Language of document : ECLI:EU:F:2008:158

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

2. Dezember 2008(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Berufskrankheit – Mobbing – Schadensersatzklage“

In der Rechtssache F‑15/07

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

K, ehemalige Beamtin des Europäischen Parlaments, wohnhaft in Niederanven (Luxemburg), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt D. Struck,

Klägerin,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch J. F. De Wachter, K. Zejdová und N. Lorenz als Bevollmächtigte,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Kreppel (Berichterstatter) sowie der Richter H. Tagaras und S. Gervasoni,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. März 2008

folgendes

Urteil

1        Die Klägerin beantragt mit Klageschrift, die am 27. Februar 2007 per Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 1. März 2007 eingegangen), im Wesentlichen die Verurteilung des Europäischen Parlaments zum Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, den sie aufgrund des Mobbings erlitten habe, dessen Opfer sie von 1993 bis 2001 im Rahmen ihrer Tätigkeit gewesen sei.

 Sachverhalt

2        Die Klägerin trat am 1. Januar 1978 ihren Dienst beim Parlament an und war seit 1. April 1992 der deutschen Übersetzungsabteilung der Generaldirektion (GD) „Übersetzung und Allgemeine Dienste“ als Hauptsekretärin zugewiesen.

3        Mit Schreiben vom 21. Mai 2001 teilte die Anstellungsbehörde der Klägerin mit, dass sie gemäß Art. 59 Abs. 1 Unterabs. 4 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften in seiner vor Inkrafttreten der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 723/2004 des Rates vom 22. März 2004 zu dessen Änderung (ABl. L 124, S. 1) geltenden Fassung (im Folgenden: altes Statut) beschlossen habe, den Invaliditätsausschuss mit ihrem Fall zu befassen, um prüfen zu lassen, ob sie dauernd voll dienstunfähig geworden sei und ein Amt ihrer Laufbahn nicht wahrnehmen könne.

4        Mit Verfügung vom 30. August 2001 versetzte die Anstellungsbehörde die Klägerin, gestützt auf das Gutachten des Invaliditätsausschusses, nach Art. 53 des alten Statuts mit Wirkung vom 1. Oktober 2001 in den Ruhestand und bewilligte ihr ein gemäß Art. 78 Abs. 3 des alten Statuts festgelegtes Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit.

5        Um sich zu vergewissern, dass die Klägerin die Voraussetzung für den Bezug eines Ruhegehalts wegen Dienstunfähigkeit noch erfüllte, legte das Parlament im folgenden Jahr nach Art. 15 des Anhangs VIII des alten Statuts ihren Fall erneut dem Invaliditätsausschuss vor.

6        Nachdem der Invaliditätsausschuss bei der Klägerin u. a. eine „Major‑Depression“ festgestellt hatte, beschloss die Anstellungsbehörde am 5. Dezember 2002 erneut, die Klägerin in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit zu versetzen und ihr ein Ruhegehalt wegen Dienstunfähigkeit zu gewähren. Dieser Beschluss trat mit Wirkung vom 1. Januar 2003 in Kraft.

7        Mit Schreiben vom 27. März 2003 beantragte die Klägerin die Anerkennung ihrer Krankheit als Berufskrankheit. Dieser Antrag wurde mit Schreiben vom 18. Juli 2003 wiederholt, in dem erläutert wurde, dass die Krankheit in einer „Major‑Depression“ bestehe.

8        Im Rahmen der Gemeinsamen Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten (im Folgenden: Sicherungsregelung) wurde die Klägerin von einem vom Parlament bestellten Arzt untersucht. Dieser erstellte am 14. September 2005 ein ärztliches Gutachen, in dem er, insbesondere gestützt auf die Feststellungen eines vom Neuropsychiater Dr. H. erstellten psychiatrischen Gutachtens vom 4. Juni 2005, zu folgendem Ergebnis kam:

„Die chronische psychische Erkrankung, unter der [die Klägerin] leidet, ist die Folge von tatsächlichen oder von ihr als solche erlebten Konfliktsituationen am Arbeitsplatz.

Es handelt sich um ein Stresssymptom und [einen] inzwischen chronisch gewordenen depressiven Zustand als Auslöser zahlreicher verschiedenartiger körperlicher Leiden, darunter Arthrosen, Fibromyalgie und Nahrungsmittelunverträglichkeiten.

