Language of document : ECLI:EU:C:2013:278

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 30. April 2013(1)

Rechtssache C‑518/11

UPC Nederland BV

gegen

Gemeente Hilversum

(Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof te Amsterdam [Niederlande])

„Elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste – Neuer Rechtsrahmen – Richtlinien 2002/19/EG, 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG – Sachlicher Anwendungsbereich – Verbreitung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogramme über Kabel – Übertragung des Kabelnetzes einer Gemeinde an ein privates Unternehmen – Vereinbarkeit einer Vertragsklausel, wonach das Entgelt für den Basisdienst beschränkt wird – Sektorspezifische Vorabregulierung – Zuständigkeiten der nationalen Regulierungsbehörden – Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht – Ziele des Allgemeininteresses“





1.        Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof erstmals Gelegenheit, die Auswirkungen des Unionsrechts auf die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Verhängung einer Maßnahme zur Beschränkung der Erhöhung des Einzelpreises für aus der Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen bestehende Dienste gegen die diese Dienste bereitstellenden Unternehmen zu prüfen. Die Besonderheit des Ausgangsrechtsstreits liegt in dem Umstand begründet, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Beschränkungsmaßnahme die Form einer Klausel angenommen hat, die in den Vertrag, mit dem eine Gebietskörperschaft, hier die Gemeente Hilversum (Gemeinde Hilversum), ihr Kabelnetz an ein privates Unternehmen verkauft hat, eingefügt worden ist.

I –    Rechtlicher Rahmen

2.        Die wichtigsten Bestimmungen des abgeleiteten Unionsrechts, die für die Beantwortung der in der vorliegenden Rechtssache zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen relevant sind, sind die der verschiedenen Richtlinien, mit denen der sogenannte neue Rechtsrahmen im Bereich der elektronischen Kommunikation(2) eingeführt worden ist, nämlich der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie)(3) und der vier zugehörigen Einzelrichtlinien(4), bei denen es sich neben der Richtlinie 97/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation(5) um die Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie)(6), die Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie)(7) sowie um die Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie)(8) handelt.

3.        Der Inhalt der verschiedenen Bestimmungen der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste(9), die im Ausgangsverfahren hauptsächlich betroffen sind, wird, soweit erforderlich, im Rahmen der folgenden Ausführungen erläutert.

II – Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits

4.        Aus der Vorlageentscheidung und aus den verschiedenen beim Gerichtshof abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen geht hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit im Verkauf des Kabelnetzes der Gemeente Hilversum und des dieses Kabelnetz betreibenden kommunalen Unternehmens an die Rechtsvorgängerin der Gesellschaft UPC Nederland(10) zu einem Preis von ca. 23 227 000 Euro wurzelt.

5.        Nach dem Wortlaut der zwischen den Parteien abgeschlossenen „Vereinbarung über den zukünftigen Betrieb des Kabelnetzes von Hilversum“ verpflichtete sich die Gemeente Hilversum zur Mitwirkung an der Erteilung einer Genehmigung für den Aufbau, die Unterhaltung und den Betrieb einer Kabelrundfunkeinrichtung innerhalb der Grenzen der Gemeente an die Käuferin.

6.        Der Käufer verpflichtete sich zu Investitionen von solch einem Umfang, dass ein Kabelnetz realisiert werden konnte, das eine höhere Dienstleistungsqualität für den normalen Kabelabonnenten in der Gemeinde ermöglichte, darunter die Ausstattung des Netzes mit Glasfasern bis spätestens 1. Januar 1998 und die Bereitstellung von Hörfunk- und Fernsehsendern(11) sowie eines attraktiven Telekommunikationsdienstleistungsangebots für Privat- und Geschäftskunden.

7.        Art. 4.2 dieser Vereinbarung sah die Verpflichtung des Käufers zur „Gewährleistung eines vielfältigen Mindestangebots an Hörfunk- und Fernsehprogrammen über Kabel zu einem sozialverträglichen Preis und mit einer für den Abonnenten optimalen Empfangsqualität“ vor, d. h. eines Basisangebots an Hörfunk- und Fernsehprogrammen, das die vertraglich vorgesehenen Kriterien hinsichtlich Zusammensetzung und Entgelt erfüllte. Insbesondere war die jährliche Anpassung des monatliches Entgelts für das Basisangebot nach Maßgabe des Verbraucherpreisindexes gemäß einer in Anhang 11 der erwähnten Vereinbarung festgelegten Formel vorgesehen, wobei externe Kostensteigerungen, soweit sie den genannten Index überstiegen, auf dieses Entgelt umgelegt werden sollten(12).

8.        Mit Schreiben vom 28. November 2003 informierte UPC die Gemeente Hilversum über die Erhöhung des Entgelts für das Basisangebot für sämtliche Haushalte von 10,28 Euro auf 13,32 Euro einschließlich Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2004.

9.        Die Gemeente Hilversum erhob daraufhin Klage auf Untersagung der beabsichtigten Entgelterhöhung. Mit Entscheidung vom 23. Dezember 2003 gab die Rechtbank te Amsterdam dieser Klage statt; nachdem die Entscheidung auf ein Rechtsmittel mit Urteil des Gerechtshof te Amsterdam vom 12. August 2004 bestätigt worden war, wurde die Kassationsbeschwerde von UPC mit Urteil des Hoge Raad der Nederlanden vom 8. Juli 2005 zurückgewiesen.

10.      Darüber hinaus befasste sich die niederländische Wettbewerbsbehörde(13) am 27. September 2005 mit der Frage, ob UPC durch die Berechnung überhöhter Abonnentenentgelte für ihren Standard „analoge Hörfunk- und Fernsehprogramme“ eine wirtschaftliche Machtstellung im Sinne von Art. 24 des niederländischen Wettbewerbsgesetzes missbraucht hatte, und kam zu dem Ergebnis, dass dies nicht der Fall sei.

11.      Am 28. September 2005 verfasste die niederländische Unabhängige Post- und Telekommunikationsbehörde(14) einen Bescheidentwurf für den „Markt für die Bereitstellung von Rundfunkübertragungsdiensten im Versorgungsgebiet von UPC“. In diesem Entwurf stellte die OPTA fest, dass UPC in ihrem Versorgungsgebiet über beträchtliche Marktmacht auf „dem Markt für die Bereitstellung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogrammangebote über Kabel“ verfüge, und erlegte ihr Verpflichtungen in Bezug auf die Berechnung ihrer Entgelte auf(15).

12.      Am 3. November 2005(16) äußerte die mit diesem Bescheidentwurf der OPTA befasste Kommission der Europäischen Gemeinschaften Zweifel an dessen Vereinbarkeit mit Art. 15 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit ihrer Empfehlung 2003/311/EG(17).

13.      Der endgültige Bescheid der OPTA vom 17. März 2006 enthielt die Preiskontrollmaßnahme nicht mehr.

14.      Daraufhin leitete UPC am 15. Mai 2006 vor der Rechtbank te Amsterdam ein Verfahren gegen die Gemeente Hilversum ein, in dessen Rahmen sie beantragte, die streitige Entgeltbeschränkungsklausel für nichtig zu erklären und die Gemeente zur Duldung von Entgelterhöhungen zu verpflichten. Sie berief sich insoweit u. a. auf die Unvereinbarkeit der Entgeltbeschränkungsklausel mit den Bestimmungen des NRR.

