Language of document : ECLI:EU:C:2019:74

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

vom 30. Januar 2019(1)

Rechtssache C628/17

Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów,

Streithelferin:

Orange Polska S.A.

(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Najwyższy [Oberstes Gericht, Polen])

„Vorabentscheidungsersuchen – Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern – Richtlinie 2005/29/EG – Begriff der aggressiven Geschäftspraxis – Modalität des Abschlusses von Fernabsatzverträgen über die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten – Verpflichtung des Verbrauchers, eine endgültige geschäftliche Entscheidung in Anwesenheit des Kuriers, der die Vertragsmuster aushändigt, zu treffen“






1.        Ein neues Vorabentscheidungsersuchen gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Verbraucherschutz fortzuentwickeln, diesmal im Bereich der Richtlinie 2005/29/EG(2), zu deren Anwendung vor kurzem das Urteil Wind Tre und Vodafone Italia(3) ergangen ist.

2.        Auf der Linie mit der Rechtsprechung in diesem Urteil ist nunmehr zu entscheiden, ob das in Polen von einem Telekommunikationsunternehmen angewandte Modell für den Abschluss von Fernabsatzverträgen, bei dem der Verbraucher die endgültige geschäftliche Entscheidung in Anwesenheit des Kuriers treffen muss, der ihm die Vertragsmuster aushändigt, über deren Inhalt er sich vorab über das Internet oder telefonisch informieren konnte, (in jedem Fall oder nur unter bestimmten Umständen) als eine aggressive Geschäftspraxis anzusehen ist.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Unionsrecht. Richtlinie 2005/29

3.        In den Erwägungsgründen 7, 16 und 17 heißt es:

„(7)      … Bei der Anwendung dieser Richtlinie, insbesondere der Generalklauseln, sollten die Umstände des Einzelfalles umfassend gewürdigt werden.

(16)      Die Bestimmungen über aggressive Handelspraktiken sollten solche Praktiken einschließen, die die Wahlfreiheit des Verbrauchers wesentlich beeinträchtigen. Dabei handelt es sich um Praktiken, die sich der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung von Gewalt, und der unzulässigen Beeinflussung bedienen.

(17)      Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

4.        Nach Art. 2 bezeichnet der Ausdruck:

„…

e)      ‚wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers‘ die Anwendung einer Geschäftspraxis, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte;

j)      ‚unzulässige Beeinflussung‘ die Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt;

k)      ‚geschäftliche Entscheidung‘ jede Entscheidung eines Verbraucher[s] darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen, eine Zahlung insgesamt oder teilweise leisten, ein Produkt behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit dem Produkt ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher beschließt, tätig zu werden oder ein Tätigwerden zu unterlassen;

…“

5.        Art. 5 („Verbot unlauterer Geschäftspraktiken“) bestimmt:

„(1)      Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

(2)      Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

a)      sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht

und

b)      sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

(3)      Geschäftspraktiken, die voraussichtlich in einer für den Gewerbetreibenden vernünftigerweise vorhersehbaren Art und Weise das wirtschaftliche Verhalten nur einer eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern wesentlich beeinflussen, die aufgrund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit im Hinblick auf diese Praktiken oder die ihnen zugrunde liegenden Produkte besonders schutzbedürftig sind, werden aus der Perspektive eines durchschnittlichen Mitglieds dieser Gruppe beurteilt. Die übliche und rechtmäßige Werbepraxis, übertriebene Behauptungen oder nicht wörtlich zu nehmende Behauptungen aufzustellen, bleibt davon unberührt.

(4)      Unlautere Geschäftspraktiken sind insbesondere solche, die

a)      irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7

oder

b)      aggressiv im Sinne der Artikel 8 und 9 sind.

(5)      Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

6.        Art. 8 („Aggressive Geschäftspraktiken“) lautet:

„Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“

7.        In Art. 9 („Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung“) heißt es:

„Bei der Feststellung, ob im Rahmen einer Geschäftspraxis die Mittel der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder der unzulässigen Beeinflussung eingesetzt werden, ist abzustellen auf:

a)      Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer des Einsatzes;

b)      die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen;

c)      die Ausnutzung durch den Gewerbetreibenden von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers beeinträchtigen, worüber sich der Gewerbetreibende bewusst ist, um die Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf das Produkt zu beeinflussen;

d)      belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einem anderen Produkt oder einem anderen Gewerbetreibenden zu wechseln;

e)      Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen.“

B.      Nationales Recht. Gesetz vom 23. August 2007 über die Bekämpfung unlauterer Marktpraktiken(4)

8.        Art. 8 Abs. 1 bestimmt, dass eine Geschäftspraxis als aggressiv gilt, wenn sie die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine Entscheidung in Bezug auf einen Vertrag zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

9.        Gemäß Art. 8 Abs. 2 gilt als unzulässige Beeinflussung jede Form der Ausnutzung einer Machtposition gegenüber einem Verbraucher, insbesondere die Anwendung oder Androhung von körperlicher oder psychischer Gewalt in einer Weise, die die Fähigkeit eines Durchschnittsverbrauchers zu einer informierten Entscheidung in Bezug auf einen Vertrag wesentlich einschränkt.

II.    Sachverhalt

10.      Nach der Vorlageentscheidung schließt Orange Polska Verträge über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten über einen Online-Shop oder beim Vertrieb über Telefon (Teleshopping) nach einem Verfahren ab, das folgende Phasen hat:

1.      Aufrufen einer Website und Kennenlernen des Angebots des Unternehmens durch den Verbraucher. Über einen Link sind die Vertragsmuster, die das Unternehmen anbietet, zugänglich;

2.      Wahl einer Ware oder eines Vertrags;

3.      Aufgeben einer Bestellung. Es ist nicht vorgesehen, dass der Verbraucher zu diesem Zeitpunkt erklärt, das ihm angebotene Vertragsmuster zur Kenntnis genommen zu haben;

4.      Bestätigung der Bestellung;

5.      Realisierung der Bestellung unter Zuhilfenahme von Dienstleistungen eines Kurierdienstes. Der Kurier überbringt dem Verbraucher einen Vertragsentwurf (für eine neue Dienstleistung oder einen neuen Kunden) oder einen Nachtrag (für einen bisherigen Kunden) samt Anhängen, Geschäftsbedingungen, Preislisten und anderen Dokumenten, die nach der Unterzeichnung zu Vertragsbestandteilen werden;