Die Symptome sind [Dr. H.] zufolge charakteristisch für ein‘MOBBING‑Syndrom’. …

Als Zeitpunkt des Ausbruchs der Krankheit kann der 11. [Juni] 1999 bestimmt werden, das Datum der erstmaligen Konsultation des Neuropsychiaters [Dr. A.].

Die Konsolidierung trat am 4. [Juni] 2005 ein, dem Datum der Erstellung des fachärztlichen Gutachtens von [Dr. H.].

Die [dauernde Teilinvalidität] ist vom Psychiater mit 40 % angesetzt worden.

…“

9        Mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 teilte die Anstellungsbehörde, gestützt auf das ärztliche Gutachten, der Klägerin einen Entscheidungsentwurf mit, in dem anerkannt wurde, dass ihre Krankheit auf die Ausübung ihres Dienstes zurückgehe, der Grad ihrer Teilinvalidität mit 40 % bewertet wurde und der ihr nach Art. 73 Abs. 2 Buchst. c des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften in der durch die Verordnung Nr. 723/2004 geänderten Fassung (im Folgenden: Statut) zu zahlende Kapitalbetrag auf 152 041,46 EURO festgesetzt wurde. In dieser Mitteilung wurde die Klägerin außerdem davon in Kenntnis gesetzt, dass sie innerhalb einer Frist von 60 Tagen die Anrufung des in Art. 23 der Sicherungsregelung genannten Ärzteausschuss beantragen könne.

10      Da die Klägerin nicht innerhalb von 60 Tagen die Anrufung des Ärzteausschusses beantragt hatte, traf die Anstellungsbehörde die Entscheidung so, wie sie mit dem Entwurf angekündigt worden war.

11      Mit Schreiben vom 27. Dezember 2005 verlangte die Klägerin unter Berufung auf Art. 24 des Statuts vom Parlament Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens, den sie vor ihrer Versetzung in den Ruhestand dadurch erlitten habe, dass die Verwaltung keine Maßnahmen ergriffen habe, um der „erheblichen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ ein Ende zu setzen (im Folgenden: Antrag vom 27. Dezember 2005).

12      Mit Bescheid vom 26. Juni 2006 lehnte das Parlament den Antrag vom 27. Dezember 2005 mangels hinreichender Substantiierung ausdrücklich ab.

13      Mit Schreiben vom 10. Juli 2006 legte die Klägerin Beschwerde gegen den Bescheid vom 26. Juni 2006 ein. Diese Beschwerde wurde mit Beschluss des Präsidenten des Parlaments vom 29. Novermber 2006 (im Folgenden: Beschluss vom 29. November 2006) ausdrücklich zurückgewiesen.

14      Mit Schreiben vom 3. und 25. Januar 2007 an den Generalsekretär bzw. den neuen Präsidenten des Parlaments schlug die Klägerin eine gütliche Beilegung des Streits vor. Diese Vorschläge wurden mit Schreiben des Parlaments vom 19. Februar und 29. März 2007 abgelehnt.

 Verfahren und Anträge der Parteien

15      Die Klageschrift ist am 27. Februar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen.

16      Das schriftliche Verfahren ist nach nur einem Schriftsatzwechsel geschlossen worden.

17      Auf entsprechendes Ersuchen der Klägerin vom 18. Juni 2007 hat das Gericht ihr gestattet, die Klage in einigen Punkten zu ergänzen.

18      Mit Schriftsatz, der am 11. Juli 2007 per Fernkopie bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist (die Urschrift ist am 16. Juli 2007 eingegangen), hat die Klägerin „ergänzend zur Klagebeantwortung“ Stellung genommen.

19      Mit Schriftsatz, der am 1. August 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Parlament seine „Stellungnahme zum ergänzenden Schriftsatz der … Klägerin“ eingereicht.

