Language of document : ECLI:EU:C:2017:364

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 11. Mai 2017(1)

Rechtssache C434/15

Asociación Profesional Elite Taxi

gegen

Uber Systems Spain SL

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Barcelona [Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona, Spanien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Personenbeförderung – Benutzung von Software-Tools und einer Smartphone-Applikation – Unlauterer Wettbewerb – Genehmigungspflicht”






 Einleitung

1.        Wenn die Entwicklung neuer Technologien im Allgemeinen die Ursache von Kontroversen ist, scheint Uber doch ein Sonderfall zu sein. Ihr Geschäftsmodell stößt auf Kritik und wirft Fragen auf, weckt aber auch Hoffnungen und neue Erwartungen. So hat die Betriebsform von Uber, um nur die rechtliche Thematik anzusprechen, Fragen insbesondere im Zusammenhang mit dem Wettbewerbsrecht, dem Verbraucherschutz und dem Arbeitsrecht aufgeworfen. Im wirtschaftlichen und sozialen Bereich hat sich sogar der Begriff der „Uberisation“ herausgebildet. Das vorliegende Ersuchen um Vorabentscheidung konfrontiert den Gerichtshof also mit einer politisch brisanten und in den Medien sehr präsenten Problematik.

2.        Der Gegenstand dieser Rechtssache ist jedoch viel überschaubarer. Durch die von uns vorzunehmende Auslegung soll nur die unionsrechtliche Relevanz von Uber ermittelt werden, damit festgestellt werden kann, ob und inwieweit die Betriebsform von Uber unter das Unionsrecht fällt. Es geht also hauptsächlich darum, herauszufinden, ob eine etwaige Reglementierung der Modalitäten des Betriebs von Uber den Anforderungen des Unionsrechts, in erster Linie der Dienstleistungsfreiheit, unterliegt oder in die geteilte Zuständigkeit der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Personennahverkehrs fällt, von der auf Unionsebene noch kein Gebrauch gemacht wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3.        Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG(2) bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten: …

2.      ‚Dienst‘: eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d. h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung.

Im Sinne dieser Definition bezeichnet der Ausdruck

–      ‚im Fernabsatz erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die ohne gleichzeitige physische Anwesenheit der Vertragsparteien erbracht wird;

–      ‚elektronisch erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung (einschließlich digitaler Kompression) und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und die vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischen Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird;

–      ‚auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung‘ eine Dienstleistung, die durch die Übertragung von Daten auf individuelle Anforderung erbracht wird.

Eine Beispielliste der nicht unter diese Definition fallenden Dienste findet sich in Anhang V.

…“

4.        In Art. 2 Buchst. a und h der Richtlinie 2000/31/EG(3) heißt es:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚Dienste der Informationsgesellschaft‘: Dienste im Sinne von Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie 98/34/EG in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG;

h)      ‚koordinierter Bereich‘ die für die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft und die Dienste der Informationsgesellschaft in den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten festgelegten Anforderungen, ungeachtet der Frage, ob sie allgemeiner Art oder speziell für sie bestimmt sind.

i)      Der koordinierte Bereich betrifft vom Diensteanbieter zu erfüllende Anforderungen in Bezug auf

–        die Aufnahme der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend Qualifikationen, Genehmigung oder Anmeldung;

–        die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft, beispielsweise Anforderungen betreffend das Verhalten des Diensteanbieters, Anforderungen betreffend Qualität oder Inhalt des Dienstes, einschließlich der auf Werbung und Verträge anwendbaren Anforderungen, sowie Anforderungen betreffend die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters.

ii)      Der koordinierte Bereich umfasst keine Anforderungen wie

–        Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden.“

5.        Art. 3 Abs. 1, 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 sieht vor:

„(1)      Jeder Mitgliedstaat trägt dafür Sorge, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Diensteanbieter erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen.

(2)      Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen.

(4)      Die Mitgliedstaaten können Maßnahmen ergreifen, die im Hinblick auf einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft von Absatz 2 abweichen, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:

a)      Die Maßnahmen

i)      sind aus einem der folgenden Gründe erforderlich:

–        Schutz der öffentlichen Ordnung, insbesondere Verhütung, Ermittlung, Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, einschließlich des Jugendschutzes und der Bekämpfung der Hetze aus Gründen der Rasse, des Geschlechts, des Glaubens oder der Nationalität, sowie von Verletzungen der Menschenwürde einzelner Personen,

–        Schutz der öffentlichen Gesundheit,

–        Schutz der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Wahrung nationaler Sicherheits- und Verteidigungsinteressen,

–        Schutz der Verbraucher, einschließlich des Schutzes von Anlegern;

ii)      betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft, der die unter Ziffer i) genannten Schutzziele beeinträchtigt oder eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung dieser Ziele darstellt;

iii)      stehen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Schutzzielen.

b)      Der Mitgliedstaat hat vor Ergreifen der betreffenden Maßnahmen unbeschadet etwaiger Gerichtsverfahren, einschließlich Vorverfahren und Schritten im Rahmen einer strafrechtlichen Ermittlung,

–        den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, und dieser hat dem nicht Folge geleistet oder die von ihm getroffenen Maßnahmen sind unzulänglich;

–        die Kommission und den in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat über seine Absicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, unterrichtet.

…“

6.        Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG(4) bestimmt:

„Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

d)      Verkehrsdienstleistungen einschließlich Hafendienste, die in den Anwendungsbereich von Titel V des Vertrags fallen;

…“

7.        Art. 3 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie lautet:

„Widersprechen Bestimmungen dieser Richtlinie einer Bestimmung eines anderen Gemeinschaftsrechtsaktes, der spezifische Aspekte der Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen oder bestimmten Berufen regelt, so hat die Bestimmung des anderen Gemeinschaftsrechtsaktes Vorrang und findet auf die betreffenden Bereiche oder Berufe Anwendung. …“

 Spanisches Recht

8.        Es herrschen einige Unstimmigkeiten in Bezug auf die Beschreibung des einschlägigen nationalen Rechts durch das vorlegende Gericht, die Parteien des Ausgangsverfahrens und die spanische Regierung. Ich werde im Folgenden die wesentlichen Merkmale dieses Rechts schildern, wie sie sowohl aus der Vorlageentscheidung als auch aus den Erklärungen hervorgehen, die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eingereicht wurden.

9.        Was erstens die innerstaatliche Regelung des Verkehrs anbelangt, so sind gemäß Art. 99 Abs. 1 der Ley 16/1987 de Ordenación de los Transportes Terrestres (Gesetz 16/1987 über die Organisation des Landverkehrs) vom 30. Juli 1987 sowohl die Durchführung der öffentlichen Personenbeförderung als auch die in der Vermittlung entsprechender Beförderungsverträge bestehende Tätigkeit genehmigungspflichtig. Die Beklagte des Ausgangsverfahrens macht allerdings geltend, durch die Ley 9/2013 por la que se modifica la Ley 16/1987 y la Ley 21/2003, de 7 de julio, de Seguridad Aérea (Gesetz 9/2013 zur Änderung des Gesetzes 6/1987 und des Gesetzes 21/2003 vom 7. Juli 2003 über die Flugsicherheit) vom 4. Juli 2013 sei das Erfordernis einer speziellen Genehmigung für die in der Vermittlung der Personenbeförderung bestehenden Dienstleistungen aufgehoben worden. Es sei allerdings nicht sicher, dass diese Reform in allen Regionen Spaniens durchgesetzt worden sei.

10.      Auf regionaler und lokaler Ebene wird die nationale Gesetzgebung in Bezug auf die Taxidienste durch verschiedene Regelungen der autonomen Gemeinschaft Katalonien sowie des Großraums Barcelona ergänzt; dazu zählt der Reglamento Metropolitano del Taxi (Taxi-Verordnung des Großraums Barcelona), den der Consell Metropolitá de l’Entitat Metropolitana de Transport de Barcelona (Verwaltungsrat des Verkehrsverbunds von Barcelona) am 22. Juli 2004 erlassen hat und der vorschreibt, dass Plattformen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende über die erforderlichen Betriebslizenzen und ‑genehmigungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit verfügen müssen.

11.      Schließlich werden in der Ley 3/1991 de Competencia Desleal (Gesetz 3/1991 über den unlauteren Wettbewerb) vom 10. Januar 1991 ein gegen die Regeln von Treu und Glauben verstoßendes berufsständisches Verhalten (Art. 4), irreführende Geschäftspraktiken (Art. 5) und die einen Wettbewerbsvorteil auf dem Markt verschaffende Verletzung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen (Art. 15) als unlauterer Wettbewerb definiert.

 Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

 Die Uber-Applikation

12.      Uber ist der Name einer elektronischen Plattform(5), die von der Uber Technologies Inc., einer Gesellschaft mit Sitz in San Francisco (Vereinigte Staaten), entwickelt wurde. In der Europäischen Union wird die Uber-Plattform von der Uber BV, einer Gesellschaft niederländischen Rechts und einem Tochterunternehmen von Uber Technologies, betrieben.

