qualität der von ihr beanspruchten Waren beschreibe, ist darauf hinzuweisen, dass das bloße Fehlen von Informationen über die Art der betreffenden Waren nicht ausreicht, um einem Zeichen Unterscheidungskraft zu verleihen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004, Norma Lebensmittelfilialbetrieb/HABM [Mehr für Ihr Geld], T‑281/02, EU:T:2004:198‚ Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30      Zudem ist in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin, wonach selbst die Beschwerdekammer keinen beschreibenden Charakter des Zeichens habe nachweisen können und sie die Eintragung der angemeldeten Marke daher lediglich wegen angeblich fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt habe, darauf hinzuweisen (vgl. oben, Rn. 29), dass der Umstand, dass die angemeldete Marke nicht die Eigenschaften der von ihr beanspruchten Waren beschreibt, nicht etwa bedeutet, dass sie geeignet ist, die Herkunft dieser Waren zu kennzeichnen und somit Unterscheidungskraft hat. Folglich kann dieses Vorbringen nur zurückgewiesen werden.

31      Fünftens macht die Klägerin geltend, dass das, was die maßgeblichen Verkehrskreise mit der durch die angemeldete Marke vermittelten Aussage in Verbindung bringen, von den individuellen und subjektiven Wertungen des Käufers abhänge. Die Unterscheidungskraft eines Zeichens ist jedoch im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die gesamten maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen und nicht in Bezug auf die individuellen Wertungen derer, aus denen sie sich zusammensetzen. Folglich ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

32      Nach alledem hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass die angemeldete Marke keine Unterscheidungskraft hat.

33      Auch durch das übrige Vorbringen der Klägerin kann dieses Ergebnis nicht in Frage gestellt werden.

34      Erstens macht die Klägerin geltend, die Beschwerdekammer habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass kein Zusammenhang zwischen der Frage der Unterscheidungskraft einer Marke und ihrem beschreibenden Charakter bestehe.

35      Die Beschwerdekammer hat die Auffassung vertreten, dass die absoluten Eintragungshindernisse der fehlenden Unterscheidungskraft und des beschreibenden Charakters jeweils einen eigenen Anwendungsbereich haben und weder voneinander abhängen noch einander ausschließen. Der Umstand, dass ein Zeichen nicht beschreibend sei, bedeute allerdings nicht automatisch, dass es unterscheidungskräftig sei. Die Unterscheidungskraft könne auch dann fehlen, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise in diesem Zeichen keinen Hinweis auf die gewerbliche Herkunft der Waren erkennen könnten.

36      Diese Feststellung der Beschwerdekammer ist fehlerfrei. Zwar impliziert die Überschneidung zwischen den absoluten Eintragungshindernissen insbesondere, dass einer Wortmarke, die Merkmale von Waren oder Dienstleistungen beschreibt, aus diesem Grund in Bezug auf diese Waren oder Dienstleistungen die Unterscheidungskraft fehlen kann, und zwar unbeschadet anderer Gründe, die dieses Fehlen von Unterscheidungskraft begründen können (vgl. Beschluss vom 18. März 2010, CFCMCEE/HABM, C‑282/09 P, EU:C:2010:153, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung). Es besteht also ein Zusammenhang zwischen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung 2017/1001.

37      Wie die Beschwerdekammer zutreffend ausgeführt hat (vgl. oben, Rn. 35), bedeutet gleichwohl der Umstand, dass ein Zeichen nicht beschreibend ist, nicht automatisch, dass es unterscheidungskräftig wäre (Urteil vom 9. Oktober 2002, Dart Industries/HABM [UltraPlus], T‑360/00, EU:T:2002:244‚ Rn. 30).

38      Zweitens trägt die Klägerin vor, es stehe dem Schutz der angemeldeten Marke nicht entgegen, dass sie eine positive Wirkung habe. Sie beruft sich insoweit auf eine Entscheidung einer der Beschwerdekammern des EUIPO, in der anerkannt worden sei, dass das bloße Hervorrufen von Assoziationen und einem allgemeinen positiven Gefühl kein Eintragungshindernis darstelle.

39      Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das EUIPO verpflichtet ist, seine Befugnisse im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, wie dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, auszuüben (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 73).

