Language of document : ECLI:EU:C:2019:649

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MACIEJ SZPUNAR

vom 29. Juli 2019(1)

Rechtssache C468/18

R

gegen

P

(Vorabentscheidungsersuchen der Judecătoria Constanţa [Gericht erster Instanz Constanţa, Rumänien])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen – Verordnung (EG) Nr. 4/2009 – Art. 3 Buchst. a – Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Beklagten – Art. 3 Buchst. d – Gericht, das für den Bereich der elterlichen Verantwortung zuständig ist – Art. 5 – Rügelose Einlassung des Beklagten – Gericht, das mit einer Scheidungsklage und ihren Folgen im Bereich der elterlichen Verantwortung sowie dem Unterhalt für das gemeinsame Kind befasst ist – Entscheidung, mit der dieses Gericht seine Zuständigkeit im Bereich der elterlichen Verantwortung verneint – Zuständigkeit für die Entscheidung über den Unterhalt für das Kind – Gericht, das den Fall besser beurteilen kann“






I.      Einleitung

1.        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Buchst. a und d sowie Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen(2).

2.        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen R, wohnhaft im Vereinigten Königreich, und P, wohnhaft in Rumänien, wegen eines den Unterhalt ihres gemeinsamen Kindes betreffenden Antrags, der im Rahmen eines Verfahrens in Bezug auf die Scheidung und die elterliche Verantwortung gestellt wurde.

3.        Das Ausgangsverfahren gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, zum einen die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 3 Buchst. a und d sowie Art. 5 der Verordnung Nr. 4/2009 zu präzisieren und sich zum anderen zur Verpflichtung des für Unterhaltssachen zuständigen Gerichts zu äußern, die Konzentration des Rechtsstreits nach Maßgabe des Kindeswohls zu fördern, das von ihm schon dann berücksichtigt wurde, als es seine Zuständigkeit für den Bereich der elterlichen Verantwortung verneinte.

II.    Rechtsrahmen

A.      Unionsrecht

1.      Verordnung (EG) Nr. 2201/2003

4.        Die Erwägungsgründe 5, 11 und 12 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000(3)lauten:

„(5)      Um die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, gilt diese Verordnung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz des Kindes, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu einem Verfahren in Ehesachen besteht.

(11)      Unterhaltspflichten sind vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen, da sie bereits durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 [des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen(4)] geregelt werden. Die nach dieser Verordnung zuständigen Gerichte werden in Anwendung des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung [Nr. 44/2001] in der Regel für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig sein.

(12)      Die in dieser Verordnung für die elterliche Verantwortung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften wurden dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet. Die Zuständigkeit sollte vorzugsweise dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten sein außer in bestimmten Fällen, in denen sich der Aufenthaltsort des Kindes geändert hat oder in denen die Träger der elterlichen Verantwortung etwas anderes vereinbart haben.“

5.        Art. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 bestimmt:

„(1)      Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen mit folgendem Gegenstand:

a)      die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe,

b)      die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung.

(3)      Diese Verordnung gilt nicht für

e)      Unterhaltspflichten,

…“

6.        In Art. 2 Nr. 7 der Verordnung Nr. 2201/2003 heißt es:

„Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

7.      ‚elterliche Verantwortung‘ die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden. Elterliche Verantwortung umfasst insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht.“

7.        Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2201/2003 sind für Entscheidungen über die Ehescheidung die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen.

8.        Art. 8 der Verordnung Nr. 2201/2003 sieht vor:

„(1)      Für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(2)      Absatz 1 findet vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 Anwendung.“

9.        Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 lautet:

„Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem nach Artikel 3 über einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zu entscheiden ist, sind für alle Entscheidungen zuständig, die die mit diesem Antrag verbundene elterliche Verantwortung betreffen, wenn

a)      zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat

und

b)      die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten oder von den Trägern der elterlichen Verantwortung zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt wurde und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.“

2.      Verordnung Nr. 4/2009

10.      Diese Verordnung ersetzt die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 44/2001(5). Sie tritt ferner bei Unterhaltssachen an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen(6), außer in Bezug auf Europäische Vollstreckungstitel über Unterhaltspflichten, die in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, der nicht durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/941/EG des Rates vom 30. November 2009 genehmigt wurde(7), gebunden ist; dies gilt für das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und das Königreich Dänemark(8).

11.      Aufgrund des Anwendungszeitpunkts des Haager Protokolls von 2007 in der Union findet die Verordnung Nr. 4/2009 ab dem 18. Juni 2011 Anwendung(9).

12.      Nach den Erwägungsgründen 1 und 2 der Verordnung Nr. 4/2009 dienen sie sowie insbesondere die Verordnungen Nrn. 44/2001 und 2201/2003 zum Erlass von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen und betreffen u. a. die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und der Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten.

13.      Die Erwägungsgründe 9, 10 und 15 der Verordnung Nr. 4/2009 lauten:

„(9)      Es sollte einem Unterhaltsberechtigten ohne Umstände möglich sein, in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung zu erwirken, die automatisch in einem anderen Mitgliedstaat ohne weitere Formalitäten vollstreckbar ist.

(10)      Um dieses Ziel zu erreichen, sollte ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument betreffend Unterhaltssachen geschaffen werden, in dem die Bestimmungen über Kompetenzkonflikte, Kollisionsnormen, die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen sowie über Prozesskostenhilfe und die Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden zusammengeführt werden.

(15)      Um die Interessen der Unterhaltsberechtigten zu wahren und eine ordnungsgemäße Rechtspflege innerhalb der [Union] zu fördern, sollten die Vorschriften über die Zuständigkeit, die sich aus der Verordnung [Nr. 44/2001] ergeben, angepasst werden. So sollte der Umstand, dass ein Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat, nicht mehr die Anwendung der gemeinschaftlichen Vorschriften über die Zuständigkeit ausschließen, und auch eine Rückverweisung auf die innerstaatlichen Vorschriften über die Zuständigkeit sollte nicht mehr möglich sein. Daher sollte in dieser Verordnung festgelegt werden, in welchen Fällen ein Gericht eines Mitgliedstaats eine subsidiäre Zuständigkeit ausüben kann.“

14.      In Art. 2 Abs. 1 Nr. 10 der Verordnung Nr. 4/2009 wird der Begriff „berechtigte Person“ definiert als „jede natürliche Person, der Unterhalt zusteht oder angeblich zusteht“.

15.      Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 sieht vor:

„Zuständig für Entscheidungen in Unterhaltssachen in den Mitgliedstaaten ist

a)      das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

b)      das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder

c)      das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit begründet sich einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien, oder

d)      das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien.“

16.      Art. 5 („Durch rügelose Einlassung begründete Zuständigkeit“) der Verordnung Nr. 4/2009 lautet:

„Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen.“

17.      Art. 10 („Prüfung der Zuständigkeit“) der Verordnung Nr. 4/2009 sieht vor:

„Das Gericht eines Mitgliedstaats, das in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung nicht zuständig ist, erklärt sich von Amts wegen für unzuständig.“

18.      Die Art. 12, 13 und 14 der Verordnung Nr. 4/2009 enthalten Regeln über die Rechtshängigkeit, die Aussetzung wegen Sachzusammenhang sowie einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen.