20      Die Klägerin beantragt,

–        die Bescheide des Parlaments vom 26. Juni 2006 und 29. November 2006 aufzuheben;

–        das Parlament zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 150 000 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 11. Juni 1999 für den erlittenen immateriellen Schaden durch Mobbing/Bossing in Ausübung ihrer Berufstätigkeit zu verurteilen;

–        das Parlament zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 120 000 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 11. Juni 1999 wegen eines materiellen Schadens durch Mobbing/Bossing zu verurteilen, der ihr durch die 50%ige Kürzung der Berufsunfähigkeits‑Versicherungssumme durch das Versicherungsunternehmen entstanden ist, da die Berufsunfähigkeit durch ein mentales oder psychisches Leiden verursacht wurde und laut Gruppenversicherung sich dann die Versicherungsleistung um die Hälfte reduziert;

–        das Parlament wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung sowie vorsätzliche und wissentliche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Gesundheit sowie fortgesetzten wissentlichen Verstoßes gegen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu verurteilen;

–        das Parlament wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des berechtigten Vertrauens und die Verpflichtung zur Begründung der Verwaltungshandlungen sowie Verstoßes gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu verurteilen;

–        das Parlement zur Übernahme der Kosten, die ihr durch das vorprozessuale Vorgehen entstanden sind, als auch aller im Zusammenhang mit dem Prozess entstandenen Kosten zu verurteilen.

21      Das Parlament beantragt,

–        als Hauptantrag

–        die Nichtigkeitsklage gegen die angefochtenen Akte abzuweisen, da das Parlament sich gegenüber der Klägerin nicht rechtswidrig verhalten hat;

–        infolgedessen die Anträge auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens als unbegründet abzuweisen;

–        die Anträge auf Verurteilung des Parlaments wegen verschiedener Vorwürfe als unzulässig oder zumindest als unbegründet abzuweisen;

–        hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der Ansicht sein sollte, das Parlament habe sich rechtswidrig in dem Sinne gegenüber der Klägerin verhalten, dass sie Opfer von Mobbing geworden ist, die Anträge auf materiellen und immateriellen Schadensersatz als unzulässig abzuweisen, da sie die Haftungsklage verspätet eingereicht hat;

–        äußerst hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Schadensersatzklage für zulässig erachten sollte,

–        den Antrag auf Ersatz des immateriellen Schadens in Höhe von 150 000 Euro als unbegründet abzuweisen, da kein immaterieller Schaden vorliegt, denn dieser ist bereits gedeckt durch die Zahlung eines Kapitalbetrags im Rahmen der Anerkennung der Krankheit der Klägerin als einer Berufskrankheit, jedenfalls aber diesen Antrag als offensichtlich überhöht zurückzuweisen und ihn unter Beachtung des eigenen Verhaltens der Klägerin ex aequo et bono festzusetzen;

–        den Antrag auf Ersatz des materiellen Schadens in Höhe von 120 000 Euro als unbegründet zurückzuweisen, da zwischen diesem Schaden und dem vorgeworfenen rechtswidrigen Verhalten kein kausaler Zusammenhang besteht und das Parlament hierfür nicht als Arbeitgeber verantwortlich gemacht werden kann;

–        den Antrag, das Parlament zur Tragung der Kosten zu verurteilen, die vor dem vorliegendem Rechtsstreit entstanden sind, als unbegründet zurückzuweisen;

–        jedenfalls über die Kosten gemäß der Verfahrensordnung zu entscheiden.

22      Im Anschluss an eine prozessleitende Maßnahme des Gerichts hat das Parlament Unterlagen vorgelegt.

23      In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Klägerin erklärt, dass er den vierten und den fünften Antrag zurücknehme.

24      Der in der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2008 unternommene Versuch einer gütlichen Beilegung ist erfolglos geblieben.

 Rechtliche Würdigung

 Zum Gegenstand der Klage

25      Vorab ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung die Entscheidung eines Organs, mit der ein Antrag auf Schadensersatz abgelehnt wird, wesentlicher Bestandteil des Verwaltungsverfahrens ist, das einer beim Gericht erhobenen Haftungsklage vorausgeht, und der Aufhebungsantrag im Verhältnis zum Schadensersatzantrag daher nicht selbständig beurteilt werden kann. Denn die Maßnahme, die die Stellungnahme des Organs in der vorprozessualen Phase enthält, bewirkt nur, dass die Partei, die einen Schaden erlitten haben will, beim Gericht eine Schadensersatzklage erheben kann (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts erster Instanz vom 18. Dezember 1997, Gill/Kommission, T‑90/95, Slg. ÖD 1997, I‑A‑471 und II‑1231, Randnr. 45, vom 6. März 2001, Ojha/Kommission, T‑77/99, Slg. ÖD 2001, I‑A‑61 und II‑293, Randnr. 68, und vom 5. Dezember 2002, Hoyer/Kommission, T‑209/99, Slg. ÖD 2002, I‑A‑243 und II‑1211, Randnr. 32).

