Language of document : ECLI:EU:C:2015:463

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 9. Juli 2015(1)

Rechtssache C‑198/14

Valev Visnapuu

gegen

Kihlakunnansyyttäjä (Helsinki),

Suomen valtio – Tullihallitus

(Vorabentscheidungsersuchen des Helsingin hovioikeus [Finnland])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 34 AEUV und 110 AEUV – Verbrauchsteuer auf bestimmte Getränkeverpackungen, die nicht zu einem Pfand- und Rücknahmesystem gehören – Art. 34 AEUV und 37 AEUV – Staatliches Einzelhandelsmonopol – Erfordernis einer Einzelhandelserlaubnis für die Einfuhr zum Einzelhandelsverkauf im Inland bestimmter alkoholischer Getränke durch einen Wirtschaftsbeteiligten in einem anderen Mitgliedstaat“





1.        In Finnland werden der Umweltschutz und der Schutz der öffentlichen Gesundheit insbesondere durch zwei Normenkomplexe sichergestellt.

2.        Erstens sieht die Regelung über Verbrauchsteuern auf bestimmte Getränkeverpackungen eine Befreiung von der Zahlung dieser Steuer für Getränkeverpackungen vor, die zu einem wirksamen Rücknahmesystem gehören, in dessen Rahmen die Wiederverwendung oder Wiederverwertung der Getränkeverpackungen sichergestellt ist.

3.        Zweitens hat die Regelung über den Alkohol ein Einzelhandelsmonopol für alkoholische Getränke zugunsten der Alko Oy (im Folgenden: Alko), einer staatlichen Alkoholhandelsgesellschaft, errichtet und unterwirft insbesondere die Einfuhr gewisser zum Verkauf im Einzelhandel bestimmter alkoholischer Getränke einer Einzelhandelserlaubnispflicht.

4.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen möchte der Helsingin hovioikeus (Rechtsmittelgericht Helsinki, Finnland) vom Gerichtshof wissen, wie die erste dieser beiden Regelungen im Hinblick auf die Art. 34 AEUV oder 110 AEUV und die zweite im Hinblick auf die Art. 34 AEUV oder 37 AEUV zu qualifizieren ist.

5.        Weiter möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob diese Artikel sowie die Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62/EG(2) dahin auszulegen sind, dass sie diesen Regelungen entgegenstehen.

6.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Visnapuu als Vertreter der European Investment Group OÜ (im Folgenden: EIG) und dem Kihlakunnansyyttäjä (Helsinki) (Bezirksstaatsanwaltschaft Helsinki) sowie dem Suomen valtio – Tullihallitus (Finnischer Staat – Zollverwaltung), in dem es zum einen darum geht, dass Verpackungen für alkoholische Getränke, die nicht von einem Rücknahmesystem erfasst werden, einer Verpackungsteuer unterliegen, und zum anderen um das Erfordernis einer Einzelhandelserlaubnis für die Einfuhr und den Einzelhandelsverkauf dieser alkoholischen Getränke.

7.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich erstens erläutern, warum eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren, nach der bestimmte Verpackungen alkoholischer Getränke von der Verpackungsteuer ausgenommen sind, sofern sie einem Rücknahmesystem unterliegen, meines Erachtens im Licht von Art. 110 AEUV zu beurteilen und als mit diesem Artikel und den Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62 vereinbar anzusehen ist.

8.        Zweitens werde ich darlegen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren, mit der ein Monopol für den Einzelhandelsverkauf errichtet und die Einfuhr gewisser zum Verkauf im Einzelhandel bestimmter alkoholischer Getränke von der Erteilung einer Einzelhandelserlaubnis abhängig gemacht wird, im Licht von Art. 37 AEUV zu beurteilen ist, der seinerseits dahin auszulegen ist, dass er einer solchen Regelung nicht entgegensteht, sofern die Organisation und die Funktionsweise dieses Monopols so ausgestaltet sind, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, so dass der Handel mit Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem mit einheimischen Waren weder rechtlich noch tatsächlich benachteiligt wird, was der nationale Richter zu prüfen hat.

I –    Rechtsrahmen

A –    Unionsrecht

1.      AEU-Vertrag

9.        Nach Art. 34 AEUV sind „[m]engenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung[(3)] zwischen den Mitgliedstaaten verboten“.

10.      Art. 37 Abs. 1 AEUV bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten formen ihre staatlichen Handelsmonopole derart um, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist.

Dieser Artikel gilt für alle Einrichtungen, durch die ein Mitgliedstaat unmittelbar oder mittelbar die Einfuhr oder die Ausfuhr zwischen den Mitgliedstaaten rechtlich oder tatsächlich kontrolliert, lenkt oder merklich beeinflusst. Er gilt auch für die von einem Staat auf andere Rechtsträger übertragenen Monopole.“

11.      Art. 110 AEUV lautet:

„Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.

Die Mitgliedstaaten erheben auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine inländischen Abgaben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen.“

2.      Richtlinie 94/62

12.      Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 bestimmt:

„Diese Richtlinie bezweckt, die Vorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft zu harmonisieren, um einerseits Auswirkungen dieser Abfälle in allen Mitgliedstaaten sowie in dritten Ländern auf die Umwelt zu vermeiden bzw. diese Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und zu verhindern, dass es in der Gemeinschaft zu Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen und ‑beschränkungen kommt.“

13.      Art. 7 („Rücknahme-, Sammel- und Verwertungssysteme“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Systemen für

a)      die Rücknahme und/oder Sammlung von gebrauchten Verpackungen und/oder Verpackungsabfällen beim Verbraucher oder jedem anderen Endabnehmer bzw. aus dem Abfallaufkommen mit dem Ziel einer bestmöglichen Entsorgung;

b)      die Wiederverwendung oder Verwertung – einschließlich der stofflichen Verwertung – der gesammelten Verpackungen und/oder Verpackungsabfälle,

um die Zielvorgaben dieser Richtlinie zu erfüllen.

An diesen Systemen können sich alle Marktteilnehmer der betreffenden Wirtschaftszweige und die zuständigen Behörden beteiligen. Sie gelten auch für Importprodukte, die dabei keine Benachteiligung erfahren, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang zu den Systemen, die so beschaffen sein müssen, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

(2)      Die Maßnahmen nach Absatz 1 sind Teil einer für alle Verpackungen und Verpackungsabfälle geltenden Politik und berücksichtigen im Besonderen Anforderungen des Umwelt- und Verbraucherschutzes in Bezug auf Gesundheit, Sicherheit und Hygiene …“

14.      In Art. 15 („Marktwirtschaftliche Instrumente“) dieser Richtlinie heißt es:

„Der Rat setzt auf der Grundlage der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags marktwirtschaftliche Instrumente zur Erreichung der Ziele dieser Richtlinie ein. Werden keine derartigen Maßnahmen ergriffen, so können die Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Umweltpolitik der Gemeinschaft, unter anderem dem Verursacherprinzip, und unter Einhaltung der sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen ihrerseits Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele erlassen.“

B –    Finnisches Recht

1.      Gesetz über die Verbrauchsteuer auf bestimmte Getränkeverpackungen

15.      Nach § 5 des Gesetzes Nr. 1037/2004 über die Verbrauchsteuer auf bestimmte Getränkeverpackungen (Laki eräiden juomapakkausten valmisteverosta [1037/2004], im Folgenden: Getränkeverpackungsteuergesetz) beträgt diese Steuer 51 Cent pro Liter verpackter Ware.

16.      § 6 dieses Gesetzes sieht Fälle der Befreiung von der Verpackungsteuer vor. § 6 Abs. 1 Nr. 1 bestimmt, dass Getränkeverpackungen, die zu einem wirksamen Rücknahmesystem im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 dieses Gesetzes gehören, freigestellt sind(4).

2.      Alkoholgesetz

17.      Das Gesetz Nr. 1143/1994 über den Alkohol (Alkoholilaki [1143/1994], im Folgenden: Alkoholgesetz) bezweckt nach seinem § 1, den Alkoholkonsum zu kontrollieren, um den negativen Auswirkungen alkoholhaltiger Stoffe auf die Gesellschaft, auf das gesellschaftliche Leben und auf die Gesundheit vorzubeugen.

18.      § 8 dieses Gesetzes („Einfuhr von alkoholischen Getränken und Ethylalkohol sowie Einfuhrerlaubnis für Ethylalkohol“) bestimmt in seinem Abs. 1:

„Alkoholische Getränke für den eigenen Verbrauch oder zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken dürfen ohne besondere Erlaubnis eingeführt werden. Die Einfuhr für den Eigenverbrauch ist in § 10 näher geregelt. Wer alkoholische Getränke zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken verwendet, bedarf für seine Tätigkeit der im vorliegenden Gesetz vorgesehenen besonderen Erlaubnis für die Einfuhr alkoholischer Getränke …“

19.      § 13 Abs. 1 des Alkoholgesetzes bestimmt, dass Alko, von den in § 14 dieses Gesetzes vorgesehenen Ausnahmen abgesehen, das ausschließliche Recht hat, alkoholische Getränke im Einzelhandel zu verkaufen.

20.      Art. 14 dieses Gesetzes („Einzelhandelserlaubnis“) bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„Alkoholische Getränke, die durch Gärung hergestellt werden und höchstens 4,7 Vol.-% Ethylalkohol enthalten, dürfen im Einzelhandel außer von der staatlichen Alkoholgesellschaft auch von Personen verkauft werden, die von der zuständigen Behörde eine Einzelhandelserlaubnis erhalten haben.

Unter den vom Sozial- und Gesundheitsministerium festgesetzten Bedingungen ist zum Einzelhandel mit alkoholischen Getränken, die durch Gärung hergestellt werden und höchstens 13 Vol.-% Ethylalkohol enthalten, neben der staatlichen Alkoholgesellschaft auch zugelassen, wer von der zuständigen Behörde die Erlaubnis zur Herstellung des fraglichen Erzeugnisses erhalten hat.“

II – Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

21.      Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass EIG, die ihren Sitz in Estland hat, die Website www.alkotaxi.eu betrieb, über die verschiedene Marken alkoholischer Getränke mit geringem oder hohem Alkoholgehalt gekauft werden konnten. Für einen Teil der Käufer übernahm EIG die Lieferung der erworbenen alkoholischen Getränke nach Hause.

