Language of document : ECLI:EU:C:2000:207

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

FRANCIS JACOBS

vom 13. April 2000 (1)

Rechtssache C-408/98

Abbey National plc

gegen

Commissioners of Customs and Excise

1.
    Gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(2) können die Mitgliedstaaten „die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens ... so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt[,] und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen“. Macht ein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch, hat dies nur zur Folge, dass für die Übertragung selbst keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist, oder hat es auch zur Konsequenz, dass Mehrwertsteuer, die vom Übertragenden für im Zusammenhang mit der Übertragung bezogene Dienstleistungen entrichtet wurde, nicht abzugsfähig ist, weil sie sich keiner steuerpflichtigen Lieferung zuordnen lässt? In anderen Worten, ist die Übertragung ebenso zu behandeln wie eine gemäß Artikel 13 der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreite Lieferung oder gehört sie zu einer anderen Kategorie der „Nichtlieferung“ und, falls Letzteres zutrifft, wie ist sie zu behandeln?

Einschlägige Rechtsvorschriften

Gemeinschaftsrecht

2.
    Das Prinzip, auf dem die Mehrwertsteuer beruht, ist in Artikel 2 der Ersten Mehrwertsteuerrichtlinie(3) wie folgt umschrieben:

„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genaue proportionale Verbrauchssteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.“(4)

3.
    Die Abzugsregelung soll eine kumulative Wirkung vermeiden, wenn Mehrwertsteuer bereits auf die Waren und/oder Dienstleistungen erhoben wurde, die für die Herstellung der gelieferten Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen verwendet wurden, d. h. sie soll die Erhebung von Mehrwertsteuer auf bereits entrichtete Mehrwertsteuer vermeiden. Durch die Anwendung derRegelung entsteht eine Kette von Umsätzen, in der der zahlbare Nettobetrag für jedes Kettenglied in genauem Verhältnis zu dem Mehrwert dieser Phase steht. Wenn die Kette endet, entspricht der erhobene Gesamtbetrag dem fraglichen Anteil vom Endpreis.

4.
    Gemäß Artikel 2 der Sechsten Richtlinie(5) unterliegen der Mehrwertsteuer Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Zu wirtschaftlichen Tätigkeiten gehört nach Artikel 4 Absatz 2 auch die Nutzung von körperlichen oder nichtkörperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.

5.
    Artikel 5 definiert die Lieferung von Gegenständen. Als Lieferung eines Gegenstandes gilt gemäß Artikel 5 Absatz 1 die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die übrigen Absätze dieses Artikels enthalten im Wesentlichen positive Definitionen dessen, was als Lieferung und als körperlicher Gegenstand gilt oder gelten kann. Als körperliche Gegenstände können nach Artikel 5 Absatz 3 auch Rechte an Grundstücken behandelt werden. Zusätzlich zu diesen positiven Definitionen bestimmt jedoch Artikel 5 Absatz 8:

„Die Mitgliedstaaten können die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen. Die Mitgliedstaaten treffen gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen, um Wettbewerbsverzerrungen für den Fall zu vermeiden, dass der Begünstigte nicht voll steuerpflichtig ist.“

6.
    Nach Artikel 6 Absatz 5 gilt Artikel 5 Absatz 8 unter den gleichen Voraussetzungen für Dienstleistungen.

7.
    In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, dass Artikel 5 Absatz 8 einbezogen ist in die Definition der Lieferung von Waren (und - nach Artikel 6 Absatz 5 - der Erbringung von Dienstleistungen) und nicht in die Auflistung der Befreiungen von der Mehrwertsteuer, die - mit Ausnahme des internationalen Handels - in Artikel 13 enthalten ist. Artikel 13 Teil A führt Befreiungen bestimmter dem Gemeinwohl dienender Tätigkeiten auf. Artikel 13 Teil B enthält eine Reihe sonstiger Steuerbefreiungen, so für Versicherungsumsätze (Buchstabe a) und Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (Buchstabe b); jedoch können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 13 Teil C ihren Steuerpflichtigen dasRecht einräumen, für eine Besteuerung bestimmter dieser Umsätze, darunter der aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (Buchstabe a), zu optieren.

8.
    Der Vorsteuerabzug wird in den Artikeln 17 bis 20 geregelt.

9.
    Artikel 17 Absatz 2 Buchstabe a bestimmt: „Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen: ... die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden.“

10.
    Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist gemäß Artikel 17 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie „der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt“. Artikel 19 sieht im Wesentlichen den Abzug eines Bruchteils vor, der den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen, dividiert durch die Gesamtumsätze, entspricht.

Nationale Umsetzungsregelung

11.
    Das Recht des Vereinigten Königreichs behandelt im Einklang mit Artikel 5 Absatz 3 der Sechsten Richtlinie die Übertragung eines wesentlichen Rechts an Grundstücken als Lieferung von Gegenständen. In Schottland, wo das hier fragliche Grundstück liegt, umfasst die Definition des „wesentlichen Rechts“ die Rechte des Pächters bei einer Vertragsdauer von nicht weniger als 20 Jahren.

12.
    Von der in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit wurde Gebrauch gemacht u. a. durch Regulation 5 (1) der Value Added Tax (Special Provisions) Order (SI 1992, S. 3129) (im Folgenden: VAT Order)(6), wonach dann, wenn eine Person (a) ihr Unternehmen oder (b) einen Teil ihres Unternehmens einer anderen Person überträgt und der Betrieb fortgeführt wird („as a going concern“), die Übergabe der Unternehmensaktiva weder als Lieferung von Gegenständen noch als Erbringung von Dienstleistungen behandelt wird. In beiden Fällen setzt diese Behandlung voraus, dass der durch die Übertragung Begünstigte die Aktiva dazu verwendet, die gleiche Art von Unternehmenstätigkeit fortzuführen wie der Übertragende, und seinerseits steuerpflichtig ist oder unmittelbar wird. Bei Übertragung eines Unternehmensteilsist eine weitere Bedingung, dass der Unternehmensteil gesondert betrieben werden kann.