B.      Rumänisches Recht

19.      Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung kann ein rumänisches Gericht, das sich für zuständig erklärt hat, seine Zuständigkeit in jedem Verfahrensstadium von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien überprüfen(10).

III. Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefragen

20.      Die rumänischen Staatsangehörigen R und P heirateten am 15. August 2015 in Rumänien. Sie sind die Eltern eines Kindes, das am 8. November 2015 in Belfast (Vereinigtes Königreich) geboren wurde, wo sie bis zu ihrer Trennung im Jahr 2016 lebten. P kehrte nach Rumänien zurück, während R zusammen mit dem Kind in Belfast blieb.

21.      Mit Klageschrift vom 29. September 2016 erhob R vor der Judecătoria Constanța (Gericht erster Instanz Constanța, Rumänien) gegen P Klage auf Scheidung, Festlegung des Wohnsitzes des Kindes bei ihr, Ermächtigung zur alleinigen Ausübung der elterlichen Sorge und Verurteilung von P zur Zahlung von Unterhalt für das Kind.

22.      P hat die Zuständigkeit des Gerichts in Abrede gestellt. Dieses hat gemäß Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 2201/2003 aufgrund der Staatsangehörigkeit der Ehegatten seine Zuständigkeit für die Entscheidung über das Scheidungsbegehren bejaht.

23.      Im Anschluss an die Entscheidung dieses Gerichts vom 8. Juni 2017, die übrigen Anträge von R abzutrennen, wurden zwei neue Verfahren eröffnet, von denen das eine die elterliche Verantwortung für das Kind sowie die Festlegung seines Wohnsitzes bei der Klägerin und das andere die Verurteilung von P zur Zahlung von Unterhalt für das Kind betrifft.

24.      Im Verfahren in Bezug auf die Ausübung der elterlichen Verantwortung erklärte sich die Judecătoria Constanța (Gericht erster Instanz Constanța) unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes gemäß Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 für unzuständig. Außerdem stellte sie fest, dass die Gerichte des Vereinigten Königreichs gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 für die Entscheidung über diesen Antrag zuständig seien, weil sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes seit seiner Geburt in diesem Mitgliedstaat befunden habe. Gegen diese Unzuständigkeitserklärung haben die Parteien kein Rechtsmittel eingelegt.

25.      Im Verfahren wegen des Unterhalts für das Kind erklärte sich das vorlegende Gericht in Anbetracht des gewöhnlichen Aufenthalts von P, des Beklagten, gemäß Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009 für zuständig. Es hebt hervor, dass sich P vor ihm rügelos eingelassen habe, ohne eine Einrede der Unzuständigkeit zu erheben; er habe aber geltend gemacht, dass der Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht werden müsse.

26.      Das vorlegende Gericht fügt hinzu, die Parteien des Verfahrens, R und P, seien sich über die Zweckmäßigkeit eines Ersuchens um Auslegung der anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts einig. Das Gericht schließt sich dem an, da es sich für befugt hält, seine Zuständigkeit vor der inhaltlichen Prüfung der das Kind betreffenden Unterhaltssache in jedem Verfahrensstadium noch zu prüfen.

27.      Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, in welchem Verhältnis die drei Bestimmungen in Art. 3 Buchst. a und d sowie in Art. 5 der Verordnung Nr. 4/2009 zueinander stehen.

28.      Es möchte wissen, ob aufgrund des Umstands, dass die Unterhaltssache als Nebensache zu dem die elterliche Verantwortung betreffenden Begehren anzusehen sei, allein das in Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 4/2009 vorgesehene Kriterium für die Bestimmung des in den Mitgliedstaaten zuständigen Gerichts maßgebend sei, unter Ausschluss der übrigen Kriterien in Art. 3 Buchst. a und in Art. 5 der Verordnung, die seine Zuständigkeit begründen könnten (gewöhnlicher Aufenthaltsort des Beklagten oder dessen rügelose Einlassung).

29.      Das vorlegende Gericht führt aus, wenn man die beiden letztgenannten Zuständigkeitskriterien heranzöge, würde dies den Charakter des Unterhaltsbegehrens als Nebensache in Frage stellen und dem Wohl des Kindes zuwiderlaufen, aufgrund dessen es seine Zuständigkeit im Bereich der elterlichen Verantwortung verneint habe. Praktische Gründe wie die Erlangung von Beweisen und ein zügiger Ablauf der Verfahren sprächen ebenfalls für diese Lösung.

30.      Hinzu komme hinsichtlich der Anwendung von Art. 5 der Verordnung Nr. 4/2009, dass eine solche Zuständigkeit ausgeschlossen wäre, wenn der Umstand, dass die Unterhaltssache eine Nebensache zum Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung sei, zur Folge haben sollte, dass es sich auf die Prüfung des die elterliche Verantwortung betreffenden Antrags auswirke, dass P die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts in Abrede gestellt habe(11).

31.      Zur Stützung dieser Erwägungen verweist das vorlegende Gericht auf das Urteil vom 16. Juli 2015, A(12), äußert aber aufgrund von Unterschieden bei bestimmten tatsächlichen Umständen in dieser Rechtssache und im Ausgangsverfahren Zweifel hinsichtlich seiner Tragweite. Es weist darauf hin, dass seine Zuständigkeit vom Beklagten, P, nicht in Abrede gestellt worden sei und dass es in der Familiensache als einziges Gericht angerufen worden sei, obwohl es sich, gestützt auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes, für unzuständig erklärt habe.

32.      Unter diesen Umständen hat die Judecătoria Constanţa (Gericht erster Instanz Constanţa, Rumänien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Können die Bestimmungen von Art. 3 Buchst. a und d sowie Art. 5 der Verordnung Nr. 4/2009 in einem Fall, in dem ein Gericht eines Mitgliedstaats mit einem einzigen Antrag befasst wird, der drei Begehren enthält, und zwar betreffend die Scheidung der Ehe der Eltern eines minderjährigen Kindes, die elterliche Verantwortung für dieses Kind und die Unterhaltspflicht gegenüber diesem Kind, dahin ausgelegt werden, dass das über die Scheidung befindende Gericht, das zugleich das Gericht des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Beklagten ist und vor dem er sich rügelos eingelassen hat, über den Unterhalt für das Kind entscheiden darf, obwohl es sich in Bezug auf die elterliche Verantwortung für dieses Kind für unzuständig erklärt hat, oder dahin, dass über den Unterhalt für das Kind nur das Gericht entscheiden darf, das für die Entscheidung im Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zuständig ist?

