Language of document : ECLI:EU:C:2010:483

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

JÀN MAZÁK

vom 2. September 20101(1)

Rechtssache C‑52/09

Konkurrensverket

gegen

TeliaSonera AB

(Vorabentscheidungsersuchen des Stockholms Tingsrätt [Schweden])

„Vorabentscheidungsersuchen – Wettbewerb – Art. 102 AEUV (früher Art. 82 EG) – Kosten-Preis-Schere – Regulatorische Verpflichtung zur Lieferung von Vorleistungen – Unverzichtbarkeit der Vorleistungen“





1.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen hat das Stockholms Tingsrätt (erstinstanzliches Gericht Stockholm, Schweden) dem Gerichtshof zehn Fragen nach der Auslegung von Art. 102 AEUV (früher Art. 82 EG) vorgelegt, die den Vorwurf des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Form einer Kosten-Preis-Schere betreffen.(2) Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der schwedischen Telekommunikationsbetreiberin TeliaSonera Sverige AB (im Folgenden: TeliaSonera) und dem Konkurrensverket (nationale Wettbewerbsbehörde). Am 21. Dezember 2004 beantragte das Konkurrensverket beim vorlegenden Gericht, TeliaSonera zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 144 Millionen SEK (gegenwärtig etwa 15,1 Millionen Euro) wegen Verstoßes gegen das nationale Wettbewerbsrecht und gegen Art. 102 AEUV zu verurteilen.

I –    Sachverhalt und Vorlagefragen

2.        In dem Rechtsstreit geht es um die technischen Neuerungen Ende der 90er Jahre und zu Beginn des neuen Jahrtausends, als viele schwedische Endanwender von Internetdiensten begannen, von den sogenannten Internet-Zugängen über Einwählverbindung auf verschiedene Arten von Breitbandanschlüssen mit bedeutend höherer Übertragungsgeschwindigkeit umzusteigen. Gängige Formen des Breitbandanschlusses waren zu dieser Zeit der sogenannte ADSL‑Anschluss (Asymmetric Digital Subscriber Line) über einen festen Telefonanschluss und Anschlüsse über ein Kabelfernsehnetz oder ein lokales Netzwerk (LAN).

3.        TeliaSonera, vormals Telia AB, war lange Zeit Eigentümerin eines Anschlussnetzes auf Metallleitungsbasis, das grundsätzlich sämtliche Haushalte in Schweden erreichte. TeliaSonera ist die traditionelle Betreiberin des Telefonfestnetzes, die früher in Schweden aufgrund eines staatlichen Monopols bestimmen konnte, mit welcher Ausrüstung ihr eigenes Festnetz zu nutzen war. Abgesehen von ihren Breitband‑Diensten für den Endkundenmarkt (nachgelagerter Markt bzw. Endkundensegment) bot TeliaSonera anderen Betreibern (vorgelagerter Markt bzw. Vorleistungsmarkt), die auch auf dem Endkundenmarkt tätig waren, einen Zugang zu ihrem Anschlussnetz auf Metallleitungsbasis an (d. h. zu demjenigen Teil des Telefonnetzes, das die einzelnen Haushalte mit der nächsten Ortsvermittlungsstelle verbindet). Es wurden zwei Arten von Zugang angeboten. TeliaSonera bot einen sogenannten LLUB‑Zugang (local loop unbundling) an, mit dem ein Betreiber die Möglichkeit hatte, gegen Bezahlung gemäß der Verordnung Nr. 2887/2000(3) einen vollständig entbündelten oder einen gemeinsamen Zugang zu dem auf Metallleitungen basierenden TeliaSonera-Anschlussnetz zu erhalten. Der geltend gemachte Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung betrifft jedoch nicht den von der Verordnung erfassten LLUB-Zugang, sondern den Zugang zu festen Teilnehmeranschlüssen durch ein besonderes ADSL-Vorleistungsprodukt (wie beispielsweise Skanova Bredband ADSL), den TeliaSonera ihren Wettbewerbern angeboten hat.

4.        Das Konkurrensverket macht geltend, dass TeliaSonera ihre marktbeherrschende Stellung dadurch missbraucht habe, dass sie eine Spanne zwischen dem Vorleistungspreis für ADSL-Vorleistungsprodukte und dem Endkundenpreis für die ADSL‑Dienste, die sie den Verbrauchern anbietet, festgelegt habe, die nicht zur Deckung ihrer zusätzlichen Kosten im Endkundensegment ausgereicht habe. Entsprechend dem Aufbau der Klage des Konkurrensverket ist der Zeitraum von April 2000 bis 1. Januar 2001 lediglich nach § 19 Konkurrenslagen (Wettbewerbsgesetz) (1993:20) zu prüfen. Für den Zeitraum bis einschließlich Januar 2003 sind jedoch sowohl das schwedische Wettbewerbsgesetz als auch Art. 102 AEUV heranzuziehen. Tele2 Sverige Aktiebolag (im Folgenden: Tele2) ist dem Rechtsstreit zur Unterstützung des Konkurrensverket beigetreten.(4) Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich eindeutig, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens in Bezug auf eine Reihe wichtiger und – meiner Meinung nach wesentlicher – Sachverhaltsfragen nicht übereinstimmen (wie z. B. im Hinblick auf die Definition des relevanten Marktes, auf dem TeliaSonera eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, oder darüber, ob eine solche Stellung überhaupt vorliegt). Das vorlegende Gericht führt jedoch vor dem Hintergrund des nationalen Verfahrensrechts aus, dass es bereits beim gegenwärtigen Stand des Ausgangsverfahrens erforderlich sei, dem Gerichtshof Fragen vorzulegen. Insbesondere müssten die Beweiswürdigung und die rechtliche Würdigung im Ausgangsverfahren nach Durchführung der Hauptverhandlung im Zusammenhang mit der Urteilsberatung erfolgen.

5.        Auch wenn davon ausgegangen werde, dass keine Auswirkungen auf den Handel in der EU vorgelegen oder eine missbräuchliche Praxis nur in der Zeit von April 2000 bis zum 1. Januar 2001 bestanden habe, hält das vorlegende Gericht dennoch eine Vorabentscheidung für erforderlich. Vor diesem Hintergrund hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zu unterbreiten:

1.      Unter welchen Voraussetzungen liegt aufgrund des Unterschieds zwischen dem Vorleistungspreis eines vertikal integrierten Unternehmens in beherrschender Stellung beim Verkauf von ADSL-Vorleistungsprodukten an Wettbewerber und dem Endkundenpreis desselben Unternehmens ein Verstoß gegen Art. 102 AEUV vor?

2.      Sind bei der Beurteilung von Frage 1 lediglich die Endkundenpreise des beherrschenden Unternehmens maßgeblich, oder sind auch die Endkundenpreise der Wettbewerber zu beachten?

3.      Ist es für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, dass dem beherrschenden Unternehmen keine regulatorische Verpflichtung zu Vorleistungen auferlegt ist, sondern es sich aus eigenem Antrieb dazu entschlossen hat?

4.      Hängt die Missbräuchlichkeit einer Praxis der in Frage 1 beschriebenen Art davon ab, dass eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung vorliegt, und wie lässt sich in diesem Fall diese Wirkung näher bestimmen?

5.      Ist für die Beantwortung von Frage 1 der Grad der Marktmacht des beherrschenden Unternehmens von Bedeutung?

6.      Hängt die Missbräuchlichkeit einer Praxis der in Frage 1 beschriebenen Art davon ab, dass das Unternehmen, das die Praxis anwendet, sowohl auf der Vorleistungsebene als auch auf der Endkundenebene eine beherrschende Stellung hat?

7.      Muss das Produkt, welches das beherrschende Unternehmen auf der Vorleistungsebene zur Verfügung stellt, für die Wettbewerber unverzichtbar sein, damit die Praxis gemäß Frage 1 missbräuchlich ist?

8.      Ist es für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, ob es um die Belieferung eines Neukunden geht?

9.      Hängt die Missbräuchlichkeit einer Praxis von der in Frage 1 beschriebenen Art davon ab, dass das beherrschende Unternehmen die erlittenen Verluste voraussichtlich ausgleichen kann?

10.      Ist es für die Beurteilung von Frage 1 von Bedeutung, ob die Einführung einer neuen Technologie auf einem Markt hohe Investitionen erforderlich macht, z. B. im Hinblick auf die angemessenen Kosten für die Einführung und die eventuelle Notwendigkeit, während der Einführungsphase mit Verlust zu verkaufen?

6.        Das Konkurrensverket, TeliaSonera, Tele2, die finnische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. In der mündlichen Verhandlung, die am 18. März 2010 stattgefunden hat, haben diese Verfahrensbeteiligten – mit Ausnahme der finnischen und der polnischen Regierung – mündliche Erklärungen abgegeben.

II – Würdigung

7.        Wie oben in Nr. 4 ausgeführt, hat das vorlegende Gericht dargelegt, dass die Vorlagefragen sich aufgrund des nationalen Verfahrensrechts nur auf die Grundsätze des Wettbewerbsrechts konzentrieren müssen. In Anbetracht der Art der Vorlagefragen werden sich die nachfolgenden Erwägungen zwangsläufig ebenso auf grundsätzliche Aspekte beschränken. Es wird Sache des nationalen Gerichts sein, die Tatsachen festzustellen und das Recht auf sie anzuwenden. An dieser Stelle genügt der Hinweis, dass sich eine umfassende Antwort auf die Vorlagefrage 1 meines Erachtens aus den Antworten ergeben wird, die auf die übrigen neun Fragen gegeben werden. Wie ich im Folgenden darlegen werde, bin ich insbesondere der Auffassung, dass sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, dass – für die Zwecke der Entscheidung des Rechtsstreits im Ausgangsverfahren – Frage 1 zusammen mit den Fragen 3 und 7 von besonderer Bedeutung ist, und aus diesem Grund lege ich den Schwerpunkt auf diese Fragen. Dies ist nicht zuletzt deshalb gerechtfertigt, weil die Antworten auf die sonstigen Fragen bereits weitgehend von der vorliegenden Rechtsprechung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt der Europäischen Union) abgedeckt werden oder sich daraus ableiten lassen.

Frage 1: Voraussetzungen für das Vorliegen einer missbräuchlichen Kosten-Preis-Schere, Frage 3: Fehlen einer regulatorischen Verpflichtung zu Vorleistungen und Frage 7: Unverzichtbarkeit des Produkts

8.        Nach ständiger Rechtsprechung ist „[d]er Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung … ein objektiver Begriff. Er erfasst die Verhaltensweisen eines Unternehmens in marktbeherrschender Stellung, die die Struktur eines Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“(5)

9.        Darüber hinaus beinhaltet „[d]ie Feststellung, dass eine marktbeherrschende Stellung gegeben ist, … für sich allein keinen Vorwurf gegenüber dem betreffenden Unternehmen, sondern bedeutet nur, dass dieses unabhängig von den Ursachen dieser Stellung eine besondere Verantwortung dafür trägt, dass es durch sein Verhalten einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht beeinträchtigt“.(6) Der sachliche Anwendungsbereich dieser besonderen Verantwortung ist anhand der spezifischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln.(7) Eine Praxis, die unter normalen Umständen zulässig wäre, kann einen Missbrauch darstellen, wenn sie von einem Unternehmen in einer marktbeherrschenden Stellung angewandt wird.(8) Ein Unternehmen hat beispielsweise das Recht, seine eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese angegriffen werden, und es kann so vorgehen, wie es dies zum Schutz dieser Interessen für richtig hält.(9) Es kann die Mittel eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs im Sinne eines Leistungswettbewerbs verwenden. Eine Geschäftspraxis, die von den normalen Verhaltensweisen auf dem Markt abweicht und den bestehenden Wettbewerb schwächen kann, stellt einen Missbrauch nach Art. 102 AEUV dar.(10) In der Tat kann nicht jeder Preiswettbewerb als zulässig angesehen werden.(11) Schließlich ist zu beachten, dass Unternehmen in marktbeherrschender Stellung nach der Rechtsprechung der Union grundsätzlich die Möglichkeit haben, einen sachlichen Rechtfertigungsgrund für ihr Verhalten darzulegen.(12)

10.      Eine Kosten-Preis-Schere liegt nach Auffassung der Kommission, des Konkurrensverket und von Tele2 im Wesentlichen dann vor, wenn ein Unternehmen, das eine beherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Markt hat, auch auf dem nachgelagerten Markt tätig ist und auf diesen Märkten die Preise in der Weise festsetzt, dass die Differenz zwischen den Preisen auf dem nachgelagerten Markt und den Preisen auf dem vorgelagerten Markt nicht ausreicht, um die zusätzlichen Kosten zu decken, die das marktbeherrschende Unternehmen für die Lieferung von nachgelagerten Produkten aufwendet.

