Language of document : ECLI:EU:F:2007:154

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION

10. September 2007 (*)

„Öffentlicher Dienst – Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes –Auswahlverfahren – Nichtzulassung zu den Prüfungen – Antrag auf einstweilige Anordnung – Keine Dringlichkeit“

In der Rechtssache F‑83/07 R

betreffend einen Antrag nach den Art. 242 EG, 243 EG, 157 EA und 158 EA,

Brigitte Zangerl-Posselt, wohnhaft in Merzig (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Paulmann,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Curral und B. Eggers als Bevollmächtigte,

Antragsgegnerin,

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

folgenden

Beschluss

1        Mit Antragsschrift, die am 14. August 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt Frau Zangerl-Posselt, die sich um die Teilnahme an dem vom Amt für Personalauswahl der Europäischen Gemeinschaften (EPSO) zur Bildung einer Einstellungsreserve von Assistentinnen und Assistenten deutscher Sprache durchgeführten allgemeinen Auswahlverfahren EPSO/AST/27/06 (im Folgenden: Auswahlverfahren) beworben hat, die Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu verpflichten, sie vorläufig zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens zuzulassen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 5 Abs. 3 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften lautet:

„Für eine Ernennung gelten folgende Mindestanforderungen:

a)      Funktionsgruppe AST

i)      postsekundärer Bildungsabschluss bescheinigt durch ein Diplom, oder

ii)      sekundärer Bildungsabschluss, bescheinigt durch ein Diplom, das den Zugang zur postsekundären Bildung ermöglicht, und mindestens dreijährige einschlägige Berufserfahrung, oder,

iii)      wenn es das Interesse des Dienstes rechtfertigt, eine gleichwertige Berufsausbildung oder Berufserfahrung.“

3        Die Bekanntmachung des Auswahlverfahrens, die im Amtsblatt der Europäischen Union vom 26. Juli 2006 veröffentlicht wurde (ABl. C 173 A, S. 3, im Folgenden: Bekanntmachung des Auswahlverfahrens) bestimmt in Abschnitt A Ziffer II 1:

„Die Bewerberinnen und Bewerber müssen Folgendes vorweisen:

i)      einen durch ein Diplom bescheinigten, postsekundären Bildungsabschluss, der mit der in Abschnitt A Ziffer I beschriebenen Art der Tätigkeit in Zusammenhang steht, …

oder

ii)      einen durch ein Diplom bescheinigten sekundären Bildungsabschluss, der Zugang zur postsekundären Bildung ermöglicht, und eine daran anschließende mindesten dreijährige Berufserfahrung, die mit der in Abschnitt A Ziffer I beschriebenen Art der Tätigkeit in Zusammenhang steht.

Der Prüfungsausschuss trägt den unterschiedlichen Bildungssystemen Rechnung. Beispiele für erforderliche Mindestabschlüsse in den einzelnen Kategorien sind in einer Übersicht im Anhang des Bewerbungsleitfadens … aufgeführt (siehe hierzu die Webseiten des Europäischen Amtes für Personalauswahl). Allerdings können für das jeweilige Auswahlverfahren strengere Voraussetzungen festgelegt werden.“

4        Der auf der Website von EPSO veröffentlichte Bewerbungsleitfaden enthält einen Anhang 1 mit der Überschrift „Beispiele von Bildungsabschlüssen, die im Allgemeinen denen der Bekanntmachungen der Auswahlverfahren entsprechen“. Für Deutschland wird darin „Abitur/Allgemeine Hochschulreife“ als sekundärer Bildungsabschluss, der den Zugang zur postsekundären Ausbildung ermöglicht, genannt. Andere Beispiele enthält diese Kategorie nicht.

 Sachverhalt

5        Die 1959 geborene Antragstellerin besitzt ein Diplom mit der Bezeichnung „Realschulabschluss“, das sie 1975 erlangt hat. Sie verfügt über eine Berufserfahrung im Sekretariatsbereich von nahezu dreißig Jahren.