15.      Am 27. Juni 2007 wies die Rechtbank te Amsterdam die Klage von UPC ab.

III – Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof

16.      Unter diesen Umständen hat der Gerechtshof te Amsterdam, der über das Rechtsmittel von UPC zu entscheiden hat, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof nicht weniger als 18 Vorabentscheidungsfragen vorzulegen, die wie folgt formuliert sind:

1.      Fällt ein aus der Verbreitung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogramme über Kabel bestehender Dienst, für dessen Bereitstellung sowohl Übertragungskosten als auch ein Betrag für (die Weitergabe der) an Rundfunkanstalten und kollektive Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Inhalte gezahlten Gebühren in Rechnung gestellt werden, in den sachlichen Anwendungsbereich des NRR?

2. a) Kommt der Gemeente vor dem Hintergrund der Liberalisierung des Telekommunikationssektors und der Ziele des NRR, einschließlich des darin vorgesehenen strengen Koordinierungs- und Konsultationsverfahrens, das durchzuführen ist, bevor eine nationale Regulierungsbehörde die (ausschließliche) Zuständigkeit dafür erhält, mittels einer Preiskontrollmaßnahme in Endnutzerentgelte einzugreifen, noch eine Befugnis (Aufgabe) zu, die allgemeinen Interessen ihrer Einwohner durch ein Eingreifen in Endnutzerentgelte mittels einer Entgeltbeschränkungsklausel zu schützen?

2. b)      Falls nein, steht der neue Rechtsrahmen der Anwendung der Entgeltbeschränkungsklausel entgegen, die sich die Gemeente beim Verkauf ihres Kabelnetzunternehmens ausbedungen hat?

Sofern die Fragen 2 Buchst. a und 2 Buchst. b verneint werden, stellt sich folgende Frage:

3.      Ist ein Träger öffentlicher Gewalt wie die Gemeente in einer Situation wie der vorliegenden (auch) zur Unionstreue verpflichtet, wenn sie bei der Vereinbarung und späteren Anwendung der Entgeltbeschränkungsklausel nicht in Ausführung einer öffentlichen Aufgabe, sondern im Rahmen einer zivilrechtlichen Befugnis tätig wird (vgl. auch Frage 6 Buchst. a)?

4.      Falls sowohl der NRR anwendbar als auch die Gemeente zur Unionstreue verpflichtet ist:

a)      Steht die Verpflichtung zur Unionstreue in Verbindung mit dem NRR (bzw. dessen Zielen), einschließlich des darin vorgesehenen strengen Koordinierungs- und Konsultationsverfahrens, das durchzuführen ist, bevor eine nationale Regulierungsbehörde die Zuständigkeit dafür erhält, mittels einer Preiskontrollmaßnahme in Endnutzerentgelte einzugreifen, der Anwendung der Entgeltbeschränkungsklausel durch die Gemeente entgegen?

b)      Falls nein, fällt die Antwort auf Frage 4 Buchst. a für den Zeitraum, nachdem die Kommission in ihrem Schreiben erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der von der OPTA vorgeschlagenen Preiskontrolle mit den in Art. 8 der Rahmenrichtlinie umschriebenen Zielen des NRR geäußert und die OPTA daraufhin vom Erlass dieser Maßnahme abgesehen hat, anders aus?

5. a)      Handelt es sich bei Art. 101 AEUV um eine Vorschrift aus dem Bereich der öffentlichen Ordnung, die das nationale Gericht im Sinne der Art. 24 und 25 der niederländischen Zivilprozessordnung außerhalb der Grenzen des Rechtsstreits von Amts wegen anzuwenden hat?

5. b)      Falls ja, im Hinblick auf welche im Verfahren vorgetragene Tatsachen hat das Gericht die Anwendbarkeit von Art. 101 AEUV von Amts wegen zu prüfen? Ist das Gericht hierzu auch verpflichtet, wenn diese Prüfung, nachdem den Parteien Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern, (möglicherweise) zu einer Tatsachenergänzung im Sinne von Art. 149 der niederländischen Zivilprozessordnung führt?

6.      Sofern Art. 101 AEUV außerhalb der von den Parteien gezogenen Grenzen des Rechtsstreits anzuwenden ist, stellen sich vor dem Hintergrund (der Ziele) des NRR, seiner Anwendung durch die OPTA und die Europäische Kommission sowie der Angleichung der im NRR verwendeten Begriffe wie „beträchtliche Marktmacht“ und „Abgrenzung der relevanten Märkte“ an ähnliche Begriffe im europäischen Wettbewerbsrecht aufgrund des Sachvortrags im vorliegenden Verfahren folgende Fragen:

6. a)      Gilt die Gemeente beim Verkauf ihres Kabelnetzunternehmens und bei der in diesem Zusammenhang geschlossenen Entgeltbeschränkungsvereinbarung als Unternehmen im Sinne von Art. 101 AEUV (vgl. auch Frage 3)?

6. b)      Ist die Entgeltbeschränkungsklausel nach Maßgabe der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 EG nicht spürbar beschränken (de minimis) (ABl. 2001, C 368, S. 13, Randnr. 11), als schwerwiegende Beschränkung (Kernbeschränkung) im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Buchst. a AEUV anzusehen? Falls ja, liegt bereits aus diesem Grund eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV vor? Falls nein, sind für die Beantwortung die in Frage 6 Buchst. d genannten Umstände von Bedeutung?

6. c)      Falls die Entgeltbeschränkungsklausel keine schwerwiegende Beschränkung darstellt, bezweckt sie (bereits) deshalb eine Einschränkung des Wettbewerbs, weil:

–        die nationale Wettbewerbsbehörde zu dem Ergebnis gekommen ist, dass UPC durch die Berechnung (höherer) Entgelte für die Erbringung von mit der Kabelverbreitung des Basisangebots identischen Diensten auf demselben Markt ihre beherrschende Stellung nicht missbraucht hat;

–        die Kommission in ihrem letter of serious doubt erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit einer (Vorab‑)Regulierung von Endnutzerentgelten (mittels Preiskontrolle) für Dienste wie die Verbreitung des Basisangebots über Kabel durch UPC mit den in Art. 8 der Rahmenrichtlinie umschriebenen Zielen geäußert hat? Ist für die Beantwortung der Umstand, dass die OPTA auf den letter of serious doubt hin von einer Preiskontrolle abgesehen hat, von Bedeutung?

6. d)      Stellt der die Entgeltbeschränkungsklausel enthaltende Vertrag (auch) in Anbetracht der Tatsache, dass

–        UPC nach dem neuen Rechtsrahmen als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht anzusehen ist (De-minimis-Bekanntmachung, Ziff. 7),

–        nahezu sämtliche niederländischen Gemeinden, die in den 90er Jahren ihre Kabelnetzunternehmen an Kabelbetreiber – darunter UPC – veräußert haben, sich in diesen Verträgen Befugnisse zur Festsetzung der Entgelte für das Basisangebot vorbehalten haben (De-minimis-Bekanntmachung, Ziff. 8), eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV dar?