11.      Meiner Auffassung nach macht TeliaSonera zutreffend geltend, dass eine Kosten-Preis-Schere nur dann missbräuchlich ist, wenn dem marktbeherrschenden Unternehmen eine regulatorische Verpflichtung zur Lieferung der betreffenden Vorleistungen obliegt oder wenn diese Vorleistungen unentbehrlich sind. Sofern die Vorleistungen des marktbeherrschenden Unternehmens nicht unentbehrlich sind, beispielsweise wenn Substitute vorhanden sind, können sie nicht einer missbräuchlichen Kosten-Preis-Schere unterliegen, weil die Wettbewerber diese Vorleistungen nicht erwerben müssen – weder zu den vom marktbeherrschenden Unternehmen festgelegten Preis noch überhaupt.(13)

12.      Aus meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission und aus dem Urteil Deutsche Telekom/Kommission des Gerichts erster Instanz(14) ergibt sich eindeutig, dass eine missbräuchliche Kosten-Preis-Schere dann vorliegt, wenn die Differenz zwischen den Endkundenpreisen eines marktbeherrschenden Unternehmens und dem Vorleistungspreis für vergleichbare Leistungen an seine Wettbewerber entweder negativ ist oder nicht ausreicht, um die produktspezifischen Kosten des marktbeherrschenden Betreibers für die Erbringung seiner eigenen Endkundendienste im nachgelagerten Markt zu decken. Die Missbräuchlichkeit eines solchen Verhaltens ergibt sich aus der Unangemessenheit der Preisspanne und dem Umstand, dass die Vorleistungsprodukte des marktbeherrschenden Unternehmens unentbehrlich dafür sind, dass seine Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt für Endkunden-Zugangsprodukte mit ihm in Wettbewerb treten können. Meines Erachtens wird eine solche Kosten-Preis-Schere zwischen den Vorleistungs- und den Endkundenpreisen des marktbeherrschenden Unternehmens die Entwicklung des Wettbewerbs auf den nachgelagerten Märkten grundsätzlich behindern.

13.      Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission zur Kenntnis genommen habe. In der Zwischenzeit habe ich am 22. April 2010 meine Schlussanträge im Rechtsmittelverfahren der Deutsche Telekom gegen dieses Urteil vorgelegt. In meinen Schlussanträgen habe ich dem Gerichtshof vorgeschlagen, das Rechtsmittel zurückzuweisen und das Urteil des Gerichts damit zu bestätigen. Das Urteil des Gerichtshofs steht gegenwärtig noch aus.(15) Das vorlegende Gericht weist in der vorliegenden Rechtssache zutreffend darauf hin, dass der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens sich in mehren wichtigen Punkten von dem in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission unterscheidet. Insbesondere oblag – anders als es in der Rechtssache Deutsche Telekom der Fall war – TeliaSonera keine regulatorische Verpflichtung, Vorleistungsprodukte für ADSL-Verbindungen (im Folgenden: die betreffenden Vorleistungsprodukte) anzubieten. Vielmehr hatte TeliaSonera stattdessen regulatorische Verpflichtungen in Bezug auf den LLUB-Zugang, die hier jedoch nicht von Bedeutung sind. Darüber hinaus ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Preise für die betreffenden Vorleistungsprodukte weder auf dem Vorleistungsmarkt noch auf dem Endkundenmarkt durch die schwedische nationale Regulierungsbehörde (im Folgenden: NRB) reguliert worden waren.

14.      Nach der Rechtsprechung stellt es „einen … Missbrauch … dar, wenn ein Unternehmen, das auf einem bestimmten Markt eine beherrschende Stellung innehat, sich oder einem zur selben Gruppe gehörenden Unternehmen ohne objektives Bedürfnis eine Hilfstätigkeit vorbehält, die von einem dritten Unternehmen im Rahmen seiner Tätigkeit auf einem benachbarten, aber getrennten Markt [z. B. dem nachgelagerten Markt] ausgeübt werden könnte, so dass jeglicher Wettbewerb seitens dieses Unternehmens ausgeschaltet zu werden droht“.(16)

15.      Zur Frage des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in Form einer Lieferungsverweigerung ergibt sich aus dem Urteil Bronner(17), dass ein solcher Missbrauch vorliegen kann, wenn sich ein Unternehmen in einer beherrschenden Stellung auf einem (vorgelagerten) Markt weigert, einem Wettbewerber auf einem benachbarten oder nachgelagerten Markt die für die Ausübung von dessen Tätigkeit unerlässlichen Produkte zu liefern, sofern (i) die Weigerung geeignet ist, jeglichen Wettbewerb auf dem Markt durch denjenigen, der das Produkt begehrt, auszuschalten, (ii) die Weigerung nicht objektiv zu rechtfertigen ist und (iii) das Produkt für die Ausübung der Tätigkeit des Wettbewerbers in dem Sinne unentbehrlich ist, dass es keine realistische Möglichkeit gibt, eine potenzielle Alternative zu schaffen.

16.      Meines Erachtens stellt eine missbräuchliche Kosten-Preis-Schere eine bestimmte Form der Lieferungsverweigerung (eine „implizite Lieferungsverweigerung“) dar, wenn das marktbeherrschende Unternehmen – statt die Lieferung der betreffenden wesentlichen bzw. unverzichtbaren Vorleistungen vollständig zu verweigern – seine Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt mit den genannten Vorleistungen zu einem Preis beliefert, zu dem diese Wettbewerber nicht wirksam auf dem nachgelagerten Markt konkurrieren können.(18) Nach der Rechtsprechung der Union hat eine missbräuchliche Lieferungsverweigerung zur Folge, dass der Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt ausgeschaltet wird, und meines Erachtens trifft diese Betrachtungsweise auch im Fall einer Kosten-Preis-Schere zu. Durch eine Kosten-Preis-Schere entsteht über die sich infolge einer Lieferungsverweigerung auf der Vorleistungsebene ergebende Wettbewerbsbeeinträchtigung hinaus keine eigenständige Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Einem marktbeherrschenden Unternehmen eine Lieferungspflicht aufzuerlegen, kommt meines Erachtens der Auferlegung einer Verpflichtung zur Belieferung zu bestimmten Vorleistungs- und Endkundenpreisen (Kosten-Preis-Schere) gleich. Aus diesem Grund hat die Festlegung eines Preises (Kosten-Preis-Schere), der ebenso effiziente Wettbewerber daran hindert, auf nachgelagerter Ebene zu konkurrieren, im Grunde dieselbe Wirkung wie eine Lieferungsverweigerung und impliziert, dass derselbe Prüfungsrahmen und die grundsätzlichen Erwägungen im Hinblick auf Anreize für marktbeherrschende Unternehmen, Investitionen zu tätigen, gelten sollten.(19) Im Ausgangsverfahren macht das Konkurrensverket geltend, dass eine missbräuchliche Kosten-Preis-Schere schon allein aufgrund einer unzureichenden Spanne zwischen den Vorleistungs- und Endkundpreisen vorliege, unabhängig davon, ob die Vorleistungen unentbehrlich sind. Diese Sichtweise trifft meines Erachtens nicht zu und greift zu kurz. Meiner Meinung nach ergibt sich aus den beiden Entscheidungen zur Kosten-Preis-Schere im Telekommunikationssektor, die die Kommission nach Art. 102 TFEU erlassen hat – Deutsche Telekom und Telefónica(20) –, dass die Kosten-Preis-Schere und die Lieferungsverweigerung auf denselben Grundgedanken beruhen. Während die Kommission in letzterer Sache die Anwendung der im Urteil Bronner festgelegten Kriterien zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens des marktbeherrschenden Unternehmens ablehnte, weil „… sich die besonderen Umstände dieser Sache grundlegend von den Umständen in der Sache [Bronner] unterscheiden“ (Telefónica oblag eine regulatorische Verpflichtung zur Lieferung von Vorleistungen, und ihre Ex-ante-Anreize, Investitionen in die eigene Infrastruktur zu tätigen, waren angeblich nicht Gegenstand des Verfahrens, da die Infrastruktur von Telefónica weitgehend das Ergebnis von Investitionen war, die getätigt worden waren, als Telefónica noch von Sonderrechten bzw. ausschließlichen Rechten profitierte, die sie vom Wettbewerb abschirmten), prüfte die Kommission den einschlägigen Sachverhalt jedoch anhand von Prüfungsmaßstäben im Sinne des Urteils Bronner. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass in diesen beiden Entscheidungen der Kommission die zuständige NRB bereits eine Verpflichtung zur Belieferung von Wettbewerbern – d. h. zur Gewährung des Zugangs zum Netz des marktbeherrschenden Unternehmens – auferlegt hatte. Darüber hinaus vertrat die Kommission in beiden Entscheidungen die Auffassung, dass es keine wirklichen Alternativen für die Netze des marktbeherrschenden Unternehmens gab.

