Language of document : ECLI:EU:F:2015:97

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DER DRITTEN KAMMER DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION

3. September 2015(*)

„Aussetzung – Art. 42 Abs. 1 Buchst. e der Verfahrensordnung – Geordnete Rechtspflege“

In der Rechtssache F‑65/15

betreffend eine Klage nach Art. 270 AEUV,

Sigrid Dickmanns, ehemalige Bedienstete auf Zeit des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), wohnhaft in Alicante (Spanien), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Tettenborn,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), vertreten durch Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

Beklagter,

erlässt

DER PRÄSIDENT DER DRITTEN KAMMER DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST

folgenden

Beschluss

1        Mit Klageschrift, die am 23. April 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt Frau Dickmanns im Wesentlichen die Aufhebung der Entscheidung vom 4. Juni 2014, mit der der Präsident des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) ihren Vertrag als Bedienstete auf Zeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten beendete.

 Der Aussetzung zugrunde liegender Sachverhalt

2        Die Klägerin wurde im Jahr 2001 vom HABM als Bedienstete auf Zeit eingestellt, zunächst auf der Grundlage von Art. 2 Buchst. b der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union (im Folgenden: BSB), dann auf der Grundlage von Art. 2 Buchst. a dieser Beschäftigungsbedingungen.

3        Der letzte Vertrag der Klägerin als Bedienstete auf Zeit enthielt eine Auflösungsklausel, nach der ihr Vertrag „zu den in Art. 47 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der [Europäischen Union] genannten Bedingungen aufgelöst [wird], wenn [sie] nicht auf die Reserveliste des nächsten von EPSO für [ihre] Funktionsgruppe organisierten allgemeinen Auswahlverfahrens mit dem Spezialgebiet gewerbliches Eigentum aufgenommen wird“.

4        Am 31. Oktober 2013 wurde die Bekanntmachung der allgemeinen Auswahlverfahren OHIM/AD/01/13 zur Bildung einer Einstellungsreserve für die Besetzung von 40 Stellen der Funktionsgruppe Verwaltung (Besoldungsgruppe AD 6) im Bereich geistiges Eigentum und OHIM/AST/02/13 zur Bildung einer Einstellungsreserve für die Besetzung von 60 Stellen der Funktionsgruppe Assistenz (Besoldungsgruppe AST 3) im selben Bereich (ABl. C A 317, S. 1, im Folgenden: streitige Bekanntmachung der Auswahlverfahren) veröffentlicht.

5        Am 28. November 2013 teilte der Leiter der Hauptabteilung Humanressourcen des HABM der Klägerin mit, dass infolge der Veröffentlichung der streitigen Bekanntmachung der Auswahlverfahren, „die in [Art. 5 ihres] Vertrag[s als Bedienstete auf Zeit] enthaltene [Auflösungsk]lausel als ausgelöst angesehen [werde], wenn [ihr] Name nicht auf die Reserveliste der [allgemeinen] Auswahlverfahren [OHIM/AD/01/13 und OHIM/AST/02/13] gesetzt [werde]“. Parallel dazu wurden am selben Tag ähnliche Entscheidungen in Bezug auf zwei weitere Kolleginnen der Klägerin getroffen, die einen Vertrag mit der gleichen Auflösungsklausel hatten, nämlich Frau Papathanasiou und Frau Clarke (im Folgenden: Entscheidungen vom 28. November 2013).