13.      Über diese Plattform kann durch den Einsatz eines mit der Uber-Applikation (im Folgenden: App) versehenen Smartphones in den Städten, in denen Uber präsent ist, eine Dienstleistung des Personennahverkehrs bestellt werden. Die App erkennt den Standort des Nutzers und findet ortsnah verfügbare Autofahrer. Nimmt ein Fahrer die Fahrt an, teilt die App dies dem Nutzer mit, wobei das Profil des Fahrers und der geschätzte Preis für die Fahrt zu dem vom Nutzer genannten Ziel angegeben werden. Am Ende der Fahrt wird der Fahrpreis automatisch von der Kreditkarte abgebucht, deren Daten der Nutzer bei seiner Anmeldung zu der App angeben muss. Die App enthält auch eine Bewertungsfunktion: Die Fahrer können von den Fahrgästen wie auch die Fahrgäste von den Fahrern bewertet werden. Durchschnittsnoten unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts können zum Ausschluss von der Plattform führen.

14.      Die von der Uber-Plattform angebotenen Beförderungsleistungen sind je nach beruflicher Qualität der Fahrer und Fahrzeugtyp in verschiedene Kategorien eingeteilt. Nach den Angaben der Beklagten des Ausgangsverfahrens geht es in dem Ausgangsrechtsstreit um den Dienst namens UberPop, bei dem Privatleute, die keine Berufskraftfahrer sind, in ihren eigenen Autos die Fahrgäste befördern.

15.      Die Preiskalkulation erfolgt durch den Betreiber der Plattform unter Berücksichtigung von Streckenlänge und Fahrtdauer. Sie kann je nach dem Umfang der Nachfrage zu bestimmten Zeitpunkten variieren, so dass der Fahrpreis zu Spitzenzeiten den Basistarif um ein Mehrfaches übersteigen kann. Der Fahrpreis wird durch die App berechnet und vom Betreiber der Plattform automatisch abgebucht, der einen Teilbetrag, normalerweise zwischen 20 % und 25 %, als Provision einbehält und den Restbetrag an den Fahrer abführt.

 Der Ausgangsrechtsstreit

16.      Die Asociación Profesional Elite Taxi (im Folgenden: Elite Taxi) ist eine berufsständische Vereinigung der Taxifahrer der Stadt Barcelona (Spanien). Am 29. Oktober 2014, erhob Elite Taxi vor dem Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona, Spanien) Klage gegen Uber Systems Spain SL (im Folgenden: Uber Spain), eine Gesellschaft spanischen Rechts, mit der sie u. a. beantragte, festzustellen, dass die Tätigkeit von Uber Spain wegen Verstoßes gegen geltendes Recht und wegen Täuschung als unlauteres Handeln im Wettbewerb anzusehen sei, und Uber Spain aufzugeben, ihr unlauteres Verhalten zu unterlassen, das darin bestehe, andere Gesellschaften der Unternehmensgruppe darin zu unterstützen, „On-demand“-Dienste bei mittels mobiler Geräte und über das Internet gestellten Buchungsanfragen anzubieten, soweit dies unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit der Nutzung der digitalen Uber-Plattform in Spanien erfolge, sowie künftige Wiederholungen dieses Verhaltens zu untersagen. Nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts verfügen nämlich weder Uber Spain noch die Halter der fraglichen Kraftfahrzeuge noch deren Fahrer über die in der Taxi-Verordnung des Großraums Barcelona vorgeschriebenen Lizenzen und Genehmigungen.

17.      Uber Spain bestreitet, die Rechtsvorschriften über das Verkehrswesen in irgendeiner Weise verletzt zu haben. Auf dem Gebiet der Union, einschließlich Spaniens, werde die Uber-App nämlich von der niederländischen Gesellschaft Uber BV betrieben, weshalb sich die Klägerin mit ihren Beanstandungen an diese Gesellschaft wenden müsse. Uber Spain nehme nur die Öffentlichkeitsarbeit für die Uber BV wahr. Uber Spain hat dieses Vorbringen in ihren Erklärungen in der vorliegenden Rechtssache wiederholt.

18.      Da es sich hierbei um einen Tatumstand handelt, ist es Sache des vorlegenden Gerichts festzustellen, an welche dieser beiden Gesellschaften eine etwaige gerichtliche Verfügung zu richten wäre. Ich gehe aber davon aus, dass die Uber-App innerhalb der Union von der Gesellschaft Uber BV betrieben wird(6). Auf diese Prämisse, die unionsrechtlich nicht folgenlos ist, werde ich meine Prüfung stützen. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich mit dem Begriff „Uber“ die elektronische Buchungsplattform sowie deren Betreiber bezeichnen.

19.      Zum Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits möchte ich noch bemerken, dass es hier nicht darum geht, die Uber-App auf den Smartphones zu blockieren oder in sonstiger Weise unbrauchbar zu machen. Es liegt kein Antrag auf eine entsprechende Verfügung oder sonstige Maßnahme vor. Im Ausgangsrechtsstreit geht es nur darum, ob Uber befugt ist, in der Stadt Barcelona die Dienstleistung UberPop mit Hilfe dieser App zu erbringen.

 Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

20.      Der Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona) ist der Ansicht, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits erfordere die Auslegung mehrerer Vorschriften des Unionsrechts. Er hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Da Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 Verkehrsdienstleistungen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnimmt: Ist die von der Beklagten gewerbsmäßig ausgeübte Tätigkeit der Vermittlung zwischen dem Halter eines Fahrzeugs und einer Person, die eine Fahrt im innerstädtischen Bereich benötigt, durch das Betreiben der elektronischen Mittel – Schnittstelle und Software-Anwendung (mit den Worten der Beklagten: „Smartphones und technologische Plattform“) –, die ihre Verbindung miteinander ermöglichen, als eine reine Verkehrsdienstleistung anzusehen, oder ist sie als ein elektronischer Vermittlungsdienst anzusehen oder als eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34?

2.      Kann diese Tätigkeit im Hinblick auf die Bestimmung ihrer Rechtsnatur teilweise als Dienstleistung der Informationsgesellschaft angesehen werden und, bejahendenfalls, gilt für den elektronischen Vermittlungsdienst der nach den unionsrechtlichen Vorschriften – Art. 56 AEUV sowie Richtlinien 2006/123 und 2000/31 – gewährleistete Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs?

3.      Sollte die von Uber Spain erbrachte Dienstleistung keine Verkehrsdienstleistung sein und daher in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 fallen: Verstößt Art. 15 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb – betreffend die Verletzung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften – gegen die Richtlinie 2006/123, insbesondere gegen Art. 9 über die Niederlassungsfreiheit und Genehmigungsregelungen, soweit darin auf nationale Gesetze oder Rechtsvorschriften Bezug genommen wird, ohne zu berücksichtigen, dass die Lizenz-, Genehmigungs- oder Erlaubnisregelungen nicht restriktiv oder unverhältnismäßig sein dürfen, also den Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nicht in unangemessener Weise beeinträchtigen dürfen?

4.      Sollte die Richtlinie 2000/31 auf die von Uber Spain erbrachte Dienstleistung anwendbar sein: Sind die von einem Mitgliedstaat vorgenommenen Beschränkungen des freien Verkehrs von elektronischen Vermittlungsdienstleistungen aus einem anderen Mitgliedstaat in Form eines Genehmigungs- oder Erlaubnisvorbehalts oder in Form einer auf nationale Rechtsvorschriften über den unlauteren Wettbewerb gestützten gerichtlichen Unterlassungsverfügung gegen die Erbringung des elektronischen Vermittlungsdienstes als zulässige Maßnahmen anzusehen, die gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 von deren Art. 3 Abs. 2 abweichen?

21.      Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 7. August 2015 beim Gerichtshof eingegangen. Die Parteien des Ausgangsverfahrens, die spanische, die finnische, die französische, die griechische, die irische, die niederländische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission und die Überwachungsbehörde der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Dieselben Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der griechischen Regierung sowie die estnische Regierung haben an der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2016 teilgenommen.

 Würdigung

22.      Das vorlegende Gericht stellt vier Vorabentscheidungsfragen. Die ersten beiden zielen auf die Beurteilung der Tätigkeit von Uber nach den Richtlinien 2000/31 und 2006/123 sowie nach dem AEU-Vertrag ab, während die beiden anderen die aus dieser Beurteilung gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen betreffen.

 Zur Beurteilung der Tätigkeit von Uber

23.      Mit seinen ersten beiden Vorabentscheidungsfragen möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, ob die Tätigkeit von Uber unter die Richtlinien 2000/31 und 2006/123 sowie die Vorschriften des AEU-Vertrags über die Dienstleistungsfreiheit fällt.

24.      Um diese Fragen beantworten zu können, haben wir diese Tätigkeit erstens im Hinblick auf das Regelwerk der Richtlinie 2000/31 und die Begriffsbestimmung der „Dienste der Informationsgesellschaft“ in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34, auf die Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 verweist, zu prüfen.

