Language of document : ECLI:EU:C:2020:978

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

3. Dezember 2020(*)

„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 – Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln – Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 – Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat – Art. 263 AEUV – Klagebefugnis einer regionalen Einheit – Unmittelbare Betroffenheit“

In der Rechtssache C‑352/19 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 1. Mai 2019,

Région de Bruxelles-Capitale (Belgien), vertreten durch A. Bailleux, avocat,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäische Kommission, vertreten durch X. Lewis, F. Castillo de la Torre, I. Naglis und F. Castilla Contreras als Bevollmächtigte,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot (Berichterstatter), des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juli 2020

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Région de Bruxelles-Capitale (Region Brüssel-Hauptstadt, Belgien) die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 28. Februar 2019, Région de Bruxelles-Capitale/Kommission (T‑178/18, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2019:130), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2324 der Kommission vom 12. Dezember 2017 zur Erneuerung der Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Änderung des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission (ABl. 2017, L 333, S. 10, im Folgenden: streitiger Rechtsakt) als unzulässig abgewiesen hat.

 Rechtlicher Rahmen

2        Die Erwägungsgründe 10, 23, 24 und 29 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates (ABl. 2009, L. 309, S. 1) lauten:

„(10)      Stoffe sollten nur dann in Pflanzenschutzmitteln angewandt werden, wenn nachgewiesen ist, dass sie einen offensichtlichen Nutzen für die Pflanzenerzeugung bieten und voraussichtlich keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier oder unannehmbare Folgen für die Umwelt haben. Um das gleiche Schutzniveau in allen Mitgliedstaaten zu erzielen, sollte die Entscheidung über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit solcher Stoffe auf Gemeinschaftsebene auf der Grundlage harmonisierter Kriterien getroffen werden. Diese Kriterien sollten bei der ersten Genehmigung eines Wirkstoffs gemäß dieser Verordnung angewendet werden. Bei bereits genehmigten Wirkstoffen sollten die Kriterien zum Zeitpunkt der Erneuerung oder der Überprüfung der Genehmigung angewendet werden.

(23)      Pflanzenschutzmittel, die aktive Wirkstoffe enthalten, können auf verschiedene Arten zusammengesetzt sein und für eine Vielzahl von Pflanzen und Pflanzenerzeugnissen unter verschiedenen landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen (einschließlich klimatischen) Bedingungen verwendet werden. Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sollte daher von den Mitgliedstaaten erteilt werden.

(24)      Die Bestimmungen für eine Zulassung müssen ein hohes Schutzniveau gewährleisten. Insbesondere sollte bei Erteilung einer Zulassung für Pflanzenschutzmittel das Ziel, die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Umwelt zu schützen, Vorrang haben vor dem Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Daher sollte, bevor ein Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht wird, nachgewiesen werden, dass es einen offensichtlichen Vorteil für die Pflanzenerzeugung bringt und keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, einschließlich der besonders gefährdeten Personengruppen, oder von Tieren sowie keine unzulässigen Folgen für die Umwelt hat.

(29)      Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung stellt eines der Mittel dar, mit denen der freie Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet werden soll. Zur Vermeidung von Doppelarbeit, Verringerung des Verwaltungsaufwands für Industrie und Mitgliedstaaten und Sicherstellung einer einheitlicheren Verfügbarkeit von Pflanzenschutzmitteln sollte die von einem Mitgliedstaat erteilte Zulassung von anderen Mitgliedstaaten akzeptiert werden, sofern die landwirtschaftlichen, pflanzengesundheitlichen und ökologischen Bedingungen (einschließlich der klimatischen Bedingungen) vergleichbar sind. Daher sollte die Gemeinschaft in Zonen mit diesbezüglich jeweils vergleichbaren Bedingungen unterteilt werden, um diese gegenseitige Anerkennung zu erleichtern. Besondere ökologische oder landwirtschaftliche Bedingungen im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten können es jedoch erforderlich machen, dass die Mitgliedstaaten auf Antrag die von einem anderen Mitgliedstaat erteilte Zulassung anerkennen oder ändern, oder die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in ihrem Gebiet verweigern, wo dies aufgrund besonderer ökologischer oder landwirtschaftlicher Gegebenheiten gerechtfertigt ist oder wo das in dieser Verordnung vorgeschriebene hohe Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt nicht erreicht werden kann. Es sollte ferner möglich sein, bestimmte Voraussetzungen auch im Zusammenhang mit den im nationalen Aktionsplan gemäß der [Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (ABl. 2009, L 309, S. 71)] gesetzten Zielen zur Auflage zu machen.“

3        Art. 20 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmt:

„(1)      Es wird eine Verordnung gemäß dem in Artikel 79 Absatz 3 genannten Regelungsverfahren dahingehend erlassen, dass

a)      die Genehmigung eines Wirkstoffs erneuert wird, gegebenenfalls vorbehaltlich Bedingungen und Einschränkungen, oder

b)      die Genehmigung eines Wirkstoffs nicht erneuert wird.

