Language of document : ECLI:EU:T:2019:330

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

14. Mai 2019(*)

„Zugang zu Dokumenten – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Schreiben der Kommission an die französischen Behörden betreffend das Protokoll über die Entschädigung der EDF‑Gruppe im Zusammenhang mit der Aufhebung der Genehmigung zum Betrieb des Kernkraftwerks Fessenheim – Verweigerung des Zugangs – Ausnahme zum Schutz der geschäftlichen Interessen eines Dritten – Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten – Allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit – Überwiegendes öffentliches Interesse“

In der Rechtssache T‑751/17

Commune de Fessenheim (Frankreich),

Communauté de communes Pays Rhin-Brisach mit Sitz in Volgelsheim (Frankreich),

Conseil départemental du Haut-Rhin mit Sitz in Colmar (Frankreich),

Conseil régional Grand Est Alsace Champagne-Ardenne Lorraine mit Sitz in Straßburg (Frankreich),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt G. de Rubercy,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch A. Buchet und B. Stromsky als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch E. de Moustier, B. Fodda und J.‑L. Carré als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

wegen einer Klage nach Art. 263 AEUV auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission vom 18. Oktober 2017 über die Verweigerung des Zugangs zu ihrem Schreiben an die französischen Behörden vom 22. März 2017, in dem es um den Entwurf eines Protokolls über die Entschädigung der Gruppe Électricité de France (EDF) für die Schließung des Kernkraftwerks Fessenheim geht,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richter P. Nihoul (Berichterstatter) und J. Svenningsen,

Kanzler: L. Ramette, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2019

folgendes

Urteil

I.      Sachverhalt

1        Kläger sind die Gemeinde Fessenheim, der Gemeindeverband Pays Rhin‑Brisach, der Gemeinderat des Departements Haut-Rhin und der Regionalrat Grand Est Alsace Champagne-Ardenne Lorraine, vier französische Gebietskörperschaften, auf deren Territorium sich das Kernkraftwerk Fessenheim (im Folgenden: Kraftwerk), betrieben von Électricité de France (EDF), befindet.

2        Am 8. April 2017 verabschiedete die französische Regierung das Dekret Nr. 2017‑508 zur Aufhebung der Genehmigung zum Betrieb des Kraftwerks (JORF vom 9. April 2017, Text Nr. 3).

3        Am 2. Mai 2017 stellten die Kläger bei der Europäischen Kommission gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. 2001, L 145, S. 43) einen Antrag auf Zugang zu dem „Beschluss“, mit dem die Kommission „im Lichte des europäischen Beihilferechts den Entwurf eines Protokolls über die Entschädigung von EDF für die Schließung des Kraftwerks durch Frankreich“ genehmigt habe. Nach Angaben der Kläger hatte die Kommission diesen „Beschluss“ den französischen Behörden mit Schreiben vom 24. März 2017 übermittelt.

4        Mit Schreiben vom 16. Juni 2017 weigerte sich die Kommission, Zugang zu dem betreffenden – in Wirklichkeit vom 22. März 2017 datierenden – Schreiben zu gewähren, das als Teil einer im Rahmen der Kontrolle staatlicher Beihilfen angelegten Verwaltungsakte unter die allgemeine Vermutung falle, dass die Verbreitung eines solchen Dokuments grundsätzlich den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtige, der eine Ausnahme vom Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 darstelle. Sie berief sich auch auf die in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen.

5        Am 27. Juni 2017 stellten die Kläger bei der Kommission einen Zweitantrag gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, dessen Eingang von der Kommission am 28. Juni 2017 bestätigt wurde.

6        Mit Schreiben vom 18. Juli 2017 teilte die Kommission den Klägern mit, dass sie die ursprüngliche Frist für die Prüfung dieses Antrags gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 um 15 Arbeitstage verlängern müsse, da sie die für diese Prüfung erforderlichen Konsultationen nicht habe abschließen können. Außerdem teilte sie mit, dass die neue Frist am 10. August 2017 ablaufe.

7        Mit Schreiben vom 18. August 2017 bestätigte die Kommission, dass die Frist am 10. August 2017 abgelaufen sei, gab aber an, dass sie immer noch nicht in der Lage sei, auf den Zweitantrag zu antworten.

8        In einem Schreiben vom 18. Oktober 2017 erklärte die Kommission, dass der Entwurf des Protokolls über die Entschädigung von EDF (im Folgenden: Entwurf des Entschädigungsprotokolls) Gegenstand einer Voranmeldung der französischen Behörden gewesen sei und dass sie in dem Schreiben vom 22. März 2017, auf das sich der Antrag auf Zugang beziehe, die Auffassung vertreten habe, dass es zu diesem Zeitpunkt nach dem Recht der Europäischen Union über staatliche Beihilfen keine Einwände gegen diesen Entwurf gebe. Sie bestätigte ferner die Ablehnung des Antrags auf Zugang zu diesem Dokument auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 erster und dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

II.    Verfahren und Anträge der Beteiligten

9        Die Kläger haben mit Klageschrift, die am 17. November 2017 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

10      Mit Schriftsatz, der am 28. Februar 2018 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Französische Republik beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Mit Beschluss vom 9. April 2018 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts diesen Streitbeitritt zugelassen. Die Französische Republik hat ihren Schriftsatz vorgelegt, und die Kläger haben ihre Erklärungen innerhalb der gesetzten Frist eingereicht.