26      Da die vorliegende Klage keinen anderen Gegenstand als den Ersatz des Schadens hat, der der Klägerin durch das Parlament zugefügt worden sein soll, ist demnach nicht selbständig über ihren Aufhebungsantrag zu entscheiden.

 Zu den Schadensersatzanträgen

 Vorbringen der Parteien

27      Die Klägerin macht geltend, dass sie von 1993 bis 2001 Opfer von Mobbing in der deutschen Übersetzungsabteilung gewesen sei und ihre Berufskrankheit darauf zurückgehe, wie das ärztliche Gutachten und die Atteste eines Neuropsychiaters und eines Psychotherapeuten vom 25. August 2003 bzw. 27. April 2005 belegten.

28      Ihre Erkrankung gehöre zu denen, die typischerweise die Folge von Mobbing seien. Daher begründe die Diagnose dieser Krankheit bei ihr die Vermutung, dass sie Mobbing ausgesetzt gewesen sei.

29      Das Mobbing habe zu einem immateriellen Schaden geführt, den die Klägerin auf 150 000 Euro beziffert und der sich aus Umfang und Schwere ihrer physischen und psychischen Störungen sowie deren Auswirkungen auf ihre Arbeitsfähigkeit und ihre sozialen Beziehungen ergebe. Dieser immaterielle Schaden sei auch nicht mit den 152 041,46 Euro ausgeglichen worden, die ihr nach Art. 73 Abs. 2 Buchst. c des Statuts gezahlt worden seien, da ihr dieser Betrag nur gewährt worden sei, um die Folgen ihrer dauernden Berufsunfähigkeit bis 2011 abzudecken.

30      Außerdem beantragt die Klägerin, das Parlament zu verurteilen, ihr 120 000 Euro zum Ersatz ihres materiellen Schadens zu zahlen. Sie habe eine Versicherungspolice zur Abdeckung der Folgen einer dauernden Invalidität abgeschlossen. Nach einer Klausel dieser Versicherungspolice würden die Leistungen bei mental bedingter Invalidität jedoch um die Hälfte gekürzt. Durch Verschulden des Parlaments, das für ihre psychische Erkrankung verantwortlich sei, habe sie daher nur 50 % des garantierten Kapitalbetrags erhalten.

31      Das Parlament erhebt zur Verteidigung drei Einreden der Unzulässigkeit, gestützt auf die Verspätung des Schadensersatzantrags, die unzureichende Begründung der Klage und die mangelnde Übereinstimmung von Beschwerde und Klage. Zur Begründetheit bestreitet das Parlament zunächst, dass das von der Klägerin behauptete Mobbing tatsächlich stattgefunden habe, und führt sodann aus, selbst wenn ihr ein rechtswidriges Verhalten angelastet werden könnte, habe die Klägerin nicht bewiesen, dass der daraus entstandene immaterielle Schaden mit der Zahlung des Betrags von 152 041,46 Euro nicht vollständig ersetzt worden sei. Zum materiellen Schaden macht das Parlament geltend, dieser stehe nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Verhalten, das die Klägerin ihr zur Last lege.

 Würdigung durch das Gericht

32      Die Sicherung für den Fall von Berufskrankheit und Unfall nach Art. 73 des Statuts und nach der Sicherungsregelung erlaubt eine pauschale Entschädigung des verletzten Beamten durch das Organ, bei dem er beschäftigt ist. Diese Entschädigung wird nach Maßgabe des Invaliditätsgrads und des Grundgehalts des Beamten berechnet, ohne dass die Haftung des Unfallverursachers oder diejenige des Organs berücksichtigt werden, das die Arbeitsbedingungen auferlegt hat, die möglicherweise zum Auftreten der Berufskrankheit beigetragen haben.