17.      Das vorlegende Gericht verweist auf die jüngeren „Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV]“(21), in denen im Abschnitt D „Lieferverweigerung und Kosten-Preis-Schere“ u. a. ausgeführt wird, dass „ein marktbeherrschendes Unternehmen statt einer Lieferverweigerung für das betreffende Produkt den Preis auf dem vorgelagerten Markt gegenüber seinem Preis auf dem nachgelagerten Markt … so ansetzt, dass es sogar für einen ebenso effizienten Wettbewerber nicht mehr möglich ist, auf dem nachgelagerten Markt langfristig rentabel zu bleiben (sog. ‚Kosten-Preis-Schere‘[(22)]). … Die Kommission wird diese Praktiken vorrangig prüfen, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: [i] Die Lieferverweigerung betrifft ein Produkt …, das … objektiv notwendig ist, um auf einem nachgelagerten Markt wirksam konkurrieren zu können, [ii] die Lieferverweigerung wird wahrscheinlich den wirksamen Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt ausschalten, und [iii] die Lieferverweigerung wird wahrscheinlich den Verbrauchern schaden.“ Allerdings mag „[i]n manchen Fällen … offenkundig sein, dass die Einführung einer Lieferpflicht für den Eigentümer des Inputs und/oder andere Marktteilnehmer weder ex ante noch ex post die Anreize für Investition und Innovation auf dem vorgelagerten Markt reduzieren kann. Dies ist nach Auffassung der Kommission besonders wahrscheinlich, wenn Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die im Einklang mit dem [Unions]recht stehen, dem marktbeherrschenden Unternehmen bereits eine Lieferverpflichtung auferlegen und es aufgrund der dieser Verpflichtung zugrunde liegenden Erwägungen klar ist, dass der betreffende Gesetzgeber bzw. die zuständige Behörde bei der Einführung dieser Lieferverpflichtung bereits die erforderliche Abwägung zwischen den Anreizen vorgenommen hat. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn das marktbeherrschende Unternehmen seine Stellung auf dem vorgelagerten Markt im Schutze von Sonder- oder Exklusivrechten oder mit Hilfe staatlicher Mittel erworben hat. In diesen Fällen besteht für die Kommission kein Grund, von ihrer generellen Durchsetzungspraxis abzuweichen, nach der sie, ohne dass die [vorstehend] genannten drei Voraussetzungen erfüllt sind, feststellen kann, dass eine wettbewerbswidrige Marktverschließung wahrscheinlich ist.“

18.      Meiner Auffassung nach kann aus dem Urteil Bronner (siehe oben, Nrn. 14 bis 16), meinen Schlussanträgen und dem Urteil des Gerichts in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (oben in Fn. 14 angeführt), der Entscheidungspraxis der Kommission und den Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] entnommen werden, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen, das durch seine Preisgestaltung eine Kosten-Preis-Schere anwendet, in den Fällen, in denen keine regulatorische Verpflichtung zur Erbringung von Vorleistungen besteht – wie in der vorliegenden Rechtssache –, seine beherrschende Stellung missbrauchen wird, sofern diese Vorleistungen unentbehrlich dafür sind, dass ein Wettbewerber mit dem marktbeherrschenden Unternehmen auf dem nachgelagerten Markt in Wettbewerb treten kann.(23) Eine solche Preisgestaltung stellt meines Erachtens eine Form der Lieferungsverweigerung dar.(24)

19.      Mein Ansatz wird auch durch ein jüngeres Urteil der Cour de cassation (Frankreich) gestützt, das einen Fall der Kosten-Preis-Schere nach Art. 102 AEUV und nationalem Wettbewerbsrecht betrifft(25). In diesem Urteil hat die Cour de cassation unmissverständlich festgestellt, dass eine Kosten-Preis-Schere eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung hat, wenn ein potenzieller Wettbewerber, der ebenso effizient wie das vertikal integrierte marktbeherrschende Unternehmen ist, nicht in den nachgelagerten Markt eintreten kann, ohne dabei Verluste zu erleiden. Nach Ansicht der Cour de cassation kann eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung nur dann angenommen werden, wenn die Vorleistungen, die das marktbeherrschende Unternehmen gegenüber seinen Wettbewerbern erbringt, unentbehrlich dafür sind, dass die Wettbewerber mit ihm auf dem nachgelagerten Markt konkurrieren können.

20.      Die vorstehend dargelegten Erwägungen sind in vorliegendem Fall von besonderer Bedeutung, da in der Vorlageentscheidung darauf hingewiesen wird, dass mehrere alternative Technologien vorhanden waren, um Endkunden Breitband-Dienste anzubieten. Dies erklärt, aus welchem Grund es das vorlegende Gericht für erforderlich hielt, insbesondere die Frage 7 vorzulegen. Ich möchte besonders darauf hinweisen, dass die Umstände, dass der Vorlageentscheidung zufolge alternative Technologien vorhanden waren und dass das Netzwerk von TeliaSonera möglicherweise von ihren Wettbewerbern (gemeinsam oder einzeln) und/oder von Dritten nachgebaut wurde(26), darauf hindeuten, dass die betreffenden Produkte nach der Rechtsprechung gegebenenfalls keine unentbehrlichen Vorleistungen waren. Insoweit scheint sich aus den Ausführungen des Konkurrensverket zu ergeben, dass es anerkennt, dass Konkurrenten von TeliaSonera langfristig eventuell in der Lage gewesen wären, ihre eigene Infrastruktur aufzubauen oder andere Formen des Zugangs zu erwerben. Es ist jedoch allein Sache des vorlegenden Gerichts, auf der Grundlage aller Umstände des Falles im Ausgangsverfahren zu entscheiden, ob dies tatsächlich zutrifft, und die einschlägige Rechtsprechung auf den Sachverhalt anzuwenden.(27)

21.      Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass einem marktbeherrschenden Unternehmen grundsätzlich kein Missbrauch einer Kosten-Preis-Schere vorgeworfen werden sollte, wenn diesem Unternehmen keine mit Unionsrecht vereinbare regulatorische Verpflichtung obliegt, Vorleistungen zu erbringen, die nicht unentbehrlich sind. Wäre eine Kosten-Preis-Schere nur aufgrund einer abstrakten Berechnung der Preise verboten, ohne dass geprüft wird, ob die betreffenden Vorleistungen für den Wettbewerb auf dem Markt unentbehrlich sind(28), wären marktbeherrschende Unternehmen weniger bereit, Investitionen zu tätigen, und/oder es wäre wahrscheinlich, dass sie die Endkundenpreise erhöhen würden, um dem Vorwurf der Anwendung einer Kosten-Preis-Schere zu entgehen. Wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen sich rechtmäßigerweise weigern konnte, die betreffenden Vorleistungsprodukte zu liefern, sollte ihm nicht vorgeworfen werden, dass es diese Produkte zu Bedingungen anbietet, die seine Wettbewerber gegebenenfalls für nachteilig halten. Tatsächlich ist es kaum ersichtlich, dass die beanstandete unzureichende Preisspanne in einem solchen Fall eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung hat.(29)

22.      Damit komme ich zum Argument der Kommission, aus der Rechtsprechung lasse sich ableiten, dass – sofern der Zugang zu einer Vorleistung freiwillig zur Verfügung gestellt werde – es sich nicht mehr um einen Fall der Lieferungsverweigerung handele, sondern um einen Fall wirtschaftlicher Bedingungen, zu denen der Zugang gewährt werde. Die Kommission weist darauf hin, dass der Gerichtshof als Antwort auf ein ähnliches Argument im Beschluss UnileverBestfoods/Kommission(30) festgestellt habe, dass „das Vorbringen von HB zur falschen Anwendung der im Urteil Bronner aufgestellten Rechtsgrundsätze offensichtlich unbegründet [ist], da jedenfalls, wie das Gericht … festgestellt hat[(31)], die streitige Entscheidung HB weder dazu verpflichtet, ein Wirtschaftsgut abzutreten, noch dazu, Verträge mit Personen zu schließen, die diese Gesellschaft nicht als Vertragspartner ausgewählt hat. [D]ie Kühltruhen [sind] – im Gegensatz zum Sachverhalt in der Rechtssache Bronner – keine Wirtschaftsgüter, die HB für seinen eigenen Gebrauch vorhält, sondern deren Nutzung wird freiwillig unabhängigen Unternehmen überlassen, die für das Nutzungsrecht zahlen. So ist das Vorbringen von HB, die genannte Entscheidung erlege ihr eine Verpflichtung auf, die mindestens genauso zwingend sei wie die, die für den Eigentümer einer wesentlichen Einrichtung gelte, offensichtlich unbegründet.“

23.      Obwohl ich einräume, dass sich diesem Urteil entnehmen lässt, dass im Wettbewerbsrecht zwischen Situationen unterschieden werden kann, in denen ein marktbeherrschendes Unternehmen die Lieferung verweigert, und solchen, in denen es sich zur Lieferung entscheidet, bin ich jedoch der Auffassung, dass dieser Ansatz – jedenfalls für die Zwecke des vorliegenden Falls – nicht zutrifft. Vielmehr ist, wie von TeliaSonera in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, das Urteil UnileverBestfoods/Kommission in vorliegendem Fall nicht einschlägig, weil es eindeutig eine andere Frage betrifft. Im Urteil UnileverBestfoods/Kommission ging es um Ausschließlichkeitsklauseln bei der Lieferung von Tiefkühltruhen an Wiederverkäufer. Wie das Gericht in seinem Urteil in dieser Rechtssache entschieden und der Gerichtshof anschließend in einem Beschluss bestätigt hat, war das Urteil Bronner in der genannten Rechtssache nicht einschlägig, weil die Kommission in ihrer Entscheidung nicht die Auffassung vertreten hatte, dass die HB-Tiefkühltruhen eine „essential facility“ waren. Darüber hinaus bestand für HB keine Notwendigkeit, ein Wirtschaftsgut abzutreten oder Verträge mit nicht von ihr ausgewählten Vertragspartnern zu schließen, um der Entscheidung in dem Fall nachzukommen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um eine Kosten-Preis-Schere, und aus den vorstehenden Erwägungen (insbesondere in den vorstehenden Nrn. 16 ff.) folgt, dass ein Fall der Kosten-Preis-Schere mit dem Fall der Lieferungsverweigerung vergleichbar ist und daher dieselben zugrunde liegenden Überlegungen gelten sollten. Eine Kosten-Preis-Schere stellt in der Tat eine Form der Lieferungsverweigerung dar. Meines Erachtens würde jede andere Auslegung des Urteils UnileverBestfoods/Kommission im vorliegenden Fall ergeben, dass marktbeherrschenden Unternehmen eine Verpflichtung zur Lieferung zu bestimmten Preisen auferlegt wird, wodurch die Anreize für diese Unternehmen, in Infrastrukturen zu investieren, stark gemindert würden. Dies hätte wiederum zur Folge, dass die genannten Unternehmen sich dagegen entscheiden würden, zu investieren und/oder Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt zu beliefern, damit ihnen – obwohl der Zugang zu ihren Infrastrukturen bzw. Vorleistungen nach der Rechtsprechung zur Lieferungsverweigerung nicht unentbehrlich ist – nicht vorgeworfen werden kann, dass sie eine Kosten-Preis-Schere anwenden.

24.      Nun komme ich zu dem vom Konkurrensverket und von der Kommission vorgetragenen Argument, dass die Situation von TeliaSonera besonders sei, weil sie ihre Stellung auf dem vorgelagerten Markt im Schutz von Sonder- oder Exklusivrechten oder mit Hilfe staatlicher Mittel erlangt habe.(32)

25.      In der Rechtssache KPN Telecom(33) führte Generalanwalt Poiares Maduro aus, dass eine „Lieferverweigerung durch ein beherrschendes Unternehmen den Missbrauch einer beherrschenden Stellung bedeuten [kann], wenn dies in einer vor Kurzem deregulierten Branche geschieht, in der die für einen abgeleiteten Markt notwendigen Vorleistungen für das Unternehmen ein direktes Ergebnis seiner vorherigen Stellung als gesetzlicher Monopolist darstellen und der Zugang zu diesen Vorleistungen nicht durch eine branchenspezifische Gesetzgebung geregelt wird. Unter diesen Umständen, unter denen der Lieferant über einen Vorteil auf dem Sekundärmarkt verfügt, weil er früher vor den Wettbewerbern geschützt wurde, ist die potenziell abschreckende Wirkung einer Lieferpflicht im Hinblick auf Investitionen und Innovationen minimal, und es ist wahrscheinlich, dass das Interesse an einer Förderung des Wettbewerbs überwiegt. Wie ein Kommentator bemerkt hat[(34)], hätten Maßnahmen zur Deregulierung oder Liberalisierung einer Branche ‚nur geringen Wert, wenn die betroffenen Unternehmen, die meist eine beherrschende Stellung in ihren Bereichen innehaben, beliebig vorwärts integrieren und zugunsten ihrer eigenen nachgelagerten Prozesse diskriminieren könnten‘.“