(2)      …

Bei Aufhebung oder Nichterneuerung der Genehmigung aus dringender Sorge um die Gesundheit von Mensch oder Tier oder um die Umwelt werden die betreffenden Pflanzenschutzmittel unverzüglich vom Markt genommen.“

4        In Art. 36 der Verordnung heißt es:

„(1)      Der Mitgliedstaat, der den Antrag prüft, nimmt eine unabhängige, objektive und transparente Bewertung unter Berücksichtigung des neuesten Stands von Wissenschaft und Technik und unter Heranziehung der zum Zeitpunkt des Antrags verfügbaren Leitlinien vor. Er gibt allen Mitgliedstaaten in der gleichen Zone die Gelegenheit zu einer Stellungnahme, die in der Bewertung berücksichtigt wird.

(2)      Die betreffenden Mitgliedstaaten gewähren oder verweigern die Zulassung auf der Grundlage der Schlussfolgerungen aus der Bewertung durch den Mitgliedstaat, der den Antrag gemäß den Artikeln 31 und 32 prüft.

(3)      Abweichend von Absatz 2 und vorbehaltlich des Gemeinschaftsrechts können geeignete Bedingungen in Bezug auf die Anforderungen gemäß Artikel 31 Absätze 3 und 4 und andere Maßnahmen zur Risikominderung, die sich aus den spezifischen Verwendungsbedingungen ergeben, festgelegt werden.

Können die Bedenken eines Mitgliedstaats in Bezug auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt nicht durch die Festlegung nationaler Maßnahmen zur Risikominderung gemäß Unterabsatz 1 ausgeräumt werden, so kann ein Mitgliedstaat die Zulassung des Pflanzenschutzmittels in seinem Gebiet verweigern, wenn er angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen berechtigten Grund zu der Annahme hat, dass das betreffende Produkt noch immer ein unannehmbares Risiko für die Gesundheit von Mensch und Tier oder die Umwelt darstellt.

…“

5        Art. 40 („Gegenseitige Anerkennung“) der Verordnung sieht unter den dort festgelegten Bedingungen die Möglichkeit für den Inhaber einer nach Art. 29 gewährten Zulassung vor, für dasselbe Pflanzenschutzmittel eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat zu beantragen.

6        Art. 41 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 lautet:

„Der Mitgliedstaat, dem ein Antrag gemäß Artikel 40 vorgelegt wird, erteilt nach Prüfung des Antrags und gegebenenfalls der in Artikel 42 Absatz 1 genannten Begleitdokumente im Hinblick auf die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet für das betreffende Pflanzenschutzmittel eine Zulassung unter den gleichen Bedingungen wie der den Antrag prüfende Mitgliedstaat; hiervon ausgenommen sind die Fälle, in denen Artikel 36 Absatz 3 Anwendung findet.“

7        Art. 43 der Verordnung bestimmt:

„(1)      Eine Zulassung wird auf Antrag des Zulassungsinhabers erneuert, sofern die Anforderungen gemäß Artikel 29 noch erfüllt sind.

(2)      Innerhalb von drei Monaten nach der Erneuerung der Genehmigung eines in dem Pflanzenschutzmittel enthaltenen Wirkstoffs, Safeners oder Synergisten legt der Antragsteller Folgendes vor:

(5)      Die Mitgliedstaaten entscheiden über die Erneuerung der Zulassung eines Pflanzenschutzmittels spätestens zwölf Monate nach der Erneuerung der Genehmigung für den in ihm enthaltenen Wirkstoff, Safener oder Synergisten.

(6)      Wurde aus Gründen, die sich der Kontrolle des Zulassungsinhabers entziehen, vor Ablauf der Zulassung keine Entscheidung über deren Erneuerung getroffen, so verlängert der fragliche Mitgliedstaat die Zulassung um den Zeitraum, der für den Abschluss der Prüfung und eine Erneuerungsentscheidung notwendig ist.“

8        Art. 78 Abs. 3 der Verordnung sieht den Erlass einer Verordnung vor, mit der die Liste der in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. 1991, L 230, S. 1) aufgenommenen Wirkstoffe übernommen wird. Diese Wirkstoffe gelten als gemäß der Verordnung Nr. 1107/2009 genehmigt.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

 Zur Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat durch die Europäische Union

9        Mit der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 540/2011 der Kommission vom 25. Mai 2011 zur Durchführung der Verordnung Nr. 1107/2009 hinsichtlich der Liste zugelassener Wirkstoffe (ABl. 2011, L 153, S. 1) wurde die in Art. 78 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehene Liste angenommen. Glyphosat war auf dieser Liste mit einem zum 31. Dezember 2015 befristeten Genehmigungszeitraum verzeichnet.

