Language of document : ECLI:EU:C:2019:103

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

7. Februar 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verkehr – Straßenverkehr – Verordnung (EG) Nr. 561/2006 – Verordnung (EU) Nr. 165/2014 – Pflicht zur Benutzung eines Fahrtenschreibers – Ausnahme für Fahrzeuge, die für die Beförderung lebender Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Märkten und umgekehrt oder von den Märkten zu den lokalen Schlachthäusern verwendet werden“

In der Rechtssache C‑231/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Oldenburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 5. März 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 2018, in dem Verfahren gegen

NK,

Beteiligte:

Staatsanwaltschaft Oldenburg,

Staatliches Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, des Richters C. G. Fernlund und der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin),


Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der norwegischen Regierung, vertreten durch E. Sawkins Eikeland, K. H. Aarvik und C. Anker als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Eggers und J. Hottiaux als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 (ABl. 2014, L 60, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 561/2006).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen des Verfahrens, das gegen NK, einen in Niedersachsen (Deutschland) ansässigen Viehgroßhändler, eingeleitet wurde, weil er zugelassen haben soll, dass einer seiner Fahrer Vieh von einem landwirtschaftlichen Betrieb direkt zu einem Schlachthaus beförderte, ohne eine Fahrerkarte zu verwenden.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmt:

„Durch diese Verordnung werden Vorschriften zu den Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten für Kraftfahrer im Straßengüter- und ‑personenverkehr festgelegt, um die Bedingungen für den Wettbewerb zwischen Landverkehrsträgern, insbesondere im Straßenverkehrsgewerbe, anzugleichen und die Arbeitsbedingungen sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern. …“

4        In Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung heißt es:

„Diese Verordnung gilt für folgende Beförderungen im Straßenverkehr:

a)      Güterbeförderung mit Fahrzeugen, deren zulässige Höchstmasse einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t übersteigt, …“

5        Art. 13 Abs. 1 der Verordnung sieht vor:

„Sofern die Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht beeinträchtigt wird, kann jeder Mitgliedstaat für sein Hoheitsgebiet … Abweichungen von den Artikeln 5 bis 9 zulassen und solche Abweichungen für die Beförderung mit folgenden Fahrzeugen an individuelle Bedingungen knüpfen:

p)      Fahrzeuge, die innerhalb eines Umkreises von bis zu 100 km für die Beförderung lebender Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Märkten und umgekehrt oder von den Märkten zu den lokalen Schlachthäusern verwendet werden.“

6        Die Verordnung Nr. 165/2014 enthält u. a. die Pflichten und Vorschriften betreffend die Bauart, den Einbau, die Benutzung, die Prüfung und die Kontrolle von Fahrtenschreibern im Straßenverkehr.

7        Im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es:

„Für bestimmte Kraftfahrzeuge gelten Ausnahmen von den Bestimmungen der Verordnung … Nr. 561/2006 … Zur Wahrung der Kohärenz sollte es möglich sein, solche Kraftfahrzeuge auch vom Anwendungsbereich der vorliegenden Verordnung auszunehmen.“

8        Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 sieht vor:

„Zusätzlich zu den in Absatz 1 genannten Begriffsbestimmungen gelten im Sinne dieser Verordnung folgende Begriffsbestimmungen:

a)      ‚Fahrtenschreiber‘ oder ‚Kontrollgerät‘ ist das für den Einbau in Kraftfahrzeuge bestimmte Gerät zum vollautomatischen oder halbautomatischen Anzeigen, Aufzeichnen, Ausdrucken, Speichern und Ausgeben von Angaben über die Fahrten des Fahrzeugs, einschließlich seiner Fahrgeschwindigkeit, gemäß Artikel 4 Absatz 3 sowie von Angaben über bestimmte Tätigkeitszeiten der Fahrer;

d)      ‚Fahrtenschreiberkarte‘ ist eine zur Verwendung mit dem Fahrtenschreiber bestimmte Chipkarte, die die Feststellung der Rolle des Karteninhabers durch den Fahrtenschreiber und die Übertragung und Speicherung von Daten ermöglicht;

f)      ‚Fahrerkarte‘ ist eine Fahrtenschreiberkarte, die einem bestimmten Fahrer von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellt wird, den Fahrer ausweist und die Speicherung von Tätigkeitsdaten des Fahrers ermöglicht;