25.      Zweitens ist zu ermitteln, ob diese Tätigkeit eine Dienstleistung auf dem Gebiet des Verkehrs bzw. eine Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 darstellt. Die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs findet nämlich im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik statt(7), weshalb die entsprechenden Dienste nach dieser Richtlinienbestimmung vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 ausgeschlossen sind.

 Die Tätigkeit von Uber unter dem Blickwinkel der Richtlinie 2000/31

26.      Bei der Erörterung der Frage, ob die Tätigkeit von Uber in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/31 fällt, ist die Definition der Dienste der Informationsgesellschaft gemäß Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie heranzuziehen. Diese Definition verweist auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34.

27.      Nach der letztgenannten Vorschrift ist eine Dienstleistung der Informationsgesellschaft jede gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Die Kriterien der Entgeltlichkeit des Dienstes und der Leistung auf individuellen Abruf dürften unproblematisch sein. Anders verhält es sich jedoch mit der elektronischen Leistung im Fernabsatz.

28.      Wie ich in dem Abschnitt zum Sachverhalt des Ausgangsverfahrens kurz erwähnt habe, macht Uber es im Wesentlichen möglich, mit Hilfe einer Smartphone-App einen Fahrer ausfindig zu machen und diesen mit dem potenziellen Fahrgast zwecks Durchführung einer Beförderung im Personennahverkehr auf Abruf in Verbindung zu bringen. Wir haben es also mit einem gemischten Dienst zu tun: ein Teil dieses Dienstes wird auf elektronischem Weg erbracht, während dies beim anderen Teil definitionsgemäß nicht der Fall ist. Es gilt festzulegen, ob ein solcher Dienst von der Richtlinie 2000/31 erfasst wird.

–        Die gemischten Dienste nach Maßgabe der Richtlinie 2000/31

29.      Ziel der Richtlinie 2000/31 ist es sicherzustellen, dass die Dienste der Informationsgesellschaft frei erbracht werden können. Diese Dienste werden in Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie durch Verweisung auf Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 definiert. Nach der letztgenannten Bestimmung wird ein solcher Dienst u. a. „vollständig über Draht, über Funk, auf optischem oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen“(8).

30.      Selbstverständlich enthalten manche Leistungen Komponenten, die nicht elektronisch übermittelt werden, da sie nicht digitalisiert werden können. Der Online-Verkauf von Sachgütern ist hierfür ein gutes Beispiel, da er dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/31 zufolge notwendigerweise zu den Diensten der Informationsgesellschaft gehört. Im Übrigen stellt die Richtlinie 2000/31 klar, dass der koordinierte Bereich – d. h. alle für einen Dienst der Informationsgesellschaft geltenden Rechtsvorschriften, aufgrund deren die Mitgliedstaaten die Tätigkeit von Leistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht einschränken dürfen – keine Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Weg erbracht werden, umfasst(9). Die Mitgliedstaaten dürfen somit innerhalb der eventuell durch andere unionsrechtliche Bestimmungen gezogenen Grenzen die Handlungsfreiheit der Leistungserbringer durch Regelungen betreffend Dienste beschränken, die nicht auf elektronischem Weg erbracht werden(10).

31.      Damit das mit der Richtlinie 2000/31 verfolgte Ziel einer Liberalisierung der Dienste der Informationsgesellschaft erreicht werden kann, muss die auf die rein elektronische Komponente beschränkte Liberalisierung sich jedoch effektiv auf die Möglichkeit auswirken, die betreffende Tätigkeit auszuüben. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber auf die Dienste konzentriert, die in der Regel vollständig auf elektronischem Weg übermittelt werden, während die gegebenenfalls auf andere Weise erbrachten Leistungen nur einen unwesentlichen Teil dieser Dienste ausmachen. Es wäre in der Tat nutzlos, sich auf die Liberalisierung einer untergeordneten Komponente einer komplexen Dienstleistung zu beschränken, wenn diese Dienstleistung wegen einer dem Geltungsbereich der Richtlinie 2000/31 entzogenen Regelung nicht frei bewerkstelligt werden könnte. Eine solche bloß scheinbare Liberalisierung würde nicht nur ihr Ziel verfehlen, sondern hätte sogar fatale Folgen, da sie zu einer Rechtsunsicherheit führen und das Vertrauen in den Gesetzgeber der Union untergraben würde.

32.      Aus diesem Grund wäre eine Auslegung des Begriffs „Dienste der Informationsgesellschaft“, die in diesen Begriff Online-Aktivitäten ohne eigenständigen wirtschaftlichen Wert einbezöge, wirkungslos hinsichtlich der Erreichung des mit der Richtlinie 2000/31 verfolgten Ziels.

33.      Bei gemischten Diensten, d. h. solchen mit elektronischen und nicht elektronischen Komponenten, kann insbesondere dann angenommen werden, dass ein Dienst vollständig auf elektronischem Weg übermittelt wurde, wenn die nicht elektronisch erbrachte Leistung von dem elektronisch erbrachten Dienst wirtschaftlich unabhängig ist.

34.      Dies ist vor allem bei einem Dienstleister der Fall, der als Vermittler die Geschäftsbeziehungen zwischen einem Nutzer und einem unabhängigen Dienstleistungserbringer (oder Verkäufer) fördert. Beispiele hierfür sind die Plattformen für den Kauf von Flugtickets oder die Buchung von Hotelzimmern. In einem solchen Fall hat die Leistung des Vermittlers einen echten Mehrwert sowohl für den Nutzer als auch für den betroffenen Unternehmer; sie bleibt aber wirtschaftlich unabhängig, da der Unternehmer seine Tätigkeit eigenständig ausübt.

35.      Bietet hingegen der Anbieter des elektronisch erbrachten Dienstes auch den nicht elektronisch erbrachten Dienst an oder übt er einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen aus, unter denen Letzterer erbracht wird, so dass beide Dienste eine untrennbare Einheit bilden, muss meines Erachtens das zentrale Element der in Aussicht genommenen Leistung ermittelt werden, das dieser ihren wirtschaftlichen Sinn gibt. Nur wenn dieses zentrale Element auf elektronischem Weg vollzogen wird, kann die betreffende Leistung als Dienst der Informationsgesellschaft qualifiziert werden.

36.      Dies ist z. B. beim Online-Verkauf von Waren der Fall. Hierbei werden die wesentlichen Bestandteile des Geschäfts – die Abgabe des Angebots und dessen Annahme durch den Käufer, der Abschluss des Vertrags und zumeist auch die Bezahlung – auf elektronischem Weg ausgeführt und fallen unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“. Dies hat der Gerichtshof im Urteil Ker-Optika(11) festgestellt. Die Lieferung der gekauften Ware dient nur der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung, weshalb die diese Lieferung betreffende Regelung grundsätzlich die Erbringung der zentralen Dienstleistung nicht beeinträchtigen darf.

37.      Jedoch sollte die Richtlinie 2000/31 nach meinem Dafürhalten nicht dahin ausgelegt werden, dass jede wirtschaftlich nicht unabhängige Online-Aktivität im Zusammenhang mit Geschäftsvorgängen, sei sie auch nur nebensächlicher, untergeordneter oder vorbereitender Natur, als solche einen Dienst der Informationsgesellschaft darstellt.

38.      Ich werde nun unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen die Tätigkeit von Uber prüfen.

–        Die Tätigkeit von Uber

39.      Das Ergebnis dieser Prüfung wird weitgehend davon abhängen, ob die Tätigkeit von Uber als einheitliches Ganzes anzusehen ist, das nicht nur aus der Herstellung eines Kontakts zwischen Fahrgästen und Fahrern mittels elektronischer Plattform, sondern auch aus der eigentlichen Beförderungsleistung besteht, oder ob in diesen beiden Leistungen zwei getrennte Dienste zu sehen sind. Mit dieser Problematik werde ich beginnen.

40.      Bei der Subsumtion einer Tätigkeit unter die einschlägigen Rechtsvorschriften bedarf es bestimmter Tatsachenannahmen. Da die vom vorlegenden Gericht mitgeteilten Fakten unvollständig sind und der fragliche Dienst in Spanien aufgrund gerichtlicher Verfügungen vorläufig eingestellt wurde, werde ich meine Prüfung auf die verfügbaren Informationen über die Betriebsformen von Uber in anderen Ländern stützen(12). Diese Betriebsformen sind einander im Großen und Ganzen gleich. Auf jeden Fall wird das vorlegende Gericht insoweit die endgültigen Tatsachenbewertungen vorzunehmen haben.

41.      Was ist Uber? Handelt es sich um ein Verkehrsunternehmen, ein Taxiunternehmen, um es offen auszusprechen? Oder ist Uber nur eine elektronische Plattform, die es möglich macht, einen von einem Dritten erbrachten Beförderungsdienst zu finden, zu buchen und zu bezahlen?