10      Mit den Durchführungsverordnungen (EU) 2015/1885 vom 20. Oktober 2015 zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Genehmigung für die Wirkstoffe … Glyphosat … (ABl. 2015, L 276, S. 48) und (EU) 2016/1056 vom 29. Juni 2016 zur Änderung der Durchführungsverordnung Nr. 540/2011 hinsichtlich der Verlängerung der Dauer der Genehmigung für den Wirkstoff Glyphosat (ABl. 2016, L 173, S. 52) verlängerte die Kommission die Genehmigung des Wirkstoffs Glyphosat erst bis zum 30. Juni 2016 und dann bis zum 15. Dezember 2017.

11      Mit dem am 12. Dezember 2017 erlassenen streitigen Rechtsakt erneuerte die Kommission den Genehmigungszeitraum des Wirkstoffs Glyphosat unter bestimmten Bedingungen bis zum 15. Dezember 2022.

 Zu den Zuständigkeiten der Region Brüssel-Hauptstadt im Bereich von Pflanzenschutzmitteln

12      Die Zuständigkeiten der Region Brüssel-Hauptstadt im Bereich Pflanzenschutzmittel sind in den Rn. 9 bis 17 des angefochtenen Beschlusses dargestellt worden. Diese im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht angegriffenen Randnummern lauten:

„9      Die Klägerin, die Region Brüssel-Hauptstadt, ist eine der drei Regionen, denen gemäß Art. 39 der belgischen Verfassung per Gesetz bestimmte Zuständigkeiten übertragen sind.

10      Zu diesen Befugnissen zählt nach Art. 6 § 1 Abs. II Unterabs. 1 der Loi spéciale de réformes institutionnelles (Sondergesetz zur Reform der Institutionen) vom 8. August 1980 (Moniteur belge vom 15. August 1980, S. 9434, im Folgenden: Sondergesetz) ‚der Umweltschutz, insbesondere der Schutz des Bodens, des Untergrunds, des Wassers und der Luft gegen Verschmutzung und Schädigung …‘. Die Klägerin ist nach dieser Bestimmung dafür zuständig, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln auf ihrem Gebiet zu regeln.

11      Gemäß Art. 6 § 1 Abs. II. Unterabs. 1 des Sondergesetzes ist die Föderalbehörde jedoch für ‚die Festlegung von Produktnormen‘ zuständig. Daher obliegt die Prüfung von Anträgen auf Zulassung zum Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln der Föderalbehörde, die nach Art. 28 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 solche Zulassungen in Belgien erteilt. Die Regionen werden allerdings gemäß Art. 6 § 4 Abs. 1 des Sondergesetzes an der Ausübung dieser Zuständigkeit beteiligt.

12      Art. 7 des Arrêté royal belge relatif à la conservation, à la mise sur le marché et à l’utilisation des pesticides à usage agricole (belgische Königliche Verordnung über die Aufbewahrung, das Inverkehrbringen und die Verwendung von Pestiziden für landwirtschaftliche Zwecke) vom 28. Februar 1994 (Moniteur belge vom 11. Mai 1994, S. 12504) verbietet es, ein Pestizid für landwirtschaftliche Zwecke, das nicht zuvor vom Minister genehmigt wurde, in den Verkehr zu bringen, zuzubereiten, zu befördern, einzuführen, anzubieten, bereitzuhalten, zum Verkauf anzubieten, zu besitzen, zu erwerben oder zu verwenden. Nach Art. 8 dieser Verordnung ‚[erteilt d]er Minister oder der hierzu vom Minister benannte Beamte … die Genehmigung nach Stellungnahme des [Genehmigungsausschusses nach Art. 9]‘. Nach Art. 9 der Königlichen Verordnung setzt sich der Genehmigungsausschuss aus zwölf vom Minister ernannten Mitgliedern (im Folgenden: Genehmigungsausschuss) zusammen, darunter ‚ein vom Ministerpräsidenten der Region Brüssel-Hauptstadt bestimmter Sachverständiger aus der Brüsseler Region‘.

13      Am 20. Juni 2013 erließ die Klägerin die Ordonnance relative à une utilisation des pesticides compatible avec le développement durable en Région de Bruxelles-Capitale (Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden in der Region Brüssel-Hauptstadt) (Moniteur belge vom 21. Juni 2013, S. 40062, im Folgenden: Verordnung vom 20. Juni 2013). Gemäß Art. 1 Abs. 1 dieser Verordnung wird mit ihr die Richtlinie [2009/128] umgesetzt.