11      Mit Beschluss vom 4. Oktober 2018 hat das Gericht gemäß Art. 91 Buchst. c und Art. 92 seiner Verfahrensordnung die Kommission aufgefordert, das Schreiben vom 22. März 2017 vorzulegen. Dieses Dokument wurde dem Gericht am 17. Oktober 2018 übermittelt und gemäß Art. 104 der Verfahrensordnung weder den Klägern noch der Französischen Republik bekannt gegeben.

12      Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht am 17. Dezember 2018 im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 89 der Verfahrensordnung schriftliche Fragen an die Beteiligten gerichtet. Die Beteiligten haben innerhalb der ihnen gesetzten Frist geantwortet.

13      In der Sitzung vom 24. Januar 2019 haben die Beteiligten mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

14      Die Kläger beantragen,

–        den angefochtenen Beschluss für nichtig zu erklären;

–        der Kommission aufzugeben, das Schreiben vom 22. März 2017 innerhalb einer Woche nach dem zu erlassenden Urteil zu übermitteln;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15      Die Kommission beantragt,

–        die Nichtigkeitsklage als unbegründet abzuweisen;

–        den Antrag auf Erlass einer Anordnung für unzulässig zu erklären;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

16      Die Französische Republik beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        den Klägern die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

A.      Zum Gegenstand des Antrags auf Zugang

17      In der Klageschrift geben die Kläger an, die Klage beziehe sich auf die Ablehnung des Antrags auf Zugang zu dem von der Kommission den französischen Behörden am 22. März 2017 übermittelten Schreiben betreffend den Entwurf des Entschädigungsprotokolls durch die Kommission.

18      In der Erwiderung tragen die Kläger vor, ihr Antrag auf Zugang beziehe sich nicht nur auf das Schreiben der Kommission vom 22. März 2017, sondern auch auf den Entwurf des Entschädigungsprotokolls.

19      Um den Gegenstand des Zugangsantrags zu bestimmen, ist auf das Schreiben der Kläger an die Kommission vom 2. Mai 2017 Bezug zu nehmen, das ihren ersten Antrag enthält.

20      Ausweislich dieses Schreibens bezog sich der Antrag der Kläger auf Zugang jedoch nur auf das Schreiben der Kommission vom 22. März 2017 und nicht auf den Entwurf des Entschädigungsprotokolls.

21      Der so umgrenzte Gegenstand des Zugangsantrags wird durch den an die Kommission gerichteten Zweitantrag der Kläger vom 27. Juni 2017 bestätigt.

22      Daher ist davon auszugehen, dass die Ablehnung der Kommission einen Antrag auf Zugang zu ihrem Schreiben vom 22. März 2017 betraf, in dem sie die Auffassung vertreten hatte, dass es nach den Regeln für staatliche Beihilfen keine Einwände gegen den Entwurf eines Entschädigungsprotokolls (im Folgenden: streitiges Dokument) gebe.

B.      Zum Antrag auf Erlass einer Anordnung

23      Mit ihrem zweiten Antrag begehren die Kläger vom Gericht, der Kommission aufzugeben, ihnen das streitige Dokument innerhalb einer Woche nach dem zu erlassenden Urteil zu übermitteln.

24      In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger diesen Antrag jedoch zurückgenommen.

25      Daher braucht das Gericht diesen Antrag nicht zu prüfen.

C.      Zur Nichtigkeitsklage

26      Mit ihrem ersten Antrag begehren die Kläger die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses, mit dem die Kommission die Ablehnung des Antrags auf Zugang zu dem streitigen Dokument bestätigte.

27      Zur Begründung dieses Antrags stützen sich die Kläger auf drei Klagegründe; mit dem ersten machen sie einen Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates vom 13. Juli 2015 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. 2015, L 248, S. 9), gegen die Verordnung Nr. 1049/2001 sowie gegen die Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen (ABl. 2006, L 318, S. 17) geltend, mit dem zweiten einen Verstoß gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und mit dem dritten einen Verstoß gegen Art. 47 dieser Charta.

1.      Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Verordnung 2015/1589, die Verordnung Nr. 1049/2001 und die Richtlinie 2006/111

a)      Verstoß gegen die Verordnung 2015/1589

28      Mit dem ersten Klagegrund machen die Kläger geltend, die Verweigerung ihres Zugangs stehe im Widerspruch zur Verordnung 2015/1589, die in ihrem 39. Erwägungsgrund und in ihrem Art. 32 vorschreibe, dass die im Rahmen der Kontrolle staatlicher Beihilfen erlassenen Beschlüsse der Kommission der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müssten, damit Dritte diese Beschlüsse gegebenenfalls anfechten könnten.

29      Die Kommission, unterstützt durch die Französische Republik, macht geltend, dieser Klagegrund sei unbegründet.

30      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das streitige Dokument im Rahmen des anlässlich einer Voranmeldung erfolgten Austauschs entstanden ist.