6. e)      Ist der die Entgeltbeschränkungsklausel enthaltende Vertrag in Anbetracht der Tatsache, dass

–        UPC nach dem NRR als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht anzusehen ist,

–        die OPTA das europäische Konsultationsverfahren, das nach dem NRR durchzuführen ist, wenn eine geplante Maßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben wird, für eine Preiskontrollmaßnahme in Bezug auf Dienste wie die Verbreitung des Basisangebots über Kabel durch Kabelbetreiber mit beträchtlicher Marktmacht wie UPC durchgeführt hat,

–        der Vertrag seinerzeit einen Wert von 51 Mio. NLG (rund 23 Mio. Euro) hatte,

–        nahezu sämtliche niederländischen Gemeinden, die in den 90er Jahren ihre Kabelnetzunternehmen an Kabelbetreiber – darunter UPC – veräußert haben, sich in diesen Verträgen Befugnisse zur Festsetzung der Entgelte für das Basisangebot vorbehalten haben,

im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV und nach Maßgabe der Leitlinien über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags (ABl. 2004, C 101, S. 81) als den Handel zwischen Mitgliedstaaten (potenziell) spürbar beeinträchtigend anzusehen?

7.      Ist das nationale Gericht vor dem Hintergrund des NRR und der von der Kommission im letter of serious doubt geäußerten erheblichen Zweifel an der Vereinbarkeit einer (Vorab‑)Regulierung von Endnutzerentgelten mit den Zielen des Wettbewerbsrechts noch befugt, eine nach Art. 101 Abs. 1 AEUV verbotene Entgeltbeschränkungsklausel gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV für nicht anwendbar zu erklären? Ist für die Beantwortung der Umstand, dass die OPTA auf den letter of serious doubt hin von der geplanten Preiskontrolle abgesehen hat, von Bedeutung?

8.      Lässt die europäische Nichtigkeitssanktion des Art. 101 Abs. 2 AEUV im Licht der Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (Anfangsphase der Liberalisierung des Telekommunikationssektors) und der späteren Entwicklungen innerhalb des Telekommunikationssektors, einschließlich des Inkrafttretens des NRR und der darauf zurückzuführenden erheblichen Bedenken der Kommission gegen den Erlass einer Preiskontrollmaßnahme, Raum für eine Relativierung ihrer zeitlichen Geltung?

IV – Würdigung

A –    Einleitende Bemerkungen zur Tragweite und zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

17.      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es nicht erforderlich sein wird, auf alle 18 Fragen des vorlegenden Gerichts zu antworten.

18.      Letzteres legt selbst einige dieser Fragen hilfsweise vor, so dass die Notwendigkeit, auf sie zu antworten, ausdrücklich von der Antwort auf andere Fragen abhängt. Dies ist der Fall bei Frage 2b, die eine Verneinung von Frage 2a voraussetzt, und bei Frage 3, die ihrerseits eine Verneinung der vorhergehenden Fragen voraussetzt.

19.      Allerdings drängt sich, wie man im Verlauf der Ausführungen sehen wird, der Hilfscharakter mancher Fragen im Licht der Antworten auf die ersten Fragen auch logisch auf. Dies ist insbesondere der Fall bei den Fragen 3 und 4, die den Umfang der Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit betreffen und im Rahmen der Prüfung der vorhergehenden Fragen beantwortet werden sollen. Dies gilt, wie die Kommission feststellt, aber auch für die Fragen 5 bis 8, die sich auf Art. 101 AEUV beziehen.

20.      Im Übrigen ist, wie die Gemeente Hilversum in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, in diesem Stadium nicht auszuschließen, dass einige der Fragen des vorlegenden Gerichts, insbesondere die Fragen 5 bis 8, die sich auf Art. 101 AEUV beziehen, für unzulässig oder zumindest für gegenstandslos erklärt werden müssen, da ihre Erheblichkeit für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits im Licht der Angaben des vorlegenden Gerichts ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann.

21.      Letzten Endes lassen sich die einzelnen Fragen des vorlegenden Gerichts, wie ich feststellen werde, drei verschiedenen Hauptfragestellungen zuordnen, wobei die erste den Anwendungsbereich des NRR und damit die Anwendbarkeit der Bestimmungen der im Ausgangsrechtsstreit einschlägigen Richtlinien betrifft (erste Frage), die zweite sich auf den Umfang der Verpflichtungen bezieht, die der Gemeente Hilversum aufgrund dieser Richtlinien (zweite Frage) oder der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV (dritte und vierte Frage) obliegen, und die letzte schließlich die etwaigen Auswirkungen von Art. 101 Abs. 1 (fünfte und sechste Frage), Abs. 2 (siebte Frage) und Abs. 3 (achte Frage) AEUV auf die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits zum Gegenstand hat.

B –    Zum sachlichen Anwendungsbereich des NRR: der Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ (erste Frage)

22.      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof erfahren, ob ein aus der Verbreitung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogramme über Kabel bestehender Dienst in den sachlichen Anwendungsbereich des NRR fällt, wobei das für diesen Dienst in Rechnung gestellte Entgelt sowohl Übertragungskosten als auch an Rundfunkanstalten und kollektive Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Veröffentlichung ihrer Inhalte gezahlte Gebühren umfasst.

1.      Zusammenfassung der Erklärungen

23.      UPC macht geltend, sie stelle im Wesentlichen elektronische Kommunikationsdienste bereit, so dass der Ausgangsrechtsstreit unter den NRR falle. Die Gemeente Hilversum und die niederländische Regierung sind hingegen der Ansicht, UPC biete, da sie sich auf den Kauf von Inhalten bei verschiedenen Fernsehsendern beschränke, um daraus ein Hörfunk- und Fernsehangebot zusammenzustellen und die Endnutzer über ihr Kabelnetz mit diesem Angebot zu versorgen, einen aus der Verbreitung von Inhalten bestehenden Dienst an, der aus dem Anwendungsbereich des NRR falle.

24.      Die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde sind der Auffassung, der von UPC bereitgestellte Dienst falle gleichzeitig unter die Übertragung von Signalen und unter die Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehinhalten, so dass der NRR nur auf die erste Komponente Anwendung finde. Die EFTA-Überwachungsbehörde ist jedoch der Ansicht, es sei Sache des vorlegenden Gerichts, die Natur des von UPC bereitgestellten Dienstes zu bestimmen und daraus die Schlussfolgerungen zu ziehen.

2.      Würdigung

25.      Die Antwort auf diese Frage steht meines Erachtens außer Zweifel, wie sowohl aus der Definition des Begriffs „elektronischer Kommunikationsdienst“ in Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie und Art. 1 Nr. 3 der Wettbewerbsrichtlinie als auch aus der Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des NRR in dem Kontext, in den sie sich einfügen, und im Licht des Zwecks, den sie verfolgen, sowie aus den Bestimmungen der Richtlinie 2010/13/EU(18) hervorgeht.