14      Nach Art. 1 Abs. 3 der Verordnung vom 20. Juni 2013 kann die Klägerin ‚Pestizide benennen, deren Verwendung wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt verboten ist‘.

15      Am 10. November 2016 erließ die Klägerin auf der Grundlage der Verordnung von 2013 den Arrêté interdisant l’utilisation de pesticides contenant du glyphosate en Région de Bruxelles-Capitale (Erlass über das Verbot der Verwendung glyphosathaltiger Pestiziden in der Region Brüssel-Hauptstadt) (Moniteur belge vom 2. Dezember 2016, S. 79492, im Folgenden: Erlass vom 10. November 2016).

16      Der Klageschrift lässt sich entnehmen, dass der Erlass vom 10. November 2016 Gegenstand einer Nichtigkeitsklage beim Conseil d’État, section du contentieux administratif (Staatsrat, Abteilung für Verwaltungsstreitsachen, Belgien) ist. Bei der Klage geht es hauptsächlich um einen mutmaßlichen Verstoß gegen bestimmte Vorschriften der Verordnung Nr. 1107/2009 sowie gegen die Art. 34, 35 und 36 AEUV. In diesem Verfahren vertritt die Klägerin die Auffassung, dass die Genehmigung von Glyphosat auf Unionsebene und die Zulassung bestimmter, diesen Stoff enthaltender Pflanzenschutzmittel durch die belgische Föderalbehörde durch ein absolutes Verbot der Verwendung dieser Mittel im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt nicht beeinträchtigt würden.

17      Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin an den Arbeiten der nach dem Komitologiebeschluss eingerichteten Ausschüsse auf Unionsebene beteiligt ist und dort das Königreich Belgien turnusmäßig vertritt. Im Rahmen dieser Zuweisung nahm sie im Vorfeld der vom Standing Committee on Plants, Animals, Food and Feed (Ständiger Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Nahrung und Futter …) durchgeführten Arbeiten zum Wirkstoff Glyphosat über den Koordinierungsausschuss für internationale Umweltpolitik, der durch den Accord de coopération, du 5 avril 1995, entre l’État fédéral, la Région flamande, la Région wallonne et la Région de Bruxelles-Capitale relatif à la politique internationale de l’environnement (Kooperationsübereinkommen zwischen dem Föderalstaat, der flämischen Region, der wallonischen Region und der [Klägerin] zur internationalen Umweltpolitik) (Moniteur belge vom 13. Dezember 1995, S. 33436) eingerichtet worden war, an einer Abstimmung zwischen den übrigen belgischen Regionen teil.“

 Klage vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

13      Mit Klageschrift, die am 8. März 2018 bei der Kanzlei des Gerichts einging, beantragte die Region Brüssel-Hauptstadt die Nichtigerklärung des streitigen Rechtsakts.

14      Mit gesondertem Schriftsatz erhob die Kommission nach Art. 130 der Verfahrensordnung des Gerichts eine auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gestützte Unzulässigkeitseinrede.

15      Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Gericht diese Einrede für begründet erachtet und die Klage mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, dass die Region Brüssel-Hauptstadt durch den streitigen Rechtsakt nicht im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar betroffen sei.

 Anträge der Parteien im Rechtsmittelverfahren

16      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Region Brüssel-Hauptstadt,

–        den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

–        die Nichtigkeitsklage für begründet zu erklären und die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        der Kommission die Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

17      Die Kommission beantragt,

–        das Rechtsmittel zurückzuweisen;

–        der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

 Vorbemerkungen

18      Die Klage einer regionalen oder lokalen Einheit kann der Klage eines Mitgliedstaats nicht gleichgestellt werden und muss daher den in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen genügen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Mai 2006, Regione Siciliana/Kommission, C‑417/04 P, EU:C:2006:282, Rn. 21 bis 24).

19      Diese Bestimmung stellt die Zulässigkeit einer Klage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine Entscheidung, die – wie dies vorliegend bei der Region Brüssel-Hauptstadt der Fall ist – nicht an sie gerichtet ist, unter die Bedingung, dass sie unmittelbar und individuell von dieser Entscheidung betroffen ist, oder – soweit es sich um einen Rechtsakt mit Verordnungscharakter handelt – sie unmittelbar davon betroffen ist und dieser Rechtsakt keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht.