…“

9        Art. 3 Abs. 2 der Verordnung bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten können die in Artikel 13 Absätze 1 und 3 der Verordnung … Nr. 561/2006 genannten Fahrzeuge von der Anwendung der vorliegenden Verordnung ausnehmen.“

 Deutsches Recht

10      § 8 des Fahrpersonalgesetzes bestimmt:

„(1)      Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1.      als Unternehmer

b)      einer Vorschrift der Verordnung … Nr. 165/2014 … zuwiderhandelt …

(2)      Die Ordnungswidrigkeit kann in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 und 3 mit einer Geldbuße bis zu dreißigtausend Euro … geahndet werden.“

11      § 18 Abs. 1 Nr. 16 der Fahrpersonalverordnung sieht vor:

„(1)      Nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 561/2006 und nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung … Nr. 165/2014 werden … folgende Fahrzeugkategorien von der Anwendung der Artikel 5 bis 9 der Verordnung … Nr. 561/2006 und der Anwendung der Verordnung … Nr. 165/2014 ausgenommen:

16.      Fahrzeuge, die innerhalb eines Umkreises von bis zu 100 Kilometern vom Standort des Unternehmens für die Beförderung lebender Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Märkten und umgekehrt oder von den Märkten zu den lokalen Schlachthäusern verwendet werden.“

12      In § 23 Abs. 1 Nr. 2 der Fahrpersonalverordnung heißt es:

„(1)      Ordnungswidrig im Sinne des § 8 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b des Fahrpersonalgesetzes handelt, wer als Unternehmer gegen die Verordnung … Nr. 165/2014 … verstößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig

2.      … für das einwandfreie Funktionieren des Fahrtenschreibers oder die ordnungsgemäße Benutzung des Fahrtenschreibers oder der Fahrerkarte oder des Schaublattes nicht sorgt.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13      NK ist ein in Niedersachsen ansässiger Viehgroßhändler, der Tiere bei Landwirten einkauft und sie sodann zu Schlachthäusern transportiert, an die er sie weiterverkauft.

14      Im November 2016 kaufte NK Mastschweine bei einem Landwirt im Landkreis Cloppenburg in Niedersachsen und ließ sie in einem seiner Viehtransporter vom landwirtschaftlichen Betrieb zum Schlachthaus transportieren. Bei einer Verkehrskontrolle wurde festgestellt, dass der Fahrzeugführer seine Fahrerkarte nicht eingelegt hatte. Gegen NK wurde gemäß der Fahrpersonalverordnung wegen Zulassens und Anordnens einer Fahrt ohne Fahrerkarte eine Geldbuße von 750 Euro verhängt, die mit Entscheidung des Amtsgerichts Oldenburg (Deutschland) bestätigt wurde.

15      Gegen diese Entscheidung legte NK beim Oberlandesgericht Oldenburg (Deutschland) Rechtsbeschwerde ein. Dabei berief er sich auf die Geltung der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 vorgesehenen Ausnahme, auf die in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 verwiesen wird und die durch § 18 Abs. 1 Nr. 16 der Fahrpersonalverordnung in deutsches Recht umgesetzt wird.