26.      Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie definiert elektronische Kommunikationsdienste nämlich als „gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben“. In dieser Vorschrift heißt es weiter: „[N]icht dazu gehören die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der Richtlinie 98/34/EG[(19)], die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“.

27.      Wie aus dieser Definition, die nahezu wörtlich in Art. 1 Nr. 3 der Wettbewerbsrichtlinie übernommen worden ist, hervorgeht, definieren sich elektronische Kommunikationsdienste gleichzeitig positiv und negativ.

28.      Der fünfte Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie sieht insoweit vor, dass „[a]ngesichts der Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien … für alle Übertragungsnetze und ‑dienste ein einheitlicher Rechtsrahmen gelten [sollte]“, und dass es im Rahmen der Festlegung dieses Rahmens „notwendig [ist], die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen“. Er stellt klar, dass der NRR „daher nicht die Inhalte von Diensten [betrifft], die über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitgestellt werden, wie Rundfunkinhalte oder Finanzdienste und bestimmte Dienste der Informationsgesellschaft; er lässt folglich alle Maßnahmen unberührt, die auf Gemeinschaftsebene oder im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf der Ebene der Mitgliedstaaten in Bezug auf diese Dienste getroffen werden, um die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu fördern und die Wahrung des Pluralismus der Medien sicherzustellen“.

29.      Ebenso sieht der siebte Erwägungsgrund der Wettbewerbsrichtlinie, in dem ausgeführt wird, dass die Begriffe „elektronische Kommunikationsdienste“ und „elektronische Kommunikationsnetze“ den Begriffen „Telekommunikationsdienste“ und „Telekommunikationsnetze“ vorgezogen worden sind, gerade um dem Phänomen der Verschmelzung Rechnung zu tragen, vor, dass diese Begriffsbestimmungen alle elektronischen Kommunikationsdienste und/oder „für die Übertragung von Signalen über Draht, Funk, optische oder sonstige elektromagnetische Mittel verwendeten“ Netze unter einem Oberbegriff zusammenfassen, um „Festnetze, drahtlose Netze, Kabelfernsehnetze [und] Satellitennetze“ zu erfassen. Er stellt ferner klar, dass „[d]ie Übertragung und Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen … ebenfalls als ein elektronischer Kommunikationsdienst einzustufen [sind]“.

30.      Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste definiert audiovisuelle Mediendienste darüber hinaus als „eine Dienstleistung im Sinne der Artikel 56 [AEUV] und 57 [AEUV], für die ein Mediendiensteanbieter die redaktionelle Verantwortung trägt und deren Hauptzweck die Bereitstellung von Sendungen zur Information, Unterhaltung oder Bildung der allgemeinen Öffentlichkeit über elektronische Kommunikationsnetze im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 2002/21/EG ist“. In derselben Vorschrift heißt es: „Bei diesen audiovisuellen Mediendiensten handelt es sich entweder um Fernsehprogramme gemäß der Definition unter Buchstabe e des vorliegenden Absatzes oder um audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gemäß der Definition unter Buchstabe g des vorliegenden Absatzes“.

31.      Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung sowie aus den beim Gerichtshof abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen hervor, dass UPC eine Tätigkeit ausübt, die im Wesentlichen aus der Übertragung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen über Kabel an ihre Kunden besteht, die Inhaber eines Abonnements sind. Insbesondere steht fest, dass UPC nicht selbst Hörfunk- und Fernsehprogramme produziert und dass sie keinerlei redaktionelle Kontrolle über den Inhalt der Programme ausübt, die sie überträgt.

32.      Insoweit kann dem auf der Unterscheidung zwischen der „Verbreitung von Hörfunk- und Fernsehdiensten“ und der „Übertragung der [damit verbundenen] Signale“ beruhenden Vorbringen der Gemeente Hilversum und des Königreichs der Niederlande, wonach die Tätigkeit von UPC nicht unter den NRR falle, da deren Kunden keine leere Übertragungskapazität kauften, sondern einen Inhalt, ein Hörfunk- und Fernsehprogrammangebot, das über ein Kabelnetz übertragen werde, nicht stattgegeben werden.

33.      Wie nämlich aus den verschiedenen oben aufgeführten Definitionen hervorgeht, unterscheiden die einschlägigen Richtlinien klar zwischen der Produktion von Inhalten, die eine redaktionelle Kontrolle voraussetzt, und der Übertragung von Inhalten ohne jede redaktionelle Kontrolle, wobei die Inhalte und ihre Übertragung unter getrennte Regelungen fallen(20), die jeweils eigene Ziele verfolgen(21) und sich weder auf die Kunden der bereitgestellten Dienste noch auf die Struktur der diesen in Rechnung gestellten Übertragungskosten beziehen.

34.      Auch wenn die Kunden von UPC mit dem Abschluss eines Abonnements bei dieser Inhalt kaufen, um Zugang zu dem von ihr angebotenen analogen Hörfunk- und Fernsehprogrammangebot zu erhalten, bedeutet dies daher gleichwohl nicht, dass die Tätigkeit der Letztgenannten, die aus der Übertragung der von Inhalteanbietern, im vorliegenden Fall Rundfunksendern, unter eigener redaktioneller Kontrolle produzierten Programme bis zum Verbindungspunkt ihres Kabelnetzes in der Wohnung ihrer Abonnenten besteht, nicht als elektronischer Kommunikationsdienst zu qualifizieren ist, der in den Anwendungsbereich des NRR fällt.

35.      Wie die Kommission geltend gemacht hat, fällt die Verbreitung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogramme über Kabel vielmehr unter den Begriff „elektronischer Kommunikationsdienst“ und damit in den sachlichen Anwendungsbereich des NRR, soweit sie die Übertragung von Signalen über das Kabelnetz umfasst.

36.      Jede andere Auslegung würde die Tragweite des NRR beträchtlich vermindern, die praktische Wirksamkeit seiner Vorschriften beeinträchtigen und damit die Verwirklichung der Ziele, die er verfolgt, vereiteln.

37.      Da das eigentliche Ziel des NRR die Schaffung eines wirklichen Binnenmarkts für die elektronische Kommunikation ist(22), in dessen Rahmen diese letztendlich nur durch das Wettbewerbsrecht geregelt werden soll(23), würde der Ausschluss der Tätigkeiten eines Unternehmens wie UPC von seinem Anwendungsbereich unter dem Vorwand, dass dieses sich nicht mit der Übertragung der Signale begnüge, den genannten Rahmen nämlich gegenstandslos machen.

38.      Auch kann der Umstand, dass die den Abonnenten in Rechnung gestellten Übertragungskosten das den Rundfunksendern geschuldete Entgelt und die an die kollektiven Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Verbreitung ihrer Inhalte gezahlten Gebühren enthalten, der Qualifizierung des von UPC bereitgestellten Dienstes als elektronischer Kommunikationsdienst im Sinne des NRR aus den gleichen Gründen nicht entgegenstehen.