13.
    Unter Anwendung von Artikel 13 Teil B Buchstabe b und Teil C Buchstabe a der Sechsten Richtlinie behandelt das Vereinigte Königreich schließlich die Gewährung von Rechten an Grundstücken als steuerfreie Lieferung, erlaubt aber den Eigentümern gewerblicher Grundstücke oder Inhabern von Rechten an gewerblichen Grundstücken, für bestimmte Gebäude auf die Befreiung zu verzichten.

Sachverhalt und Verfahren

14.
    Dem Ausgangsverfahren liegt nach dem Vorlagebeschluss, den Akten des vorlegenden Gerichts und den vor dem Gerichtshof abgegebenen Stellungnahmen im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde.

15.
    Die Scottish Mutual Assurance plc (im Folgenden: Scottish Mutual) ist zu 100 % eine Tochtergesellschaft der Abbey National plc (im Folgenden: Abbey National), die Scottish Mutual in Angelegenheiten der Mehrwertsteuer vertritt. Scottish Mutual ist teilweise von der Mehrwertsteuer befreit. Neben ihrem (nach Artikel 13 Teil B Buchstabe a befreiten) Versicherungsgeschäft betreibt sie die Vermietung gewerblicher Immobilien und hat für diese Tätigkeit gemäß den Vorschriften des Vereinigten Königreichs zur Umsetzung von Artikel 13 Teil C Buchstabe a für die Besteuerung optiert. Sie berechnet somit für die Pacht die Mehrwertsteuer und zieht davon die in ihrer Geschäftstätigkeit auf Eingangsumsätze entrichtete Mehrwertsteuer ab. Hinsichtlich verbleibender Vorsteuer, die sich weder besteuerten noch befreiten Geschäftsvorgängen direkt zuordnen lässt, hat sich der Konzern Abbey National mit den Commissioners of Customs and Excise (im Folgenden: Commissioners) auf eine Pro-rata-Methode gemäß den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs zur Umsetzung der Artikel 17 Absatz 5 und 19 geeinigt.

16.
    Im Rahmen ihres Vermietungsgeschäfts erwirbt und veräußert Scottish Mutual gelegentlich Immobilien. Eine dieser Immobilien war Atholl House in Aberdeen, das sie ab 1976 für 125 Jahre gepachtet und für die Dauer von 40 Jahren weiterverpachtet hatte. 1993 verkaufte Scottish Mutual ihre Rechte aus dem Pachtvertrag über 125 Jahre und aus den Unterpachtverträgen an ein konzernfremdes Unternehmen unter Fortführung des Betriebes, hinsichtlich dessen auch das erwerbende Unternehmen für die Besteuerung optierte. Gemäß Regulation 5 (1) der VAT Order fiel für den Übertragungspreis von 5 400 000 GBP keine Mehrwertsteuer an.

17.
    Im Zusammenhang mit der Übertragung hatte Scottish Mutual jedoch Honorarausgaben, für die 4 365,04 GBP Mehrwertsteuer berechnet wurden. Da Scottish Mutual diesen Betrag als Vorsteuer betrachtete, der einem Vorgang ihrer besteuerten Geschäftstätigkeit zuordenbar sei, zog sie ihn von der Mehrwertsteuerauf ihre Ausgangsumsätze ab. Bei der Steuerveranlagung für 1994 nahmen die Commissioners den Standpunkt ein, dass der Verkauf von Atholl House eine von Scottish Mutual vorgenommene Übertragung unter Fortführung des Betriebes und damit keine steuerpflichtige Lieferung sei, der sich Vorsteuer zuordnen lasse. Ein Teil der Mehrwertsteuer durfte jedoch nach der vereinbarten Pro-rata-Methode für verbleibende, nicht zuordenbare Vorsteuer abgezogen werden.

18.
    Abbey National erhob gegen diesen Bescheid Klage beim VAT and Duties Tribunal in London, das diese 1997 abwies. Das Gericht entschied im Wesentlichen, das Recht zum Vorsteuerabzug bestehe, soweit Gegenstände oder Dienstleistungen für die Zwecke eines besteuerten Umsatzes verwendet würden und mit diesem direkt und unmittelbar zusammenhingen. Die Übertragung von Atholl House sei kein besteuerter Umsatz gewesen und biete deshalb als solche keine Grundlage für einen Anspruch auf Vorsteuerabzug. Dabei ging das Gericht davon aus, dass die Übertragung keine Übertragung unter Fortführung des Betriebes gewesen sei, sondern dass sie zur Verwaltung von Scottish Mutuals Immobilieninvestitions-Portfolio gehört habe. Das Vermietungsgeschäft von Scottish Mutual solle jedoch Mittel bereitstellen, um Ansprüche im Rahmen ihres Versicherungsgeschäfts zu decken. Die Ausgaben im Zusammenhang mit der Übertragung seien deshalb allgemeine Kosten, die zugleich mit den steuerpflichtigen und den steuerfreien Leistungen des Unternehmens direkt und unmittelbar zusammenhingen. Die Steuer sei deshalb auf der richtigen Grundlage veranlagt worden.

