Language of document : ECLI:EU:C:2019:617

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

11. Juli 2019(*)

„Rechtsmittel – Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Unionsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Verwechslungsgefahr – Marken ohne Unterscheidungskraft – Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft – Klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen – Bildmarke NUUNA“

In der Rechtssache C‑819/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 21. Dezember 2018,

Next design+produktion GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt M. Hirsch und Rechtsanwältin M. Metzner,

Rechtsmittelführerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO),

Beklagter im ersten Rechtszug,

Nanu-Nana Joachim Hoepp GmbH & Co. KG mit Sitz in Bremen (Deutschland),

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters C. G. Fernlund (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Next design+produktion GmbH die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 18. Oktober 2018, Next design+produktion/EUIPO – Nanu-Nana Joachim Hoepp (nuuna) (T‑533/17, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:698), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des Amtes der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) vom 24. Mai 2017 (Sache R 1448/2016‑1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Nanu-Nana Joachim Hoepp GmbH & Co. KG und ihr selbst (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

2        Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf einen einzigen Rechtsmittelgrund, der sich in drei Teile gliedert und mit dem sie einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die [Unionsmarke] (ABl. 2009, L 78, S. 1) geltend macht.

 Zum Rechtsmittel

3        Nach Art. 181 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof das Rechtsmittel jederzeit auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts ganz oder teilweise durch mit Gründen versehenen Beschluss zurückweisen, wenn es ganz oder teilweise offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist.

4        Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.

5        Die Generalanwältin hat am 10. Mai 2019 wie folgt Stellung genommen:

„1.      Am 30. März 2012 beantragte die Rechtsmittelführerin die Eintragung des Bildzeichens Image not found für Waren in Klasse 16 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung (im Folgenden: streitige Marke). Am 18. Juli 2012 legte die Nanu-Nana Joachim Hoepp GmbH & Co. KG auf der Grundlage zweier älterer Marken, und zwar der am 11. April 2011 eingetragenen Marke ‚NANU-NANA‘ und der am 26. Mai 2011 eingetragenen Marke ‚NANU‘, beide eingetragen für Waren der Klasse 16 des Abkommens von Nizza, Widerspruch gegen diese Eintragung ein. Mit Entscheidung vom 22. Juli 2016 wies die Widerspruchsabteilung des EUIPO den Widerspruch zurück. Diese Entscheidung wurde am 24. Mai 2017 von der Ersten Beschwerdekammer des EUIPO aufgehoben. Im angefochtenen Urteil bestätigte das Gericht diese Entscheidung der Beschwerdekammer und entschied zum einen, dass trotz der relativ geringen Ähnlichkeit zwischen einigen der in Rede stehenden Waren festzustellen sei, dass der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und der Grad der Ähnlichkeit der mit diesen gekennzeichneten Waren zusammen betrachtet ausreichten, um bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 hervorzurufen, und zum anderen, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung weder gegen Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 207/2009 noch gegen die Grundsätze der Autonomie und der Unabhängigkeit der Unionsmarke und auch nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, gegen das Gebot rechtmäßigen Handelns und den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe.

2.      Im Übrigen verweise ich den Gerichtshof auf das angefochtene Urteil.

3.      Die Rechtsmittelführerin beantragt, das angefochtene Urteil und die streitige Entscheidung aufzuheben sowie dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

4.      Das Rechtsmittel wird auf einen einzigen Rechtsmittelgrund gestützt, mit dem ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 geltend gemacht wird und der sich in drei Teile gliedert.

5.      Im Rahmen des ersten Teils dieses einzigen Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe dadurch die Tatsachen verfälscht, dass es entschieden habe, dass ein bedeutender Teil der Verkehrskreise den Wortbestandteil ‚uu‘ der streitigen Marke als einzige Silbe mit langem ‚u‘ ausspreche. Das Gericht sei dadurch zu diesem Ergebnis gekommen, dass es sich auf den Sprachgebrauch der niederländischen Verkehrskreise gestützt habe.

6.      Dieses Vorbringen ist meiner Meinung nach offensichtlich unbegründet. Das Gericht hat die klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen in den Rn. 89 bis 91 des angefochtenen Urteils geprüft, und in dessen Rn. 90 werden die niederländischsprachigen Verbraucher nur als ‚Beispiel‘ genannt und nicht als einzige Grundlage für die Schlussfolgerung, zu der es gelangt ist. Ohne eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung vorzunehmen, kann der Gerichtshof demgemäß keine Verfälschung der Tatsachen feststellen (Urteil vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM, C‑254/09 P, EU:C:2010:488, Rn. 50).

7.      Im Rahmen des zweiten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in Rn. 95 des angefochtenen Urteils die klangliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen mit der Begründung bejaht habe, dass beide dieselben Silben enthielten.

8.      Dieses Vorbringen ist meiner Meinung nach offensichtlich unzulässig.

9.      Gemäß Art. 256 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Allein das Gericht ist für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig. Somit ist die Würdigung der Tatsachen und Beweismittel, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM, C‑254/09 P, EU:C:2010:488, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Rechtsmittelführerin versucht hier im Wesentlichen, eine erneute Prüfung der Tatsachen und Beweismittel zu erreichen, ohne jedoch eine Verfälschung der Tatsachen geltend zu machen. Dieses Vorbringen ist somit unzulässig. Ich füge hinzu, dass das Gericht diesen Aspekt der klanglichen Ähnlichkeit jedenfalls nicht isoliert betrachtet hat. In Rn. 96 des angefochtenen Urteils verweist das Gericht auf den ‚Gesamteindruck‘ zusammen mit der Tatsache, dass die in Rede stehenden Zeichen identisch beginnen und enden (mit dem Buchstaben ‚n‘ bzw. der Silbe ‚na‘).