26.      Obwohl ich dem von Generalanwalt Poiares Maduro vorgetragenen Argument nicht widerspreche, sollte das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Prüfung im Ausgangsverfahren den Umstand berücksichtigen, dass die betreffenden grundlegenden Eigentumsrechte sich negativ auf Anreize, Investitionen zu tätigen, auswirken (dies gilt nicht nur für das betreffende marktbeherrschende Unternehmen, sondern potenziell auch für andere Unternehmen, einschließlich des Unternehmens, das den Zugang fordert). Darüber hinaus sind, wie Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Bronner ausgeführt hat, Eigentumsrechte in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten anerkannt und haben in manchen dieser Rechtsordnungen verfassungsrechtlichen Rang. Meiner Meinung nach ist entscheidend, dass sowohl der Gerichtshof als auch der Generalanwalt in der Rechtssache Bronner einen zurückhaltenden Ansatz im Hinblick auf die Lieferungsverweigerung im Rahmen von Art. 102 AEUV gewählt und deutlich ihre Anerkennung der zugrunde liegenden wettbewerbs- und sozialpolitischen Erwägungen zum Ausdruck gebracht haben.(35)

27.      Darüber hinaus wurde die Auffassung vertreten, es sei nicht klar, aus welchem Grund das Vorhandensein von öffentlichen Mitteln zur Finanzierung von Eigentum zu strikteren rechtlichen Maßstäben führen sollte – nach Art. 102 AEUV ist es nicht zulässig, zwischen öffentlicher und privater Finanzierung zu unterscheiden, und Art. 345 AEUV (früher Art. 295 EG) würde auch eine Unterscheidung zwischen Eigentumsrechten in diesem Sinne verbieten. Tatsächlich lässt sich nicht immer einfach feststellen, ob eine Finanzierungsquelle eindeutig öffentlicher Art ist. Große Teile der Infrastruktur der ehemaligen staatlichen Monopole wurden infolge der Privatisierung erheblich verbessert, was dazu geführt hat, dass die Finanzierungsquellen heute im Wesentlichen gemischt sind.(36) Ich möchte hinzufügen, dass vertikal integrierte Unternehmen gegebenenfalls durch alte Infrastrukturen belastet sind, die Instandhaltungsarbeiten erfordern, und dass es oftmals um Sektoren mit erheblichen technischen Innovationen geht, in denen das etablierte Unternehmen Neuerungen einführen muss, um konkurrieren zu können. Ich möchte darauf hinweisen, dass das vorlegende Gericht im vorliegenden Fall hervorgehoben hat, dass es in Schweden in den 90er Jahren und in den Jahren nach 2000 kein gesetzliches Monopol für Internetzugangsdienste gegeben habe und dass Wettbewerb um die Endkunden jedenfalls seit Beginn der 90er Jahre geherrscht habe.

28.      Jedenfalls wird – unabhängig von den vorstehenden Erwägungen – die Relevanz des Arguments, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Stellung unter dem Schutz von Sonder- oder Exklusivrechten oder mit Hilfe staatlicher Mittel erlangt hat, von den besonderen Umständen des konkreten Falls abhängig sein.

29.      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich daher, dass einem marktbeherrschenden Unternehmen nicht nur aufgrund einer unzureichenden Spanne zwischen Vorleistungs- und Endkundenpreisen vorgeworfen werden sollte, dass es eine missbräuchliche Kosten-Preis-Schwere anwendet, sofern ihm keine regulatorische, mit Unionsrecht vereinbare Verpflichtung zur Lieferung der betreffenden Vorleistungsprodukte obliegt oder diese Produkte nicht unentbehrlich sind.

30.      Selbst wenn der Gerichtshof entscheiden sollte, dass die Vorleistung nicht unentbehrlich sein muss, und stattdessen geringere Anforderungen im Hinblick auf die wettbewerbsbeschränkende Wirkung auf dem nachgelagerten Markt stellen sollte, kann meines Erachtens die Feststellung einer missbräuchlichen Kosten-Preis-Schere nicht allein auf die Spanne zwischen den Vorleistungs- und den Endkundenpreisen des marktbeherrschenden Unternehmens gestützt werden, wenn keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt nachgewiesen werden. Der Hauptzweck von Art. 102 TFEU besteht darin, den Wettbewerb zu schützen und die Interessen der Verbraucher zu wahren, und nicht darin, die Situation einzelner Wettbewerber zu schützen.(37)

31.      Es ist jedoch hinzuzufügen, dass die allgemeine Rechtsprechung zum Missbrauch einer beherrschenden Stellung Anwendung findet und TeliaSonera, sofern sie eine beherrschende Stellung einnimmt, nach Art. 102 AEUV eine besondere Verantwortung dafür trägt, dass auf den relevanten Märkten ein wirksamer, unverfälschter Wettbewerb gewahrt wird (siehe oben, insbesondere Nrn. 8 und 9).

32.      Aus sämtlichen vorstehend dargelegten Erwägungen sollte sicherlich nicht geschlossen werden, dass die Preise eines vertikal integrierten marktbeherrschenden Unternehmens nur dann missbräuchlich sein können, wenn die betreffenden Vorleistungen unentbehrlich sind oder wenn eine regulatorische Verpflichtung zur Lieferung dieser Vorleistungen besteht. Der Preis auf dem vorgelagerten Markt kann nach Art. 102 Buchst. a AEUV überhöht sein.(38) Bei dem Preis auf dem nachgelagerten Markt handelt es sich möglicherweise um einen Verdrängungspreis.(39) Darüber hinaus riegelt das marktbeherrschende Unternehmen gegebenenfalls den nachgelagerten Markt für seine Wettbewerber auf diesem Markt ab und verstößt damit gegen Art. 102 Buchst. b AEUV. Ferner wendet das marktbeherrschende Unternehmen möglicherweise nach Art. 102 Buchst. c AEUV unterschiedliche Bedingungen gegenüber seinen Wettbewerbern und im Hinblick auf seine eigenen Geschäfte auf dem nachgelagerten Markt an.(40) Keiner dieser Missbräuche ist grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen das Produkt oder die Dienstleistung unentbehrlich ist.(41)

33.      In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen werde ich die noch offenen Fragen behandeln, die vom Stockholms Tingsrätt vorgelegt wurden. Ich bin der Ansicht, dass die Antworten auf diese Fragen weitgehend in der Rechtsprechung der Union zu finden sind oder aus ihr abgeleitet werden können.

Frage 2: Welche Preise sollten berücksichtigt werden?

34.      Das Vorliegen einer Kosten-Preis-Schere kann theoretisch anhand von mindestens zwei verschiedenen Kriterien beurteilt werden, und zwar anhand des As-Efficient-Competitor-Tests, bei dem auf die eigenen Kosten des marktbeherrschenden Unternehmens abzustellen ist, sowie anhand des Reasonably-Efficient-Competitor-Tests, bei dem die Kosten des Wettbewerbers des marktbeherrschenden Unternehmens maßgeblich sind.(42)

35.      TeliaSonera macht im Wesentlichen geltend, dass die Kosten und Preise, die von anderen Unternehmen veranschlagt bzw. berechnet würden, sowie alle sonstigen Prüfungen, die für den betreffenden Zeitraum bekannt seien, im Rahmen einer Beurteilung relevant sein sollten.

36.      Meines Erachtens machen die Kommission, das Konkurrensverket, die finnische und die polnische Regierung sowie Tele2 zutreffend geltend, dass der As-Efficient-Competitor-Test grundsätzlich der geeignetste Test ist, da es sich um einen objektiven Test handelt, der ineffiziente Wettbewerber nicht schützt.

37.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission, in denen beide Tests ausführlich erörtert wurden, habe ich in der Tat die Auffassung vertreten, dass nach der Rechtsprechung grundsätzlich die Preise des marktbeherrschenden Unternehmens maßgeblich sind.(43) Darüber hinaus haben alle Verfahrensbeteiligten, einschließlich TeliaSonera, weitgehend anerkannt, dass der As-Efficient-Competitor-Test im vorliegenden Fall Anwendung finden sollte.(44) Darüber hinaus ist der As-Efficient-Competitor-Test nach überwiegender Meinung generell ein geeignetes Kriterium. Folglich sind im Fall einer Kosten-Preis-Schere grundsätzlich nur die Preise des marktbeherrschenden Unternehmens maßgeblich.

Frage 4: Hängt die Missbräuchlichkeit einer Kosten-Preis-Schere davon ab, dass eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung vorliegt?

38.      Die Kommission, das Konkurrensverket, die polnische und die finnische Regierung sowie Tele2 vertreten die Auffassung, dass nach der Rechtsprechung der Union das Vorliegen einer konkreten wettbewerbsbeschränkenden Wirkung nicht erforderlich sei, damit eine Praxis missbräuchlich im Sinne von Art. 102 AEUV sei. Hingegen macht TeliaSonera unter Bezugnahme auf das Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission(45) geltend, dass der Begriff der missbräuchlichen Ausnutzung Verhaltensweisen erfasse, welche die Aufrechterhaltung oder die Entwicklung des Wettbewerbs behinderten.

39.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission(46) habe ich ausgeführt, dass im Fall einer Kosten-Preis-Schere die Kommission – oder im vorliegenden Fall das Konkurrensverket – die potenziell wettbewerbswidrige Wirkung der Preispolitik des marktbeherrschenden Unternehmens nachzuweisen hat. Im Urteil Deutsche Telekom/Kommission(47) wurde deutlich, dass sich nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts die von der Kommission nachzuweisende wettbewerbswidrige Wirkung auf etwaige Behinderungen der Entwicklung des Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt durch die Preispolitik der Klägerin bezog. Wenngleich also das Gericht von der Kommission nicht den Nachweis tatsächlicher wettbewerbswidriger Wirkungen verlangt hat, hat es jedoch jedenfalls zu Recht den Nachweis einer Behinderung des Eintritts in den Markt und damit den Nachweis potenzieller wettbewerbswidriger Wirkungen gefordert.

40.      Hierzu hat das Gericht in Randnr. 237 des genannten Urteils festgestellt, dass, da die Vorleistungen der Deutschen Telekom unentbehrlich dafür seien, dass einer ihrer Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt für Endkunden-Zugangsdienste mit ihr in Wettbewerb treten könne, eine Kosten-Preis-Schere zwischen den Vorleistungs- und den Endkundenentgelten der Deutschen Telekom die Entwicklung des Wettbewerbs auf den nachgelagerten Märkten grundsätzlich behindern werde. Somit hat das Gericht meines Erachtens zutreffend darauf abgestellt, dass in dem Fall die Vorleistungen unentbehrlich sind und dass die Wettbewerber der Deutschen Telekom ohne Inanspruchnahme dieser Vorleistungen nicht einmal in der Lage sind, in den nachgelagerten Markt für Endkunden-Zugangsdienste einzutreten.(48) In den Randnrn. 238 bis 245 des Urteils hat das Gericht die Ausführungen zu den wettbewerbswidrigen Wirkungen auf dem deutschen Markt im Einzelnen geprüft. Dies steht im Einklang mit dem Ansatz, den das Gericht in seiner Rechtsprechung entwickelt hat, die wiederum vom Gerichtshof bestätigt worden ist. Nach diesem Ansatz braucht eine tatsächliche Wirkung des beanstandeten missbräuchlichen Verhaltens nicht unbedingt belegt zu werden, und für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 102 AEUV genügt der Nachweis, dass das missbräuchliche Verhalten des Unternehmens in beherrschender Stellung seiner Tendenz nach den Wettbewerb beschränkt, mit anderen Worten, dass das Verhalten eine solche Wirkung haben kann.(49) Daraus folgt meines Erachtens eindeutig, dass die Kommission, oder im vorliegenden Fall das Konkurrensverket, nachweisen muss, dass im konkreten Kontext des betreffenden Marktes potenziell wettbewerbswidrige Wirkungen auftreten.(50) Die bloße Behauptung, dass entfernt und abstrakt wettbewerbswidrige Wirkungen eintreten können, genügt daher nicht.(51)

Frage 5: In welchem Umfang soll das Konzept der Kosten-Preis-Schere bei unterschiedlichen Graden der Marktmacht anwendbar sein?