19.
    Abbey National legte Berufung beim englischen High Court ein, der am 2. November 1998 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Übertragung zwischen den Parteien (entgegen den Feststellungen des VAT Tribunal) als eine Übertragung unter Fortführung des Betriebes vereinbart worden sei und dass der Fall eine für Geschäfte mit gewerblichen Immobilien weithin bedeutsame, jedoch bislang vom Gerichtshof nicht entschiedene Frage des Mehrwertsteuerrechts aufwerfe. Der High Court hat dem Gerichtshof deshalb folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.    Sind wegen der Worte „den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen“ in Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung von deren Artikel 17 Absatz 2 die Lieferungen des Begünstigten für die Zwecke des Vorsteuerabzugs des Übertragenden so zu behandeln, als habe sie der Übertragende erbracht?

2.    Kann der Steuerpflichtige, wenn ein Mitgliedstaat kraft nationalen, gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie erlassenen Rechts die „Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens“ so behandelt, als liege weder eine Lieferung von Gegenständen noch eine Erbringung von Dienstleistungen vor, bei richtiger Auslegung der Artikel 5 Absatz 8 und 17 Absatz 2 die gesamte für Übertragungskosten angefalleneVorsteuer abziehen, wenn er ohne Anwendung des Artikels 5 Absatz 8 Mehrwertsteuer für die Übertragung in Rechnung stellen müßte?

3.    Ist Vorsteuer für eine Zahlung im Zusammenhang mit der Beendigung einer wirtschaftlichen Tätigkeit abzugsfähig, wenn diese Tätigkeit des Übertragenden vor der unter Artikel 5 Absatz 8 fallenden Übertragung in vollem Umfang steuerbar war?

20.
    Abbey National, die Regierung des Vereinigten Königreichs, die niederländische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Abbey National, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben außerdem an der mündlichen Verhandlung teilgenommen.

Rechtliche Würdigung

Problemstellung

21.
    Nach ihrer Formulierung legen diese drei Fragen drei (offenbar von Abbey National befürwortete) denkbare Lösungswege für den Rechtsstreit nahe. Dies sind aber nicht die einzigen Wege, die in Betracht kommen. Die niederländische Regierung und die Kommission haben den Sachverhalt rechtlich anders gewürdigt. Ich möchte deshalb, obgleich ich einräume, dass die mit den drei Fragen speziell angesprochenen Gesichtspunkte von Bedeutung sein können, in allgemeinerer Form folgender Frage nachgehen: Hat ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit gemäß den Artikeln 5 Absatz 8 und 6 Absatz 5 Gebrauch gemacht, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen oder Erbringung von Dienstleistungen vorliegt, kann dann der Übertragende die Mehrwertsteuer auf Leistungen, die er für die Durchführung der Übertragung in Anspruch genommen hat, abziehen?

Zweck des Artikels 5 Absatz 8

22.
    Für die Auslegung von Artikel 5 Absatz 8 und seine Anwendung auf den Fall von Scottish Mutual ist es hilfreich, sich den Zweck zu verdeutlichen, zu dem die Bestimmung erlassen wurde.

23.
    Den Begründungserwägungen der Sechsten Richtlinie oder ihrer Vorläuferin, der Zweiten Mehrwertsteuerrichtlinie(7), lassen sich insoweit keinenäheren Hinweise entnehmen. In der Begründung der Kommission für ihren Vorschlag der Sechsten Richtlinie(8) wird ausgeführt, die Option bestehe im Interesse der Einfachheit und zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Unternehmensressourcen.

24.
    Obgleich die Vorschrift im Entwurf enger gefasst war als im verabschiedeten Text, liegt ihr Zweck klar in der Gewährung einer Erleichterung. Würde auf eine Unternehmensübertragung Mehrwertsteuer erhoben, so würden erhebliche Geldbeträge blockiert, nur um später abgezogen zu werden. Der Nettoeffekt wäre Null, aber das Unternehmen könnte bei dem möglicherweise heiklen Schritt eines Eigentümerwechsels in eine finanziell bedrängte Lage geraten. Ein Mitgliedstaat kann durch die Umsetzung von Artikel 5 Absatz 8 solche Schwierigkeiten leicht vermeiden, denn die mehrwertsteuerliche Gesamtbelastung des Unternehmens und der von der Steuerbehörde eingezogene Gesamtbetrag werden dadurch nicht berührt.

Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens

25.
    Die Frage, was „die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens“ ist, ist vor dem Gerichtshof nicht erörtert worden, obgleich die niederländische Regierung Zweifel geäußert hat, ob die Übertragung im vorliegenden Fall unter diesen Begriff falle, und obwohl das VAT and Duties Tribunal offenbar zu dem Ergebnis kam, es sei nicht bewiesen, dass Atholl House ein gesonderter, abgrenzbarer Geschäftsbereich gewesen sei und darum der Verkauf der Rechte der Pächterin als „Übertragung eines Unternehmens unter Fortführung des Betriebes“ eingestuft werden könne.

26.
    Die Übertragung eines „Gesamtvermögens“ lässt sich im Zusammenhang mit der Lieferung eines - eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübenden - Steuerpflichtigen klar dahin verstehen, dass mit ihr die Übertragung eines Unternehmens insgesamt durch Übertragung seiner Vermögenswerte und nicht seiner Aktien gemeint ist.

27.
    Der Begriff des „Teilvermögens“(9) ist dagegen nicht so eindeutig. Es stellt sich insbesondere die Frage, wie zwischen der Übertragung eines solchen Teils und der gewöhnlichen Übertragung eines oder mehrerer Vermögensgegenstände eines Unternehmens, die normalerweise ein besteuerter Umsatz wäre, unterschieden werden kann. Das Gemeinschaftsrecht schweigt hierzu; zur Klärung der Fragetragen weder die Mehrwertsteuerrichtlinien bei, noch hat der Gerichtshof sie bisher erörtert.

