Language of document : ECLI:EU:F:2009:128

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION (Zweite Kammer)

29. September 2009(*)

„Öffentlicher Dienst – Vertragsbedienstete – Art. 88 BSB – Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses – Art. 100 BSB – Medizinischer Vorbehalt – Art. 39 EG − Freizügigkeit der Arbeitnehmer“

In den verbundenen Rechtssachen F‑69/07 und F‑60/08

betreffend Klagen nach Art. 236 EG und Art. 152 EA,

O, Vertragsbedienstete der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Orlandi, A. Coolen, J.‑N. Louis und É. Marchal,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Martin und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Rat der Europäischen Union, zunächst in der Rechtssache F‑69/07 vertreten durch I. Šulce und M. Simm als Bevollmächtigte und in der Rechtssache F‑60/08 durch I. Šulce und K. Zieleśkiewicz als Bevollmächtigte, dann in beiden Rechtssachen durch K. Zieleśkiewicz und M. Bauer als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kanninen sowie der Richterin I. Boruta und des Richters S. Van Raepenbusch (Berichterstatter),

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2009

folgendes

Urteil

1        Die Klägerin hat zwei Klageschriften eingereicht, die am 12. Juli 2007 bzw. am 25. Juni 2008 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind (die Urschriften sind am 13. Juli 2007 bzw. am 1. Juli 2008 eingegangen). Mit diesen Klagen wird die Aufhebung folgender Entscheidungen begehrt:

–        Rechtssache F‑69/07: Entscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, mit denen die Beschäftigungsbedingungen der Klägerin als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten festgelegt worden sind, soweit sie einen medizinischen Vorbehalt gemäß Art. 100 Abs. 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: BSB) enthalten und mit ihnen die Laufzeit des Vertrags der Klägerin auf die Zeit bis zum 15. September 2009 beschränkt wird;

–        Rechtssache F‑60/08: Entscheidung der Kommission vom 7. September 2007, gegenüber der Klägerin von einem medizinischen Vorbehalt gemäß Art. 100 BSB Gebrauch zu machen.

 Rechtlicher Rahmen

1.     In Bezug auf die Laufzeit des Vertrags

2        In Art. 3a Abs. 1 BSB ist bestimmt:

„‚Vertragsbediensteter‘… ist ein Bediensteter, der in Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung eingestellt wird, ohne eine Planstelle zu besetzen, die in dem Stellenplan aufgeführt ist, der dem Einzelplan des Haushaltsplans für das betreffende Organ beigefügt ist, und zwar

a)      in einem Organ, um dort manuelle Tätigkeiten oder unterstützende verwaltungstechnische Tätigkeiten zu verrichten;

…“

3        In Art. 3b BSB ist bestimmt:

„‚Vertragsbediensteter für Hilfstätigkeiten‘ … ist ein Bediensteter, der … bei einem Organ angestellt ist,

a)      um in Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung andere als die in Artikel 3a Absatz 1 Buchstabe a) genannten Tätigkeiten auszuüben, ohne eine Planstelle zu besetzen, die in dem Stellenplan aufgeführt ist, der dem Einzelplan des Haushaltsplans für das betreffende Organ beigefügt ist,

b)      um – nach Prüfung der Möglichkeiten einer vorübergehenden Stellenbesetzung durch Beamte des Organs – eine der folgenden Personen zu vertreten, wenn diese ihre Tätigkeit zeitweilig nicht ausüben kann:

i)      einen Beamten oder Bediensteten auf Zeit der Funktionsgruppe AST,

ii)      ausnahmsweise einen Beamten oder Bediensteten auf Zeit der Funktionsgruppe AD, der einen Dienstposten mit fachlich sehr spezialisierten Aufgaben innehat, ausgenommen Referatsleiter, Direktoren, Generaldirektoren und Personen mit gleichwertigen Funktionen.

In den Fällen, in denen Artikel 3a Anwendung findet, ist ein Einsatz von Vertragsbediensteten für Hilfstätigkeiten ausgeschlossen.“

4        Ferner ist in Art. 88 BSB bestimmt:

„Im Falle eines Vertragsbediensteten im Sinne des Artikels 3b

a)      wird der Vertrag auf bestimmte Dauer geschlossen; er kann verlängert werden;

b)      darf die gesamte Beschäftigungszeit in einem Organ – einschließlich der Zeit einer möglichen Verlängerung des Vertrags – drei Jahre nicht übersteigen.

Beschäftigungszeiten, die im Rahmen eines Vertrags als Vertragsbediensteter im Sinne des Artikels 3a abgeleistet wurden, werden beim Abschluss oder bei der Verlängerung eines Vertrags nach diesem Artikel nicht berücksichtigt.“

5        Mit der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43) ist die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen geschlossene Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) durchgeführt worden. Paragraf 5 dieser Rahmenvereinbarung lautet:

„1.      Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen:

a)      sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;

b)      die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;

c)      die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.

2.      Die Mitgliedstaaten, nach Anhörung der Sozialpartner, und/oder die Sozialpartner legen gegebenenfalls fest, unter welchen Bedingungen befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse:

a)      als „aufeinanderfolgend“ zu betrachten sind;

b)      als unbefristete Verträge oder Verhältnisse zu gelten haben.“

2.     In Bezug auf den medizinischen Vorbehalt

6        Art. 100 BSB lautet:

„Wird bei der ärztlichen Untersuchung vor der Einstellung des Bediensteten festgestellt, dass er krank oder gebrechlich ist, so kann die [zum Abschluss der Verträge ermächtigte] Behörde verfügen, dass die für den Fall der Invalidität oder des Todes vorgesehenen Garantien erst fünf Jahre nach seinem Eintritt in den Dienst des Organs wirksam werden, soweit es sich um Folgeerscheinungen oder Nachwirkungen der Krankheit oder des Gebrechens handelt.

Der Vertragsbedienstete kann gegen diese Verfügung vor dem in Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b) des Statuts [der Beamten der Europäischen Gemeinschaften] vorgesehenen Invaliditätsausschuss Einspruch erheben.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

7        Die Klägerin war bei der Kommission vom 1. Mai 2001 bis 15. September 2003 als örtliche Bedienstete beschäftigt. Vom 16. September 2003 bis 15. September 2006 war sie im Rahmen eines zweimal verlängerten befristeten Vertrags als Hilfskraft beschäftigt.

8        Im Hinblick auf eine erneute Einstellung als Vertragsbedienstete unterzog sich die Klägerin einer ärztlichen Untersuchung. Aufgrund dieser Untersuchung äußerte der Ärztliche Dienst am 12. September 2006 Bedenken.

9        Am 14. September 2006 unterzeichnete die Klägerin einen Vertrag als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten im Sinne von Art. 3b BSB mit einer Laufzeit bis 15. September 2009.

10      Mit einem Schreiben vom selben Tag wies die Kommission die Klägerin darauf hin, „dass dieses Angebot unter dem Vorbehalt eines medizinischen Vorbehalts gemäß Art. 100 [BSB] [stehe]“.

11      Die Klägerin legte bei der zum Abschluss der Verträge ermächtigten Behörde (im Folgenden: Anstellungsbehörde) mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 Beschwerde ein. Sie machte darin als Erstes geltend, dass ihr Vertrag vom 14. September 2006 nicht befristet sein dürfe. Als Zweites wandte sie sich gegen die Anwendung von Art. 100 Abs. 1 BSB in ihrem Fall. Sie beantragte somit, „festzustellen, dass ihr Vertrag auf unbestimmte Dauer geschlossen worden [sei] und dass kein Anlass für einen Vorbehalt [gemäß Art. 100 Abs. 1 BSB] bestanden [habe]“. Im selben Schreiben erhob sie „vorsorglich gemäß Art. 100 [Abs. 2] BSB vor dem in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Statuts [der Beamten der Europäischen Gemeinschaften] vorgesehenen Invaliditätsausschuss Einspruch gegen [die] Entscheidung, ihr gegenüber von einem medizinischen Vorbehalt Gebrauch zu machen“. Am 14. Dezember 2006 erweiterte die Klägerin ihre Beschwerde (im Folgenden: Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006).

12      Am 30. März 2007 kam die Anstellungsbehörde zu dem Schluss, dass den Argumenten, die die Klägerin gegen die Laufzeit des Vertrags und gegen die Entscheidung, ihr gegenüber einen medizinischen Vorbehalt auszusprechen, vorgebracht habe, nicht gefolgt werden könne. Die Anstellungsbehörde entschied daher, der Beschwerde nicht stattzugeben. Außerdem leitete die Anstellungsbehörde im Hinblick darauf, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerde gegen die genannte Entscheidung auch Einspruch vor dem Invaliditätsausschuss eingelegt hatte, diesen Einspruch an den ärztlichen Dienst weiter.

13      Am 12. Juli 2007 hat die Klägerin gegen die Entscheidungen, sie nur befristet einzustellen und ihr gegenüber einen medizinischen Vorbehalt auszusprechen, beim Gericht Klage erhoben; die Klage ist unter dem Aktenzeichen F‑69/07 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

14      Aufgrund der Schlussfolgerungen des Invaliditätsausschusses entschied die Anstellungsbehörde am 7. September 2007, der Klägerin „die für den Fall der Invalidität oder des Todes vorgesehenen Garantien erst fünf Jahre nach ihrem Eintritt in den Dienst der Kommission als Vertragsbedienstete“ zu gewähren, „soweit es sich um Folgeerscheinungen oder Nachwirkungen der Krankheit oder des Gebrechens handelt, für die bzw. für das nach der ärztlichen Eignungsuntersuchung der medizinische Vorbehalt ausgesprochen worden ist“.

15      Die Klägerin legte gegen diese Entscheidung am 23. November 2007 Beschwerde ein. Die Anstellungsbehörde wies diese am 14. März 2008 zurück.

16      Am 25. Juni 2008 (die Urschrift der Klageschrift ist am 1. Juli 2008 eingegangen) hat die Klägerin gegen die Entscheidung vom 7. September 2007 beim Gericht Klage erhoben; die Klage ist unter dem Aktenzeichen F‑60/08 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten und Verfahren

17      In der Rechtssache F‑69/07 beantragt die Klägerin:

–        die Entscheidungen der Kommission, mit denen ihre Beschäftigungsbedingungen als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten festgelegt worden sind, insoweit aufzuheben, als darin zum einen ein medizinischer Vorbehalt gemäß Art. 100 Abs. 1 BSB verfügt wird und zum anderen die Laufzeit ihres Vertrags auf die Zeit vom 16. September 2006 bis 15. September 2009 beschränkt wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

18      Die Kommission beantragt in dieser Rechtssache:

–        die Klage zum Teil als unzulässig, jedenfalls aber insgesamt als unbegründet abzuweisen;

–        über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

19      Mit Schriftsatz, der am 21. September 2007 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 24. September 2007 eingegangen), hat der Rat der Europäischen Union beantragt, in der Rechtssache F‑69/07 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

20      Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 22. Oktober 2007 ist der Rat in der Rechtssache F‑69/07 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

21      Mit seinem Streithilfeschriftsatz, der am 29. November 2007 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 3. Dezember 2007 eingegangen), beantragt der Rat, die mit der Klage erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit der Art. 88 und 100 BSB als offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.

22      Die Stellungnahme der Klägerin zu diesem Streithilfeschriftsatz ist am 15. Januar 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen (die Urschrift ist am 22. Januar 2008 eingegangen). Die Klägerin beantragt, den in ihrer Klageschrift gestellten Anträgen stattzugeben und dem Rat seine eigenen Kosten aufzuerlegen. Die Kommission hat keine Stellungnahme zu dem Streithilfeschriftsatz eingereicht.