31      Ein solcher Austausch ist jedoch nicht durch die Verordnung 2015/1589 geregelt. Wie sich nämlich aus Rn. 10 des Verhaltenskodex für die Durchführung von Beihilfeverfahren (ABl. 2009, C 136, S. 13, im Folgenden: Verhaltenskodex) ergibt, besteht die Voranmeldung aus einem freiwilligen und informellen Austausch zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat, bevor eine Maßnahme, die eine staatliche Beihilfe darstellen kann und die daher nach dem in der Verordnung 2015/1589 festgelegten Kontrollverfahren zu prüfen ist, gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV angemeldet wird. Erst nach dieser Anmeldung finden die Bestimmungen der Verordnung 2015/1589 Anwendung, die die Verfahren zur Nachprüfung der Maßnahme im Lichte der Bestimmungen des AEU-Vertrags festlegen, insbesondere die Art. 4, 9 und 15 dieser Verordnung, in denen die Beschlüsse aufgeführt sind, die die Kommission nach Abschluss des Verfahrens erlassen kann.

32      Unterstellt, die Verordnung 2015/1589 gilt für den Austausch im Rahmen einer Voranmeldung, würde das streitige Dokument nicht unter den 39. Erwägungsgrund und Art. 32 dieser Verordnung fallen, auf die sich die Kläger berufen, da diese Bestimmungen sich auf Beschlüsse beziehen, die von der Kommission nach Abschluss des Prüfverfahrens getroffen werden und die in der darin beschriebenen Weise veröffentlicht werden müssen.

33      Wie aus Rn. 16 des Verhaltenskodex hervorgeht, führt die Voranmeldung jedoch nicht zu einem solchen Beschluss, sondern zu einer Stellungnahme, die ebenso wie das streitige Dokument nicht verbindlich ist und nur die Auffassung zum Ausdruck bringt, die sich die Kommission auf der Grundlage der Informationen zu dem ihr vorgelegten Fall gebildet haben wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass es der Kommission, wie sie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, freisteht, diese Stellungnahme im Lichte der ihr gegebenenfalls später übermittelten Informationen zu ändern.

34      Aus diesen Gründen ist das auf einen Verstoß gegen die Verordnung 2015/1589 gestützte Vorbringen der Kläger als unbegründet zurückzuweisen.

b)      Verstoß gegen die Verordnung Nr. 1049/2001

1)      Zur Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten (Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001)

35      In dem angefochtenen Beschluss verweigerte die Kommission den Zugang zu dem streitigen Dokument auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 mit der Begründung, dass für die Anwendung dieser Bestimmung eine allgemeine Vermutung spreche, wonach die Verbreitung von Dokumenten der Verwaltungsakte eines Beihilfeprüfverfahrens grundsätzlich den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten im Sinne dieser Bestimmung beeinträchtige.

36      Die Kläger machen geltend, die Kommission sei nicht befugt, die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme anzuwenden und stützen ihre Auffassung auf drei Argumente, die im Folgenden geprüft werden.

i)      Zur angeblichen Irrelevanz des Arguments der Kommission, dass die Verbreitung des streitigen Dokuments die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit mit ihr gefährden könnte

37      Erstens sind die Kläger der Ansicht, die Kommission könne den Zugang zu dem streitigen Dokument nicht verweigern, weil seine Verbreitung die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit mit ihr gefährden würde.

38      Die Kommission, unterstützt durch die Französische Republik, macht geltend, dieses Vorbringen sei unbegründet.

39      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in dem angefochtenen Beschluss die Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Dokument vor allem durch die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit gerechtfertigt wurde, die nach Ansicht der Kommission für Dokumente eines Beihilfeprüfverfahrens gilt.

40      Nach der Rechtsprechung ergibt sich die Anwendung dieser Vermutung auf Dokumente im Zusammenhang mit dem Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen aus der Notwendigkeit, eine harmonische Verbindung zwischen der Verordnung Nr. 1049/2001 einerseits und der Verordnung 2015/1589 andererseits herzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 58 und 61).

41      Allgemein sieht die erste dieser Verordnungen, d. h. die Verordnung Nr. 1049/2001, vor, dass die Öffentlichkeit so weit wie möglich Zugang zu den Dokumenten der Organe haben muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 51).

42      Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht Ausnahmen von diesem Recht vor, denen zufolge die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern, durch dessen Verbreitung der Schutz der geschäftlichen Interessen einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person sowie der Schutz des Zwecks von Inspektions‑, Untersuchungs- und Audittätigkeiten beeinträchtigt würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des Dokuments.

43      Nach der Rechtsprechung muss das Organ, um die Verweigerung des Zugangs zu einem Dokument, dessen Verbreitung beantragt wurde, zu rechtfertigen, nicht nur nachweisen, dass dieses Dokument im Zusammenhang mit einer in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Tätigkeit steht, sondern auch erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das durch eine in diesem Artikel vorgesehene Ausnahme geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Bei Dokumenten eines Beihilfeprüfverfahrens hat die Rechtsprechung es der Kommission jedoch erlaubt, sich auf eine allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit zu stützen, da für Anträge auf Verbreitung gleichartiger Dokumente ähnliche allgemeine Erwägungen gelten können (vgl. in diesem Sinne das Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 54 und 55).

45      Nach der Rechtsprechung soll diese Vermutung das Bestehen eines Klimas des Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission erhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2018, Chambre de commerce et d’industrie métropolitaine Bretagne-Ouest [port de Brest]/Kommission, T‑39/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:560, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei ein solches Klima zum einen erforderlich ist, um sicherzustellen, dass der betreffende Mitgliedstaat der Kommission alle für die Untersuchung relevanten Dokumente übermittelt, und zum anderen, um es diesem Organ und diesem Mitgliedstaat zu ermöglichen, die betreffenden nationalen Maßnahmen gemeinsam zu prüfen, wobei die endgültige Bewertung vollständig erläutert und solide begründet werden muss.

