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Vorabentscheidungsersuchen des Areios Pagos (Griechenland), eingereicht am 4. Juli 2019 – AB/Olympiako Athlitiko Kentro Athinon – Spyros Louis

(Rechtssache C-511/19)

Verfahrenssprache: Griechisch

Vorlegendes Gericht

Areios Pagos

Parteien des Ausgangsverfahrens

Kassationsbeschwerdeführer: AB

Kassationsbeschwerdegegner: Olympiako Athlitiko Kentro Athinon – Spyros Louis

Vorlagefragen

Α)    Stellt es eine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/781 dar, wenn der Mitgliedstaat auf den Staat, lokale Gebietskörperschaften (OTA), juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie allgemein auf alle Stellen des weiteren öffentlichen Sektors (juristische Personen des Privatrechts) in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber anwendbare Rechtsvorschriften wie Art. 34 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 3 Buchst. a und Abs. 4 des Gesetzes 4024/2011 erlässt, mit der die im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigten Bediensteten der genannten Stellen allein anhand des materiellen Kriteriums der bevorstehenden Erfüllung der Voraussetzungen für den Eintritt in den Ruhestand bei voller Altersrente (35 Versicherungsjahre, die im Zeitraum zwischen dem 1.1.2012 und dem 31.12.2013 erreicht werden) für einen Zeitraum von maximal 24 Monaten in den Status der Arbeitskräftereserve versetzt werden, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass nach den damals geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften – abgesehen von anderen, hier nicht einschlägigen Fällen – für die Begründung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf volle Altersrente erforderlich war, dass der Arbeitnehmer (mindestens) 10 500 Arbeitstage (35 Jahre) bei der Sozialversicherungsanstalt (Idryma Koinonikon Asfaliseon [IKA]) oder einem anderen Hauptversicherungsträger für Arbeitnehmer versichert war und (zumindest) das 58. Lebensjahr vollendet hatte, ohne dass natürlich ausgeschlossen wäre, dass im Einzelfall die genannte Versicherungszeit (35 Jahre) in einem anderen Alter erreicht wird?

Β)    Falls die Frage A zu bejahen ist: Lässt sich die Einrichtung des Systems der Arbeitskräftereserve im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie objektiv und angemessen rechtfertigen mit der in der Gesetzesbegründung angeführten dringenden Notwendigkeit der Gewährleistung organisatorischer, funktioneller und finanzieller Ergebnisse und insbesondere der dringenden Notwendigkeit der Kürzung der staatlichen Ausgaben zur Erreichung bestimmter quantitativer Ziele bis zum Ende des Jahres 2011 – wie konkret im Mittelfristigen haushaltsstrategischen Rahmen vorgesehen –, damit das Land seine Verpflichtungen gegenüber seinen Partnern/Gläubigern zur Bekämpfung der akuten und anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise im Land einhalten und gleichzeitig der aufgeblähte öffentliche Sektor rationalisiert und eingegrenzt werden kann?

C)    Falls die Frage B zu bejahen ist:

1)    Stellt der Erlass einer Maßnahme wie Art. 34 Abs. 1 Buchst. c des Gesetzes 4024/2011, der eine drastische Kürzung der Bezüge der in den Status der Arbeitskräftereserve versetzten Bediensteten auf 60 % ihres zum Zeitpunkt der Versetzung in diesen Status bezogenen Grundgehalts vorsieht, ohne dass diese Bediensteten verpflichtet wären, in ihrer Dienststelle zu arbeiten, und (faktisch) einen Verlust ihrer etwaigen Gehalts- oder Dienstgradentwicklung im Zeitraum zwischen der Versetzung in die Arbeitskräftereserve und der Entlassung aufgrund Eintritts in den Ruhestand bei voller Altersrente bedeutet, ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung des vorgenannten Ziels im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie dar, wenn

a)    diese Bediensteten während des Verbleibs in der Arbeitskräftereserve eine andere Beschäftigung (im Privatsektor) suchen, eine freiberufliche Tätigkeit oder ein Gewerbe ausüben können, ohne ihren Anspruch auf den oben genannten Anteil ihres Grundgehalts zu verlieren, es sei denn ihre Einkünfte aus der neuen Beschäftigung oder Tätigkeit übersteigen die Bezüge, die sie vor ihrer Versetzung in den Status der Arbeitskräftereserve erhielten, in welchem Fall der oben genannte Grundgehaltsanteil entsprechend gekürzt würde (Art. 34 Abs. 1 Buchst. f),

b)    der zum öffentlichen Sektor gehörende Arbeitgeber oder – im Fall seiner Abschaffung – der Organismos Apascholisis Ergatikou Dynamikou (Anstalt für die Beschäftigung der Arbeitskräfte [OAED]) die Verpflichtung übernimmt, bis zum Eintritt des Bediensteten in den Ruhestand den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherungsbeiträge für Hauptrente, Zusatzversicherung, Sozialfürsorge und Krankenversicherung auf der Grundlage der Bezüge, die der Bedienstete vor seiner Versetzung in den Status der Arbeitskräftereserve erhielt, an den entsprechenden Sozialversicherungsträger zu zahlen (Art. 34 Abs. 1 Buchst. d),