23      In der Rechtssache F‑60/08 beantragt die Klägerin:

–        die Entscheidung der Kommission vom 7. September 2007, mit der ihre Beschäftigungsbedingungen als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten festgelegt worden sind, insoweit aufzuheben, als darin ein medizinischer Vorbehalt gemäß Art. 100 BSB ausgesprochen wird;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24      Die Kommission beantragt in der Rechtssache F‑60/08:

–        die Klage als unbegründet abzuweisen;

–        der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

25      Mit Schriftsatz, der am 29. Juli 2008 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 31. Juli 2008 eingegangen), hat der Rat beantragt, in der Rechtssache F‑60/08 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

26      Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 4. September 2008 ist der Rat in der Rechtssache F‑60/08 als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

27      Mit Schriftsatz, der am 25. Juni 2008 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 1. Juli 2008 eingegangen), hat die Klägerin die Verbindung der Rechtssachen F‑69/07 und F‑60/08 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung beantragt. Mit Schreiben vom 14. Juli 2008 hat das Gericht die Kommission aufgefordert, zu einer solchen Verbindung Stellung zu nehmen. Diese hat dagegen keine Einwände erhoben. Mit Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 4. September 2008 sind die Rechtssachen F‑69/07 und F‑60/08 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

28      Mit seinem Streithilfeschriftsatz, der am 14. November 2008 mit Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 19. November 2008 eingegangen), beantragt der Rat, die mit der Klage erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 100 BSB als offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet zurückzuweisen.

29      Die Klägerin und die Kommission sind insbesondere aufgefordert worden, in der mündlichen Verhandlung zu diesem Schriftsatz Stellung zu nehmen und sich bei dieser Gelegenheit zu den Auswirkungen einer möglichen Zulässigkeit der Klage F‑69/07 auf die Zulässigkeit der Klage F‑60/08 zu äußern.

30      In der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2009 hat das Gericht die Parteien gebeten, im Hinblick auf den Teil des Streitgegenstands, der die Verfügung des medizinischen Vorbehalts betrifft, die Möglichkeit einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zu prüfen. Dementsprechend hat es das mündliche Verfahren vorerst nicht geschlossen und die Rechtssachen vorerst nicht zur Beratung gestellt. Mit Schreiben, das am 25. Februar 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission mitgeteilt, dass sie dieser Bitte nicht entsprechen könne. Am 11. März 2009 hat der Präsident der Zweiten Kammer des Gerichts das mündliche Verfahren geschlossen und die Rechtssachen zur Beratung gestellt.

 Rechtliche Würdigung

1.     Zur Zulässigkeit der Klage F‑69/07

 Vorbringen der Parteien

31      Die Kommission macht als Erstes geltend, die Klage sei verspätet, soweit mit ihr die Rechtmäßigkeit der Laufzeit der früheren Verträge in Frage gestellt werde, in deren Rahmen die Klägerin als örtliche Bedienstete oder als Hilfskraft beschäftigt gewesen sei.

32      Die Kommission macht als Zweites geltend, die Anstellungsbehörde habe in ihrer Entscheidung vom 30. März 2007 angekündigt, dass sie den Einspruch der Klägerin gegen den beim Abschluss ihres Vertrags als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten gemachten medizinischen Vorbehalt dem Ärztlichen Dienst übermitteln werde, damit dieser einen Invaliditätsausschuss bilde, mit der Aufgabe, hierzu Stellung zu nehmen. Sie habe dem Antrag der Klägerin also entsprochen, und die Klage sei unzulässig, soweit sie diesen Vorbehalt betreffe, wenn das Scheiben der Klägerin vom 11. Dezember 2006 als Antrag gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut), ihre Sache vor den Invaliditätsausschuss zu bringen, anzusehen gewesen sei.

33      Als Drittes macht die Kommission geltend, die Klage sei, wenn das Schreiben der Klägerin vom 11. Dezember 2006 als Beschwerde gegen die Entscheidung, in ihrem Fall einen medizinischen Vorbehalt zu verfügen, anzusehen gewesen sei, verfrüht erhoben worden. Denn in diesem Fall wäre die Beschwerde vor Erschöpfung des in den BSB vorgesehenen Einspruchsverfahrens vor dem Invaliditätsausschuss erhoben worden. Der Rat teilt diese Auffassung.

34      Die Klägerin hält dem in ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz entgegen, dass es sich bei der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 14. September 2006, ihr gegenüber beim Abschluss des Vertrags als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten einen medizinischen Vorbehalt zu machen, um eine endgültige Entscheidung handele. Zudem habe die Anstellungsbehörde den Invaliditätsausschuss nicht angerufen, um in rechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob in ihrem Fall Art. 100 BSB Anwendung finden könne. Der Invaliditätsausschuss könne nämlich nur mit medizinischen Fragen befasst werden. Überdies sei die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 7. September 2007, mit der der medizinische Vorbehalt im Hinblick auf die Schlussfolgerungen dieses Ausschusses aufrechterhalten worden sei, rein bestätigender Natur.

 Würdigung durch das Gericht

35      Aus dem Gegenstand und den Anträgen der Klage in der Rechtssache F‑69/07 ergibt sich, dass die Klägerin nicht die Laufzeit ihrer früheren Verträge, in deren Rahmen sie als örtliche Bedienstete oder als Hilfskraft beschäftigt war, beanstandet. Sie beantragt auch nicht die Aufhebung einer Weigerung, den Invaliditätsausschuss anzurufen, die erfolgt sein soll. Mithin sind die ersten beiden der von der Kommission geltend gemachten Unzulässigkeitseinreden zurückzuweisen.

36      Es bleibt zu prüfen, ob der gegen den medizinischen Vorbehalt gerichtete Antrag der Klage in der Rechtssache F‑69/07 verfrüht ist, weil die entsprechende Beschwerde vor der Ausschöpfung des Einspruchverfahrens vor dem Invaliditätsausschuss eingelegt worden ist.

37      Hierzu ist festzustellen, dass der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. b des Statuts vorgesehene Invaliditätsausschuss wie jeder Ärzteausschuss (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 1987, Rienzi/Kommission, 76/84, Slg. 1987, 315, Randnrn. 9 bis 12; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. Juli 1997, S/Gerichtshof, T‑4/96, Slg. 1997, II‑1125, Randnrn. 41 und 59) nur befugt ist, eine Stellungnahme zu sämtlichen entscheidungserheblichen Gesichtspunkten abzugeben, die einer medizinischen Beurteilung unterliegen, nicht aber darin, rechtliche Wertungen vorzunehmen. Im Übrigen ist die Anstellungsbehörde in medizinischer Hinsicht an die Schlussfolgerungen dieses Ausschusses gebunden (Beschluss des Gerichtshofs vom 11. Dezember 1986, Suss/Kommission, 25/86, Slg. 1986, 3929, Randnr. 6, und Urteil des Gerichtshofs vom 19. Juni 1992, V/Parlament, C‑18/91 P, Slg. 1992, I‑3997, Randnr. 26).

38      Der Einspruch vor dem Invaliditätsausschuss gemäß Art. 100 Abs. 2 BSB kann sich mithin nur gegen eine Feststellung medizinischer Art richten, und ein Bediensteter kann keinesfalls gezwungen sein, dieses Verfahren auszuschöpfen, wenn seine Kritik nicht dieser Art ist.

39      Wie aus dem oben in Randnr. 11 genannten Schreiben der Klägerin vom 11. Dezember 2006 hervorgeht, hat die Klägerin aber zum einen bei der Anstellungsbehörde eine auf rechtliche Einwände gegen die Befristung ihres Vertrags und den darin enthaltenen medizinischen Vorbehalt gestützte Beschwerde eingelegt und zum anderen „auch Einspruch erhoben“ vor dem Invaliditätsausschuss, wenn auch nur „vorsorglich“.

40      Mit ihrer Entscheidung vom 30. März 2007 hat die Anstellungsbehörde die Beschwerde der Klägerin, soweit sie gegen die Laufzeit des Vertrags gerichtet war, zurückgewiesen. Sie hat ferner festgestellt, dass Einspruch vor dem Invaliditätsausschuss eingelegt worden sei, und mitgeteilt, dass sie alles für die Anrufung dieses Ausschusses Erforderliche veranlasst habe. Die Anstellungsbehörde hat in dieser Entscheidung aber auch über die Beschwerde entschieden, soweit diese gegen die rechtliche Wirksamkeit des medizinischen Vorbehalts gerichtet war. Sie kommt nach einer abschließenden rechtlichen Würdigung zu dem Schluss, dass „den Argumenten [der Klägerin] … nicht gefolgt werden [könne]“.

41      Im Übrigen ist die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 7. September 2007, mit der Schlüsse aus den Schlussfolgerungen des Invaliditätsausschusses gezogen werden, auf Art. 100 BSB gestützt, und nicht auf Art. 90 des Status, auf den sich die Kommission normalerweise hätte beziehen müssen, wenn sie der Auffassung gewesen wäre, dass diese Entscheidung auf die Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 hin ergehe.

42      Mithin hat die Klägerin von zwei verschiedenen Rechtsbehelfen mit unterschiedlichen Zielen Gebrauch gemacht, die von der Kommission auch entsprechend behandelt worden sind.

43      Folglich sind die Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 und die anschließende Klage vor dem Gericht nicht deshalb als verfrüht anzusehen, weil diese Beschwerde vor der Erschöpfung des Verfahrens gemäß Art. 100 BSB eingelegt worden ist.

44      Dennoch ist von Amts wegen zu prüfen, wie sich die Zulässigkeit der Klage F‑69/07 auf die Zulässigkeit der Klage F‑60/08 auswirkt.

2.     Zur Zulässigkeit der Klage F‑60/08

45      Eine beschwerende Maßnahme der Anstellungsbehörde kann nur Gegenstand einer einzigen Beschwerde sein, die vom betroffenen Bediensteten gegen sie eingelegt wird. Haben zwei Beschwerden denselben Gegenstand, so ist nur eine von ihnen, nämlich diejenige, die als erste eingelegt wurde, eine Beschwerde im Sinne von Art. 90 des Statuts, während die andere, später eingelegte als bloße Wiederholung der Beschwerde anzusehen ist und keine Verlängerung des Verfahrens bewirken kann (vgl. in diesem Sinne Beschlüsse des Gerichts erster Instanz vom 7. Juni 1991, Weyrich/Kommission, T‑14/91, Slg. 1991, II‑235, Randnr. 41, und vom 25. Februar 1992, Torre/Kommission, T‑67/91, Slg. 1992, II‑261, Randnr. 32; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 11. Dezember 2007, Sack/Kommission, T‑66/05, Slg. ÖD 2007 I-A-2-0000 und II-A-2-0000, Randnrn. 37 und 41).

46      In der sogenannten Beschwerde vom 22. November 2007 gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 7. September 2007, mit der im Hinblick auf die Schlussfolgerungen des Invaliditätsausschusses für den Fall der Klägerin noch einmal der fragliche medizinische Vorbehalt verfügt worden ist, hat die Klägerin die rechtlichen Argumente wiederholt, die sie in ihrer Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 vorgebracht hatte.

47      Mithin hatte die sogenannte Beschwerde vom 22. November 2007 denselben Gegenstand wie die Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 und richtete sich gegen eine Entscheidung, mit der nur – ohne dass die bereits am 30. März 2007 entschiedenen rechtlichen Fragen von neuem aufgeworfen wurden – die Konsequenzen aus den medizinischen Schlussfolgerungen des Invaliditätsausschusses gezogen wurden, nach denen es nach Auffassung der Anstellungsbehörde bereits gerechtfertigt war, im Fall der Klägerin einen medizinischen Vorbehalt zu verfügen.