20      Im vorliegenden Fall hat das Gericht, das mit einer Unzulässigkeitseinrede befasst war, die sich auf ein fehlendes Rechtsschutzinteresse der Region Brüssel-Hauptstadt für die beantragte Nichtigerklärung des streitigen Rechtsakts stützte, seine Prüfung auf die Frage beschränkt, ob die Rechtsmittelführerin unmittelbar von dem Rechtsakt betroffen war, und im angefochtenen Beschluss entschieden, dass diese Bedingung nicht erfüllt gewesen sei.

21      Zur Stützung ihres Rechtsmittels gegen diesen Beschluss macht die Region Brüssel-Hauptstadt zwei Rechtsmittelgründe geltend, und zwar erstens einen Verstoß gegen das am 25. Juni 1998 in Aarhus unterzeichnete und mit dem Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigte Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten (ABl. 2005, L 124, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) und zweitens, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, sie sei vom streitigen Rechtsakt nicht unmittelbar betroffen.

 Zum ersten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen das Übereinkommen von Aarhus

 Vorbringen der Parteien

22      Mit dem ersten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft die Region Brüssel-Hauptstadt dem Gericht vor, bei der Prüfung der Zulässigkeit ihrer Klage in den Rn. 34 bis 36 des angefochtenen Beschlusses eine Berücksichtigung von Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus abgelehnt zu haben. Sie ist der Auffassung, dass die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen unter Beachtung von Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu den Gerichten auszulegen seien, da ihre Klage in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens falle.

23      Mit dem zweiten Teil ihres ersten Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, in Rn. 37 des angefochtenen Beschlusses davon ausgegangen zu sein, dass sie nicht hinreichend genau erläutert habe, inwieweit der Verweis auf das Übereinkommen von Aarhus dazu geeignet sei, die Beurteilung ihrer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit in der vorliegenden Rechtssache zu beeinflussen.

24      Die Kommission beantragt, den Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

 Würdigung durch den Gerichtshof

25      Was den ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes betrifft, ist daran zu erinnern, dass nach Art. 216 Abs. 2 AEUV die von der Union geschlossenen internationalen Übereinkünfte zwar für ihre Organe verbindlich sind und daher Vorrang vor den von ihnen erlassenen Rechtsakten haben (Urteile vom 3. Juni 2008, Intertanko u. a., C‑308/06, EU:C:2008:312, Rn. 42, vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Januar 2015, Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe, C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2015:5, Rn. 44). Diese Übereinkünfte können aber keinen Vorrang gegenüber dem primären Unionsrecht beanspruchen.

26      Daraus ergibt sich, dass Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus keine Änderung der in Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeitsklagen bewirken kann.

27      Unter diesen Umständen kann der erste Teil des ersten Rechtsmittelgrundes, der darauf gestützt wird, dass das Gericht die Zulässigkeit der Klage beurteilt habe, ohne das Übereinkommen von Aarhus zu berücksichtigen, daher nicht durchgreifen.

28      Da das auf die Ablehnung des Gerichts, Art. 9 des Übereinkommens von Aarhus zu berücksichtigen, gestützte Vorbringen zurückzuweisen ist, geht außerdem die Kritik an der Begründung, mit der das Gericht in Rn. 37 dieses Vorbringen zurückgewiesen hat, ins Leere. Folglich kann der zweite Teil des ersten Rechtsmittelgrundes nicht durchgreifen.

29      Nach alledem ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

 Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Das Gericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin vom streitigen Rechtsakt nicht unmittelbar betroffen sei

30      Einleitend ist daran zu erinnern, dass die Voraussetzung der „unmittelbaren Betroffenheit“ nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bedeutet, dass sich die Maßnahme zum einen unmittelbar auf die Rechtsstellung des Einzelnen auswirkt und zum anderen den Adressaten dieser Maßnahme, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung weiterer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Mai 1998, Glencore Grain/Kommission, C‑404/96 P, EU:C:1998:196, Rn. 41, und vom 5. November 2019, EZB u. a./Trasta Komercbanka u. a., C‑663/17 P, C‑665/17 P und C‑669/17 P, EU:C:2019:923, Rn. 103).

31      Der zweite, in vier Teile aufgeteilte Rechtsmittelgrund ist anhand dieser Rechtsprechung zu prüfen.

 Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

–       Vorbringen der Parteien

32      Mit dem ersten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes macht die Region Brüssel-Hauptstadt geltend, das Gericht habe in den Rn. 50 bis 55 des angefochtenen Beschlusses zu Unrecht angenommen, der streitige Rechtsakt habe nicht bewirkt, dass die Gültigkeit der bestehenden Zulassungen für das Inverkehrbringen glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel aufrechterhalten werde. Aufgrund dieses Rechtsakts hätten derartige Zulassungen nämlich weiterhin ihre Wirkungen entfalten können, während die Zulassungen ohne eine Erneuerung der Genehmigung dieses Wirkstoffs ipso facto obsolet geworden wären.