22.      Unstreitig kam EIG in der Zeit vom 24. Juni bis zum 18. August 2009(5) bestimmten Pflichten, die ihr nach finnischem Recht bei der Lieferung alkoholischer Getränke nach Finnland oblagen, nicht nach(6).

23.      Bei der Einfuhr dieser Waren nach Finnland entrichtete EIG nämlich weder die Verbrauchsteuer auf die alkoholischen Getränke in Höhe von 23 144,89 Euro noch die Getränkeverpackungsteuer für deren Verpackungen in Höhe von 5 233,52 Euro. Diese zuletzt genannte Steuer wird erhoben, wenn die Verpackung zu keinem Rücknahmesystem gehört, was auf die im Ausgangsverfahren fraglichen Getränke zutraf.

24.      Außerdem führte Herr Visnapuu als Vertreter von EIG alkoholische Getränke ein und lieferte sie einem Teil der finnischen Käufer nach Hause, ohne über eine Einzelhandelserlaubnis für diese Einfuhr zu verfügen.

25.      Der Kihlakunnansyyttäjä (Helsinki) leitete daraufhin gegen Herrn Visnapuu Strafverfolgungsmaßnahmen wegen schwerer Steuerhinterziehung und Verstoßes gegen das Alkoholgesetz ein.

26.      Der Helsingin käräjäoikeus (erstinstanzliches Gericht Helsinki) verurteilte Herrn Visnapuu durch Urteil vom 26. September 2012 zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten mit Bewährung und zur Zahlung von 28 378,40 Euro zuzüglich Zinsen an den Suomen valtio wegen der nicht entrichteten Steuern.

27.      Gegen dieses Urteil legte Herr Visnapuu Berufung ein. Er macht erstens geltend, das Getränkeverpackungsteuergesetz sei mittelbar diskriminierend und verstoße somit gegen Art. 110 AEUV. Zweitens stelle das Alkoholgesetz, das die Einfuhr bestimmter alkoholischer Getränke vom Erfordernis einer Einzelhandelserlaubnis abhängig mache, eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung dar und verstoße daher gegen Art. 34 AEUV. Diese Regelung könne auch nicht gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden.

28.      Der Kihlakunnansyyttäjä (Helsinki) und der Suomen valtio – Tullihallitus vertreten demgegenüber den Standpunkt, weder das Getränkeverpackungsteuergesetz noch das Alkoholgesetz verstießen gegen das Unionsrecht.

29.      Der Kihlakunnansyyttäjä (Helsinki) ist der Auffassung, das Getränkeverpackungsteuergesetz sei allein an Art. 110 AEUV zu messen und mit diesem auch vereinbar. Das Alkoholgesetz sei hingegen nach seiner Ansicht nicht an Art. 34 AEUV sondern an Art. 37 AEUV zu messen.

30.      Unter diesen Umständen hat der Helsingin hovioikeus beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist die Zulässigkeit des Gesetzes über die Verbrauchsteuer auf bestimmte Getränkeverpackungen, nach dem diese Steuer erhoben wird, wenn die Verpackung nicht zu einem Rückgabesystem gehört, an Art. 110 AEUV statt an Art. 34 AEUV zu messen? Bei dem fraglichen Rückgabesystem muss es sich um ein Pfandsystem handeln, bei dem der Abpacker oder der Importeur der Getränke – eigenständig oder in der im Gesetz über Abfälle oder in den entsprechenden für die Provinz Åland geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Weise – so für die Wiederverwendung oder die Wiederverwertung der Getränkeverpackungen sorgt, dass die Verpackung wiederbefüllt oder als Rohstoff verwertet wird.

2.      Falls die erste Frage bejaht wird: Steht die vorgenannte Regelung im Einklang mit den Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62, wenn man auch Art. 110 AEUV berücksichtigt?

3.      Falls die erste Frage verneint wird: Steht die vorgenannte Regelung im Einklang mit den Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62, wenn man auch Art. 34 AEUV berücksichtigt?

4.      Falls die dritte Frage verneint wird: Ist das Gesetz über die Verbrauchsteuer auf bestimmte Getränkeverpackungen nach Art. 36 AEUV als zulässig anzusehen?

5.      Kann das Erfordernis, dass jeder, der alkoholische Getränke zu gewerblichen Zwecken verwendet, für seine die einzuführenden alkoholischen Getränke betreffende Tätigkeit eine besondere Einzelhandelserlaubnis benötigt, wenn ein finnischer Käufer über das Internet oder sonst über den Versandhandel von dem in einem anderen Mitgliedstaat tätigen Verkäufer alkoholische Getränke gekauft hat, die der Verkäufer nach Finnland verbringt, als das Bestehen eines Monopols betreffend oder als Teil der Funktionsweise eines Monopols angesehen werden, so dass ihm die Bestimmungen von Art. 34 AEUV nicht entgegenstehen, sondern es im Licht von Art. 37 AEUV zu bewerten ist?

6.      Falls die fünfte Frage bejaht wird: Ist die Erlaubnispflicht mit den Bedingungen für staatliche Handelsmonopole gemäß Art. 37 AEUV vereinbar?

7.      Falls die fünfte Frage verneint wird und auf den vorliegenden Fall Art. 34 AEUV anzuwenden ist: Ist die finnische Regelung, wonach bei der Bestellung alkoholischer Getränke aus dem Ausland über das Internet oder sonst über den Versandhandel die Einfuhr der Getränke für den Eigenverbrauch nur gestattet ist, wenn der Besteller selbst oder ein vom Verkäufer unabhängiger Dritter die alkoholischen Getränke in den betreffenden Mitgliedstaat verbracht hat, und wonach anderenfalls für die Einfuhr eine Erlaubnis nach dem Alkoholgesetz verlangt wird, eine Art. 34 AEUV zuwiderlaufende mengenmäßige Beschränkung oder Maßnahme gleicher Wirkung?

8.      Falls die siebte Frage bejaht wird: Kann die streitige Regelung im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen als gerechtfertigt und verhältnismäßig angesehen werden?

III – Würdigung

A –    Vorbemerkungen

31.      Die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen betreffen zwei unterschiedliche finnische Regelungen.

32.      Während sich die ersten vier Fragen auf das Getränkeverpackungsteuergesetz beziehen, betreffen die Fragen 5 bis 8 das Alkoholgesetz. Ich werde zunächst die Fragen 1 bis 4 zusammen untersuchen, bevor ich mich mit den Fragen 5 bis 8 befasse.

33.      Obwohl diese beiden Regelungen sich voneinander unterscheiden, weise ich darauf hin, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens derselbe bleibt.

34.      Ich möchte daran erinnern, dass – wie sich aus den Akten ergibt ‐ Herr Visnapuu alkoholische Getränke über das Internet verkaufte und sie anschließend unmittelbar an den finnischen Käufer auslieferte. Wie bereits erwähnt, wurden diese Tatsachen von Herrn Visnapuu nicht bestritten und sind daher als bewiesen anzusehen. Ist Herr Visnapuu unter diesen Umständen als Versandhändler anzusehen, der diese alkoholischen Getränke nach Finnland eingeführt und dort im Einzelhandel verkauft hat?

35.      Nach dem Inhalt der Akten muss diese Frage bejaht werden.

36.      Wie die finnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen feststellt, ist es nämlich im Sinne des Alkoholgesetzes als ein Einzelhandelsverkauf in Finnland anzusehen, wenn ein Versandhändler wie Herr Visnapuu die alkoholischen Getränke selbst zum finnischen Käufer transportiert und an ihn ausliefert. Ist das Eigentum an diesen alkoholischen Getränken hingegen im Ausland übertragen worden und liefert der Besteller selbst oder ein vom Verkäufer unabhängiger Spediteur diese Getränke anschließend nach Finnland, ist dies als ein Verkauf anzusehen, der außerhalb Finnlands stattgefunden hat.

37.      Den Akten ist zu entnehmen, dass diese Auslegung des Alkoholgesetzes sich auf die von den finnischen Behörden herausgegebenen Richtlinien und Mitteilungen stützt. Insbesondere das vorlegende Gericht nimmt in seiner Vorlageentscheidung bei der Darlegung der anwendbaren nationalen Vorschriften auf diese Veröffentlichungen Bezug.

38.      Im vorliegenden Fall unterliegt die Lösung meines Erachtens keinem Zweifel. Beim Verkauf körperlicher Gegenstände der Art, wie sie von Herrn Visnapuu erworben wurden, nämlich nur der Gattung nach bestimmte Sachen, findet der Übergang des Eigentums, mit dem der Verkauf vollzogen wird, zum Zeitpunkt der Lieferung statt. Da diese in Finnland erfolgte, fand der Vollzug des Verkaufs im Rechtssinn eindeutig auf finnischem Staatsgebiet statt.

39.      Folglich ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass Herr Visnapuu alkoholische Getränke zunächst eingeführt und sodann im Einzelhandel verkauft hat.

40.      Vor diesem Hintergrund sind die Fragen des vorlegenden Gerichts zu untersuchen.

B –    Zu den Fragen 1 bis 4

41.      Mit seinen ersten vier Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine nationale Regelung wie das Getränkeverpackungsteuergesetz, nach der diese Steuer erhoben wird, wenn die Verpackung nicht zu einem Rücknahmesystem gehört, in den Anwendungsbereich von Art. 110 AEUV oder von Art. 34 AEUV fällt, und ob sie gegebenenfalls mit dem einen oder dem anderen Artikel vereinbar ist.

42.      Das vorlegende Gericht fragt den Gerichtshof ferner nach der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit den Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62.

43.      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, werde ich zuerst auf die Frage eingehen, wie das Getränkeverpackungsteuergesetz zu qualifizieren ist. Stellt dieses Gesetz eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 34 AEUV dar, oder ist es als „inländische Abgabe“ gemäß Art. 110 AEUV anzusehen?

44.      Zweitens werde ich prüfen, ob dieses Gesetz mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 94/62 und von Art. 110 AEUV vereinbar ist.