6.      Vertragsabschluss und gegebenenfalls Aushändigung der Ware. Der Verbraucher erklärt bei Unterzeichnung des Vertrags oder des Nachtrags, dass er alle ihm überbrachten Dokumente zur Kenntnis genommen hat und ihren Inhalt akzeptiert. Die Unterzeichnung muss beim Besuch des Kuriers erfolgen. Anderenfalls kommt es nicht zum Vertragsschluss und der Verbraucher muss sich entweder zu einer ortsfesten Verkaufsstelle begeben oder erneut eine Bestellung auf der Website oder über den Teleshopping-Kanal aufgeben;

7.      Aktivierung des Vertrags.

11.      Mit Bescheid vom 30. Dezember 2010 stellte das Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (polnisches Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz) fest, dass die beschriebene Praxis die kollektiven Interessen der Verbraucher verletze, da sie die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern dadurch einschränke, dass sie die Entscheidung über den Abschluss des Vertrags in Anwesenheit des Kuriers treffen müssten, ohne seinen Inhalt ungehindert zur Kenntnis nehmen zu können.

12.      Der Sąd Okręgowy w Warszawie (Bezirksgericht Warschau, Polen) hob den angefochtenen Bescheid am 27. Oktober 2014 auf. Mit Urteil vom 4. März 2017 bestätigte der Sąd Apelacyjny w Warszawie (Berufungsgericht Warschau, Polen) das Urteil des ersten Rechtszugs.

13.      Der Prezes Urzędu Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz) legte gegen das Urteil des Berufungsgerichts Kassationsbeschwerde beim Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) ein, der beschloss, ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen.

III. Vorlagefrage

14.      Das vorlegende Gericht führt aus, dass es „dazu neigt, den Standpunkt der Richter aus beiden Instanzen zu teilen“, aber gewisse Auslegungszweifel hinsichtlich der Einordnung der in dem Rechtsstreit in Rede stehenden Verhaltensweisen habe.

15.      Seiner Auffassung nach liege keine aggressive Geschäftspraxis vor, wenn der Unternehmer auf den Verbraucher keinen Druck ausübe, sondern lediglich von ihm erwarte, dass er eine endgültige Entscheidung in Bezug auf einen Vertrag treffe, zu dessen Abschluss er seinen Willen in der Phase der Bestellung der Dienstleistung vorläufig zum Ausdruck gebracht habe, nachdem er Zugang zu den Dokumenten gehabt habe, die die Bedingungen für die Erbringung der Telekommunikationsdienste enthielten.

16.      Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass

1.      durch das in Rede stehende Vertragsabschlussmodell die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers nicht beeinträchtigt werde, denn schon in der Phase der Bestellung auf der Website des Unternehmers oder während des Telefongesprächs mit einem Berater treffe er eine grundsätzliche (wenn auch vorläufige und nicht bindende) Entscheidung;

2.      die Freiheit des Verbrauchers, ob er eine entsprechende Willenserklärung abgebe oder verweigere, auch beim Besuch des Kuriers, in dessen Verlauf der Verbraucher seine Entscheidung durch Unterzeichnung des Vertrags bestätigen oder seinen Abschluss ablehnen solle, nicht beeinträchtigt werde;

3.      die Voraussetzung, dass der Verbraucher „eine geschäftliche Entscheidung … treffen [müsse], die er andernfalls nicht getroffen hätte“, dann erfüllt wäre, wenn ein Anbieter einem Verbraucher über einen Kurier einen Vertrag oder ein Vertragsmuster mit anderen Bedingungen zustellen würde als die, von denen der Verbraucher vorher erklärt habe, sie zu kennen. Nur unter diesen Umständen würde der Druck ausgeübt, der durch die Anwesenheit eines Kuriers entstehe, der auf eine schnelle Entscheidung warte, die der Verbraucher anderenfalls nicht getroffen hätte, da er mit dem Unternehmer andere Vertragsbedingungen vereinbart habe als die, die ihm letztlich präsentiert würden.

17.      Schließlich führt das vorlegende Gericht aus, dass in Anbetracht der in Art. 9 der Richtlinie 2005/29 geregelten Voraussetzungen und mangels körperlicher oder verbaler Drohungen der Besuch des Kuriers an dem mit dem Verbraucher vereinbarten Ort und zu dem mit ihm vereinbarten Zeitpunkt keine Praxis darstelle, die für sich als aggressiv eingestuft werden könne.

18.      Aufgrund dieser Überlegungen hat der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, die am 8. November 2017 eingegangen ist:

Ist Art. 8 in Verbindung mit Art. 9 und Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen, dass die Anwendung eines Modells für den Abschluss von Fernabsatzverträgen über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, bei dem ein Verbraucher die endgültige geschäftliche Entscheidung in Anwesenheit des die Vertragsmuster [Allgemeinen Geschäftsbedingungen] aushändigenden Kuriers treffen muss, durch einen Unternehmer als eine aggressive Geschäftspraxis durch unzulässige Beeinflussung anzusehen ist:

a)      immer, wenn der Verbraucher beim Besuch des Kuriers den Inhalt der Vertragsmuster nicht ungehindert zur Kenntnis nehmen kann;

b)      nur dann, wenn der Verbraucher nicht vorab und in individualisierter Weise (z. B. an seine E‑Mail-Adresse, Wohnanschrift) sämtliche Vertragsmuster erhalten hat, auch wenn er die Möglichkeit hatte, vor dem Besuch des Kuriers selbst ihren Inhalt auf der Website des Unternehmers zur Kenntnis zu nehmen;

c)      nur dann, wenn zusätzliche Feststellungen darauf hindeuten, dass durch diesen Unternehmer oder in seinem Auftrag unlautere Handlungen zum Zweck der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers hinsichtlich der zu treffenden geschäftlichen Entscheidung vorgenommen wurden?