33      Die Kommission beantragt, den ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

34      Aus Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 ergibt sich, dass die von den Mitgliedstaaten erteilten Zulassungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit einem Wirkstoff obsolet werden und die Mittel unverzüglich vom Markt genommen werden, wenn die Genehmigung dieses Wirkstoffs vom Unionsgesetzgeber aus dringender Sorge um die Gesundheit von Mensch oder Tier oder um die Umwelt nicht erneuert wird.

35      Die Erneuerung der Genehmigung eines Wirkstoffs hat jedoch keine vergleichbare Wirkung wie das Unterbleiben einer solchen Erneuerung. Sie führt nämlich nicht dazu, dass die Zulassungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit diesem Wirkstoff bestätigt bzw. verlängert würden oder weiterliefen, da ihre Inhaber nach Art. 43 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009 innerhalb von drei Monaten nach der Genehmigung des Wirkstoffs eine Erneuerung der Zulassung beantragen müssen. Über diesen Antrag haben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 43 Abs. 5 binnen zwölf Monaten zu entscheiden.

36      Folglich hat das Gericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass der streitige Rechtsakt keine Bestätigung der Gültigkeit der Zulassungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln mit dem Wirkstoff Glyphosat bewirkte.

 Zweiter Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

–       Vorbringen der Parteien

37      Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes wendet sich die Region Brüssel-Hauptstadt gegen die Begründung, mit der das Gericht in den Rn. 56 bis 59 des angefochtenen Beschlusses ihr Vorbringen zurückgewiesen hat, sie sei unmittelbar vom streitigen Rechtsakt betroffen, da sie dadurch verpflichtet werde, in Anwendung von Art. 43 Abs. 5 der Verordnung Nr. 1107/2009 spätestens zwölf Monate nach dessen Inkrafttreten über die Erneuerung von Zulassungen für das Inverkehrbringen glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel zu entscheiden.

38      Erstens habe das Gericht in Rn. 57 des angefochtenen Beschlusses irrtümlich entschieden, dass die Verpflichtung, über die Anträge auf Erneuerung von Zulassungen für das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln zu befinden, der belgischen Föderalbehörde obliege und nicht der Region Brüssel-Hauptstadt. Die Region Brüssel-Hauptstadt sei nämlich zwingend an der Entscheidungsfindung beteiligt, da sie nach nationalem Recht einen Sitz im Genehmigungsausschuss habe, dessen Stellungnahme der für die Erneuerung der Zulassungen zuständige Minister einzuholen habe.

39      Zweitens sei das Gericht in Rn. 58 des angefochtenen Beschlusses außerdem rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Beteiligung der Region Brüssel-Hauptstadt an der Prüfung der Anträge auf Verlängerung der Zulassung für das Inverkehrbringen von glyphosathaltigen Mitteln eine unmittelbare Folge von Art. 43 Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 sei und nicht eine des streitigen Rechtsakts. In mehreren Rechtssachen sei nämlich eine unmittelbare Betroffenheit des Klägers angenommen worden, obwohl ihn der von ihm angefochtene Rechtsakt nur über eine andere Handlung der Union betroffen habe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2017, Deza/ECHA, T‑115/15, EU:T:2017:329, Rn. 30 bis 35).

40      Die Kommission beantragt, den zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

41      Erstens steht fest, dass die den Mitgliedstaaten nach Art. 43 Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 auferlegte Pflicht in Belgien der Föderalbehörde obliegt, da diese nach nationalem Recht für „die Festlegung von Produktnormen“ zuständig ist, und nicht Regionen wie der Klägerin. Diese Pflicht besteht zum einen darin, über den Antrag auf Erneuerung der Zulassung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels spätestens zwölf Monate nach der Erneuerung der Genehmigung für den in ihm enthaltenen Wirkstoff zu entscheiden, wobei der Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Erneuerung der Genehmigung für den Wirkstoff zu stellen ist. Zum anderen besteht diese Pflicht darin, die Zulassung um den notwendigen Zeitraum zu verlängern, wenn vor Ablauf der Zulassung keine Entscheidung über deren Erneuerung getroffen wurde.

