Language of document : ECLI:EU:F:2015:48

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION
(Zweite Kammer)

18. Mai 2015

Rechtssache F‑36/14

Hartwig Bischoff

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen – Art. 23 Abs. 1 des Anhangs XIII des Statuts – Ruhestandsalter – Ablehnung einer Verlängerung der aktiven Dienstzeit – Art. 52 Abs. 2 des Statuts – Dienstliches Interesse“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt, auf Aufhebung der Entscheidung der Anstellungsbehörde der Europäischen Kommission vom 28. März 2014, mit der der Antrag des Klägers auf Dienstverlängerung zurückgewiesen und demnach seine Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen zum 1. Juni 2014 bestätigt wurde, sowie auf Ersatz des Schadens, der aus dieser Entscheidung entstanden ist oder entstehen könnte

Entscheidung:      Die Klage wird abgewiesen. Herr Bischoff trägt seine gesamten eigenen Kosten und wird zur Tragung der gesamten Kosten der Europäischen Kommission verurteilt.

Leitsätze

1.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Antrag – Änderung im Laufe des Verfahrens – Voraussetzung

(Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, Art. 50)

2.      Beamtenklage – Beschwerende Maßnahme – Begriff – Schreiben, mit dem dem Bediensteten lediglich der Zeitpunkt der Gewährung eines Ruhegehalts mitgeteilt wird – Ausschluss

(Beamtenstatut, Art. 90 Abs. 2 und Art. 91 Abs. 1)

3.      Beamte – Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen – Prüfung eines Antrags des Klägers auf Dienstverlängerung – Kriterien – Dienstliches Interesse – Ermessen der Verwaltung – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen – Offensichtlicher Ermessensfehler – Begriff – Beweislast

(Beamtenstatut, Art. 52 Abs. 2)

4.      Beamte – Fürsorgepflicht der Verwaltung – Umfang – Antrag auf Dienstverlängerung – Bei der Entscheidung zu berücksichtigende Gesichtspunkte

(Beamtenstatut, Art. 52 Abs. 2)

1.      Nach Art. 35 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, (jetzt nach Änderungen Art. 50 der Verfahrensordnung) können nur die in der Klageschrift gestellten Anträge berücksichtigt werden. Folglich kann eine Partei während des Verfahrens grundsätzlich keinen neuen Antrag stellen oder den Gegenstand des bestehenden Antrags erweitern, ohne dass der Streitgegenstand geändert würde. Nur bei Vorliegen einer neuen Tatsache, die einen Einfluss auf den Gegenstand der Klage haben könnte, wie insbesondere der Erlass einer Maßnahme, mit der die angefochtene Maßnahme während des Verfahrens aufgehoben und ersetzt wird, kann der Kläger seinen Antrag anpassen.

(vgl. Rn. 22)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteil Glantenay u. a./Kommission, F‑23/12 und F‑30/12, EU:F:2013:127, Rn. 34

2.      Ein Schreiben, mit dem einem Bediensteten lediglich der Zeitpunkt mitgeteilt wird, ab dem ihm nach dem Ende der Wirkungen der Entscheidung, seinen Dienst zu verlängern, ein Ruhegehalt gewährt wird, entfaltet keine verbindlichen Rechtswirkungen, die seine Interessen dadurch unmittelbar und sofort beeinträchtigen könnten, dass sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise ändern, und stellt daher keine beschwerende Maßnahme dar.

(vgl. Rn. 26)

Verweisung auf:

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteil Pimlott/Europol, F‑52/06, EU:F:2007:210, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung

3.      Bei der Berücksichtigung des dienstlichen Interesses im Rahmen der Entscheidung über den Antrag eines Beamten auf Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus, die in Art. 52 Abs. 1 Buchst. a des Statuts für die Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen vorgesehen ist, verfügt die Anstellungsbehörde über ein weites Ermessen, und das Gericht für den öffentlichen Dienst kann ihre Beurteilung nur im Fall eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers oder Ermessensmissbrauchs verwerfen.

Ein Fehler kann nur dann als offensichtlich angesehen werden, wenn er anhand der Kriterien, die nach dem Willen des Gesetzgebers für die Ausübung des weiten Ermessens durch die Verwaltung maßgebend sind, leicht zu erkennen ist. Folglich müssen für die Feststellung, dass bei der Sachverhaltsbeurteilung ein offensichtlicher Fehler begangen worden ist, der die Aufhebung einer Entscheidung rechtfertigen kann, die vom Kläger beizubringenden Beweise ausreichen, um die Sachverhaltsbeurteilung der Verwaltung in ihrer Entscheidung als nicht plausibel erscheinen zu lassen. Mit anderen Worten ist der Klagegrund eines offensichtlichen Fehlers zurückzuweisen, wenn die angegriffene Beurteilung trotz der vom Kläger beigebrachten Beweise als nach wie vor richtig und gültig angesehen werden kann.

(vgl. Rn. 36 und 37)

Verweisung auf:

Gericht der Europäischen Union: Urteil Kommission/Macchia, T‑368/12 P, EU:T:2014:266, Rn. 49

Gericht für den öffentlichen Dienst: Urteile BB/Kommission, F‑17/11, EU:F:2013:14, Rn. 60, und DG/ENISA, F‑109/13, EU:F:2014:259, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung

4.      Die Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber ihren Bediensteten spiegelt das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, das das Statut in den Beziehungen zwischen der Behörde und den öffentlichen Bediensteten geschaffen hat. Diese Pflicht gebietet es insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Situation eines Beamten oder sonstigen Bediensteten sämtliche Umstände berücksichtigt, die geeignet sind, ihre Entscheidung zu beeinflussen, und dass sie dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern auch dem Interesse des betroffenen Beamten Rechnung trägt. Der Schutz der Rechte und Interessen der Beamten muss jedoch immer seine Grenzen in der Beachtung der geltenden Vorschriften finden.

Das dienstliche Interesse und das Interesse des Beamten sind demnach zwei verschiedene Dinge. Im speziellen Fall des Art. 52 Abs. 2 des Statuts wird das Interesse des betroffenen Beamten bereits insofern berücksichtigt, als dieser beantragen muss, über die im Statut für die Versetzung in den Ruhestand von Amts wegen vorgesehene Altersgrenze hinaus weiterarbeiten zu können. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung hängt die Entscheidung, die die zuständige Anstellungsbehörde über einen solchen Antrag zu fällen hat, ausschließlich vom dienstlichen Interesse ab, ohne dass die Anstellungsbehörde die Interessen des antragstellenden Beamten zu berücksichtigen hat. Der Beamte braucht daher der Anstellungsbehörde kein persönliches Interesse am Verbleib im Dienst nachzuweisen, da ein solches Interesse im Rahmen seines Antrags irrelevant ist.

(vgl. Rn. 53 und 54)

Verweisung auf:

Gericht erster Instanz: Urteil Angelidis/Parlament, T‑416/03, EU:T:2006:375, Rn. 117 und die dort angeführte Rechtsprechung