16      Da das Oberlandesgericht Oldenburg die Auslegung des Begriffs „Markt“ im Sinne der Verordnung Nr. 561/2006 für nicht offenkundig hält, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Kann sich ein Viehgroßhändler, der lebende Tiere von einem Landwirt erwirbt und zu einem Schlachthaus in einer Entfernung von bis zu 100 Kilometern transportiert, dem er die Tiere verkauft, auf den Ausnahmetatbestand des Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 – „Fahrzeuge, die innerhalb eines Umkreises von bis zu 100 Kilometern für die Beförderung lebender Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Märkten und umgekehrt oder von den Märkten zu den lokalen Schlachthäusern verwendet werden“ – berufen, weil es sich bei dem Erwerb von dem Landwirt um einen „Markt“ im Sinne dieser Vorschrift handelt oder das Viehhandelsunternehmen selbst als „Markt“ anzusehen ist?

Wenn es sich nicht um einen „Markt“ im Sinne dieser Vorschrift handelt:

Kann sich der Viehgroßhändler, der lebende Tiere von einem Landwirt erwirbt und sie in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern zu einem Schlachthaus transportiert, dem er die Tiere verkauft, in entsprechender Anwendung der vorgenannten Norm auf diesen Ausnahmetatbestand berufen?

 Zur Vorlagefrage

17      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Markt“ in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 dahin auszulegen ist, dass er die Transaktion, die zwischen einem Viehgroßhändler und einem Landwirt stattfindet, oder den Viehgroßhändler selbst bezeichnet, oder ob es in Betracht kommt, die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme auf Fahrzeuge auszuweiten, mit denen lebende Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Schlachthäusern befördert werden.

18      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass mit der Verordnung Nr. 561/2006, wie sich insbesondere aus ihrem Art. 1 ergibt, die Wettbewerbsbedingungen im Straßenverkehrsgewerbe angeglichen sowie die Arbeitsbedingungen in diesem Gewerbe und die Straßenverkehrssicherheit verbessert werden sollen und dass diese Ziele u. a. in der Pflicht zum Ausdruck kommen, Fahrzeuge im Straßentransport grundsätzlich mit einem zugelassenen Fahrtenschreiber auszustatten, mit dem die Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer kontrolliert werden kann (Urteil vom 13. März 2014, A. Karuse, C‑222/12, EU:C:2014:142, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Speziell nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 sind die Mitgliedstaaten jedoch befugt, u. a. die in Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 aufgezählten Fahrzeuge, darunter die in Buchst. p dieser Vorschrift genannten, d. h. „Fahrzeuge, die innerhalb eines Umkreises von bis zu 100 km für die Beförderung lebender Tiere von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Märkten und umgekehrt oder von den Märkten zu den lokalen Schlachthäusern verwendet werden“, von der Pflicht zum Einbau und/oder zur Benutzung eines Fahrtenschreibers auszunehmen.

20      Da die Bundesrepublik Deutschland von der durch Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht hat, ist die Reichweite der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 vorgesehenen Ausnahme zu bestimmen.

21      Insoweit ist hervorzuheben, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 als Ausnahme von den Art. 5 bis 9 dieser Verordnung eng auszulegen sind (vgl. entsprechend, zu Art. 13 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung, Urteil vom 28. Juli 2011, Seeger, C‑554/09, EU:C:2011:523, Rn. 33). Überdies ist die Reichweite dieser Ausnahme unter Berücksichtigung der Zielsetzungen der fraglichen Verordnung zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2014, A. Karuse, C‑222/12, EU:C:2014:142, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Zum Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift nicht etwa den allgemeinen Begriff „Märkte“, sondern den spezielleren Begriff „lokale Märkte“ zum Gegenstand hat. Dieser Ausdruck lässt aber keinen Zweifel daran, dass die in dieser Vorschrift geregelte Ausnahme anhand des Start- und Zielorts der Beförderung lebender Tiere räumlich eingegrenzt ist, wobei sich die landwirtschaftlichen Betriebe keineswegs mit den „lokalen Märkten“ für Vieh decken. Desgleichen impliziert das Adjektiv „lokal“ notwendigerweise, dass die fraglichen „Märkte“ nicht etwa die materielle Verwirklichung von Transaktionen bezeichnen, die die Beförderung lebender Tiere zum Gegenstand haben, ungeachtet des Ortes, an dem diese Transaktionen stattfinden, sondern genau bestimmte Orte, die sich sowohl von den landwirtschaftlichen Betrieben als auch von den lokalen Schlachthäusern unterscheiden, die sich jeweils in dem in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 genannten Umkreis befinden.