42      Nach dem nationalen Recht sind die Regionen zwar „an der Ausarbeitung von föderalen Regelungen im Bereich von Produktnormen beteiligt“ und dürfen insbesondere das Inverkehrbringen und die Verwendung eines Pestizids für landwirtschaftliche Zwecke gemäß Art. 7 der Königlichen Verordnung vom 28. Februar 1994 vom zuständigen föderalen Minister nur nach Stellungnahme eines Ausschusses genehmigt werden, in dem die Region Brüssel-Hauptstadt durch einen Sachverständigen vertreten ist. Diese beratende Zuständigkeit stellt jedoch keine unmittelbare Wirkung von Art. 43 Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 dar. Unter diesen Umständen sind die Angriffe der Rechtsmittelführerin gegen Rn. 57 des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

43      Zweitens ist entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin festzustellen, dass das Gericht in Rn. 58 des angefochtenen Beschlusses nicht ausgeführt hat, dass die Beteiligung der Region Brüssel-Hauptstadt an der Prüfung der Anträge auf Erneuerung der Zulassung für das Inverkehrbringen von glyphosathaltigen Mitteln eine unmittelbare Auswirkung von Art. 43 Abs. 5 und 6 der Verordnung Nr. 1107/2009 und nicht des streitigen Rechtsakts sei. Das Gericht hat sich nämlich in dieser Randnummer auf die Feststellung beschränkt, dass sich das Vorbringen der Rechtsmittelführerin in seiner Darstellung nicht auf die Wirkungen des streitigen Rechtsakts selbst bezogen hat, sondern lediglich auf die von Art. 43 Abs. 5 und 6 der Verordnung. Daher geht die Kritik der Rechtsmittelführerin an Rn. 58 des angefochtenen Beschlusses ins Leere.

44      Da der erste, in Rn. 57 des angefochtenen Beschlusses angeführte Grund für die Zurückweisung des Vorbringens der Rechtsmittelführerin durch das Gericht – wie in Rn. 42 des vorliegenden Urteils ausgeführt – durchgreift, kommt dem zweiten, in Rn. 58 des angefochtenen Beschlusses angeführten Zurückweisungsgrund zudem nur untergeordnete Bedeutung zu. Die darauf bezogene Rüge der Rechtsmittelführerin geht daher ins Leere (vgl. entsprechend Urteil vom 13. September 2007, Common Market Fertilizers/Kommission, C‑443/05 P, EU:C:2007:511, Rn. 137) und ist folglich zurückzuweisen.

45      Nach alledem ist der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

–       Vorbringen der Parteien

46      Mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die Begründung, mit der das Gericht in den Rn. 60 bis 63 des angefochtenen Beschlusses ihr Vorbringen zurückgewiesen hat, unter Berücksichtigung des in den Art. 40 bis 42 der Verordnung Nr. 1107/2009 vorgesehenen Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung wirke der streitige Rechtsakt dahin, dass die Befugnisse des Genehmigungsausschusses und in der Folge ihre eigene Befugnis, der Zulassung eines glyphosathaltigen Pflanzenschutzmittels zu widersprechen, weitgehend neutralisiert würden, wenn dieses Mittel bereits in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen worden sei.

47      Die Region Brüssel-Hauptstadt wirft dem Gericht erstens vor, davon ausgegangen zu sein, dass das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung keinen Automatismus schaffe und dass Art. 41 Abs. 1 sowie Art. 36 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1107/2009 dem mit einem Antrag auf gegenseitige Anerkennung befassten Mitgliedstaat einen Ermessensspielraum ließen. Diese Beurteilung des Gerichts sei außerdem nicht begründet worden.

48      Zweitens ist die Region Brüssel-Hauptstadt der Auffassung, die Ausführungen des Gerichts in Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses, dass die Wirkungen des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung keine unmittelbare Folge des streitigen Rechtsakts seien, seien offensichtlich rechtsfehlerhaft.

49      Die Kommission beantragt, den dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

50      Erstens lässt sich der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung entnehmen, dass eine der beiden kumulativen Voraussetzungen für die Feststellung, ob sich eine Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung eines Einzelnen auswirkt, darin besteht, dass die Maßnahme ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt.

51      Wie das Gericht in Rn. 61 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt hat, ist ein Mitgliedstaat, wenn bei ihm ein Antrag auf Zulassung für das Inverkehrbringen eines in einem anderen Mitgliedstaat bereits für die gleiche Verwendung zugelassenen Pflanzenschutzmittels eingeht, nicht verpflichtet, diesem zu entsprechen. Denn erstens ermöglicht es ihm Art. 41 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009, die Bedingungen in seinem Hoheitsgebiet zu berücksichtigen, und zweitens wird in Art. 36 Abs. 3 der Verordnung, auf den Art. 41 verweist, zum einen klargestellt, dass der Mitgliedstaat Maßnahmen zur Minderung der Risiken für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt festlegen kann, und zum anderen, dass er die Zulassung sogar verweigern kann, wenn die Maßnahmen zur Risikominderung seine Bedenken angesichts spezifischer ökologischer oder landwirtschaftlicher Bedingungen nicht ausräumen können. Das Gericht ist somit richtigerweise zu dem Ergebnis gekommen, dass das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung keinen Automatismus schafft und den mit einem Antrag auf gegenseitige Anerkennung befassten Mitgliedstaaten einen Ermessensspielraum lässt.

