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Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande), eingereicht am 5. Juni 2020 – Federatie Nederlandse Vakbeweging/Heiploeg Seafood International BV, Heitrans International BV

(Rechtssache C-237/20)

Verfahrenssprache: Niederländisch

Vorlegendes Gericht

Hoge Raad der Nederlanden

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: Federatie Nederlandse Vakbeweging

Beklagte: Heiploeg Seafood International BV, Heitrans International BV

Vorlagefragen

1.    Ist Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23/EG1 dahin auszulegen, dass die Voraussetzung, wonach „das Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eingeleitet wird“, erfüllt ist, wenn

(i)    der Konkurs des Veräußerers unabwendbar und der Veräußerer somit tatsächlich insolvent ist,

(ii)    das Ziel des Konkursverfahrens nach niederländischem Recht darin besteht, durch Auflösung des Vermögens des Schuldners den höchstmöglichen Erlös für die Gesamtheit der Gläubiger zu erzielen, und

(iii)    in einem sogenannten Pre-pack vor der Konkurserklärung der Übergang (eines Teils) des Unternehmens vorbereitet und erst nach der Konkurserklärung vollzogen wird, wobei

(iv)    sich der vom Gericht bestellte designierte Konkursverwalter vor der Konkurserklärung von den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger sowie von gesellschaftlichen Interessen wie beispielsweise dem Interesse an der Erhaltung von Arbeitsplätzen leiten lassen muss, was der ebenfalls vom Gericht bestellte designierte Konkursrichter zu überwachen hat,

(v)    das Ziel des Pre-pack darin besteht, im nachfolgenden Konkursverfahren eine Art der Liquidation zu ermöglichen, bei der das zum Vermögen des Veräußerers gehörende Going-concern-Unternehmen (bzw. ein Teil davon) verkauft wird, so dass der höchstmögliche Erlös für die Gesamtheit der Gläubiger erzielt wird und die Arbeitsplätze möglichst erhalten bleiben, und

(vi)    die Ausgestaltung des Verfahrens gewährleistet, dass dieses Ziel tatsächlich maßgeblich ist?

2.    Ist Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen, dass die Voraussetzung, wonach „das Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle steht“, erfüllt ist, wenn der Übergang (eines Teils) des Unternehmens in einem Pre-pack vor der Konkurserklärung vorbereitet und nach der Konkurserklärung vollzogen wird und

(i)    ihre Einhaltung vor der Konkurserklärung durch einen designierten Konkursverwalter und einen designierten Konkursrichter, die vom Gericht bestellt worden sind, aber nicht über rechtliche Befugnisse verfügen, überwacht wird,

(ii)    sich der designierte Konkursverwalter nach niederländischem Recht vor der Konkurserklärung von den Interessen der Gesamtheit der Gläubiger und von anderen gesellschaftlichen Interessen wie beispielsweise dem Interesse an der Erhaltung von Arbeitsplätzen leiten lassen muss, was der designierte Konkursrichter zu überwachen hat,

(iii)    sich die Aufgaben des designierten Konkursverwalters und des designierten Konkursrichters nicht von den Aufgaben eines Konkursverwalters und eines Konkursrichters unterscheiden,

(iv)    der Vertrag, auf dessen Grundlage das Unternehmen übergeht und der während eines Pre-pack vorbereitet worden ist, erst nach der Konkurserklärung geschlossen und durchgeführt wird,

(v)    sich das Gericht bei der Konkurserklärung veranlasst sehen kann, einen anderen als den designierten Konkursverwalter oder den designierten Konkursrichter als Konkursverwalter oder Konkursrichter zu bestellen, und

(vi)    für den Konkursverwalter und den Konkursrichter die gleichen Anforderungen der Objektivität und Unabhängigkeit gelten, die für einen Konkursverwalter und einen Konkursrichter in einem Konkursverfahren gelten, dem kein Pre-pack vorausgegangen ist, und sie ungeachtet des Ausmaßes ihrer Beteiligung vor der Konkurserklärung aufgrund ihrer rechtlichen Befugnisse verpflichtet sind, zu prüfen, ob der vor der Konkurserklärung vorbereitete Übergang (eines Teils) des Unternehmens im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger liegt und – sofern sie diese Frage verneinen – zu entscheiden, dass der Übergang nicht zustande kommen wird, während sie weiterhin befugt sind, aus anderen Gründen – beispielsweise, weil andere gesellschaftliche Interessen wie der Stellenwert der Beschäftigung dem entgegenstehen – zu entscheiden, dass der vor der Konkurserklärung vorbereitete Übergang (eines Teils) des Übernehmens nicht stattfinden wird?

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1     Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).