Language of document : ECLI:EU:F:2012:88

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION (Dritte Kammer)

20. Juni 2012(*)

„Öffentlicher Dienst – Allgemeines Auswahlverfahren – Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren über die Nichtzulassung zur Teilnahme an den Prüfungen – Rechtsbehelfe – Klage, die erhoben wird, ohne die Entscheidung über die Verwaltungsbeschwerde abzuwarten – Zulässigkeit – Besondere Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren – Verlangte Berufserfahrung“

In der Rechtssache F‑66/11

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt,

Alma Yael Cristina, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Rodrigues, A. Blot und C. Bernard-Glanz,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch B. Eggers und P. Pecho, dann durch B. Eggers als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Van Raepenbusch sowie der Richter R. Barents und K. Bradley (Berichterstatter),

Kanzlerin: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Februar 2012

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 12. Juli 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Frau Cristina die vorliegende Klage erhoben, mit der sie die Aufhebung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das allgemeine Auswahlverfahren EPSO/AST/111/10, sie nicht zu den Prüfungen dieses Auswahlverfahrens zuzulassen, und die Verurteilung der Europäischen Kommission zum Ersatz des ihr aufgrund dieser Entscheidung entstandenen Schadens begehrt.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 90 Abs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„Jede Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, kann sich mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme an die Anstellungsbehörde wenden; dies gilt sowohl für den Fall, dass die Anstellungsbehörde eine Entscheidung getroffen hat, als auch für den Fall, dass sie eine im Statut vorgeschriebene Maßnahme nicht getroffen hat …“

3        Art. 91 Abs. 2 des Statuts lautet wie folgt:

„Eine Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union ist nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:

–        Bei der Anstellungsbehörde muss zuvor eine Beschwerde im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 innerhalb der dort vorgesehenen Frist eingereicht und

–        diese Beschwerde muss ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt worden sein.“

4        Anhang III des Statuts, der sich auf das Auswahlverfahren nach Art. 29 des Statuts bezieht, bestimmt in seinem Art. 2:

„Die Bewerber haben ein von der Anstellungsbehörde vorgeschriebenes Formblatt auszufüllen.

Von den Bewerbern können zusätzlich Unterlagen oder Auskünfte aller Art angefordert werden.“

5        Am 17. November 2010 veröffentlichte das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO) im Amtsblatt der Europäischen Union die Bekanntmachung des allgemeinen Auswahlverfahrens EPSO/AST/111/10 zur Bildung einer Einstellungsreserve für Assistenten der Besoldungsgruppe AST 1 im Bereich Sekretariatstätigkeiten (ABl. C 312 A, S. 1, im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens).

6        In Abschnitt II („Art der Tätigkeit“) der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens hieß es:

„Die auszuübenden Tätigkeiten umfassen Folgendes:

–        Organisation und Koordinierung von Sitzungen, einschließlich der Zusammenstellung von Arbeitsunterlagen;

–        Annahme, Filtern und Beantwortung von Telefonanrufen, Bearbeitung des Schriftwechsels sowie Weitergabe allgemeiner Informationen an Anrufer;

–        Verwaltung von E-Mail-Boxen und Funktions-Mailboxen;

–        Verwaltung von Terminkalendern, Kontrolle der Einhaltung von Terminen und Fristen;

–        allgemeine administrative Unterstützung, insbesondere im Hinblick auf die Dokumentenverwaltung (Eingang, Behandlung, Follow-up und Ablage von Schriftstücken und Korrespondenz);

–        Vorbereitung und Verwaltung von Dienstreisen, Verwaltung der Abwesenheiten;

–        Präsentation und Überprüfung von Dokumenten (Layout, Formatierung, Tabellen);

–        Verfassen von Entwürfen für Vermerke, Schreiben und Sitzungsprotokolle (auf Sekretariatsebene);

–        verschiedene administrative Sekretariatstätigkeiten im Zusammenhang mit der Dokumentenverwaltung und der Informationsbeschaffung, bei denen insbesondere der Einsatz von Informationstechnologien erforderlich ist;

–        in den Übersetzungsdiensten sind die Sekretärinnen und Sekretäre für folgende Tätigkeiten zuständig: Eingang, Verwaltung und Abwicklung von Übersetzungsaufträgen; Vorbereitung, Verarbeitung und Fertigstellung von Schriftstücken, insbesondere mit Hilfe von Übersetzungssoftware; Pflege von Übersetzungsspeichern; Schreibarbeiten, Layout und Formatierungstätigkeiten.

…“

7        Die in Abschnitt III Nr. 2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens festgelegten besonderen Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren sahen hinsichtlich des Bildungsabschlusses vor, dass die Bewerber entweder über einen durch ein Abschlusszeugnis belegten postsekundären Bildungsabschluss in einem Bereich, der einen direkten Bezug zur Art der Tätigkeit aufweist (Nr. III.2.1 Buchst. a) oder über einen durch ein Abschlusszeugnis belegten Sekundarschulabschluss, der Zugang zur postsekundären Bildung ermöglicht, und eine daran anschließende mindestens dreijährige Berufserfahrung, die mit der Art der Tätigkeit in direktem Zusammenhang steht (Nr. III.2.1 Buchst. b), verfügen mussten.

8        In Abschnitt IV Nr. 1 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens wurde darauf hingewiesen, dass zu den Zulassungstests nur die Bewerber eingeladen würden, die nach eigenen Angaben bei der elektronischen Anmeldung die allgemeinen und besonderen Zulassungsbedingungen gemäß Abschnitt III der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erfüllten.

9        In Abschnitt V Nr. 1 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens wurde darauf hingewiesen, dass zur Teilnahme an den Prüfungen die Bewerber zugelassen würden, die nicht nur beim Zulassungstest am besten abgeschnitten und bei jedem Test die erforderliche Mindestpunktzahl erreicht hätten, sondern auch nach eigenen Angaben bei der elektronischen Anmeldung die allgemeinen und besonderen Zulassungsbedingungen gemäß Abschnitt III der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erfüllten.