46      Um dieses Vertrauensklima zu wahren, behält die Verordnung 2015/1589 den Zugang zu den zu prüfenden Akten der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vor, ohne Dritten, die im Laufe des Verfahrens den Status von Beteiligten erworben haben, ein Recht auf Zugang zu gewähren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 56 und 58).

47      Wären diese Beteiligten in der Lage, auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu den Dokumenten der Verwaltungsakte zu erhalten, wäre das System der Kontrolle staatlicher Beihilfen nämlich nach Ansicht des Gerichtshofs gefährdet (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48      Nach der Rechtsprechung genügt daher allein der Umstand, dass die Dokumente, deren Verbreitung beantragt wird, Teil der Verwaltungsakte eines Beihilfeprüfverfahrens sind, um die Anwendung der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit auf sie zu rechtfertigen (Urteil vom 14. Juli 2016, Sea Handling/Kommission, C‑271/15 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:557, Rn. 41).

49      In der vorliegenden Rechtssache ist das Gericht der Ansicht, dass sich die Anwendung dieser allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit nicht auf das Verfahren beschränken kann, das sich aus der Anmeldung einer Maßnahme, die eine staatliche Beihilfe darstellen kann, durch den betreffenden Mitgliedstaat ergibt, sondern dass sie zum gleichen Zweck, nämlich zur Wahrung des Vertrauens des betreffenden Mitgliedstaats, auch für die im Rahmen der Voranmeldung ausgetauschten Dokumente gelten muss.

50      Auf den Austausch im Rahmen der Voranmeldung kann nämlich eine vorläufige Prüfung oder sogar ein förmliches Prüfverfahren folgen. Wenn jedoch die im Laufe der Voranmeldung ausgetauschten Dokumente verbreitet werden könnten, würde die Vermutung der Vertraulichkeit für Dokumente des Prüfverfahrens nach der Verordnung 2015/1589 ihre Wirksamkeit verlieren, da die Dokumente, auf die sie sich bezieht, im Voraus hätten verbreitet werden können. Daher erscheint die Anwendung der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit auf Dokumente, die im Rahmen der Voranmeldung ausgetauscht werden, erforderlich, um die praktische Wirksamkeit dieser Vermutung zu gewährleisten, wie sie für das Verfahren nach der Anmeldung gilt.

51      Darüber hinaus ergibt sich aus den Rn. 10 und 17 des Verhaltenskodex, dass wie bei dem in der Verordnung 2015/1589 vorgesehenen Prüfverfahren der Austausch von Dokumenten im Rahmen der Voranmeldung zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat in einem Klima des Vertrauens stattfinden muss.

52      Wenn die Kommission jedoch Zugang zu sensiblen Informationen gewähren müsste, die im Rahmen des Austauschs vor der Anmeldung übermittelt werden, könnten die Mitgliedstaaten zögern, diese Informationen weiterzugeben, obwohl diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit von wesentlicher Bedeutung für den Erfolg eines solchen Austauschs ist, der gemäß Rn. 10 des Verhaltenskodex darauf abzielt, die Qualität der Anmeldung zu verbessern und so unter besten Bedingungen Lösungen zu entwickeln, die es erlauben, Situationen abzuhelfen, die nach dem Beihilferecht der Europäischen Union ein Problem darstellen können.

53      Die Kläger weisen jedoch darauf hin, dass die Kommission über umfangreiche Ermittlungsbefugnisse verfüge, die es ihr ermöglichten, die benötigten Informationen zu erhalten, ohne sich auf die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten verlassen zu müssen.

54      Zwar trifft es zu, dass die Kommission gemäß der Verordnung 2015/1589 über umfangreiche Ermittlungsbefugnisse verfügt, doch gilt dies nicht im Zusammenhang mit dem Austausch von Dokumenten im Rahmen von Voranmeldungen, der auf Initiative der Mitgliedstaaten stattfindet und dessen Erfolg wesentlich von dem Vertrauensverhältnis abhängt, das die Kommission mit diesen aufgebaut hat.

55      Das Vorbringen der Kläger, das Argument der Kommission, die Verbreitung des streitigen Dokuments gefährde die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit mit ihr, sei irrelevant, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

ii)    Zur Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit im vorliegenden Fall

56      Zweitens vertreten die Kläger in der Erwiderung offensichtlich die Auffassung, dass, selbst wenn die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit für auf die im Rahmen der Voranmeldung ausgetauschten Dokumente anwendbar erklärt würde, sie im vorliegenden Fall aus mit den Besonderheiten der beim Gericht anhängigen Rechtssache zusammenhängen Gründen nicht gelten würde.

57      So erklären die Kläger in Rn. 14 der Erwiderung Folgendes:

„[Die Kommission] beruft sich im vorliegenden Fall auf den vagen und unanwendbaren Begriff einer allgemeinen Vermutung der Vertraulichkeit.“

58      Darüber hinaus stellen die Kläger in Rn. 19 folgende Erwägung an:

„Die Europäische Kommission kann daher nicht geltend machen, dass die Dokumente unter die Vermutung der Vertraulichkeit fallen, zumal der vom französischen Staat an EDF für die Schließung des Kraftwerks gezahlte Entschädigungsbetrag und die Zahlungsbedingungen nicht als vertraulich angesehen werden können, da sie den Finanzmärkten offengelegt werden müssen.“

59      In diesem Zusammenhang ist, wie von der Kommission vorgeschlagen, davon auszugehen, dass das Argument unzulässig ist.