2.      Behält in dieser Situation, was die Anrufung des nationalen Gerichts anbelangt, die das Kind betreffende Unterhaltssache im Verhältnis zu dem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung ihre Eigenschaft als Nebensache im Sinne von Art. 3 Buchst. d der Verordnung?

3.      Falls die zweite Frage verneint wird: Entspricht es dem Wohl des minderjährigen Kindes, dass ein nach Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats über die Unterhaltspflicht des Elternteils gegenüber einem minderjährigen, aus der aufzulösenden Ehe hervorgegangenen Kind entscheidet, wenn sich dieses Gericht in Bezug auf die elterliche Verantwortung für unzuständig erklärt und damit rechtskräftig festgestellt hat, dass die Voraussetzungen von Art. 12 der Verordnung Nr. 2201/2003 nicht erfüllt sind?

IV.    Würdigung

33.      Mit seinen Vorlagefragen, die ich zusammen prüfen werde, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Buchst. a und Art. 5 der Verordnung Nr. 4/2009 dahin auszulegen sind, dass sie ein Gericht eines Mitgliedstaats, das für eine Unterhaltsklage zuständig ist, die sich gegen einen Beklagten richtet, der in diesem Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich vor diesem Gericht rügelos eingelassen hat, daran hindern, die Ausübung dieser Zuständigkeit mit der Begründung abzulehnen, dass es sich dabei um eine Nebensache zu einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung im Sinne von Art. 3 Buchst. d dieser Verordnung handele und dass das für das letztgenannte Verfahren zuständige Gericht unter Berücksichtigung des Wohls des Kindes diese Begehren besser beurteilen könne.

A.      Vorbemerkungen

34.      Zunächst sind einige Gesichtspunkte hervorzuheben, die den Kontext der Vorlagefrage betreffen.

35.      In der vorliegenden Rechtssache wurde, wie in zahlreichen anderen zuvor(13), die Klage auf Auflösung des Ehebandes, im vorliegenden Fall auf Scheidung, sowie auf Klärung der Folgen für das Kind der Ehegatten vor dem Gericht erhoben, das wegen ihrer gemeinsamen Staatsangehörigkeit für die Scheidung zuständig ist, während sich der gewöhnliche Aufenthalt mindestens eines der Ehegatten und des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat befindet.

36.      In einem solchen Fall beruht die Entscheidung des Klägers, mit allen Begehren nur ein Gericht zu befassen, im Allgemeinen auf dem Wunsch, von den Vorteilen der Konzentration des Rechtsstreits zu profitieren(14). Da es sich um eine Ehesache mit grenzüberschreitenden Auswirkungen handelt, ermöglichen es Art. 12 der Verordnung Nr. 2201/2003, wonach für den Bereich der elterlichen Verantwortung eine Vereinbarung über die Zuständigkeit getroffen werden kann, und die Bestimmungen von Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 4/2009 dem Kläger, dieses Ziel zu erreichen.

37.      Im vorliegenden Fall stellte P, der Beklagte und Vater des Kindes, die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts, eines rumänischen Gerichts, in Abrede(15); daraufhin erklärte sich dieses Gericht hinsichtlich der Scheidung für zuständig, aber in Anbetracht des Wohls des Kindes für unzuständig, über die Ausübung der elterlichen Verantwortung zu entscheiden.

38.      Folglich ist zunächst zu prüfen, anhand welcher Kriterien in den Art. 3 und 5 der Verordnung Nr. 4/2009, die im vorliegenden Fall allein anwendbar sind(16), das vorlegende Gericht noch über die Unterhaltssache entscheiden kann(17).

B.      Voraussetzungen für die Anwendung der Kriterien in den Art. 3 und 5 der Verordnung Nr. 4/2009

39.      Art. 3 dieser Verordnung enthält zwei Kategorien von Kriterien, von denen die eine an den Aufenthalt einer der Parteien (Buchst. a in Bezug auf den Beklagten und Buchst. b in Bezug auf die berechtigte Person(18)) anknüpft und die andere die Konzentration der Streitigkeit (Buchst. c für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand und Buchst. d für ein Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung) regelt.

40.      Da der Unterhaltsberechtigte, d. h. im vorliegenden Fall das minderjährige Kind(19), für das die Klage von seiner Mutter, R, erhoben wird, seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vereinigten Königreich hat, hat das vorlegende Gericht somit nach der Trennung der Rechtssachen(20) seine Zuständigkeit für die Unterhaltssache in Anwendung des in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009 vorgesehenen Kriteriums (Ort, an dem der Beklagte, P, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat) zutreffend bejaht(21).

41.      Da sich das Kind in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, konnte die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts nicht auf Art. 3 Buchst. b der Verordnung gestützt werden. Sind die übrigen verfahrensrechtlichen Kriterien, die die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts zu rechtfertigen vermögen, anwendbar?

42.      Während eine Klage im Bereich der elterlichen Verantwortung bei einem Gericht des Vereinigten Königreichs erhoben werden muss(22), würde nach Art. 3 Buchst. c der Verordnung die Zuständigkeit für die Scheidungssache beim vorlegenden Gericht verbleiben. Der Gerichtshof hat diese Möglichkeit im Urteil A, das ähnliche tatsächliche Umstände betraf wie das Ausgangsverfahren, ausgeschlossen. Darin liegt die hauptsächliche Bedeutung dieses Urteils, das in einem anderen Verfahrenskontext ergangen ist, in dem der Gerichtshof zu klären hatte, zu welcher Klage die das Kind betreffende Unterhaltssache die Nebensache war(23).

43.      Der Gerichtshof hat dabei für Recht erkannt, dass „Art. 3 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 4/2009 dahin auszulegen ist, dass dann, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats mit einem Verfahren betreffend die Trennung oder die Beendigung der ehelichen Verbindung der Eltern eines minderjährigen Kindes und ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats mit einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung für dieses Kind befasst wird, ein Antrag in Bezug auf eine Unterhaltspflicht für dieses Kind nur zum Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung im Sinne von Art. 3 Buchst. d dieser Verordnung akzessorisch ist“(24).

44.      Aus der Prüfung der in Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 festgelegten Kriterien ergibt sich somit, dass im Ausgangsverfahren nur ein Kriterium, und zwar das in Art. 3 Buchst. a vorgesehene, es dem vorlegenden Gericht gestattet, über die Unterhaltssache zu entscheiden.

45.      Folglich ist erstens festzustellen, dass Art. 5 der Verordnung, auf den sich das vorlegende Gericht wegen der rügelosen Einlassung des Beklagten stützt, keine Anwendung finden kann, weil diese Bestimmung den Fall regelt, dass das angerufene Gericht trotz Unzuständigkeit zuständig wird(25).