10.      Im Rahmen des dritten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht die relevanten Faktoren berücksichtigt habe. Insbesondere habe das Gericht den Grad der bildlichen und klanglichen Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken in Verbindung mit dem Grad der Ähnlichkeit der betreffenden Waren nicht ausreichend berücksichtigt. Das Urteil weise daher einen Begründungsmangel auf.

11.      Dieses Vorbringen ist meiner Meinung nach offensichtlich unbegründet.

12.      Erstens hat das Gericht in den Rn. 23 bis 74 des angefochtenen Urteils die Ähnlichkeit der betreffenden Waren detailliert geprüft und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Beschwerdekammer bei der Beurteilung des Grades der Ähnlichkeit der Waren einen Fehler begangen habe und dass die von der streitigen Marke erfassten Waren und die von den älteren Marken erfassten Waren einen geringen oder durchschnittlichen Grad an Ähnlichkeit aufwiesen. Es hat die einschlägige Rechtsprechung in den Rn. 101, 102 und 106 des angefochtenen Urteils dargestellt und insbesondere die Tatsache hervorgehoben, dass die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den herangezogenen Faktoren impliziere. So könne ein geringer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteil vom 29. September 1998, Canon, C‑39/97, EU:C:1998:442, Rn. 17). Dadurch, dass das Gericht den Grad der Ähnlichkeit der betreffenden Waren, die ‚normale‘ Unterscheidungskraft der älteren Marken und den Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen zusammen geprüft hat, ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr bestehe.

13.      Zweitens ergibt sich die Pflicht zur Begründung der Urteile des Gerichts aus Art. 36 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der gemäß deren Art. 53 Abs. 1 auf das Gericht anwendbar ist, und aus Art. 117 der Verfahrensordnung des Gerichts. Nach ständiger Rechtsprechung müssen aus der Begründung eines Urteils die Überlegungen des Gerichts klar und eindeutig hervorgehen, so dass die Betroffenen die Gründe für die Entscheidung des Gerichts erkennen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. u. a. Urteil vom 25. Oktober 2017, Slowakei/Kommission, C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).

14.      Meines Erachtens hat das Gericht sein Ergebnis, zu dem es in Bezug auf die Verwechslungsgefahr gelangt ist, ausreichend und angemessen begründet. Insbesondere hat es in den Rn. 105 bis 108 des angefochtenen Urteils die verschiedenen Faktoren aufgezählt, die es berücksichtigt hat (die geringe bildliche Ähnlichkeit, die durchschnittliche klangliche Ähnlichkeit sowie die Tatsache, dass sich der Durchschnittsverbraucher auf das unvollkommene Bild verlassen müsse, das er von der Marke im Gedächtnis behalten habe), was es zu dem Ergebnis geführt hat, dass diese Faktoren ‚zusammen betrachtet‘ ausreichten, um eine Verwechslungsgefahr hervorzurufen (Rn. 109 des angefochtenen Urteils). Ich bin der Auffassung, dass das Gericht weder die relevanten Faktoren nicht berücksichtigt noch eine widersprüchliche Begründung gegeben hat.

15.      Soweit die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen versucht, eine erneute Prüfung der Faktoren zu erreichen, die das Gericht für relevant gehalten hat, genügt der Hinweis, dass eine solche erneute Prüfung keine Rechtsfrage darstellt, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (Urteil vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM, C‑254/09 P, EU:C:2010:488, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

16.      Demzufolge schlage ich dem Gerichtshof vor, das Rechtsmittel gemäß Art. 181 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs mit der Begründung zurückzuweisen, dass dieses teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich unbegründet ist.

17.      Nach Art. 137 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist, wird in dem das Verfahren beendenden Urteil oder Beschluss über die Kosten entschieden. Das vorliegende Rechtsmittel wurde dem Rechtsmittelgegner nicht zugestellt, dem somit in Zusammenhang mit diesem Rechtsmittel keine Kosten entstanden sind. Die Rechtsmittelführerin sollte ihre eigenen Kosten tragen.“

6        Aus den von der Generalanwältin angeführten Gründen ist das Rechtsmittel als teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

 Kosten

7        Nach Art. 137 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist, wird in dem das Verfahren beendenden Beschluss über die Kosten entschieden. Im vorliegenden Fall erging der vorliegende Beschluss, bevor die Rechtsmittelschrift den anderen Parteien des Verfahrens zugestellt wurde und diesen Kosten entstehen konnten, so dass zu entscheiden ist, dass Next design+produktion ihre eigenen Kosten trägt.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) beschlossen:

1.      Das Rechtsmittel wird als teils offensichtlich unzulässig und teils offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

2.      Die Next design+produktion GmbH trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 11. Juli 2019

Der Kanzler

 

Der Präsident der Achten Kammer

A. Calot Escobar

 

F. Biltgen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.