6        Da die Klägerin nicht in die Reserveliste des Auswahlverfahrens EPSO/OHIM/AST/02/13 aufgenommen wurde, an dem sie teilgenommen hatte und das ihrer Funktionsgruppe entsprach, entschied der Präsident des HABM am 4. Juni 2014, ihren Vertrag als Bedienstete auf Zeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zu beenden (im Folgenden: Entscheidung vom 4. Juni 2014 über die Kündigung des Vertrags). Diese Entscheidung, die sich auf die gegenüber der Klägerin ergangene Entscheidung vom 28. November 2013 bezieht, enthält insbesondere folgende Begründung:

„… Ihr mit einer Auflösungsklausel versehener befristeter Vertrag als Bedienstete auf Zeit muss mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten beendet werden; die Grundlage für Ihre Einstellung ist nämlich entfallen, da das [HABM] nunmehr über eine Liste der erfolgreichen Bewerber des allgemeinen Auswahlverfahrens OHIM/AST/02/13 verfügt, die die Voraussetzungen für eine Einstellung auf die zu vergebenden unbefristeten Stellen erfüllen, und Sie leider nicht auf der Reserveliste dieses Auswahlverfahrens stehen.“

7        Mit am 6. Oktober 2014 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschriften, die als Rechtssachen F‑101/14, F‑102/14 und F‑103/14 in das Register eingetragen worden sind, haben Frau Clarke, Frau Dickmanns und Frau Papathanasiou im Übrigen im Wesentlichen beantragt, jeweils die sie betreffende Entscheidung von 28. November 2013 aufzuheben.

 Würdigung des Präsidenten

8        Gemäß Art. 42 Abs. 1 Buchst. e der Verfahrensordnung kann ein anhängiges Verfahren ausgesetzt werden, wenn eine geordnete Rechtspflege es erfordert.

9        Gemäß Art. 42 Abs. 2 der Verfahrensordnung wird die Aussetzungsentscheidung vom Präsidenten nach Anhörung der Parteien getroffen. Im Fall von Einwänden wird über die Aussetzung des Verfahrens durch mit Gründen versehenen Beschluss entschieden.

10      In der vorliegenden Rechtssache sind die Parteien mit Schreiben vom 2. Juni 2015 aufgefordert worden, zu einer eventuellen Aussetzung des Verfahrens bis zum Erlass einer verfahrensbeendenden Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen F‑101/14, Clarke/HABM, F‑102/14, Dickmanns/HABM, und F‑103/14, Papathanasiou/HABM, Stellung zu nehmen.

11      Mit Schreiben vom 9. Juni 2015 sprach sich das HABM gegen die in Erwägung gezogene Aussetzung aus, im Wesentlichen, weil es der Ansicht war, dass sich der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens grundlegend von dem der Rechtssachen F‑101/14, Clarke/HABM, F‑102/14, Dickmanns/HABM, und F‑103/14, Papathanasiou/HABM, unterscheide. Die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen vom 28. November 2013, die in den vorstehend genannten verbundenen Rechtssachen in Frage gestellt werde, nehme die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 4. Juni 2014 über die Kündigung des Vertrags nämlich nicht vorweg. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung hänge auch von der Auslegung des Art. 47 der BSB ab, die in den vorstehend genannten verbundenen Rechtssachen keine Rolle spiele.

12      Mit Schreiben vom 12. Juni 2015 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie gegen die in Erwägung gezogene Aussetzung keine Einwände habe.

13      Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass sich die Klägerin im Rahmen der Begründung ihrer Klage im Wesentlichen auf die Rechtswidrigkeit der ihr gegenüber ergangenen Entscheidung vom 28. November 2013 beruft, um ihren Antrag auf Aufhebung der Entscheidung vom 4. Juni 2015 über die Kündigung des Vertrags zu untermauern.

14      Um die Rechtswidrigkeit der ihr gegenüber ergangenen Entscheidung vom 28. November 2013 darzutun, macht die Klägerin somit geltend, dass die Auswahlverfahren, auf die sich die streitige Bekanntmachung der Auswahlverfahren beziehe, nicht unter die Auflösungsklausel fielen und dass die Auslösung der Auflösungsklausel durch diese Entscheidung vom 28. November 2013 den Grundsatz des Vertrauensschutzes, die Fürsorgepflicht und den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze. Die Klägerin rügt ferner einen offensichtlichen Beurteilungsfehler, einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 der BSB, einen Verstoß gegen den Beschluss K(2004) 1597/6 der Kommission vom 28. April 2004 über die Höchstdauer der Beschäftigung nicht ständiger Bediensteter in Dienststellen der Kommission (veröffentlicht in der Verwaltungsmitteilungen Nr. 75-2004 vom 24. Juni 2004) in der geänderten Fassung vom 1. Januar 2014 und schließlich einen Verstoß gegen die Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB UNICE CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. L 175, S. 43).