IV.    Verfahren vor dem Gerichtshof und Vorbringen der Parteien

19.      Orange Polska, die polnische Regierung und die Kommission, die auch in der mündlichen Verhandlung am 28. November 2018 erschienen sind, haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

20.      Orange Polska ist der Ansicht, ein System zum Abschluss von Fernabsatzverträgen, bei dem der Verbraucher seine Entscheidung auf der Grundlage von Dokumenten treffe, die ihm im Internet zur Verfügung gestellt würden, und das mit dem Eintreffen des Kuriers seinen Abschluss finde, könne nicht als aggressive Geschäftspraxis eingeordnet werden. Unter „unzulässiger Beeinflussung“ sei eine absichtliche Beeinflussung des Verbrauchers durch den Gewerbetreibenden, durch die er mit rechtswidrigen oder widersprüchlichen Mitteln zu geschäftlichen Entscheidungen verleitet werden solle, die er andernfalls nicht treffen würde, zu verstehen.

21.      Die polnische Regierung meint ebenso wie die Kommission, dass das zu beurteilende Verhalten in Anbetracht des Wortlauts der Liste in Anhang I zur Richtlinie 2005/29 nicht unter allen Umständen eine unlautere (aggressive) Geschäftspraxis darstelle, sondern dass die besonderen Umstände des Einzelfalls in ihrer Gesamtbetrachtung maßgeblich seien, was zu beurteilen in die Zuständigkeit des nationalen Gerichts falle.

22.      Der polnischen Regierung und der Kommission zufolge obliegt es dem Gerichtshof, dem nationalen Gericht unter Berücksichtigung von Art. 2 Buchst. j sowie der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 Auslegungskriterien zu nennen. Der in der Richtlinie verwendete Begriff „unzulässige Beeinflussung“ sei nicht auf den der „rechtswidrigen Beeinflussung“ beschränkt, bei dem es sich um den „wenig glücklichen“ Ausdruck handele, der in die polnische Fassung aufgenommen worden sei.

23.      Die polnische Regierung meint, entscheidend sei, ob der Verbraucher vor dem Besuch des Kuriers völlig frei und informiert die Vertragsdokumente zur Kenntnis nehmen könne. Die Möglichkeit eines späteren Widerrufs sei für die Feststellung, ob eine aggressive Geschäftspraxis vorliege, unerheblich.

24.      Die Kommission räumt ein, dass durch die Notwendigkeit, einen Vertrag in Anwesenheit eines Kuriers zu unterzeichnen, ein gewisser Druck auf den Verbraucher entstehen könne. Diese Möglichkeit reiche aber noch nicht für die Feststellung, dass es sich systematisch um eine aggressive Geschäftspraxis handele, denn für deren Vorliegen müssten Faktoren auftreten, die geeignet seien, die Entscheidung des Verbrauchers in unzulässiger Weise zu beeinflussen.

25.      Solche Faktoren seien die, die das vorlegende Gericht in Teil b und Teil c seiner Vorlagefrage anführe, wenngleich keiner von ihnen für sich genommen zur Feststellung aggressiver Geschäftspraktiken führen könne, da die möglichen Auswirkungen der in Rede stehenden Praxis auf die Entscheidung des Verbrauchers geprüft werden müssten.

26.      Die Kommission ist der Ansicht, für die Feststellung, wer im jeweiligen Fall Durchschnittsverbraucher sei, und die Abwägung, ob eine unzulässige Beeinflussung ausgeübt worden sei, müssten der Onlineverkauf und der Verkauf per Telefon getrennt geprüft werden. Letztendlich sei zu fragen, ob es sich bei der einfachen Entscheidung, um den Besuch eines Kuriers zur Unterzeichnung eines Vertrags zu bitten, um eine „wirtschaftliche Entscheidung“ im Sinne der Richtlinie 2005/29 handeln könne.

V.      Prüfung

A.      Einleitende Erwägungen

27.      Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die in seinem Beschluss dargestellte Geschäftspraxis wegen „unzulässiger Beeinflussung“ im Sinne von Art. 8 in Verbindung mit Art. 9 und Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29 als aggressiv eingestuft werden kann.

28.      Konkret möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieses Fernabsatzsystem a) in jedem Fall eine aggressive Geschäftspraxis darstellt oder b) nur dann, wenn eine der beiden folgenden Voraussetzungen vorliegt:

1.      entweder, der Verbraucher hat „nicht vorab und in individualisierter Weise sämtliche Vertragsmuster erhalten …, auch wenn er die Möglichkeit hatte, vor dem Besuch des Kuriers selbst ihren Inhalt auf der Website des Unternehmens zur Kenntnis zu nehmen“,

2.      oder andere Feststellungen weisen darauf hin, dass durch den Gewerbetreibenden oder in seinem Auftrag „unlautere Handlungen zum Zweck der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers hinsichtlich der zu treffenden geschäftlichen Entscheidung vorgenommen wurden“.

29.      Stellt man auf den Wortlaut der Frage ab, stellt sich der Zweifel im soeben dargestellten Umfang. Ich mache diesen Vorbehalt, weil die Sprachfassungen des Textes nicht einheitlich sind, insbesondere bei der Übersetzung von Teil a.

30.      Die spanische Fassung von Teil a lautet: „siempre, si el consumidor durante la visita del mensajero no puede tomar conocimiento con libertad del contenido del contrato tipo“(5). Auf dieser Linie lautet die italienische Fassung „sempre, qualora il consumatore, al momento della visita del corriere, non possa consultare liberamente il contenuto dei modelli contrattuali“(6). In der deutschen Fassung heißt es: „immer, wenn der Verbraucher beim Besuch des Kuriers den Inhalt der Vertragsmuster nicht ungehindert zur Kenntnis nehmen kann“(7). In der portugiesischen Fassung steht: „sempre que o consumidor não possa, por ocasião da visita do mensageiro, tomar livremente conhecimento do conteúdo do modelo do contrato“(8).

31.      Nach diesen Sprachfassungen würde nicht danach gefragt, ob das streitige Vertragsmodell in jedem Fall eine aggressive Geschäftspraxis darstellt, also einschränkungslos „immer“, sondern nur, „wenn“ ein konkreter Umstand vorliegt: dass der Verbraucher den Inhalt des Vertrags nicht ungehindert zur Kenntnis nehmen kann. Wie auch in Teil b und Teil c der Vorlagefrage würde das vorlegende Gericht demnach nach einem genau umschriebenen Sachverhalt fragen.