23      Somit ergibt sich entgegen dem, was die norwegische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen vorträgt, aus dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006, dass sich ein „lokaler Markt“ nicht mit dem Niederlassungsort eines landwirtschaftlichen Betriebs decken kann, was ausschließt, dass lebende Tiere durch einen Viehgroßhändler direkt von diesem landwirtschaftlichen Betrieb zum lokalen Schlachthaus befördert werden können.

24      Eine gegenteilige Auslegung der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 geregelten Ausnahme liefe zudem den Zielsetzungen dieser Vorschrift und dieser Verordnung zuwider.

25      Insoweit hat der Gerichtshof bereits bezüglich der in Art. 14a Abs. 2 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 543/69 des Rates vom 25. März 1969 über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (ABl. 1969, L 77, S. 49) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2827/77 des Rates vom 12. Dezember 1977 (ABl. 1977, L 334, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 543/69) vorgesehenen Ausnahme von der Pflicht zur Benutzung des Fahrtenschreibers, deren Wortlaut im Wesentlichen dem der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 geregelten Ausnahme entsprach, festgestellt, dass diese Ausnahme kommerzielle Tätigkeiten, die Vorrang vor der Beförderung im eigentlichen Sinne haben, begünstigen soll und nur Nahtransporte betreffen kann, die im Interesse einzelner landwirtschaftlicher Betriebe erfolgen und den normalen Erfordernissen der Versorgung derartiger Betriebe oder dem Absatz ihrer Erzeugung entsprechen (Urteil vom 28. März 1985, Hackett u. a., 91/84 und 92/84, EU:C:1985:153, Rn. 16 und 19).

26      Mit Blick auf diese Zielsetzung hat der Gerichtshof ausgeschlossen, dass von der Ausnahme gemäß Art. 14a Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 543/69 Beförderungen erfasst sein können, die, was die zurückgelegten Strecken, die Leistung der verwendeten Fahrzeuge und die Intensität der Nutzung dieser Fahrzeuge angeht, gerade die Merkmale aufweisen, die es gerechtfertigt haben, die Verwendung des Fahrtenschreibers allgemein vorzusehen, d. h. die Gefahr eines übermäßigen Einsatzes der Fahrzeuge und ihrer Fahrer mit allen unerwünschten Folgen für den sozialen Schutz der Arbeitnehmer im Beförderungsgewerbe, die Sicherheit des Straßenverkehrs und die Aufrechterhaltung gesunder Wettbewerbsbedingungen in dem betreffenden Sektor (Urteil vom 28. März 1985, Hackett u. a., 91/84 und 92/84, EU:C:1985:153, Rn. 21).

27      Zwar enthält die in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 geregelte Ausnahme im Gegensatz zu derjenigen, die in Art. 14a Abs. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 543/69 vorgesehen war, eine zusätzliche Voraussetzung in Bezug auf den räumlichen Umkreis, in dem sie Anwendung findet.

28      Gleichwohl brächte eine weite Auslegung dieser Ausnahme in dem Sinne, dass sie es zulässt, Fahrzeuge, mit denen lebende Tiere direkt vom landwirtschaftlichen Betrieb zu den lokalen Schlachthäusern befördert werden, von der Pflicht zur Benutzung des Fahrtenschreibers auszunehmen, die Gefahr mit sich, dass bestimmte Wirtschaftsbeteiligte, wie etwa Viehgroßhändler, zum übermäßigen Einsatz leistungsstarker Fahrzeuge angeregt werden könnten, die täglich über mehrere Stunden hinweg und ohne Unterbrechung lebende Tiere von verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Schlachthäusern transportieren, wobei insbesondere die mit der Verordnung Nr. 561/2006 verfolgten Ziele des sozialen Schutzes der Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit missachtet werden könnten. Wie die Europäische Kommission im Übrigen in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht hat, ist die Verwirklichung einer solchen Gefahr umso wahrscheinlicher, wenn die betreffende Region, wie es im Ausgangsverfahren der Fall ist, durch eine hohe Dichte an Viehzuchtbetrieben und Zentren der tierischen Veredelungswirtschaft gekennzeichnet ist.