1.      Zum jeweiligen Anwendungsbereich der Art. 34 AEUV und 110 AEUV

45.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der AEU‑Vertrag drei Gruppen von Bestimmungen enthält, die Beschränkungen des Warenverkehrs zwischen Mitgliedstaaten verbieten. Es handelt sich um die Art. 28 AEUV und 30 AEUV, 34 AEUV bis 36 AEUV und 110 AEUV(7).

46.      Die Frage der Anwendbarkeit der Art. 28 AEUV und 30 AEUV, die insbesondere Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung betreffen, ist weder vom vorlegenden Gericht noch im Rahmen der schriftlichen Erklärungen angesprochen worden.

47.      Der Vollständigkeit halber werde ich kurz darlegen, warum ich diese Bestimmungen nicht für anwendbar halte.

48.      Eine Abgabe wie die im Ausgangsverfahren fragliche Verbrauchsteuer ist offensichtlich kein Zoll im eigentlichen Sinne.

49.      Nach ständiger Rechtsprechung stellt jedoch jede – auch noch so geringe – den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, eine Abgabe zollgleicher Wirkung im Sinne der Art. 28 AEUV und 30 AEUV dar(8).

50.      Aus den Akten ergibt sich, dass die im Ausgangsverfahren streitige Verbrauchsteuer für bestimmte Getränkeverpackungen gilt, die nicht von einem Rücknahmesystem in Finnland erfasst werden. Unter die Befreiung von der Verbrauchsteuer fallen mit anderen Worten nur Getränkeverpackungen, die zu einem Rücknahmesystem gehören.

51.      Somit wird die streitige Abgabe auf diese Getränkeverpackungen nicht etwa erhoben, weil sie die Grenze überschreiten, sondern weil sie nicht unter ein Rücknahmesystem fallen. Unter diesen Umständen stellt die im Getränkeverpackungsteuergesetz vorgesehene Verbrauchsteuer keine Abgabe zollgleicher Wirkung dar.

52.      Da die Anwendbarkeit der Art. 28 AEUV und 30 AEUV im vorliegenden Fall auszuschließen ist, bleibt zu prüfen, ob Art. 34 AEUV oder Art. 110 AEUV anwendbar ist.

53.      Sowohl Herr Visnapuu als auch die finnische Regierung und die Europäische Kommission vertreten in ihren schriftlichen Erklärungen die Ansicht, dass auf das Getränkeverpackungsteuergesetz nicht Art. 34 AEUV, sondern Art. 110 AEUV anzuwenden sei(9).

54.      Ich teile diese Auffassung.

55.      Insoweit stelle ich fest, dass Art. 34 AEUV alle mengenmäßigen Beschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet. Der Gerichtshof hat den Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung weit ausgelegt, indem er ausgeführt hat, dass er jede Regelung der Mitgliedstaaten erfasst, die „geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“(10).

56.      Art. 110 AEUV verbietet es seinerseits, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten höhere inländische Abgaben zu erheben, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, oder inländische Abgaben zu erheben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen(11). Im Gegensatz zur Regelung von Art. 34 AEUV richtet sich das Verbot von Art. 110 AEUV nicht gegen inländische Abgaben als solche, sondern gegen die Diskriminierung oder den Schutz, der aus ihnen folgt, so dass es genügt, die Diskriminierung und das Schutzelement zu beseitigen, um den Anforderungen von Art. 110 nachzukommen(12).

57.      Hinzuzufügen ist, dass eine nationale Maßnahme, die in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fällt, aus einem der in Art. 36 AEUV und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs angeführten Gründe gerechtfertigt sein kann, so dass sie von diesem Verbot ausgenommen ist. Im Rahmen der Anwendung von Art. 110 AEUV ist eine solche Rechtfertigungsmöglichkeit hingegen nicht vorgesehen.

58.      Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Art. 34 AEUV und 110 AEUV sich hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs und hinsichtlich der Folgen ihrer Anwendung deutlich unterscheiden.

59.      Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs solche Beeinträchtigungen nicht erfasst, für die sonstige spezifische Vorschriften des AEU-Vertrags gelten, und dass die in den Art. 28 AEUV, 30 AEUV und 110 AEUV bezeichneten Beeinträchtigungen fiskalischer Art oder mit zollgleicher Wirkung nicht dem Verbot von Art. 34 AEUV unterliegen(13).

60.      Art. 110 AEUV ist daher, ebenso wie die Art. 28 AEUV und 30 AEUV, als lex specialis anzusehen, während Art. 34 AEUV, der einen sehr weiten Anwendungsbereich hat, als lex generalis sozusagen die Funktion eines Sicherheitsnetzes übernimmt(14). Zudem kann auf eine bestimmte nationale Maßnahme immer nur einer der Art. 30 AEUV, 34 AEUV oder 110 AEUV angewandt werden(15).

61.      Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist zunächst zu prüfen, ob das Getränkeverpackungsteuergesetz unter Art. 110 AEUV fällt, und nur falls dies zu verneinen ist, ob dieses Gesetz in den Anwendungsbereich von Art. 34 AEUV fällt(16).

62.      Mit der Kommission bin ich der Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Verbrauchsteuer offensichtlich fiskalischer Natur ist. Wie erwähnt, handelt es sich nämlich um eine Verbrauchsteuer, die zugunsten des Suomen valtio auf bestimmte Getränkeverpackungen erhoben wird.

63.      Ferner ergibt sich aus den Akten, dass diese Verbrauchsteuer unabhängig vom Ursprung oder der Bestimmung der Getränkeverpackungen gilt. Sie findet nämlich, wie bereits erwähnt, ausnahmslos auf bestimmte Getränkeverpackungen und nach objektiven Kriterien Anwendung, nämlich pro Liter der verpackten Ware, sofern die Verpackung nicht zu einem Rücknahmesystem gehört.

64.      Somit gehört eine steuerliche Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren fragliche, bei der die Steuer nicht deshalb erhoben wird, weil die Grenze des Mitgliedstaats, der sie eingeführt hat, überschritten wird, sondern weil die Ware zum Zeitpunkt ihrer Vermarktung nicht zu einem Rücknahmesystem gehört, und die sowohl auf importierte als auch auf in diesem Mitgliedstaat hergestellte Waren Anwendung findet, meines Erachtens zu einem allgemeinen inländischen System von Abgaben und ist daher an Art. 110 AEUV zu messen(17).

65.      Da die im Ausgangsverfahren fragliche steuerliche Maßnahme meines Erachtens nach Art. 110 AEUV zu beurteilen ist, braucht sie nicht im Licht von Art. 34 AEUV geprüft zu werden.

2.      Zur Vereinbarkeit des Getränkeverpackungsteuergesetzes mit Art. 110 AEUV und mit den Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62

66.      Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen zu Recht ausführt, stellt sich eine Vorfrage. Haben die Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62 eine abschließende Harmonisierung herbeigeführt, so dass das Getränkeverpackungsteuergesetz allein anhand dieser Vorschriften zu prüfen ist?

67.      Diese Frage ist von besonderer Bedeutung, weil nach ständiger Rechtsprechung jede nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht der des Primärrechts zu beurteilen ist(18).

68.      Ich bin mit der Kommission der Ansicht, dass der Harmonisierungseffekt der Richtlinie 94/62 im Bereich der Organisation von Rücknahmesystemen für Getränkeverpackungen begrenzt bleibt(19).

69.      Insoweit weise ich auf die Feststellung des Gerichtshofs hin, dass „[a]nders als die Kennzeichnung und Identifizierung der Verpackungen sowie die Anforderungen an die Zusammensetzung und die Wiederverwendbarkeit bzw. Verwertbarkeit der Verpackungen, die in den Artikeln 8 bis 11 und in Anhang II der Richtlinie 94/62 geregelt sind, … die Organisation der nationalen Systeme, mit denen die Wiederverwendung von Verpackungen gefördert werden soll, somit nicht abschließend harmonisiert [ist]“(20).

70.      Es trifft zwar zu, dass Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 zunächst die Verpflichtung der Mitgliedstaaten feststellt, die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung von Rücknahme-, Sammel- und Verwertungssystemen zu ergreifen, und im Anschluss daran die Organisation dieser Systeme regelt(21).

71.      Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geht jedoch hervor, dass die Mitgliedstaaten bei der konkreten Ausgestaltung dieser Systeme über einen gewissen Handlungsspielraum verfügen. Sie sieht nämlich in allgemein gehaltenen Formulierungen vor, dass diese Systeme auch für Importprodukte gelten, die dabei keine Benachteiligung erfahren, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang zu den Systemen. Außerdem verweist diese Bestimmung anschließend ausdrücklich auf den AEU‑Vertrag, indem sie präzisiert, dass die Rücknahmesysteme so beschaffen sein müssen, dass „gemäß dem Vertrag“ keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.

72.      Im Übrigen räumt Art. 15 der Richtlinie 94/62, der „[m]arktwirtschaftliche Instrumente“ betrifft, den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Wahl dieser Instrumente ein weites Ermessen ein. Nach diesem Art. 15 können die Mitgliedstaaten nämlich, solange keine harmonisierten Maßnahmen ergriffen werden, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Umweltpolitik der Europäischen Union, unter anderem dem Verursacherprinzip, und unter Einhaltung der sich aus dem AEU‑Vertrag ergebenden Verpflichtungen Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele dieser Richtlinie erlassen.

73.      Ich weise darauf hin, dass diese Richtlinie „bezweckt, die Vorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft zu harmonisieren, um einerseits Auswirkungen dieser Abfälle in allen Mitgliedstaaten sowie in dritten Ländern auf die Umwelt zu vermeiden bzw. diese Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und zu verhindern, dass es in der Gemeinschaft zu Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen und ‑beschränkungen kommt“(22).

74.      Im vorliegenden Fall wurde die im Ausgangsverfahren streitige Verbrauchsteuer nach den Angaben der finnischen Regierung in der mündlichen Verhandlung auf der Grundlage von Art. 15 der Richtlinie 94/62 eingeführt, und zwar insbesondere in Anwendung des „Verursacherprinzips“.

75.      Aus alledem folgt, dass die maßgeblichen Bestimmungen dieser Richtlinie keine abschließende Harmonisierung darstellen und ein nationales System der Verpackungswirtschaft, das wie im Ausgangsverfahren auf der Erhebung einer Verbrauchsteuer beruht, daher nach Art. 110 Abs. 1 AEUV zu beurteilen ist(23).