60      Erstens wurde es in der Erwiderung zum ersten Mal vorgetragen und ist daher als neues Vorbringen, was das Gericht verpflichtet, es mangels von den Parteien zur Begründung der Verspätung dieses Vorbringens geltend gemachter Gesichtspunkte gemäß Art. 84 Abs. 1 der Verfahrensordnung zurückzuweisen.

61      Zweitens erklären die Kläger nicht stichhaltig, warum sie der Ansicht sind, dass die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit von Dokumenten eines Beihilfeprüfverfahrens im vorliegenden Fall nicht gelte.

62      So beschränken sich die Kläger in Rn. 14 der Erwiderung darauf, eine Behauptung aufzustellen, ohne eine tatsächliche oder rechtliche Grundlage hierfür zu liefern.

63      Ebenso wollen die Kläger in Rn. 19 dieses Dokuments mit dem Wort „daher“ offensichtlich einen kausalen Zusammenhang zwischen der angeblichen Unanwendbarkeit der Vermutung einerseits und den vorhergehenden Erläuterungen andererseits herstellen, ohne dass dieser Zusammenhang offensichtlich ist, weil diese Erläuterungen nicht den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten betreffen, an den die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit geknüpft ist, sondern die Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen, die im Folgenden erläutert wird und nicht von dieser Vermutung erfasst ist.

64      Darüber hinaus vertreten die Kläger in derselben Rn. 19, wie sich aus der Wendung „umso mehr“ ergibt, die Auffassung, dass die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit nicht für die Höhe der für EDF vorgesehenen Entschädigung gelte, die auf jeden Fall offengelegt werden müsse.

65      Wie aus den vorstehenden Rn. 17 bis 22 hervorgeht, betraf der Antrag auf Zugang jedoch nicht den Entwurf des Entschädigungsprotokolls, sondern die Stellungnahme der Kommission nach Abschluss des Austauschs mit der Französischen Republik während der Voranmeldung im Zusammenhang mit der Schließung des Kraftwerks.

66      Aus diesen verschiedenen Elementen ergibt sich, dass das Vorbringen der Kläger, im vorliegenden Fall sei die allgemeine Vermutung der Vertraulichkeit nicht anwendbar, keine Gesichtspunkte enthält, die geeignet sind, ihm einen echten Inhalt zu verleihen, und es auch aus diesem Grund als nach Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung unzulässig zurückzuweisen ist, da es weder der anderen Partei erlaubt, ihre Verteidigung vorzubereiten, noch dem Gericht, seine Kontrolle auszuüben.

iii) Zum Begründungsmangel

67      Drittens werfen die Kläger der Kommission vor, in dem angefochtenen Beschluss nicht dargelegt zu haben, wie die Verbreitung des streitigen Dokuments den Zweck der Untersuchung betreffend die Entschädigung von EDF habe beeinträchtigen können.

68      Die Kommission, unterstützt durch die Französische Republik, tritt diesem Vorbringen entgegen.

69      Wie oben in Rn. 43 dargelegt, muss ein Organ, das sich auf eine in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme beruft, grundsätzlich erläutern, inwiefern der Zugang zu diesem Dokument das durch diese Ausnahme geschützte Interesse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte (vgl. Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

70      Diese Verpflichtung ergibt sich daraus, dass die in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen von dem gemäß Art. 15 Abs. 3 AEUV in Art. 1 dieser Verordnung verankerten Grundsatz des Rechts auf Zugang zu Dokumenten der Unionsorgane abweichen. Dieser Zugang muss, wie im vierten Erwägungsgrund der genannten Verordnung ausgeführt, so umfassend wie möglich sein (vgl. in diesem Sinne Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 51).

71      Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn das Organ, wie im vorliegenden Fall, berechtigt ist, sich auf eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung, wie sie beispielsweise bei Dokumenten eines Beihilfeprüfverfahrens besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2010, Kommission/Technische Glaswerke Ilmenau, C‑139/07 P, EU:C:2010:376, Rn. 53 und 54 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), oder auf eine Erweiterung dieser Vermutung wie im vorliegenden Fall zu berufen.

72      In diesem Fall genügt es nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 296 Abs. 2 AEUV, dass die Begründung die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen und ihre Rechte verteidigen können und dass der Richter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen jedoch nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden. Die Frage, ob die Begründung einer Entscheidung diesen Erfordernissen genügt, ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2010, Ryanair/Kommission, T‑494/08 bis T‑500/08 und T‑509/08, EU:T:2010:511, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

73      Im vorliegenden Fall hat die Kommission in dem angefochtenen Beschluss erstens klargestellt, dass der Entwurf des Entschädigungsprotokolls Gegenstand einer Voranmeldung gewesen sei und dass sie eine Untersuchung auf der Grundlage des Austauschs mit den französischen Behörden gemäß dem Verhaltenskodex durchgeführt habe, zweitens, dass ihre Dienststellen nach Lage der Akten der Auffassung gewesen seien, dass es aus Sicht der unionsrechtlichen Bestimmungen über staatliche Beihilfen keine Einwände gegen den Protokollentwurf gebe und dass dieser zum damaligen Zeitpunkt noch nicht unterzeichnet oder förmlich angemeldet worden sei, drittens, dass eine allgemeine Vermutung bestehe, dass die Verbreitung von Dokumenten einer Verwaltungsakte eines Beihilfeprüfverfahrens den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde, und viertens, dass nach den Verfahrensvorschriften im Bereich staatlicher Beihilfen andere Beteiligte als der betreffende Mitgliedstaat nicht das Recht hätten, die Dokumente der Verwaltungsakte einzusehen, und dass, wenn ein solcher Zugang gewährt würde, das Kontrollsystem gefährdet wäre.