42.      Üblicherweise wird Uber als Unternehmen (oder Plattform) der sogenannten „partizipativen“ Wirtschaft zugerechnet. Es erscheint mir nutzlos, hier die genaue Bedeutung dieses Begriffs zu erörtern(13). Für unsere Zwecke ist jedenfalls von Bedeutung, dass Uber gewiss nicht als eine Plattform für Fahrgemeinschaften(14) angesehen werden kann. Im Rahmen der Uber-Plattform bietet der Fahrer nämlich dem Fahrgast eine Beförderung zu einem Zielort an, den der Fahrgast bestimmt, und erhält deshalb eine Bezahlung, die die bloße Erstattung der entstandenen Kosten bei Weitem übersteigt. Es handelt sich somit um einen klassischen Fahrdienst. Ob man ihn der „partizipativen Wirtschaft“ zurechnet oder nicht, spielt keine Rolle für seine Beurteilung nach dem geltenden Recht.

43.      Uber behauptet in ihren schriftlichen Erklärungen, sie beschränke sich darauf, eine Verbindung zwischen dem Angebot (einer Leistung im Personennahverkehr) und der Nachfrage herzustellen. Nach meiner Meinung ist dies jedoch eine verkürzende Sicht auf die Rolle von Uber. Tatsächlich unternimmt Uber viel mehr, als nur Angebot und Nachfrage zusammenzuführen: Sie hat dieses Angebot selbst generiert. Sie regelt auch die wesentlichen Merkmale des Angebots und organisiert dessen Funktionalität.

44.      Uber gestattet den Personen, die die Tätigkeit der Beförderung von Fahrgästen im Nahverkehr wahrnehmen möchten, sich in ihre App einzuloggen und diese Tätigkeit unter den von Uber festgelegten Bedingungen auszuüben, die für die Fahrer aufgrund des Vertrags über die Nutzung der App bindend sind. Diese Bedingungen sind vielfältig und betreffen sowohl den Zugang zu der Tätigkeit als auch deren Ausübung; sie regeln sogar, wie sich die Fahrer bei der Erbringung ihrer Leistungen zu verhalten haben.

45.      So muss, wer als Fahrer Zugang zur Uber-App erhalten will, über ein Fahrzeug verfügen(15). Die Fahrzeuge, die für Uber eingesetzt werden dürfen, müssen Voraussetzungen erfüllen, die je nach den Ländern und Städten zu variieren scheinen; in der Regel handelt es sich aber um vier- oder fünftürige Personenkraftwagen, die zumindest ein bestimmtes Alter nicht überschreiten dürfen. Die Fahrzeuge müssen den geltenden Vorschriften über die technische Kontrolle und die Kfz-Haftpflichtversicherung entsprechen(16).

46.      Die Fahrer müssen selbstverständlich einen Führerschein (und eine bestimmte Fahrpraxis) besitzen und einen makellosen Strafregisterauszug vorweisen. In manchen Ländern wird auch eine Bescheinigung der Verkehrsdelikte verlangt.

47.      Zwar wird die Arbeitszeit im Rahmen der Uber-Plattform nicht reglementiert, so dass die Fahrer dieser Beschäftigung als Nebentätigkeit nachgehen können; es erweist sich jedoch, dass die meisten Fahrten von Fahrern durchgeführt werden, für die diese Tätigkeit der einzige oder der Hauptberuf ist. Sie werden von Uber auch finanziell belohnt, wenn sie eine große Anzahl von Fahrten durchführen. Uber informiert die Fahrer außerdem über Orte und Tageszeiten, die ihnen voraussichtlich zahlreiche Fahrten und/oder vorteilhafte Tarife verschaffen werden. Uber ist somit, ohne auf die Fahrer formell Druck auszuüben, in der Lage, ihr Angebot an die Nachfrageschwankungen anzupassen.

48.      Die Uber-App enthält eine Bewertungsfunktion: Die Fahrgäste können die Fahrer bewerten und umgekehrt. Eine Durchschnittsnote unterhalb eines bestimmten Schwellenwerts kann den Ausschluss insbesondere der Fahrer von der Plattform zur Folge haben. Uber kontrolliert also, wenn auch indirekt, die Qualität der Leistungen der Fahrer.

49.      Schließlich setzt Uber den Preis für den erbrachten Dienst fest. Dieser Preis berechnet sich je nach Länge und Dauer der Fahrt, wie diese von der App durch Geolokalisierung registriert worden sind. Ein Algorithmus passt sodann den Preis an die Nachfrageintensität an, indem der Basistarif mit einem geeigneten Faktor multipliziert wird, sobald die Nachfrage steigt, z. B. infolge eines bestimmten Ereignisses oder einer bloßen Änderung der Witterungsverhältnisse, etwa bei einem Gewitter.

50.      Zwar haben die Vertreter von Uber in der mündlichen Verhandlung behauptet, es stehe den Fahrern grundsätzlich frei, einen niedrigeren Betrag als den in der App ausgewiesenen zu verlangen; dies scheint mir jedoch keine realistische Option für die Fahrer zu sein. Obwohl ihnen nämlich eine solche Möglichkeit theoretisch offensteht, bucht Uber als Provision doch den Betrag ab, der sich aus der von der App vorgenommenen Berechnung des Fahrpreises ergibt. Jede etwaige Ermäßigung des vom Fahrgast bezahlten Preises ginge zulasten des Fahrers; es ist daher wenig wahrscheinlich, dass Letzterer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird(17). Es dürfte sich folglich kaum bestreiten lassen, dass Uber den Fahrpreis festsetzt.

51.      Uber kontrolliert somit alle relevanten Aspekte eines Dienstes im Personennahverkehr: natürlich den Preis, aber auch die sicherheitsspezifischen Mindestbedingungen mittels der Anforderungen an Fahrer und Fahrzeuge, den Zugang zum Beförderungsangebot durch den Anreiz für die Fahrer, sich zu Spitzenzeiten und an Orten massiver Nachfrage bereit zu halten, das Verhalten der Fahrer durch das Bewertungssystem und schließlich die Möglichkeit des Ausschlusses von der Plattform. Die übrigen Aspekte sind meines Erachtens aus der Sicht eines durchschnittlichen Nutzers von Personennahverkehrsdiensten nebensächlich und ohne Einfluss auf dessen ökonomische Entscheidungen. Uber kontrolliert somit die wirtschaftlich relevanten Faktoren der im Rahmen ihrer Plattform angebotenen Beförderungsdienstleistung.

52.      Obwohl diese Kontrolle nicht im Wege einer hierarchischen Unterordnung klassischer Art vonstattengeht, darf man sich gleichwohl vom äußeren Erscheinungsbild nicht irreführen lassen. Eine mittelbare Kontrolle, wie sie von Uber ausgeübt wird, die auf finanziellen Anreizen und einer dezentralisierten Bewertung durch die Fahrgäste mit einer entsprechenden Größenkostenersparnis(18) beruht, erlaubt ein genauso effektives Management, wenn nicht mehr, wie eine Kontrolle, die auf den förmlichen Weisungen eines Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern sowie auf der unmittelbaren Überwachung ihrer Ausführung beruht.

53.      Dies bringt mich zu der Feststellung, dass die Tätigkeit von Uber in einer einzigen Leistung besteht, nämlich der Beförderung in einem mittels der Smartphone-App ausfindig gemachten und bestellten Fahrzeug, und dass dieser Dienst aus wirtschaftlicher Sicht(19) von Uber oder in ihrem Namen erbracht wird. Dieser Dienst wird den Nutzern auch auf diese Weise präsentiert und von ihnen wahrgenommen. Indem sie sich entschließen, auf die Dienste von Uber zurückzugreifen, möchten diese Nutzer einen Beförderungsdienst in Anspruch nehmen, der bestimmte Funktionalitäten besitzt und einen bestimmten Qualitätsstandard aufweist. Diese Funktionalitäten und diese Qualität der Beförderung werden von Uber gewährleistet.

54.      Diese Feststellung bedeutet freilich nicht, dass die Fahrer von Uber zwangsläufig als deren Arbeitnehmer anzusehen wären. Uber kann ihre Leistungen sehr wohl durch den Einsatz selbständiger Unternehmer erbringen, die in ihrem Namen als Subunternehmer auftreten. Die Polemik über die Rechtsstellung der Fahrer im Verhältnis zu Uber, hinsichtlich deren in manchen Mitgliedstaaten bereits Gerichtsentscheidungen ergangen sind(20), hat mit den Rechtsfragen, die uns im vorliegenden Fall beschäftigen, nichts zu tun.

55.      Ebenso verhält es sich mit Frage, wer Eigentümer der betreffenden Fahrzeuge ist. Der Umstand, dass Uber nicht deren Eigentümer ist, ist meines Erachtens irrelevant, da ein Unternehmer Beförderungsdienstleistungen durchaus mit Fahrzeugen erbringen kann, die Dritten gehören, vor allem dann, wenn er für diese Dienste gerade auf diese Dritten zurückgreift, und zwar unabhängig von der Natur des zwischen beiden Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses.