10      In derselben Vorschrift wurde erläutert, dass die Zulassung zur Teilnahme an den Prüfungen vorbehaltlich einer späteren Überprüfung der zu den Bewerbungsunterlagen des jeweiligen Bewerbers gehörenden Nachweise bestätigt werde.

11      In Abschnitt VII Nr. 2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens wurde ausgeführt, dass die zu den Prüfungen zugelassenen Bewerber aufgefordert würden, ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen (ausgedruckter und handschriftlich unterzeichneter elektronischer Bewerbungsbogen mit den entsprechenden Nachweisen) nachzureichen.

12      Die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens enthielt außerdem in einen Rahmen gesetzt und in Fettdruck die folgende Vorbemerkung:

„Bevor Sie sich bewerben, lesen Sie bitte aufmerksam den im Amtsblatt … C 184 A vom 8. Juli 2010 und den auf der EPSO-Website veröffentlichten Leitfaden für allgemeine Auswahlverfahren.

Der Leitfaden ist fester Bestandteil dieser Bekanntmachung; er soll Ihnen helfen, die einschlägigen Bestimmungen des Auswahlverfahrens und das Anmeldeverfahren besser zu verstehen.“

13      Der Leitfaden für allgemeine Auswahlverfahren in der damals gültigen Fassung (ABl. 2010, C 184 A, S. 1, im Folgenden: Bewerbungsleitfaden) bestimmte in Nr. 6.3 („Rechtsbehelfe“):

„Wenn Sie – in irgendeiner Phase des Verfahrens – der Meinung sind, dass EPSO oder der Prüfungsausschuss nicht gerecht gehandelt haben oder dass

–        die Bestimmungen des Auswahlverfahrens oder

–        die Bestimmungen der Bekanntmachung

nicht eingehalten wurden und dies Ihnen zum Nachteil gereicht hat, so können Sie in jeder Phase des Auswahlverfahrens folgende Schritte einleiten:

–        Sie können eine Verwaltungsbeschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des [Statuts] einlegen, und zwar

entweder auf dem Postweg an folgende Adresse:

Europäisches Amt für Personalauswahl (EPSO)

oder mittels des Kontaktformulars auf der EPSO-Website.

Bitte geben Sie im ‚Betreff‘ Ihres Schreibens Folgendes an:

–        die Nummer des Auswahlverfahrens,

–        Ihre Bewerbernummer,

–        den Vermerk ‚Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2‘, ‚Complaint article 90 §2‘ oder ‚Réclamation article 90 §2‘,

–        die Phase … des betreffenden Auswahlverfahrens.

Bitte beachten Sie, dass die Prüfungsausschüsse der Auswahlverfahren über eine weite Bandbreite des Ermessens verfügen.

Es ist zwecklos, eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses einzulegen; der Prüfungsausschuss entscheidet in voller Unabhängigkeit, und der Direktor des EPSO hat keine Möglichkeit, diese Entscheidungen zu ändern. Die weite Bandbreite des Ermessens, über die die Prüfungsausschüsse verfügen, kann nur überprüft werden, wenn ein offensichtlicher Verstoß gegen die Vorschriften über die Arbeitsweise des Prüfungsausschusses vorliegt. Sollte dies der Fall sein, kann die Entscheidung des Prüfungsausschusses vor den Gerichten der Europäischen Union direkt angefochten werden, ohne dass zuvor eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des [Statuts] eingelegt wurde.

–        Sie können Rechtsmittel gemäß Artikel 270 [AEUV] und Artikel 91 des [Statuts] bei folgender Stelle einlegen:

Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union

Es wird darauf hingewiesen, dass Beschwerden wegen Fehlern bei der Beurteilung gemäß der allgemeinen Zulassungskriterien, für die der Prüfungsausschuss des Auswahlverfahrens nicht zuständig ist, vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst nur zulässig sind, wenn zuvor eine Verwaltungsbeschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des [Statuts] gemäß dem unter dieser Ziffer beschriebenen Verfahren eingelegt wurde.

Nähere Angaben zur Einlegung eines Rechtsbehelfs entnehmen Sie der Website des Gerichts für den öffentlichen Dienst …

Die [im Statut vorgesehenen] zwingenden Fristen … für diese beiden Verfahrensarten beginnen mit der Mitteilung der beschwerenden Entscheidung.“

 Sachverhalt

14      Am 18. November 2010 bewarb sich die Klägerin in dem allgemeinen Auswahlverfahren EPSO/AST/111/10 (im Folgenden: Auswahlverfahren), indem sie das entsprechende elektronische Formular ausfüllte.

15      Am 17. März 2011 informierte das EPSO die Klägerin darüber, dass sie die Zulassungstests bestanden habe.

16      Mit Schreiben vom 7. April 2011 teilte das EPSO der Klägerin jedoch mit, dass der Prüfungsausschuss nach Prüfung des Anmeldeformulars entschieden habe, sie nicht zur Teilnahme an den Prüfungen zuzulassen, da sie seiner Auffassung nach die besonderen Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren nicht erfülle.

17      Die Klägerin rügte ihren Ausschluss vom Auswahlverfahren mit zwei E-Mails vom 7. und vom 8. April 2011.

18      Das EPSO antwortete der Klägerin mit Schreiben vom 6. Juni 2011, indem es darauf hinwies, dass der Prüfungsausschuss für das Auswahlverfahren ihre Unterlagen nochmals geprüft habe, aber erneut zu der Entscheidung gelangt sei, sie nicht zur Teilnahme an den Prüfungen zuzulassen. Nach Ansicht des Prüfungsausschusses entspreche der Bildungsabschluss der Klägerin nämlich nicht dem Sachgebiet des Auswahlverfahrens, so dass die Klägerin über eine mindestens dreijährige Berufserfahrung mit direktem Bezug zur Art der Tätigkeit der zu besetzenden Dienstposten hätte verfügen müssen. Da sie im Anmeldeformular keinerlei Angaben zu ihrer Berufserfahrung als Assistentin gemacht habe, habe der Prüfungsausschuss nicht davon ausgehen können, dass sie die Voraussetzung der Berufserfahrung erfülle.