28.
    Die vom Vereinigten Königreich gewählte Lösung erscheint angemessen: Wenn Aktiva, die einen gesondert führbaren Unternehmensteil darstellen, in der Weise übertragen werden, dass der Betrieb des übertragenen Unternehmens fortgeführt wird, so kommt die durch Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie vorgesehene Möglichkeit zur Anwendung, und es wird davon ausgegangen, dass keine Lieferung von Gegenständen vorliegt. Es ist nicht ersichtlich, dass mit diesen Kriterien über die weite Fassung der Gemeinschaftsvorschrift hinausgegangen würde, und ob sie im Einzelfall erfüllt sind, ist somit dem zuständigen nationalen Gericht zu überlassen.

29.
    Im vorliegenden Fall geht es um einen Umsatz, der nach der im Vereinigten Königreich geltenden Definition als Übertragung eines Teilvermögens oder eine Gesamtvermögens gelten soll - in anderen Worten, eines selbständigen Unternehmensteils. Dass die Übertragung nicht sämtliche Aktiva von Scottish Mutual umfasste, hat im vorliegenden Verfahren verschiedentlich Anlass zu der Überlegung gegeben, ob die sich bei der Durchführung der Übertragung angefallene Mehrwertsteuer in irgendeiner Weise Scottish Mutuals verbliebenem und fortgeführten Vermietungsgeschäft zuordnen - und im Hinblick darauf abziehen - lasse oder ob sie ihrer Gesamttätigkeit in den beiden Bereichen Versicherung und Vermietung zuzuordnen sei. Anstatt diese Fragen sofort aufzugreifen, erscheint es mir hilfreicher, zunächst den klaren Sachverhalt der Übertragung eines Gesamtvermögens zu betrachten. Es wird dann zu prüfen sein, inwieweit der spezielle Fall der Übertragung eines Teils der Aktiva eines größeren Gesamtunternehmens weitere Erwägungen notwendig macht.

Übertragung eines Gesamtvermögens

30.
    Der einfachste denkbare Fall, von dem sich die Behandlung anderer Sachverhalte ableiten lässt, ist der der Übertragung sämtlicher Aktiva eines Unternehmens, das ausschließlich steuerpflichtige Leistungen erbringt.

31.
    Um abzugsfähig zu sein, muss die Mehrwertsteuer Lieferungen oder Dienstleistungen („inputs“) belasten, die für Zwecke der besteuerten Umsätze („outputs“) des Steuerpflichtigen verwendet werden. Dies ergibt sich klar aus dem Wortlaut von Artikel 17 Absatz 2, insbesondere in Zusammenschau mit der durch Artikel 17 Absatz 2 ersetzten Bestimmung - Artikel 11 Absatz 1 der Zweiten Richtlinie, der Gegenstände und Dienstleistungen betrifft, die „für Zwecke des Unternehmens verwendet werden“ - und dem Vorschlag der Sechsten Richtlinie(10), der von Leistungen „für Zwecke seiner besteuerten Tätigkeiten“ sprach. Demnachwählte der Gesetzgeber offenbar bewusst einen Wortlaut, mit dem das Recht zum Vorsteuerabzug auf den Fall beschränkt werden sollte, in dem die Eingangslieferungen oder -leistungen für die Zwecke identifizierbarer besteuerter Umsätze verwendet werden(11). Der Grundsatz, dass der Vorsteuerabzug von der Möglichkeit der Zuordnung abhängt, liegt auch den Pro-rata-Regelungen der Artikel 17 Absatz 5 und 19 zugrunde.

32.
    In diesem Lichte erscheint die Stellung von der Steuer befreiter Lieferungen als Anomalie im Mehrwertsteuersystem, insbesondere wenn sie Kostenelemente anschließender besteuerter Lieferungen sind. Ihre vollen Kosten einschließlich der auf Eingangsumsätzen lastenden Mehrwertsteuer werden sich - vermutlich - im berechneten Preis widerspiegeln. In diesem Fall kommt es zu einer doppelten oder kumulativen Besteuerung, da die Mehrwertsteuer voll für einen Ausgangsumsatz berechnet wird, dessen Kostenelemente bereits Mehrwertsteuer einschließen. Dies ist eine möglicherweise schwerwiegende Abweichung von dem Grundsatz der Mehrwertsteuererhebung, denn auf diese Weise kann eine Kette von Lieferungen oder Leistungen an mehr als einem Punkt unterbrochen werden, mit gleichzeitiger Wiederholung der kumulativen Besteuerung. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, Befreiungen restriktiv zu behandeln(12); soweit wie möglich, sollte, um Verzerrungen zu vermeiden, die mehrwertsteuerliche Behandlung jedes Umsatzes das Grundprinzip wahren.

33.
    Diese Wirkung befreiter Lieferungen oder Leistungen war maßgebend für die Beurteilung des Gerichtshofes in der Rechtssache BLP(13). Dort hatte eine Verwaltungs- und Holdinggesellschaft 95 % der Aktien einer ihr gehörenden Gesellschaft in einer steuerfreien Übertragung veräußert (Übertragungen von Aktien sind gemäß Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 zwingend von der Steuer befreit). Mit dem Verkauf sollten Mittel zur Begleichung von Schulden im Zusammenhang mit besteuerten Umsätzen aufgebracht werden. Wie im vorliegenden Fall entstanden beim Verkauf Honorarkosten, und es stellte sich die Frage, ob die Mehrwertsteuer für diese Honorare abzugsfähig sei. Der Gerichtshof entschied, dass das Recht zum Vorsteuerabzug nur entsteht, wenn die„betreffenden Gegenstände oder Dienstleistungen ... eine direkte und unmittelbare Verbindung mit den besteuerten Umsätzen aufweisen“(14), und dass somit, „wenn ein Steuerpflichtiger einem anderen Steuerpflichtigen Dienstleistungen erbringt, der sie für einen steuerfreien Umsatz verwendet, dieser, außer in den in diesen Richtlinien ausdrücklich vorgesehenen Fällen, nicht das Recht hat, die vorher entrichtete Mehrwertsteuer abzuziehen, auch wenn der endgültige Zweck des steuerfreien Umsatzes die Bewirkung eines besteuerten Umsatzes ist“(15). Diese Entscheidung beruhte nicht nur auf dem Wortlaut der Ersten und der Sechsten Richtlinie, sondern auch auf der Erwägung, dass es den Geboten der Rechtssicherheit und einer leichten Anwendung der Steuer widerspräche, wenn die Steuerbehörde bei Leistungen, die nicht objektiv mit besteuerten Umsätzen zusammenhängen, die Absichten des Steuerpflichtigen erforschen müsste(16).