56.      Dagegen schließt die vorstehend getroffene Feststellung es meines Erachtens aus, in Uber einen bloßen Vermittler zwischen Fahrern und Fahrgästen zu sehen. Die Fahrer, die im Rahmen der Uber-Plattform Beförderungen durchführen, üben keine eigenständige Tätigkeit aus, die unabhängig von dieser Plattform Bestand hätte. Diese Tätigkeit gibt es vielmehr nur dank der Plattform(21), ohne die sie bedeutungslos wäre.

57.      Aus diesem Grund ist es meiner Meinung nach falsch, Uber mit der Kategorie von Vermittlungsplattformen zu vergleichen, die die Buchung von Hotelzimmern oder den Kauf von Flugtickets ermöglichen.

58.      Natürlich gibt es Parallelen bei den Reservierungs- oder Buchungsmechanismen unmittelbar auf der Plattform, bei den Zahlungsmöglichkeiten oder auch bei den Bewertungssystemen. Diese Dienste bietet die Plattform ihren Nutzern an.

59.      Im Gegensatz zu den Fahrern von Uber sind jedoch sowohl die Hotels als auch die Fluggesellschaften Unternehmen, deren Betrieb völlig unabhängig von jeder Vermittlungsplattform ist und für die solche Plattformen nur ein Mittel unter vielen zum Vertrieb ihrer Dienstleistungen darstellen. Diese Unternehmen und nicht die Buchungsplattformen legen auch die Voraussetzungen – beginnend bei den Preisen(22) – fest, unter denen ihre Dienstleistungen erbracht werden. Die Tätigkeit dieser Unternehmen unterliegt außerdem den für ihren Geschäftsbereich geltenden spezifischen Regelungen, so dass die Buchungsplattformen – anders als Uber bei ihren Fahrern – nicht den Zugang zu dieser Tätigkeit kontrollieren.

60.      Schließlich bietet eine solche Buchungsplattform den Nutzern eine echte Wahl zwischen mehreren Dienstleistern, deren Angebote sich in mehreren aus ihrer Sicht wesentlichen Faktoren unterscheiden, wie den Flug- oder Unterbringungsstandards, den Flugplänen, dem Standort des Hotels usw. Bei Uber sind diese Faktoren dagegen standardisiert und von der Plattform festgelegt, so dass der Fahrgast in der Regel die Leistung des Fahrers akzeptieren wird, der am schnellsten verfügbar ist.

61.      Uber ist also kein bloßer Vermittler zwischen Fahrern, die bereit sind, gelegentlich einen Beförderungsdienst anzubieten, und Fahrgästen, die auf der Suche nach einem solchen Dienst sind. Uber ist ganz im Gegenteil ein echter Organisator und Anbieter von Personennahverkehrsdiensten in den Städten, in denen sie präsent ist. Wenn es stimmt, dass das Konzept von Uber, wie sie in ihren Erklärungen im vorliegenden Fall vorträgt, innovativ ist, dann betrifft diese Innovation den Bereich des Personennahverkehrs.

62.      Ich muss auch darauf hinweisen, dass kartellrechtliche Fragen aufgeworfen werden könnten, wenn Uber als eine Plattform angesehen würde, die unabhängige Dienstleistungserbringer zusammenführt(23). Diesen Punkt werde ich jedoch nicht weiter vertiefen, da er über den Rahmen der vorliegenden Rechtssache hinausgeht.

63.      Bei dem Geschäftsmodell von Uber hat die Herstellung eines Kontakts zwischen dem potenziellen Fahrgast und einem Fahrer somit keinen eigenständigen wirtschaftlichen Wert, weil die für Uber aktiven Fahrer, wie vorstehend ausgeführt, jedenfalls dann, wenn sie eine Beförderung im Rahmen des Uber-Dienstes vornehmen, keine unabhängige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Im Rahmen dieses Dienstes können nämlich die Uber-Fahrer Fahrgäste nur mittels der Uber-App ausfindig machen, und diese App hilft nur Fahrer aufzuspüren, die im Rahmen dieser Plattform tätig werden. Das eine ist folglich mit dem anderen untrennbar verbunden; beide Elemente stellen einen einheitlichen Dienst dar. Ich denke auch nicht, dass die eigentliche Beförderungsleistung als nebensächlich betrachtet werden kann.

64.      Es ist richtig, dass der Innovationscharakter der Uber-Plattform bei der Organisation des Personennahverkehrs zu einem Großteil auf dem Einsatz neuer Technologien wie der Geolokalisation und des Smartphones beruht. Diese Innovation beschränkt sich jedoch nicht darauf: Sie betrifft auch die Organisation der Beförderung selbst, ohne die es sich bei Uber um eine einfache Buchungs-App für Taxis handeln würde. Im Rahmen dieses Dienstes stellt somit die Beförderungsleistung ohne jeden Zweifel die Hauptleistung dar, die dem Dienst seinen wirtschaftlichen Sinn verleiht. Der Nutzer sucht einen Fahrer, weil er ein einziges Ziel verfolgt: von einem Punkt zu einem anderen befördert zu werden. Die Phase der Herstellung eines Kontakts hat daher nur vorbereitenden Charakter; sie soll gewährleisten, dass die Hauptleistung unter den bestmöglichen Bedingungen erbracht werden kann.

65.      Die Leistung, die darin besteht, Kontakt zwischen Fahrgast und Fahrer herzustellen, hat daher im Verhältnis zu der Beförderungsleistung weder eigenständigen noch zentralen Charakter. Aus diesem Grund kann sie nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ eingestuft werden. Bei einer solchen Einstufung könnten die der Richtlinie 2001/31 zugrunde liegenden Liberalisierungsziele nicht erreicht werden; selbst wenn die Tätigkeit der Kontaktvermittlung nämlich liberalisiert würde, stünde es den Mitgliedstaaten frei, ihre Fortsetzung durch die Reglementierung der Beförderungstätigkeit unmöglich zu machen. Das einzige Ergebnis einer solchen Liberalisierung bestünde somit darin, dass der Mitgliedstaat, in dem der Dienstleister ansässig ist, von dessen Niederlassung profitieren könnte (dank der Investitionen, Schaffung von Arbeitsplätzen, Steuereinnahmen), gleichzeitig jedoch die Erbringung des Dienstes in seinem Hoheitsgebiet kraft der Regelung betreffend die von der Richtlinie 2000/31 nicht erfassten Leistungen verhindern würde(24). Eine solche Situation würde die gesamte Schlüssigkeit des durch diese Richtlinie bewirkten freien Verkehrs der Dienste der Informationsgesellschaft zunichtemachen, der darauf beruht, dass die Rechtmäßigkeit des Betriebs des Dienstleisters durch den Mitgliedstaat überwacht wird, in dem er sich niedergelassen hat, und dass die anderen Mitgliedstaaten diese Überwachung anerkennen(25).

66.      Eine solche Situation, in der der Betrieb der Plattform formell nicht verboten ist, die Beförderungstätigkeit jedoch wegen des auf nicht berufsmäßigen Fahrern beruhenden Modells des UberPop-Dienstes nicht gesetzeskonform ausgeübt werden kann, hat einen anderen negativen Effekt. Es ist in der Tat erwiesen, dass Uber verschiedene in den Medien erwähnte Vorkehrungen – z. B. die zeitweilige Deaktivierung der App in bestimmten Gebieten – trifft, um zu verhindern, dass ihre Fahrer von den Behörden kontrolliert werden. Uber gewährt den Fahrern auch Rechts- und Finanzhilfe, wenn sie belangt werden, weil sie Beförderungsleistungen erbracht haben, ohne die erforderliche Genehmigung zu besitzen. Die Fahrer selbst greifen auf verschiedene Methoden zurück, um den Kontrollen zu entgehen(26). Diese unvollständige, ja sogar nur scheinbare Liberalisierung, bei der eine Komponente einer komplexen Tätigkeit liberalisiert ist, während eine andere reglementiert bleibt, führt zu Rechtsunsicherheit, die eine Grauzone entstehen lässt und zum Gesetzesverstoß verleitet.

 Die Tätigkeit von Uber unter dem Blickwinkel der Richtlinie 2006/123

67.      Es wäre nicht erstaunlich, wenn die vorstehend beschriebene Tätigkeit von Uber, d. h. eine einheitliche Leistung, die sowohl die Suche nach einem verfügbaren Fahrer und die Buchung der Fahrt als auch die Beförderungsleistung stricto sensu umfasst, als eine Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 angesehen werden könnte.

68.      Wenn der Wortlaut dieser Bestimmung, dem zufolge „Verkehrsdienstleistungen“ vom Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 ausgeschlossen sind, für diese Feststellung allein nicht auszureichen scheint, lässt doch der 21. Erwägungsgrund dieser Richtlinie keinen Zweifel daran; dort heißt es, dass zu den Verkehrsdienstleistungen der „Personennahverkehr [und die] Taxis“ gehören. Es ist deshalb müßig, zu erörtern, ob die Leistungen von Uber eine Form des Taxidienstes darstellen: Alle Arten des Personennahverkehrs sind dort erwähnt, und Uber ist zweifellos eine davon.