6        Mit Schreiben vom 18. Juni 2007 teilte der Vorsitzende des Prüfungsausschusses der Antragstellerin mit, dass sie die in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens festgelegten Zulassungsbedingungen nicht erfülle und deshalb nicht zu den praktischen und mündlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens zugelassen werden könne (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

7        Mit Schreiben vom 20. Juni 2007 beantragte die Antragstellerin eine Überprüfung dieser Entscheidung.

8        Mit Schreiben vom 25. Juli 2007 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass der Prüfungsausschuss seine Entscheidung, sie nicht zum Auswahlverfahren zuzulassen, bestätigt habe. Der Prüfungsausschuss erläuterte in dem Schreiben, dass die Antragstellerin den erforderlichen Bildungsabschluss (Abitur) im Zusammenhang mit der in Abschnitt A Ziffer I der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens genannten Art der Tätigkeit nicht habe vorweisen können.

9        Mit Schreiben vom 8. August 2007 legte die Antragstellerin Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung ein.

 Verfahren und Anträge der Parteien

10      Mit Klageschrift, die am 14. August 2007 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Diese Klage ist unter der Nummer F-83/07 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

11      Mit besonderem Schriftsatz vom selben Tag hat die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit dem sie ihre vorläufige Zulassung zu den Prüfungen des Auswahlverfahrens erwirken möchte. Dieser Antrag ist unter der Nummer F-83/07 R in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

12      In ihrer Antragsschrift beantragt die Antragstellerin,

–       die Kommission zu verpflichten, ihr die vorläufige Teilnahme an den im September 2007 beginnenden Prüfungen des Auswahlverfahrens zu ermöglichen und zu gewährleisten, dass sie vorläufig in jeder Hinsicht ebenso wie übrigen zu diesen Prüfungen zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber behandelt wird;

–      hilfsweise, im Wege der einstweiligen Anordnung jede andere geeignete Maßnahme zu treffen, durch die es ihr ermöglicht wird, vorläufig an den Prüfungen des Auswahlverfahrens teilzunehmen, und durch die gewährleistet wird, dass sie vorläufig in jeder Hinsicht ebenso wie die übrigen zu diesen Prüfungen zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber behandelt wird.

13      Die Kommission, die am 31. August 2007 eine schriftliche Stellungnahme bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht hat, beantragt,

–      den Antrag und Hilfsantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen;

–      die Kostenentscheidung vorzubehalten.

14      Nach Ansicht des Richters im Verfahren der einstweiligen Anordnung enthalten die Akten alle für die Entscheidung erforderlichen Angaben, so dass es keiner mündlichen Anhörung der Parteien bedarf.

 Entscheidungsgründe

15      Nach den Art. 242 EG, 243 EG, 157 EA und 158 EA sowie nach Art. 39 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I der Satzung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder einstweiligen Anordnungen treffen.

16      Nach Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, die gemäß Art. 3 Abs. 4 des Beschlusses 2004/752/EG, Euratom des Rates vom 2. November 2004 zur Errichtung des Gerichts für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union (ABl. L 333, S. 7) bis zum Inkrafttreten seiner Verfahrensordnung entsprechend für das Gericht gilt, müssen Anträge auf einstweilige Anordnung u. a. die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass ein Antrag auf derartige Anordnungen zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt. Außerdem muss die beantragte Anordnung in dem Sinne vorläufig sein, dass sie den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits nicht vorgreift und die Folgen der in der Hauptsache zu treffenden Entscheidung nicht im Voraus neutralisiert. Im Rahmen dieser Gesamtprüfung verfügt der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung über ein weites Ermessen bei der Bestimmung der Art und Weise, in der diese verschiedenen Voraussetzungen zu prüfen sind. Dieses Ermessen ist im Hinblick auf die Besonderheiten jedes Einzelfalls auszuüben (Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 10. Februar 1999, Willeme/Kommission, T‑211/98 R, Slg. ÖD 1999, I‑A-15 und II‑57, Randnrn. 18 und 19).

 Zum Hauptantrag

17      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Vorläufigkeit der beantragten Anordnung und die Dringlichkeit gegeben sind.