34.
    In anderen Rechtssachen hat der Gerichtshof eine offenbar extensivere Betrachtungsweise gewählt. So entschied er etwa in der Rechtssache Intiem(17), dass das Recht zum Vorsteuerabzug „Gegenstände und Dienstleistungen betrifft, die mit der Ausübung der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen zusammenhängen“. In der Rechtssache Sofitam(18) stellte er fest, dass der „Mechanismus des Vorsteuerabzugs ... so anzuwenden ist, dass sein Anwendungsbereich so weit wie möglich dem Bereich der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen entspricht“. Nach dem Urteil Ghent Coal(19) schließlich darf ein Steuerpflichtiger, der als solcher handelt, die Mehrwertsteuer, die er für Gegenstände oder Dienstleistungen schuldet, die ihm für Investitionsarbeiten geliefert oder erbracht wurden, die im Rahmen steuerpflichtiger Umsätze verwendet werden sollen, auch dann in Abzug bringen, wenn die Umsätze aus von seinem Willen unabhängigen Gründen nie bewirkt werden. Im Urteil BLP stellte der Gerichtshof nämlich auch fest, dass das Unternehmen, hätte es das Geld durch ein Bankdarlehen statt durch eine steuerfreie Übertragung aufgebracht, die Mehrwertsteuer auf für diesen Zweck gezahlte Honorarkosten hätte abziehen können, da diese Honorare zu den allgemeinen Kosten und damit zu den Kostenelementen seiner besteuerten Umsätze gehört hätten(20).

35.
    Zwischen diesen beiden Ansätzen besteht mehr dem Anschein nach als tatsächlich ein Gegensatz. Die Bezugnahme auf die Kostenelemente im Urteil BLP bringt das Grundprinzip gemäß Artikel 2 der Ersten Richtlinie in Erinnerung: „Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer ... abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat“. Entscheidend ist also, ob der besteuerte Eingangsumsatz ein Kostenelement des besteuerten Ausgangsumsatzes ist, und nicht, ob der am engsten verbundene Umsatz selbst steuerbar ist. Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat(21), ist nach dem Urteil BLP nicht zu fragen, mit welchem Umsatz das Kostenelement am direktesten und unmittelbarsten zusammenhängt, sondern, ob ein hinreichend direkter und unmittelbarer Zusammenhang mit einer besteuerten wirtschaftlichen Tätigkeit besteht. Tatsächlich ist hervorzuheben, dass sich der Gerichtshof in der Rechtssache BLP mit Leistungen befasste, die mit besteuerten Umsätzen nicht objektiv zusammenhingen(22). Gleichwohl ergibt sich aus dem Urteil BLP klar, dass die Wirkung der „Kettenunterbrechung“, die ein Wesensmerkmal eines befreiten Umsatzes ist, dem Abzug der Steuer für Leistungen, die für einen solchen Umsatz verwendet wurden, von der Mehrwertsteuer entgegensteht, die für eine spätere Ausgangsleistung entrichtet wird, zu deren Kostenelementen der befreite Umsatz gehört. Das Erfordernis eines „direkten und unmittelbaren Zusammenhangs“ bezieht sich somit nicht nur auf das nächste Kettenglied, sondern dient dem Ausschluss von Sachverhalten, in denen die Kette durch eine steuerfreie Leistung unterbrochen wurde(23).

36.
    Als weiterer Punkt ist festzuhalten, dass die Übertragung eines Gesamtvermögens in einem Mitgliedstaat, der von der Möglichkeit des Artikels 5 Absatz 8 Gebrauch gemacht hat, kein besteuerter Umsatz ist. Insoweit schließe ichmich der von der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung an, dass es zwecklos erscheint, die Übertragung als einen Umsatz zu betrachten, der normalerweise steuerbar wäre. Da sie überhaupt nicht als Lieferung von Gegenständen anzusehen ist, spielt es keine Rolle, dass sie, wäre von der Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht worden, eine besteuerte Lieferung gewesen wäre. Ich teile damit die Meinung der Kommission, dass die zweite Frage des High Court für die im vorliegenden Fall notwendige Lösung ohne Relevanz ist.

37.
    Da die Übertragung keine steuerpflichtige Lieferung ist, folgt aus Artikel 17 Absatz 2 der Sechsten Richtlinie zwingend, dass sie selbst nicht die Grundlage für den Abzug in ihrem Zusammenhang entstandener Vorsteuer bilden kann.

38.
    Sie ist aber auch keine steuerlich befreite Lieferung. Eine befreite Leistung bewirkt eine Unterbrechung der Mehrwertsteuerkette. Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass die Kette durch einen Umsatz unterbrochen wird, bei dem „keine Lieferung von Gegenständen [oder Erbringung von Dienstleistungen] vorliegt“. Das Gebot, „den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden an[zu]sehen“, unterstreicht vielmehr die Kontinuität des Sachverhalts unter dem Blickwinkel der Mehrwertsteuer. Obgleich - um bei der Metapher zu bleiben - ein Glied der Kette als inexistent gilt, bedeutet dieses „fehlende Glied“ keinen Bruch und Neubeginn der Kette, sondern ein Folgeverhältnis zwischen den Kettengliedern beidseits der Unterbrechung. Zudem sind, wie bereits ausgeführt, Steuerbefreiungen restriktiv zu behandeln. Es erscheint deshalb angemessen, weiter zu prüfen, ob die Mehrwertsteuer, deren Abzug begehrt wird, eine Leistung belastet hat, die ein Kostenelement eines anderen besteuerten Umsatzes darstellt.