69.      Es wird auch davon ausgegangen werden müssen, dass die Tätigkeit von Uber unter Art. 58 Abs. 1 AEUV fällt, der eine Ausnahme von der Dienstleistungsfreiheit vorsieht, und dass sie der Regelung gemäß den Art. 90 ff. AEUV unterliegt. Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV nennt ausdrücklich die Festlegung der Bedingungen „für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind“, als ein Sachgebiet, das im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik geregelt werden muss. Wenn aber angenommen wird, was ich befürworte, dass Uber Leistungen im Personennahverkehr erbringt, dann muss in ihm, wenn nicht ein Beförderungsunternehmen im eigentlichen Sinne, so doch zumindest ein Organisator von Beförderungsdiensten gesehen werden.

70.      Hieraus ist somit, ohne dass das vom vorlegenden Gericht in der Vorlageentscheidung erwähnte Urteil Grupo Itevelesa u. a.(27) analysiert werden müsste, der Schluss zu ziehen, dass die Tätigkeit von Uber eine Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 darstellt. Sie ist folglich vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausgeschlossen. Im Übrigen fällt diese Tätigkeit unter die in Art. 58 Abs. 1 AEUV vorgesehene Ausnahme von der Dienstleistungsfreiheit und unterliegt der Regelung nach den Art. 90 ff. AEUV.

 Schlussfolgerung zu den ersten beiden Vorlagefragen

71.      Als Resümee der vorstehenden Erwägungen bin ich der Ansicht, dass im Fall gemischter Dienste, die aus einer auf elektronischem Weg erbrachten Komponente und einer anderen nicht auf diesem Weg erbrachten Komponente bestehen, die erstere Komponente nur dann als „Dienst der Informationsgesellschaft“ qualifiziert werden kann, wenn sie im Verhältnis zur Letzteren entweder wirtschaftlich unabhängig ist oder das zentrale Element darstellt. Die Tätigkeit von Uber ist als einheitliches Ganzes anzusehen, das sowohl die Herstellung des Kontakts zwischen Fahrgästen und Fahrern mittels Smartphone-App als auch die eigentliche Beförderungsleistung umfasst, wobei Letztere aus wirtschaftlicher Sicht das zentrale Element darstellt. Diese Tätigkeit lässt sich deshalb nicht in zwei getrennte Leistungen mit dem Ziel aufteilen, auf diese Weise einen Teil des betreffenden Dienstes als Dienst der Informationsgesellschaft zu definieren. Ein solcher Dienst ist infolgedessen als „Verkehrsdienstleistung“ zu qualifizieren.

72.      Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die ersten beiden Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

–        Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31 in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 ist dahin auszulegen, dass ein Dienst, der darin besteht, mittels einer Software für Mobiltelefone Kontakt zwischen potenziellen Fahrgästen und Fahrern herzustellen, die Beförderungsleistungen im Personennahverkehr auf individuellen Abruf anbieten, keinen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne dieser Bestimmungen darstellt, wenn der Anbieter dieses Dienstes eine Kontrolle über die wesentlichen Modalitäten der in diesem Rahmen erbrachten Beförderungsleistungen, insbesondere über den Preis dieser Leistungen, ausübt.

–        Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123 sind dahin auszulegen, dass der vorstehend unter Nr. 1 beschriebene Dienst eine Verkehrsdienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.

73.      Es wird selbstverständlich Sache des vorlegenden Gerichts sein, auf der Grundlage seiner eigenen Tatsachenfeststellungen zu beurteilen, ob die im Ausgangsverfahren streitige Tätigkeit das vorerwähnte Kriterium der Kontrolle erfüllt. Ich weise gleichwohl darauf hin, dass mehrere Gerichte in verschiedenen Mitgliedstaaten schon in diesem Sinne entschieden haben(28). Davon könnte sich das vorlegende Gericht im Geist eines justiziellen Netzwerks inspirieren lassen.

 Schlussbemerkungen

74.      Die von mir vorgeschlagene Beantwortung der ersten beiden Fragen macht die dritte und die vierte Frage gegenstandslos. In meinen Schlussbemerkungen möchte ich dennoch die Rechtsfolgen prüfen, die sich ergäben, wenn die von Uber erbrachten Leistungen als eigenständiger Dienst qualifiziert würden, der sich darauf beschränkte, Kontakt zwischen Fahrgästen und Fahrern herzustellen, und somit die eigentliche Beförderungsleistung nicht umfasste. Ein solcher Dienst müsste wohl als „Dienst der Informationsgesellschaft“ angesehen werden. Es wäre meines Erachtens jedoch nicht nötig, der Frage nachzugehen, ob es sich hierbei um eine Verkehrsdienstleistung handelt.

 Die Kontaktvermittlung als Dienst der Informationsgesellschaft

75.      Zur Erinnerung: Nach Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34 ist ein Dienst der Informationsgesellschaft jede gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung. Ein Dienst, der darin besteht, mittels einer Smartphone-App zwischen potenziellen Fahrgästen und Fahrern Kontakt herzustellen, würde zweifellos diese Kriterien erfüllen.

76.      Was den Entgeltcharakter der Leistung angeht, so steht im Rahmen des Systems Uber ein Teil des vom Fahrgast gezahlten Fahrpreises dem Betreiber der Plattform zu. Für die Leistung der Kontaktvermittlung entrichtet der Fahrgast somit am Ende der Fahrt ein Entgelt.

77.      Dieser getrennt von der Beförderungsleistung untersuchte Dienst würde auch im Fernabsatz erbracht, da die beiden Parteien, Uber und der Dienstleistungsempfänger, nicht gleichzeitig physisch anwesend wären. Die Leistung der Kontaktvermittlung wird mittels einer Smartphone-App über das Internet bewirkt, so dass sie eindeutig auf elektronischem Weg erbracht wird. Dies ist übrigens im Rahmen der Uber-Plattform die einzige Möglichkeit, eine Fahrt zu buchen. Schließlich wird der Dienst nicht auf Dauer, sondern auf Abruf des Empfängers erbracht.

78.      Die von Uber erbrachte Dienstleistung, wie sie in Nr. 74 dieser Schlussanträge beschrieben ist, würde mithin von den Bestimmungen der Richtlinie 2000/31 erfasst.

79.      Da die Uber-App von der in den Niederlanden ansässigen Gesellschaft Uber BV im Hoheitsgebiet der Union betrieben und die entsprechende Leistung sowohl den Fahrern als auch den Fahrgästen in anderen Mitgliedstaaten, einschließlich Spanien, erbracht wird, findet dieser Vorgang im Rahmen der namentlich in Art. 3 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 2000/31 geregelten Dienstleistungsfreiheit statt.

80.      Nach dieser Regelung dürfen die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten aus anderen Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht aus Gründen einschränken, die in den koordinierten Bereich fallen, indem sie Anforderungen einführen, die entweder speziell auf Dienste der Informationsgesellschaft ausgerichtet oder allgemeiner Art sind. Der koordinierte Bereich erfasst gemäß Art. 2 Buchst. h Ziff. i erster Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 insbesondere Anforderungen in Bezug auf „die Aufnahme der Tätigkeit …, beispielsweise Anforderungen betreffend … Genehmigung …“. Dagegen gilt der koordinierte Bereich nach Art. 2 Buchst. h Ziff. ii dritter Gedankenstrich dieser Richtlinie nicht für „Anforderungen betreffend Dienste, die nicht auf elektronischem Wege erbracht werden“.

81.      Daraus folgt, dass die Regelung über die Genehmigungsbedürftigkeit der Dienste zur Vermittlung von Verträgen über den Personennahverkehr auf Abruf, falls diese Regelung noch in Kraft ist(29) und auf den von der Uber-Plattform erbrachten Dienst der Kontaktvermittlung anwendbar sein sollte, zu dem koordinierten Bereich gehören und deshalb unter das Verbot des Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 fallen würde. Hingegen sind alle Anforderungen, denen die Fahrer hinsichtlich des Zugangs zu der Beförderungstätigkeit wie auch deren Ausübung unterliegen, dem koordinierten Bereich und folglich auch diesem Verbot entzogen, da der Beförderungsdienst naturgemäß nicht elektronisch durchgeführt wird.

82.      Die Mitgliedstaaten können nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31 Maßnahmen ergreifen, die vom freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft abweichen, wenn diese Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit oder der Verbraucher notwendig sind.

83.      Obwohl die vierte Vorabentscheidungsfrage genau die Rechtfertigung der fraglichen nationalen Maßnahmen betrifft, führt das vorlegende Gericht in seiner Vorlage keine Gründe an, die eine Genehmigungspflicht für die Vermittlungstätigkeit auf dem Gebiet des Verkehrs rechtfertigen könnten. Die spanische Regierung nennt in ihren Erklärungen derartige Gründe, wie etwa das Verkehrsmanagement und die Verkehrssicherheit. Es dürfte sich hierbei jedoch eher um Gründe zur Rechtfertigung der Anforderungen handeln, denen die Fahrer bei der Ausübung der Beförderungsleistungen unterliegen.