41.      TeliaSonera macht geltend, dass eine Kosten-Preis-Schere nur dann einen Missbrauch nach Art. 102 AEUV darstelle, wenn die Marktmacht auf der vorgelagerten Ebene sehr beträchtlich sei. Mit der Kommission, dem Konkurrensverket sowie der polnischen und der finnischen Regierung stimme ich darin überein, dass es darauf ankommt, ob ein Unternehmen eine beherrschende Stellung auf dem vorgelagerten Markt einnimmt. Zugegebenermaßen ist nach der Rechtsprechung des Gerichts die Wahrscheinlichkeit, dass eine auf den Schutz der beherrschenden Stellung eines Unternehmens abzielende Praxis zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führt, umso höher, je umfassender die beherrschende Stellung dieses Unternehmens ist.(52) Meines Erachtens sollte der Grad der Marktmacht des beherrschenden Unternehmens für das Vorliegen eines Missbrauchs jedoch nicht entscheidend sein. Tatsächlich impliziert der Begriff der beherrschenden Stellung bereits sehr hohe Anforderungen, so dass eine Einstufung der Marktmacht nach ihrem Grad nicht erforderlich ist. Wie die Kommission ausgeführt hat, ist es nicht eindeutig, ob und inwieweit eine solche Einstufung nach dem Grad der Marktmacht zu einer besseren Prüfung des konkreten Falles beitragen würde. Schließlich sollte berücksichtigt werden, dass sich Art. 102 AEUV klar auf die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung bezieht; von einer „alles beherrschenden“ Stellung ist hingegen nicht die Rede.

42.      Für die Beantwortung von Frage 1 ist der Grad der Marktmacht des beherrschenden Unternehmens daher grundsätzlich nicht von Bedeutung.

Frage 6: Muss das Unternehmen sowohl auf der Vorleistungsebene als auch auf der Endkundenebene eine beherrschende Stellung innehaben?

43.      Das vorlegende Gericht verweist hier auf das Urteil Deutsche Telekom/Kommission (T‑271/03, Randnr. 235)(53), in dem das Gericht ausgeführt hat, dass die Deutsche Telekom bis zum Jahr 1998 eine Monopolstellung auf dem Endkundenmarkt hatte. Das vorlegende Gericht fügt hinzu, dass die Frage, welche Art der Marktbeherrschung vorliegen müsse, nicht zuletzt deshalb von Interesse sei, weil der Betreiber in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission auf dem gesamten relevanten Produkt- und Dienstleistungsmarkt eine beherrschende Stellung eingenommen habe. Im vorliegenden Fall wird im Ausgangsverfahren jedoch nicht geltend gemacht, dass TeliaSonera eine beherrschende Stellung auf dem Endkundenmarkt eingenommen habe.

44.      TeliaSonera ist der Ansicht, der missbräuchliche Charakter des in Rede stehenden Verhaltens setze voraus, dass das marktbeherrschende Unternehmen eine sehr starke Stellung auf dem Endkundenmarkt habe. Nach Auffassung des Konkurrensverket betrug der Marktanteil von TeliaSonera auf dem nachgelagerten Markt etwa 50 %. Demnach ist nicht auszuschließen, dass sie auch auf dem Markt eine beherrschende Stellung einnahm.

45.      Die Kommission, die finnische Regierung und Tele2 haben geltend gemacht, dem Urteil IPS(54) könne entnommen werden, dass der Nachweis nicht erforderlich sei, dass das Unternehmen, das eine Kosten-Preis-Schere anwende, auch auf dem nachgelagerten Markt eine beherrschende Stellung einnehme. Im Grunde könne das Unternehmen durch die Anwendung der Kosten-Preis-Schere das Ziel verfolgen, eine beherrschende Stellung auf diesem Markt zu erlangen.

46.      Meines Erachtens sollte die Rechtsprechung zur Hebelwirkung („leveraging“) grundsätzlich auch im Fall einer Kosten-Preis-Schere herangezogen werden. Im Urteil Tetra Pak II(55) hat der Gerichtshof im Wesentlichen entschieden, dass Art. 102 AEUV unabhängig davon Anwendung findet, ob eine unzulässige Verhaltensweise eines marktbeherrschenden Unternehmens negative Auswirkungen auf den Wettbewerb auf einem Markt hat, der sich von dem Markt unterscheidet, auf dem das betreffende Unternehmen eine beherrschende Stellung einnimmt.(56)

47.      Aus diesem Grund bin ich der Auffassung, dass die Anwendung von Art. 102 AEUV auf Fälle der Kosten-Preis-Schere nicht voraussetzt, dass sowohl auf der Vorleistungsebene als auch auf der Endkundenebene eine beherrschende Stellung vorliegt.(57)

Frage 8: Ist für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, ob es um die Belieferung eines Neukunden geht?

48.      Die Kommission, das Konkurrensverket und die finnische Regierung machen geltend, dass es im Fall einer Kosten-Preis-Schere nicht von Bedeutung sei, um welche Art von Kunden es sich handele. TeliaSonera trägt vor, dass der Gerichtshof systematisch einen bestimmten Unterschied zwischen einer Lieferungsverweigerung gegenüber einem Neukunden und einer Lieferungsverweigerung gegenüber einem vorhandenen Kunden festgestellt habe und dass diese Unterscheidung deshalb auch im Fall einer Kosten-Preis-Schere vorgenommen werden solle.

49.      Nach Art. 102 Abs. 2 Buchst. b AEUV kann der Missbrauch einer beherrschenden Stellung insbesondere in der Einschränkung der Erzeugung, des Absatzes oder der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher bestehen. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs wird deutlich, dass die Weigerung eines Unternehmens, das auf dem Markt für ein bestimmtes Erzeugnis über eine beherrschende Stellung verfügt, die Bestellungen eines früheren Kunden auszuführen, eine missbräuchliche Ausnutzung dieser beherrschenden Stellung im Sinne von Art. 102 AEUV darstellt, wenn dieses Verhalten – ohne eine sachliche Rechtfertigung – geeignet ist, den Wettbewerb von Seiten eines Geschäftspartners auszuschalten.(58) Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung eine Lieferungsverweigerung darin bestehen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen einen neuen Kunden nicht beliefert.(59)

50.      Meines Erachtens lässt sich die Annahme vertreten, dass sich die Einstellung der Lieferungen im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung eher als missbräuchlich erweist als die Weigerung, einen neuen Kunden zu beliefern. Die Kommission hat in Bezug auf Fälle der Lieferungsverweigerung darauf hingewiesen, dass, sofern das marktbeherrschende Unternehmen früher ein bestimmtes Unternehmen beliefert habe und dieses Unternehmen vertragsspezifische Investitionen für den Einsatz der – später ausbleibenden – Vorleistungen getätigt habe, dieses Unternehmen zwangsläufig Verluste erleiden werde. Ebenso sei der Umstand, dass das marktbeherrschende Unternehmen, das Eigentümer des Vorleistungsprodukts (d. h. der wesentlichen Einrichtung) sei, die Lieferung dieses Produkts bisher für vorteilhaft gehalten habe, ein Anhaltspunkt dafür, dass dieses Unternehmen durch die Lieferung der Vorleistungen eine angemessene Vergütung habe erhalten können (d. h., dass es sich um eine gewinnbringende Tätigkeit gehandelt habe); aus diesem Grund kann es für das genannte Unternehmen wiederum schwieriger sein, die Lieferungsverweigerung aus rein wirtschaftlichen Gründen zu rechtfertigen.(60)

51.      Soweit diese Frage dahin gehend verstanden werden könnte, dass sie sich auf eine Situation bezieht, in der das marktbeherrschende Unternehmen eine Kosten-Preis-Schere nur auf neue Kunden (Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt) anwendet, während es sonstige, bestehende Kunden (Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt) zu günstigeren Bedingungen beliefert, bedürfte es schließlich der Prüfung, ob das marktbeherrschende Unternehmen nicht gegen Art. 102 Abs. 2 Buchst. c verstößt.

52.      Folglich ist es – abhängig von den besonderen Umständen des konkreten Falls – für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, ob es sich um die Belieferung eines Neukunden handelt.

Frage 9: Ist es im Fall einer Kosten-Preis-Schere erforderlich, dass die Möglichkeit zum Ausgleich von Verlusten besteht?

53.      Wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache France Télécom/Kommission ausgeführt habe, bin ich der Auffassung, dass das Bestehen der Möglichkeit des Verlustausgleichs in Fällen von Verdrängungspreisen erforderlich sein sollte.(61) Verdrängungspreise beruhen auf der Annahme, dass das marktbeherrschende Unternehmen Verluste erleidet, weil die von diesem Unternehmen verlangten Preise seine Kosten nicht decken. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass das Unternehmen seine Verluste später wieder ausgleichen wird, wenn es davon profitiert, dass es eine stärkere Stellung auf dem Markt erlangt hat und die Hürden für den Markteintritt durch die Verdrängungspreise höher geworden sind. Dagegen ist die Erbringung eines solchen wirtschaftlichen Opfers im Fall einer Kosten-Preis-Schere möglicherweise nicht erforderlich, weil nicht unbedingt „Verluste“ vorhanden sind, die ausgeglichen werden müssen.(62) Im Fall einer Kosten-Preis-Schere können die Preise auf dem nachgelagerten Markt hoch sein, weil die Preise auf dem vorgelagerten Markt hoch sind. Selbst wenn die Preise auf diesen beiden Märkten hoch sind, wird die Kosten-Preis-Schere jedoch durch die Spanne zwischen den Preisen auf dem vorgelagerten Markt und den Preisen auf dem nachgelagerten Markt gekennzeichnet.

54.      Folglich hängt die Missbräuchlichkeit einer Praxis der in der Antwort auf Frage 1 beschriebenen Art nicht davon ab, dass das marktbeherrschende Unternehmen die erlittenen Verluste voraussichtlich ausgleichen kann.

Frage 10: Ist es für die Beantwortung von Frage 1 von Bedeutung, ob die Einführung einer neuen Technologie auf dem Markt hohe Investitionen erforderlich macht?

55.      Alle Verfahrensbeteiligten stimmten darin überein, dass das Gericht im Urteil France Télécom/Kommission(63) zutreffend darauf hingewiesen hat, dass es sich bei dem betreffenden Markt „[zwar] um einen in starkem Wachstum begriffenen Markt [handelte,] dies … aber die Anwendung der Wettbewerbsregeln und insbesondere von Artikel [102 AEUV] nicht ausschließen [kann]“.

56.      Das vorlegende Gericht hat darauf hingewiesen(64), dass die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung in der Sache Wanadoo eine wesentliche Anpassung bei der Durchführung der im Urteil AKZO vorgesehenen Prüfung des Vorliegens von Verdrängungspreisen in dem Sinne vorgenommen hat, dass die Analyse der Kosten erleichtert wird, die auf einem Markt entstehen, auf dem neue Technologien eingeführt werden. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Entscheidung der Kommission später sowohl vom Gericht als auch vom Gerichtshof bestätigt wurde.(65)

57.      Obwohl Märkte, die in dynamischer Entwicklung oder starkem Wachstum begriffen sind, nicht von der Anwendung des Art. 102 AEUV ausgenommen sind, sollten die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden deshalb jedoch mit besonderer Vorsicht vorgehen, wenn sie – sofern dies gerechtfertigt ist – in solche Märkte eingreifen und gegebenenfalls, wie von der Kommission mit Erfolg in der Sache Wanadoo durchgeführt, eine Anpassung ihres Standardansatzes vornehmen.