48      Folglich ist zum einen festzustellen, dass es sich bei der sogenannten Beschwerde vom 22. November 2007 um eine bloße Wiederholung, und nicht um eine Beschwerde im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts, gehandelt hat, und zum anderen, dass die Entscheidung, mit der diese sogenannte Beschwerde zurückgewiesen worden ist, nur eine Bestätigung darstellt, gegen die folglich kein Rechtsbehelf gegeben ist.

49      Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Anstellungsbehörde die Zurückweisung der sogenannten zweiten Beschwerde vom 14. März 2008 hinsichtlich des medizinischen Vorbehalts ausführlicher begründet hat als ihre Entscheidung vom 30. März 2007, mit der sie die Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 zurückgewiesen hatte. Die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 14. März 2008 ist zwar ergangen, nachdem die Schlussfolgerungen des Invaliditätsausschusses, der den Gesundheitszustand der Klägerin neu untersucht hatte, vorlagen; aus den darin enthaltenen Ausführungen zu der Frage, ob gegenüber der Klägerin ein medizinischer Vorbehalt auszusprechen sei, geht aber nicht hervor, dass eine wirkliche Überprüfung ihrer Arbeitsfähigkeit vorgenommen worden wäre. Es handelt sich lediglich um eine Erweiterung der Begründung der Entscheidung vom 30. März 2007, mit der die erste Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Die Anstellungsbehörde weist nämlich in ihrer Entscheidung vom 14. März 2008 darauf hin, dass sie darin die Argumentation aus ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache F‑69/07 aufgreife, in der die Klage wegen der Zurückweisung dieser ersten Beschwerde erhoben worden sei. Eine Entscheidung, die nur Klarstellungen enthält, gibt aber nur die Gründe an, aus denen die frühere Entscheidung bestätigt wird, und stellt keine beschwerende Maßnahme dar (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 7. Juni 2005, Cavallaro/Kommission, T‑375/02, Slg. ÖD 2005, I‑A‑151 und II‑673, Randnr. 65).

50      Dieses Ergebnis steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung, wonach eine auf Aufhebung einer bestätigenden Entscheidung gerichtete Klage nur dann unzulässig ist, wenn die bestätigte Entscheidung für den Betroffenen Bestandskraft erlangt hat, weil gegen sie nicht fristgemäß Klage erhoben worden ist, während der Kläger andernfalls berechtigt ist, gegen die bestätigte oder die bestätigende Entscheidung oder gegen beide vorzugehen. Diese Lösung kann nämlich nicht auf einen Fall wie den vorliegenden übertragen werden, in dem die bestätigte Entscheidung und die bestätigende Entscheidung mit zwei verschiedenen Klagen angefochten werden und der Kläger im Rahmen der ersten Klage seinen Standpunkt vertreten und seine Argumente vorbringen kann (Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 25. Oktober 2001, Métropole télévision – M6/Kommission, T‑354/00, Slg. 2001, II‑3177, Randnr. 35).

51      Die Klage in der Rechtssache F‑60/08 ist daher als unzulässig abzuweisen.

3.     Zur Begründetheit der Klage F‑69/07

52      Die Klägerin wendet sich zum einen gegen die Beschränkung der Laufzeit ihres Vertrags auf die Zeit vom 16. September 2006 bis 15. September 2009 und zum anderen gegen die Verfügung des medizinischen Vorbehalts gemäß Art. 100 BSB.

 Zur Klage, soweit sie gegen die Laufzeit des Vertrags gerichtet ist

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

53      Die Klägerin stützt ihre Klage, soweit diese gegen die Laufzeit ihres Vertrags gerichtet ist, im Wesentlichen auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie geltend, die Entscheidung, mit der die Laufzeit ihres Vertrags beschränkt worden sei, verletze ihr Recht auf ein beständiges Beschäftigungsverhältnis, und die Zurückweisung ihrer Beschwerde sei unzureichend begründet. Hilfsweise erhebt sie mit dem zweiten Klagegrund die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB.

54      Als Erstes macht die Klägerin unter Berufung auf das Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2006, Landgren/ETF (F‑1/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑1‑123 und II‑A‑1‑459; dieses Urteil ist Gegenstand eines beim Gericht erster Instanz anhängigen Rechtsmittels, Rechtssache T‑404/06 P), geltend, unbefristete Verträge seien wegen der Entwicklung, die der Schutz der Arbeitnehmer genommen habe, die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Befristete Arbeitsverträge könnten nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen.

55      Sie sei seit dem 1. Mai 2001 bei der Kommission beschäftigt, und zwar im Rahmen von fünfzehn aufeinanderfolgenden befristeten Verträgen; die Kommission habe diese Vertragsform missbraucht und ihr Recht auf ein beständiges Beschäftigungsverhältnis verletzt.

56      Sie habe sich in ihrer Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 auf das Recht auf ein beständiges Beschäftigungsverhältnis und auf die Bestimmungen der am 18. Oktober 1961 in Turin unterzeichneten Europäischen Sozialcharta und der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1, im Folgenden: Charta der Grundrechte) berufen. Die Kommission sei bei der Zurückweisung ihrer Beschwerde nicht auf ihr Vorbringen eingegangen. Sie habe sich in keiner Weise zu Umständen geäußert, die die Aufeinanderfolge von fünfzehn befristeten Verträgen rechtfertigen könnten, und nicht dargelegt, inwiefern diese Aufeinanderfolge den Bedürfnissen der beiden Vertragsparteien entspreche.

57      Als Zweites macht die Klägerin geltend, die Entscheidung, die Laufzeit ihres Vertrags am 15. September 2009 enden zu lassen, sei auf Art. 88 BSB gestützt, und diese Vorschrift sei ihrerseits rechtswidrig, da sie „ … gegen die Rechtsgrundsätze über den Schutz der Arbeitnehmer [verstoße]“.

58      In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Rats präzisiert die Klägerin, dass sich aus der Richtlinie 1999/70 ein allgemeiner Grundsatz der Beständigkeit der Beschäftigungsverhältnisse ergebe. Diese Richtlinie und die ihr beigefügte Rahmenvereinbarung fänden auf mit einer völkerrechtlichen Einrichtung geschlossene Arbeitsverträge Anwendung. Im Übrigen verliere ein Unionsbürger dadurch, dass er bei einer solchen Einrichtung beschäftigt sei, nicht seine Arbeitnehmereigenschaft.

59      Bei den BSB und der Richtlinie 1999/70 handele es sich um gleichrangige Rechtsnormen; keine habe gegenüber der anderen Vorrang. Wenn solche Rechtsnormen allerdings sich widersprechende Rechtswirkungen erzeugten, sei diejenige anzuwenden, die den Anforderungen an die Begründung gemäß Art. 253 EG genüge.

60      In den BSB sei aber nicht begründet, warum die Anstellung von Bediensteten im Sinne von Art. 3b BSB auf drei Jahre beschränkt sei. Genauso wenig enthielten die BSB eine Rechtfertigung dafür, dass diese Bediensten anders behandelt würden als diejenigen, die gemäß Art. 3a BSB eingestellt würden, deren Vertrag auf unbestimmte Dauer verlängert werden könne. Ferner enthielten die BSB auch keine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der Vertragsbediensten, die wie sie gemäß Art. 3b BSB eingestellt würden, nachdem sie mit dem Organ, das sie anstelle, durch aufeinanderfolgende befristete Verträge verbunden seien, um Tätigkeiten auszuüben, die dauernd seien. Überdies enthielten weder die BSB noch die Entscheidung, mit der die Laufzeit ihres Vertrags beschränkt worden sei, eine Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung der oben genannten Bediensteten gegenüber den Arbeitnehmern, die in einem Mitgliedstaat solche Tätigkeiten ausübten. Mithin sei in den BSB nicht begründet, warum es nach den BSB möglich sei, von Paragraph 5 der Rahmenvereinbarung abzuweichen und Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten für dauernde, mit dem normalen Betrieb des Organs einhergehende Aufgaben befristet einzustellen.

61      Der Rat hält die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB für unzulässig; die Klageschrift enthalte dazu keinerlei Ausführungen. Insbesondere sei die Einrede der Rechtswidrigkeit auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Schutzes der Arbeitnehmer gestützt, ohne dass dies in irgendeiner Weise präzisiert werde.

62      Nach Auffassung der Kommission und des Rats können sich die Bediensteten, für die die BSB gelten, jedenfalls auf keinen allgemeinen Grundsatz der Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses berufen. Diese komme nur den Beamten zugute. Nach der Rechtsprechung sei vielmehr anerkannt, dass befristete Verträge unter bestimmten Umständen sowohl den Bedürfnissen der Arbeitgeber als auch denjenigen der Arbeitnehmer entsprächen. Nach dieser Rechtsprechung entspreche der Rückgriff auf Beamte, für die das Statut gelte, oder Bedienstete, für die die verschiedenen Kategorien von Verträgen gelten würden, den legitimen Bedürfnissen der Gemeinschaftsverwaltung sowie der Natur der – dauernden oder vorübergehenden – Aufgaben, die diese zu erfüllen habe.

63      Der Rat weist insoweit darauf hin, dass nach Art. 3b BSB Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten nur eingestellt werden könnten, um andere Tätigkeiten als die in Art. 3a BSB genannten manuellen oder unterstützenden verwaltungstechnischen Tätigkeiten auszuüben oder um Personen zu vertreten, wenn diese ihre Tätigkeit zeitweilig nicht ausüben könnten.

64      Dadurch, dass die Beschäftigungszeit der Vertragsbediensteten für Hilfstätigkeiten nach Art. 88 BSB auf drei Jahre beschränkt sei, werde ein missbräuchlicher Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Verträge verhindert.

65      Die Kommission und der Rat kommen zu dem Schluss, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB zurückzuweisen sei, da der gegen diese Vorschrift angeführte Grundsatz der Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses im vorliegenden Fall keine Anwendung finde.

66      Die Kommission stellt weiter fest, dass die Befristung des Vertrags der Klägerin auf drei Jahre in Einklang mit Art. 88 BSB stehe.

 Würdigung durch das Gericht

67      Auch wenn die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB nur hilfsweise erhoben worden ist, ist sie als Erstes zu prüfen.

–       Zur Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB

68      Die Klägerin macht in ihrer Klageschrift geltend, Art. 88 BSB verstoße gegen die Rechtsgrundsätze über den Schutz der Arbeitnehmer. In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Rats macht sie ferner geltend, diese Vorschrift sei nicht gemäß Art. 253 EG begründet.

69      Als Erstes ist zum einen das Vorbringen des Rats zurückzuweisen, die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB, wonach diese Vorschrift gegen die „Rechtsgrundsätze über den Schutz der Arbeitnehmer“ verstoße, sei unzulässig, weil die Klageschrift dazu keine weiteren Ausführungen enthalte.

70      Denn indem die Klägerin geltend macht, dass Art. 88 BSB aus diesem Grund rechtswidrig sei, beruft sie sich auf ein Recht auf Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses, das bestehen soll und aus dessen Verletzung sie unmittelbar auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung schließt, mit der die Laufzeit ihres Vertrags beschränkt worden ist. Sie stützt somit ihre Einrede der Rechtswidrigkeit auf dieselbe Argumentation. Die Kommission und der Rat haben dies auch so verstanden und entsprechend erwidert.

71      Zum anderen ist festzustellen, dass die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB, soweit sie darauf gestützt ist, dass diese Vorschrift nicht begründet sei, zulässig ist, auch wenn sie von der Klägerin erst im Laufe des Verfahrens erhoben worden ist; denn sie bezieht sich auf eine zwingendes Recht betreffende Rüge, die in jedem Stadium des Verfahrens erhoben und vom Gemeinschaftsrichter jedenfalls von Amts wegen geprüft werden kann.