76.      Insoweit möchte ich darauf hinweisen, dass Art. 110 EG den Zweck hat, den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen dadurch zu gewährleisten, dass er jegliche Form von Schutz beseitigt, die sich aus der Erhebung inländischer Abgaben ergeben könnte, die Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminieren(24). Diese Bestimmung soll somit die vollkommene Wettbewerbsneutralität der inländischen Besteuerung für inländische und eingeführte Erzeugnisse sicherstellen(25).

77.      Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Steuersystem eines Mitgliedstaats nur dann als mit Art. 110 AEUV vereinbar angesehen werden, wenn feststeht, dass seine Ausgestaltung es unter allen Umständen ausschließt, dass eingeführte Waren höher besteuert werden als einheimische Waren, und dass es daher auf keinen Fall diskriminierende Wirkungen hat(26).

78.      Der Gerichtshof hat ebenfalls entschieden, dass Art. 110 AEUV in dem Sinne weit auszulegen ist, dass er alle steuerlichen Maßnahmen erfasst, die die Gleichbehandlung von inländischen und eingeführten Erzeugnissen unmittelbar oder mittelbar berühren könnten. Das in diesem Artikel ausgesprochene Verbot greift daher immer dann ein, wenn eine steuerliche Maßnahme geeignet ist, die Einfuhr von Gegenständen aus anderen Mitgliedstaaten zugunsten inländischer Erzeugnisse zu erschweren(27).

79.      Ich stelle fest, dass die durch das Getränkeverpackungsteuergesetz eingeführte Steuerregelung formell nicht danach unterscheidet, welchen Ursprung die Getränkeverpackungen haben.

80.      Aus den Akten ergibt sich nämlich, dass die im Ausgangsverfahren streitige Verbrauchsteuer für inländische und eingeführte Erzeugnisse unter den gleichen Voraussetzungen und den gleichen Modalitäten zu zahlen ist. Ich weise darauf hin, dass im vorliegenden Fall jede Getränkeverpackung, ob eingeführt oder inländisch, demselben Verbrauchsteuersatz unterliegt und eingeführte oder inländische Verpackungen von dieser Steuer befreit sind, wenn sie von einem Rücknahmesystem erfasst werden. Wie die finnische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen betont, sind somit die Voraussetzungen sowohl für die Erhebung der im Ausgangsverfahren streitigen Verbrauchsteuer als auch für die Befreiung von dieser Steuer für ausländische und inländische Wirtschaftsteilnehmer gleich.

81.      Ergänzend weise ich darauf hin, dass die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass die Sammlung, der Transport und die Verwertung von Getränkeverpackungen, die nicht zu einem Rücknahmesystem gehören, erhebliche Kosten verursachen, die nach dem Verursacherprinzip von den Wirtschaftsteilnehmern zu tragen sind, die sich gegen die Teilnahme an einem Rücknahmesystem entscheiden. In diesem Zusammenhang ist die Verbrauchsteuer von der finnischen Regierung als Anreiz eingeführt und so bemessen worden, dass sie erhebliche Einnahmen zugunsten des Umweltschutzes ermöglicht(28).

82.      Mit der Kommission bin ich der Ansicht, dass die Verbrauchsteuer als Anreiz zur Verwertung, Weiterverwendung oder Wiederbefüllung im Einklang mit dem oben genannten Ziel von Art. 1 der Richtlinie 94/62 steht, die Belastung der Umwelt durch Verpackungsabfälle zu verringern.

83.      Aber auch wenn die Voraussetzungen einer unmittelbaren Diskriminierung nicht vorliegen, kann eine Steuer doch aufgrund ihrer Wirkungen mittelbar diskriminierend sein(29).

84.      Nach Auffassung von Herrn Visnapuu stellt eine Verbrauchsteuer wie die im Ausgangsverfahren eine solche mittelbare Diskriminierung dar.

85.      Erstens stünden der Teilnahme ausländischer Wirtschaftsteilnehmer am Rücknahmesystem nach seiner Ansicht mehrere Hindernisse entgegen, so dass es EIG im fraglichen Zeitraum unmöglich gewesen sei, sich diesem System anzuschließen.

86.      Zu diesen Hindernissen zähle insbesondere der Umstand, dass unter den bestehenden Systemen nur eines den Beitritt ausländischer Wirtschaftsteilnehmer zulasse, aber auch die Notwendigkeit, die Verpackungen mit einem finnischen EAN-Code (European Article Numbering)(30) zu bedrucken, was es erforderlich mache, eine besondere Verpackung für den finnischen Markt anzufertigen. In der mündlichen Verhandlung hat Herrn Visnapuu betont, dass die Teilnahme am Rücknahmesystem vor allem wegen der erheblichen Kosten unmöglich sei, die den Importeuren durch eine solche Teilnahme entstünden(31). Somit sei es für kleine oder mittelgroße Unternehmen wirtschaftlich nicht tragbar, sich einem solchen System anzuschließen.

87.      Zweitens ist Herr Visnapuu der Auffassung, für einen ausländischen Wirtschaftsteilnehmer wie EIG sei es angesichts der Anforderungen an die Mindestmengen, an das ordnungsgemäße Funktionieren des Systems und an den Nachweis dieses ordnungsgemäßen Funktionierens praktisch unmöglich, ein eigenes Rücknahmesystem zu errichten

88.      Nach seiner Auffassung hat der Umstand, dass es einem Importeur nicht möglich ist, sich einem Rücknahmesystem anzuschließen oder selbst ein solches System zu errichten und damit die Voraussetzung für eine Befreiung von der Verbrauchsteuer zu erfüllen, zur Folge, dass diese Verbrauchsteuer in der Praxis ausschließlich auf eingeführte Waren erhoben wird und somit gegen Art. 110 Abs. 1 AEUV verstößt.

89.      Insoweit ergibt sich aus den Akten, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Anschluss an das Rücknahmesystem für alle Wirtschaftsteilnehmer, ausländische oder inländische, die gleichen sind(32). Ein kleiner oder mittelgroßer Wirtschaftsteilnehmer müsste daher, nicht anders als ein Importeur wie Herr Visnapuu, die Voraussetzungen für einen Anschluss an das Rücknahmesystem erfüllen und sähe sich folglich insbesondere denselben Anschlusskosten gegenüber, sofern er sich entschließt, dem System beizutreten(33).

90.      Daraus folgt, wie die finnische Regierung zu Recht geltend macht, dass der ausländische und der inländische Wirtschaftsteilnehmer die gleichen Möglichkeiten haben, sich dem Rücknahmesystem auf nationaler Ebene anzuschließen, um keine Verbrauchsteuer auf Getränkeverpackungen zahlen zu müssen.

91.      Was die Möglichkeit betrifft, ein eigenes Rücknahmesystem zu errichten, leuchtet mir auch nicht ein, inwiefern ein ausländischer Wirtschaftsteilnehmer wie Herr Visnapuu gegenüber einem inländischen Wirtschaftsteilnehmer benachteiligt sein soll, da dieser denselben Anforderungen unterliegt.

92.      Aus Vorstehendem ergibt sich meines Erachtens, dass a priori keine mittelbare Diskriminierung in Bezug auf die Voraussetzungen des Anschlusses an das Rücknahmesystem oder der Errichtung eines solchen Systems geltend gemacht werden kann.

93.      Dasselbe gilt für die Vereinbarkeit des Getränkeverpackungsteuergesetzes, soweit es das Rücknahmesystem für Getränkeverpackungen betrifft, mit Art. 7 der Richtlinie 94/62(34).

94.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass eine nationale Regelung wie das Getränkeverpackungsteuergesetz, die bestimmte Getränkeverpackungen von der Zahlung dieser Steuer freistellt, sofern sie einem Rücknahmesystem unterliegen, nach Art. 110 AEUV zu beurteilen ist. Art. 110 AEUV und die Art. 1 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62 sind dahin auszulegen, dass sie dieser Regelung nicht entgegenstehen.

95.      Da ich Art. 34 AEUV im Ausgangsverfahren nicht für anwendbar halte, brauchen die dritte und die vierte Frage des vorlegenden Gerichts nicht beantwortet zu werden.

C –    Zu den Fragen 5 bis 8

96.      Mit seiner fünften bis achten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob in einem Fall, in dem ein finnischer Käufer im Versandhandel alkoholische Getränke von einem Verkäufer erworben hat, der in einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Finnland tätig ist und die Ware nach Finnland liefert, eine nationale Maßnahme, wie sie sich aus § 8 Abs. 1 des Alkoholgesetzes ergibt und die die Einfuhr alkoholischer Getränke zu gewerblichen Zwecken von einer besonderen Erlaubnis abhängig macht, nach Art. 34 AEUV oder nach Art. 37 AEUV zu beurteilen ist, und ob sie gegebenenfalls mit dem einen oder dem anderen Artikel vereinbar ist.

97.      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof insbesondere fragt, ob § 8 Abs. 1 des Alkoholgesetzes mit den Bestimmungen des Titels II Kapitel 3 des Dritten Teils des AEU-Vertrags vereinbar ist, die das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten betreffen(35).

98.      Wie alle Regierungen, die sich am Verfahren beteiligt haben, bin auch ich der Auffassung, dass in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der die Einfuhr alkoholischer Getränke zum Zweck des „Einzelhandelsverkaufs“ erfolgte, bei der Prüfung, ob § 8 Abs. 1 des Alkoholgesetzes mit den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts vereinbar ist, auch die §§ 13 und 14 dieses Gesetzes zu berücksichtigen sind, die das Einzelhandelsmonopol für alkoholische Getränke bzw. die Erlaubnispflicht für den Einzelhandel mit bestimmten alkoholischen Getränken betreffen.

99.      Insoweit halte ich es für angebracht, mit einer Darstellung dieser nationalen Bestimmungen, wie sie sich aus den Akten ergeben, zu beginnen.

1.      Das finnische Einzelhandelsmonopol für alkoholische Getränke und das Erfordernis einer Erlaubnis für den Einzelhandel mit bestimmten alkoholischen Getränken

100. Der Beitritt der Republik Finnland zur Union hatte die Umformung ihres staatlichen Handelsmonopols für alkoholische Getränke erforderlich gemacht, um es an die Regelungen des Unionsrechts, insbesondere an Art. 37 AEUV, anzupassen(36).