46.      Insoweit macht das Ausgangsverfahren sehr schön deutlich, dass die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Beklagten dazu führt, dass es bedeutungslos wird, ob er sich vor dem angerufenen Gericht rügelos auf das Verfahren eingelassen hat(26).

47.      Zweitens ist in Bezug auf die Wirkungen, die das vorlegende Gericht dem Charakter der Unterhaltssache als Nebensache zu der die elterliche Verantwortung betreffenden Sache beimessen will, zunächst hervorzuheben, dass im Ausgangsverfahren die Feststellung, dass nach der Trennung der ursprünglichen Begehren kein Gericht des Vereinigten Königreichs mit dieser Sache und gegebenenfalls mit einer Unterhaltssache befasst wurde, genügt, um jeden Zweifel an der Anwendung des einzigen hier erfüllten Kriteriums – des Kriteriums in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009 – auszuräumen.

48.      Sodann ist darauf hinzuweisen, dass unter diesen Umständen nicht auf etwaige Auswirkungen der Anwendung der Bestimmungen über die Rechtshängigkeit(27) und die Aussetzung wegen Sachzusammenhang(28) durch das zweite angerufene Gericht eingegangen zu werden braucht.

49.      Schließlich lässt sich auch aus den Gründen des Urteils A keine Lösung in dem vom vorlegenden Gericht sowie von der rumänischen Regierung befürworteten Sinne ableiten. Sie sind nämlich der Ansicht, dass im Fall verbundener Anträge in Bezug auf die elterliche Verantwortung und die Unterhaltspflicht für das gemeinsame Kind das Gericht des Mitgliedstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe, ausschließlich zuständig sei.

50.      Insoweit hat das vorlegende Gericht hervorgehoben, dass nach den Ausführungen des Gerichtshofs „[e]in Antrag in Bezug auf die Unterhaltspflichten für minderjährige Kinder … naturgemäß untrennbar mit dem Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung verbunden [ist]“ und „das für Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Verordnung Nr. 2201/2003 zuständige Gericht in der besten Position [ist], um im Einzelnen die Probleme des Antrags in Bezug auf eine Unterhaltspflicht zugunsten eines Kindes zu beurteilen, den Betrag der Verpflichtung, die zu den Kosten des Unterhalts und der Erziehung des Kindes beitragen soll, festzusetzen und dabei den Betrag je nach – gemeinsamem oder alleinigem – Sorgerecht, Besuchsrecht, dessen Dauer und den anderen dem Gericht zugetragenen tatsächlichen Gegebenheiten in Bezug auf die Ausübung der elterlichen Verantwortung anzupassen“(29).

51.      Ist der Gerichtshof somit stillschweigend davon ausgegangen, dass das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes und damit des Unterhaltsberechtigten wegen der Gefahr einer Unvereinbarkeit zwischen der Entscheidung des für die Unterhaltssache zuständigen Gerichts und der des ausschließlich für die elterliche Verantwortung zuständigen Gerichts unter allen Umständen Vorrang genießt(30)?

52.      Ist mit anderen Worten aus dem Urteil A zu folgern, dass das Gericht, das nicht für die Entscheidung über die elterliche Verantwortung für ein Kind zuständig ist, auf die Ausübung seiner Zuständigkeit im Bereich des Unterhalts für das Kind zugunsten eines Gerichts verzichten muss, das die Unterhaltssache besser beurteilen kann?

53.      Ich denke nicht. Im Urteil A wird zwar das Verhältnis zwischen den in Art. 3 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 4/2009 genannten Kriterien geklärt, doch enthält es keine Ausführungen zu den übrigen in Art. 3 oder in Art. 5 der Verordnung vorgesehenen Zuständigkeitskriterien. Deren Prüfung war nämlich für das vorlegende Gericht nicht angebracht, denn anders als im Sachverhalt des Ausgangsverfahrens hatten die Ehegatten und Eltern der unterhaltsberechtigten Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in demselben Mitgliedstaat wie die Kinder.

54.      Somit war es bei der Auslegung der Bestimmungen von Art. 3 Buchst. c und d der Verordnung Nr. 4/2009 und ihrer Abgrenzung notwendig, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen(31).

55.      Diese Beurteilung der Tragweite des Urteils A wird durch die kürzlich ergangenen Beschlüsse vom 16. Januar 2018, PM(32), und vom 10. April 2018, CV(33), bestätigt. Aus ihnen folgt, dass ein Gericht, auch wenn es für die Entscheidung in einem Verfahren, das die elterliche Verantwortung für ein minderjähriges Kind betrifft, nicht zuständig ist und daher auch nicht auf der Grundlage von Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 4/2009 in einer den Unterhalt für dieses Kind betreffenden Sache entscheiden kann, gleichwohl prüfen muss, ob es nicht nach einer anderen Bestimmung der Verordnung für die Entscheidung in Unterhaltssachen zuständig sein könnte(34).

56.      Außerdem würde bei jeder anderen Auslegung des Urteils A in dem vom vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Sinne zum einen außer Acht gelassen, dass in seinen Gründen hauptsächlich gerechtfertigt werden soll, dass die Unterhaltssache mit dem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zu verknüpfen ist und nicht mit dem die eheliche Verbindung betreffenden Verfahren. Zum anderen würde, wenn man von einer solchen Tragweite dieses Urteils ausginge, weder dem Wortlaut und Kontext der Verordnung Nr. 4/2009 noch den mit ihr verfolgten Zielen Rechnung getragen(35).

57.      Zum Wortlaut von Art. 3 der Verordnung hat der Gerichtshof bereits im Urteil A festgestellt, dass die Zuständigkeitskriterien alternativ anzuwenden sind, so dass seit diesem Urteil jeder Zweifel an der Auslegung dieser Bestimmung im Fall der Befassung eines Gerichts mit einer den Personenstand und die elterliche Verantwortung betreffenden Klage ausgeräumt ist(36).

58.      Zum Kontext und den verfolgten Zielen ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Hinzufügung von Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 4/2009 zu den früheren, aus Art. 5 Nr. 2 der Verordnung Nr. 44/2001(37) übernommenen Bestimmungen lediglich für eine Konzentration der Zuständigkeit des Gerichts sorgen soll, wenn das Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts der berechtigten Person in Art. 3 Buchst. b der Verordnung Nr. 4/2009 nicht zur Anwendung kommt(38).

59.      Zweitens sollten seit dem Brüsseler Übereinkommen, durch das mittels spezieller, vom Wohnsitz des Beklagten abweichender Zuständigkeitskriterien im Hinblick auf eine größere „fallbezogene örtliche oder verfahrenstechnische Nähe“(39) Zuständigkeitsoptionen geschaffen wurden, die speziellen Zuständigkeitskriterien für Unterhaltssachen zwei Zielen gerecht werden, und zwar zum einen, wie vom Gerichtshof hervorgehoben, dem Ziel, die Interessen der berechtigten Personen zu wahren, und zum anderen dem Ziel, eine ordnungsgemäße Rechtspflege zu fördern(40). Somit handelt es sich um alternative Zuständigkeitskriterien, bei denen die Wahl durch den Kläger Vorrang genießt (41).