72      Es ist also als Zweites zu prüfen, ob Art. 88 BSB gegen einen Grundsatz der Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses verstößt.

73      Im vorliegenden Fall macht die Klägerin nicht geltend, dass Art. 88 BSB gegen die Richtlinie 1999/70 und die Rahmenvereinbarung als solche verstoße. Sie macht geltend, dass der Rat die Vorschriften dieser Rahmenvereinbarung, indem er diese Richtlinie erlassen habe, für alle Mitgliedstaaten verbindlich gemacht habe und dass diese Vorschriften allgemeine Rechtsgrundsätze darstellten, die für die Organe verbindlich seien; das Recht auf Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses gehöre zur ersten Reihe dieser Grundsätze.

74      Zwar enthält die Rahmenvereinbarung nach Nr. 10 ihrer Allgemeinen Erwägungen „[allgemeine] Grundsätze, Mindestvorschriften und Bestimmungen“; aus Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 1999/70 sowie aus dem dritten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung, Nr. 9 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung und den Paragraphen 1 und 4 der Rahmenvereinbarung ergibt sich aber, dass es sich bei diesen Grundsätzen um den Grundsatz der Nichtdiskriminierung – u. a. von Männern und Frauen – und den Grundsatz des Verbots des Rechtsmissbrauchs handelt. Was die Bestimmung des Paragrafen 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung angeht, auf die sich die Klägerin beruft, so enthält diese Mindestvorschriften, um dem wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge einen Rahmen zu setzen und den missbräuchlichen Rückgriff auf solche Verträge und die Prekarisierung der Lage der davon betroffenen Arbeitnehmer zu verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnr. 63, und vom 23. April 2009, Angelidaki u. a., C‑378/07 bis C‑380/07, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 73, sowie Beschluss des Gerichtshofs vom 24. April 2009, Koukou, C‑519/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 53). Solche Mindestschutzvorschriften sind zwar besonders wichtige Regeln des Sozialrechts der Gemeinschaft (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2007, Del Cerro Alonso, C‑307/05, Slg. 2007, I‑7109, Randnr. 27); aber mit ihnen wird kein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses aufgestellt, anhand dessen die Rechtmäßigkeit der Handlung eines Organs beurteilt werden könnte.

75      Denn auch wenn die Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellt (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 22. November 2005, Mangold, C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981, Randnr. 64, vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnr. 87, und Angelidaki u. a., Randnr. 105), geht aus der Rahmenvereinbarung keineswegs hervor, dass sie als zwingende Rechtsvorschrift festgelegt worden wäre. Im Übrigen wird in den Erwägungsgründen 6 und 7 der Richtlinie 1999/70 sowie im ersten Absatz der Präambel und Nr. 5 der Allgemeinen Erwägungen der Rahmenvereinbarung betont, dass es notwendig ist, ein besseres Gleichgewicht zwischen der „Flexibilisierung der Arbeitszeit und Absicherung der Arbeitnehmer“ zu erreichen. Außerdem stellt die Rahmenvereinbarung, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, keine allgemeine Verpflichtung auf, vorzusehen, dass befristete Arbeitsverträge nach einer bestimmten Zahl von Verlängerungen oder einer bestimmten Beschäftigungszeit in unbefristete Verträge umgewandelt werden müssten (vgl. in diesem Sinne Urteile Adeneler u. a., Randnr. 91, und Angelidaki u. a., Randnr. 183, Urteil des Gerichtshofs vom 7. September 2006, Marrosu und Sardino, C‑53/04, Slg. 2006, I‑7213, Randnr. 47, und Beschluss Koukou, Randnr. 85).

76      Auch wenn die Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses also nicht als allgemeiner Rechtsgrundsatz angesehen werden kann, ist sie dennoch ein Ziel, das von den Unterzeichnerparteien der Rahmenvereinbarung verfolgt wird; denn gemäß Paragraf 1 Buchst. b der Rahmenvereinbarung soll diese „einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse verhindert“ (Urteil des Gerichts vom 30. April 2009, Aayhan u. a./Parlament, F‑65/07, Slg. 2009, I-0000, Randnrn. 114 f.).

77      Jedenfalls ergibt sich aus dem Urteil des Gerichts vom 4. Juni 2009, Adjemian u. a./Kommission (F‑134/07 und F‑8/08, Slg. ÖD 2009, I-A-1-0000 und II-A-1-0000, Randnrn. 119 bis 136), dass Art. 88 BSB im Hinblick auf die besonderen Wesensmerkmale der in Art. 3b BSB genannten Tätigkeiten nicht den Zielen der Rahmenvereinbarung zuwiderläuft und nicht gegen die Mindestschutzbestimmungen des Paragrafen 5 der Rahmenvereinbarung verstößt. Denn Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung legt den Mitgliedstaaten nur die Verpflichtung auf, in ihrer Rechtsordnung eine oder mehrere der in den Buchst. a bis c genannten Maßnahmen zu ergreifen, u. a. „sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen“ (Buchst. a). Die Einstellung eines Vertragsbediensteten für Hilfstätigkeiten muss nach Art. 3b BSB aber stets einem konkreten vorübergehenden oder zeitweiligen Bedarf entsprechen. Überdies entsteht bei einer Behörde, die so viele Mitarbeiter zählt wie die Kommission, zwangsläufig immer wieder ein solcher Bedarf, insbesondere wegen der Nichtverfügbarkeit von Beamten, der lagebedingten Zunahme des Arbeitsanfalls oder der in jeder Generaldirektion unumgänglichen gelegentlichen Mitarbeit von Personen mit spezifischen Qualifikationen und Kenntnissen – Umstände, die insgesamt betrachtet sachliche Gründe darstellen, die sowohl die Befristung der Verträge der Vertragsbediensteten für Hilfstätigkeiten als auch deren Verlängerung je nach Bedarf rechtfertigen.

78      Nach alledem kann die Einrede der Nichtigkeit des Art. 88 BSB nicht auf einen allgemeinen Grundsatz der Stabilität des Beschäftigungsverhältnisses gestützt werden; zudem ist nicht ersichtlich, dass diese Vorschrift den Zielen der Rahmenvereinbarung im Anhang der Richtlinie 1999/70 zuwiderliefe oder gegen deren Mindestschutzvorschriften verstieße.

79      Als Drittes ist noch das Vorbringen zu prüfen, Art. 88 BSB sei nicht gemäß Art. 253 EG begründet.

80      Hierzu ist festzustellen, dass die in Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung nach ständiger Rechtsprechung dem Wesen des betreffenden Rechtsakts angepasst sein muss. Handelt es sich wie im vorliegenden Fall um einen Rechtsakt, der allgemein gelten soll, so kann sich die Begründung darauf beschränken, die Gesamtlage anzugeben, die zu seinem Erlass geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihm erreicht werden sollen. Außerdem hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass es, wenn aus einem Rechtsakt mit allgemeiner Geltung das von dem Organ verfolgte Ziel in seinen wesentlichen Zügen hervorgeht, übertrieben wäre, eine besondere Begründung für die verschiedenen technischen Entscheidungen, die das Organ getroffen hat, zu verlangen (Urteil des Gerichts vom 23. Januar 2007, Chassagne/Kommission, F‑43/05, Slg. ÖD 2007, I-A-1-0000 und II-A-1-0000, Randnrn. 105 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).

81      Im vorliegenden Fall hat das Gericht bereits festgestellt, dass der 36. Erwägungsgrund der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 zur Änderung des Statuts und der BSB (ABl. L 124, S. 1) das mit der Schaffung neuer Kategorien von Vertragsbediensteten im Sinne der Art. 3a und 3b BSB verfolgte Ziel ausreichend begründet. Das Gericht hat ferner festgestellt, dass dem Rat nicht vorgeworfen werden kann, seine Entscheidung nicht im Hinblick auf Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung begründet zu haben, da sich aus Art. 249 Abs. 3 EG ergibt, dass Richtlinien nur an die Mitgliedstaaten gerichtet sind (oben in Randnr. 77 angeführtes Urteil Adjemian u. a./Kommission, Randnrn. 139 bis 142). Und schließlich war eine besondere Begründung umso weniger geboten, als, wie bereits in Randnr. 77 ausgeführt, Art. 88 BSB den Zielen der Rahmenvereinbarung nicht zuwiderläuft und auch nicht gegen die darin vorgesehenen Mindestschutzbestimmungen verstößt.

82      Somit kann dem Rat nicht vorgeworfen werden, die Entscheidung, von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung abzuweichen, die er getroffen haben soll, nicht begründet zu haben. Es wäre auch übertrieben, ihm vorzuwerfen, er habe seine fachlichen Entscheidungen im Hinblick auf die von der Klägerin genannten, in Randnr. 60 des vorliegenden Urteils angeführten verschiedenen Kategorien von Bediensteten und nationalen Arbeitnehmern nicht besonders begründet.

83      Nach alledem ist die von der Klägerin erhobene Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 88 BSB zurückzuweisen.

–       Zu den unmittelbar gegen die Entscheidung über die Befristung des Vertrags der Klägerin gerichteten Rügen

84      Die Klägerin macht als Erstes geltend, sie sei bei der Kommission seit 1. Mai 2001 im Rahmen von fünfzehn aufeinanderfolgenden befristeten Verträgen beschäftigt, um dauernde Aufgaben zu erfüllen, wie sie mit der normalen Tätigkeit des Organs einhergingen. Sie wirft der Kommission somit vor, sie mit dem Vertrag als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten vom 14. September 2006 nicht unbefristet eingestellt zu haben.

85      Allerdings hat die Klägerin ihre Behauptung, sie habe in Wirklichkeit dauernde Aufgaben, wie sie mit den normalen Tätigkeiten der Kommission einhergingen, erfüllt, die nicht unter die in Art. 3b Buchst. b BSB genannten fielen, in ihren Schriftsätzen nicht mit konkreten und schlüssigen Angaben untermauert. Hierzu ist festzustellen, dass es nicht Sache des Gerichts ist, die Anlagen zur Klageschrift auf Angaben zu durchsuchen, die eine solche Lücke schließen könnten; denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (vgl. Urteile des Gerichts erster Instanz vom 18. Oktober 2001, X/EZB, T‑333/99, Slg. 2001, II‑3021, Randnr. 190, und vom 15. Oktober 2008, Mote/Parlament, T‑345/05, Slg. 2008, II‑2849, Randnr. 75).

86      Außerdem ergibt sich aus den Randnrn. 73 bis 73 des vorliegenden Urteils, dass Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz enthält und die Beständigkeit der Beschäftigungsverhältnisse auch keinen solchen darstellt. Zudem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass der Abschluss aufeinanderfolgender Verträge nicht einem spezifischen Bedarf der Kommission in dem in Randnr. 77 des vorliegenden Urteils genannten Sinne entsprach, sondern mit ihm ein ständiger und dauernder Bedarf des Organs gedeckt werden sollte.

87      Folglich ist die erste sich auf die Vertragslaufzeit beziehende Rüge der Klägerin gegen den Vertrag als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten vom 14. September 2006 zurückzuweisen.

88      Die Klägerin macht als Zweites geltend, die Anstellungsbehörde sei in ihrer Entscheidung vom 30. März 2007 nicht auf die Argumente eingegangen, die sie in ihrer Beschwerde vom 11. und 14. Dezember 2006 aus der Charta der Grundrechte, der Europäischen Sozialcharta und dem Recht auf Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses abgeleitet habe. Auch habe die Anstellungsbehörde nicht dargelegt, inwiefern der Abschluss von fünfzehn aufeinanderfolgenden Verträgen den Bedürfnissen der Vertragsparteien entspreche und wodurch die Ungleichbehandlung, die sie gegenüber anderen Arbeitnehmern erfahre, die in einem Mitgliedstaat bei öffentlichen oder privaten Arbeitgebern beschäftigt seien, gerechtfertigt sei.