40      Nach diesen beiden Grundsätzen muss das EUIPO im Rahmen der Prüfung der Anmeldung einer Unionsmarke die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen Entscheidungen berücksichtigen und besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Allerdings müssen der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden (Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 75).

42      Folglich kann sich der Anmelder eines Zeichens als Marke nicht auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Im Übrigen muss aus Gründen der Rechtssicherheit und gerade auch der ordnungsgemäßen Verwaltung die Prüfung jeder Anmeldung streng und umfassend sein, um eine ungerechtfertigte Eintragung von Marken zu verhindern. Diese Prüfung muss in jedem Einzelfall erfolgen. Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt nämlich von besonderen, im Rahmen der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls anwendbaren Kriterien ab, anhand deren ermittelt werden soll, ob das fragliche Zeichen nicht unter ein Eintragungshindernis fällt (vgl. Urteil vom 10. März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, EU:C:2011:139, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im vorliegenden Fall stand der Anmeldung, anders als möglicherweise bestimmten früheren Anmeldungen von Zeichen, durch die positive Gefühle hervorgerufen wurden, unter Berücksichtigung der Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, und der Wahrnehmung durch die beteiligten Verkehrskreise das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 entgegen.

45      Jedenfalls ist festzustellen, dass die in der Klageschrift zitierte Entscheidung der Beschwerdekammer auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. c und nicht auf Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 gestützt war. Dies war übrigens auch in dem von der Klägerin angeführten Urteil vom 2. Dezember 2008, Ford Motor/HABM (FUN) (T‑67/07, EU:T:2008:542), der Fall.

46      Drittens rügt die Klägerin, die Beschwerdekammer habe nicht berücksichtigt, dass es bei der Frage der notwendigen Unterscheidungskraft sehr wohl auch auf die Verwendung des Zeichens ankomme, und zwar unabhängig von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001. Ein allgemein gebräuchliches Zeichen ermögliche es dem Verbraucher nicht, die Waren des Inhabers der durch das Zeichen gebildeten Marke von denen anderer Unternehmen unmittelbar und sicher zu unterscheiden. Die angemeldete Marke sei aber für die von ihr beanspruchten Waren weder üblich noch gebräuchlich und werde auf dem Markt von keinem anderen Anbieter benutzt.

47      Der Nachweis der tatsächlichen Benutzung des angemeldeten Zeichens durch die maßgeblichen Verkehrskreise oder durch Wettbewerber bei Angaben im geschäftlichen Verkehr und in der Werbung ist im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung 2017/1001 kein relevantes Kriterium (vgl. Urteil vom 27. Juni 2013, International Engine Intellectual Property Company/HABM [PURE POWER], T‑248/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2013:333‚ Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Die tatsächliche Benutzung eines angemeldeten Zeichens ist nämlich nur im Rahmen der Anwendung von Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 zu beurteilen. So erlaubt diese Bestimmung die Eintragung einer zunächst nicht unterscheidungskräftigen Marke, wenn diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt hat.

49      Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin jedoch, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, weder auf Art. 7 Abs. 3 der Verordnung 2017/1001 berufen noch geltend gemacht, dass die angemeldete Marke gemäß dieser Bestimmung aufgrund ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe. Unter diesen Umständen kann sie sich weder mit Erfolg darauf berufen, dass sie selbst die angemeldete Marke tatsächlich und konkret benutzt habe, noch darauf, dass diese Marke von keinem anderen Unternehmen benutzt werde. Solche Erwägungen sind im vorliegenden Fall unerheblich, da der angemeldeten Marke hierdurch keine Unterscheidungskraft verliehen und sie somit auch nicht eintragungsfähig werden kann.

50      Folglich kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Beschwerdekammer die Benutzung des in Rede stehenden Zeichens im geschäftlichen Verkehr nicht berücksichtigt habe.

51      Nach alledem ist der einzige Klagegrund zurückzuweisen und somit die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

52      Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des EUIPO dessen Kosten aufzuerlegen.


Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Multifit Tiernahrungs GmbH trägt die Kosten.

Berardis

Papasavvas

Spineanu-Matei

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. Dezember 2018.

Der Kanzler

 

      Der Präsident

E. Coulon

 

      G. Berardis


*      Verfahrenssprache: Deutsch.