60.      Drittens pflichte ich der Kommission bei, dass eine besondere Priorität für die Konzentration des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des Aufenthaltsorts des Kindes dazu führen würde, dass es ohne ein anderes Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung im betreffenden Mitgliedstaat zu einer Rechtsverweigerung hinsichtlich der anhängigen Unterhaltssache käme, die dem Wohl des Kindes zuwiderliefe und gegen den Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften verstieße.

61.      Folglich sollen die Bestimmungen der Verordnung Nr. 4/2009, insbesondere ihre Zuständigkeitsvorschriften, es dem Unterhaltsberechtigten ermöglichen, unter Bedingungen, die ihn schützen, auf der Grundlage beschränkter und nicht in einem Hierarchieverhältnis stehender Kriterien zum Erfolg zu kommen.

62.      Außerdem ist der Unterschied zwischen Art. 10 der Verordnung Nr. 4/2009 und Art. 17 der Verordnung Nr. 2201/2003 hervorzuheben. Sie sehen zwar vor, dass sich das zu Unrecht angerufene Gericht in einer Unterhaltssache von Amts wegen für unzuständig zu erklären hat, doch darf der Richter nicht prüfen, ob ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. Aufgrund des erschöpfenden Charakters der Zuständigkeitskriterien(42) muss das für Unterhaltssachen zuständige Gericht entscheiden. Ist dies nicht der Fall, kann es gleichwohl über einen Antrag auf Erlass der im Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, entscheiden(43).

63.      Da der Kläger kein anderes Zuständigkeitskriterium wählen kann, obliegt die Trennung des Rechtsstreits somit dem mit der Unterhaltssache befassten Gericht.

64.      Entgegen den Ausführungen des vorlegenden Gerichts und der rumänischen Regierung, insbesondere zu den Beweisanforderungen(44), können zur Rechtfertigung der Anwendung des Zuständigkeitskriteriums in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009 im Ausgangsverfahren mehrere Argumente angeführt werden, die mit den Zielen der Verordnung im Einklang stehen.

C.      Argumente, die die Anwendung von Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 4/2009 rechtfertigen

65.      Erstens konnte, wie die Kommission hervorhebt, das Kriterium des Wohnorts des Beklagten von der durch einen Elternteil vertretenen berechtigten Person bewusst gewählt werden.

66.      Zweitens lässt sich diese Wahl damit rechtfertigen, dass das Gericht des Ortes, an dem der unterhaltspflichtige Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, die Gewähr für gute Kenntnisse seiner Leistungsfähigkeit bietet.

67.      Drittens erscheint es hinsichtlich der bei der Ermittlung des Betrags des verlangten Unterhalts zu berücksichtigenden Gesichtspunkte weniger schwierig, den Bedarf des Kindes in Erfahrung zu bringen, als die Leistungsfähigkeit des Schuldners festzustellen. Denn wenn eine Klage auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung erhoben wird, darf das für Unterhaltssachen zuständige Gericht das Verfahren nur bis zum Erlass der Entscheidung aussetzen, die als Grundlage für das Unterhaltsbegehren der berechtigten Person dienen wird. Umgekehrt kann das für die elterliche Verantwortung zuständige Gericht mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Sammlung und Prüfung von Belegen für die dem unterhaltspflichtigen Elternteil zur Verfügung stehenden Mittel und die von ihm zu tragenden Lasten konfrontiert sein, insbesondere dann, wenn er Insolvenz angemeldet haben sollte.

68.      Viertens ist das Fehlen einer Entscheidung über die Ausübung der elterlichen Verantwortung nicht geeignet, ein Gericht daran zu hindern, den Bedarf des Kindes zu beurteilen, wie insbesondere die übrigen vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Zuständigkeitskriterien zeigen. Auch eine Vereinbarung der Eltern über die Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes kann berücksichtigt werden.

69.      Es gibt noch weitere Argumente, die sich auf die Vorschriften über den Inhalt der Entscheidung und ihre Umsetzung beziehen.

70.      Wie bereits ausgeführt, ist das Vereinigte Königreich, wie das Königreich Dänemark, nicht dem Haager Protokoll von 2007 beigetreten(45). Folglich sind diese Staaten zum einen nicht an die dort aufgestellten Regeln für die Bestimmung des anwendbaren Rechts gebunden(46). Zum anderen sind die in diesen Staaten ergangenen Entscheidungen nicht vom Exequaturverfahren in den anderen Mitgliedstaaten befreit. Für sie muss ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt werden(47).

71.      Somit kann die Wahl des Kriteriums des Aufenthalts des Beklagten von Bestrebungen geleitet sein, die mit der Beitreibung der Unterhaltsschuld unter günstigen Bedingungen zusammenhängen(48), wobei sie nicht durch eine Diskussion über die Anerkennung oder die Vollstreckbarkeit der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung verzögert werden darf(49).

72.      In Anbetracht aller vorstehenden Erwägungen bin ich deshalb der Ansicht, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 4/2009 dahin auszulegen ist, dass die auf Art. 3 Buchst. a oder, wenn er nicht eingreift, auf Art. 5 der Verordnung beruhende Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Unterhaltssache im Sinne von Art. 3 Buchst. d der Verordnung eine Nebensache zu einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung darstellt.

73.      Es muss allerdings gewährleistet sein, dass eine solche Auslegung der Zuständigkeitsregeln dem Wohl des Kindes nicht zuwiderläuft.

D.      Berücksichtigung des Wohls des Kindes

74.      Wie der Gerichtshof im Urteil A ausgeführt hat, muss „die Durchführung der Verordnung [Nr. 4/2009] gemäß Art. 24 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfolgen …, nach dem bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss“(50).

75.      Wie sich im Ausgangsverfahren paradoxerweise gezeigt hat, kann es aber dazu kommen, dass Anträge, die von der Person, die Unterhalt begehrt, vor nur einem Gericht gestellt wurden, in Anbetracht des Wohls des Kindes aufgespalten werden, nachdem sich dieses Gericht für unzuständig erklärt hat, über die elterliche Verantwortung zu entscheiden.

76.      Auch wenn die mit der Entscheidung über das Fehlen einer Vereinbarung über die Zuständigkeit auf der Grundlage von Art. 12 der Verordnung Nr. 2201/2003 verbundenen Nachteile meines Erachtens und wie ich bereits ausgeführt habe, abstrakt betrachtet, zu relativieren sind, rechtfertigt es die Notwendigkeit, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, konkret zu prüfen, welche Folgen sich daraus ergeben, dass zwei Gerichte angerufen werden müssen, um nacheinander eine Entscheidung über ein Begehren in Bezug auf die elterliche Verantwortung und eine Entscheidung über das Unterhaltsbegehren zu erlangen, obwohl es sich dabei um eine Nebensache zum erstgenannten Begehren handelt.