 Zur Vorläufigkeit der beantragten Anordnung

–       Vorbringen der Parteien

18      Die Antragstellerin macht geltend, die beantragte Anordnung habe vorläufigen Charakter, weil sie weder den Rechts- oder Tatsachenfragen des Rechtsstreits vorgreife noch die Folgen der in der Hauptsache zu treffenden Entscheidung neutralisiere. Begehrt werde nämlich lediglich, die Kommission zu verpflichten, sie vorläufig zu den Prüfungen zuzulassen, um ihr zu ermöglichen, diese unter den gleichen Bedingungen wie die übrigen Bewerber abzulegen. Sollte sie anschließend mit ihrer Klage unterliegen, könnte sie aus ihrer Teilnahme an den Prüfungen keinerlei Ansprüche herleiten.

19      Die Kommission vertritt unter Berufung auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 16. Juli 2002, Falcone/Kommission (T‑207/02 R, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), die Auffassung, dass die Anordnung der vorläufigen Teilnahme der Antragstellerin an den Prüfungen zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde.

–       Würdigung durch den Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung

20      Nach ständiger Rechtsprechung liefe die vorläufige Zulassung zu den Prüfungen eines Auswahlverfahrens nicht nur auf eine Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Maßnahme hinaus, sondern – wenn auch nur einstweilig – auf eine vollständige Umkehrung der Lage, die geeignet wäre, das Verfahren zur Hauptsache gegenstandslos zu machen. Der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist daher nicht befugt, im Wege der Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Handlung oder der einstweiligen Anordnung die Zulassung eines Antragstellers zu den Prüfungen eines Auswahlverfahrens anzuordnen (Beschlüsse des Präsidenten der ersten Kammer des Gerichtshofs vom 15. Oktober 1976, De Lacroix/Gerichtshof, 91/76 R, Slg. 1976, 1561, Randnrn. 2 und 3, des Präsidenten der zweiten Kammer des Gerichtshofs vom 13. Januar 1978, Salerno/Kommission, 4/78 R, Slg. 1978, 1, Randnrn. 2 und 3, des Präsidenten der zweiten Kammer des Gerichtshofs vom 29. März 1985, Remy/Kommission, 74/85 R, Slg. 1985, 1185, Randnr. 10, und des Präsidenten der dritten Kammer des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1988, Sparr/Kommission, 321/88 R, Slg. 1988, 6405, Randnr. 9; Beschluss Falcone/Kommission, Randnr. 36).

21      Bereits aus diesem Grund ist der vorliegende Antrag somit zurückzuweisen. Die folgenden Ausführungen zur Dringlichkeit haben daher nur ergänzenden Charakter.

 Zur Dringlichkeit

–       Vorbringen der Parteien

22      Nach Ansicht der Antragstellerin ergibt sich die Dringlichkeit der beantragten Anordnungen daraus, dass die Prüfungen des Auswahlverfahrens in der zweiten Hälfte des Monats September 2007 und damit vor dem Erlass der Entscheidung zur Hauptsache beginnen sollen.

23      Erstens sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung auch dann gerechtfertigt, wenn es sich bei einem eventuell entstehenden Schaden nicht um einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden handeln sollte, sofern die Begründetheit der Klage wegen eines offensichtlichen Fehlers des Prüfungsausschusses derart gewiss sei, dass schon diese Feststellung den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung rechtfertige. Die Antragstellerin stützt diese Argumentation auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 21. Dezember 1995, Gimenez/Ausschuss der Regionen (T‑220/95 R, Slg. 1995, I‑A-301 und II‑921, Randnrn. 39 bis 46). Ein solcher offensichtlicher Fehler des Prüfungsausschusses liege hier vor. Es sei nämlich offensichtlich, dass der Prüfungsausschuss die Einstufung der Bildungsabschlüsse des deutschen Bildungssystems nach der von der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) erstellten International Standard Classification of Education hätte heranziehen und die Antragstellerin deshalb zu den praktischen und mündlichen Prüfungen des Auswahlverfahrens hätte zulassen müssen. Ein weiterer offensichtlicher Fehler des Prüfungsausschusses bestehe darin, dass er die angefochtene Entscheidung unzureichend und fehlerhaft begründet und der Antragstellerin keinerlei individuelle Erläuterungen gegeben habe, obwohl sie diese ausdrücklich verlangt habe.