101. In dieser Hinsicht fand die Republik Finnland sich bereit, die ausschließlichen Rechte für die Einfuhr, die Ausfuhr, die Herstellung und den Großhandel(37) durch das am 8. Dezember 1994 erlassene Alkoholgesetz(38) abzuschaffen.

102. Aus § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 dieses Gesetzes folgt, dass sich das finnische Monopol zugunsten von Alko, deren Kapital vollständig vom Suomen valtio gehalten wird, nur auf den Einzelhandelsverkauf alkoholischer Getränke erstreckt.

103. Nach § 13 Abs. 1 des Alkoholgesetzes hat Alko nämlich, wie erwähnt, „das Monopol für den Einzelhandelsverkauf von alkoholischen Getränken“(39). Ich füge hinzu, dass sich auch aus § 36 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes ergibt, dass Alko die Aufgabe hat, den Einzelhandelsverkauf, für den ihr durch dieses Gesetz das Monopol verliehen wurde, zu verwalten.

104. Wie erwähnt, bestimmt § 8 Abs. 1 Satz 1 des Alkoholgesetzes, dass „[a]lkoholische Getränke … sowohl für den eigenen Verbrauch als auch zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken ohne besondere Erlaubnis eingeführt werden [dürfen]“(40). Alko steht mithin kein ausschließliches Recht zur Einfuhr zu.

105. Dennoch ist die Einfuhr alkoholischer Getränke in spezifischen Fällen, für die der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens meines Erachtens ein Beispiel darstellt, von der Erteilung einer besonderen Erlaubnis abhängig.

106. Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass nach § 8 Abs. 1 letzter Satz des Alkoholgesetzes jeder, „[der] alkoholische Getränke zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken verwendet, … für seine Tätigkeit der im vorliegenden Gesetz vorgesehenen besonderen Erlaubnis für die Einfuhr alkoholischer Getränke [bedarf]“(41).

107. Wenn daher, wie im Ausgangsverfahren, ein in Estland ansässiger Versandhändler alkoholische Getränke einführen möchte, um sie an einen in Finnland ansässigen Kunden zu verkaufen, muss er nach dieser Vorschrift im Besitz einer „besonderen Erlaubnis“ sein.

108. Wie die schwedische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen feststellt, hängt die Art der erforderlichen Erlaubnis offenbar davon ab, was mit den alkoholischen Getränken nach ihrer Einfuhr geschieht. Wenn der Importeur sie im Großhandel veräußern will, muss er eine Großhandelserlaubnis einholen. Wenn er sie hingegen – wie im Ausgangsverfahren – an einen Verbraucher verkaufen will, muss er bei der zuständigen nationalen Behörde eine Einzelhandelserlaubnis einholen.

109. Aus § 14 des Alkoholgesetzes geht hervor, dass diese Einzelhandelserlaubnis nicht für alle alkoholischen Getränke, sondern nur für solche mit geringem Alkoholgehalt erteilt werden kann.

110. Nach § 14 Abs. 1 dieses Gesetzes dürfen nämlich „[a]lkoholische Getränke, die durch Gärung hergestellt wurden und höchstens 4,7 Vol.‑% Ethylalkohol enthalten, im Einzelhandel … von Personen verkauft werden, die von der zuständigen Behörde eine Einzelhandelserlaubnis erhalten haben“.

111. Ich füge hinzu, dass nach § 14 Abs. 2 des genannten Gesetzes zum Einzelhandel mit alkoholischen Getränken, die durch Gärung hergestellt wurden und höchstens 13 Vol.-% Ethylalkohol enthalten, außer Alko auch zugelassen ist, wer eine Erlaubnis zur Herstellung des fraglichen Erzeugnisses unter den vom Sozial- und Gesundheitsministerium festgesetzten Bedingungen erhalten hat(42).

112. Nach § 8 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 13 und 14 des Alkoholgesetzes bedarf ein Versandhändler wie Herr Visnapuu, der in Estland ansässig ist und in Finnland alkoholische Getränke im Einzelhandel verkaufen will, einer Einzelhandelserlaubnis, um alkoholische Getränke mit höchstens 4,7 Vol.-% Ethylalkoholgehalt einzuführen und an einen finnischen Kunden zu verkaufen.

113. Für alkoholische Getränke mit einem höheren Alkoholgehalt kann ein Versandhändler wie Herr Visnapuu keine Einzelhandelserlaubnis erhalten, weil diese Getränke im Einzelhandel ausschließlich von Alko verkauft werden dürfen.

114. Schon an dieser Stelle weise ich darauf hin, dass Herr Visnapuu in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sämtliche im Ausgangsverfahren fraglichen alkoholischen Getränke hätten mehr als 4,7 Vol.‑% Ethylalkohol enthalten, so dass sie nicht zu den Getränken gehören, die in den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 1 des Alkoholgesetzes fallen, sondern zu denen, die unter das in § 13 dieses Gesetzes vorgesehene finnische Einzelhandelsmonopol fallen.

115. Nach alledem ist zu prüfen, ob die §§ 8 Abs. 1, 13 und 14 des Alkoholgesetzes, die Alko ein ausschließliches Recht zum Verkauf im Einzelhandel gewähren und die Einfuhr bestimmter für den Verkauf im Einzelhandel vorgesehener alkoholischer Getränke von einer Einzelhandelserlaubnis abhängig machen, in den Anwendungsbereich von Art. 37 AEUV oder den von Art. 34 AEUV fallen, und ob sie gegebenenfalls mit dem einen oder dem anderen Artikel vereinbar sind.

2.      Zur Anwendbarkeit von Art. 37 AEUV

116. Fallen die §§ 8 Abs. 1, 13 und 14 des Alkoholgesetzes in den Anwendungsbereich von Art. 37 AEUV oder in den von Art. 34 AEUV?

117. Ich weise darauf hin, dass die Frage der Abgrenzung des Anwendungsbereichs von Art. 37 AEUV zu dem von Art. 34 AEUV in der Rechtsprechung bereits erörtert worden ist, insbesondere in den Urteilen Franzén(43) und Rosengren u. a.(44).

118. In dem erstgenannten Urteil hat der Gerichtshof ein Abgrenzungskriterium genannt, indem er entschieden hat, dass „die Bestimmungen über das Bestehen und die Funktionsweise des Monopols an Artikel 37 [AEUV] zu messen [sind], der speziell den Fall betrifft, dass ein staatliches Handelsmonopol seine Ausschließlichkeitsrechte ausübt“(45), und im Anschluss daran ausgeführt hat: „Dagegen ist die Auswirkung der anderen Bestimmungen der nationalen Regelung, die sich von der Funktionsweise des Monopols trennen lassen, auch wenn sie sich auf dieses auswirken, auf den innergemeinschaftlichen Handel an Artikel [34 AEUV] zu messen.“(46)

119. Diese Unterscheidung stützte sich auf eine frühere Rechtsprechung, in der der Gerichtshof den Anwendungsbereich von Art. 37 AEUV bereits abgegrenzt hatte. Ich beschränke mich darauf, drei Urteile zu zitieren.

120. So hatte der Gerichtshof in seinem Urteil Miritz(47) festgestellt, dass „[d]ie Ausgleichsabgabe … systematisch und ihrer Rechtsnatur nach mit der Regelung des deutschen Branntweinmonopols zusammen[hängt]; die Antwort … ist daher in Artikel 37 [AEUV] zu suchen, der die Umformung der staatlichen Monopole in bestimmter Weise regelt“(48).

121. Auch in seinem Urteil Rewe-Zentral(49) hatte er entschieden, dass „Artikel 37 [AEUV] eine für die staatlichen Handelsmonopole spezifische Regelung darstellt“(50), und dass „[d]iese Bestimmung … somit nicht für nationale Rechtsvorschriften [gilt], die nicht die Ausübung der spezifischen Funktion eines öffentlichen Monopols, also sein Ausschließlichkeitsrecht, sondern nur allgemein die Herstellung und Vermarktung alkoholischer Getränke unabhängig davon betreffen, ob sie unter das fragliche Monopol fallen“(51).

122. Ferner hatte der Gerichtshof in seinem Urteil Grandes distilleries Peureux(52) präzisiert, dass „[d]ie Vorschriften des Artikels 37 [AEUV] … nur Aktivitäten [betreffen], die ihrem Wesen nach mit der Ausübung der spezifischen Funktion des fraglichen Monopols verbunden sind, … aber keine Anwendung auf nationale Bestimmungen [finden], die die Ausübung dieser spezifischen Funktion nicht betreffen“(53).

123. Angesichts dieser Lösungen der Rechtsprechung blieb eine gewisse Unklarheit über den genauen Umfang des Anwendungsbereichs von Art. 37 AEUV bestehen. Ist der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf die spezifische Funktion des Monopols, d. h. auf das mit ihm verbundene Ausschließlichkeitsrecht, zu beschränken? Fällt eine innerstaatliche Vorschrift, die streng genommen über die Ausübung des dem Monopol verliehenen ausschließlichen Rechts hinausgeht, aber mit der Existenz und Funktionsweise dieses Monopols aufgrund ihrer engen Verbindung mit der Ausübung der diesem Monopol zugewiesenen Funktion zusammenhängt, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung?

124. Das Urteil Franzén(54) hatte diese Unklarheit nicht vollständig beseitigt, weil es eine innerstaatliche Vorschrift, die Teil einer Einfuhrregelung war und streng genommen über die Ausübung des ausschließlichen Rechts des Monopols zum Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel hinausging, in den Anwendungsbereich des Art. 37 AEUV einbezogen hat(55).

125. Der Gerichtshof hat diese Frage später in seinem Urteil Rosengren u. a.(56) beantwortet, welches das schwedische Monopol für den Einzelhandel mit alkoholischen Getränken betrifft.