32.      Die französische Fassung der Vorlagefrage lautet hingegen: „toujours, parce que, durant la visite du livreur, le consommateur ne peut pas prendre connaissance librement du contenu des modèles [de contrat] qui lui sont remis“(9). Diese Übersetzung scheint die zu sein, die am ehesten dem polnischen Original entspricht, in dem Teil a der Frage mit „zawsze, gdyż“ („immer, weil“) beginnt. Die Teile b und c hingegen werden mit den Worten „tylko, gdy“ („nur, wenn“) eingeleitet. Die orthografische Nähe zwischen den Worten „gdyż“ und „gdy“ veranlasst die Kommission zu dem Schluss, dass die Verwendung des ersteren auf einen Schreibfehler zurückgehe und es sich in allen drei Fällen um das Wort „gdy“ handele(10).

33.      Meines Erachtens kann nicht von einem Schreibfehler ausgegangen werden. Vor allem natürlich, weil vorausgesetzt werden kann, dass das vorlegende Gericht seine Frage präzise und sorgfältig formuliert hat. Insbesondere aber, weil es in den beiden Fällen, in denen es das Wort „gdy“ verwendet (Teil b und Teil c), das Wort „tylko“ (nur) voranstellt, während „gdyż“ in Teil a die Vokabel „zawsze“ (immer) vorangeht. Würde es sich um einen Schreibfehler handeln und in Teil a auch das Wort „gdy“ (wenn) einschlägig sein, würde das vorlegende Gericht fragen, ob das streitige Modell eine aggressive Geschäftspraxis darstellt, sofern ein bestimmter Umstand vorliegt, was so viel bedeuten würde wie nur in diesem Fall. Die Frage wäre dann, weshalb das vorlegende Gericht „tylko“ (nur) nur in Teil b und Teil c, nicht aber in Teil a verwendet.

34.      Bereits aus der Gegenüberstellung des in Teil a beschriebenen Umstands mit den Sachverhalten der beiden anderen Teile ergibt sich, dass er Sinn hat, ohne dass von einem vermeintlichen Schreibfehler ausgegangen werden muss. Während in den letztgenannten Teilen auf genau beschriebene und konkrete Situationen Bezug genommen wird (nicht vorab und in individualisierter Weise sämtliche Vertragsmuster erhalten zu haben, Feststellungen, die auf unlautere Handlungen hindeuten), wird in Teil a ein Faktor genannt, der unter den Umständen des Vorabentscheidungsersuchens der beschriebenen Praxis – also des Erfordernisses, dass der Vertrag in Anwesenheit des Kuriers unterzeichnet wird – inhärent wäre, was fast definitionsgemäß impliziert, dass der Verbraucher aufgrund der für die Tätigkeit der Kuriere charakteristischen Eile „den Inhalt der Vertragsmuster nicht ungehindert zur Kenntnis nehmen kann“. Es handelt sich daher nicht um einen Umstand, der möglicherweise vorliegt, sondern um einen Umstand, der dem beschriebenen Sachverhalt eigen ist und dessen Wortlaut daher als Erklärung des Grundes, aus dem das streitige Vertragsmodell immer („zawsze“) eine aggressive Geschäftspraxis sein könnte, gerechtfertigt ist. Dies spiegelt sich, meines Erachtens zutreffend, in der französischen Fassung der Vorlagefrage wider, auf die ich im Folgenden abstellen werde.

B.      Zur Begründetheit

35.      Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 bestimmt kategorisch, dass bei ihrer Anwendung „die Umstände des Einzelfalles umfassend gewürdigt werden“ sollten. Auf derselben Linie ist es gemäß Art. 8 der genannten Richtlinie unerlässlich, dass eine Geschäftspraxis „unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände“ geprüft wird, um sie als aggressiv einstufen zu können.

36.      Die polnische Regierung(11) und die Kommission(12) vertreten die Ansicht, der Gerichtshof müsse sich darauf beschränken, dem vorlegenden Gericht Auslegungs- und Anwendungshinweise zur Richtlinie 2005/29 zu erteilen, die ihm bei seiner nicht übertragbaren Aufgabe, das in Rede stehende Vertragsmodell einzuordnen, hilfreich seien. Ich betone, dass diese Einordnung ausschließlich Sache des vorlegenden Gerichts ist(13).

37.      Von diesem Standpunkt ausgehend werde ich die verschiedenen Fragen, die das Vorabentscheidungsersuchen aufwirft, prüfen.

1.      Unter allen Umständen aggressive Geschäftspraxis?

38.      Es fällt nicht schwer, der Pflicht zur Zurückhaltung nachzukommen, die dem Gerichtshof bei der Beantwortung von Teil a der Vorlagefrage auf diesem Gebiet obliegt.

39.      Tatsächlich beschränkt sich der in diesem Abschnitt dargelegte Zweifel auf die Feststellung, ob das Vertragsmodell von Orange Polska, wie es das vorlegende Gericht darstellt, „immer“, also „unter allen Umständen“, als aggressive Geschäftspraxis eingeordnet werden kann.

40.      Gemäß Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 ist eine „aggressive Geschäftspraxis“ eine „unlautere Geschäftspraxis“, wenn – und nur wenn – sie den Merkmalen der Art. 8 und 9 dieser Richtlinie entspricht.

41.      Die Annahme, dass das von Orange Polska verwendete Vertragsmodell „immer“ eine „aggressive Geschäftspraxis“ impliziert, würde bedeuten, aus ihm unter allen Umständen (immer) eine „unlautere Geschäftspraxis“ zu machen. Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter einzustufen sind, sind gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie aber ausschließlich die, die ihr Anhang I enthält.

42.      Da die im Ausgangsverfahren streitige Praxis unter den in der „schwarzen Liste“ in Anhang I enthaltenen 31 Praktiken nicht erscheint, würde der Gerichtshof entgegen dem Sinn und Zweck der Richtlinie 2005/29 die Rolle des Gesetzgebers einnehmen, wenn er zu dem Ergebnis käme, dass es sich bei der von Orange Polska angewandten Praxis immer um eine aggressive und damit unlautere Geschäftspraxis handelt(14). Daher meine ich, dass dieser Teil der Vorlagefrage zu verneinen ist.

2.      Aggressive Geschäftspraxis durch unzulässige Beeinflussung nach Maßgabe bestimmter Umstände?

43.      Die Verhaltensweisen, die das vorlegende Gericht in Teil a und Teil b seiner Vorlagefrage anführt, könnten hingegen „eine aggressive Geschäftspraxis durch unzulässige Beeinflussung“ darstellen, wenn im Hinblick auf „die Umstände des Einzelfalles“ in ihrer Gesamtheit betrachtet eine solche unzulässige Beeinflussung feststellbar ist.