74      Ferner enthielten die von den Mitgliedstaaten übermittelten Informationen sensible Teile betreffend die fraglichen Unternehmen, so dass diese Staaten im Falle der Verbreitung der in der Verwaltungsakte enthaltenen Dokumente von einer Zusammenarbeit mit der Kommission abgehalten werden könnten.

75      Schließlich sei die Kommission, wenn Dokumente unter eine allgemeine Vertraulichkeitsvermutung fielen, nicht verpflichtet, alle angeforderten Dokumente einzeln zu prüfen.

76      Diese Begründung ist hinreichend genau, damit die Kläger die Gründe verstehen können, aus denen ihnen der Zugang zu dem streitigen Dokument verweigert wurde, und der Richter seine Kontrolle über diese Ablehnung ausüben kann.

77      Das Vorbringen, die Begründung sei im Hinblick auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme unzureichend, ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

78      Nach alledem ist zu davon auszugehen, dass die Weigerung, das streitige Dokument zu übermitteln, zu Recht auf den Schutz der Untersuchungsziele gemäß Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützt werden konnte und dass das Vorbringen der Kläger zu dieser Bestimmung als unbegründet bzw. unzulässig zurückzuweisen ist.

2)      Zur Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen und zum Bestehen eines übergeordneten öffentlichen Interesses

79      Die Kläger werfen der Kommission vor, die in Art. 4 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen falsch angewandt zu haben.

80      Hierzu ist festzustellen, dass die Weigerung, Zugang zu gewähren, auf die in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Ausnahme gestützt werden kann, die dem Schutz der Untersuchungsziele dient (siehe oben, Rn. 78), so dass das Vorbringen der Kläger betreffend den Schutz der geschäftlichen Interessen als ins Leere gehend anzusehen ist.

81      Darüber hinaus machen die Kläger geltend, die Kommission habe, selbst wenn der Schutz der geschäftlichen Interessen im vorliegenden Fall geltend gemacht werden könnte, dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass sie nicht das Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses anerkannt habe, das gegenüber dieser Ausnahme überwiege und die Verbreitung des streitigen Dokuments vorschreibe.

82      In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger auf Fragen des Gerichts erklärt, das überwiegende öffentliche Interesse sei, was sie angehe, im Rahmen der Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen geltend gemacht worden, nicht aber im Rahmen der Ausnahme zum Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten.

83      Da es von den Klägern als ausschließlich im Zusammenhang mit der Anwendung der Ausnahme zum Schutz gewerblicher Interessen stehend hingestellt wird, die – wie oben in Rn. 80 ausgeführt – im vorliegenden Urteil nicht zu prüfen ist, darf das etwaige Bestehen eines übergeordneten öffentlichen Interesses ebenfalls nicht geprüft werden, da das Gericht insoweit an die Anträge der Parteien gebunden ist.

84      Aus diesen Gründen sind die Argumente betreffend die Ausnahme zum Schutz geschäftlicher Interessen und das etwaige Bestehen eines überwiegenden öffentlichen Interesses in der Form, in der das letztgenannte Argument von den Klägern vorgebracht wurde, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

c)      Verstoß gegen die Richtlinie 2006/111

85      Mit dem ersten Klagegrund machen die Kläger geltend, die Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Dokument verstoße gegen die Richtlinie 2006/111, insbesondere gegen deren Art. 3 Buchst. f.

86      Die Kommission, unterstützt durch die Französische Republik, stellt die Begründetheit dieses Vorbringens in Abrede.

87      In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Richtlinie 2006/111 den Mitgliedstaaten eine Reihe von Verpflichtungen auferlegt, um die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen diesen Staaten und den öffentlichen Unternehmen zu gewährleisten.

88      Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 1 der Richtlinie 2006/111 in ihren Büchern die unmittelbare Bereitstellung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Hand selbst für öffentliche Unternehmen, die Bereitstellung öffentlicher Mittel durch die öffentliche Hand über öffentliche Unternehmen oder Finanzinstitute sowie die tatsächliche Verwendung dieser öffentlichen Mittel offenlegen. Darüber hinaus müssen sie gewährleisten, dass die Finanz‑ und Organisationsstruktur der Unternehmen, die zur Erstellung einer getrennten Buchführung verpflichtet sind, sich in den getrennten Büchern genau widerspiegelt, so dass eine nach den verschiedenen Geschäftsbereichen getrennte Aufstellung der Kosten und Erlöse sowie eine genaue Angabe der Methode, nach der die Kosten und Erlöse den verschiedenen Geschäftsbereichen zugeordnet und zugewiesen werden, klar ersichtlich wird.