39.      Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, dass die Richtlinie 2002/21 dahin auszulegen ist, dass ein aus der Verbreitung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogramme über Kabel bestehender Dienst, für den ein Entgelt zu zahlen ist, das die Übertragungskosten sowie die an Rundfunkanstalten und kollektive Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Verbreitung ihrer Inhalte gezahlten Gebühren enthält, in ihren sachlichen Anwendungsbereich fällt, da dieser Dienst die Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze umfasst.

C –    Zur Tragweite des NRR: Vorrechte der Mitgliedstaaten und Zuständigkeiten der Gemeente Hilversum (zweite Frage)

40.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen erfahren, ob eine Gebietskörperschaft wie die Gemeente Hilversum in Anbetracht des NRR in die Festsetzung von Endnutzerentgelten für von einem Wirtschaftsteilnehmer wie UPC bereitgestellte elektronische Kommunikationsdienste über Kabel eingreifen kann.

41.      Diese Frage gliedert sich in zwei Unterfragen, die den Besonderheiten der Rechtslage im Ausgangsrechtsstreit, die sich im vorliegenden Fall in der Entgeltbeschränkungsklausel im Kaufvertrag zwischen der Gemeente Hilversum und UPC niedergeschlagen haben, Rechnung tragen. Das vorlegende Gericht möchte daher zum einen wissen, ob der NRR unter Berücksichtigung der Zuständigkeiten, die er den nationalen Regulierungsbehörden verleiht, der Zuständigkeit einer Gebietskörperschaft für den Erlass von Preiskontrollmaßnahmen entgegensteht. Falls nein, möchte es zum anderen wissen, ob der NRR der Anwendung einer solchen vertraglichen Entgeltbeschränkungsklausel durch eine Gebietskörperschaft entgegensteht.

1.      Zusammenfassung der Erklärungen

42.      Die Gemeente Hilversum und die niederländische Regierung weisen zunächst darauf hin, dass die Entgeltbeschränkungsklausel bei Abschluss des Vertrags zwischen den Parteien frei ausgehandelt worden sei und die Gegenleistung für den vertraglich vereinbarten Kaufpreis darstelle. Sie sind der Ansicht, der NRR stehe der Entgeltbeschränkungsklausel jedenfalls insoweit nicht entgegen, als diese den jederzeit möglichen Erlass einer Maßnahme zur Förderung des Wettbewerbs gemäß Art. 17 der Universaldienstrichtlinie durch die nationale Regulierungsbehörde, hier die OPTA, nicht hindern könne.

43.      UPC, die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde sind hingegen der Auffassung, eine solche Klausel sei nunmehr mit dem NRR unvereinbar, da die Gemeente Hilversum insbesondere nicht als nationale Regulierungsbehörde, die allein dafür zuständig sei, Maßnahmen zur Kontrolle von Einzelpreisen, zu denen eine Maßnahme wie die Entgeltbeschränkungsklausel zähle, zu erlassen, oder so anzusehen sei, als habe sie rechtmäßig in der Eigenschaft als nationale Regulierungsbehörde gehandelt. Die Kommission schließt jedoch nicht aus, dass eine solche Maßnahme, sofern sie den Grundsätzen der Transparenz, der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung genüge, die Gegenleistung für eine unter Art. 106 Abs. 2 AEUV fallende Gemeinwohlverpflichtung darstellen könne, was das vorlegende Gericht festzustellen habe.

2.      Würdigung

44.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, auch wenn der die Entgeltbeschränkungsklausel enthaltende Vertrag vor dem Erlass des NRR abgeschlossen worden ist, die verschiedenen Richtlinien, aus denen er besteht, von den Mitgliedstaaten bis zum 24. Juli 2003 umgesetzt werden mussten, und die Mitgliedstaaten daher verpflichtet sind, deren Vorschriften einzuhalten und die Einhaltung in ihrem gesamten Hoheitsgebiet zu gewährleisten.

45.      Diese Verpflichtung obliegt den Mitgliedstaaten nach Maßgabe der Richtlinien selbst und damit unabhängig von der Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit, die sie gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV trifft, so dass es, wenn der Schluss zu ziehen wäre, dass der NRR der Anwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Entgeltbeschränkungsklausel entgegensteht, nicht erforderlich wäre, auf die dritte und die vierte Vorlagefrage zu antworten, da ein Verstoß gegen die Bestimmungen des NRR ohne Weiteres die Verletzung dieser Pflicht implizieren würde.

46.      Sodann ist zu bemerken, dass, wie aus der Prüfung der einschlägigen Bestimmungen des NRR hervorgeht und wie UPC, die Kommission und die EFTA-Überwachungsbehörde in ihren schriftlichen Erklärungen sowie in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen dargelegt haben, Maßnahmen zur Kontrolle des Preises für elektronische Kommunikationsdienste wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende(24) nur zulässig sein können, wenn sie zu den Maßnahmen gehören, die von einer nationalen Regulierungsbehörde gegenüber einem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht erlassen werden können, oder wenn sie sich durch ein Ziel des Allgemeininteresses oder durch Art. 106 Abs. 2 AEUV rechtfertigen lassen.

47.      Auch wenn unterstellt wird, dass die Gemeente Hilversum die Voraussetzungen der Zuständigkeit, der funktionalen und rechtlichen Unabhängigkeit, der Unparteilichkeit und der Transparenz, die von Art. 3 der Rahmenrichtlinie sowie von der Rechtsprechung des Gerichtshofs(25) aufgestellt werden, um berechtigterweise als nationale Regulierungsbehörde qualifiziert werden zu können(26), erfüllt, ist sie jedenfalls, wie ich in einem ersten Schritt aufzeigen werde, nicht so anzusehen, als habe sie rechtmäßig in dieser Eigenschaft gehandelt, da die UPC auferlegte Entgeltbeschränkungsklausel unter Verstoß gegen die in den verschiedenen einschlägigen Richtlinien festgelegten detaillierten Verfahrensvorschriften erlassen worden ist.

48.      Im Übrigen ist es, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gemeente Hilversum – zwar nicht in der Eigenschaft als nationale Regulierungsbehörde, aber als Gebietskörperschaft – eine solche Entgeltbeschränkungsmaßnahme, sofern diese durch die Verfolgung von Zielen des Allgemeininteresses oder durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt ist, erlassen kann, jedenfalls Sache des vorlegenden Gerichts, die entsprechenden Untersuchungen durchzuführen, was ich in einem zweiten Schritt zeigen werde.

a)      Zu den Preiskontrollmaßnahmen, die im Rahmen des NRR erlassen werden können

49.      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel des NRR die Schaffung eines wirklichen Binnenmarkts für die elektronische Kommunikation ist, in dessen Rahmen diese letztendlich nur durch das Wettbewerbsrecht geregelt werden soll(27), insbesondere über den schrittweisen Abbau der sektorspezifischen Vorabregulierung(28).

50.      Gemäß Art. 2 Abs. 3 der Wettbewerbsrichtlinie sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste über elektronische Kommunikationsnetze vorbehaltlich der Bestimmungen der Zugangsrichtlinie, der Genehmigungsrichtlinie, der Rahmenrichtlinie und der Universaldienstrichtlinie keinerlei Beschränkungen unterliegt.