15      Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sich die unter dem Aktenzeichen F‑102/14 in das Register eingetragene Klage, wie in Rn. 7 der vorliegenden Beschlusses ausgeführt, direkt gegen die gegenüber der Klägerin ergangenen Entscheidung vom 28. November 2013 richtet. Um die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung zu bestreiten, beruft sich die Klägerin im Wesentlichen auf einen Rechtsfehler, den das HABM dadurch begangen habe, dass es der Ansicht gewesen sei, dass ihre Nichtaufnahme in die Reservelisten der Auswahlverfahren, auf die sich die streitige Bekanntmachung der Auswahlverfahren beziehe, die Beendigung ihres Vertrags nach sich ziehen müsse; sie beruft sich ferner auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht, des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Gleichheitsgrundsatzes sowie auf einen Ermessensfehlgebrauch, einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 der BSB und, zuletzt, einen Verstoß gegen den Beschluss K(2004) 1597/6.

16      Schließlich ist festzustellen, dass das HABM, wie sich aus Rn. 6 des vorliegenden Beschlusses ergibt, die Entscheidung vom 4. Juni 2014 über die Kündigung des Vertrags unter Berücksichtigung der Entscheidung vom 28. November 2013 erlassen hat, die gegenüber der Klägerin erging, nachdem festgestellt worden war, dass sie nicht in die Reservelisten der Auswahlverfahren aufgenommen worden sei, auf die sich diese Entscheidung beziehe.

17      Daher ist trotz des Umstands, dass sich der Gegenstand der vorliegenden Klage, die sich auf die Entscheidung vom 4. Juni 2014 über die Kündigung des Vertrags bezieht, tatsächlich von dem der verbundenen Rechtssachen F‑101/14, Clarke/HABM, F‑102/14, Dickmanns/HABM, und F‑103/14, Papathanasiou/HABM, die die Entscheidungen vom 28. November 2013 betreffen, unterscheidet, festzustellen, dass diese Klagegegenstände eng miteinander verbunden sind, da die Frage der Rechtmäßigkeit der Entscheidung vom 4. Juni 2014 über die Kündigung des Vertrags eng mit der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der gegenüber der Klägerin ergangenen Entscheidung vom 28. November 2013 verknüpft ist. Im Übrigen überschneiden sich die zur Stützung der vorliegenden Klage und die in den vorstehend genannten verbundenen Rechtssachen vorgebrachten Gründe sehr weitgehend, so dass in diesen verbundenen Rechtssachen und in der vorliegenden Rechtssache vor dem Hintergrund eines ähnlichen Sachverhalts über dieselben Rechtsfragen zu entscheiden ist.

18      Das Verfahren in der vorliegenden Rechtssache ist daher nach Art. 42 Abs. 1 Buchst. e der Verfahrensordnung bis zum Erlass einer verfahrensbeendenden Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen F‑101/14, Clarke/HABM, F‑102/14, Dickmanns/HABM, und F‑103/14, Papathanasiou/HABM, auszusetzen.

Aus diesen Gründen hat

DER PRÄSIDENT DER DRITTEN KAMMER DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST

beschlossen:

1.      Das Verfahren in der Rechtssache F‑65/15, Dickmanns/HABM, wird bis zum Erlass der verfahrensbeendenden Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen F‑101/14, Clarke/HABM, F‑102/14, Dickmanns/HABM, und F‑103/14, Papathanasiou/HABM, ausgesetzt.

2.      Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 3. September 2015

Die Kanzlerin

 

      Der Präsident

W. Hakenberg

 

      S. Van Raepenbusch


* Verfahrenssprache: Deutsch.