44.      Laut Art. 8 der Richtlinie 2005/29 ist eine Geschäftspraxis „aggressiv“, die unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Falls durch den Einsatz gewisser Mittel zu einem bestimmten Ergebnis führt:

1.      Das Ergebnis kommt in einer tatsächlichen oder voraussichtlichen Einschränkung oder Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers in Bezug auf das Produkt zum Ausdruck, die eine Entscheidung zur Folge hat oder haben kann, die er anderenfalls nicht getroffen hätte(15).

2.      Die Mittel, die nach dieser Bestimmung geeignet sind, um dieses Ziel zu erreichen, sind „Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder … unzulässige Beeinflussung“. Das vorlegende Gericht nimmt ausschließlich auf das Letztgenannte Bezug.

45.      Meines Erachtens handelt es sich bei der „unzulässigen Beeinflussung“ im Kontext der Richtlinie 2005/29 nicht um eine „rechtswidrige Beeinflussung“, sondern um eine Beeinflussung, durch die – ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit – aktiv durch Ausübung von Druck die Konditionierung des Willens des Verbrauchers erzwungen wird(16).

46.      Gemäß Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29 besteht die unzulässige Beeinflussung in der Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur „Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt“.

47.      In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Wind Tre und Vodafone Italia(17) habe ich darauf hingewiesen, dass zwischen zwei Aspekten der Machtposition unterschieden werden muss:

–      einerseits der Ausnutzung einer Machtposition, die es dem Gewerbetreibenden ermöglicht, die Freiheit des Verbrauchers beim Erwerb eines Erzeugnisses zu beeinträchtigen;

–      andererseits der Machtposition, in der sich der Gewerbetreibende rechtlich befindet, der nach Vertragsschluss vom Verbraucher die Gegenleistung verlangen kann, zu der sich dieser beim Abschluss verpflichtet hat.

48.      Die „aggressive Geschäftspraxis“ ist natürlich die erstgenannte, also die, bei der unter Ausnutzung der unterlegenen Position des Verbrauchers im Vergleich zu dem Gewerbetreibenden(18) und einer rechtswidrig erlangten Machtposition – durch Belästigung, Nötigung, Gewalt oder proaktive Beeinflussung – die Freiheit des Verbrauchers beeinträchtigt wird, der zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, dem er ohne diesen rechtswidrigen Vorteil nicht zustimmen würde.

49.      Gerade weil der Abschluss eines Vertrags die Übernahme bestimmter Pflichten mit sich bringt, die die Gegenseite rechtmäßig gerichtlich geltend machen kann, schützt die Richtlinie 2005/29 die Freiheit des Verbrauchers, einen Vertrag informiert zu schließen und dabei nur die Verpflichtungen einzugehen, die er in Ausübung dieser Freiheit auch übernehmen will. Die Richtlinie schützt folglich nicht vor den rechtlichen Verpflichtungen, die der Verbraucher bereits frei eingegangen ist, sondern vor ihrer Eingehung infolge einer unlauteren Geschäftspraxis, unabhängig davon, ob es sich zufälligerweise um eine rechtmäßige Praxis handelt.

50.      Es sind viele Variablen, die nach Art. 9 der Richtlinie 2005/29 bei der Feststellung, ob sich eine Geschäftspraxis – soweit es hier von Belang ist – einer unzulässigen Beeinflussung bedient, abzuwägen sind. In einer Auflistung, die nicht abschließend ist, sind Zeitpunkt und Ort der Anwendung der Praxis, ihre Art oder ihre Dauer, die verwendeten Formulierungen, das Verhalten, die Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art von Bedeutung.

51.      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts können in dieser Rechtssache drei Faktoren zu einer „unzulässigen Beeinflussung“ des Verbrauchers durch den Gewerbetreibenden führen:

–      Erstens, dass der Verbraucher vor der Notwendigkeit steht, die endgültige geschäftliche Entscheidung in Anwesenheit des die Vertragsmuster aushändigenden Kuriers zu treffen (in Wirklichkeit ist das der Kern des streitigen Sachverhalts).

–      Zweitens, dass der Verbraucher nicht vorab und in individualisierter Weise sämtliche Vertragsmuster erhalten hat, auch wenn er die Möglichkeit hatte, vorher von ihnen im Internet Kenntnis zu nehmen (Teil b der Vorlagefrage).

–      Drittens das mögliche Vorliegen unlauterer Handlungen mit dem Ziel der Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers (Teil c der Vorlagefrage).

52.      Abhängig von dem Gewicht, das die einzelnen Faktoren haben, lässt sich nicht ausschließen, dass sie für sich allein zu einer unzulässigen Beeinflussung führen können. Denn:

1.      Ist das Verhalten oder das Benehmen des Kuriers besonders aufdringlich oder einschüchternd, würde dies für die Feststellung ausreichen, dass er den Verbraucher durch sein Verhalten unzulässig beeinflusst hat.

2.      Hat der Verbraucher vorab objektiv eingeschränkte, begrenzte oder tendenziöse bzw. Informationen erhalten, die mit denen, die ihm der Kurier später zur Verfügung stellt, nicht übereinstimmen, kann dieser Umstand für die Feststellung einer irreführenden Handlung oder Unterlassung im Sinne der Art. 6 und 7 der Richtlinie 2005/29 ausreichen, und, wenn sich ein aktives Verhalten des Gewerbetreibenden nachweisen lässt, das auf die rechtswidrige Konditionierung des Willens des Verbrauchers gerichtet ist, gegebenenfalls auch einer unzulässigen Beeinflussung.

3.      Schließlich würden anders geartete unlautere Handlungen ebenfalls ausreichen, wenn sie potenziell geeignet sind, den Willen des Verbrauchers zu konditionieren, und dem Ziel einer rechtswidrigen Einflussnahme durch den Unternehmer dienen.

53.      Es ist auch möglich, dass bei einer Einzelprüfung keiner dieser Faktoren für sich allein ausreichend Gewicht hat, um eine unzulässige Beeinflussung ausüben zu können, sie aber aufgrund ihrer Wechselwirkung insgesamt zu diesem Ergebnis führen können.