126. In diesem Urteil hat der Gerichtshof zu der dort in Rede stehenden Maßnahme, die Privatpersonen die Einfuhr von alkoholischen Getränken grundsätzlich verbietet, die Auffassung vertreten, sie „regel[e] als solche … nicht die Ausübung des ausschließlichen Rechts zum Einzelhandelsverkauf [dieser] alkoholische[n] Getränke … durch [das] Monopol“(57). So kann nach Auffassung des Gerichtshofs „[d]iese Maßnahme, die also nicht die Ausübung der genannten besonderen Funktion durch dieses Monopol berührt, … daher nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die das Bestehen des Monopols betrifft“(58).

127. Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, dass „ein solches Verbot nicht wirklich die Funktionsweise des Monopols [regelt], da es sich nicht auf die Einzelheiten des Einzelhandelsverkaufs alkoholischer Getränke … bezieht“(59). Insoweit hat er klargestellt, dass dieses Verbot „[i]nsbesondere … weder das System, nach dem das Monopol die Waren auswählt, noch dessen Vertriebsnetz oder Vermarktung und Werbung für die von ihm vertriebenen Produkte festlegen [soll]“(60), um anschließend festzustellen, dass „ein solches Verbot [daher] nicht als eine Bestimmung angesehen werden [kann], die das Bestehen oder die Funktionsweise des Monopols betrifft“(61).

128. Somit hat der Gerichtshof den Anwendungsbereich von Art. 37 AEUV eng ausgelegt, indem er ihn auf Regelungen beschränkte, die das dem Monopol verliehene ausschließliche Recht unmittelbar betreffen.

129. Diese im Urteil Rosengren u. a.(62) gefundene Lösung lief den Schlussanträgen der Generalanwälte Tizzano und Mengozzi in der Rechtssache, in der dieses Urteil erging, zuwider und ist im Schrifttum(63) auf Kritik gestoßen. In Urteilen jüngeren Datums hat der Gerichtshof diese Lösung jedoch bestätigt(64).

130. Im Licht dieser jüngeren Rechtsprechung ist zu prüfen, ob es sich bei den §§ 8 Abs. 1, 13 und 14 des Alkoholgesetzes um Bestimmungen handelt, die das Bestehen oder die Funktionsweise des Monopols betreffen(65).

131. Wie alle Regierungen, die sich am Verfahren beteiligt haben, bin auch ich der Auffassung, dass außer Zweifel steht, dass die Vorschrift des § 13 des Alkoholgesetzes, die dem staatlichen Monopol das ausschließliche Recht zum Verkauf alkoholischer Getränke im Einzelhandel verleiht, gerade das Bestehen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden finnischen Monopols betrifft und eindeutig in den Anwendungsbereich von Art. 37 AEUV fällt.

132. Aber was gilt hinsichtlich der Erlaubnispflicht für die Einfuhr und den Einzelhandelsverkauf alkoholischer Getränke mit einem Ethylalkoholgehalt von höchstens 4,7 Vol.‑%, wie sie in den §§ 8 Abs. 1 und 14 des Alkoholgesetzes vorgesehen ist?

133. Nach Auffassung der finnischen und der norwegischen Regierung sind diese Vorschriften nach Art. 34 AEUV zu beurteilen, weil die von diesen Vorschriften betroffenen alkoholischen Getränke nicht unter die dem Monopol gewährte Ausschließlichkeit fallen.

134. Dem kann ich mich nicht anschließen. Meines Erachtens müssen die §§ 8 Abs. 1 und 14 des Alkoholgesetzes ebenfalls an Art. 37 AEUV gemessen werden, da sie die Ausübung der spezifischen Funktion des finnischen Monopols betreffen.

135. Insoweit stelle ich erstens fest, dass die spezifische Funktion, die dem im Ausgangsverfahren fraglichen Monopol zugewiesen ist, darin besteht, diesem Monopol die Ausschließlichkeit und damit die Verwaltung des Einzelhandels mit alkoholischen Getränken in Finnland vorzubehalten, ausgenommen alkoholische Getränke mit einem Ethyalkoholgehalt von höchstens 4,7 Vol.-%, für die jeder, der diese Getränke nach Finnland einführen und dort verkaufen will, einer von der zuständigen finnischen Behörde erteilten Einzelhandelserlaubnis bedarf.

136. Zweitens weise ich darauf hin, dass die Situation im Ausgangsverfahren spezifisch ist und sich von den Situationen unterscheidet, auf die sich die frühere Rechtsprechung bezog, insbesondere von derjenigen, um die es in der Rechtssache ging, in der das Urteil Rosengren u. a.(66) ergangen ist. Im Gegensatz zu der in jener Rechtssache fraglichen Regelung verbieten die §§ 8 Abs. 1 und 14 des Alkoholgesetzes die Einfuhr alkoholischer Getränke mit einem Ethylalkoholgehalt von höchstens 4,7 Vol.-% durch einen Versandhändler wie Herrn Visnapuu nicht, sondern machen ihre Einfuhr von einer Einzelhandelserlaubnis abhängig, „wenn“ dieser Versandhändler sie in Finnland im Einzelhandel verkaufen will.

137. Wie die schwedische Regierung zu Recht feststellt, ist Gegenstand der Erlaubnispflicht nicht der Umstand, dass die alkoholischen Getränke eine Grenze überschreiten, sondern der Umstand, dass sie „im Einzelhandel verkauft“ werden.

138. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Rosengren u. a.(67) entschieden hat, dass die nationale Maßnahme, um die es in der Rechtssache ging, die zu dem genannten Urteil geführt hat, die Einfuhr, also ein dem Verkauf im Einzelhandel vorgelagertes Stadium, regelte und daher nicht die Ausübung des ausschließlichen Rechts des Monopols betraf, während die nationalen Maßnahmen, um die es im vorliegenden Ausgangsverfahren geht, offensichtlich den Einzelhandelsverkauf regeln, so dass feststehen dürfte, dass hier ein enger Zusammenhang mit dem für denselben Endkundenmarkt geltenden finnischen Monopol besteht.

139. Drittens bin ich der Ansicht, dass diese Einzelhandelserlaubnis ohne das Bestehen und die Funktionsweise dieses Monopols keine Daseinsberechtigung hätte(68).

140. Wenn nämlich für den Verkauf alkoholischer Getränke kein Einzelhandelsmonopol bestünde, wäre es sinnlos, eine Einzelhandelserlaubnis allein für alkoholische Getränke zu verlangen, deren Ethylalkoholgehalt 4,7 Vol.-% nicht überschreitet.

141. Ist der Verkauf im Einzelhandel jedoch, wie im vorliegenden Fall, ausschließlich einer staatlichen Gesellschaft vorbehalten, soll das Erfordernis einer Einzelhandelserlaubnis gewährleisten, dass das Monopol seine spezifische Funktion ausüben kann.

142. Denn was wäre die Folge, wenn in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens keine Einzelhandelserlaubnis erforderlich wäre?

143. EIG, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, könnte dann alle alkoholischen Getränke, unabhängig von ihrem Alkoholgehalt, ohne jegliche Kontrolle einführen und im Einzelhandel an finnische Verbraucher verkaufen.

144. Unter diesen Umständen könnte ein Versandhändler wie Herr Visnapuu das durch das Alkoholgesetz eingeführte Monopol umgehen und sogar das Bestehen des Monopols selbst gefährden.

145. Daraus folgt, dass dieses Erfordernis einer Einzelhandelsgenehmigung es ermöglicht, zu überprüfen, dass die eingeführten und zum Verkauf im Einzelhandel bestimmten alkoholischen Getränke nicht unter das dem inländischen Monopol verliehene ausschließliche Recht fallen, und folglich sicherstellt, dass das Monopol sein ausschließliches Recht zum Einzelhandelsverkauf ausüben kann.

146. Eine nationale Maßnahme, die die Ausübung der besonderen Funktion durch das Monopol betrifft, ist aber als eine Maßnahme anzusehen, die dessen Bestehen betrifft(69).

147. Meines Erachtens hängt diese Erlaubnispflicht daher mit der Ausübung der spezifischen Funktion des Einzelhandelsmonopols nicht nur eng zusammen, sondern betrifft die Ausübung der spezifischen Funktion durch das Monopol unmittelbar.

148. Viertens weise ich mit der schwedischen Regierung und der Kommission darauf hin, dass die finnischen Verbraucher nach dem Alkoholgesetz alle alkoholischen Getränke aus anderen Mitgliedstaaten unter der Voraussetzung kaufen und einführen können, dass sie die Dienste eines vom Verkäufer unabhängigen Spediteurs in Anspruch nehmen oder die Lieferung in das finnische Staatsgebiet selbst organisieren und dass das Eigentum an diesen alkoholischen Getränken vor ihrer Einfuhr nach Finnland auf den Käufer übergegangen ist.

149. In einer Situation, in der der finnische Verbraucher alkoholische Getränke im Versandhandel kauft und der Eigentums- und Gefahrübergang hinsichtlich dieser Getränke außerhalb des finnischen Staatsgebiets erfolgt, könnte die Erlaubnis von einem Versandhändler wie Herrn Visnapuu nicht verlangt werden, weil ein Einzelhandelsverkauf in Finnland nicht stattfände.

150. Fehlt es aber an einem Einzelhandelsverkauf auf finnischem Staatsgebiet, gibt es für eine Einzelhandelserlaubnis keinen rechtfertigenden Grund, weil dann keine Gefahr einer Umgehung des Einzelhandelsmonopols besteht.

151. Dies bestätigt meines Erachtens erneut, dass davon auszugehen ist, dass die Einzelhandelserlaubnis sich auf die spezifische Funktion bezieht, die dem finnischen Monopol zugewiesen ist und darin besteht, ihm die Verwaltung des Einzelhandelsverkaufs von alkoholischen Getränken mit einem Ethylalkoholgehalt von mehr als 4,7 Vol.-% vorzubehalten.

152. Nach alledem bin ich der Ansicht, dass sowohl § 13 als auch die §§ 8 Abs. 1 und 14 des Alkoholgesetzes nach Art. 37 AEUV zu beurteilen sind.

3.      Zur Vereinbarkeit mit Art. 37 AEUV

153. Der Gerichtshof hat wiederholt entschieden, dass „Artikel 37 [AEUV] … sowohl nach seinem Wortlaut wie nach seiner Stellung im System des Vertrages die Einhaltung der Grundregel des freien Warenverkehrs innerhalb des gesamten [Binnenmarkts] insbesondere durch die Abschaffung der mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gewährleisten und auf diese Weise normale Wettbewerbsbedingungen zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten aufrechterhalten [soll], wenn ein bestimmtes Erzeugnis in dem einen oder anderen dieser Staaten einem staatlichen Handelsmonopol unterliegt“(70).

154. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung „verlangt Artikel 37 [AEUV] nicht die völlige Abschaffung der staatlichen Handelsmonopole, sondern schreibt vor, sie in der Weise umzuformen, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist“(71).

155. Art. 37 AEUV „soll nämlich die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, bestimmte Handelsmonopole als Mittel zur Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen beizubehalten, mit den Erfordernissen der Errichtung und des Funktionierens des [Binnenmarkts] in Einklang bringen. Er soll die Hindernisse für den freien Warenverkehr, allerdings mit Ausnahme der durch das Bestehen der betreffenden Monopole bedingten Einschränkungen des Handels, beseitigen“(72).

156. Art. 37 AEUV „verlangt daher, dass die Organisation und die Funktionsweise des Monopols so umgeformt [werden], dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, so dass der Handel mit Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem mit einheimischen Waren weder rechtlich noch tatsächlich benachteiligt und der Wettbewerb zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten nicht verfälscht wird“(73).

157. Im vorliegenden Fall weise ich erstens – ebenso wie die finnische Regierung – darauf hin, dass das Alkoholgesetz nach seinem § 1 den Zweck verfolgt, den negativen Auswirkungen alkoholhaltiger Stoffe auf die Gesellschaft, auf das gesellschaftliche Leben und auf die Gesundheit vorzubeugen.

158. Auf dem Gebiet des Einzelhandels wird die Regulierung des Alkoholkonsums nach der Darstellung der finnischen Regierung durch die Errichtung eines finnischen Monopols sowie für bestimmte Getränke mit geringem Alkoholgehalt durch eine Erlaubnisregelung für den Einzelhandel gewährleistet.

159. Dem füge ich hinzu, dass der schwedischen Regierung zufolge Untersuchungen ergeben haben, dass ein erweiterter Zugang zu alkoholischen Getränken eine Zunahme ihres Gesamtkonsums zur Folge hat. Andererseits gehen nach diesen Ausführungen der Gesamtalkoholkonsum und die Zahl seiner Opfer umso mehr zurück, je schwieriger es ist, sich alkoholische Getränke zu verschaffen.

160. In diesem Zusammenhang ist unstreitig, dass das finnische Einzelhandelsmonopol und die Erlaubnispflicht für den Einzelhandel, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit vor den schädlichen Folgen des Alkohols dienen, ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen(74).

161. Zweitens stelle ich fest, dass weder in den schriftlichen Erklärungen noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wurde, das finnische Monopol verstoße gegen Art. 37 AEUV.

162. Insoweit weise ich nochmals darauf hin, dass aus den Akten hervorgeht, dass die Einrichtung und die Funktion dieses Einzelhandelsmonopols in anderen Mitgliedstaaten ansässige Verkäufer nicht daran hindert, finnischen Verbrauchern alkoholische Getränke zu verkaufen, sofern diese Verbraucher den Transport nach Finnland selbst organisieren. Außerdem können sowohl inländische als auch ausländische Wirtschaftsteilnehmer alkoholische Getränke an die staatliche Monopolgesellschaft verkaufen, die sie dann an den finnischen Verbraucher weiterverkauft.

163. Somit sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Nachfrage der Verbraucher nach alkoholischen Getränken nicht befriedigt wird oder die eingeführten Erzeugnisse im Vergleich zu inländischen Erzeugnissen benachteiligt werden.

164. Mit der finnischen Regierung stelle ich ferner fest, dass ausweislich der Akten niemand vorgetragen hat, die Voraussetzungen für die Erteilung der Einzelhandelserlaubnis nach dem Alkoholgesetz seien diskriminierend.

165. Insoweit weise ich darauf hin, dass sich aus den schriftlichen Erklärungen dieser Regierung ergibt, dass die Einzelhandelserlaubnis sowohl von inländischen Wirtschaftsteilnehmern benötigt wird, die im Einzelhandel verkaufen wollen, als auch von ausländischen Wirtschaftsteilnehmern, die alkoholische Getränke mit einem Ethylalkoholgehalt von nicht mehr als 4,7 Vol.-% einführen und im Einzelhandel verkaufen wollen, und dass dabei nicht zwischen in Finnland hergestellten Erzeugnissen und solchen, die in anderen Mitgliedstaaten hergestellt wurden, unterschieden wird.

166. Somit wirken sich die innerstaatlichen Vorschriften über die Einzelhandelserlaubnis sowohl rechtlich als auch tatsächlich in gleicher Weise auf den Verkauf inländischer Erzeugnisse wie auf den aus anderen Mitgliedstaaten eingeführter Erzeugnisse aus und gelten ohne Diskriminierung gegenüber inländischen und ausländischen Wirtschaftsteilnehmern.

167. Im Übrigen möchte ich noch anmerken, dass die Regelung über die Einzelhandelserlaubnis – falls in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens, in der alkoholische Getränke aus einem anderen Mitgliedstaat als der Republik Finnland eingeführt und vom Verkäufer an den finnischen Käufer ausgeliefert werden, keine Erlaubnis erforderlich wäre – zu einer umgekehrten Diskriminierung führen könnte, weil dann allein inländische alkoholische Getränke einer solchen Erlaubnispflicht unterlägen.

168. Auch wenn alle zuvor genannten Umstände darauf hinweisen, dass weder die Rechtmäßigkeit des Monopols noch die der Einzelhandelserlaubnis a priori in Frage gestellt werden können, besagen sie indessen nichts über die konkrete Organisation und Funktionsweise dieses Monopols und insbesondere nichts über das System der Auswahl von Erzeugnissen durch dieses Monopol, über dessen Vertriebsnetz oder über die Verkaufsförderung für alkoholische Getränke. Gerade diese Kriterien hat der Gerichtshof aber herangezogen, um die Vereinbarkeit von Vorschriften über die Funktionsweise eines Monopols mit Art. 37 AEUV zu prüfen(75).

169. Es ist somit Sache des nationalen Richters, vor dem Hintergrund aller ihm zur Verfügung stehenden Informationen zu prüfen, ob die Organisation und die Funktionsweise des finnischen Einzelhandelsmonopols diskriminierend sind oder eingeführte Erzeugnisse benachteiligen können.

170. Abschließend weise ich auf die Ansicht der finnischen Regierung hin, dass das Ziel, die öffentliche Gesundheit zu schützen, sich nicht mit anderen Mitteln erreichen lasse, die weniger einschneidend seien als den in Finnland stattfindenden Einzelhandelsverkauf von einer Einzelhandelserlaubnis abhängig zu machen oder dem ausschließlichen Recht des finnischen Monopols zu unterwerfen. Wenn ein ausländischer Händler selbst an den finnischen Käufer verkaufen könnte, würde nach Auffassung dieser Regierung nämlich ein neuer Vertriebsweg für alkoholische Getränke entstehen, der mit dem Monopol und dem erlaubnispflichtigen Verkauf konkurriert, ohne einer Kontrolle durch die zuständigen nationalen Behörden zu unterliegen.

171. Insoweit weist die finnische Regierung insbesondere darauf hin, dass die Erlaubnispflicht notwendig sei, um zu kontrollieren, dass die Unternehmen, die eine Verkaufserlaubnis erhalten haben, die Vorschriften über den Verkauf alkoholischer Getränke einhalten(76).

172. Ferner ergibt sich aus den Akten, dass die Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen alkoholische Getränke bei einem ausländischen Händler bestellen und einführen können. Somit verbietet das Alkoholgesetz private Einfuhren nicht.

173. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sind die §§ 8 Abs. 1, 13 und 14 des Alkoholgesetzes meines Erachtens in Bezug auf das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit als notwendig und angemessen anzusehen.

174. Nach alledem bin ich der Auffassung, dass Art. 37 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie dem Alkoholgesetz nicht entgegensteht, sofern die Organisation und Funktionsweise des Monopols so ausgestaltet ist, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, so dass der Handel mit Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem mit einheimischen Waren weder rechtlich noch tatsächlich benachteiligt wird, was der nationale Richter zu prüfen hat.

175. Da ich Art. 34 AEUV nicht für anwendbar halte, erübrigt sich die Beantwortung der siebten und der achten Frage des vorlegenden Gerichts.

IV – Ergebnis

176. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Frage des Helsingin hovioikeus wie folgt zu antworten:

1.      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die bestimmte Getränkeverpackungen unter der Voraussetzung, dass sie einem Rücknahmesystem unterliegen, von der Zahlung einer Verbrauchsteuer befreit, ist nach Art. 110 AEUV zu beurteilen.

Art. 110 AEUV und die §§ 8 Abs. 1, 7 und 15 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle sind dahin auszulegen, dass sie einer solchen Regelung nicht entgegenstehen.

2.      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die ein Einzelhandelsmonopol errichtet und die Einfuhr für den Verkauf im Einzelhandel vorgesehener alkoholischer Getränke von einer Einzelhandelserlaubnis abhängig macht, ist nach Art. 37 AEUV zu beurteilen.

Art. 37 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer solchen Regelung nicht entgegensteht, sofern die Organisation und die Funktionsweise dieses Monopols so ausgestaltet sind, dass jede Diskriminierung in den Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen den Angehörigen der Mitgliedstaaten ausgeschlossen ist, so dass der Handel mit Waren aus anderen Mitgliedstaaten gegenüber dem mit einheimischen Waren weder rechtlich noch tatsächlich benachteiligt wird, was das nationale Gericht zu prüfen hat.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. L 365, S. 10).


3 –      [Fußnote ohne Relevanz für die deutsche Fassung].


4 – Die zuletzt genannte Vorschrift definiert das wirksame Rücknahmesystem als ein Pfandsystem, bei dem der Abpacker oder Importeur der Getränke eigenständig oder in der im Gesetz Nr. 1072/1993 über Abfälle (Jätelaki [1072/1993]) oder in den entsprechenden für die Provinz Åland geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Weise so für die Wiederverwendung oder die Wiederverwertung der Getränkeverpackungen sorgt, dass die Verpackung wiederbefüllt oder als Rohstoff verwertet wird.