89      Im Übrigen müssen die Staaten gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2006/111 die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass bei jedem Unternehmen, das zu einer getrennten Buchführung verpflichtet ist, erstens die internen Konten, die den verschiedenen Geschäftsbereichen entsprechen, getrennt geführt werden, zweitens alle Kosten und Erlöse auf der Grundlage einheitlich angewandter und objektiv gerechtfertigter Kostenrechnungsgrundsätze korrekt zugeordnet und zugewiesen werden und drittens die Kostenrechnungsgrundsätze, die der getrennten Buchführung zugrunde liegen, eindeutig bestimmt sind.

90      Schließlich müssen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2006/111 die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit die Angaben über finanzielle Beziehungen zwischen ihnen und den öffentlichen Unternehmen der Kommission fünf Jahre lang vom Ende des Rechnungsjahrs an gerechnet zur Verfügung stehen, in dem die öffentlichen Mittel den öffentlichen Unternehmen zur Verfügung gestellt wurden.

91      Wie die Kommission ausführt, enthält die Richtlinie 2006/111, die an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, keine Bestimmung, die dieses Organ ermächtigt oder verpflichtet, Informationen, von denen es gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie Kenntnis hat, an Dritte weiterzugeben.

92      Dies gilt auch für den von den Klägern erwähnten Art. 3 Buchst. f der Richtlinie 2006/111, wonach die finanziellen Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und den öffentlichen Unternehmen, deren Transparenz zu gewährleisten ist, insbesondere den Ausgleich von durch die öffentliche Hand auferlegten Belastungen betreffen.

93      Diese Bestimmung besagt nämlich lediglich, dass die Angaben zum Ausgleich öffentlicher Belastungen in die von diesen Unternehmen in der in den Art. 1 und 4 der Richtlinie 2006/111 vorgesehenen Weise (siehe oben, Rn. 88 und 89) vorgelegten Jahresabschlüsse aufgenommen und der Kommission gemäß Art. 6 zur Verfügung gestellt werden müssen (siehe oben, Rn. 90).

94      Entgegen dem Vorbringen der Kläger enthält die Richtlinie 2006/111 keine Bestimmung, die die Kommission verpflichtet oder ermächtigt, ihnen das streitige Dokument zu übermitteln.

95      Ausgehend von diesen Überlegungen ist das auf den Verstoß gegen die Richtlinie 2006/111 gestützte Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen.

2.      Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte

96      Die Kläger machen geltend, die Kommission habe durch die Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Dokument gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte verstoßen, der einerseits der Verordnung Nr. 1049/2001 und andererseits den Entscheidungen der Unionsorgane vorgehe.

97      Art. 42 der Charta der Grundrechte lautet:

„Die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat haben das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe … unabhängig von der Form der für diese Dokumente verwendeten Träger.“

98      Was erstens die Verordnung Nr. 1049/2001 betrifft, so erklären die Kläger in Rn. 51 der Klageschrift, „im Falle einer Inkohärenz zwischen Art. 42 der Charta der Grundrechte und der betreffenden Verordnung [sei es] Sache des Gerichts, die Anwendung der Verordnung durch eine Einrede der Rechtswidrigkeit auszuschließen“.

99      Es ist zu prüfen, ob die Kläger mit diesem Vorbringen zulässigerweise eine gegen die Verordnung Nr. 1049/2001 gerichtete Einrede der Rechtswidrigkeit erheben.

100    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 277 AEUV „[u]ngeachtet des Ablaufs der in Artikel 263 Absatz 6 genannten Frist … jede Partei in einem Rechtsstreit, bei dem die Rechtmäßigkeit eines von einem Organ … erlassenen Rechtsakts mit allgemeiner Geltung angefochten wird, vor dem Gerichtshof der Europäischen Union die Unanwendbarkeit dieses Rechtsakts aus den in Artikel 263 Absatz 2 genannten Gründen geltend machen [kann]“.

101    Es reicht jedoch nicht aus, die Worte „Einrede der Rechtswidrigkeit“ an einer Stelle der Klageschrift einzufügen, damit das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass eine Einrede im Sinne dieser Bestimmung erhoben wurde.

102    Nach Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, der nach Art. 53 Abs. 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, und nach Art. 76 Buchst. d und e der Verfahrensordnung muss die Klageschrift nämlich den Streitgegenstand, die geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung der Klagegründe und die Anträge des Klägers enthalten. Diese Angaben müssen so klar und genau sein, dass dem Beklagten die Vorbereitung seiner Verteidigung und dem Gericht die Entscheidung über die Klage, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, ermöglicht wird. Um die Rechtssicherheit und eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die sich die Klage stützt, zumindest in gedrängter Form, aber zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben (vgl. Beschluss vom 6. November 2018, Chioreanu/ERCEA, T‑717/17, EU:T:2018:765, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

103    Im vorliegenden Fall enthalten weder der in Rn. 1 der Klageschrift angegebene Streitgegenstand noch die darin gestellten Anträge einen auf Art. 277 AEUV gestützten Antrag.

104    Darüber hinaus haben die Kläger in ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung nichts vorgetragen, was gegebenenfalls ihre oben in Rn. 98 angeführte allgemeine Aussage rechtfertigen würde, die Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 müsse wegen eines Verstoßes gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte ausgeschlossen werden.

105    Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Gericht zulässigerweise mit einem Inzidentantrag auf Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 1049/2001 im Lichte von Art. 42 der Charta der Grundrechte befasst wurde.

106    Zweitens beantragen die Kläger unabhängig von einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verordnung Nr. 1049/2001 die Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses mit der Begründung, die Kommission habe durch die Verweigerung des Zugangs zu dem betreffenden Dokument gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte verstoßen.