84.      Was unmittelbar die Vermittlungsleistungen anbelangt, so hat der einzige von der spanischen Regierung angeführte Grund, der auf Uber zutreffen könnte, etwas mit der Transparenz bei der Preisfestsetzung zu tun, was dem Verbraucherschutz zuzuordnen ist. Ich erinnere daran, dass im System Uber nicht der Fahrer, sondern die Plattform den Fahrpreis bestimmt. Es scheint mir jedoch, dass diese Transparenz durch weniger einschneidende Mittel als eine Genehmigungspflicht für die Vermittlungstätigkeit sichergestellt werden könnte, etwa durch das Gebot, den Fahrgast zu informieren. Eine solche Genehmigungspflicht entspräche daher nicht dem in Art. 3 Abs. 4 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2000/31 ausdrücklich aufgestellten Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

85.      Die Komplexität des Ausgangsverfahrens besteht freilich darin, dass es in diesem Verfahren darum geht, das mutmaßlich unlautere Wettbewerbsverhalten von Uber gegenüber den Mitgliedern der Klägerin zu ahnden(30). Dieses Verhalten soll nicht nur darin liegen, dass Uber angeblich als Vermittler von Beförderungsverträgen tätig ist, ohne die erforderliche Genehmigung zu besitzen, sondern auch darin, dass die Fahrer, die die Beförderungsleistungen im Rahmen der Uber-Plattform erbringen, die Vorgaben der spanischen Gesetzgebung für derartige Leistungen angeblich nicht erfüllen. Diese Vorgaben werden aber weder von der Richtlinie 2000/31 noch von der Richtlinie 2006/123 erfasst, da sie zweifellos dem Gebiet des Verkehrs zuzurechnen sind.

86.      Läuft es also den Bestimmungen der Richtlinie 2000/31 zuwider, wenn Uber wegen des unlauteren Wettbewerbsverhaltens der Fahrer, die Beförderungsleistungen im Rahmen dieser Plattform erbringen, belangt wird? Wie oben ausgeführt(31), ist Uber meiner Meinung nach kein bloßer Vermittler zwischen Fahrgästen und Fahrern. Sie organisiert und betreibt ein umfassendes System des Personennahverkehrs auf Abruf. Deshalb ist sie nicht nur für die Leistung, die darin besteht, einen Kontakt zwischen Fahrgästen und Fahrern herzustellen, sondern auch für die Tätigkeit Letzterer verantwortlich. Dies wäre selbst dann der Fall, wenn die Leistung der Kontaktvermittlung und die eigentliche Beförderungsleistung als voneinander unabhängig angesehen werden sollten, da diese beiden Leistungen letztlich von Uber oder in ihrem Namen erbracht würden.

87.      Eine Auslegung, wonach die gesamte Tätigkeit von Uber im Interesse der Wirksamkeit der Richtlinie 2000/31 von der in dieser Richtlinie vorgesehenen Liberalisierung profitieren müsse, ist meines Erachtens auszuschließen. Diese Auslegung stünde nämlich im Widerspruch zu den ausdrücklichen Vorschriften der Richtlinie 2000/31, nach denen nur die Anforderungen bezüglich der elektronisch erbrachten Dienste vom Verbot des Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie erfasst werden(32). Bei einer solchen Auslegung könnte theoretisch jede wirtschaftliche Tätigkeit unter die Richtlinie 2000/31 fallen, da jeder Unternehmer heutzutage in der Lage ist, gewisse Leistungen elektronisch anzubieten, wie etwa die Auskunft über seine Produkte oder Leistungen, die Reservierung, die Vereinbarung von Terminen oder die Zahlung.

88.      Die Richtlinie 2000/31 verbietet daher nicht, dass Anforderungen bezüglich der eigentlichen Beförderungstätigkeit im nationalen Recht aufgestellt werden und Uber wegen Missachtung dieser Anforderungen belangt wird, wobei auch die Einstellung des betreffenden Dienstes angeordnet werden kann. Die Tätigkeit von Uber ist, zumindest was den im Ausgangsverfahren streitigen Dienst UberPop angeht, dergestalt organisiert, dass Uber diesen Anforderungen nach dem Stand der Dinge nicht gerecht werden kann. Dieser Dienst beruht nämlich auf nicht berufsmäßigen Fahrern, die keine Lizenz für den Personennahverkehr besitzen und deshalb die Anforderungen naturgemäß nicht erfüllen. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn die Tätigkeit der Kontaktvermittlung als Dienst der Informationsgesellschaft angesehen würde, da die Leistungen der Fahrer nicht in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/31 fallen. Dies zeigt, dass es gekünstelt ist, zwischen einem elektronisch erbrachten Dienst und einem nicht elektronisch erbrachten Dienst zu unterscheiden, wenn beide Dienste so eng miteinander verbunden sind und von ein und demselben Anbieter erbracht werden.

89.      Ich denke hingegen nicht, dass die gebotene Wirksamkeit der Regelung betreffend die Beförderungsdienste im engeren Sinne die allgemeine Einführung einer präventiven Genehmigungspflicht für die Vermittlungsdienste rechtfertigen kann. Rechtswidrige Handlungen in diesem Bereich können nur repressiv bekämpft werden.

90.      Abschließend fasse ich diesen Teil wie folgt zusammen: Sollte der Dienst der Kontaktvermittlung zwischen potenziellen Fahrgästen und Fahrern als von der eigentlichen Beförderungsleistung unabhängig und somit als Dienst der Informationsgesellschaft angesehen werden, dann stünde Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31 einer Genehmigungspflicht für einen solchen Dienst entgegen, es sei denn, diese Pflicht wäre aus einem der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie aufgeführten Gründe gerechtfertigt und im Hinblick auf ihr Ziel verhältnismäßig, was ich für wenig wahrscheinlich halte. Das hätte indessen keine realen Rechtsfolgen, da dieser Vermittlungsdienst ohne die Beförderungsleistungen, die der nationale Gesetzgeber doch zahlreichen Anforderungen unterwerfen darf, wirtschaftlich sinnlos ist.

 Zur Anwendbarkeit der Richtlinie 2006/123

91.      Was die Anwendbarkeit der Richtlinie 2006/123 betrifft, so braucht meines Erachtens nicht geprüft zu werden, ob ein Dienst, der darin besteht, mittels einer Smartphone-App Kontakt zwischen potenziellen Fahrgästen und Fahrern herzustellen, die Leistungen im Personennahverkehr auf Abruf anbieten, unter den Begriff der Verkehrsdienstleistung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. d dieser Richtlinie fällt.

92.      Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 haben nämlich die Bestimmungen anderer Unionsrechtsakte, die die Aufnahme und Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in bestimmten Bereichen regeln, Vorrang, sofern sie dieser Richtlinie widersprechen. Obwohl sich die Richtlinie 2000/31 nicht unter den in dieser Vorschrift aufgezählten Rechtsakten findet, deutet die Formulierung „[d]ies gilt insbesondere für“ nach meiner Ansicht klar darauf hin, dass es sich hierbei um eine nicht abschließende auf diejenigen Rechtsakte beschränkte Aufzählung handelt, deren Einbeziehung nicht per se evident ist. Die Richtlinie 2000/31 stellt aber so eindeutig eine lex specialis im Verhältnis zu der Richtlinie 2006/123 dar, dass ihr, selbst wenn es Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 nicht gäbe, Vorrang nach dem Grundsatz lex posterior generali non derogat legi priori speciali gebührte.

93.      Sollte also davon ausgegangen werden, dass die Vermittlungstätigkeit unter die Richtlinie 2000/31 fällt, bliebe sie außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 2006/123.

 Ergebnis

94.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Juzgado de lo Mercantil n° 3 de Barcelona (Handelsgericht Nr. 3 von Barcelona, Spanien) wie folgt zu beantworten:

1.      Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften sowie der Regelungen für die Dienste der Informationsgesellschaft in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 ist dahin auszulegen, dass ein Dienst, der darin besteht, mittels einer Software für Mobiltelefone Kontakt zwischen potenziellen Fahrgästen und Fahrern herzustellen, die Beförderungsleistungen im Personennahverkehr auf individuellen Abruf anbieten, keinen Dienst der Informationsgesellschaft im Sinne dieser Bestimmungen darstellt, wenn der Anbieter dieses Dienstes eine Kontrolle über die wesentlichen Modalitäten der in diesem Rahmen erbrachten Beförderungsleistungen, insbesondere über den Preis dieser Leistungen, ausübt.

2.      Art. 58 Abs. 1 AEUV und Art. 2 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt sind dahin auszulegen, dass der vorstehend unter Nr. 1 beschriebene Dienst eine Verkehrsdienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.