54.      Wie ich bereits ausgeführt habe, ist es Sache des nationalen Gerichts, im Einzelfall die konkrete Tragweite, die die Umstände, die im Vorlagebeschluss dargestellt sind, einzeln oder insgesamt haben können, zu beurteilen. Der Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht) neigt, wie ich im Rahmen der Zusammenfassung seines Vorlagebeschlusses bereits dargelegt habe(19), dazu, vom Fehlen einer aggressiven Praxis auszugehen und die Beurteilung des erstinstanzlichen Gerichts und des Berufungsgerichts zu bestätigen.

55.      Ich weise auf die Schwierigkeit hin, die es für den Gerichtshof bedeutet, eine Antwort zu geben, die von der einstimmigen Beurteilung (im vorliegenden Fall stimmen die Vorinstanzen und die Überlegungen des Kassationsgerichtshofs überein) durch die nationalen Gerichte in Fällen wie dem vorliegenden abweicht, in denen das Gewicht der Besonderheiten der einzelnen in Rede stehenden Verhaltensweisen offensichtlich ist. Für die tatsächlichen Merkmale dieser Verhaltensweisen sind ausschließlich jene Gerichte zuständig, die zweifelsohne besser als der Gerichtshof in der Lage sind, abzuwägen, bis zu welchem Punkt sich ein Aspekt des unternehmerischen Verhaltens erheblich auf das Verhalten des Durchschnittsverbrauchers auswirkt.

56.      Meine nachstehenden Erwägungen können dem vorlegenden Gericht bei der fallbezogenen Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29 jedoch hilfreich sein.

3.      Faktoren, die herangezogen werden können, um sich ein Urteil über die unzulässige Beeinflussung durch den Gewerbetreibenden zu bilden

57.      Es muss zwischen dem Verkauf über das Internet und dem Verkauf per Telefon unterschieden werden, da bei beiden aufgrund ihrer Besonderheiten die Stellung des Verbrauchers ein besonderes Profil aufweist.

–      Beim Verkauf über das Internet ist es der Verbraucher, der üblicherweise freiwillig entscheidet, die Website des Gewerbetreibenden zu besuchen, und durch nichts daran gehindert ist, die Zeit aufzuwenden, die er für erforderlich hält, um sich über die verfügbaren Angebote, ihre Preise und andere Konditionen sowie die Vertragsmodalitäten zu informieren.

–      Beim Verkauf per Telefon ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass der Verbraucher die Initiative ergreift, aber häufig ist es der Gewerbetreibende, der mit ihm in Kontakt tritt, um ihm den Abschluss eines Vertrags vorzuschlagen(20). Die Position des Verbrauchers ist üblicherweise eher passiv, und zudem kann auch der Überraschungseffekt eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen, der in einem gewissen Grad an psychologischem Druck zum Ausdruck kommen kann(21).

58.      In beiden Fällen bedarf es darüber hinaus eines anderen Begriffs des „Durchschnittsverbrauchers“, nämlich eines Verbrauchers, der unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren(22) und unter Beachtung des Kontextes und der Gesamtheit der Umstände, unter denen die Beziehungen zwischen dem Gewerbetreibenden und den Verbrauchern stattfinden, angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist:

–      Ein Verbraucher, der aus eigenem Antrieb eine Website aufruft, dürfte minimal mit den elektronischen Verfahren vertraut sein und sich in ihnen soweit zurechtfinden, dass er ein Angebot auswählen und den Bestellprozess abwickeln kann.

–      Hingegen kann das Profil des Durchschnittsverbrauchers im Falle unerwartet über das Telefon erhaltener Angebote weniger umsichtig und scharfsinnig sein, denn es reicht aus, dass er in der Lage ist, einen Telefonanruf entgegenzunehmen. Das Schutzniveau muss in diesem Fall höher sein.

59.      Ein anderer relevanter Faktor ist die Qualität der dem Verbraucher vermittelten Informationen. Im Urteil Wind Tre und Vodafone Italia hat der Gerichtshof ausgeführt, dass der Begriff „aggressive Geschäftspraktik“ insbesondere dadurch definiert wird, „dass sie die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf ein Produkt tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt. Daraus folgt, dass die Inanspruchnahme eines Dienstes eine freie Entscheidung des Verbrauchers darstellen muss. Dies setzt insbesondere voraus, dass der Gewerbetreibende den Verbraucher klar und angemessen aufklärt“(23).

60.      Der Gerichtshof hat hervorgehoben, dass es von grundlegender Bedeutung ist, dass der Verbraucher „vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist“. Insbesondere auf der Grundlage dieser Informationen „entscheidet er, ob er sich gegenüber dem Gewerbetreibenden vertraglich binden möchte, indem er sich den von diesem vorformulierten Bedingungen unterwirft“(24).

61.      Vorliegend besteht einer der von dem vorlegenden Gericht erwogenen Fälle darin, dass der Verbraucher „nicht vorab und in individualisierter Weise (z. B. an seine E‑Mail-Adresse, Wohnanschrift) sämtliche Vertragsmuster erhalten hat, auch wenn er die Möglichkeit hatte, vor dem Besuch des Kuriers selbst ihren Inhalt auf der Website des Unternehmers zur Kenntnis zu nehmen“(25).

62.      Es muss also daher davon ausgegangen werden, dass die im Internet gezeigten Informationen ausreichend und wahrheitsgemäß sind und der Verbraucher ohne größere Schwierigkeiten auf sie zugreifen kann. Beim Verkauf per Telefon kann der Verbraucher nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts(26) von dem Mitarbeiter des Call-Centers ebenfalls sämtliche Informationen erhalten, die er für erforderlich hält. Meines Erachtens kann aber die Qualität der Informationen, die bei einem Telefongespräch vermittelt werden, nur schwerlich derjenigen gleichgestellt werden, die bei einer Internetrecherche erlangt werden.

63.      Die Frage besteht daher spezifisch darin, ob der Verbraucher vorab in seiner Wohnung oder unter seiner E‑Mail-Adresse über sämtliche Vertragsmuster des Gewerbetreibenden verfügen muss, und ob, wenn das nicht der Fall ist, eine aggressive Geschäftspraxis vorliegt.