III – Ergebnis

58.      Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Stockholms Tingsrätt vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

–        Fragen 1, 3 und 7: Eine Kosten-Preis-Schere liegt vor, wenn die Differenz zwischen den Endkundenpreisen eines marktbeherrschenden Unternehmens und dem Vorleistungspreis für vergleichbare Leistungen an seine Wettbewerber entweder negativ ist oder nicht ausreicht, um die produktspezifischen Kosten des marktbeherrschenden Betreibers für die Erbringung seiner eigenen Endkundendienste auf dem nachgelagerten Markt zu decken.

Die Missbräuchlichkeit eines solchen Verhaltens ergibt sich aus der Unangemessenheit der Spanne zwischen den Vorleistungspreisen des marktbeherrschenden Unternehmens und seinen Endkundenpreisen sowie aus dem Umstand, dass die Vorleistungsprodukte des marktbeherrschenden Unternehmens unentbehrlich für den Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt sind.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Voraussetzung der Unentbehrlichkeit nicht erforderlich ist, wenn das marktbeherrschende Unternehmen einer regulatorischen, mit Unionsrecht vereinbaren Verpflichtung unterliegt, diese Vorleistungsprodukte zu liefern.

–        Frage 2: Im Fall einer Kosten-Preis-Schere sind grundsätzlich nur die Preise des marktbeherrschenden Unternehmens maßgeblich.

–        Frage 4: Die zuständige Wettbewerbsbehörde muss nachweisen, dass die Preispolitik des marktbeherrschenden Unternehmens im konkreten Kontext des betreffenden Marktes potenziell wettbewerbsbeschränkende Wirkungen hat. Die bloße Behauptung, dass entfernt und abstrakt wettbewerbsbeschränkende Wirkungen eintreten können, genügt daher nicht.

–        Frage 5: Für die Beantwortung von Frage 1 ist der Grad der Marktmacht des beherrschenden Unternehmens grundsätzlich nicht von Bedeutung.

–        Frage 6: Die Missbräuchlichkeit einer Praxis der in Frage 1 beschriebenen Art hängt nicht davon ab, dass das Unternehmen, das die Praxis anwendet, sowohl auf der Vorleistungsebene als auch auf der Endkundenebene eine beherrschende Stellung einnimmt.

–        Frage 8: Für die Beantwortung von Frage 1 ist es unter bestimmten Umständen von Bedeutung, ob es um die Belieferung eines Neukunden geht.

–        Frage 9: Die Missbräuchlichkeit einer Kosten-Preis-Schere hängt nicht davon ab, dass das marktbeherrschende Unternehmen die erlittenen Verluste voraussichtlich ausgleichen kann, da das marktbeherrschende Unternehmen aufgrund einer solchen Praxis gegebenenfalls überhaupt keine Verluste erleidet.

–        Frage 10: Art. 102 AEUV ist auf einen Fall anwendbar, in dem die Einführung einer neuen Technologie auf einem Markt hohe Investitionen erforderlich macht. Es ist jedoch zu beachten, dass die zuständige Wettbewerbsbehörde mit besonderer Vorsicht vorgehen sollte, wenn sie in einen solchen Markt eingreift, und gegebenenfalls ihren Standardansatz anpassen sollte.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Zur Definition der Kosten-Preis-Schere vgl. unten, Nr. 12.


3 – Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl. L 336, S. 4).


4 – Im Jahr 2005 erhob Tele2 in Schweden Klage gegen TeliaSonera auf Schadensersatz in Höhe von etwa 240 Millionen Euro wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Dieses Verfahren wurde bis zur Entscheidung des Ausgangsverfahrens ausgesetzt. Vgl. die Rechtssache T 10956‑05, Tele2 Sverige AB mot TeliaSonera AB.


5 – Vgl. Urteile vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission (85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 91), und vom 3. Juli 1991, AKZO/Kommission (C‑62/86, Slg. 1991, I‑3359, Randnr. 69).


6 – Urteile vom 9. November 1983, Nederlandsche Banden Industrie Michelin/Kommission („Michelin I“) (322/81, Slg. 1983, 3461, Randnr. 57), und vom 16. März 2000, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission (C‑395/96 P und C‑396/96 P, Slg. 2000, I‑1365, Randnr. 37).


7 – Urteil vom 14. November 1996, Tetra Pak/Kommission („Tetra Pak II“) (C‑333/94 P, Slg. 1996, I‑5951, Randnr. 24).


8 – Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission (oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 131).


9 – Urteil vom 14. Februar 1978, United Brands/Kommission (27/76, Slg. 1978, 207, Randnr. 189).


10 – Vgl. in diesem Sinne Urteile Hoffmann-La Roche/Kommission (oben in Fn. 5 angeführt, Randnrn. 91 und 123), Michelin I (oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 70), vom 11. Dezember 1980, L’Oréal/De Nieuwe AMCK (31/80, Slg. 1980, 3775, Randnr. 27), und AKZO/Kommission (oben in Fn. 5 angeführt, Randnrn. 69 und 70); Schlussanträge von Generalanwältin Kokott in der Rechtssache British Airways/Kommission (C‑95/04 P, Urteil vom 15. März 2007, Slg. 2007, I‑2331, Randnr. 24).


11 – Vgl. u. a. Urteil vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission (C‑202/07 P, Slg. 2009, I‑2369, Randnr. 106).


12 – Vgl. u. a. Urteile United Brands/Kommission (oben in Fn. 9 angeführt, Randnr. 184), vom 3. Oktober 1985, CBEM („Télémarketing“) (311/84, Slg. 1985, 3261, Randnr. 27), und British Airways/Kommission (C‑95/04 P, oben in Fn. 10 angeführt, Randnrn. 69 and 86).


13 – Das vorlegende Gericht zitiert in diesem Zusammenhang Geradin, D., und O’Donoghue, R., „The Concurrent Application of Competition Law and Regulation: The Case of Margin Squeeze Abuses in the Telecommunications Sector“ (2005), Journal of Competition Law and Economics 1(2), 355‑425, S. 358 ff.


14 – C‑280/08 P, beim Gerichtshof anhängig (Nrn. 44, 46 und 64), und Urteil des Gerichts vom 10. April 2008, Deutsche Telekom/Kommission (T‑271/03, Slg. 2008, II‑477, Randnrn. 166, 167 und 237). In diesem Urteil hat das Gericht die Entscheidung der Kommission gegen die Deutsche Telekom bestätigt, die einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in Form einer Kosten-Preis-Schere zum Gegenstand hat (Entscheidung 2003/707/EG der Kommission vom 21. Mai 2003 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] [Sache COMP/C‑1/37.451, 37.578, 37.579 – Deutsche Telekom AG] [ABl. L 263, S. 9]).


15 – Rechtssachen T‑271/03 und C‑280/08 P (beide oben in Fn. 14 angeführt).


16 – Vgl. das Urteil Télémarketing (oben in Fn. 12 angeführt, Randnr. 27).


17 – Urteil vom 26. November 1998, Bronner (C‑7/97, Slg. 1998, I‑7791, Randnrn. 40 bis 46), und Schlussanträge von Generalanwalt Jakob in dieser Rechtssache, Nrn. 56 bis 69.


18 – Vgl. entsprechend Urteil des Court of Appeal of England & Wales (Vereinigtes Königreich) in der Rechtssache Albion (Dwr Cymru Cyfyngedig und Albion Water Limited/Water Services Regulation Authority [2008] EWCA Civ 536), Randnrn. 36 ff., das die Urteile des Competition Appeal Tribunal (CAT) in der Rechtssache Albion Water Ltd/Water Services Regulation Authority (Dŵr Cymru/Shotton Paper) (2006) CAT 23 (vgl. Randnrn. 861 ff.) und (2006) CAT 36 bestätigte.


19 – Meines Erachtens gelten dieselben Argumente wie diejenigen, die Generalanwalt Jacobs in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bronner (Randnr. 57) dargelegt hat: „[Es bedarf] zur wettbewerbspolitischen Rechtfertigung eines Eingriffs in die Kontrahierungsfreiheit eines marktbeherrschenden Unternehmens oft eines bedachtsamen Abwägens widerstreitender Argumente. Im Allgemeinen fördert es langfristig den Wettbewerb und liegt im Interesse der Verbraucher, wenn einem Unternehmen erlaubt wird, Einrichtungen, die es für seine eigene Geschäftstätigkeit entwickelt hat, nur selbst zu verwenden. Wenn z. B. der Zugang zu einer Herstellungs-, Einkaufs- oder Vertriebseinrichtung zu leicht gemacht würde, gäbe es für einen Wettbewerber keinen Anreiz, Konkurrenzeinrichtungen zu entwickeln. Der Wettbewerb würde somit zwar kurzfristig zunehmen, langfristig jedoch abnehmen. Überdies würde für ein marktbeherrschendes Unternehmen der Anreiz, Investitionen in leistungsfähige Einrichtungen zu tätigen, gemindert werden, wenn seine Wettbewerber auf ihr Ersuchen hin in die Lage versetzt würden, an den Gewinnen teilzuhaben. Deshalb kann der bloße Umstand, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen dadurch, dass es sich die Benutzung einer Einrichtung vorbehält, einen Vorteil gegenüber einem Wettbewerber behält, die Forderungen nach Zugang zu dieser Einrichtung nicht rechtfertigen.“


20 – Entscheidung 2007/3196/EG der Kommission vom 4. Juli 2007 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (Sache COMP/38.784 – Wanadoo España/Telefónica), Randnrn. 229 ff. (zwei Klagen, die diese Entscheidung zum Gegenstand haben, sind beim Gericht anhängig: T‑336/07, Telefónica und Telefónica de España/Kommission, sowie T‑398/07, Spanien/Kommission).


21 – Vgl. Mitteilung der Kommission – Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen (2009/C 45/02), ABl. 2009, C 45, S. 7, Randnrn. 75 ff. In dieser Mitteilung wird erläutert, welche Prioritäten die Kommission bei der Anwendung von Art. 102 AEUV auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch Unternehmen in marktbeherrschender Stellung setzt. Dieses Dokument soll mehr Klarheit und Vorhersehbarkeit in Bezug auf den allgemeinen Prüfungsrahmen schaffen, anhand dessen die Kommission entscheidet, ob sie Fälle, in denen ein Behinderungsmissbrauch vorliegt, verfolgt. Zugleich soll das Dokument den Unternehmen als Hilfestellung dienen, damit diese besser einschätzen können, ob ein bestimmtes Verhalten ein Tätigwerden der Kommission nach Art. 102 AEUV auslösen könnte. Nach der Rechtsprechung kann sich die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens durch Maßnahmen wie die Leitlinien selbst binden, sofern sie Richtlinien enthalten, denen sich die von ihr zu verfolgende Politik entnehmen lässt und die nicht von Normen des Vertrags abweichen. Diese Richtlinien, durch die die Verhaltensmaßregeln festgelegt werden, nach denen die Kommission vorzugehen beabsichtigt, tragen zwar dazu bei, die Transparenz, die Vorhersehbarkeit und die Rechtssicherheit ihres Vorgehens zu gewährleisten, können aber für den Gerichtshof nicht verbindlich sein. Sie stellen jedoch einen nützlichen Bezugspunkt dar. Vgl. Urteil vom 7. März 2002, Italien/Kommission (C‑310/99, Slg. 2002, I‑2289, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).