24      Zweitens würde ihr aber auch ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen, wenn sie nicht an den Prüfungen des Auswahlverfahrens teilnehmen könnte. Dieser Schaden bestünde darin, dass im Fall des Erfolgs der Klage ihre Rechte, insbesondere ihre Rechte auf Chancengleichheit und auf Wahrung ihrer Anonymität, nicht angemessen geschützt werden könnten, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht ergangen sei. In diesem Fall würden nämlich später gesonderte Prüfungen durchgeführt, bei denen es sich zwangsläufig um andere als die von den übrigen Bewerbern abgelegten Prüfungen handelte, so dass Chancengleichheit für sie selbst und für die übrigen Bewerber sowie ihre eigene Anonymität nicht in vollem Umfang gewährleistet werden könnten.

25      Die Kommission trägt vor, die Antragstellerin verweise mit ihrem ersten Argument auf eine Nebenerwägung des Richters im Verfahren der einstweiligen Anordnung im Beschluss Gimenez/Kommission, und der betreffende Ansatz sei in der Rechtsprechung nicht übernommen worden. Er stehe auch in Widerspruch sowohl zu Art. 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts erster Instanz, wonach die Dringlichkeit eine der Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei, als auch zur ständigen Rechtsprechung, nach der Dringlichkeit und fumus boni iuris kumulativ vorliegen müssten.

26      Auf das zweite Argument der Antragstellerin entgegnet die Kommission, selbst wenn die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen sollte, wären ihre Rechte hinreichend gesichert, weil die Anstellungsbehörde verpflichtet wäre, ad hoc ein neues Auswahlverfahren zu organisieren. Die Rechtsprechung erkenne an, dass ein solches nachträgliches Auswahlverfahren, dessen Schwierigkeit mit der des vorherigen Auswahlverfahrens vergleichbar sei, eine Maßnahme sei, die die Rechte von Bewerbern, die während des Auswahlverfahrens durch eine Rechtsverletzung beschwert worden seien, hinreichend schütze. Der Erlass einer solchen Maßnahme gewährleiste Chancengleichheit für die Antragstellerin und die übrigen Bewerber und stelle für die Antragstellerin dieselbe Anonymität sicher wie ein allgemeines Auswahlverfahren.

27      Schließlich macht die Kommission geltend, dass die Rechte der übrigen Bewerber wie auch die Rechte der Antragstellerin wegen des Wettbewerbscharakters eines allgemeinen Auswahlverfahrens durch den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung beeinträchtigt würden. Würde die Antragstellerin vorläufig zu den Prüfungen zugelassen, so würde sie das Gesamtbild, dass sich der Prüfungsausschuss von den verschiedenen Bewerbern machen müsse, verfälschen und eventuell sogar die Erfolgschancen der übrigen Bewerber beeinträchtigen. Es sei nicht ersichtlich, wie der Prüfungsausschuss nachträglich Bewerber, die vorläufig an den Prüfungen teilgenommen hätten, wieder streichen solle, ohne das Gesamtgefüge, das auf einem Vergleich aller Bewerber beruhe, zu zerstören. Aus den gleichen Gründen sei es auch der Kommission unzumutbar, „vorläufig“ mit einer theoretisch unbegrenzbaren Zahl von Bewerbern zu arbeiten, die ihre Teilnahme an den Prüfungen durch Eilanträge erzwungen hätten.

–       Würdigung durch den Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung

28      Das Vorbringen der Antragstellerin geht im Kern dahin, dass die angefochtene Entscheidung so schwere und offensichtliche Fehler enthalte, dass ihr bereits dem ersten Anschein nach jegliche Rechtsgrundlage fehle. Schon die Natur und die Schwere dieser Rechtsverstöße machten es notwendig und dringlich, der Situation, zur der diese Verstöße führten, ein Ende zu bereiten.