19      Mit E-Mail vom 9. Juni 2011 antwortete die Klägerin dem EPSO, dass sie in dem Schreiben vom 6. Juni 2011 keine zweckdienliche Antwort erkennen könne und beantragte, da sie ihrer Ansicht nach alle verlangten Kriterien erfüllte, zu den weiteren Prüfungen des Auswahlverfahrens zugelassen zu werden. Diese E-Mail blieb unbeantwortet.

20      Am 11. Juli 2011 legte die Klägerin gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie nicht zur Teilnahme an den Prüfungen zuzulassen, „vorsorglich“ eine Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts ein und rief am darauf folgenden Tag, dem 12. Juli 2011, das Gericht an.

21      In der mündlichen Verhandlung informierte die Klägerin das Gericht darüber, dass die Anstellungsbehörde die Beschwerde am 11. Oktober 2011 zurückgewiesen habe und dass sie gegen diese Entscheidung keine Klage erhoben habe.

 Anträge der Parteien und Verfahren

22      Die Klägerin beantragt,

1. in erster Linie,

–        die Entscheidung vom 7. April 2011 aufzuheben, mit der ihr das Recht auf Teilnahme an den Prüfungen des Auswahlverfahrens versagt wurde;

–        infolgedessen festzustellen, dass sie wieder in das mit diesem Auswahlverfahren eingeleitete Einstellungsverfahren – gegebenenfalls mittels Veranstaltung neuer Prüfungen – einzubeziehen ist;

2. hilfsweise, für den Fall, dass dem Hauptantrag nicht stattgegeben wird, die Beklagte zur Zahlung eines vorläufig nach billigem Ermessen auf 20 000 Euro festgesetzten Betrags als Ersatz des materiellen Schadens zuzüglich Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Tag der Verkündung des zu erlassenden Urteils zu verurteilen;

3. in jedem Fall die Beklagte zur Zahlung eines vorläufig nach billigem Ermessen auf 20 000 Euro festgesetzten Betrags als Ersatz des immateriellen Schadens zuzüglich Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Tag der Verkündung des zu erlassenden Urteils zu verurteilen;

4. der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

23      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

24      Mit Schreiben der Kanzlei vom 21. Oktober 2011 und vom 30. Januar 2012 hat das Gericht die Parteien aufgefordert, prozessleitenden Maßnahmen nachzukommen. Die Parteien sind dieser Aufforderung des Gerichts innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

25      Mit Beschluss des Präsidenten der Dritten Kammer des Gerichts vom 26. Januar 2012 ist die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache F‑83/11, Cristina/Kommission, zu gemeinsamem mündlichen Verfahren verbunden worden.

 Zum Streitgegenstand und zur Zulässigkeit des zweiten Hauptantrags

26      Zwar beantragt die Klägerin die Aufhebung der ihr mit Schreiben des EPSO vom 7. April 2011 zugestellten ursprünglichen Entscheidung des Prüfungsausschusses, jedoch ist erstens in Anbetracht der ständigen Rechtsprechung festzustellen, dass die Klägerin nur durch die nach der erneuten Prüfung getroffene Entscheidung des Prüfungsausschusses, sie nicht zur Teilnahme an den Prüfungen zuzulassen, die ihr vom EPSO mit Schreiben vom 6. Juni 2011 zugestellt wurde, beschwert ist (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 4. Februar 2010, Wiame/Kommission, F‑15/08, Randnr. 20) und dass folglich davon auszugehen ist, dass sich der Aufhebungsantrag der Klägerin gegen die letztgenannte Entscheidung (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) richtet.

27      Zweitens stellt das Gericht fest, dass die Klägerin mit dem zweiten Hauptantrag von der Verwaltung im Wesentlichen begehrt, sie wieder in das mit dem Auswahlverfahren eingeleitete Einstellungsverfahren einzubeziehen.

28      Nach ständiger Rechtsprechung ist der Unionsrichter im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle jedoch nicht befugt, den Unionsorganen Anordnungen zu erteilen oder sich an ihre Stelle zu setzen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 5. April 2005, Christensen/Kommission, T‑336/02, Randnr. 17; Urteil des Gerichts vom 23. November 2010, Bartha/Kommission, F‑50/08, Randnr. 50).

29      Dieser Antrag ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

 Zur Zulässigkeit der Klage

 Vorbringen der Parteien

30      Zwar räumt die Kommission in ihrer Klagebeantwortung ausdrücklich ein, dass „die Bewerber [von] Auswahlverfahren … berechtigt [sind, den Unionsrichter] ohne vorherige Beschwerde anzurufen, wenn sie eine Entscheidung des Prüfungsausschusses [für ein Auswahlverfahren] anfechten“. Gleichwohl vertritt sie die Auffassung, dass die vorliegende Klage offensichtlich unzulässig sei, da ihr keine ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnte Beschwerde gemäß Art. 91 Abs. 2 des Statuts vorausgegangen sei.

31      Zwar könne ein Bewerber die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren unmittelbar dem Gericht vorlegen; wenn jedoch eine Beschwerde eingelegt worden sei, beginne nach der Rechtsprechung der Lauf der Klagefrist nach Art. 91 des Statuts am Tag der Mitteilung der auf die Beschwerde hin ergangenen Entscheidung, und die Zulässigkeit einer später erhobenen Klage hänge dann davon ab, dass der Betroffene alle verfahrensrechtlichen Voraussetzungen beachtet habe, die mit dem Weg der vorherigen Beschwerde verknüpft seien.