5 – Im Folgenden: streitiger Zeitraum.


6 – Die Vorlageentscheidung führt aus, EIG habe im streitigen Zeitraum 4 507,30 l Bier, 1 499,40 l Apfelwein, 238,70 l Wein und 3 450,30 l Spirituosen nach Finnland eingeführt.


7 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:116, Nr. 2).


8 – Vgl. Urteile Brzeziński (C‑313/05, EU:C:2007:33, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Orgacom (C‑254/13, EU:C:2014:2251, Rn. 23).


9 – Insoweit ist anzumerken, dass erstens die schwedische und die norwegische Regierung sich zu dieser Frage nicht geäußert haben, zweitens Herr Visnapuu Art. 34 AEUV nur für hilfsweise anwendbar hält und drittens die finnische Regierung die Vereinbarkeit des Getränkeverpackungsteuergesetzes mit Art. 34 AEUV für den Fall untersucht, dass der Gerichtshof ihn für anwendbar halten sollte.


10 – Vgl. Urteil Dassonville (8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5).


11 – Vgl. Urteile De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:352, Rn. 36) und Brzeziński (C‑313/05, EU:C:2007:33, Rn. 27).


12 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:116, Nr. 28).


13 – Vgl. Urteile Lornoy u. a. (C‑17/91, EU:C:1992:514, Rn. 14) und De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:352, Rn. 32).


14 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:116, Nr. 30).


15 – Ebd. In Nr. 32 seiner Schlussanträge hat Generalanwalt Jacobs die Auffassung vertreten, wegen ihrer unterschiedlichen Anwendungsbereiche könne immer nur einer dieser Artikel für eine bestimmte Maßnahme anwendbar sein (vgl. in diesem Sinne die Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Brzeziński, C‑313/05, EU:C:2006:598, Nrn. 31 und 32).


16 – Ebd. (Nr. 33).


17 – Vgl. in diesem Sinne Urteile De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:352, Rn. 34) und Brzeziński (C‑313/05, EU:C:2007:33, Rn. 23 und 24), sowie Beschluss Kawala (C‑134/07, EU:C:2007:770, Rn. 26).


18 – Vgl. Urteil Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz (C‑309/02, EU:C:2004:799, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).


19 – Vgl. in diesem Sinne Mitteilung der Kommission – Getränkeverpackungen, Pfandsysteme und freier Warenverkehr (ABl. 2009, C 107, S. 1).


20 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Deutschland (C‑463/01, EU:C:2004:797, Rn. 44) sowie Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz (C‑309/02, EU:C:2004:799, Rn. 56).


21 – Vgl. Urteil Kommission/Deutschland (C‑463/01, EU:C:2004:797, Rn. 43).


22 – Vgl. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 94/62.


23 – Ich weise darauf hin, dass sich aus den Akten kein Anhaltspunkt dafür ergibt, dass die Getränkeverpackungsteuer einen Protektionismus bewirkt, der eine konkurrierende nationale Produktion von Verpackungen für alkoholische Getränke begünstigt. Somit ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verbrauchsteuer nicht an Art. 110 Abs. 2 AEUV zu messen.


24 – Vgl. Urteile Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten (C‑221/06, EU:C:2007:657, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung) und Tatu (C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 34).


25 – Vgl. Urteile De Danske Bilimportører (C‑383/01, EU:C:2003:352, Rn. 37) und Tatu (C‑402/09, EU:C:2011:219, Rn. 35).


26 – Vgl. Urteile Brzeziński (C‑313/05, EU:C:2007:33, Rn. 40), Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten (C‑221/06, EU:C:2007:657, Rn. 50), sowie Oil Trading Poland (C‑349/13, EU:C:2015:84, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).


27 – Vgl. Urteile Bergandi (252/86, EU:C:1988:112, Rn. 25) sowie Stadtgemeinde Frohnleiten und Gemeindebetriebe Frohnleiten (C‑221/06, EU:C:2007:657, Rn. 40).


28 – Aus den schriftlichen Erklärungen der finnischen Regierung geht hervor, dass sich das pfandbasierte Verwertungssystem in der Praxis als wirksam erweist. So betrug die Wiederverwertungsquote erstmals verwendeter Getränkeverpackungen rund 97 %, während sie für wiederverwendete Verpackungen aus Metall rund 96 %, aus Glas rund 91 % und aus Polyethylenterephtalat-Kunststoffen (PET) rund 96 % betrug.


29 – Vgl. Urteil Tatu (C‑402/09, EU:C:2011:21, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30 – Dieser Strichcode dient dazu, ein Produkt zu identifizieren.


31 – Nach seiner Darstellung belaufen sich die Gebühren für die Teilnahme am finnischen Rücknahmesystem mindestens auf 3 600 Euro für recyclingfähige Glasflaschen und auf 6 200 Euro für Getränkedosen. Hinzu kämen die Gebühr für den jeweiligen EAN-Code, mit dem jedes vom System zurückgenommene Produkt zu kennzeichnen sei, die Pfandgebühr und die von der verkauften Menge abhängige Recyclinggebühr.


32 – In ihren schriftlichen Erklärungen hat die finnische Regierung angegeben, dass die Suomen Palautuspakkaus Oy (im Folgenden: PALPA) und deren Tochtergesellschaft Palpa Lasi Oy die Betreiber der bedeutendsten Rücknahmesysteme in Finnland sind und dass die Bedingungen für den Anschluss an das Rücknahmesystem von PALPA sowie die Tarife auf der Website von PALPA in finnischer, englischer und schwedischer Sprache frei abrufbar sind.


33 – Ich erinnere daran, dass der Anschluss an das Rücknahmesystem für Getränkeverpackungen nicht vorgeschrieben ist. Einem Wirtschaftsteilnehmer steht es nämlich frei, der Zahlung der Verbrauchsteuer den Vorzug zu geben, statt die Kosten des Anschlusses auf sich zu nehmen.


34 – Ich weise darauf hin, dass die nationalen Rücknahmesysteme gemäß Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie insbesondere auch für Importprodukte gelten müssen, die dabei keine Benachteiligung erfahren dürfen, auch nicht bei den Modalitäten und etwaigen Gebühren für den Zugang zu den Systemen, die so beschaffen sein müssen, dass gemäß dem Vertrag keine Handelshemmnisse oder Wettbewerbsverzerrungen entstehen.


35 – Dieses Kapitel 3 umfasst die Art. 34 AEUV bis 37 AEUV.


36 – Vgl. Nr. 126 des XXV. Berichts über die Wettbewerbspolitik 1995 (KOM[96] 126 endg.).


37 – Ebd.


38 – Das Alkoholgesetz ist am 1. Januar 1995 in Kraft getreten.


39 – Hervorhebung nur hier.


40 – Ebd.


41 – Ebd.


42 – Angesichts der Aktenlage merke ich an, dass diese Vorschrift über den Einzelhandel mit alkoholischen Getränken, die nicht mehr als 13 Vol.-% Ethylalkohol enthalten, nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, so dass ich davon ausgehe, dass sie die Situation im Ausgangsverfahren nicht betrifft.


43 – C‑189/95, EU:C:1997:504.


44 – C‑170/04, EU:C:2007:313.


45 – Vgl. Urteil Franzén (C‑189/95, EU:C:1997:504, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).


46 – Ebd. (Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).


47 – 91/75, EU:C:1976:23.


48 – Rn. 5.


49 – 120/78, EU:C:1979:42.


50 – Rn. 7.


51 – Ebd.


52 – 86/78, EU:C:1979:64.


53 – Rn. 35.


54 – C‑189/95, EU:C:1997:504.


55 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in der Rechtssache Rosengren u. a. (C‑170/04, EU:C:2006:213, Rn. 41) und des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Rosengren u. a. (C‑170/04, EU:C:2006:747, Rn. 35).


56 – C‑170/04, EU:C:2007:313.


57 – Rn. 21.


58 – Rn. 22.


59 – Rn. 24.


60 – Ebd.


61 – Rn. 26.


62 – C‑170/04, EU:C:2007:313.


63 – Vgl. Bernard, E., „Monopole sur l’alcool et régime d’autorisation d’importation“, Revue Europe, Nr. 8, August 2007, comm. 207. Der Verfasser ist insbesondere der Ansicht, „man [könne] sich nur wundern, mit welch knappen Worten der Gemeinschaftsrichter auf eine ihm vorgelegte Frage eine Antwort gibt, die nicht seiner früheren Rechtsprechung entspricht und von den Auffassungen der beiden Generalanwälte abweicht“. Vgl. auch Johansson, M., „Rosengren – The ECJ makes a narrow interpretation of Franzén“, European Law Reporter, 7-8, 2007, S. 250.


64 – Vgl. Urteile Kommission/Schweden (C‑186/05, EU:C:2007:571, Rn. 22 und 23) und ANETT (C‑456/10, EU:C:2012:241, Rn. 21 bis 30).


65 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Rosengren u. a. (C‑170/04, EU:C:2007:313, Rn. 19) und ANETT (C‑456/10, EU:C:2012:241, Rn. 24).


66 – C‑170/04, EU:C:2007:313.


67 – Ebd.


68 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Rosengren u. a. (C‑170/04, EU:C:2006:747, Rn. 60).


69 – Vgl. im Umkehrschluss Urteil ANETT (C‑456/10, EU:C:2012:241, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).


70 – Vgl. Urteil Franzén (C‑189/95, EU:C:1997:504, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


71 – Ebd. (Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


72 – Ebd. (Rn. 39).


73 – Ebd. (Rn. 40).


74 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Franzén (C‑189/95, EU:C:1997:504, Rn. 41).


75 – Vgl. Urteil Franzén (C‑189/95, EU:C:1997:504, Rn. 43 bis 66).


76 – In ihren schriftlichen Erklärungen weist diese Regierung darauf hin, dass die alkoholischen Getränke mit einem Ethylalkoholgehalt von nicht mehr als 4,7 Vol.‑% einer besonderen Regelung unterliegen. Zum Beispiel dürfen sie nur in der Zeit von 7 Uhr bis 21 Uhr verkauft werden. Auch ist der Verkauf dieser Getränke an Personen unter 18 Jahren und an Betrunkene verboten.