22 – Im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung legt die Kommission das Konzept der Lieferungsverweigerung weit aus. In ihrer Entscheidung Deutsche Post führte sie aus, dass „[d]er Begriff der Verweigerung einer Lieferung/Leistungserbringung … nicht nur eine völlige Verweigerung [umfasst], sondern auch Sachlagen, in denen beherrschende Firmen die Lieferung/Erbringung von objektiv unangemessenen Bedingungen abhängig machen“. Ein solches Verhalten stellt eine „konstruktive Lieferverweigerung“ dar (Entscheidung 2001/892/EG der Kommission vom 25. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] [COMP/C‑1/36.915 – Deutsche Post AG – Aufhaltung grenzüberschreitender Postsendungen] [ABl. L 331, S. 40], Randnr. 141).


23 – Vgl. beispielsweise Bouckaert, J., und Verboven, F., Price Squeezes in a Regulatory Environment, CEPR, Discussion Paper Series: „[Im Fall einer Kosten-Preis-Schere] wird angenommen, dass das etablierte Unternehmen auf dem vorgelagerten Markt eine Monopolstellung im Hinblick auf eine wesentliche Vorleistung hat. In der Praxis ist die Macht des etablierten Unternehmens auf dem vorgelagerten Markt jedoch möglicherweise nicht so ausgeprägt. Obwohl der etablierte Betreiber in der Regel Eigentümer der Kupferleitungen ist, stehen als Substitute zum Beispiel Kabelnetze oder drahtlose Netzwerke zur Verfügung. Mit anderen Worten ist die wesentliche Einrichtung des etablierten Unternehmens nicht absolut. Die Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt können das Netzwerk des etablierten Unternehmens gegebenenfalls umgehen und in Erwägung ziehen, den Zugang von alternativen Anbietern zu erwerben oder in ein eigenes Netzwerk zu investieren.“


24 – Vgl. Renda, A., u. a., „Treatment of Exclusionary Abuses under Article 82 of the EC Treaty: Comments on the European Commission’s Guidance Paper“, Final Report of a Centre for European Policy Studies (CEPS) Task Force, 10. September 2009.


25 – Urteil Cass. Com. vom 3. März 2009 in der Rechtssache SFR und France Télécom, Nr. 08‑14.435 und 08‑14.464, das die Entscheidung Nr. 04‑D‑48 der französischen Wettbewerbsbehörde vom 14. Oktober 2004 zum Gegenstand hat. Vgl. ebenso die Entscheidung Nr. 09‑D-24 vom 28. Juli 2009 in der Sache Outremer Telecom, Mobius/France Télécom, wonach France Télécom ihre beherrschende Stellung auf den relevanten Vorleistungsmärkten (Teilnehmeranschluss, Erhebung von Internetdaten usw.) dadurch missbraucht hat, dass sie gegenüber ihren Wettbewerbern eine Kosten-Preis-Schere angewandt und diesen Dienste in minderer Qualität erbracht hat. Nach Ansicht der nationalen Wettbewerbsbehörde hatte die Kosten-Preis-Schere eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung, weil die betreffenden Vorleistungen für alternative Telekommunikationsbetreiber wie Mobius unentbehrlich waren.


26 – Vgl. in diesem Zusammenhang Urteil Bronner (oben in Fn. 17 angeführt, Randnrn. 41 ff.), wo es u. a. heißt: „auch wenn [andere Vertriebswege] … weniger günstig sein dürften“.


27 – Vgl. Urteil des Gerichts vom 30. November 2000, Industrie des poudres sphériques/Kommission („IPS“) (T‑5/97, Slg. 2000, II‑3755, Randnr. 57). In diesem Urteil hat das Gericht festgestellt, dass IPS über andere Lieferquellen als PEM verfügte. Vgl. z. B. eine im Vereinigten Königreich ergangene Entscheidung des Office of Telecommunications (Oftel), in der das Vorliegen einer Kosten-Preis-Schere verneint wurde, weil auf dem Endkundenmarkt Wettbewerb zwischen alternativen Technologien herrschte. Entscheidung in der Sache Investigation by the Director General of Telecommunications into the BT Surf Together and BT Talk & Surf Together Pricing Packages vom 4. Mai 2001. Die heute für Telekommunikation zuständige Regulierungsbehörde ist Ofcom (Office of Communications), die an die Stelle von Oftel getreten ist.


28 – Also allein aufgrund einer unzureichenden Spanne zwischen den Vorleistungs- und den Endkundenpreisen eines marktbeherrschenden Unternehmens. Wie sich jedenfalls aus meinen obigen Erwägungen ergibt, wurde ein solcher formalistischer Ansatz in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, oben in Fn. 14 angeführt) und im Urteil des Gerichts in jener Rechtssache (T‑271/03, oben in Fn. 14 angeführt) implizit abgelehnt. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass weder der Umstand, dass die Deutsche Telekom einer regulatorischen Verpflichtung zur Vorleistung unterlag, noch die Tatsache, dass die Vorleistung der Telekom unentbehrlich dafür war, dass ein Wettbewerber mit der Telekom auf dem nachgelagerten Markt in Wettbewerb treten konnte, in dem Fall streitig waren. Anders als in anderen Fällen einer Kosten-Preis-Schere, in denen ein Vorleistungsprodukt auf dem nachgelagerten Markt in ein anderes Produkt umgewandelt werden musste, ging es in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission darum, dass unabhängige Betreiber den Zugang zum Netz der Deutschen Telekom benötigten, um auf den Endkundenmärkten konkurrieren zu können. Diese Umstände deuten darauf hin, dass in dem Fall im Wesentlichen auch ein Fall der Lieferungsverweigerung vorlag.


29 – Wie ich jedoch unten in den Nrn. 31 und 32 ausführen werde, kann ein solches wettbewerbsbeeinträchtigendes Verhalten nicht von vornherein ausgeschlossen werden und kann die betreffende Preispolitik eine andere Form des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung darstellen.


30 – Beschluss vom 28. September 2006 (C‑552/03 P, Slg. 2006, I‑9091, Randnr. 137). Unilever Bestfoods (Ireland) Ltd war früher Van den Bergh Foods Ltd und davor HB Ice Cream Ltd („HB“).


31 –      Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003, Van den Bergh Foods/Kommission (T‑65/98, Slg. 2003, II‑4653, Randnr. 161).


32 – Dieses Argument wird auch in den Erläuterungen zu den Prioritäten der Kommission bei der Anwendung von Artikel [102 AEUV] angeführt, siehe oben, Nr. 17.


33 –      Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro in der Rechtssache KPN Telecom (C‑109/03, Urteil vom 25. November 2004, Slg. 2004, I‑11273, Nr. 41). Vgl. ebenso Urteile vom 8. September 2005, Mobistar und Belgacom Mobile (C‑544/03 und C‑545/03, Slg. 2005, I‑7723, Randnr. 49), und vom 20. Oktober 2005, ISIS Multimedia und Firma O2 (C‑327/03 und C‑328/03, Slg. 2005, I‑8877, Randnrn. 45 und 46, sowie Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in dieser Rechtssache, Nr. 55).


34 –      Temple Lang, J., „Defining legitimate competition: companies’ duties to supply competitors and access to essential facilities“, Fordham International Law Journal, Band 18 (1994), S. 437 bis 524, insbesondere S. 483.


35 – Vgl. z. B. Randnr. 43 des Urteils Bronner (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 43) in dem Sinne, dass auch weniger günstige Alternativen zu dem betreffenden Produkt genügen können, und Randnrn. 45 und 46, wonach das Produkt nicht schon mit dem Argument als unentbehrlich angesehen werden kann, dass die Schaffung eines alternativen Systems wegen der geringen Auflagenhöhe der zu vertreibenden Zeitungen nicht rentabel sei; vielmehr muss dargetan werden, dass es unrentabel ist, für den Vertrieb von Tageszeitungen mit einer Auflagenhöhe, die mit derjenigen der mittels des vorhandenen Systems vertriebenen Tageszeitungen vergleichbar wäre, ein zweites Hauszustellungssystem zu schaffen.


36 – Vgl. O’Donoghue, R., und Padilla, A. J., The Law and Economics of Article 82 EC, Oxford: Hart, 2006, S. 463 ff. Die Verfasser vertreten die Auffassung, dass dieses Argument von der Kommission selbst in ihrer Entscheidung vom 14. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (IV/34.801 FAG – Flughafen Frankfurt/Main AG) (ABl. L 72, S. 30) abgelehnt wurde. In der genannten Sache machte das Flughafenunternehmen geltend, dass eine Lieferungsverweigerung aufgrund seines gesetzlichen, aus historischen Gründen bestehenden Monopols für die Erbringung von Bodenabfertigungsdiensten gerechtfertigt sei. Die Kommission gelangte zu der Schlussfolgerung, dass der historische Charakter des Monopols unerheblich sei; es komme vielmehr auf das Marktverhalten des Flughafenunternehmens an. Es lässt sich die Annahme vertreten, dass die historische Ursache oder Begründung eines Monopols für die Kommission unerheblich ist, sobald die materiellen Voraussetzungen für eine Lieferungspflicht erfüllt sind.


37 – Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Bronner (oben in Fn. 17 angeführt, Randnr. 58). Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die Gerichte in der Regel eine unmittelbare Preisregelung vermeiden und geeignetere Methoden verwenden (vgl. in diesem Sinne das Urteil des Court of Appeal of England & Wales in der Rechtssache Attheraces Ltd/The British Horseracing Board Ltd [2007] EWCA Civ 38, Randnr. 119: Wie auch im Urteil Bronner ausgeführt wurde, betreffen die Rechtsvorschriften über den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Wettbewerbsverzerrungen und die Wahrung der Interessen der Verbraucher auf dem betreffenden Markt. Diese Rechtsvorschriften richten sich nicht dagegen, dass Lieferanten „übermäßige Gewinne“ erzielen, indem sie ihre Produkte an andere Hersteller zu Preisen verkaufen, durch die sie mehr als angemessene Erträge auf die Herstellungskosten erzielen – d. h. zu Preisen, die über dem Preisniveau liegen, das der Richter als „wettbewerbsfähiges Preisniveau“ bezeichnet hat. Die genannten Rechtsvorschriften können erst recht nicht von den Gerichten herangezogen werden, um Preise in der Weise zu regeln, dass sie auf Ersuchen des Erwerbers, der geltend macht, dass der einzige Lieferant einer wesentlichen Einrichtung überhöhte Preise für diese Einrichtung verlangt, den angemessenen Preis für ein Produkt festsetzen).


38 – Vgl. Urteile vom 13. November 1975, General Motors/Kommission (26/75, Slg. 1975, 1367), und United Brands/Kommission (oben in Fn. 9 angeführt).


39 – Vgl. das jüngere Urteil France Télécom/Kommission (C‑202/07 P, oben in Fn. 11 angeführt) und meine Schlussanträge in dieser Rechtssache.


40 – Vgl. Urteil vom 17. Juli 1997, GT‑Link (C‑242/95 Slg. 1997, I‑4449). Vgl. ebenso die Entscheidung 97/624/EG der Kommission vom 14. Mai 1997 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (IV/34.621, 35.059/F‑3 – Irish Sugar plc.) (ABl. L 258, S. 1), bestätigt durch das Urteil des Gerichts vom 7. Oktober 1997, Irish Sugar/Kommission (T‑228/97, Slg. 1999, II‑2969), und Beschluss vom 10. Juli 2001, Irish Sugar/Kommission (C‑497/99 P, Slg. 2001, I‑5333), sowie Entscheidung 88/518/EWG der Kommission vom 18. Juli 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (IV/30.178 Napier Brown – British Sugar) (ABl. L 284, S. 41).