51.      Nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinien erhält die durch den NRR und dessen Berichtigungen geschaffene Wettbewerbsregelung somit Gestalt und ist die Vereinbarkeit der Anwendung der Entgeltbeschränkungsklausel zu prüfen.

52.      Die Rahmenrichtlinie legt unter diesem Blickwinkel die Aufgaben fest, die den nationalen Regulierungsbehörden unter der Kontrolle der Kommission obliegen, und trifft verfahrenstechnische Regelungen zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung des NRR in der gesamten Union.

53.      Die nationalen Regulierungsbehörden, die in Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie definiert werden, sind danach damit beauftragt, gemäß Art. 8 Abs. 1 dieser Richtlinie alle angezeigten und verhältnismäßigen Maßnahmen zu treffen, die den in den Abs. 2, 3 und 4 dieser Vorschrift vorgegebenen Zielen – Förderung des Wettbewerbs u. a. bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste, Beitrag zur Entwicklung des Binnenmarkts und Förderung der Interessen der Unionsbürger – dienen.

54.      Art. 3 der Genehmigungsrichtlinie wiederum schreibt den Mitgliedstaaten vor, die Freiheit zu gewährleisten, elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitzustellen, und stellt klar, dass diese Bereitstellung unbeschadet der in Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie genannten besonderen Verpflichtungen grundsätzlich nur von einer Allgemeingenehmigung abhängig gemacht werden darf(29).

55.      Art. 6 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie sieht im vorliegenden Fall u. a.(30) vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste mit beträchtlicher Marktmacht gemäß den Art. 6 und 8 der Zugangsrichtlinie besondere Verpflichtungen auferlegen können, wobei deren Erlass die Einhaltung genauer Bedingungen und Modalitäten voraussetzt(31). Nach derselben Vorschrift müssen diese Verpflichtungen zum einen rechtlich von den mit der Allgemeingenehmigung verbundenen Rechten und Pflichten getrennt werden und zum anderen in der Allgemeingenehmigung die Kriterien und Verfahren angegeben werden, nach denen solche besonderen Verpflichtungen auferlegt werden können.

56.      An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass der Gerichtshof über keinerlei Angaben über die UPC erteilte Allgemeingenehmigung verfügt, außer dass die Gemeente Hilversum ihr helfen sollte, sie zu erhalten.

57.      Wie dem auch sei, es lässt sich nicht die Auffassung vertreten, dass die Entgeltbeschränkungsklausel, die UPC von der Gemeente Hilversum auferlegt worden ist, unter die in Art. 13 der Zugangsrichtlinie genannten Preiskontrollmaßnahmen, die gemäß Art. 8 dieser Richtlinie gegenüber Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht erlassen werden können, zu subsumieren sei.

58.      Zunächst gehört der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Markt aufgrund des bestehenden Wettbewerbs zwischen der Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen über Kabel und der Entwicklung des terrestrischen Digitalfernsehens einerseits und der Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen über DSL-Netze andererseits(32) nicht mehr zu den Märkten, die in der Empfehlung 2007/879/EG als für eine Vorabregulierung in Betracht kommend aufgeführt sind.

59.      Zwar hindert dieser Umstand, wie die Kommission feststellt, eine nationale Regulierungsbehörde grundsätzlich nicht daran, Endnutzermärkte entsprechend den nationalen, eine Vorabregulierung rechtfertigenden Gegebenheiten festzulegen(33).

60.      Weiter ist jedoch erforderlich, dass die Definition solcher Märkte unter Anwendung der in den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie genannten Verfahren erfolgt, den interessierten Parteien insbesondere zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist(34), dass bei der Analyse dieser Märkte das in Art. 16 dieser Richtlinie vorgesehene Verfahren eingehalten wird, dass, wenn feststeht, dass auf dem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb herrscht, die Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gemäß Art. 14 der Rahmenrichtlinie ermittelt werden, und schließlich, dass die Preiskontrollmaßnahme unter Einhaltung des in deren Art. 7 Abs. 2 vorgesehenen Verfahrens einerseits und der Voraussetzungen des Art. 13 der Zugangsrichtlinie andererseits erlassen wird.

61.      Aus den Akten geht jedoch hervor, dass die gegen UPC verhängte Maßnahme unter Verstoß gegen die verschiedenen verfahrensrechtlichen Verpflichtungen, die von den verschiedenen einschlägigen Bestimmungen des NRR vorgeschrieben werden, insbesondere unter Verstoß gegen die in den Art. 6 und 7 der Rahmenrichtlinie genannten Verpflichtungen, ergangen ist.

62.      Die Einschlägigkeit der Universaldienstrichtlinie ist aus den gleichen Gründen zu verneinen. Auch wenn deren Art. 9 vorsieht, dass Preiskontrollmaßnahmen gegen Unternehmen verhängt werden können, die benannt worden sind, um einen Universaldienst zu erbringen, können diese, unterstellt, sie lassen sich auf Hörfunk- und Fernsehdienste anwenden, erst nach Durchführung einer Marktanalyse im Sinne von Art. 16 der Rahmenrichtlinie und der Art. 16 und 17 der Universaldienstrichtlinie auferlegt werden(35).

63.      Es lässt sich daher der vorläufige Schluss ziehen, dass der NRR der Entgeltbeschränkungsklausel grundsätzlich entgegensteht, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass diese durch die Verfolgung von Zielen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist.

64.      Gemäß Art. 1 Abs. 2 und 3 der Rahmenrichtlinie bleiben nämlich sowohl Verpflichtungen, die durch innerstaatliche Maßnahmen aufgrund des Unionsrechts oder durch Rechtsvorschriften der Union für die genannten Dienste auferlegt werden, als auch die von der Union oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, von den Bestimmungen der Richtlinien, aus denen der NRR besteht, unberührt.

65.      Vorliegend wird nicht behauptet, die Entgeltbeschränkungsklausel ergebe sich aus einer in innerstaatlichen Maßnahmen, die aufgrund des Unionsrechts oder durch Rechtsvorschriften der Union erlassen worden sind, vorgesehenen Verpflichtung. Zu prüfen ist hingegen, ob mit der Anwendung dieser Klausel ein Ziel des Allgemeininteresses im Sinne von Art. 1 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie verfolgt wird oder ob sie durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt sein kann.

b)      Zu den aus der Verfolgung eines Ziels des Allgemeininteresses hergeleiteten Rechtfertigungen

66.      Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie bleiben die von der Union oder den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht getroffenen Maßnahmen zur Verfolgung von Zielen, die im Interesse der Allgemeinheit liegen, insbesondere in Bezug auf die Regulierung von Inhalten und die audiovisuelle Politik, von dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien unberührt.

67.      Aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie geht hervor, dass die Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Unionsrechts mit Blick auf bestimmte Allgemeininteressen wie freie Meinungsäußerung, Pluralismus der Medien, Unparteilichkeit, kulturelle und sprachliche Vielfalt, soziale Einbeziehung, Verbraucherschutz und Schutz von Minderjährigen u. a. eine audiovisuelle Politik verfolgen und eine Regulierung von Inhalten vornehmen können.