c)    Ausnahmen von der Versetzung in den Status der Arbeitskräftereserve für schwache, schutzbedürftige Gesellschaftsgruppen vorgesehen sind (Versetzung des Ehepartners in den Status der Arbeitskräftereserve, Behinderung des Ehepartners oder eines Kindes zu mindestens 67 %, wenn sie mit dem Bediensteten zusammenleben und dieser unterhaltspflichtig ist, Behinderung des Bediensteten zu mindestens 67 %, kinderreiche Familien, Alleinerziehende, wenn die Kinder mit dem Bediensteten zusammenleben und dieser unterhaltspflichtig ist) (Art. 34 Abs. 1 Buchst. b),

d)    diese Bediensteten nach Möglichkeit vorrangig auf andere freie Arbeitsplätze bei Stellen des öffentlichen Sektors gesetzt werden, und zwar anhand objektiver und leistungsbezogener Kriterien durch Aufnahme in die Ranglisten des Anotato Symvoulio Epilogis Prosopikou (Oberster Rat für die Personalauswahl [ASEP]) (Art. 34 Abs. 1 Buchst. a), wobei es sich allerdings um eine Möglichkeit handelte, die in Anbetracht des drastischen Personalabbaus durch die verschiedenen öffentlichen Stellen aufgrund der Notwendigkeit der Ausgabenkürzung begrenzt war,

e)    dafür gesorgt wird, dass Maßnahmen getroffen werden im Zusammenhang mit Wohnimmobilienkrediten, die in die Arbeitskräftereserve aufgenommene Bedienstete vom Tameio Parakatathikon kai Daneion (Depositen- und Darlehenskasse) erhalten haben, sowie im Hinblick auf den Abschluss einer Vereinbarung zwischen dem griechischen Staat und dem griechischen Bankenverband über die Erleichterung der Rückzahlung von Darlehen, die diese Bediensteten bei anderen Banken aufgenommen haben, je nach dem jeweiligen Familiengesamteinkommen und Vermögen (Art. 34 Abs. 10 und 11),

f)    in einem jüngeren Gesetz (Art. 1 Abs. 15 des Gesetzes 4038/2012 – Amtsblatt (FEK) A΄ 14) eine absolute Priorität für den Erlass der Rentenverordnung und des Zahlungsauftrags für die unter (b) und (c) genannten Bediensteten vorgesehen wurde, und zwar jedenfalls innerhalb von vier Monaten nach ihrer Entlassung und der Einreichung der entsprechenden Unterlagen zur Anerkennung ihres Rentenanspruchs, und

g)    der oben angeführte Verlust einer etwaigen Dienstgrad- und Gehaltsentwicklung während des Zeitraums, in dem sich die im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses beschäftigten Bediensteten im Status der Arbeitskräftereserve befinden (bis zu ihrer Entlassung aufgrund des Eintritts in den Ruhestand bei voller Altersrente), in den meisten Fällen, wie auch hier, nicht eintreten wird, da der Bedienstete aufgrund seiner langen Dienstzeit bei der öffentlichen Stelle die in den einschlägigen Rechtsvorschriften für ihn vorgesehene Gehalts- und/oder Dienstgradlaufbahn bereits erschöpft hat?

2)    Stellt der Erlass einer Maßnahme wie Art. 34 Abs. 1 Buchst. e des Gesetzes 4024/2011, die einen Verlust der gesamten (oder eines entsprechenden Teils) der in Art. 8 Buchst. b des Gesetzes 3198/1955 vorgesehenen Entschädigung bei Entlassung oder bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienst aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen für den Bezug der vollen Altersrente in Höhe von 40 % der für die zusatzversicherten Arbeitnehmer vorgesehenen Entlassungsentschädigung (bei öffentlichen Stellen wie der revisionsbeklagten juristischen Person des Privatrechts, die gemeinnützigen Charakter haben oder vom Staat subventioniert werden, auf höchstens 15 000 Euro begrenzt) zur Folge hat, da diese Entschädigung mit den während des Zeitraums des Verbleibs in der Arbeitskräftereserve erhaltenen gekürzten Bezüge verrechnet wird, ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung des vorgenannten Ziels im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. i und Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie dar, wenn man berücksichtigt, dass diese Bediensteten in jedem anderen Fall gemäß den geltenden arbeitsrechtlichen Vorschriften diese verminderte Entschädigung erhalten würden, und zwar unabhängig davon, ob sie freiwillig ausscheiden oder von der sie beschäftigenden Stelle entlassen werden?

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1     Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).