29      Wie die Kommission zu Recht eingewandt hat, würde mit einem solchen Ansatz die ständige Rechtsprechung außer Acht gelassen, wonach Dringlichkeit und fumus boni iuris kumulativ vorliegen müssen.

30      Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung deshalb auch dann nicht von der Voraussetzung der Dringlichkeit absehen, wenn eine Entscheidung einen so schweren und offensichtlichen Fehler enthalten sollte, dass ihr bereits dem ersten Anschein nach jegliche Rechtsgrundlage fehlt.

31      Die Antragstellerin muss daher durch ihr Vorbringen dartun, dass der Erlass der beantragten Anordnung notwendig und dringlich ist, um zu verhindern, dass ihr ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht.

32      Zweck des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ist die Sicherung der vollen Wirksamkeit des Urteils zur Hauptsache. Zur Erreichung diese Zieles müssen die begehrten Maßnahmen in dem Sinne dringlich sein, dass sie zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten müssen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 25. März 1999, Willeme/Kommission, C‑65/99 P[R], Slg. 1999, I‑1857, Randnr. 62).

33      Nach ständiger Rechtsprechung kann die Fortführung der Prüfungen eines allgemeinen Auswahlverfahrens einem Bewerber, der durch einen Fehler im Rahmen dieses Auswahlverfahrens benachteiligt wurde, keinen nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts erster Instanz vom 15. Juli 1999, Giuletti/Kommission, T‑167/99 R, Slg. ÖD 1999, I‑A-139 und II‑751, Randnr. 30, sowie des Präsidenten der zweiten Kammer des Gerichts erster Instanz vom 15. Mai 2000, Martín de Pablos/Kommission, T‑101/00 R, Slg. 2000, I‑A-83 und II‑347, Randnr. 23). Bei Aufhebung einer Prüfung im Rahmen eines Auswahlverfahrens zur Bildung einer Einstellungsreserve sind nämlich die Rechte eines Bewerbers angemessen geschützt, wenn der Prüfungsausschuss und die Anstellungsbehörde ihre Entscheidungen überprüfen und für diesen Fall eine billige Lösung zu erreichen suchen (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1983, Detti/Gerichtshof, 144/82, Slg. 1983, 2421, Randnr. 33, sowie vom 6. Juli 1993, Kommission/Albani u. a., C‑242/90 P, Slg. 1993, I‑3839, Randnrn. 13 und 14).

34      Wie die Antragstellerin unterstreicht, würden, falls das Gericht die angefochtene Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache aufheben sollte, die Bedingungen, unter denen sie an den Prüfungen des Auswahlverfahrens teilzunehmen hätte, nicht völlig mit denjenigen übereinstimmen, unter denen die übrigen Bewerber die Prüfungen abgelegt haben. In diesem Fall genügt es jedoch nach ständiger Rechtsprechung, dass die Rechte des Antragstellers durch die von der Anstellungsbehörde beschlossene billige Lösung „angemessen“ geschützt sind, was der Kontrolle durch das Gericht unterliegt.

35      Da keine Dringlichkeit dargetan worden ist, ist der vorliegende Antrag auch aus diesem Grund zurückzuweisen, ohne dass geprüft werden müsste, ob der fumus boni iuris gegeben ist.

 Zum Hilfsantrag

36      Da der Hilfsantrag auf Erlass jeder anderen geeigneten Maßnahme, durch die der Antragstellerin die vorläufige Teilnahme an den Prüfungen ermöglicht wird, im Wesentlichen mit dem Hauptantrag übereinstimmt, ist er aus den gleichen Gründen zurückzuweisen.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1.      Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 10. September 2007

Die Kanzlerin

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       P. Mahoney

Der Text dieser Entscheidung sowie der darin angeführten und noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen der Gemeinschaftsgerichte kann auf der Website des Gerichtshofs (www.curia.europa.eu) eingesehen werden


* Verfahrenssprache: Deutsch.