68.      Im vorliegenden Fall liefert das vorlegende Gericht, auch wenn es in der Begründung seiner Vorlageentscheidung und in seiner zweiten Vorlagefrage anklingen lässt, dass sich die Gemeente Hilversum privatrechtlicher Instrumente bedient habe, um die allgemeinen Interessen ihrer Einwohner zu schützen, nicht den geringsten Hinweis auf die Art der auf diese Weise geschützten Interessen.

69.      Die Gemeente Hilversum und die niederländische Regierung machen insoweit geltend, die Entgeltbeschränkungsklausel, die frei vereinbart worden sei, verfolge ein Verbraucherschutzinteresse. Sie erlaube es, die Bereitstellung eines Hörfunk- und Fernsehdienstes, des analogen Basisangebots, zu einem sozialverträglichen Preis, der für Haushalte mit niedrigen Einkommen erschwinglich bleiben müsse, zu gewährleisten; dieser Dienst stelle daher einen Dienst der elementaren Daseinsvorsorge dar.

70.      Das Ziel des NRR besteht, worauf zuvor hingewiesen worden ist, jedoch gerade darin, den Nutzern durch die Förderung des Wettbewerbs größtmögliche Vorteile in Bezug auf Auswahl, Preise und Qualität elektronischer Kommunikationsdienste zu garantieren(36). Insbesondere ist es allein Sache der nationalen Regulierungsbehörden, nach Durchführung einer Analyse des Marktes gegebenenfalls unparteiisch und transparent(37) gegen ein Unternehmen mit beträchtlicher Macht auf diesem Markt vorzugehen, das aufgrund eines Mangels an wirksamem Wettbewerb seine Preise zum Nachteil der Endnutzer auf einem übermäßig hohen Niveau halten könnte(38).

71.      Folglich – und sogar unabhängig davon, dass die OPTA im vorliegenden Fall, worauf oben in den Nrn. 11 bis 13 hingewiesen worden ist, unter der Kontrolle der Kommission einen Bescheid im genau gegenteiligen Sinne erlassen hat – ist diese von der Gemeente Hilversum und der niederländischen Regierung vorgebrachte Rechtfertigung als solche nicht zulässig.

72.      Die Kommission ist in ihren Schriftsätzen gleichwohl auf die Frage eingegangen, ob UPC als von der Gemeente Hilversum mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV betraut angesehen werden konnte. Sie ist jedoch der Ansicht, sie verfüge nicht über genügend Anhaltspunkte, um auf diese Frage zu antworten, und schlägt daher vor, das vorlegende Gericht zu ersuchen, sich hierzu im Licht der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu äußern.

73.      Der Gerichtshof hat zwar entschieden, dass Art. 106 Abs. 2 AEUV, der unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften des Vertrags zulasse, das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen, insbesondere solcher des öffentlichen Sektors, als Instrument der Wirtschafts- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Union an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Gemeinsamen Marktes in Einklang bringen solle(39). Unter Berücksichtigung dieses Interesses der Mitgliedstaaten, auf das in Art. 14 AEUV hingewiesen wird, könne es diesen nicht verboten sein, bei der Umschreibung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, mit denen sie bestimmte Unternehmen betrauten, die eigenen Ziele ihrer staatlichen Politik zu berücksichtigen und diese vermittels Verpflichtungen und Beschränkungen zu verwirklichen zu suchen, die sie den fraglichen Unternehmen auferlegten(40).

74.      Gleichwohl ist festzustellen, dass sich das vorlegende Gericht weder auf Art. 106 Abs. 2 AEUV noch überhaupt auf den Gedanken bezieht, dass sich in der Entgeltbeschränkungsklausel die Erteilung eines Auftrags von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse an UPC durch die Gemeente Hilversum manifestiere. Darüber hinaus haben weder die Gemeente Hilversum noch die niederländische Regierung behauptet, die Entgeltbeschränkungsklausel könne durch Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt sein. UPC ihrerseits hat sich hierzu nicht geäußert. Auch sie hat in der mündlichen Verhandlung die Behauptung der Gemeente Hilversum bestritten, wonach die Entgeltbeschränkungsklausel durch einen Nachlass beim Kaufpreis für das Kabelnetz ausgeglichen worden sei.

75.      Der Gerichtshof kann die Rechtssache unter diesen Umständen nur an das vorlegende Gericht zurückverweisen, damit dieses prüft, ob Art. 106 Abs. 2 AEUV in Anbetracht der einschlägigen Rechtsprechung im Ausgangsverfahren Anwendung findet(41).

76.      Insbesondere hat dieses Gericht zunächst festzustellen, ob die Auffassung vertreten werden kann, dass die Gemeente Hilversum UPC tatsächlich mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut hat, und wenn ja, ob die Anwendung des Unionsrechts die Erfüllung der ihr damit übertragenen besonderen Aufgabe verhindert(42), wobei diese Kontrolle insbesondere die Feststellung beinhaltet, welcher Art die Erfordernisse sind, die sich aus der Erfüllung der betreffenden im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe ergeben(43).

77.      Anschließend hat es sich im Licht der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs davon zu überzeugen, dass die auferlegten Verpflichtungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung tragen, und dabei sämtliche Umstände des Ausgangsverfahrens zu berücksichtigen(44).

78.      Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, dass die Art. 6, 8 und 13 der Zugangsrichtlinie, die Art. 3 und 6 Abs. 2 der Genehmigungsrichtlinie sowie Art. 1 Abs. 2 und 3, die Art. 3, 6 und 7 und die Art. 14 bis 16 der Rahmenrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung einer Entgeltbeschränkungsklausel wie der im Ausgangsverfahren grundsätzlich entgegenstehen, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass diese durch die Verfolgung von Zielen des Allgemeininteresses oder nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt ist und in völligem Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht, was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.

D –    Zu den Auswirkungen von Art. 101 AEUV (fünfte bis achte Frage)

79.      In Anbetracht der vorgeschlagenen Antworten auf die oben geprüften ersten Vorlagefragen erscheint es nicht notwendig, die Fragen 5 bis 8 des vorlegenden Gerichts, die sich allesamt auf die Auslegung von Art. 101 AEUV beziehen, zu beantworten.

80.      Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass es nicht möglich ist, festzustellen, inwiefern der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt unter Art. 101 AEUV fallen könnte, da das vorlegende Gericht keinerlei Angaben zu den Gründen macht, die es dazu bewogen haben, die Auffassung zu vertreten, die Gemeente Hilversum sei als Unternehmen zu betrachten, das eine Vereinbarung(45) im Rahmen der Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeiten(46) im Sinne dieser Vorschrift abgeschlossen habe.

V –    Ergebnis

81.      In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Gerechtshof te Amsterdam wie folgt zu beantworten:

1.         Die Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste ist dahin auszulegen, dass ein aus der Verbreitung frei zugänglicher Hörfunk- und Fernsehprogramme über Kabel bestehender Dienst, für den ein Entgelt zu zahlen ist, das die Übertragungskosten sowie die an Rundfunkanstalten und kollektive Verwertungsgesellschaften im Zusammenhang mit der Verbreitung ihrer Inhalte gezahlten Gebühren enthält, in ihren sachlichen Anwendungsbereich fällt, da dieser Dienst die Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze umfasst.