89      Hierzu ist zunächst aber festzustellen, dass die Klägerin die Art. 34 und 35 der Charta der Grundrechte und die Art. 12 und 13 der Europäischen Sozialcharta in ihrer Beschwerde vom 11. Dezember 2006 im Rahmen der Beschreibung des rechtlichen Rahmens lediglich angeführt hat, ohne irgendein Argument daraus herzuleiten und ohne diese Vorschriften dann bei den „zur Stützung ihrer Klage“ geltend gemachten Vorschriften und Grundsätzen anzuführen.

90      Die Begründung muss nicht erschöpfend sein; sie muss es dem Gemeinschaftsrichter aber ermöglichen, die angefochtene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, und den Betroffenen so ausreichend unterrichten, dass er erkennen kann, ob die Entscheidung rechtmäßig oder mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung erlaubt (Urteile des Gerichts erster Instanz vom 23. April 2002, Campolargo/Kommission, T‑372/00, Slg. ÖD 2002, I‑A‑49 und II‑223, Randnr. 49, und vom 17. Oktober 2006, Bonnet/Gerichtshof, T‑406/04, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑213 und II‑A‑2‑1097, Randnr. 67). Von den Organen kann auch nicht verlangt werden, dass sie auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte eingehen, die im Verwaltungsverfahren – insbesondere beiläufig – erörtert worden sind. Mithin hat die Anstellungsbehörde ihre Pflicht, die Zurückweisung der Beschwerde, soweit diese gegen die Befristung des der Klägerin angebotenen Vertrags als Vertragsbedienstete gerichtet war, zu begründen, dadurch, dass sie ihre Entscheidung nicht im Hinblick auf die genannten Vorschriften der Charta der Grundrechte und der Europäischen Sozialcharta begründet hat, nicht verletzt. Im Übrigen durfte die Anstellungsbehörde davon ausgehen, dass diese Vorschriften nur im Hinblick auf den zweiten Beschwerdegrund, der gegen den gegenüber der Klägerin erklärten medizinischen Vorbehalt gerichtet war, angeführt worden waren.

91      Außerdem hat die Klägerin in ihrer Beschwerde vom 11. und 14. Dezember nicht ausdrücklich eine mögliche Ungleichbehandlung zwischen ihr und den Arbeitnehmern im öffentlichen oder privaten Sektor eines Mitgliedstaats geltend gemacht.

92      Auch geht aus den Ausführungen in der Beschwerdeerweiterung vom 14. Dezember 2006 hervor, dass damit das ursprüngliche Vorbringen der Klägerin im Hinblick auf den medizinischen Vorbehalt ergänzt worden ist, nicht aber im Hinblick auf den Beschwerdegrund der Laufzeit des Vertrags.

93      Und schließlich ist die Anstellungsbehörde auf das Vorbringen der Klägerin zum Recht auf Beständigkeit des Beschäftigungsverhältnisses eingegangen, indem sie u. a. geltend gemacht hat, dass unbefristete Verträge zwar zweifellos eine höhere Beständigkeit böten, dass dies aber nicht bedeute, dass befristete Verträge deshalb rechtswidrig seien. Sie hat auch auf den Ermessensspielraum hingewiesen, über den sie in diesem Bereich verfüge, und betont, dass mit den befristeten Verträgen als Hilfskräfte konkret einem vorübergehenden, dringlichen oder genau definierten Bedarf habe entsprochen werden sollen, und hat somit zu der von der Klägerin wegen des Aufeinanderfolgens ihrer Einstellungen erhobenen Rüge Stellung genommen.

94      Mithin ist die zweite sich auf die Vertragslaufzeit beziehende Rüge der Klägerin gegen den Vertrag als Vertragsbedienstete für Hilfstätigkeiten vom 14. September 2006 unbegründet.

95      Nach alledem ist die Klage, soweit sie gegen die Laufzeit des Vertrags gerichtet ist, abzuweisen.

 Zur Klage, soweit sie gegen den medizinischen Vorbehalt gerichtet ist

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

–       Vorbringen der Klägerin

96      Die Klägerin stützt ihre Klage, soweit diese gegen den medizinischen Vorbehalt gerichtet ist, auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht die Klägerin einen Verstoß gegen Art. 100 BSB geltend; mit dem zweiten Klagegrund macht die Klägerin hilfsweise die Einrede der Rechtswidrigkeit dieser Vorschrift geltend.

97      Was den ersten Klagegrund angeht, so ruft die Klägerin zunächst in Erinnerung, dass die Anstellungsbehörde nach Art. 100 BSB verfügen könne, dass bei einem Vertragsbediensteten die für den Fall der Invalidität oder des Todes vorgesehenen Garantien für Folgeerscheinungen einer bei der ärztlichen Untersuchung vor der Einstellung festgestellten Krankheit fünf Jahre ab seinem Eintritt in den Dienst des Organs nicht wirksam seien.

98      Der Eintritt in den Dienst im Sinne von Art. 100 BSB sei unabhängig von der Natur der vertraglichen oder statutarischen Beziehungen zwischen dem Organ und dem Bediensteten. Im Übrigen stellten aufeinanderfolgende befristete Verträge in Wirklichkeit ein einziges Arbeitsverhältnis dar. Folglich hätte in ihrem Fall ein medizinischer Vorbehalt nur für die Zeit vom 1. Mai 2001, dem Tag ihres ersten Dienstantritts, bis zum 30. April 2006 verfügt werden können.

99      Durch den medizinischen Vorbehalt werde ihr ein angemessener sozialer Schutz entzogen; dies verstoße gegen allgemeine Grundsätze, wie sie zum einen den Art. 12 und 13 der Europäischen Sozialcharta zugrunde lägen, die das Recht auf soziale Sicherheit und das Recht auf Fürsorge beträfen, und zum anderen den Art. 34 und 35 der Charta der Grundrechte, die das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit, insbesondere im Krankheitsfall, bzw. den Gesundheitsschutz beträfen.

100    Und schließlich wiederholt die Klägerin, dass der Begriff des Eintritts in den Dienst im Sinne von Art. 100 BSB unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem – nationalen oder gemeinschaftlichen – System der sozialen Sicherheit sei; die Entscheidung, in ihrem Fall einen medizinischen Vorbehalt zu verfügen, habe die Sicherung im Invaliditäts- oder Todesfall gemindert, über die sie nach den ungarischen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit und dann nach den belgischen Rechtsvorschriften verfügt habe, als sie bei der Kommission als örtliche Bedienstete und dann als Hilfskraft beschäftigt gewesen sei. Sie sei seit dem 1. Mai 2001 ununterbrochen bei der Kommission beschäftigt; ebenso wenig wie jeder andere Arbeitgeber könnten die Organe der Gemeinschaft ihre Beschäftigten einem unsicheren System der sozialen Sicherheit unterwerfen, indem sie ständig den Gesundheitszustand der betreffenden Bediensteten neu untersuchten.

101    Zum zweiten Klagegrund macht die Klägerin geltend, dass, wenn die Entscheidung, ihr gegenüber einen medizinischen Vorbehalt zu erklären, mit Art. 100 BSB in Einklang stehen sollte, festzustellen sei, dass diese Vorschrift gegen „die allgemeinen Rechtsgrundsätze über den Schutz der Arbeitnehmer“ verstoße.

102    In ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz des Rats präzisiert die Klägerin, dass die Anwendung von Art. 100 BSB unter den Umständen des vorliegenden Falls auf einer Rechtsfiktion beruhe, nämlich der Vorstellung, dass die aufeinanderfolgenden befristeten Verträge als ebenso viele voneinander unabhängige Arbeitsverhältnisse anzusehen seien. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes sei es aber geboten, der Wirklichkeit eines ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses Rechnung zu tragen, um zu verhindern, dass die Organe der Gemeinschaft ihre Bediensteten einem unsicheren, durch ständige erneute Untersuchungen ihres Gesundheitszustands gekennzeichneten System der sozialen Sicherheit unterwerfen würden.

–       Vorbringen der Kommission und des Rats

103    Auf den ersten Klagegrund angeht entgegnet die Kommission, der zu Titel IV („Vertragsbedienstete“), Kapitel 8 („Sozialleistungen“), Abschnitt B („Sicherung im Invaliditäts- und Todesfall“) gehörende Art. 100 BSB könne auf Vertragsbedienstete erst ab deren Einstellung als Vertragsbedienstete Anwendung finden. Zudem sei in Art. 100 BSB von einer ärztlichen Untersuchung vor der Einstellung des Bediensteten als Vertragsbediensteter die Rede, so dass die darin vorgesehene Ausschlussfrist von fünf Jahren für die für den Fall der Invalidität oder des Todes vorgesehenen Garantien erst nach dieser Einstellung beginnen könne. Außerdem würde es keinen Sinn ergeben, diesen Zeitraum rückwirkend zu einem Zeitpunkt beginnen zu lassen, zu dem die betreffenden Rechte nicht bestanden hätten. Die Klägerin sei zunächst als örtliche Bedienstete beschäftigt gewesen, als welche sie dem System der sozialen Sicherheit ihres Landes angehört habe, dann als Hilfskraft, als welche sie dem belgischen System der sozialen Sicherheit angehört habe. Dem System der sozialen Sicherheit der Gemeinschaft habe sie erst angehört, als sie Vertragsbedienstete geworden sei.

104    Im Übrigen entspreche Art. 100 BSB dem Art. 1 des Anhangs VII des Statuts und Art. 32 BSB, die auf Beamte bzw. Bedienstete auf Zeit anwendbar seien. Hingegen enthielten die Vorschriften über die örtlichen Bediensteten und über die Hilfskräfte keine vergleichbare Bestimmung. Dieser Unterschied sei dadurch zu erklären, dass die Gemeinschaft einen medizinischen Vorbehalt nur für Bedienstete verfügen könne, die in den Anwendungsbereich des Systems der sozialen Sicherheit der Gemeinschaft fielen.

105    In Bezug auf den zweiten Klagegrund machen die Kommission und der Rat geltend, die Einrede der Rechtswidrigkeit von Art. 100 BSB sei unzulässig, da die Klageschrift keinerlei Ausführungen dazu enthalte. Selbst wenn die Einrede der Rechtswidrigkeit dahin auszulegen sein sollte, dass sie auch auf einen behaupteten Verstoß gegen das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit der Gemeinschaften, die Art. 12 und 13 der Europäischen Sozialcharta und die Art. 34 und 35 der Charta der Grundrechte gestützt sei, sei sie dennoch wegen des rein abstrakten Charakters des Vorbringens mangels ausreichend klarer und genauer Angaben, die es der Gegenseite ermöglichten, darauf zu erwidern, und dem Gericht, seine Kontrolle auszuüben, als unzulässig zurückzuweisen, und zwar wegen Verstoßes gegen Art. 44 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften.

106    Hinzu kommt nach Ansicht der Kommission, dass die Charta der Grundrechte rechtlich nicht verbindlich sei, und die Europäische Sozialcharta finde auf die Gemeinschaft keine Anwendung, da die Gemeinschaft sie nicht unterzeichnet habe und ihr auch nicht beigetreten sei.