29      Diese Auslegung wird nicht durch die Argumente der norwegischen Regierung in Frage gestellt, die zum einen dahin gehen, dass die Anzahl der lokalen Viehmärkte in den Mitgliedstaaten beständig zurückgehe, was eine großzügigere Lesart der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 geregelten Ausnahme erfordere, und zum anderen dahin, dass der Gesundheit und dem Wohlergehen der Tiere eher gedient wäre, wenn diese direkt von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Schlachthäusern transportiert werden könnten.

30      Zum ersten Punkt genügt es – selbst wenn man als erwiesen unterstellt, dass die Anzahl der lokalen Viehmärkte in den Mitgliedstaaten zurückgegangen ist, womöglich sogar in erheblichem Maße –, in Übereinstimmung mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber dennoch einen Vorschlag der Kommission, der darauf abzielte, die Reichweite der in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 geregelten Ausnahme auszudehnen, ausdrücklich abgelehnt hat. Darüber hinaus hat sich der Unionsgesetzgeber in der Folge, als er die Verordnung Nr. 165/2014 erließ, darauf beschränkt, den räumlichen Umkreis von 50 km auf 100 km zu erhöhen, d. h., ohne den Ausdruck „lokale Märkte“ zu streichen.

31      Was den zweiten Punkt anbelangt, zählt das Erfordernis, die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere zu achten, zwar nicht zu den Zielen, die mit der Verordnung Nr. 561/2006 verfolgt werden, aber es ist jedenfalls, anders als die norwegische Regierung vorträgt, keineswegs ausgeschlossen, dass sich ein solches Erfordernis mit diesen Zielen vereinbaren lässt. Der übermäßige Einsatz von Fahrzeugen, die täglich ohne Unterlass lebende Tiere direkt von mehreren landwirtschaftlichen Betrieben zu einem oder mehreren lokalen Schlachthäusern transportieren, droht nämlich nicht nur die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu beeinträchtigen und die Straßenverkehrssicherheit zu gefährden, was es rechtfertigt, dass in solchen Fahrzeugen der Fahrtenschreiber verwendet wird, sondern kann auch negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlergehen dieser Tiere haben.

32      Demnach ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass der Ausdruck „lokale Märkte“ in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung Nr. 561/2006 dahin auszulegen ist, dass er weder die Transaktion, die zwischen einem Viehgroßhändler und einem Landwirt stattfindet, noch den Viehgroßhändler selbst bezeichnen kann, so dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme nicht auf Fahrzeuge ausgeweitet werden kann, mit denen lebende Tiere direkt von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Schlachthäusern befördert werden.

 Kosten

33      Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

Der Ausdruck „lokale Märkte“ in Art. 13 Abs. 1 Buchst. p der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates in der durch die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er weder die Transaktion, die zwischen einem Viehgroßhändler und einem Landwirt stattfindet, noch den Viehgroßhändler selbst bezeichnen kann, so dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Ausnahme nicht auf Fahrzeuge ausgeweitet werden kann, mit denen lebende Tiere direkt von den landwirtschaftlichen Betrieben zu den lokalen Schlachthäusern befördert werden.

Biltgen

Fernlund

Rossi

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Februar 2019.

Der Kanzler

 

Der Präsident der Achten Kammer

A. Calot Escobar

 

F. Biltgen


*      Verfahrenssprache: Deutsch.