77.      Gerade im vorliegenden Fall kommt in dem Standpunkt von R, der Klägerin, zur Zweckmäßigkeit, den Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen, ihr Bestreben zum Ausdruck, ihre ursprüngliche Entscheidung zu bestätigen, nur ein Gericht anzurufen, das für die Scheidungssache und alle das gemeinsame Kind betreffenden Folgesachen zuständig ist.

78.      Zudem muss, wie die rumänische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen hervorgehoben hat(51), berücksichtigt werden, dass eine neue, vor einem anderen Gericht erhobene Unterhaltsklage zur Folge haben kann, dass die berechtigte Person nicht schon ab dem Zeitpunkt ihrer ersten Klage, im vorliegenden Fall ab dem 29. September 2016, Unterhalt verlangen kann.

79.      Diese Aufspaltung der Rechtsstreitigkeiten, die den Unterhaltsgläubiger trifft(52), nachdem es keine Vereinbarung über die Zuständigkeit des mit der Scheidungsklage befassten Gerichts für den Bereich der elterlichen Verantwortung gab, sowie die nachteiligen Folgen einer Rücknahme der ursprünglichen Klage, sofern dies nach dem Recht am Ort des angerufenen Gerichts zulässig ist(53), führt zu ernsten Zweifeln daran, ob seine Interessen gewahrt werden. Unter diesen Umständen teile ich die vom vorlegenden Gericht sowie von der rumänischen Regierung geäußerten Bedenken.

80.      Daher sollte meines Erachtens nach einer Lösung gesucht werden, die im Einklang mit den Zielen der Verordnung Nr. 4/2009 und mit Art. 24 Abs. 2 der Grundrechtecharta die Interessen der berechtigten Person schützt.

81.      Insoweit stellt das Urteil A eine tragfähige Grundlage für die rechtliche Konstruktion des Gerichtshofs in Bezug auf die Auslegung der Verordnung Nr. 4/2009 dar, soweit er das Interesse an der Konzentration der Rechtsstreitigkeiten über die finanziellen Folgen, die sich für die Kinder aus der Trennung ihrer Eltern ergeben, hervorhebt(54). Das Gleiche gilt für die Feststellung der fehlenden Koordination zwischen dieser Verordnung und Art. 12 der Verordnung Nr. 2201/2003 sowie der Ineffizienz der Regeln über die Rechtshängigkeit oder die Aussetzung wegen Sachzusammenhang bei einer solchen Fallgestaltung(55).

82.      Deshalb erscheint es mir unter Wahrung des Grundgedankens der Verordnung Nr. 4/2009 und in Anbetracht des Wohls des Kindes vorstellbar, dass das mit dem Unterhalt für das Kind befasste Gericht die Möglichkeit hat, wegen der von ihm im Bereich der elterlichen Verantwortung getroffenen Entscheidung über die Unzuständigkeit dem Kläger mitzuteilen, dass es gemäß Art. 3 Buchst. a der Verordnung zuständig ist, und an ihn die Frage zu richten, ob er an seinem Unterhaltsbegehren festhält.

83.      Da der Unionsgesetzgeber in die Verordnung Nr. 4/2009 keine besonderen Bestimmungen aufgenommen hat(56), wie sie in Art. 15 der Verordnung Nr. 2201/2003 enthalten sind(57) oder die eine Koordination mit Art. 12 dieser Verordnung gewährleisten, kann das angerufene Gericht auf die Ausübung seiner Zuständigkeit nicht zugunsten eines Gerichts verzichten, das alle das Kind betreffenden Anträge besser beurteilen kann.

84.      Zudem ist für mich, selbst wenn das für ein Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zuständige Gericht eine Unterhaltssache als Nebensache zu diesem Verfahren besser zu beurteilen vermag, nicht ersichtlich, wie das Kindeswohl es rechtfertigen könnte, dass der Unterhaltsberechtigte verpflichtet wird, seine Wahl des zuständigen Gerichts zu ändern.

85.      Diese Analyse ist umso mehr geboten, wenn, wie im vorliegenden Fall, kein anderes Gericht angerufen wurde.

V.      Ergebnis

86.      Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die Vorlagefragen der Judecătoria Constanța (Gericht erster Instanz Constanța, Rumänien) wie folgt zu antworten:

1.      Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ist dahin auszulegen, dass die auf Art. 3 Buchst. a oder, wenn er nicht eingreift, auf Art. 5 der Verordnung beruhende Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats nicht dadurch ausgeschlossen wird, dass die Unterhaltssache im Sinne von Art. 3 Buchst. d der Verordnung eine Nebensache zu einem Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung darstellt.

2.      Da der Unionsgesetzgeber in die Verordnung Nr. 4/2009 keine besonderen Bestimmungen aufgenommen hat, wie sie in Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 enthalten sind oder die eine Koordination mit Art. 12 der Verordnung Nr. 2201/2003 gewährleisten, kann das angerufene Gericht auf die Ausübung seiner Zuständigkeit nicht zugunsten eines Gerichts verzichten, das den Fall besser beurteilen kann.


1      Originalsprache: Französisch.


2      ABl. 2009, L 7, S. 1.


3      ABl. 2003, L 338, S. 1.


4      ABl. 2001, L 12, S. 1.


5      Vgl., in Bezug auf die Relevanz der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dieser Verordnung, Urteil vom 18. Dezember 2014, Sanders und Huber (C‑400/13 und C‑408/13, EU:C:2014:2461, Rn. 23).


6      ABl. 2004, L 143, S. 15.


7      ABl. 2009, L 331, S. 17, im Folgenden: Haager Protokoll von 2007.


8      Dieses Protokoll wurde von der Europäischen Union am 8. April 2010 im Namen der Mitgliedstaaten – mit Ausnahme der beiden Staaten, die dem Protokoll nicht beigetreten sind – ratifiziert. Vgl. hierzu die Liste der Vertragsstaaten am 31. März 2017, abrufbar auf der Website der Haager Konferenz: https://www.hcch.net/fr/instruments/conventions/status-table/?cid=133.


9      Vgl. Art. 76 Abs. 3 der Verordnung Nr. 4/2009. Dieser Anwendungszeitpunkt ist vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Haager Protokolls von 2007 (1. August 2013 für alle Vertragsstaaten) zu unterscheiden. Vgl. auch Gaudemet-Tallon, H., und Ancel, M.‑E., Compétence et exécution des jugements en Europe, Règlements 44/2001 et 1215/2012, Conventions de Bruxelles (1968) et de Lugano (1998 et 2007), 6. Aufl., Librairie générale de droit et de jurisprudence, collection „Droit des affaires“, Paris, 2018, Nr. 216, S. 318.