32      Zu diesen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen zählt nach Ansicht der Kommission die Pflicht des Betroffenen, den Abschluss des Vorverfahrens abzuwarten, bevor er Klage erheben könne.

33      Daher sei sie der Ansicht, dass die Klägerin, da sie gegen die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren, sie nicht zur Teilnahme an den Prüfungen zuzulassen, eine Beschwerde eingelegt habe, vor Erhebung einer Klage den Bescheid der Anstellungsbehörde hätte abwarten müssen.

34      Schließlich verstieße es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung, eine beim Gericht erhobene Klage gegen eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren für zulässig zu erklären und zugleich ein Vorverfahren offenzulassen, das u. a. auf die Herbeiführung einer gütlichen Einigung gerichtet sei.

35      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin als Erwiderung auf die von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit darauf hingewiesen, dass das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 20. Juni 1990, Burban/Parlament (T‑133/89), eine Klage unter Voraussetzungen für zulässig erklärt habe, die im Wesentlichen mit denen der vorliegenden Rechtssache identisch seien.

 Würdigung durch das Gericht

36      Nach Art. 91 Abs. 2 des Statuts ist eine Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union nur zulässig, wenn bei der Anstellungsbehörde zuvor eine Beschwerde eingereicht und diese Beschwerde ausdrücklich oder stillschweigend abgelehnt worden ist.

37      Nach ständiger Rechtsprechung ist das Verwaltungsbeschwerdeverfahren jedoch dann sinnlos, wenn die Entscheidungen eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren gerügt werden, da die Anstellungsbehörde keine Möglichkeit hat, diese abzuändern (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 16. März 1978, Ritter von Wüllerstorff und Urbair/Kommission, 7/77, Randnr. 7, und vom 14. Juli 1983, Detti/Gerichtshof, 144/82, Randnr. 16; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 23. Januar 2002, Gonçalves/Parlament, T‑386/00, Randnr. 34). Unter diesen Voraussetzungen besteht der Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren in der Regel in der unmittelbaren Anrufung des Unionsrichters ohne vorherige Beschwerde (im Folgenden: unmittelbare Anrufung des Richters, vgl. Urteil Bartha/Kommission, Randnr. 25).

38      Folglich ist es, wenn ein ausgeschlossener Bewerber eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren rügt, nicht erforderlich, dass er zuvor gegen die gerügte Entscheidung eine Beschwerde einlegt, und erst recht nicht, dass er eine „vorsorgliche“ Beschwerde einlegt, wie dies die Klägerin in der vorliegenden Rechtssache getan hat.

39      Indes ergibt sich weder aus dem Statut noch aus der Rechtsprechung, dass ein Bewerber in einem Auswahlverfahren, der gleichwohl bei der Anstellungsbehörde eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses für dieses Auswahlverfahren eingelegt hat, nicht unmittelbar, ohne die Entscheidung der Anstellungsbehörde über die Beschwerde abzuwarten, das Gericht anrufen kann.

40      Vielmehr wurde in der Unionsrechtsprechung bereits ausdrücklich anerkannt, dass, wenn sich ein Bewerber in einem Auswahlverfahren in der Form einer Verwaltungsbeschwerde an die Anstellungsbehörde wendet, ein solches Vorgehen, welche rechtliche Bedeutung ihm auch immer zukommen mag, nicht zur Folge haben kann, dass der Bewerber die Möglichkeit verliert, unmittelbar den Richter anzurufen (Urteil des Gerichtshofs vom 30. November 1978, Salerno u. a./Kommission, 4/78, 19/78 und 28/78, Randnr. 10; Urteil Burban/Parlament, Randnr. 17).

41      Entscheidet sich ein Bewerber in einem Auswahlverfahren somit dafür, unmittelbar den Richter anzurufen, hat dieser festzustellen, ob die Klage innerhalb der Frist von drei Monaten und zehn Tagen nach Mitteilung der beschwerenden Entscheidung an den Kläger erhoben worden ist (vgl. Urteil Burban/Parlament, Randnr. 18).

42      Hingegen kann die Zulässigkeit einer solchen Klage nicht von der Voraussetzung der Ausschöpfung des Vorverfahrens nach Art. 91 des Statuts abhängig gemacht werden, da diese Voraussetzung nur für Klagen gilt, bei denen eine Verwaltungsbeschwerde zwingend vorgeschrieben ist. Die Lösung, die die Kommission vorschlägt, würde bedeuten, dass die unmittelbare Anrufung des Richters an eine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung geknüpft würde, die in Wirklichkeit nur gilt, wenn der Anrufung des Richters eine Beschwerde vorausgehen muss.

43      Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zu Nr. 6.3 des Bewerbungsleitfadens, wo darauf hingewiesen wird, dass Bewerber die Entscheidungen des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren im Verwaltungsweg und durch Klageerhebung anfechten können, ohne dass an irgendeiner Stelle präzisiert würde, dass die unmittelbare Anrufung des Richters durch die Erhebung einer Beschwerde ausgeschlossen wird.

44      Das Gericht stellt außerdem fest, dass weder die von der Kommission in ihren Schriftsätzen angeführte Rechtsprechung, die nachfolgend analysiert wird, noch das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung etwas an diesem Ergebnis ändern.