107    Jedenfalls sei das Recht auf ein hohes Gesundheitsschutzniveau, wie es in diesen beiden Texten genannt sei, nicht verletzt worden. Für die Klägerin bestehe wie für jeden anderen Beamten oder sonstigen Bediensteten eine Sicherung bei Krankheit, und sie sei für jede Folgeerscheinung oder Nachwirkung einer anderen Krankheit als derjenigen, wegen derer der medizinische Vorbehalt verfügt worden sei, auch für den Fall der Invalidität und des Todes gesichert.

108    Der Rat macht geltend, jedenfalls erfolge der Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit nach Art. 34 Abs. 1 der Charta der Grundrechte nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder nach Art. 12 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta nach Maßgabe der von den von den Vertragsparteien beschlossenen Maßnahmen. Das Statut und die BSB könnten somit das für den europäischen öffentlichen Dienst geltende System der sozialen Sicherheit bestimmen. Überdies gelte Art. 34 der Charta der Grundrechte nicht für den Schutz wegen Invalidität oder Tod. Dasselbe gelte für Art. 35 der Charta der Grundrechte, in dem nur das Recht eines jeden Menschen auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften genannt sei. Durch Art. 100 BSB würden der Klägerin diese Garantien nicht entzogen. Im Übrigen gehe es in Art. 12 der Europäischen Sozialcharta darum, dass die Vertragsparteien ein System der sozialen Sicherheit einführten, dass dieses System auf einem befriedigenden Stand gehalten werde und Maßnahmen ergriffen würden, mit denen Vorteile beim Zu- und Abwandern von einer Vertragspartei zur anderen gewährleistet würden. Art. 13 der Europäischen Sozialcharta gewährleiste das Recht auf Fürsorge. Art. 100 BSB falle somit nicht in den Anwendungsbereich dieser beiden Vorschriften.

 Würdigung durch das Gericht

109    Nach den Art. 70 und 121 BSB werden die örtlichen Bediensteten und die Hilfskräfte einem nationalen gesetzlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossen, und zwar die örtlichen Bediensteten vorzugsweise demjenigen des Landes, in dem sie zuletzt versichert waren, oder demjenigen ihres Herkunftslandes, die Hilfskräfte demjenigen des Landes der dienstlichen Verwendung. Entsprechend gehörte im vorliegenden Fall die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 2001 bis 15. September 2006 als örtliche Bedienstete dem ungarischen und dann als Hilfskraft dem belgischen gesetzlichen System der sozialen Sicherheit an.

110    Hingegen werden die Vertragsbediensteten gemäß den Bestimmungen von Kapitel 8 („Sozialleistungen“) Titel IV („Vertragsbedienstete“) BSB gegen die verschiedenen sozialen Risiken gesichert, u. a. gemäß den Art. 99 bis 108 für den Invaliditäts- und Todesfall. Das heißt, dass die Klägerin ab dem 16. September 2006, dem Tag ihrer Einstellung als Vertragsbedienstete, nicht mehr den belgischen Vorschriften über die soziale Sicherheit unterlag, sondern dem durch die BSB geregelten System der sozialen Sicherheit angehörte.

111    Was die Sicherung im Invaliditäts- und Todesfall angeht, ist in Art. 100 BSB bestimmt: „Wird bei der ärztlichen Untersuchung vor der Einstellung des Bediensteten festgestellt, dass er krank oder gebrechlich ist, so kann die [Anstellungsbehörde] verfügen, dass die für den Fall der Invalidität oder des Todes vorgesehenen Garantien erst fünf Jahre nach seinem Eintritt in den Dienst des Organs wirksam werden, soweit es sich um Folgeerscheinungen oder Nachwirkungen der Krankheit oder des Gebrechens handelt.“ Eine vergleichbare Bestimmung findet sich für die Beamten in Art. 1 Abs. 1 des Anhangs VIII des Statuts und für die Bediensteten auf Zeit in Art. 32 BSB.

112    Aus dem Wortlaut von Art. 100 BSB geht klar hervor, dass die Anstellungsbehörde nach dieser Bestimmung lediglich die Möglichkeit hat, von dem medizinischen Vorbehalt Gebrauch zu machen, und zwar bei der Eingliederung des Bediensteten in das System der sozialen Sicherheit der Gemeinschaft, wenn bei der ärztlichen Einstellungsuntersuchung festgestellt wird, dass der Bedenstete eine Krankheit oder ein Gebrechen hat. Zudem gilt der Ausschluss von der Sicherung im Invaliditäts- oder Todesfall wegen dieser Krankheit oder wegen dieses Gebrechens für fünf Jahre „nach [dem] Eintritt [des Bediensteten] in den Dienst des Organs“.

113    Es ist klarzustellen, was unter „Eintritt in den Dienst des Organs“ zu verstehen ist, da sich die Verfahrensbeteiligten darüber nicht einig sind. Die Klägerin vertritt die Auffassung, es sei auf den Beginn der Tätigkeit des Betreffenden bei dem Organ abzustellen, unabhängig von der Art des Vertrags, mit der er mit diesem verbunden gewesen sei, was im vorliegenden Fall dem 1. Mai 2001, dem Tag ihrer Einstellung als örtliche Bedienstete, entspräche. Die Kommission hingegen vertritt die Auffassung, es sei auf den Beginn der Zugehörigkeit des Vertragsbediensteten zum System der sozialen Sicherheit der Gemeinschaften abzustellen, im vorliegenden Fall also auf den 16. September 2006.

114    Hierzu ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang und die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, sowie sämtliche Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a., 283/81, Slg. 1982, 3415, Randnr. 20, und vom 17. November 1983, Merck, 292/82, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Oktober 2005, Sumitomo Chemical und Sumika Fine Chemicals/Kommission, T‑22/02 und T‑23/02, Slg. 2005, II‑4065, Randnr. 47).

115    Nach der gewöhnlichen Bedeutung der in Art. 100 BSB verwendeten Begriffe wäre der Eintritt in den Dienst eines Organs mit dem Tag gleichzusetzen, an dem der betreffende Bedienstete seinen Dienst bei dem Organ aufgenommen hat, unabhängig von der Art des Vertrags, mit dem er mit dem Organ verbunden ist, was im vorliegenden Fall bedeuten würde, dass die Ausschlussfrist für die für den Fall der Invalidität und des Todes vorgesehenen Garantien am 1. Mai 2001 begonnen hätte. Allerdings hätte es, wie die Kommission geltend macht, überhaupt keinen Sinn, eine solche Ausschlussfrist vor dem Beginn der Zugehörigkeit des betreffenden Bediensteten zum System der sozialen Sicherheit der Gemeinschaften beginnen zu lassen.

116    Da eine Ausschlussfrist für die Sicherung gegen ein soziales Risiko ihrem Wesen nach erst beginnen kann, wenn die Regelung, mit der dieses Risiko gesichert wird, Anwendung findet, kann man die Ausschlussfrist für die für den Fall der Invalidität oder des Todes vorgesehenen Garantien nicht rückwirkend an dem Tag beginnen lassen, an dem die Klägerin den Dienst bei der Kommission aufgenommen hat, nämlich am 1. Mai 2001.

117    Allerdings sind bei der Auslegung von Art. 100 BSB nach den Umständen des Einzelfalls auch der Zusammenhang dieser Vorschrift, die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, sowie andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen.

118    Was zunächst den Zusammenhang von Art. 100 BSB und den Zweck der Regelung, zu der diese Vorschrift gehört, angeht, ist festzustellen, dass die Vorschrift zu einer Gesamtheit von Vorschriften der BSB gehört, mit denen für die Vertragsbediensteten ein hoher Schutz gegen die klassischen Risiken der sozialen Sicherheit, u. a. gegen das der Invalidität, gewährleistet werden soll. Die Kommission weist in ihren Schriftsätzen auf dieses Merkmal der gemeinschaftlichen Regelung hin, die ihrer Meinung nach auf dem Gebiet des Schutzes der Gesundheit und der sozialen Sicherheit dem Zweck der Charta der Grundrechte und der Europäischen Sozialcharta entspricht. In der mündlichen Verhandlung hat sie außerdem eingeräumt, dass es keinen Automatismus der Anwendung von Art. 100 BSB gebe, da die Anstellungsbehörde nach dieser Vorschrift lediglich die Möglichkeit habe, von dem medizinischen Vorbehalt Gebrauch zu machen.

119    Ferner wird der soziale Schutz, insbesondere die Sicherung für den Fall der Invalidität, bei den Vertragsbediensteten für Hilfstätigkeiten, wie im Übrigen bei den Beamten und Bediensteten auf Zeit, von dem Organ selbst gemäß den BSB durchgeführt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat aber mit dem Erlass der Verordnung Nr. 723/2004 in Art. 52 BSB eine Bestimmung eingeführt, nach der die Verträge als Hilfskraft zum 31. Dezember 2007 entfallen, in der Absicht, wie aus dem 36. Erwägungsgrund dieser Verordnung hervorgeht, diese Verträge durch Verträge als Vertragsbedienstete zu ersetzen. Es ist unstreitig, dass mit dieser Reform keine Maßnahmen zur Koordinierung der nationalen Invaliditätsversicherungssysteme, denen die Hilfskräfte angehörten, und des Invaliditätsversicherungssystems der Gemeinschaften, dem die Vertragsbediensteten angehören, einhergegangen sind, so wie sie allgemein im Zusammenhang mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft gemäß Art. 42 EG oder insbesondere in Gestalt von Art. 11 des Anhangs VIII des Status im Bereich der Rentenversicherung getroffen worden sind.

120    Unter diesen Umständen kann die Verwaltung, die Art. 100 BSB auf ehemalige Hilfskräfte anwendet, mit denen nach dem Willen der Kommission neue Verträge als Vertragsbedienstete geschlossen werden sollen, bei der Festlegung der Ausschlussfrist gemäß Art. 100 BSB, nicht einfach außer Acht lassen, dass die betreffenden Bediensteten vorher im Dienst der Kommission standen und nun wegen des durch die Reform des Statuts bedingten Wechsels der Vertragsart gezwungen sind, sich einem anderen System der sozialen Sicherheit anzuschließen.

121    Nach alledem entspricht es sowohl dem besonderen Zusammenhang von Art. 100 BSB als auch dem allgemeineren Zusammenhang der Reform des Statuts sowie dem Zweck der Regelung, zu der Art. 100 BSB gehört, diese Vorschrift eng auszulegen; ein medizinischer Vorbehalt bewirkt nämlich, dass der Betroffene, wenn während der Ausschlussfrist die Arbeitsunfähigkeit auf eine bei der ärztlichen Untersuchung vor der Einstellung festgestellte Krankheit zurückzuführen ist, überhaupt kein Invalidengeld erhält – im Prinzip selbst nicht aufgrund der vorher anwendbaren nationalen Regelung, wie die Kommission im vorliegenden Fall in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.

122    Als Zweites sind bei der Auslegung von Art. 100 BSB die Anforderungen zu berücksichtigen, die sich insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit aus dem durch Art. 39 EG gewährleisteten Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer ergeben, der eine der Grundlagen der Gemeinschaft darstellt (vgl. z. B. Urteile des Gerichtshofs vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri, C‑482/01 und C‑493/01, Slg. 2004, I‑5257, Randn. 64, und vom 17. Februar 2005, Oulane, C‑215/03, Slg. 2005, I‑1215, Randnr. 16) und den die Kommission bei der Auslegung der Vorschriften des Statuts oder der BSB zu beachten hat.