2.         Die Art. 6, 8 und 13 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung, die Art. 3 und 6 Abs. 2 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie Art. 1 Abs. 2 und 3, die Art. 3, 6 und 7 und die Art. 14 bis 16 der Richtlinie 2002/21 sind dahin auszulegen, dass sie der Anwendung einer Entgeltbeschränkungsklausel wie der im Ausgangsverfahren grundsätzlich entgegenstehen, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass diese durch die Verfolgung von Zielen des Allgemeininteresses oder nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt ist und in völligem Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht, was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Im Folgenden: NRR.


3 – ABl. L 108, S. 33, im Folgenden: Rahmenrichtlinie.


4 – Vgl. fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie.


5 – ABl. L 24, S. 1.


6 –      ABl. L 108, S. 7.


7 – ABl. L 108, S. 21.


8 –      ABl. L 108, S. 51.


9 –      ABl. L 249, S. 21, im Folgenden: Wettbewerbsrichtlinie.


10 – Im Folgenden: UPC.


11 – [Betrifft französisches Original.]


12 – Im Folgenden: Entgeltbeschränkungsklausel.


13 – Nederlandse Mededingingsautoriteit.


14 –      Onafhankelijke Post en Telecommunicatie Autoriteit, im Folgenden: OPTA.


15 – Im Folgenden: Preiskontrollmaßnahme.


16 – Vgl. Dokument SG-Greffe (2005) D/205996 vom 3. November 2005, Case NL/2005/0247: Retail markets for the supply of free-to-air radio and television packages via cable transmission in the Netherlands – Opening of Phase II investigation pursuant to Article 7(4) of Directive 2002/21/EC.


17 – Empfehlung der Kommission vom 11. Februar 2003 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (ABl. L 114, S. 45).


18 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (ABl. L 95, S. 1). Diese Richtlinie hat die Richtlinie 89/552/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (ABl. L 298, S. 23) ersetzt.


19 –      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. L 217, S. 18) geänderten Fassung.


20 –      Vgl. fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie.


21 –      Im sechsten Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie heißt es in diesem Zusammenhang, dass „[d]ie audiovisuelle Politik und die Regulierung von Inhalten … mit Blick auf bestimmte Allgemeininteressen wie freie Meinungsäußerung, Pluralismus der Medien, Unparteilichkeit, kulturelle und sprachliche Vielfalt, soziale Einbeziehung, Verbraucherschutz und Schutz von Minderjährigen [erfolgen]“.


22 –      Dieses Ziel fügt sich wiederum in das umfassendere Ziel der Verwirklichung eines einheitlichen europäischen Informationsraums und einer allen offenstehenden Informationsgesellschaft ein. Vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 1. Juni 2005, „i2010 – Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“.


23 –      Vgl. fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 zur Änderung der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste, der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der Richtlinie 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. L 337, S. 37).


24 –      Die in Art. 5 Abs. 1 und 2 der Zugangsrichtlinie aufgeführten Maßnahmen finden im Ausgangsrechtsstreit keine Anwendung.


25 –      Vgl. Urteil vom 6. Oktober 2010, Base u. a. (C‑389/08, Slg. 2010, I‑9073, Randnrn. 27 bis 30).


26 –      Gemäß Art. 3 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie müssen die Mitgliedstaaten der Kommission im Übrigen alle den nationalen Regulierungsbehörden aufgrund des NRR übertragenen Aufgaben mitteilen. Die Kommission hat in ihren Schriftsätzen jedoch unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Gemeente Hilversum in dem Verzeichnis, das ihr das Königreich der Niederlande mitgeteilt hatte, nicht aufgeführt gewesen sei.


27 –      Vgl. oben, Nr. 37.


28 –      Vgl. insoweit die Empfehlungen 2003/311/EG und 2007/879/EG der Kommission vom 17. Dezember 2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (ABl. L 344, S. 65).


29 –      Wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese lediglich den Bestimmungen der genannten Richtlinie, insbesondere denen in Teil A ihres Anhangs, und den durch Erwägungen im Zusammenhang mit der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigten Einschränkungen gemäß Art. 52 Abs. 1 AEUV unterliegt, die im Ausgangsverfahren nicht in Rede stehen. Vgl. dritten Erwägungsgrund der Genehmigungsrichtlinie.


30 –      Diese Vorschrift sieht auch die Möglichkeit vor, Anbietern, die einen Universaldienst erbringen sollen, besondere Verpflichtungen gemäß der Universaldienstrichtlinie aufzuerlegen; allerdings ist diese Richtlinie, wie oben erwähnt, im vorliegenden Fall nicht einschlägig.


31 –      Vgl. auch 27. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie.


32 –      Vgl. insoweit Arbeitsdokument zur Empfehlung 2007/879/EG, SEC(2007) 1483/2, S. 48.


33 –      Vgl. Art. 15 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie.


34 –      Vgl. Art. 6 der Rahmenrichtlinie.


35 –      Vgl. Urteil vom 6. Mai 2010, Kommission/Polen (C‑545/08, Randnrn. 47 bis 57).


36 –      Vgl. Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Rahmenrichtlinie.


37 –      Vgl. Art. 3 Abs. 3 der Rahmenrichtlinie.


38 –      Vgl. Art. 13 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie.


39 –      Vgl. u. a. Urteile vom 19. März 1991, Frankreich/Kommission (C‑202/88, Slg. 1991, I‑1223, Randnr. 12), vom 23. Oktober 1997, Kommission/Niederlande (C‑157/94, Slg. 1997, I‑5699, Randnr. 39), vom 21. September 1999, Albany (C‑67/96, Slg. 1999, I‑5751, Randnr. 103), und vom 20. April 2010, Federutility u. a. (C‑265/08, Slg. 2010, I‑3377, Randnr. 29).


40 –      Vgl. Urteile Kommission/Niederlande (Randnr. 40) und Albany (Randnr. 104).


41 –      Vgl. u. a. Urteil vom 27. April 1994, Gemeente Almelo u. a. (C‑393/92, Slg. 1994, I‑1477, Randnr. 50).


42 –      Vgl. u. a. Urteile vom 3. Oktober 1985, CBEM (311/84, Slg. 1985, 3261, Randnr. 17), vom 23. April 1991, Höfner und Elser (C‑41/90, Slg. 1991, I‑1979, Randnr. 24), und vom 17. Juli 1997, GT‑Link (C‑242/95, Slg. 1997, I‑4449, Randnr. 49).


43 –      Vgl. Urteil vom 11. April 1989, Saeed Flugreisen und Silver Line Reisebüro (66/86, Slg. 1989, 803, Randnrn. 55 f.).


44 – Vgl. Urteil Federutility u. a. (Randnrn. 33 bis 47).


45 –      Vgl. u. a. Urteil vom 18. Juni 1991, ERT (C‑260/89, Slg. 1991, I‑2925, Randnr. 29).


46 –      Vgl. u. a. Urteil Höfner und Elser.