64.      Ich bin der Ansicht, dass dem Verbraucher die verschiedenen vorhandenen Vertragsmuster zugänglich gemacht werden müssen(27), damit er sich Kenntnis von ihnen verschaffen kann, ohne dass der Gewerbetreibende sie ihm kundenspezifisch vor dem Besuch des Kuriers übermittelt haben muss.

65.      Da sich das Interesse des vorlegenden Gerichts auf den genauen Zeitpunkt konzentriert, zu dem der Verbraucher die endgültige Entscheidung treffen muss – d. h., wenn ihm der Kurier das Vertragsmuster aushändigt, für das er sich während eines Telefongesprächs oder bei seinem Besuch der Website des Gewerbetreibenden entschieden hat –, muss das Gericht prüfen, ob der Umstand, dass dem Verbraucher in diesem Augenblick nicht sämtliche Vertragsmuster vorliegen, dazu führen kann, dass er sich gezwungen sieht, eine Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte(28).

66.      Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Verbraucher Zweifel hegt, ob der Vertrag, der ihm zur Unterschrift vorgelegt wird, mit dem übereinstimmt, den er im Internet zur Kenntnis nehmen konnte oder der ihm während des Telefongesprächs erläutert wurde, aber der Kurier entweder diese Zweifel nicht ausräumen kann oder ihm die Möglichkeit einer Überprüfung verweigert und ihn auffordert, den Vertrag zu unterschreiben.

67.      In der mündlichen Verhandlung hat sich bestätigt, dass Orange Polska sich für diese Zwecke normaler Kurierdienste bedient, die mithin nichts mit dem Telefonsektor zu tun haben und nicht in der Lage sind, Informationen über die Verträge zwischen dem Verbraucher und dem Telefonanbieter zu vermitteln.

68.      Unabhängig davon, dass der Kurier die Zweifel des Verbrauchers nicht ausräumen kann, kommt es im Kontext der Situation, in der sich letzterer infolge der Informationen befindet, über die er zu dem Zeitpunkt verfügt, in dem ihm der Vertrag zur Unterschrift vorgelegt wird, immer auf das Verhalten des Kuriers an.

69.      Sind diese Informationen unzureichend oder zweideutig, kann dies eine irreführende Geschäftspraxis darstellen, nämlich die, die gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte“.

70.      Diese irreführenden Informationen tragen aber nur zu einer „aggressiven Geschäftspraxis“ bei, wenn dank ihrer der Gewerbetreibende oder ein Dritter in seinem Namen (in diesem Fall der Kurier) erfolgreich eine Machtposition ausnutzen kann, die er durch irreführende Handlungen oder Unterlassungen erworben hat und die er in unrechtmäßiger Weise ausübt.

71.      Um sicherzustellen, dass sich das Verhalten des Kuriers nicht in einer unzulässigen Beeinflussung niederschlägt, kommt es weniger auf die Informationen an, die dem Verbraucher in den vorangegangenen Phasen des Kaufvorgangs zur Verfügung gestellt wurden(29), als darauf, dass sein Verhalten an Regeln gebunden ist, die geeignet sind, die Komponente des psychologischen Drucks, die die Aufforderung, einen Vertrag zu unterzeichnen, in bestimmten Fällen bedeuten kann, auszuschließen oder auf ein Mindestmaß zu beschränken.

72.      Handelt es sich demnach um einen Kurier, der an den Telefonanbieter gebunden ist, muss er in der Lage sein, Zweifel, die in letzter Minute auftreten und den Verbraucher beunruhigen können, auszuräumen, beispielsweise, indem er selbst ihm an Ort und Stelle die Vertragsmuster zur Verfügung stellt oder ihm die Möglichkeit anbietet, ihn noch einmal zu besuchen, nachdem der Verbraucher von ihnen Kenntnis genommen hat. Ebenso muss sichergestellt werden, dass er den Verbraucher unter keinen Umständen mit der Drohung zur Unterschrift auffordert, dass seine Weigerung oder sein Verzug seine Haftung auslösen oder schlechtere Vertragsbedingungen zur Folge haben können.

73.      Handelt es sich hingegen wie im vorliegenden Fall um Kuriere, die nicht dem Telefonanbieter angehören und die daher nicht in der Lage sind, dem Verbraucher Informationen zu vermitteln oder im Namen des Unternehmens Verpflichtungen einzugehen, muss zumindest vermieden werden, dass der Kurier darauf besteht, dass der Verbraucher den Vertrag abschließt.

74.      Meines Erachtens sind diese Faktoren neben anderen bei der Zusammenarbeit zwischen dem Gewerbetreibenden und dem Kurierdienst, der in seinem Namen handelt, zu prüfen. Das nationale Gericht muss sie gegeneinander abwägen, um feststellen zu können, ob die Intervention des Kuriers im Kontext der Vertragsunterzeichnung zu einer unzulässigen Beeinflussung führt (Art. 8 der Richtlinie 2005/29).

VI.    Ergebnis

75.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, dem Sąd Najwyższy (Oberstes Gericht, Polen) wie folgt zu antworten:

Art. 8 in Verbindung mit Art. 9 und Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates sind wie folgt auszulegen:

–      Die Anwendung eines Modells für den Abschluss von Fernabsatzverträgen über die Erbringung von Telekommunikationsdiensten, bei dem ein Verbraucher die endgültige geschäftliche Entscheidung in Anwesenheit des die Vertragsmuster aushändigenden Kuriers treffen muss, stellt, wenn er von den Vertragsbedingungen auf der Website des Unternehmers oder telefonisch umfassend Kenntnis nehmen konnte, für sich allein keine aggressive Geschäftspraxis dar.

–      Ergibt sich aus der sachverhaltsbezogenen Prüfung der Umstände des Einzelfalls, dass bei der Realisierung dieses Vertragsmodells die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers durch eine erfolgreiche unzulässige Beeinflussung durch den Unternehmer erheblich beeinträchtigt wurde, handelt es sich um eine aggressive Geschäftspraxis.

–      Um im Rahmen des Möglichen sicherzustellen, dass das Verhalten des Kuriers nicht zu einer unzulässigen Beeinflussung führen kann, ist es wichtig, dass sein Verhalten an Regeln gebunden ist, die geeignet sind, jegliche Komponente psychologischen Drucks auf den Verbraucher auszuschließen.