1      Originalsprache: Französisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften sowie der Regelungen für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37) in der Fassung der Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) (im Folgenden: Richtlinie 98/34). Gemäß Art. 11 der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1) wurde die Richtlinie 98/34 am 7. Oktober 2015 aufgehoben; sie bleibt jedoch ratione temporis auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar. Im Übrigen hat Art. 1 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2015/1535 im Wesentlichen den gleichen Wortlaut.


3      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. 2000, L 178, S. 1).


4      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).


5      Wenn ich hier den Begriff „Plattform“ verwende, um das System zu bezeichnen, mittels dessen Kontakt zwischen den Fahrern und den Fahrgästen hergestellt wird und die Buchung der Beförderungsleistungen erfolgt, lässt dieser Begriff doch keine Rückschlüsse auf die Natur dieser Plattform zu. Insbesondere bedeutet dieser Begriff nicht, dass es sich um eine bloße Vermittlung handeln würde, denn Uber ist kein Vermittler, wie ich im Folgenden darlegen werde.


6      Vgl. außer den Angaben der Beklagten des Ausgangsverfahrens Noto La Diega, G., „Uber law and awareness by design. An empirical study on online platforms and dehumanised negotiations“, European Journal of Consumer Law, Nr. 2015/2, S. 383 bis 413, insbesondere S. 407.


7      Vgl. Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 58 Abs. 1 AEUV.


8      Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 98/34 (Hervorhebung nur hier).


9      Art. 2 Buchst. h und Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/31.


10      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 29 und 30).


11      Urteil vom 2. Dezember 2010 (C‑108/09, EU:C:2010:725, Rn. 22 und 28).


12      Zum Geschäftsmodell von Uber gibt es bereits zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen. Ich verweise insbesondere auf Noto La Diega, G., a. a. O., Rogers, B., „The Social Cost of Uber“, The University of Chicago Law Review Dialogue, 82/2015, S. 85 bis 102, Gamet, L., „UberPop (†)“, Droit social, 2015, S. 929, und Prassl, J., Risak, M., „Uber, Taskrabbit, and Co.: Platforms as Employers? Rethinking the Legal Analysis of Crowdwork“, Comparative Labor Law & Policy Journal, Band 37 (2016), S. 619 bis 651. Die tatsächlichen Umstände der Funktionsweise von Uber gehen auch aus Entscheidungen nationaler Gerichte der Mitgliedstaaten hervor; vgl. u. a. Urteil des London Employment Tribunal vom 28. Oktober 2016, Aslam, Farrar and Others v. Uber (case 2202551/2015), Entscheidung der Audiencia Provincial de Madrid Nr. 15/2017 vom 23. Januar 2017 in der Rechtssache Uber gegen Asociación Madrileña del Taxi sowie Beschluss des Tribunale Ordinario di Milano vom 2. Juli 2015 (Rechtssachen 35445/2015 und 36491/2015).


13      Zum Begriff der partizipativen Wirtschaft vgl. u. a. Hatzopoulos, V., und Roma, S., „Caring for Sharing? The Collaborative Economy under EU Law“, Common Market Law Review, Nr. 54, 2017, S. 81 bis 128, 84 ff. Die Kommission schlägt hierfür in ihrer Mitteilung „Europäische Agenda für die kollaborative Wirtschaft“ (COM[2016] 356 final, S. 3) eine Definition vor. Diese ist jedoch so weit gefasst, dass es zweifelhaft erscheint, ob auf ihrer Grundlage eine hinreichend differenzierte Tätigkeitsart definiert werden kann, die eine besondere rechtliche Behandlung verdienen würde.


14      Eine Fahrgemeinschaft liegt vor, wenn eine vom Fahrer, nicht vom Fahrgast festgelegte Fahrt gemeinsam durchgeführt und dem Fahrer höchstens ein Teil der Fahrtkosten ersetzt wird. Da die Kontaktaufnahme zwischen Fahrer und potenziellem Fahrgast mittels Online-Apps erleichtert wird, handelt es sich um eine Art „Autostopp 2.0“. Jedenfalls ist dies keine Erwerbstätigkeit.


15      Uber bestreitet, den Fahrern Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen, spielt durch ihren Dienst Uber-Marketplace aber die Rolle eines Vermittlers zwischen den Fahrern und Mietwagen- sowie Kfz-Leasingfirmen.


16      Es ist aber nicht klar, ob es sich dabei um Anforderungen handelt, denen die zur entgeltlichen Personenbeförderung bestimmten Fahrzeuge genügen müssen, oder lediglich um Formalitäten, die für privat genutzte Fahrzeuge gelten.


17      Vgl. das in Fn. 12 angeführte Urteil des London Employment Tribunal (Rn. 18).


18      Wegen der großen Zahl an Fahrern kann das gewünschte Ergebnis erreicht werden, ohne jeden von ihnen unmittelbar und individuell kontrollieren zu müssen. Andererseits gewährleistet die große Zahl an Fahrgästen eine wirksame und verhältnismäßig objektive Kontrolle des Verhaltens der Fahrer, so dass die Plattform dieser Aufgabe entledigt ist.


19      Ich befasse mich hier nicht mit der Frage, wie das Rechtsverhältnis zwischen Uber und ihren Fahrern zu qualifizieren ist; dies bestimmt sich nach nationalem Recht.


20      Vgl. u. a. das in Fn. 12 angeführte Urteil des London Employment Tribunal.


21      Oder einer ähnlichen Plattform; seit Uber ihr Geschäftsmodell etabliert hat, ist dieses nämlich nachgebildet worden, ohne dass diese Kopien denselben Bekanntheitsgrad erreicht hätten.


22      Daran ändert der Umstand nichts, dass bestimmte Plattformen mit Hotels sogenannte Bestpreis-Vereinbarungen abschließen, in denen sich die Hotels verpflichten, anderswo keine günstigeren Preise als auf der betreffenden Plattform anzubieten. Denn hierbei bestimmt nicht die Plattform den Preis für die Leistungen, sondern es handelt sich um eine Verpflichtung betreffend die Preisstrategie gegenüber verschiedenen Geschäftspartnern. Im Übrigen sind diese Bestpreisklauseln von den Kartellbehörden in mehreren Mitgliedstaaten in Frage gestellt worden, was zur Gründung der europäischen Arbeitsgruppe zu den Online-Buchungsportalen unter Federführung der Kommission geführt hat.


23      Z. B. ist es zwar an sich nicht rechtswidrig, wenn Konkurrenten ein und denselben Algorithmus zur Preisberechnung verwenden; dies könnte jedoch unter dem Aspekt der „hub-and-spoke conspiracy“ auf Bedenken stoßen, wenn die Marktmacht der Plattform zunähme. Vgl. zu eventuellen kartellrechtlichen Problemen des Uber-Modells Hatzopoulos, V., und Roma, S., a. a. O., S. 110 und 120, sowie Ezrachi, A., und Stucke, M. E., „Artificial Intelligence & Collusion: When Computers Inhibit Competition“, CCLP Working Paper 40, Oxford 2015, S. 14. Vgl. auch Urteile vom 22. Oktober 2015, AC‑Treuhand/Kommission (C‑194/14 P, EU:C:2015:717), und vom 21. Januar 2016, Eturas u. a. (C‑74/14, EU:C:2016:42, Rn. 27 und 28 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie meine Schlussanträge in jener Rechtssache (C‑74/14, EU:C:2015:493).


24      Ich weise darauf hin, dass der Dienst UberPop den verfügbaren Informationen zufolge in den Niederlanden, dem Mitgliedstaat, in dem die Gesellschaft Uber BV ihren Sitz hat, durch Urteil des College van Beroep voor het bedrijfsleven vom 8. Dezember 2014 (AWB 14/726, ECLI:NL:CBB:2014:450) verboten wurde (vgl. Hatzopoulos, V., und Roma, S., a. a. O., S. 91).


25      Vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/31.


26      Insbesondere die Software Greyball, mit deren Hilfe Kontrollen der Behörden vermieden werden können. Vgl. „Uber Uses Tech to Deceive Authorities Worldwide“, The New York Times vom 4. März 2017.


27      Urteil vom 15. Oktober 2015 (C‑168/14, EU:C:2015:685).


28      Vgl. insbesondere die in Fn. 12 der vorliegenden Schlussanträge angeführten nationalen Entscheidungen.


29      Vgl. meine Bemerkungen dazu unter Nr. 9 der vorliegenden Schlussanträge.


30      Ich erinnere daran, dass der Ausgangsrechtsstreit nicht die Funktion der Uber-App als solchen betrifft, sondern die Erbringung des Dienstes UberPop in der Stadt Barcelona zum Gegenstand hat.


31      Siehe insbesondere Nrn. 43 bis 53 der vorliegenden Schlussanträge.


32      Vgl. Art. 3 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. h Ziff. ii dritter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31. Diese Bestimmung wird durch den 18. Erwägungsgrund dieser Richtlinie bestätigt.