45      Zwar trifft es zu, dass, wie die Kommission vorträgt, nach einer umfangreichen Rechtsprechung zu Streitigkeiten über Entscheidungen des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren zum einen, wenn der Kläger sich dafür entscheidet, sich zuvor im Wege einer Verwaltungsbeschwerde an die Verwaltung zu wenden, die Zulässigkeit der später erhobenen Klage von der Beachtung aller verfahrensmäßigen Zwänge durch den Betroffenen abhängt, die mit dem Weg der vorherigen Beschwerde verbunden sind (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2007, Van Neyghem/Kommission, F‑73/06, Randnr. 37), und zum anderen, soweit eine Beschwerde gegen eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren eingelegt wurde, die Klagefrist nach Art. 91 des Statuts am Tag der Mitteilung der auf die Beschwerde hin ergangenen Entscheidung beginnt (Urteil Detti/Gerichtshof, Randnr. 17; Urteile des Gerichts erster Instanz vom 27. Juni 1991, Valverde Mordt/Gerichtshof, T‑156/89, Randnr. 90; vom 16. September 1998, Jouhki/Kommission, T‑215/97, Randnr. 22; vom 31. Mai 2005, Gibault/Kommission, T‑294/03, Randnr. 22; Beschluss des Gerichts erster Instanz, 25. November 2005, Pérez-Díaz/Kommission, T‑41/04, Randnr. 32, und Urteil des Gerichts erster Instanz vom 8. Juni 2006, Pérez-Díaz/Kommission, T‑156/03, Randnr. 26; Urteile des Gerichts vom 12. März 2009, Hambura/Parlament, F‑4/08, Randnr. 24, und Bartha/Kommission, Randnr. 26).

46      Jedoch ist festzustellen, dass diese Urteile mit einer Ausnahme die Zulässigkeit von Klagen betrafen, die nach der Zurückweisung einer Beschwerde und nach Ablauf der Frist für die unmittelbare Anrufung des Richters erhoben worden waren. Es handelt sich dabei also um eine Rechtsprechung, die sich auf eine Zulässigkeitsvoraussetzung bezieht, die den Klagen zu eigen ist, die nach dem in Art. 91 Abs. 2 des Statuts festgelegten Verfahren erhoben werden.

47      Im Urteil Pérez-Díaz/Kommission hatte das Gericht erster Instanz festgestellt, dass die Beschwerde und die Klage verschiedene Gegenstände betrafen. Denn mit der Beschwerde wurde die Entscheidung der Kommission angefochten, eine erneute mündliche Prüfung durchzuführen, nachdem die Entscheidung des Prüfungsausschusses, den Kläger von der Reserveliste zu streichen, durch das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. September 2002, Pérez-Díaz/Kommission (T‑102/01), aufgehoben worden war, während mit der Klage die neue Entscheidung des Prüfungsausschusses angefochten wurde, den Kläger nach der erneuten mündlichen Prüfung nicht in die Reserveliste aufzunehmen. Folglich bestand in dieser Rechtssache für das Gericht erster Instanz kein Anlass, zu entscheiden, dass eine Aufhebungsklage, die erhoben wurde, bevor das gegen den beanstandeten Rechtsakt – in diesem Fall die Entscheidung der Kommission, eine erneute mündliche Prüfung durchzuführen – statthafte vorgerichtliche Verwaltungsverfahren durch die Zurückweisung der Beschwerde abgeschlossen war, verfrüht ist, weshalb sich das Gericht erster Instanz darauf beschränkte, festzustellen, dass die Klage nicht als eine Klage angesehen werden kann, der eine Verwaltungsbeschwerde vorausgegangen ist (Urteil Pérez-Díaz/Kommission, T‑156/03, Randnrn. 27 und 34).

48      Folglich ist die in den Randnrn. 45 und 47 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie sich auf tatsächliche und rechtliche Fallgestaltungen bezieht, die sich deutlich von der vorliegenden unterscheiden.

49      Die Kommission macht außerdem geltend, die vorliegende Klage müsse im Interesse der Rechtssicherheit und einer geordneten Rechtspflege für unzulässig erklärt werden.

50      Zunächst kann jedoch die Beachtung von Anforderungen der Rechtssicherheit nicht die Anwendung einer Zulässigkeitsvoraussetzung bei der unmittelbaren Anrufung des Richters rechtfertigen, die dieser nicht zu eigen ist, ohne das Recht der ausgeschlossenen Bewerber zu beschränken, das Gericht unmittelbar mit einer Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren zu befassen. Außerdem ist festzustellen, dass wenn ein Bewerber in einem Auswahlverfahren einer unmittelbaren Anrufung des Richters eine Beschwerde vorausgehen lässt und diese Beschwerde sodann, bevor das Gericht über die Klage entscheidet, positiv beschieden wird, der Kläger sein Rechtsschutzinteresse verlöre und damit seine Klage gegenstandslos würde. Ergeht die Entscheidung jedoch zum Nachteil des Klägers, hätte er in jedem Fall ein Anrecht auf eine Entscheidung des Gerichts, um eine Entscheidung über den zwischen ihm und der Verwaltung bestehenden Rechtsstreit zu erhalten.

51      Was die Beachtung des Grundsatzes der geordneten Rechtspflege betrifft, besteht die beste Art, diesen Grundsatz zu wahren, nach Ansicht des Gerichts darin, die unmittelbar bei ihm erhobene Klage ohne Berücksichtigung der Unwägbarkeiten einer Beschwerde zu behandeln, mit der es nicht befasst ist.

52      Schließlich können auch die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Argumente zur Begründung der auf eine verfrühte Klageerhebung gestützten Einrede der Unzulässigkeit nicht durchgreifen.

53      Die Kommission hat nämlich erstens vorgetragen, dass die im Urteil Burban/Parlament gefundene Lösung durch die spätere Rechtsprechung überholt sei. Wie das Gericht in den Randnrn. 45 bis 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt hat, ist die von der Kommission angeführte Rechtsprechung jedoch für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da sie Klagen betrifft, die nach einer Beschwerde erhoben wurden, während die Urteile Salerno u. a./Kommission und Burban/Parlament jeweils Sachverhalte betrafen, die im Wesentlichen mit dem der vorliegenden Rechtssache übereinstimmen.