107    Insoweit ist festzustellen, dass die Ausübung der durch die Charta der Grundrechte anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, nach Art. 52 Abs. 2 dieser Charta im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt.

108    Nach Art. 15 Abs. 3 AEUV wird das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe nach den Grundsätzen und Bedingungen gewährleistet, die in Verordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren festgelegt sind.

109    Aufgrund dieser Bestimmung sind die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen in Bezug auf das Recht auf Zugang zu Dokumenten der Kommission in der Verordnung Nr. 1049/2001 festgelegt, die auf der Grundlage von Art. 255 EG erlassen wurde, dessen Inhalt in Art. 15 Abs. 3 AEUV übernommen wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. März 2017, Deutsche Telekom/Kommission, T‑210/15, EU:T:2017:224, Rn. 113).

110    Daher ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1049/2001 zu prüfen.

111    Aus der Antwort auf den ersten Klagegrund geht jedoch hervor, dass die Kommission den Klägern zulässigerweise den Zugang zu dem streitigen Dokument auf der Grundlage von Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001, der den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten betrifft, verweigern konnte.

112    Da die Kommission, wie oben festgestellt, diese Bestimmung korrekt angewandt hat, ist davon auszugehen, dass die Kommission bei der Annahme des angefochtenen Beschlusses nicht gegen Art. 42 der Charta der Grundrechte verstoßen hat.

113    Daher ist der zweite Klagegrund hinsichtlich des ersten Teils als unzulässig und hinsichtlich des zweiten Teils als unbegründet zurückzuweisen.

3.      Dritter Klagegrund: Verstoß gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte

114    Nach Ansicht der Kläger hat die Kommission durch die Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Dokument gegen Art. 47 der Charta der Grundrechte verstoßen, was das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf betrifft.

115    Die Kommission, unterstützt durch die Französische Republik, tritt diesem Klagegrund entgegen.

116    Erstens sind die Kläger der Auffassung, aufgrund der Weigerung, ihnen das streitige Dokument zu übermitteln, seien sie nicht in der Lage, beim Unionsrichter eine Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung zu erheben, die in dem streitigen Dokument enthalten sei.

117    In diesem Zusammenhang genügt die Feststellung, dass das streitige Dokument, wie von der Kommission und der Französischen Republik vorgetragen, keine Entscheidung enthält, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne von Art. 263 AEUV sein kann.

118    Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen, Handlungen oder Entscheidungen, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Dezember 2007, Kommission/Ferriere Nord, C‑516/06 P, EU:C:2007:763, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

119    Wie aus Rn. 16 des Verhaltenskodex hervorgeht, stellt die von der Kommission nach einem Voranmeldeverfahren vorgenommene Beurteilung jedoch keine offizielle Stellungnahme der Kommission dar, sondern eine unverbindliche Stellungnahme zur Konformität des Anmeldungsentwurfs und zur Vereinbarkeit des vorgestellten Entwurfs mit dem EU-Beihilferecht.

120    Die Verweigerung des Zugangs zu dem streitigen Dokument durch die Kommission konnte daher nicht verhindern, dass die Kläger eine Nichtigkeitsklage beim Unionsrichter erheben.

121    Zweitens machen die Kläger geltend, sie würden durch den angefochtenen Beschluss daran gehindert, Einblick in das Entschädigungsprotokoll zu nehmen, auf das sie angewiesen seien, um im Rahmen einer Klage vor dem Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) nachzuweisen, dass das Dekret zur Aufhebung der Genehmigung zum Betrieb des Kraftwerks rechtswidrig sei, da es nicht mit den Beihilfevorschriften der Union übereinstimme.

122    In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich der von den Klägern gestellte Zugangsantrag auf das streitige Dokument bezog und nicht auf den Entwurf des Entschädigungsprotokolls. Selbst wenn die Kommission also ihrem Zugangsantrag stattgegeben hätte, hätten die Kläger das für ihre Klage angeblich notwendige Dokument nicht erhalten.

123    Darüber hinaus zielt die Verordnung Nr. 1049/2001, wie die Kommission ausgeführt hat, darauf ab, Fragen des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten im Besitz der Unionsorgane zu regeln, und nicht solche, die sich auf Beweise beziehen, die von den Parteien in Gerichtsverfahren vorzulegen sind, sei es in Verfahren vor dem Unionsrichter oder vor den nationalen Gerichten.

124    Nach der Rechtsprechung ist es in den nationalen Verfahren Sache des angerufenen nationalen Richters, die Mechanismen der Vorlage von Beweisen und geeigneten Dokumenten nach dem anwendbaren Recht zu klären, um den Rechtsstreit zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2013, Niederlande/Kommission, T‑380/08, EU:T:2013:480, Rn. 82).

125    Daher ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen und die Klage somit insgesamt abzuweisen.

 Kosten

126    Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

127    Da die Kläger mit ihren Anträgen unterlegen sind, sind ihnen gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

128    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

129    Die Französische Republik trägt daher ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die Commune de Fessenheim, die Communauté de communes Pays Rhin-Brisach, der Conseil départemental du Haut-Rhin und der Conseil régional Grand Est Alsace Champagne-Ardenne Lorraine tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Europäischen Kommission.

3.      Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Pelikánová

Nihoul

Svenningsen

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Mai 2019.

Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.