33      Gleichwohl haben die Beamten Anspruch auf eine die Leistungen gemäß Art. 73 des Statuts ergänzende Entschädigung, wenn das Organ für den Unfall oder die Berufskrankheit nach allgemeinem Recht haftet und die Leistungen nach dem Statut nicht ausreichen, um den vollen Ersatz des erlittenen Schadens sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 8. Oktober 1986, Leussink/Kommission, 169/83 und 136/84, Slg. 1986, I‑2801, Randnrn. 10 bis 14, und vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission, C‑257/98 P, Slg. 1999, I‑5251, Randnrn. 19 bis 22).

34      Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Haftung der Gemeinschaft insoweit vom Vorliegen einer Reihe von Voraussetzungen ab, die sich auf die Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, das tatsächliche Bestehen des behaupteten Schadens und die Existenz eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beziehen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juni 1994, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, Slg. 1994, I‑1981, Randnr. 42; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Juli 1995, Ojha/Kommission, T‑36/93, Slg. ÖD 1995, I‑A‑161 und II‑497, Randnr. 130).

35      Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob das Parlament nach allgemeinem Recht für die Berufskrankheit der Klägerin haftet, was die Prüfung voraussetzt, ob sie, wie von ihr behauptet, Opfer von Mobbing gewesen ist. Wenn ja, ist in einem zweiten Schritt festzustellen, ob die Leistungen nach dem Statut ausgereicht haben, um den vollen Ersatz des erlittenen Schadens sicherzustellen.

36      Um zu belegen, dass ihre Berufskrankheit die Folge von Mobbing insbesondere durch den Leiter der deutschen Übersetzungsabteilung und die Leiterin des Schreibpools in dieser Abteilung sei, stützt sich die Klägerin erstens auf mehrere Erlebnisse, die sie in der deutschen Übersetzungsabteilung gehabt habe, zweitens auf das Ergebnis des ärztlichen Gutachtens und drittens auf die Atteste eines Neuropsychiaters und eines Psychotherapeuten.

37      Was erstens die Vorfälle in der deutschen Übersetzungsabteilung angeht, an denen die Klägerin beteiligt gewesen sein soll, so kann keiner von ihnen den Beweis dafür darstellen, dass sie einem Mobbing ausgesetzt gewesen wäre, das vor Inkrafttreten von Art. 12a Abs. 3 des Statuts in der Rechtsprechung als Verhalten definiert wurde, das objektiv darauf abzielt, jemanden in Misskredit zu bringen oder seine Arbeitsbedingungen absichtlich zu verschlechern (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 16. Mai 2006, Magone/Kommission, T‑73/05, Slg. ÖD 2006, I‑A‑2‑107 und II‑A‑2‑485, Randnr. 79).

38      Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr im Jahr 1996 die bis dahin von ihr wahrgenommenen Ausbildungsaufgaben entzogen worden seien, stellt dieser Umstand für sich genommen nämlich keinen Beweis für das gerügte Mobbing dar. Ebenso wenig kann die Tatsache, dass im März 1997 der Leiter der deutschen Übersetzungsabteilung eine Kollegin angewiesen haben soll, ihm Beispiele für fehlerhafte Arbeiten der Klägerin vorzulegen, als Anhaltspunkt für Mobbing angesehen werden, da das Parlament, ohne dass dies ernsthaft bestritten wird, ausführt, dass der Leiter der deutschen Übersetzungsabteilung Beschwerden über die Qualität der Arbeit der Klägerin erhalten habe und dass er als Vorgesetzter habe überprüfen müssen, ob diese Beschwerden zuträfen. Das Gleiche gilt für den Umstand, dass der Leiter der deutschen Übersetzungsabteilung gegenüber einem Dritten die Qualität der Arbeit der Klägerin beanstandet haben soll.