39.
    Werden die Aktiva eines Unternehmens verkauft, so wird der Veräußerer (Übertragende) gewöhnlich den Preis so berechnen, dass er alle aus Anlass des Verkaufs entstandenen Kosten einschließt. Diese Kosten werden somit zusammen mit allen etwaigen Kosten des Käufers (Begünstigten der Übertragung) zu den Kostenelementen der anschließenden steuerpflichtigen Lieferungen oder Dienstleistungen gehören. Die Mehrwertsteuer für Leistungen in Zusammenhang mit dem Verkauf kann der Käufer - der die anschließenden Lieferungen oder Dienstleistungen ausführt - aber nur abziehen, soweit er sie entrichtet hat. Und soweit sie nicht abgezogen werden kann, wird sie - entgegen dem für das Mehrwertsteuersystem geltenden Grundprinzip der Neutralität - zur Doppelbesteuerung führen. Die Lösung, die zur Vermeidung dieser Schwierigkeit auf der Hand liegt, ist die Abzugsfähigkeit der Mehrwertsteuer auf Seiten des Übertragenden. Damit wird der Begünstigte der Übertragung überdies so behandelt, als hätte er alle Kosten selbst getragen und könnte anschließend für sie den Vorsteuerabzug geltend machen.

40.
    In diesem Fall wäre anzunehmen, dass die vom Übertragenden in Anspruch genommenen Leistungen für die Zwecke der späteren besteuertenAusgangsumsätze des Begünstigten der Übertragung bezogen wurden - diese Sichtweise wird von Abbey National vertreten und in der ersten Frage des High Court angedeutet. Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat dagegen eingewandt, dies liefe auf eine nicht hinnehmbare Umkehrung der Nachfolgeregelung des Artikels 5 Absatz 8 hinaus, da damit der Übertragende zum Rechtsnachfolger des Begünstigten der Übertragung gemacht würde. Dieser Einwand erscheint mir unberechtigt. Der fragliche Ansatz impliziert nur, dass der Zweck, für den die bezogenen Leistungen verwendet werden, ein solcher der Person sein kann, die unter den gegebenen besonderen Umständen als Rechtsnachfolger der die Leistungen beziehenden Person gilt; er erfordert deshalb keine Umkehrung der Kette.

41.
    Die Darlegungen in den beiden vorstehenden Absätzen beruhen allerdings in gewissem Maße auf der Annahme einer chronologischen Abfolge bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Eingangs- und Ausgangsumsätzen. Es macht danach überdies einen Unterschied, ob die vom Übertragenden in Zusammenhang mit der Übertragung entstandenen Kosten im Preis an den Begünstigten der Übertragung weitergegeben werden. Die wirtschaftliche Wirklichkeit des Geschäftslebens entspricht aber nicht notwendig dieser chronologischen Annahme - noch gehört sie wesensmäßig zum Mehrwertsteuersystem, da der Vorsteuerabzug möglich ist für „geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ... geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden“.

42.
    Nach einer extensiveren Auffassung sind, wenn ein Steuerpflichtiger eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, mit der er voll besteuerte Leistungen erbringt, alle ihm für die Zwecke dieser Tätigkeiten gelieferten Gegenstände und erbrachten Dienstleistungen Kostenelemente seiner Ausgangsumsätze und ist die auf ihnen lastende Mehrwertsteuer voll abzugsfähig. Der Umstand, dass bei rein buchmäßiger Betrachtung Eingangsumsätze nicht bestimmten Ausgangsumsätzen zugeordnet oder auch nur unter ihnen aufgeteilt werden, ist insoweit ohne Bedeutung. Gewiss werden nicht alle von einem Steuerpflichtigen bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen direkt in einen identifizierbaren Ausgangsumsatz einfließen. Manche werden zu den allgemeinen Kosten gehören, und soweit diese Kostenelemente von besteuerten Umsätzen sind, kann die auf ihnen lastende Mehrwertsteuer abgezogen werden(24). Viele Arten der allgemeinen Kosten können vom Unternehmen insgesamt absorbiert werden und nur indirekt die Höhe der angestrebten Gewinnspannen beeinflussen.

43.
    Zu allgemeinen Kosten dieser Art gehören die Kosten für die Aufnahme einer Geschäftstätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes(25) ist die Mehrwertsteuer für solche Kosten vom Steuerpflichtigen selbst abzugsfähig, wenn keine Ausgangssteuer besteht, von der sie abgezogen werden könnte, so dass die Abziehung faktisch zur Zahlung eines Geldbetrags von der Steuerbehörde an den Steuerpflichtigen führt. Gemäß den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs(26) gilt das Gleiche für Mehrwertsteuer für Kosten im Zusammenhang mit der Beendigung einer Geschäftstätigkeit; die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung offenbar anerkannt, dass diese Auffassung mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht.

44.
    Ich teile diese Auffassung. Im Urteil Rompelman(27) hat der Gerichtshof festgestellt, dass „der Unternehmer durch die Regelung über den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll“. Diese Intention würde klar verfehlt, wenn ihm bei der Abwicklung seines Unternehmens Kosten aus nicht abzugsfähiger Mehrwertsteuer entstünden. Es lässt sich außerdem argumentieren, dass die Kosten der Abwicklung eines Unternehmens aus wirtschaftlicher Sicht Kosten des Unternehmens insgesamt und damit Kostenelemente der von ihm erbrachten Leistungen sind, selbst wenn sie buchmäßig nicht gesondert als solche erfasst sind.