54      Zweitens weist die Kommission darauf hin, dass sich der Kläger in der Rechtssache, in der das Urteil Burban/Parlament ergangen sei, „schließlich“ dafür entschieden habe, unmittelbar den Richter anzurufen (Urteil Burban/Parlament, Randnr. 18), während die Klägerin in der vorliegenden Rechtssache versuche, gleichzeitig beide Rechtsbehelfe zu nutzen. Dieses Vorbringen lässt den Umstand außer Acht, dass sich die Klägerin im vorliegenden Fall, ebenso wie die Kläger in den Rechtssachen, in denen die Urteile Salerno u. a./Kommission und Burban/Parlament ergangen sind, für die unmittelbare Anrufung des Richters entschieden hat, die zwar erfolgte, ohne dass die Entscheidung der Verwaltung über ihre Beschwerde abgewartet worden wäre, aber innerhalb der Klagefrist von drei Monaten und zehn Tagen nach Mitteilung der Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren.

55      Um die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache abzugrenzen, in der das Urteil Burban/Parlament erging, hat die Kommission drittens hervorgehoben, dass die Klägerin im vorliegenden Fall durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei, als sie ihre Beschwerde erhoben habe. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht stichhaltig, da der Umstand, dass sich die Klägerin bei der Abfassung der Beschwerde der Hilfe von Rechtsanwälten bediente, keinen Einfluss auf ihr Recht hat, unmittelbar den Richter anzurufen.

56      Viertens hat die Kommission geltend gemacht, dass die Komplexität der Einstellungs- und Auswahlverfahren zugenommen habe, insbesondere was die ausgeschlossenen Bewerbern offenstehenden Möglichkeiten betreffe, sich über die Entscheidungen des Prüfungsausschusses zu informieren und diese eventuell anzufechten. Sie hat jedoch nicht aufgezeigt, welche Bedeutung diesen tatsächlichen Feststellungen für die Zulässigkeit einer Klage zukommen soll, die in jedem Fall erst auf den Plan tritt, wenn alle den Bewerbern in einem Auswahlverfahren zur Verfügung stehenden speziellen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind.

57      Fünftens schließlich hat die Kommission sowohl in ihren Schriftsätzen als auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass in vielen Fällen die Entscheidung über die Beschwerde den ausgeschlossenen Bewerbern eine „zufrieden stellende“ Antwort gebe, was durch den Umstand belegt werde, dass die Zahl der Klagen, mit denen das Gericht befasst werde, weitaus geringer sei als die der von der Kommission bearbeiteten Beschwerden gegen Entscheidungen von Prüfungsausschüssen für Auswahlverfahren.

58      Das Gericht stellt erstens fest, dass die Kommission dieses Vorbringen durch keinerlei Nachweise belegt hat. Zweitens, selbst wenn diese Behauptungen zuträfen, hat die Kommission eingeräumt, dass ein Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren nur in ganz wenigen Fällen von seiner ursprünglichen Position, einen Kandidaten nicht zu einem Auswahlverfahren zuzulassen, abrückt. Drittens wird in der die Rechtsbehelfe betreffenden Nr. 6.3 des Bewerbungsleitfadens darauf hingewiesen, dass „[e]s … zwecklos [ist], eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Prüfungsausschusses einzulegen; der Prüfungsausschuss entscheidet in voller Unabhängigkeit, und der Direktor des EPSO hat keine Möglichkeit, diese Entscheidungen zu ändern“. Viertens könnten die Behauptungen der Kommission, selbst wenn sie erwiesen wären, die ständige Rechtsprechung, wonach die in Art. 91 des Statuts vorgesehene obligatorische vorherige Verwaltungsbeschwerde sich nur auf die Rechtsakte bezieht, die die Anstellungsbehörde gegebenenfalls abändern kann, und den Umstand, dass die Anstellungsbehörde die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren nicht ändern kann, nicht in Frage stellen. Fünftens ist das Vorbringen der Kommission insoweit widersprüchlich, als die Unzulässigkeit einer vor Ablauf der Frist zur Bescheidung einer vorherigen Beschwerde erhobenen Klage zur Folge hätte, dass die ausgeschlossenen Bewerber davon abgehalten würden, derartige Beschwerden einzulegen, während diese Beschwerden nach eigenen Angaben der Kommission die ausgeschlossenen Bewerber zumindest in einigen Fällen zufriedenstellen könnten.

59      Somit ist im Licht der vorstehenden Erwägungen festzustellen, ob die unmittelbare Anrufung des Richters im vorliegenden Fall innerhalb der Frist von drei Monaten und zehn Tagen nach Mitteilung der beschwerenden Entscheidung an die Klägerin erfolgt ist (vgl. Urteil Burban/Parlament, Randnr. 17).

60      Hierzu geht aus den Akten hervor, dass die angefochtene Entscheidung der Klägerin am 6. Juni 2011 zuging und dass die Klage am 12. Juli 2011 erhoben wurde.

61      Nach alledem ist festzustellen, dass die Klage nicht verfrüht ist.

 Zur Begründetheit

 Zum Aufhebungsantrag

62      Zur Begründung ihres Antrags auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung macht die Klägerin zwei Klagegründe geltend, die auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Sorgfaltspflicht gestützt werden.

 Zum ersten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses

–       Vorbringen der Parteien

63      Die Klägerin macht geltend, der Prüfungsausschuss habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem er die im Anmeldeformular enthaltenen Angaben zu ihrer Ausbildung und ihrer Berufserfahrung nicht berücksichtigt habe.