39      Ferner behauptet die Klägerin, die 1999 mit anderen Mitgliedern der deutschen Übersetzungsabteilung eine Petition unterzeichnet hatte, um die vorgesehene Beförderung einer Kollegin zu verhindern, dass ihre Vorgesetzten ihr zu Unrecht vorgeworfen hätten, Initiatorin dieser Petition gewesen zu sein. Sie belegt diese Behauptung jedoch durch nichts. Zwar ist unstreitig, dass im Anschluss an diese Petition zwei Mitglieder des Personalrats des Parlaments einen offenen Brief im Umlauf gebracht haben, in dem sie dem Leiter der deutschen Übersetzungsabteilung vorwarfen, eine „massive Einschüchterungskampagne“ gegenüber den Unterzeichnern der Petition gestartet zu haben, doch wird auch dadurch nicht die Behauptung erhärtet, dass der Abteilungsleiter die Klägerin in Misskredit habe bringen oder absichtlich ihre Arbeitsbedingungen habe verschlechtern wollen. Abgesehen davon, dass selbst negative Benotungen und Bewertungen in einer Beurteilung für sich nicht als Indizien dafür gewertet wurden, dass mit der Beurteilung Mobbingzwecke verfolgt wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil Magone/Kommission, Randnr. 80), geht schließlich aus den Akten in keiner Weise hervor, dass die Klägerin, wie von ihr behauptet, Gegenstand „massiv negativer Beurteilungen“ gewesen wäre oder, allgemeiner, die Qualität ihrer Leistungen ungerecht bewertet worden wäre.

40      Was zweitens das Ergebnis des ärztlichen Gutachtens betrifft, hat der vom Parlament bestellte Arzt, dessen Aufgabe ausschließlich darin bestand, festzustellen, ob die Krankheit der Klägerin in ursächlichem Zusammenhang mit der Ausübung ihrer Tätigkeiten steht, erklärt, dass die „chronische psychische Erkrankung, unter der [die Klägerin] leidet, … die Folge von tatsächlichen oder von ihr als solche erlebten Konfliktsituationen am Arbeitsplatz [ist]“. Diese Aussage als solche beweist aber nicht, dass das behauptete Mobbing tatsächlich stattgefunden hat, zumal der Arzt nicht ausgeschlossen hat, dass es sich bei den Situationen, die von der Klägerin als „Konfliktsituationen“ erlebt wurden, objektiv nicht um solche Situationen gehandelt hat. Im Übrigen kann, auch wenn der betreffende Arzt in seinem ärztlichen Gutachten weiter ausgeführt hat, dass die „Symptome … [Dr. H.] zufolge charakteristisch für ein‘MOBBING-Syndrom’“ seien, aus diesem Verweis auf das psychiatrische Gutachten nicht geschlossen werden, er habe damit zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klägerin bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten in Misskredit gebracht worden sei oder ihre Arbeitsbedingungen absichtlich verschlechtert worden seien.

41      Drittens hat der Neuropsychiater Dr. A. in seinem Attest vom 25. August 2003 ausgeführt, dass er aus „neurologisch‑physiologischer Sicht … nach fortgesetzter intensiver Behandlung zu dem Ergebnis [kommt], dass die Diagnosen [p]osttraumatisches Belastungssyndrom, Anpassungsstörung, Major‑Depression [und c]hronische Schmerzstörung Folgen des schweren jahrelangen Mobbings am Arbeitsplatz und damit [als] auslösend für die Erkrankung [der Klägerin] anzusehen sind“. Die Klägerin habe im „Verlauf der Behandlung … über eine … Zuspitzung des Mobbingverhaltens seitens der Vorgesetzten“ berichtet. Der Psychotherapeut W. hat in seinem Attest vom 27. April 2005 festgestellt, dass sich die Klägerin „weiterhin in … Behandlung [befindet] wegen einer … [p]osttraumatischen Belastungsstörung einhergehend mit einer Major‑Depression, hervorgerufen durch einen jahrelang am Arbeitsplatz anhaltenden Mobbing‑ …‑Prozess“. Auch wenn diese Atteste die Schwere der psychischen Störungen, unter denen die Klägerin leidet, deutlich zum Ausdruck bringen, beweisen sie gleichwohl nicht, dass diese Störungen die Folge von Mobbing sind, denn ihre Aussteller haben sich für die Schlussfolgerung, dass Mobbing vorliege, ausschließlich auf die Schilderung gestützt, die die Klägerin ihnen von ihren Arbeitsbedingungen beim Parlament gegeben hatte.

42      Folglich hat die Klägerin nicht den Beweis erbracht, dass das Parlament nach allgemeinem Recht für die Berufskrankheit haftet, von der sie betroffen ist. Dementsprechend ist die erste der in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen eines Fehlverhaltens, nicht erfüllt.