45.
    Die Übertragung eines Gesamtvermögens - insbesondere wenn gemäß Artikel 5 Absatz 8 davon ausgegangen wird, dass keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und der Begünstigte der Übertragung der Rechtsnachfolger des Übertragenden gilt - ist nicht das Gleiche wie die Abwicklung eines Unternehmens, und auch insoweit stimme ich der Kommission zu, dass die der dritten Frage des High Court zugrunde liegende Herangehensweise möglicherweise nicht die sachgerechteste ist. Sie kann jedoch, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, eine nützliche Analogie bilden. Wenn es nach Erbringung der letzten steuerpflichtigen Leistungen möglich ist, die im Zusammenhang mit der Aufgabe eines Unternehmens angefallene Mehrwertsteuer abzuziehen, so muss das Gleiche gelten, wenn ein Unternehmen nicht abgewickelt, sondern in der Weise übertragen wird, dass es auch weiterhin betrieben wird und steuerpflichtige Leistungen erbringt - in anderen Worten, wo der vollzogene Schritt ein Vorgang im laufenden Betrieb und nicht dessen Beendigung ist.

46.
    Beide Ansätze führen damit zum gleichen Schluss: Findet im Zusammenhang mit Artikel 5 Absatz 8 die Übertragung aller Aktiva eines ausschließlich steuerpflichtige Leistungen erbringenden Unternehmens statt, kann der Übertragende die Mehrwertsteuer für im Zusammenhang mit der Übertragung in Anspruch genommene Leistungen abziehen, da diese Eingangsleistungen steuerpflichtigen Ausgangsleistungen zuordenbar sind und die Kette zwischen Eingangs- und Ausgangsleistungen nicht durch einen dazwischen tretenden steuerfreien Umsatz unterbrochen wird.

47.
    Auf dieser Grundlage ergibt sich aus den Artikeln 17 Absatz 5 und 19 eindeutig, dass bei der Übertragung sämtlicher Aktiva eines Unternehmens, das sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Leistungen erbringt, die Vorsteuer zwischen diesen aufgeteilt werden muss, so dass sie nur zum Teil abzugsfähig ist.

Übertragung eines Teil eines Gesamtvermögens

48.
    Die Frage der Aufteilung liegt nicht ganz so einfach, wenn nur ein Teil des Vermögens des Übertragenden übertragen wird und dieser, wie im vorliegenden Fall, sowohl steuerfreie als auch steuerpflichtige Leistungen erbringt. Eine weitere Komplikation entsteht hier nämlich daraus, dass die übertragenen Aktiva nur einen Teil der steuerpflichtigen Geschäftstätigkeit des Übertragenden repräsentieren, der seinerseits nur Teil der gesamten Geschäftstätigkeit ist.

49.
    Im Lichte des vorstehend für die Übertragung eines Gesamtvermögens erreichten Ergebnisses meine ich jedoch, dass diese scheinbare Komplexität auflösbar ist. Soweit die Mehrwertsteuer für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung abzugsfähig ist, ist sie es deshalb, weil sie - wegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs - Leistungen des Unternehmensteils zugeordnet werden kann, dessen Vermögensgegenstände übertragen werden. Wenn sämtliche Leistungen steuerpflichtig sind, ist sie somit voll abzugsfähig und eine weitere Prüfung erübrigt sich. Sind die Leistungen nur teilweise steuerpflichtig und teilweise steuerlich befreit, so wird eine Aufteilung zu erfolgen haben.

50.
    Weitere Aspekte der Geschäftstätigkeit des Steuerpflichtigen müssten, um die Aufteilung vorzunehmen, nur dann berücksichtigt werden, wenn entgegen meiner Auffassung die fragliche Mehrwertsteuer nicht den steuerpflichtigen Leistungen des übertragenen Unternehmensteils zugeordnet werden könnte.

51.
    Wenn es sich so verhielte, wäre meines Erachtens vor Verneinung jeder Abzugsmöglichkeit zu prüfen, ob - wie z. B. in Randnummer 25 des Urteils BLP erwogen - die Übertragungskosten in Form allgemeiner Kosten zu den Kostenelementen der Leistungen des Unternehmens insgesamt (hier des Versicherungsgeschäfts) oder des Unternehmensteils (hier das Vermietungsgeschäft), dessen Unterbereich der übertragene Teil bildete, gehörten.Diese Aspekte wären indessen als Fragen tatsächlicher Art vom zuständigen nationalen Gericht zu beurteilen.

Ergebnis

52.
    Demgemäß schlage ich vor, die Fragen des High Court wie folgt zu beantworten:

Hat ein Mitgliedstaat von der Möglichkeit der Artikel 5 Absatz 8 und 6 Absatz 5 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie Gebrauch gemacht, so dass die Übertragung eines Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens so behandelt wird, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, so kann der Übertragende die Mehrwertsteuer für zur Durchführung der Übertragung in Anspruch genommene Leistungen abziehen

-    in voller Höhe, wenn die Aktiva die eines Unternehmens sind, das ausschließlich steuerpflichtige Leistungen erbringt,

-    gemäß den Artikeln 17 Absatz 5 und 19 der Richtlinie, wenn die Aktiva die eines Unternehmes sind, das sowohl steuerpflichtige als auch steuerlich befreite Leistungen erbringt.


1: Originalsprache: Englisch.


2: -     Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. L 145, S. 1 (im Folgenden: Sechste Richtlinie).


3: -     Erste Richtlinie 67/227/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, ABl. L 71, S. 1301 (im Folgenden: Erste Richtlinie).