10      Vgl. hierzu Art. 1071 des Codul de procedură civilă (Zivilgesetzbuch), der in der derzeit beim Gerichtshof anhängigen Rechtssache OF (C‑759/18) in der Vorlageentscheidung (S. 5) angeführt wird.


11      Siehe Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge.


12      C‑184/14, im Folgenden: Urteil A, EU:C:2015:479.


13      Vgl. u. a. Urteil A (Rn. 15 bis 17) und Urteil vom 6. Oktober 2015, A (C‑489/14, EU:C:2015:654, Rn. 13 und 14), sowie Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. Januar 2018, PM (C‑604/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:10, Rn. 12 bis 14), und Urteil vom 4. Oktober 2018, IQ (C‑478/17, EU:C:2018:812, Rn. 13 und 14). Vgl. zudem das derzeit beim Gerichtshof anhängige Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache OF (C‑759/18), in dessen Rn. 13 zahlreiche ähnliche Rechtssachen angeführt werden, die rumänische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, im konkreten Fall in Italien, betreffen. Darin geht es um die Zuständigkeit des Gerichts, das unter den gleichen Umständen wie im vorliegenden Fall im Bereich der elterlichen Verantwortung und in Unterhaltssachen angerufen wurde.


14      Hierzu hat das vorlegende Gericht ausgeführt: „Nach nationalem Recht sind in einem solchen Fall die elterliche Verantwortung und die Unterhaltspflicht gegenüber dem Antrag auf Ehescheidung akzessorisch (Art. 931 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).“ Die Wahl des Kriteriums der Staatsangehörigkeit der Ehegatten kann auch mit der Bestimmung des auf die Scheidung anwendbaren Rechts gerechtfertigt werden. Insoweit kann hervorgehoben werden, dass das Vereinigte Königreich nicht an die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (ABl. 2010, L 343, S. 10) gebunden ist.


15      Siehe Nr. 22 der vorliegenden Schlussanträge.


16      Art. 4 („Gerichtsstandsvereinbarungen“) der Verordnung Nr. 4/2009 gilt nach dessen Abs. 3 nicht bei einer Streitigkeit über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. Art. 6 dieser Verordnung sieht eine auf der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien beruhende Auffangzuständigkeit vor, während ihr Art. 7 eine Notzuständigkeit schafft.


17      Vgl. zum Fehlen einer vom Vater im Rahmen dieses Verfahrens erhobenen Einrede der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts Nr. 25 der vorliegenden Schlussanträge.


18      Zur Anwendung dieses Kriteriums vgl. Urteil vom 18. Dezember 2014, Sanders und Huber (C‑400/13 und C‑408/13, EU:C:2014:2461, und speziell zur Rechtfertigung dieses Kriteriums Rn. 34).


19      Vgl. die Definition des Unterhaltsberechtigten in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung Nr. 4/2009. Vgl. dazu Art. 46 der Verordnung zur unentgeltlichen Prozesskostenhilfe bei Anträgen auf Unterhaltsleistungen für Kinder. Vgl. ferner Urteil vom 15. Januar 2004, Blijdenstein (C‑433/01, EU:C:2004:21, Rn. 30, wonach der Unterhaltsberechtigte diejenige Person ist, deren Bedarf vom angerufenen Gericht zu bestimmen ist). Vgl. zudem Fongaro, E., und Hector, P., „Obligation alimentaire“, Répertoire de droit européen, Encyclopédie juridique Dalloz, Dalloz, Paris, 2018, Nr. 97, sowie Ancel, B., und Muir Watt, H., „Aliments sans frontières“, Revue critique de droit international privé, Dalloz, Paris, 2010, Nr. 3, S. 457 bis 484, insbesondere Punkt 4, Fn. 9 (S. 460), und Punkt 8 (S. 463 und 464). Vgl. im gleichen Sinne Hellner, M., „Maintenance obligations“, Encyclopedia of Private International Law, Edward Edgar Publishing, Cheltenham, 2017, S. 1185 bis 1194, insbesondere S. 1190.


20      Vgl. dazu Urteil vom 4. Oktober 2018, IQ (C‑478/17, EU:C:2018:812, Rn. 16).


21      Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses Kriterium bei der Scheidung nicht berücksichtigt wurde.


22      Siehe Nrn. 24 und 31 der vorliegenden Schlussanträge.


23      In dieser Rechtssache waren die Ehegatten sowie ihre beiden minderjährigen Kinder Italiener, die dauerhaft in London (Vereinigtes Königreich) lebten. Vor einem italienischen Gericht waren Anträge in Bezug auf das Eheband und die Folgen für die Kinder gestellt worden, während später von derselben Person vor einem englischen Gericht ein Verfahren zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der elterlichen Verantwortung eingeleitet worden war. Das zuerst angerufene Gericht folgerte aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003, dass wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Kinder in London allein die britischen Gerichte für die Entscheidung über die mit der elterlichen Verantwortung im Sinne von Art. 2 Nr. 7 dieser Verordnung zusammenhängenden Fragen zuständig seien.


24      Urteil A (Rn. 48). Hervorhebung nur hier.


25      Ich teile die Auffassung der Europäischen Kommission, wonach dieser Artikel eine Form der „stillschweigenden Vereinbarung“ der Zuständigkeit darstellt. Vgl. in diesem Sinne u. a. Gallant, E., Droit processuel civil de l’Union européenne, LexisNexis, Paris, 2011, Nr. 319, S. 109, der denselben Ausdruck verwendet und ausführt, dass diese Vorschrift ein unzuständiges Gericht ermächtige, in Unterhaltssachen zu entscheiden. Vgl. dazu Art. 26 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).


26      Das ist meines Erachtens hier im Rahmen der die Unterhaltspflicht betreffenden Rechtssache nach der Trennung der Rechtssachen und infolgedessen der Verfahren der Fall. Vgl. hierzu die in Nr. 30 der vorliegenden Schlussanträge wiedergegebenen Erwägungen des vorlegenden Gerichts.


27      Vgl. Art. 12 der Verordnung Nr. 4/2009.


28      Vgl. Art. 13 der Verordnung Nr. 4/2009.


29      Urteil A (Rn. 40 und 43).


30      Vgl. in diesem Sinne Gallant, E., a. a. O., Nr. 313, S. 108.


31      Vgl. Urteil A (Rn. 43 bis 46 und speziell die letztgenannte Randnummer).


32      C‑604/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:10.


33      C‑85/18 PPU, EU:C:2018:220.


34      Vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 16. Januar 2018, PM (C‑604/17, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:10, Rn. 33), und Beschluss vom 10. April 2018, CV (C‑85/18 PPU, EU:C:2018:220, Rn. 55).


35      Vgl. u. a., als jüngere Darstellung der vom Gerichtshof gewöhnlich herangezogenen Auslegungsmethode, Urteil vom 21. Juni 2018, Oberle (C‑20/17, EU:C:2018:485, Rn. 34).