64      Nach Ansicht der Klägerin hätte der Prüfungsausschuss sie auf der Grundlage ihrer im Anmeldeformular gemachten Angaben insbesondere auffordern müssen, Unterlagen zum Nachweis sowohl ihres Bildungsniveaus als auch ihrer beruflichen Qualifikationen beizubringen, und sich über die Einschlägigkeit ihres Bildungsabschlusses und ihrer Berufserfahrung für die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannte Art der Tätigkeit vergewissern müssen.

65      Die Kommission erwidert, die Klägerin habe unter der Überschrift „Berufserfahrung“ im Anmeldeformular zum Auswahlverfahren eine Berufserfahrung von zwei Monaten und 17 Tagen angegeben. Da der Prüfungsausschuss bei der Beurteilung der Berufserfahrung der Klägerin berechtigterweise nur diesen Zeitraum berücksichtigt habe, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, nähere Angaben von ihr zu erlangen, habe er, ohne einen offensichtlichen Beurteilungsfehler zu begehen, festgestellt, dass diese Berufserfahrung unzureichend gewesen sei, um die Mindestvoraussetzung von drei Jahren zu erfüllen.

66      Daher vertritt die Kommission die Ansicht, dass der erste Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen sei.

–       Würdigung durch das Gericht

67      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung Aufgabe des Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren ist, in jedem Einzelfall zu beurteilen, ob die Berufserfahrung des jeweiligen Bewerbers dem in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens verlangten Niveau entspricht. Der Prüfungsausschuss verfügt insoweit im Rahmen der das Auswahlverfahren betreffenden Bestimmungen des Statuts über ein Ermessen bei der Beurteilung sowohl der Art und der Dauer der früheren Berufserfahrung des Bewerbers als auch ihres mehr oder weniger engen Zusammenhangs, in dem sie mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle stehen kann (Urteile des Gerichts erster Instanz vom 25. März 2004, Petrich/Kommission, T‑145/02, Randnr. 37, und vom 31. Januar 2006, Giulietti/Kommission, T‑293/03, Randnrn. 65 und 66).

68      Das Gericht hat sich im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitsprüfung daher auf die Frage zu beschränken, ob dieses Ermessen nicht offensichtlich fehlerhaft ausgeübt worden ist (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 21. November 2000, Carrasco Benítez/Kommission, T‑214/99, Randnr. 71; Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2010, Časta/Kommission, F‑40/09, Randnr. 58).

69      Außerdem hatte die Rechtsprechung bereits Gelegenheit, klarzustellen, dass sich der Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren bei der Prüfung der Frage, ob die Zulassungsbedingungen erfüllt sind, nur auf die Angaben der Bewerber in ihrem Bewerbungsfragebogen und die Belege stützen darf, die sie diesem beizufügen haben (vgl. Urteil Časta/Kommission, Randnr. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Der Prüfungsausschuss hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, die Klägerin hätte, da der Bildungsabschluss in Recht und Wirtschaft der Europäischen Union, über den sie verfüge, keinen unmittelbaren Bezug zum Bereich des Auswahlverfahrens, d. h. zu Sekretariatstätigkeiten, aufweise, nach Nr. III.2.1 Buchst. b der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens über eine mindestens dreijährige Berufserfahrung als Sekretärin verfügen müssen. Da sie jedoch im Anmeldeformular, abgesehen von der Dauer von zwei Monaten und 17 Tagen, keine näheren Angaben zu ihrer Berufserfahrung gemacht hatte, ging der Prüfungsausschuss davon aus, dass die Voraussetzung der Berufserfahrung nicht erfüllt war und lehnte es aus diesem Grund ab, die Klägerin zum Auswahlverfahren zuzulassen.

71      Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie nicht bestreite, dass ihr Bildungsabschluss in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens angeführten Art der Tätigkeit stehe und sie folglich die besonderen Zulassungsbedingungen nach Nr. III.2.1 Buchst. b der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens hätte erfüllen müssen.

72      Sie bestreitet auch nicht, dass sie unter der die Berufserfahrung betreffenden Rubrik des Anmeldeformulars nur eine Beschäftigung als Assistentin bei der Kommission während zwei Monaten und 17 Tagen angegeben hat. Jedoch hat sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass ihr bei der Angabe ihrer Berufserfahrung unter der die Begründung betreffenden Rubrik des Anmeldeformulars zweifellos ein Schreibfehler unterlaufen sei.

73      Hierzu stellt das Gericht fest, dass sich die Klägerin unter der die Begründung betreffenden Rubrik des Anmeldeformulars tatsächlich auf die Angabe beschränkte, dass sie für die Dauer von mehr als zehn Jahren als Verwaltungssekretärin gearbeitet habe. Allerdings waren in ihrem Bewerbungsbogen keine weiteren Angaben enthalten, die es dem Prüfungsausschuss ermöglicht hätten, den Umfang und die Einschlägigkeit dieser Berufserfahrung anhand der Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren nachzuprüfen.

74      Im Licht der oben angeführten Rechtsprechung kann dem Prüfungsausschuss somit nicht vorgeworfen werden, dass er die Klägerin nicht zur Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert oder nicht selbst ergänzende Nachforschungen hinsichtlich dieser Information angestellt hat, die auf keine nachprüfbare Angabe zur Berufserfahrung der Klägerin gestützt war (vgl. Urteil Carrasco Benítez/Kommission, Randnrn. 77 und 78).

75      Folglich hat der Prüfungsausschuss keinen offensichtlichen Fehler begangen, indem er auf der Grundlage der Angaben, die die Klägerin in ihrem Bewerbungsbogen gemacht hatte, davon ausging, dass die die Berufserfahrung betreffende Voraussetzung nicht erfüllt war.