4: -     In der Diskussion über das Verhältnis zwischen zwei Umsätzen, von denen einer ein Kostenelement des anderen ist, wird der erstgenannte Umsatz gemeinhin als „Eingangsumsatz“ („input“) und der zweite als „Ausgangsumsatz“ („output“) bezeichnet; die Mehrwertsteuer für die beiden Umsätze wird entsprechend als „input tax“ und „output tax“ bezeichnet.


5: -     Im Folgenden zitierte Rechtsvorschriften ohne anderweitige Angabe sind Artikel der Sechsten Richtlinie.


6: -     Diese Bestimmung, die zur im Ausgangsfall maßgebenden Zeit offenbar in Kraft war, ist seither ersetzt worden durch Regulation 5 (1) der Value Added Tax (Special Provisions) Order (SI 1995, S. 1268) mit anscheinend identischem Wortlaut, auf den im nationalen Verfahren und in den Stellungnahmen beim Gerichtshof Bezug genommen worden ist.


7: -     Zweite Richtlinie 67/228/EWG des Rates vom 11. April 1967 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Struktur und Anwendungsmodalitäten des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, ABl. L 71, S. 1303 (im Folgenden: Zweite Richtlinie). Vorläufer von Artikel 5 Absatz 8 der Sechsten Richtlinie war eine Anmerkung zu Artikel 5 Absatz 1 in Anhang A der Zweiten Richtlinie, in der es hieß: „Die Mitgliedstaaten können im Falle der gesamten oder teilweisen Einbringung eines Vermögens in eine Gesellschaft diese Gesellschaft als Rechtsnachfolgerin desEinlegers betrachten.“


8: -     Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, Beilage 11/73.


9: -     Und die entsprechenden Begriffe in anderen Sprachen - z. B. „universalité partielle de biens“, „Teilvermögen“ oder „gedeelte van een algemeenheid van goederen“.


10: -    Vorschlag der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche Bemessungsgrundlage, ABl. 1973, C 80, S. 1.


11: -     Vgl. Urteil vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C-342/87 (Genius Holding/Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1989, 4227, Randnr. 12).


12: -     Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 umschrieben sind, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt, vgl. z. B. Urteil vom 15. Juni 1989 in der Rechtssache 348/87 (Stichting Uitvoering Financiële Acties/Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1989, 1737, Randnr. 13) und kürzlich Urteil vom 7. September 1999 in der Rechtssache C-216/97 (Gregg/Commissioners of Customs and Excise, Slg. 1999, I-4947, Randnr. 12).


13: -     Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-4/94 (BLP Group/Commissioners of Customs and Excise, Slg. 1995, I-983).


14: -     Randnr. 19 des Urteils.


15: -     Randnr. 28 und Tenor des Urteils.


16: -     Randnr. 24 des Urteils.


17: -     Urteil vom 8. März 1988 in der Rechtssache 165/86 (Intiem/Staatssecretaris van Financiën, Slg. 1988, 1471, Randnr. 13).


18: -     Urteil vom 22. Juni 1993 in der Rechtssache C-333/91 (Sofitam/Ministre chargé du Budget, Slg. 1993, I-3513, Randnr. 11).


19: -     Urteil vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache C-37/95 (Belgischer Staat/Ghent Coal Terminal, Slg. 1998, I-1, Randnrn. 17 und 24 sowie Tenor). Vgl. auch Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-110/94 (Inzo/Belgischer Staats, Slg. 1996, I-857, Randnrn. 20 und 21).


20: -     Randnr. 25.


21: -     Die Position der Kommission in der mündlichen Verhandlung wich von der in ihrer schriftlichen Stellungnahme ab, in der sie im Wesentlichen argumentiert hatte, dass Mehrwertsteuer für Eingangsumsätze, die direkt und unmittelbar mit einer nicht als Lieferung von Gegenständen behandelten Übertragung zusammenhingen, nicht abzugsfähig sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, sie habe ihre Position wegen der einleuchtenden schriftlichen Stellungnahme der niederländischen Regierung geändert. Allerdings heißt es in dem in den vorgelegten Akten des High Court enthaltenen Schreiben der Kommission vom 26. Februar 1997 an die Finanzberater von Abbey National, dass die Ausübung der sich aus Artikel 5 Absatz 8 ergebenden Option „nicht zu einer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der Kosten im Zusammenhang mit der Übertragung führen [müsse]. Eine andere Auslegung [stünde] in Widerspruch zum Grundsatz der Steuerneutralität und mit den allgemeinen Grundsätzen des Mehrwertsteuersystems“.


22: -     Randnr. 24 des Urteils.


23: -     Insoweit schließe ich mich den Schlussanträgen von Generalanwalt Saggio vom 30. September 1999 in der Rechtssache C-98/98 (Commissioners of Customs and Excise/Midland Bank, Slg. 2000, I-4177) an, wonach die Worte „direkt“ und „unmittelbar“ auf „eine besonders enge Beziehung“ zwischen zwei Umsätzen hindeuteten, zwischen die sich kein dritter Umsatz schiebe, „der den Kausalzusammenhang unterbricht“ (Nr. 29).


24: -     Urteil BLP, Randnr. 25.


25: -     Vgl. Urteil vom 14. Februar 1985 in der Rechtssache 268/83 (Rompelman, Slg. 1985, 655) und die Urteile Ghent Coal sowie Inzo (zitiert oben in Fußnr. 18); jüngst ferner Urteil vom 21. März 2000 in den verbundenen Rechtssachen C-110/98 bis C-147/98 (Gabalfrisa u. a., Slg. 2000, I-1577).


26: -     Vgl. Section 94 (5) des Value Added Tax Act 1994.


27: -     Randnr. 19 des Urteils (zitiert oben, Fußnote 24).