36      Vgl. Urteil A (Rn. 33, 34 und 48).


37      In diesem Artikel wurde der Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die nachfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten geänderten Fassung (im Folgenden: Brüsseler Übereinkommen) unverändert übernommen, einschließlich der im Jahr 1978 angefügten Zuständigkeit des mit einem Verfahren in Bezug auf den Personenstand befassten Gerichts. Vgl. auch Gaudemet-Tallon, H., und Ancel, M.‑E., a. a. O., Nr. 219, S. 320.


38      Vgl. in diesem Sinne Boiché, A., „Les règles de compétence judiciaire“, Dossier „Recouvrement des obligations alimentaires dans l’Union“, Actualité juridique: famille, Dalloz, Paris, 2009, Nr. 3, S. 107 bis 112, und insbesondere die Kommentierung von Art. 3 Buchst. d der Verordnung Nr. 4/2009.


39      So der die Rechtfertigung der speziellen Zuständigkeitsregeln zusammenfassende Ausdruck von Gaudemet-Tallon, H., und Ancel, M.‑E., a. a. O., Nr. 180, S. 246.


40      Vgl. Urteil vom 18. Dezember 2014, Sanders und Huber (C‑400/13 und C‑408/13, EU:C:2014:2461, Rn. 26 bis 29). Vgl. auch den 15. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 4/2009.


41      Vgl. u. a., zur Vorrangstellung der berechtigten Person bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts, Joubert, N., „La mise en œuvre de l’obligation alimentaire en présence d’un élément d’extranéité dans les relations entre parents et enfants“, Droit de la famille, LexisNexis, Paris, 2018, Nr. 1, Dossier 3, Nr. 7. Vgl. auch Farge, M., „Promotion transfrontière du droit à obtenir des aliments: l’apport du règlement (CE) Nr. 4/2009 du 18 décembre 2008 (1ère partie)“, Droit de la famille, LexisNexis, Paris, 2011, Nr. 9, Studie 18, Nr. 16.


42      Vgl. in diesem Sinne auch Boiché, A., a. a. O., insbesondere die Kommentierung von Art. 10 der Verordnung Nr. 4/2009.


43      Vgl. Art. 14 der Verordnung Nr. 4/2009.


44      Siehe Nr. 29 der vorliegenden Schlussanträge.


45      Siehe Fn. 8 der vorliegenden Schlussanträge.


46      Das heißt, wenn der betreffende Mitgliedstaat an dieses Protokoll gebunden ist, garantiert die Anrufung eines Gerichts des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nach Art. 4 Abs. 3 des Protokolls die Anwendung des am Ort des angerufenen Gerichts geltenden Rechts.


47      Vgl. Art. 23 ff. der Verordnung Nr. 4/2009. Vgl. auch, zu den Folgen des Brexit, der dazu führen würde, dass das Vereinigte Königreich als Drittstaat anzusehen wäre, aber keine Auswirkung auf die Anerkennung der Entscheidungen hätte, da es für die im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidungen gegenwärtig kein Exequaturverfahren gibt, Farge, M., „Conjectures sur le Brexit …“, in „Droit de la famille“, La Semaine juridique, Édition générale, LexisNexis, Paris, 2016, Nr. 38, S. 1723 bis 1729, insbesondere S. 1725. Vgl. auch Pilich, M., „Brexit and EU private international law: May the UK stay in?“, Maastricht Journal of European and Comparative Law, Sage Publishing, New York, 2017, Bd. 24, Nr. 3, S. 382 bis 398, insbesondere S. 391 bis 393.


48      Vgl. insoweit Urteil vom 9. Februar 2017, S (C‑283/16, EU:C:2017:104, Rn. 32 bis 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie den neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 4/2009, als Hinweis auf die mit ihr verfolgten Ziele der Vereinfachung und Schnelligkeit.


49      Vgl., als Hinweis auf die mit der Verordnung Nr. 4/2009 verfolgten Ziele der wirksamen Geltendmachung von Unterhaltsforderungen in grenzüberschreitenden Fällen, den 15. Erwägungsgrund dieser Verordnung sowie Urteil vom 18. Dezember 2014, Sanders und Huber (C‑400/13 und C‑408/13, EU:C:2014:2461, Rn. 41). Vgl. ferner, zu einer ausführlichen Darstellung der Regeln über die Anerkennung und Vollstreckung der in einem nicht an das Haager Protokoll von 2007 gebundenen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen, insbesondere Fongaro, E., und Hector, P., a. a. O., Nrn. 78 bis 90.


50      Vgl. Urteil A (Rn. 46).


51      Vgl. Nr. 31 dieser Erklärungen.


52      Vgl., für Ausführungen zu den Konsequenzen des in der Verordnung Nr. 2201/2003 gewählten Systems, Ancel, B., und Muir Watt, H., „L’intérêt supérieur de l’enfant dans le concert des juridictions: le Règlement Bruxelles II bis“, Revue critique de droit international privé, Dalloz, Paris, 2005, Nr. 4, S. 569 bis 606, insbesondere Fn. 7 und Verweis auf den sechsten Erwägungsgrund dieser Verordnung.


53      In diesem prozessualen Zusammenhang könnte nämlich eine Rücknahme des Antrags vor dem ursprünglich angerufenen Gericht, das zuständig ist, als ein dem Ordre public am Ort des angerufenen Gerichts zuwiderlaufender Verzicht auf die Geltendmachung der Unterhaltsforderung betrachtet werden.


54      Vgl. Urteil A (Rn. 43).


55      Insoweit kann ein Vergleich zum Urteil vom 4. Oktober 2018, IQ (C‑478/17, EU:C:2018:812, Rn. 47), gezogen werden.


56      Vgl. hierzu, als Begründung dafür, dass die gegenwärtig bestehenden Schwierigkeiten nicht vorausgesehen wurden, die Feststellung im elften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2201/2003, wonach „[d]ie nach dieser Verordnung zuständigen Gerichte … in der Regel für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig sein [werden]“, auf die im Grünbuch der Kommission vom 15. April 2004 über Unterhaltspflichten (KOM[2004] 254 endg.), Abschnitt 5.1.1, S. 14, hingewiesen wird.


57      Mit diesem Artikel wurde eine von der Theorie des forum non conveniens inspirierte Regel eingeführt. Sie findet sich auch in den Art. 8 und 9 des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (abrufbar im Internet unter https://assets.hcch.net/docs/e74e817b-1faa-4aa9-bd29-3ff68da03f43.pdf), die, wie es Gallant, E., „Le forum non conveniens de l’article 15 du règlement Bruxelles II bis“, Revue critique de droit international privé, Dalloz, Paris, 2017, Nr. 3, S. 464 bis 471, Nr. 2, ausdrückt, den Mechanismus in einen Transfer oder eine Inanspruchnahme der Zuständigkeit aufspalten.