1      Originalsprache: Spanisch.


2      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2005, L 149, S. 22).


3      Urteil vom 13. September 2018 (C‑54/17 und C‑55/17, EU:C:2018:710).


4      Dziennik Ustaw Rzeczypospolitej Polskiej 2007, Nr. 171, Pos. 1206 mit späteren Änderungen.


5      Hervorhebung nur hier.


6      Hervorhebung nur hier.


7      Hervorhebung nur hier.


8      Hervorhebung nur hier.


9      Hervorhebung nur hier.


10      Rn. 21, Fn. 2 der schriftlichen Erklärungen der Kommission.


11      Rn. 15 und 16 der schriftlichen Erklärungen der polnischen Regierung.


12      Rn. 28 und 29 der schriftlichen Erklärungen der Kommission.


13      Es ist bereits eine Floskel, dass „Art. 267 AEUV dem Gerichtshof nicht die Befugnis gibt, die Normen des Unionsrechts auf einen Einzelfall anzuwenden, sondern nur die, sich zur Auslegung der Verträge und der Rechtsakte der Organe der Europäischen Union zu äußern. Der Gerichtshof kann aber das Unionsrecht im Rahmen der durch diesen Artikel begründeten Zusammenarbeit zwischen den Gerichten unter Berücksichtigung der Akten auslegen, soweit dies dem innerstaatlichen Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen einer unionsrechtlichen Bestimmung dienlich sein könnte“. Neben vielen anderen das Urteil vom 13. Juli 2017, Ingsteel und Metrostav (C‑76/16, EU:C:2017:549, Rn. 25).


14      Nach dem Urteil vom 10. Juli 2014, Kommission/Belgien (C‑421/12, EU:C:2014:2064, Rn. 61), verstößt eine „nationale Regelung, die nicht in Anhang I der Richtlinie 2005/29 genannte Praktiken generell verbietet, ohne eine individuelle Prüfung der ‚Unlauterkeit‘ dieser Praktiken anhand der in den Art. 5 bis 9 dieser Richtlinie aufgestellten Kriterien vorzunehmen, gegen den Inhalt von Art. 4 der Richtlinie und steht im Widerspruch zu dem von der Richtlinie verfolgten Ziel einer vollständigen Harmonisierung – und zwar selbst dann, wenn diese Regelung ein höheres Verbraucherschutzniveau gewährleisten soll“.


15      Ich nehme Bezug auf meine Schlussanträge in den Rechtssachen Wind Tre und Vodafone Italia (C‑54/17 und C‑55/17, EU:C:2018:377, Nr. 63).


16      Ebd., Nr. 65.


17      Rechtssachen C‑54/17 und C‑55/17, EU:C:2018:377, Nrn. 67 bis 70.


18      Urteil vom 16. April 2015, UPC Magyarország (C‑388/13, EU:C:2015:225, Rn. 53).


19      Nrn. 14 bis 17 dieser Schlussanträge.


20      In der mündlichen Verhandlung hat Orange Polska zwar nicht bestritten, dass sie diese Geschäftsmethode (unerwünschte Werbeanrufe) angewandt hat, aber vorgetragen, dass sie in Polen durch ein späteres Gesetz untersagt worden sei.


21      Dies wird für die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge in den Erwägungsgründen 21 und 37 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64) anerkannt. Der dieser Art von Verträgen innewohnende „psychologische Druck“ (dem das Widerrufsrecht entgegengesetzt wird), weist für sich nicht dieselbe Qualität auf wie der Druck, mit dem der Verbraucher in unzulässiger Weise beeinflusst werden soll.


22      So z. B. die Urteile vom 13. Januar 2000, Estée Lauder (C‑220/98, EU:C:2000:8, Rn. 27), und vom 12. Mai 2011, Ving Sverige (C‑122/10, EU:C:2011:299, Rn. 22).


23      Urteil vom 13. September 2018, Wind Tre und Vodafone Italia (C‑54/17 und C‑55/17, EU:C:2018:710, Rn. 45).


24      Urteil vom 7. September 2016, Deroo-Blanquart (C‑310/15, EU:C:2016:633, Rn. 40).


25      Teil b der Vorlagefrage.


26      Nr. 14 des Vorlagebeschlusses.


27      Sollte das nicht der Fall sein, würde es sich um ein Unterlassen handeln, das für die Entscheidung des Verbrauchers entscheidend sein kann. Letzterer hätte sich, wenn ihm die Existenz anderer, günstigerer Verträge bekannt gewesen wäre, für einen von ihnen und nicht für den ausgewählten entscheiden können, den er wahrscheinlich abgelehnt hätte. In den Schlussanträgen in der Rechtssache Wind Tre und Vodafone Italia (C‑54/17 und C‑55/17, EU:C:2018:377, Nr. 65) habe ich aber ausgeführt, dass dadurch nicht unbedingt eine „unzulässige Beeinflussung“ durch den Gewerbetreibenden ausgeübt werden müsse, denn „[d]ie Beeinflussung, auf die sich die Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 beziehen, ist … nicht die, die schlicht Folge der Irreführung – im Sinne von Art. 7 der Richtlinie – ist, sondern diejenige, durch die aktiv durch Ausübung von Druck die Konditionierung des Willens des Verbrauchers erzwungen wird“. Ich wies damals darauf hin (Fn. 28), dass es sich „[g]emäß Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29 … um ein Verhalten [handelt], das in einer ‚Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher‘ zur ‚Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt‘, besteht. Es reicht also nicht, den Verbraucher zu täuschen und ihn fälschlich glauben zu machen, dass er eine informierte Entscheidung trifft, sondern er muss gezwungen werden, gegen seinen Willen einen Vertrag abzuschließen“.


28      Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts führt der Kurier mindestens die Anhänge, die Geschäftsbedingungen, die Preislisten „und andere Dokumente“ mit sich, die nach der Unterzeichnung zu Vertragsbestandteilen werden (Nr. 3 des Vorlagebeschlusses).


29      Ich wiederhole, dass die Qualität dieser Informationen im Wesentlichen aus der Sicht der irreführenden Geschäftspraxis von Bedeutung, aber nicht für sich allein entscheidend ist, um eine aggressive Geschäftspraxis zu begründen (die zudem auch in einem Kontext ausgeübt werden kann, in dem die Informationen ausreichend und wahrheitsgemäß sind).