41 – Im Schrifttum wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (oben in Fn. 14 angeführt) richtigerweise als ein Fall von Verdrängungspreisen hätte angesehen werden sollen, während die Rechtssache France Télécom/Kommission (oben in Fn. 11 angeführt) als ein Fall einer Kosten-Preis-Schere hätte behandelt werden müssen (in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission Letzteres nicht bestritten, jedoch darauf hingewiesen, dass sie entschieden hatte, die Sache France Télécom als Fall von Verdrängungspreisen zu behandeln, da France Télécom nicht vollständig an dem nachgelagerten Unternehmen [Wanadoo] beteiligt war). Vgl. u. a. Ferrari Bravo, L., und Siciliani, P., „Exclusionary pricing and consumers harm: the European Commission’s practice in the DSL market“, Journal of Competition Law and Economics, 3(2), 2007, S. 243 bis 279.


42 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P) und das Urteil des Gerichts in jener Rechtssache (T-271/03) mit genaueren Ausführungen zu beiden Tests (beide Rechtssachen oben in Fn. 14 angeführt).


43 – Ebd., Randnr. 49. Im Vereinigten Königreich wurde dies auch bestätigt vom Court of Appeal of England & Wales in der Rechtssache Albion (oben in Fn. 18 angeführt, Randnr. 105) und vom Competition Appeal Tribunal (CAT) in der Rechtssache Genzyme Ltd/Office of Fair Trading (2004) CAT 4. Zur Kosten-Preis-Schere allgemein vgl. auch die Rechtssache Freeserve.com/Director General of Telecommunications (2003) CAT 5.


44 – In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (C‑280/08 P, oben in Fn. 14 angeführt) habe ich in Fn. 26 anerkannt, dass es durchaus denkbar ist, dass der Reasonably-Efficient-Competitor-Test als sekundärer oder zusätzlicher Maßstab in bestimmten Fällen geeignet sein kann.


45 – Oben in Fn. 5 angeführt.


46 – Rechtssache C‑280/08 P (oben in Fn. 14 angeführt, Randnr. 64).


47 – Rechtssache T‑271/03 (oben in Fn. 14 angeführt, Randnrn. 233 bis 245).


48 – In diesem Zusammenhang wurde ausgeführt, dass ein potenzieller Wettbewerber, der ebenso effizient ist wie die Deutsche Telekom, in den Markt für Endkunden-Zugangsdienste nicht eintreten könnte, ohne dabei Verluste zu erleiden, wenn die Endkundenpreise der Deutschen Telekom niedriger sind als ihre Vorleistungsentgelte oder wenn die Spanne zwischen den Vorleistungs- und Endkundenentgelten der Deutschen Telekom nicht ausreicht, um einem ebenso effizienten Betreiber wie ihr zu ermöglichen, seine mit der Erbringung der Endkunden-Zugangsdienste verbundenen spezifischen Kosten zu decken.


49 – Urteil vom 15. März 2007, British Airways/Kommission (C‑95/04 P, oben in Fn. 10 angeführt, Randnr. 30), das sich auf die Urteile des Gerichts vom 30. September 2003, Michelin/Kommission („Michelin II“) (T‑203/01, Slg. 2003 II‑4071, Randnrn. 238 und 239), und vom 17. Dezember 2003, British Airways/Kommission (T‑219/99, Slg. 2003, II‑5917, Randnr. 293), bezieht. Vgl. ebenso die Schlussanträge von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Sot. Lélos kai Sia u. a. (C‑468/06 bis C‑478/06, Urteil vom 16. September 2008, Slg. 2008, I‑7139, Randnr. 50). Zu diesem Thema siehe auch Generalanwältin Kokott, J., Economic thinking in EU competition law, Madrid, 29. Oktober 2009.


50 – Dieser Ansatz steht mit dem Urteil Sot. Lélos kai Sia u. a. (oben in Fn. 49 angeführt) im Einklang, in dem der Gerichtshof implizit die These eines Missbrauchs an sich zurückgewiesen zu haben scheint und dann sachliche Rechtfertigungsgründe unter Berücksichtigung des konkreten Marktkontextes geprüft hat. Obwohl er das Argument zurückgewiesen hat, dass der Parallelhandel mit pharmazeutischen Produkten vor allem für Parallelhändler einträglich ist und dem Endkunden eher nicht zugutekommt, hat er jedoch ausgeführt, dass ein marktbeherrschender Hersteller berechtigt sein kann, zur Beschränkung des Parallelhandels seine Verkäufe von Arzneimitteln an Großhändler zu reduzieren, solange die natürliche Nachfrage der Endkunden in den Ausfuhrländern hinreichend gedeckt wird. Der Gerichtshof hat einen formalistischen Ansatz abgelehnt und stattdessen hervorgehoben, dass staatliche Regelungen, die zu Parallelhandel führen, bei der Beurteilung der Stichhaltigkeit der Argumente berücksichtigt werden müssen, die von einem marktbeherrschenden Unternehmen zur objektiven Rechtfertigung angeführt werden, wenn es seine Verkäufe an Ausfuhrländer einschränkt. Vgl. Wahl, N., „Recent case-law on exclusionary behaviour“, 16th St. Gallen International Competition Law Forum 2009 (2010), S. 225 bis 232. Vgl. ebenso Sache CW/00615/05/03, Vodafone/O2/Orange/T‑Mobile, Entscheidung des Ofcom, Mai 2004, und BTOpenworld’s consumer broadband products, Entscheidung des Oftel, November 2003.


51 – Vgl. Prof. Vickers, J. (damals Vorsitzender des britischen Office of Fair Trading – OFT), Abuse of Market Power, 31st EARIE conference in Berlin on 3 September 2004, S. 23, auf der Website des OFT abrufbar unter: http://www.oft.gov.uk/shared_oft/speeches/spe0304.pdf.


52 – Manche Urteile des Gerichts deuten darauf hin, dass unterschiedliche Grade der Marktmacht relevant sein können: Urteile Irish Sugar/Kommission (T‑228/97, oben in Fn. 40 angeführt, Randnr. 186), vom 8. Oktober 1996, Compagnie maritime belge u. a./Kommission (T‑24/93, T‑25/93, T‑26/93 und T‑28/93, Slg. 1996, II‑1201), und vom 17. September 2007, Microsoft/Kommission (T‑201/04, Slg. 2007, II‑3601). Vgl. ebenso die Schlussanträge von Generalanwalt Fennelly in der Rechtssache Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission (C‑395/96 P und C‑396/96 P, oben in Fn. 6 angeführt, Randnr. 137).


53 – Oben in Fn. 14 angeführt.


54 – Oben in Fn. 27 angeführt.


55 – Oben in Fn. 7 angeführt. Vgl. u. a. auch Urteil Télémarketing (oben in Fn. 12 angeführt).


56 – In demselben Urteil hat das Gericht ausgeführt, dass „die Verhaltensweisen von Tetra Pak auf den nichtaseptischen Märkten im Kontext des vorliegenden Falles unter Artikel [102 AEUV] subsumiert werden können, ohne dass das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf diesen Märkten für sich genommen festgestellt werden müsste, weil die führende Stellung des Unternehmens auf den nichtaseptischen Märkten zusammen mit den engen Verbindungen zwischen diesen Märkten und den aseptischen Märkten Tetra Pak eine Unabhängigkeit des Verhaltens gegenüber den auf den nichtaseptischen Märkten präsenten anderen Wirtschaftsteilnehmern gestatteten, die ihre besondere Verantwortung nach Artikel [102 AEUV] für die Aufrechterhaltung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf diesen Märkten rechtfertigt“ (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission [„Tetra Pak II“], T‑83/91, Slg. 1994, II‑755, Randnr. 122).


57 –      Diese Ansicht scheint im Vereinigten Königreich vom Court of Appeal of England & Wales in der Rechtssache Albion, Randnr. 88 (oben in Fn. 18 angeführt), und durch das CAT in der Rechtssache Genzyme, Randnrn. 534 und 560 (oben in Fn. 43 angeführt), bestätigt worden zu sein. Die polnische Regierung hat im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass in den Entscheidungen der Kommission Deutsche Telekom (oben in Fn. 14 angeführt), Entscheidung 76/185/EGKS vom 29. Oktober 1975, National Carbonising Company (ABl. 1976, L 35, S. 6), Napier Brown – British Sugar (oben in Fn. 40 angeführt), und Wanadoo das betreffende Unternehmen sowohl auf den vorgelagerten als auch auf den nachgelagerten Märkten eine beherrschende Stellung einnahm.


58 – Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission (6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Randnr. 25), und United Brands/Kommission (oben in Fn. 9 angeführt, Randnr. 183). Vgl. ebenso Urteil Sot. Lélos kai Sia u. a. (oben in Fn. 49 angeführt).


59 – Vgl. die Urteile Bronner (oben in Fn. 17 angeführt), vom 6. April 1995, RTE und ITP/Kommission („Magill“, C‑241/91 P und C‑242/91 P, Slg. 1995, I‑743), und vom 29. April 2004, IMS Health (C‑418/01, Slg. 2004, I‑5039). Eine allgemeine Übersicht der Rechtsprechung ist in den Schlussanträgen von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Syfait u. a. (C‑53/03, Urteil des Gerichtshofs vom 31. Mai 2005, Slg. 2005, I‑4609) enthalten.


60 – Tatsächlich werden beide Situationen (die Einstellung der Lieferung an einen bestehenden Kunden und die Weigerung, einen Neukunden zu beliefern) gegebenenfalls unterschiedlich behandelt, wenn die sachlichen Rechtfertigungsgründe für die betreffenden Verhaltensweisen geprüft werden. Faull, J., und Nikpay, A., The EC law of competition, Oxford University Press, 2007, S. 357.


61 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache France Télécom/Kommission (C‑202/07 P, oben in Fn. 11 angeführt). Vgl. jedoch das Urteil des Gerichts in dieser Rechtssache, wonach der Nachweis der Möglichkeit eines Verlustausgleichs keine zwingende Vorbedingung für die Feststellung ist, dass Verdrängungspreise praktiziert worden sind. Das Gericht hat jedoch ergänzt, dass diese Auslegung nicht ausschließe, dass die Kommission eine solche Möglichkeit des Verlustausgleichs nachweisen könne.


62 – TeliaSonera macht geltend, dass in den Fällen einer Kosten-Preis-Schere, in denen vom beherrschenden Unternehmen auszugleichende Verluste vorhanden sind, die Möglichkeit des Verlustausgleichs für die Beurteilung relevant bleiben sollte.


63 – Urteil des Gerichts vom 30. Januar 2007, France Télécom/Kommission (T‑340/03, Slg. 2007, II‑107); vgl. die Entscheidung der Kommission vom 16. Juli 2003 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (Sache COMP/38.233 – Wanadoo Interactive – Erwägungsgründe 261 und 262).


64 – Das vorlegende Gericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Verluste, die in der Anfangszeit auf einem Markt entstehen, der in dynamischer Entwicklung begriffen ist, zum normalen Marktverhalten gehören können. Vgl. Colley, L., und Burnside, S., „Margin squeeze abuse“, European Competition Journal Special Issue on Article82, Juli 2006, S. 185 bis 210.


65 – Vgl. das Urteil France Télécom/Kommission (T‑340/03, oben in Fn. 63 angeführt) und meine Schlussanträge in der Rechtssache France Télécom/Kommission (C‑202/07 P, oben in Fn. 11 angeführt).