123    Nach ständiger Rechtsprechung verliert ein Gemeinschaftsangehöriger, der in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsstaat arbeitet, die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 Abs. 1 EG nicht deshalb, weil er bei den Gemeinschaften beschäftigt ist (Urteile des Gerichtshofs vom 3. Oktober 2000, Ferlini, C‑411/98, Slg. 2000, I‑8081, Randnr. 42, und vom 16. Dezember 2004, My, C‑293/03, Slg. 2004, I‑12013, Randnr. 37). Deshalb dürfen ihm nicht die Rechte und sozialen Vergünstigungen versagt werden, die ihm diese Vorschrift gewährt (Urteile Ferlini, Randnr. 43, und My, Randnr. 38; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 19. Juni 2007, Davis u. a./Rat, F‑54/06, Slg. ÖD 2007, I-A-1-0000 und II-A-1-0000, Randnr. 96).

124    In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission aber gerade unter Berufung auf das Urteil My (Randnrn. 38 und 40) geltend gemacht, Art. 39 EG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es um den Zugang zur Beschäftigung zu einem Zeitpunkt gehe, zu dem der Klägerin der Aufenthalt im belgischen Hoheitsgebiet bereits erlaubt und sie dort bereits beschäftigt gewesen sei. Die Situation der Klägerin sei mit einem auf einen Mitgliedstaat beschränkten Sachverhalt gleichzusetzen.

125    Dem kann nicht gefolgt werden. Zunächst ist nämlich festzustellen, dass Art. 39 EG grundsätzlich impliziert, dass die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere das Recht haben, ihr Herkunftsland zu verlassen, um sich zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu begeben und sich dort aufzuhalten (Urteile des Gerichtshofs vom 15. Dezember 1995, Bosman, C‑415/93, Slg. 1995, I‑4921, Randnr. 95, vom 27. Januar 2000, Graf, C‑190/98, Slg. 2000, I‑493, Randnr. 22, und vom 1. April 2008, Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, C‑212/06, Slg. 2008, I‑1683, Randnr. 44).

126    Im vorliegenden Fall verließ die Klägerin, die die ungarische Staatsangehörigkeit besitzt, ihr Herkunftsland im September 2003, also vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union, um bei der Kommission eine Beschäftigung als Hilfskraft auszuüben. Allerdings konnte ihr Umzug nach Belgien damals nicht als Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Sinne von Art. 39 EG angesehen werden.

127    Seit dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 gilt Art. 39 EG nach Art. 24 der Akte über die Beitrittsbedingungen (ABl. L 236, S. 33), die dem am 16. April 2003 unterzeichneten Vertrag zwischen den fünfzehn alten Mitgliedstaaten und den zehn neuen Mitgliedstaaten über den Beitritt letzterer zur Europäischen Union beigefügt ist, und Abschnitt 1 Nr. 1 des Anhangs X dieser Akte aber in vollem Umfang für die ungarischen Staatsangehörigen, nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen von Abschnitt 1 Nrn. 2 bis 14 dieses Anhangs. Folglich kann sich ein ungarischer Staatsangehöriger, der seit einem Zeitpunkt vor dem Beitritt seines Herkunftslands in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat als Arbeitnehmer beschäftigt ist, seit dem Beitritt der Republik Ungarn auf diese Bestimmungen berufen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 27. September 1989, Lopes da Veiga, 9/88, Slg. 1989, 2989, Randnrn. 9 f., und vom 26. Mai 1993, Tsiotras, C‑171/91, Slg. 1993, I‑2925, Randnr. 12).

128    Nach den genannten Übergangsbestimmungen des Anhangs X der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Ungarn ist es einem Arbeitnehmer, der die ungarische Staatsbürgerschaft besitzt und am Tag des Beitritts in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Herkunftsmitgliedstaat, insbesondere bei einem Organ der Gemeinschaft, rechtmäßig beschäftigt war, aber nicht verwehrt, sich beim Zugang zu einer anderen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats auf die ihm nach Art. 39 EG insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit zustehenden Rechte und Vorteile zu berufen.

129    Das Urteil My (oben in Randnr. 123 angeführt) ist nicht geeignet, im vorliegenden Fall die Anwendbarkeit von Art. 39 EG in Frage zu stellen. Wie vorstehend ausgeführt, hat die Klägerin, die die ungarische Staatsbürgerschaft besitzt, einen Teil ihres Berufswegs in ihrem Herkunftsland zurückgelegt, bevor sie sich in Belgien niedergelassen hat, um dort bei der Kommission als Hilfskraft zu arbeiten und sodann bei demselben Organ eine Stelle als Vertragsbedienstete anzunehmen. Dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, der der Rechtssache My zugrunde lag, in dem der Kläger des Ausgangsverfahrens, der die italienische Staatsangehörigkeit besaß und im Alter von 9 Jahren nach Belgien gekommen war, seinen gesamten Berufsweg in Belgien zurückgelegt hatte. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin, indem sie im September 2006 eine neue Stelle bei der Kommission angenommen hat – was von den Tatbeständen der Übergangsbestimmungen der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Ungarn, nach denen die umfassende Anwendung von Art. 39 EG beschränkt ist, nicht erfasst wird –, gerade von einem der Rechte Gebrauch gemacht, die ihr diese Vorschrift gewährt, nämlich dem Recht, eine im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, der nicht ihr Herkunftsland ist, tatsächlich angebotene Stelle anzunehmen.

130    Da somit feststeht, dass Art. 39 EG im vorliegenden Fall Anwendung findet, ist in Erinnerung zu rufen, dass die Modalitäten der Ausübung einer Tätigkeit geeignet sind, den Zugang zu dieser zu beeinflussen, und dass eine Regelung, die die Bedingungen der Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft, eine Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 15. September 2005, Kommission/Dänemark, C‑464/02, Slg. 2005, I‑7929, Randnr. 37). Insbesondere würde nach einer ständigen Rechtsprechung der Zweck der Art. 39 EG bis 42 EG nicht erreicht, wenn der Arbeitnehmer, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlöre, die ihm die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats sichern; ein solcher Verlust könnte den Arbeitnehmer der Gemeinschaft nämlich davon abhalten, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, und würde somit diese Freizügigkeit beeinträchtigen (Urteile des Gerichtshofs vom 20. September 1994, Drake, C‑12/93, Slg. 1994, I‑4337, Randnr. 22, und vom 22. November 1995, Vougioukas, C‑443/93, Slg. 1995, I‑4033, Randnr. 39).

131    Nach den Umständen des vorliegenden Falles benachteiligt die Anwendung von Art. 100 BSB die Klägerin aber und kann somit eine solche abschreckende Wirkung entfalten; denn indem die Klägerin akzeptiert, im Rahmen eines neuen Vertrags, nämlich als Vertragsbedienstete, weiter bei der Beklagten beschäftigt zu sein, verliert sie durch die Anwendung des medizinischen Vorbehalts im Invaliditäts- oder Todesfall, soweit es sich um mögliche Folgeerscheinungen der bei der medizinischen Einstellungsuntersuchung festgestellten Krankheit handelt, für fünf Jahre den Vorteil der Leistungen bei Invalidität, die ihr nach den vorher anwendbaren belgischen Rechtsvorschriften zustanden, ohne dafür ein Recht auf die Leistungen der Gemeinschaft zu erwerben.

132    Gerade um zu gewährleisten, dass die Ausübung des mit dem Vertrag verliehenen Rechts auf Freizügigkeit nicht dazu führt, dass ein Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verliert, auf die er einen Anspruch gehabt hätte, wenn er seine Berufslaufbahn in einem einzigen Mitgliedstaat zurückgelegt hätte, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber Art. 42 EG, der den Grundsatz der Zusammenrechnung der Versicherungs-, Wohn- und Beschäftigungszeiten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit aufstellt, durchgeführt, indem er die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2) erlassen hat, die mehrfach geändert worden ist. So hat der Gerichtshof zu einer nationalen Regelung, die die Gewährung der Leistungen bei Invalidität davon abhängig gemacht hat, dass der Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt des Versicherungsbeginns nicht kurzfristig den Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit mit anschließender Invalidität erwarten ließ, festgestellt, dass Art. 38 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71, der einen Grundsatz der Zusammenrechnung auf dem Gebiet der Invalidität enthält, es nicht zulässt, dass der nationale Träger den Zeitpunkt, zu dem nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften die Versicherung begonnen hat, als den Anfang der Versicherungszeiten ansieht, die für die Feststellung der Leistungen bei Invalidität zu berücksichtigen sind (Urteil des Gerichtshofs vom 26. Oktober 1995, Moscato, C‑481/93, Slg. 1995, I‑3525, Randnr. 30; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 26. Oktober 1995, Klaus, C‑482/93, Slg. 1995, I‑3560, Randnr. 23).

133    Zwar ist die Verordnung Nr. 1408/71, die auf Hilfskräfte anwendbar ist, weder auf Vertragsbedienstete noch auf Beamte oder Bedienstete auf Zeit der Europäischen Gemeinschaften anwendbar (vgl. Urteile Ferlini, Randnr. 41, und My, Randnr. 35). Letztere besitzen aber dennoch die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 39 EG, und der Gerichtshof hat im Urteil Moscato (Randnr. 28) die Beschränkung der Freizügigkeit aufgezeigt, die vorliegen würde, wenn sich eine nationale Stelle weigern würde, bei der Anwendung einer mit Art. 100 BSB vergleichbaren nationalen Bestimmung, die Mitgliedschaft mit dem Unterworfensein unter die von ihm angewandten nationalen Rechtsvorschriften beginnen zu lassen und dabei die Versicherungszeiten, die die betreffende Person nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt hat, außer Acht zu lassen.

134    Überdies gewährleistet Art. 12 Abs. 4 Buchst. b der Europäischen Sozialcharta, „[u]m die wirksame Ausübung des Rechts auf Soziale Sicherheit zu gewährleisten“, „die Erhaltung … von Ansprüchen aus der Sozialen Sicherheit, beispielsweise durch die Zusammenrechnung von Versicherungs- und Beschäftigungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften jeder der Vertragsparteien zurückgelegt wurden“. Die Gemeinschaft ist dieser Charta zwar nicht beigetreten; diese wird aber im vierten Erwägungsgrund der Präambel des Vertrags über die Europäische Union und in Art. 136 EG erwähnt und gehört zu den internationalen Übereinkünften, von denen sich die Organe bei der Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des Statuts und der BSB leiten lassen sollten, insbesondere bei der Anwendung und Auslegung von denjenigen Bestimmungen, die darauf abzielen, einem Arbeitnehmer einen elementaren sozialen Schutz zu entziehen, und zwar durch eine einfache Möglichkeit, von der die Verwaltung nach ihrem Ermessen Gebrauch machen kann.

135    Im Übrigen trifft zwar zu, dass die in Randnr. 132 angeführte Rechtsprechung Fälle betrifft, in denen der Verlust von Vergünstigungen der sozialen Sicherheit gerade im Zusammenhang mit der Ausübung des Freizügigkeitsrechts erfolgte, nämlich beim Wechsel des Landes der Mitgliedschaft, während im vorliegenden Fall von der Verwaltung im Zusammenhang mit dem Wechsel der Art des Einstellungsvertrags und des anwendbaren Systems der sozialen Sicherheit von Art. 100 BSB Gebrauch gemacht worden ist – einem Wechsel, der drei Jahre, nachdem sich die Klägerin in das belgische Hoheitsgebiet begeben hat, um dort eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, erfolgt ist.