76      Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und die Sorgfaltspflicht

–       Vorbringen der Parteien

77      Die Klägerin wirft dem Prüfungsausschuss vor, er habe nicht alle Tatsachen berücksichtigt, die geeignet seien, ihn in seiner Entscheidung zu leiten, wozu nicht nur das dienstliche Interesse zähle, sondern auch ihr persönliches Interesse, und vertritt die Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung zur Folge habe, dass eine Bewerberin vom Auswahlverfahren ausgeschlossen werde, die dem dienstlichen Interesse in allen Punkten entspreche.

78      Die Kommission beantragt, diesen Klagegrund als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.

–       Würdigung durch das Gericht

79      Das Gericht weist erstens darauf hin, dass Nr. 2.1.3.1 des Bewerbungsleitfadens, der fester Bestandteil der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens ist und den die Klägerin außerdem ihrer Klage als Anlage beigefügt hat, eindeutig vorsieht, dass die bei der Anmeldung zu einem allgemeinen Auswahlverfahren verlangten Informationen u. a. „[die] Berufserfahrung (falls verlangt): Name und Anschrift des Arbeitgebers, Art sowie Anfang und Ende der ausgeübten Tätigkeiten“ betreffen. Im vorliegenden Fall wurde die Angabe der Berufserfahrung in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens tatsächlich verlangt.

80      Zweitens ist festzustellen, dass ein Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren nach der Rechtsprechung, auf die in den Randnrn. 67 bis 69 des vorliegenden Urteils hingewiesen wurde, in keiner Weise verpflichtet ist, einen Bewerber aufzufordern, zusätzliche Unterlagen einzureichen oder selbst Nachforschungen anzustellen, um zu überprüfen, ob der Betroffene alle Bedingungen der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erfüllt.

81      Drittens ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 des Anhangs III des Statuts, dass dieser dem Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren nur die Möglichkeit einräumt, von den Bewerbern zusätzliche Auskünfte zu verlangen, wenn ihm die Bedeutung eines vorgelegten Schriftstücks unklar ist. Insoweit kann keine Rede davon sein, dass das, was der Gesetzgeber als eine bloße Ermächtigung für den Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren konzipiert hat, in eine Verpflichtung umgewandelt wird (Urteil Carrasco Benítez/Kommission, Randnr. 78).

82      Viertens bilden die Einreichung der vollständigen Bewerbungsunterlagen und die Überprüfung der beigefügten Nachweise gemäß Abschnitt V Nr. 1 und Abschnitt VII Nr. 2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens eine zweite Phase im Ablauf des Auswahlverfahrens, zu der nur die Bewerber zugelassen werden, die bei den Zulassungstests am besten abgeschnitten und bei jedem Test die erforderliche Mindestpunktzahl erreicht haben und die nach den bei der elektronischen Anmeldung gemachten Angaben die allgemeinen und besonderen Zulassungsbedingungen gemäß Abschnitt III der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens erfüllen.

83      Fünftens und letztens kann, selbst wenn die bloße, in keiner Weise nachgewiesene Behauptung der Klägerin, wonach sie aufgrund ihres Bildungsabschlusses und ihrer Berufserfahrung in jedem Punkt dem dienstlichen Interesse entspreche, zuträfe, dem Prüfungsausschuss nicht vorgeworfen werden, dass er gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen hätte, indem er eine Entscheidung erlassen hat, die damit begründet wird, dass die Klägerin in ihrem Bewerbungsbogen keine hinreichenden Angaben gemacht hat, die diesem Prüfungsausschuss die Feststellung ermöglicht hätten, dass sie die besonderen Zulassungsbedingungen erfüllte. Ebenso wenig verlangt die Sorgfaltspflicht von einem Prüfungsausschuss für ein Auswahlverfahren, alle Bewerber, die ihrer Meinung nach die Anforderungen der zu besetzenden Stellen erfüllen, zu dem Auswahlverfahren zuzulassen.

84      Folglich hat der Prüfungsausschuss weder gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung noch gegen die Sorgfaltspflicht verstoßen, indem er die angefochtene Entscheidung erlassen hat, ohne zuvor Auskünfte zur Ergänzung der von einer Bewerberin im Anmeldeformular gemachten Angaben einzuholen, die zu jenem Zeitpunkt keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben hatte, um dem Prüfungsausschuss die Feststellung zu ermöglichen, dass sie die besonderen Bedingungen für die Zulassung zum Auswahlverfahren erfüllte.

85      Der zweite Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum Antrag auf Schadensersatz

86      Nach ständiger Rechtsprechung im Bereich des öffentlichen Dienstes sind Schadensersatzanträge zurückzuweisen, soweit sie in einem engen Zusammenhang mit Aufhebungsanträgen stehen, die ihrerseits als unbegründet zurückgewiesen wurden (Urteil des Gerichts vom 23. November 2010, Wenig/Kommission, F‑75/09, Randnr. 71).

87      Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der Schadensersatzantrag in engem Zusammenhang mit dem als unbegründet zurückgewiesenen Aufhebungsantrag steht. Da die Prüfung des Aufhebungsantrags kein rechtswidriges Handeln ergeben hat, das die Haftung des Organs auslösen könnte, ist der Antrag auf Schadensersatz sowohl was den materiellen als auch was den immateriellen Schaden anbelangt zurückzuweisen.

88      Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

 Kosten

89      Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels ihres Zweiten Titels auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 Abs. 2 kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist.

90      Aus den oben dargelegten Gründen ergibt sich, dass die Klägerin mit ihrer Klage unterlegen ist. Die Kommission hat auch ausdrücklich beantragt, der Klägerin die Kosten aufzuerlegen. Da die Umstände des vorliegenden Falls die Anwendung von Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung nicht rechtfertigen, trägt die Klägerin ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Frau Cristina trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Europäischen Kommission.

Van Raepenbusch

Barents

Bradley

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 20. Juni 2012.

Die Kanzlerin

 

      Der Präsident

W. Hakenberg

 

      S. Van Raepenbusch


* Verfahrenssprache: Französisch.