43      Selbst wenn die Berufskrankheit der Klägerin auf ein Fehlverhalten des Parlaments zurückzuführen wäre, hätte die Klägerin überdies nicht nachgewiesen, dass der Kapitalbetrag, der ihr nach Art. 73 Abs. 2 Buchst. c des Statuts gezahlt wurde, nicht den Ersatz des aufgrund dieser Krankheit erlittenen Schadens sichergestellt hätte. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, dass der Kapitalbetrag nur die Folgen ihrer Berufsunfähigkeit bis 2011 ausgeglichen habe, dem Jahr, in dem sie in den Ruhestand hätte treten müssen, wenn sie nicht wegen Invalidität vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden wäre, kann ihrem Vorbringen nicht gefolgt werden, da mit dem in Art. 73 des Statuts vorgesehen Verfahren sowohl der materielle als auch der immaterielle Schaden infolge einer Berufskrankheit ausgeglichen werden soll (Urteil des Gerichts vom 2. Mai 2007, Giraudy/Kommission, F‑23/05, Slg. ÖD 2007, I‑A‑1‑0000 und II‑A‑1‑0000, Randnr. 198). Im Übrigen ist den Akten zu entnehmen, dass sich die Anstellungsbehörde bei der Entscheidung über die Anerkennung des beruflichen Ursprungs der diagnostizierten psychischen Erkrankung wie auch bei der Festlegung des Grades der dauernden Teilinvalidität auf 40 % auf die Feststellungen des vom Parlament bestellten Arztes gestützt hat, der zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Klägerin an einem „Stresssymptom und [einem] inzwischen chronisch gewordenen depressiven Zustand“ leide. Somit ist der von der Klägerin geltend gemachte immaterielle Schaden bereits im Rahmen von Art. 73 des Statuts berücksichtigt und ersetzt worden.

44      Auch der behauptete materielle Schaden kann nicht zu einer Entschädigung führen, die über die Leistungen nach Art. 73 des Statuts hinausgeht. Insoweit könnte die Haftung des Parlaments nämlich nur ausgelöst werden, wenn der Klägerin der Nachweis gelänge, dass dieses ein Fehlverhalten begangen hat und dieses Fehlverhalten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem angeblich erlittenen Schaden steht. Wie ausgeführt, ist aber das von der Klägerin behauptete Fehlverhalten, nämlich das Mobbing, dessen Opfer sie gewesen sein will, nicht erwiesen. Selbst wenn außerdem die Klageschrift ungeachtet eines Mobbings so verstanden werden könnte, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Berufskrankheit der Klägerin und dem behaupteten materiellen Schaden dargetan werden solle, könnte die Klägerin mit ihrem Vorbringen keinen Erfolg haben. Der Klägerin, die im Rahmen eines vom Parlament geschlossenen Gruppenvertrags 1980 eine Versicherungspolice unterzeichnet hatte, die der Abdeckung des Risikos der dauernden Invalidität diente, ist zwar unstreitig nur die Häfte des garantierten Kapitalbetrags ausgezahlt worden, doch beruht dies ausschließlich darauf, dass eine Klausel des Vetrags ausdrücklich eine 50%ige Kürzung der garantierten Leistungen bei mental bedingter Invalidität vorsah.

45      Nach alledem sind die Schadensersatzanträge als unbegründet zurückzuweisen, ohne dass ihre Zulässigkeit geprüft zu werden braucht.

 Kosten

46      Nach Art. 122 der Verfahrensordnung des Gerichts finden die Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung über die Prozesskosten und Gerichtskosten nur auf die Rechtssachen Anwendung, die ab dem Inkrafttreten dieser Verfahrensordnung, also dem 1. November 2007, beim Gericht anhängig gemacht werden. Die insoweit geltenden Bestimmungen der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz finden weiterhin entsprechende Anwendung auf die Rechtssachen, die beim Gericht vor diesem Zeitpunkt anhängig waren.

47      Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Allerdings tragen gemäß Art. 88 dieser Verfahrensordnung die Organe in den Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten selbst. Da die Klägerin mit ihrer Klage unterlegen ist, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Kreppel

Tagaras

Gervasoni

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 2. Dezember 2008.

Die Kanzlerin

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       S. Gervasoni

Die vorliegende Entscheidung sowie die darin zitierten und noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte sind auf der Internetseite des Gerichtshofs verfügbar: www.curia.europa.eu


* Verfahrenssprache: Deutsch.