136    Dies ändert aber nichts daran, dass sich die Klägerin, die 2003 ihr Herkunftsland verlassen hat, um eine Beschäftigung bei der Kommission auszuüben, sich dann wegen der durch die Reform des Statuts bedingten obligatorischen Umwandlung ihres Vertrags als Hilfskraft in einen Vertrag als Vertragsbedienstete und dem entsprechenden Wechsel des anwendbaren Systems der sozialen Sicherheit, vor folgende Alternative gestellt sah:

–        Entweder sie nimmt bei der Sicherung im Invaliditäts- oder Todesfall, soweit es sich um mögliche Folgeerscheinungen der bei der ärztlichen Einstellungsuntersuchung festgestellten Krankheit handelt, den Verlust des Vorteils der Leistungen bei Invalidität, die ihr nach den vorher anwendbaren belgischen Rechtsvorschriften zustanden, hin, ohne dafür ein Recht auf die Leistungen der Gemeinschaft zu erwerben – Leistungen, auf die sie einen Anspruch gehabt hätte, wenn die unter der Geltung der belgischen Rechtsvorschriften und bei demselben Arbeitgeber zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt worden wären,

–        oder sie verzichtet nach Ablauf ihres Vertrags als Hilfskraft darauf, ihre Berufstätigkeit in Belgien bei der Kommission weiter auszuüben, für die sie doch gerade ihr Herkunftsland verlassen hatte.

137    Zum letztgenannten Punkt ist noch festzustellen, dass nach Art. 100 BSB ein medizinischer Vorbehalt für jeden Vertragsbediensteten für Hilfstätigkeiten „nach seinem Eintritt in den Dienst des Organs“ aufgrund einer „ärztlichen Untersuchung vor [seiner] Einstellung“ verfügt werden kann. Der Vertrag der Klägerin als Hilfskraft hat gerade mit Ablauf seiner Laufzeit am 15. September 2006 kraft Gesetzes geendet, und die Kommission, die die Klägerin als eine neue Bedienstete behandelt hat, hat ihr gegenüber den streitigen medizinischen Vorbehalt unter den vorgenannten Voraussetzungen des Art. 100 BSB erklärt. Daher hat Art. 100 BSB im vorliegenden Fall den Zugang eines Arbeitnehmers zum Arbeitsmarkt beeinflusst.

138    Folglich benachteiligt im vorliegenden Fall die Anwendung von Art. 100 BSB die Klägerin, und diese Anwendung ist geeignet, die Ausübung der Rechte zu behindern, die durch Art. 39 EG verliehen werden, der eine grundlegende Bestimmung für die Gemeinschaft darstellt.

139    Die Kommission hat aber nicht nachgewiesen, ja nicht einmal nachzuweisen versucht, dass eine solche Behinderung der Ausübung der durch Art. 39 EG verliehenen Rechte zur Verfolgung eines im Allgemeininteresse liegenden Ziels erforderlich sei, dass sie geeignet sei, dessen Erreichung zu gewährleisten und dass sie nicht über das hinausgehe, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich sei (vgl. in diesem Sinne Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnrn. 48, 52 und 55). In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass rein wirtschaftliche Gründe eine Beschränkung einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit nicht rechtfertigen können (Urteile des Gerichtshofs vom 5. Juni 1997, SETTG, C‑398/95, Slg. 1997, I‑3091, Randnr. 23, und vom 28. April 1998, Kohll, C‑158/96, Slg. 1998, I‑1931, Randnr. 41).

140    Außerdem kann der Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats, der von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, aufgrund des Umstands, dass die Anwendung von Art. 100 BSB auch bei belgischen Staatsangehörigen, die ebenfalls mit der Kommission einen Vertrag als Vertragsbedienstete geschlossen haben, nachdem sie in Belgien als Hilfskraft beschäftigt waren, aber ohne jemals von ihrem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft Gebrauch gemacht zu haben, dazu führen kann, dass keine Sicherung gegen Invaliditätsrisiken besteht, in einer vergleichbaren Situation nicht daran gehindert sein, in den Genuss der sozialen Rechte und Vergünstigungen zu gelangen, die ihm Art. 39 EG gewährt (vgl. in diesem Sinne Urteil Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, oben in Randnr. 125 angeführt, Randnrn. 36 bis 42).

141    Nach alledem war die Anstellungsbehörde unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls verpflichtet, von der in Art. 100 BSB vorgesehenen Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, um der Klägerin nicht Vergünstigungen der sozialen Sicherheit zu nehmen, auf die sie Anspruch gehabt hätte, wenn sie weiter nach den ungarischen oder belgischen Rechtsvorschriften gesichert gewesen wäre.

142    Schließlich ist noch auf das Vorbringen der Kommission einzugehen, wonach das Gericht, indem es sich insbesondere auf Art. 39 EG stütze, auf den sich die Klägerin in ihren Schriftsätzen im Hinblick auf die Anwendung des medizinischen Vorbehalts nicht berufen habe, von Amts wegen die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts der Anstellungsbehörde im Hinblick auf den Klagegrund eines Verstoßes gegen eine Bestimmung des Vertrags prüfe.

143    Vorab ist allgemein festzustellen, dass die Beschränkung der Befugnis des Richters, einen Gesichtspunkt von Amts wegen zu prüfen, ihre Grundlage in der Verpflichtung hat, sich an den Streitgegenstand zu halten und seine Entscheidung auf den ihm vorgetragenen Sachverhalt zu stützen. Diese Beschränkung wird durch das Prinzip gerechtfertigt, dass die Initiative in einem Prozess den Parteien zusteht und dass das Gericht folglich nur in Ausnahmefällen im Interesse der öffentlichen Ordnung von Amts wegen tätig werden darf (vgl. in diesem Sinne, Urteil des Gerichts vom 7. Juni 2007, van der Weerd u. a., C‑222/05 bis C‑225/05, Slg. 2007, I‑4233, Randnrn. 34 bis 36).

144    Es kann dahingestellt bleiben, in welchen Fällen das Gericht einen Gesichtspunkt von Amts wegen berücksichtigen kann; es genügt die Feststellung, dass der Gemeinschaftsrichter, indem er den rechtlichen Rahmen präzisiert, in dem eine Vorschrift des Sekundärrechts auszulegen ist, nicht über die Rechtmäßigkeit dieser Vorschrift im Hinblick auf höherrangige Rechtsvorschriften, einschließlich der Bestimmungen des Vertrags, befindet, sondern versucht, diejenige Auslegung der streitigen Bestimmung zu ermitteln, bei der deren Anwendung am Besten mit dem Primärrecht in Einklang steht und sich am Besten in den rechtlichen Rahmen fügt, in dem die Bestimmung steht. Im vorliegenden Fall hat das Gericht, indem es Art. 100 BSB insbesondere im Licht der Anforderungen, wie sie sich aus der durch Art. 39 EG gewährleisteten Freizügigkeit der Arbeitnehmer ergeben, ausgelegt hat, nicht die Grenzen des Rechtsstreits überschritten, wie er von der Klägerin umrissen worden ist, und sich nicht auf andere Tatsachen und Umstände gestützt, als sie die Klägerin ihrer Klage zugrunde gelegt hat. Außerdem stimmen die Argumentation der Klägerin vor dem Gericht, die in der Tat Art. 39 EG nicht ausdrücklich erwähnt, und die Argumentation im vorliegenden Urteil zur Auslegung von Art. 100 BSB im Hinblick auf Art. 39 EG im Kern zu großen Teilen überein.

145    Zudem sind die Verteidigungsrechte beachtet worden, da alle Verfahrensbeteiligten im vorbereitenden Sitzungsbericht aufgefordert worden sind, sich in der mündlichen Verhandlung zu den Schlussfolgerungen zu äußern, die im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Sicherung im Invaliditätsfall und die in Art. 42 Buchst. a EG genannte Regel der Zusammenrechnung der Versicherungszeiten gegebenenfalls aus den Urteilen Moscato (oben in Randnr. 132 angeführt), Vougioukas (oben in Randnr. 130 angeführt) und My (oben in Randnr. 123 angeführt) zu ziehen sind.

146    Daher ist das Argument der Kommission, das Gericht gebe, indem es den vorliegenden Rechtsstreit insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Art. 39 EG prüfe, die ihm gebotene Passivität auf, zurückzuweisen.

147    Ohne dass es erforderlich wäre, zu prüfen, wie sich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft unter anderen Umständen als denen des vorliegenden Falles auf die Auslegung von Art. 100 BSB auswirkt, war die Anstellungsbehörde nach alledem verpflichtet, gegenüber der Klägerin von der Möglichkeit des Art. 100 BSB keinen Gebrauch zu machen.

148    Die Kommission durfte demzufolge gegenüber der Klägerin keinen medizinischen Vorbehalt gemäß Art. 100 BSB aussprechen.

149    Daher ist dem gegen den medizinischen Vorbehalt gerichteten ersten Klagegrund stattzugeben und folglich die Entscheidung aufzuheben, mit der gegenüber der Klägerin der medizinische Vorbehalt ausgesprochen worden ist, ohne dass es erforderlich wäre, den zweiten Klagegrund, der diesen Gegenstand betrifft, zu prüfen, der zu keiner weiter gehenden Aufhebung führen könnte.

 Kosten

150    Nach Art. 122 der Verfahrensordnung finden die Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung über die Prozesskosten und Gerichtskosten nur auf die Rechtssachen Anwendung, die ab dem Inkrafttreten dieser Verfahrensordnung, d. h. ab 1. November 2007, beim Gericht anhängig gemacht werden. Die insoweit geltenden Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften finden weiterhin entsprechende Anwendung auf die Rechtssachen, die beim Gericht vor diesem Zeitpunkt anhängig waren.

151    Folglich finden auf die Klage in der Rechtssache F‑69/07 die Kostenbestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz Anwendung.

152    Nach Art. 87 §§ 2 und 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Allerdings kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Die Organe tragen nach Art. 88 dieser Verfahrensordnung in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten selbst.

153    Nach Art. 87 § 4 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz tragen die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

154    Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung, die auf die Klage in der Rechtssache F‑60/08 Anwendung findet, ist die unterliegende Partei vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des achten Kapitels des zweiten Titels der Verfahrensordnung auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

155    Der Streithelfer schließlich trägt nach Art. 89 Abs. 4 der Verfahrensordnung seine eigenen Kosten.

156    Aus den vorstehenden Entscheidungsgründen ergibt sich, dass die Klägerin bei einem der beiden Gegenstände ihrer Klage in der Rechtssache F‑69/07 obsiegt hat. Bezüglich der Kosten dieser Rechtssache sind daher nach Auffassung des Gerichts der Kommission ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Klägerin aufzuerlegen, die die andere Hälfte ihrer Kosten zu tragen hat.

157    Da die Klägerin mit ihrer Klage in der Rechtssache F‑60/08 unterlegen ist, hat sie ihre eigenen Kosten sowie die der Kommission in dieser Rechtssache entstandenen Kosten zu tragen.

158    Der Rat trägt als Streithelfer sowohl in der Rechtssache F‑69/07 als auch in der Rechtssache F‑60/08 seine eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 14. September 2006 wird aufgehoben, soweit mit ihr gegenüber der Klägerin ein medizinischer Vorbehalt angeordnet wird.

2.      Die Klage in der Rechtssache F‑69/07, O/Kommission, wird im Übrigen als unbegründet abgewiesen.

3.      Die Klage in der Rechtssache F‑60/08, O/Kommission, wird als unzulässig abgewiesen.

4.      In der Rechtssache F‑69/07 werden der Kommission der Europäischen Gemeinschaften ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Klägerin auferlegt.

5.      Der Klägerin werden die Hälfte ihrer eigenen Kosten in der Rechtssache F‑69/07 sowie ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache F‑60/08 auferlegt.

6.      Der Rat der Europäischen Union trägt in beiden Rechtssachen seine eigenen Kosten.

Kanninen

Boruta

Van Raepenbusch

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 29. September 2009.

Die Kanzlerin

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       H. Kanninen

Die vorliegende Entscheidung sowie die darin zitierten und noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte sind auf der Internetseite des Gerichtshofs verfügbar: www.curia.europa.eu


* Verfahrenssprache: Französisch.