52      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Rüge der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe insoweit einen Rechtsfehler begangen und seine Würdigung unzureichend begründet, keinen Erfolg haben kann.

53      Zweitens und in jedem Fall ist das Gericht entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu Recht davon ausgegangen, dass die Wirkungen des Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung ihrerseits keine unmittelbare Folge des streitigen Rechtsakts sind. Die Genehmigung eines Wirkstoffs ist nämlich nur eine unter weiteren Anforderungen für die Zulassung für das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels mit diesem Wirkstoff, die in Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1107/2009 aufgezählt sind. Die Erteilung einer solchen Zulassung in einem Mitgliedstaat zieht zudem für sich genommen keine Zulassung in anderen Mitgliedstaaten nach sich, da Art. 40 der Verordnung vorsieht, dass der Inhaber einer Zulassung in einem Mitgliedstaat unter den darin genannten Voraussetzungen nach dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung für dasselbe Pflanzenschutzmittel eine Zulassung in einem anderen Mitgliedstaat beantragen kann. Zu guter Letzt ist dieser andere Mitgliedstaat, wie in der vorstehenden Randnummer dargelegt, nicht verpflichtet, diese Zulassung unter allen Umständen zu erteilen.

54      Nach alledem ist der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes

–       Vorbringen der Parteien

55      Mit dem vierten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes greift die Rechtsmittelführerin die Begründung des angefochtenen Beschlusses in den Rn. 66 bis 77 an, mit der das Gericht ihr Vorbringen zu den Wirkungen des streitigen Rechtsakts auf die Gültigkeit des Erlasses vom 10. November 2016 und folglich zu den Konsequenzen für den Rechtsstreit über diesen Erlass zurückgewiesen hat.

56      Das Gericht habe erstens einen Rechtsfehler begangen, indem es auf die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit den im Urteil vom 5. Oktober 2005, Land Oberösterreich und Österreich/Kommission (T‑366/03 und T‑235/04, EU:T:2005:347), in Bezug auf das Kriterium der individuellen Betroffenheit entwickelten Test angewandt habe. Damit habe das Gericht die beiden in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Anforderungen verwechselt.

57      Zweitens wirft die Region Brüssel-Hauptstadt dem Gericht vor, das Risiko, das der streitige Rechtsakt für die Gültigkeit des mit dem Erlass vom 10. November 2016 verfügten Verbots der Verwendung von glyphosathaltigen Pestiziden bilde, verkannt zu haben.

58      Drittens sei die Verabschiedung des Erlasses vom 10. November 2016 trotz der ungünstigen rechtlichen Rahmenbedingungen von politischen Bedenken von allgemeinem Interesse geleitet gewesen, und nicht nur von rechtlichen Erwägungen.

59      Viertens stehe der angefochtene Beschluss in offensichtlichem Widerspruch zum Urteil vom 13. Dezember 2018, Ville de Paris, Ville de Bruxelles und Ayuntamiento de Madrid/Kommission (T‑339/16, T‑352/16 und T‑391/16, EU:T:2018:927). In diesem Urteil habe das Gericht entschieden, dass die klagenden Städte, die auf ihrem Gebiet Maßnahmen zur Beschränkung der mit dem Automobilverkehr in Verbindung stehenden Luftverschmutzung getroffen hatten, von einer Verordnung zur Festsetzung von Maximalwerten für Stickstoffemissionen für leichte Personenkraftwagen und Nutzfahrzeuge im praktischen Fahrbetrieb, die über denen für die sogenannte Euro-6-Norm liegen, unmittelbar betroffen gewesen seien. Mit anderen Worten sei das Gericht davon ausgegangen, dass die bloß virtuelle, d. h. noch nicht durch eine gerichtliche Entscheidung festgestellte Rechtswidrigkeit solcher Maßnahmen in Ansehung dieser Verordnung ausreiche, um den fraglichen Städten eine unmittelbare Betroffenheit durch die Verordnung zu verleihen. Im angefochtenen Beschluss sei das Gericht jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass die virtuelle Rechtswidrigkeit des Erlasses vom 10. November 2016 in Ansehung des streitigen Rechtsakts nicht für die Darlegung einer unmittelbaren Betroffenheit der Rechtsmittelführerin durch diese Entscheidung ausreiche.

60      Fünftens wirft die Region Brüssel-Hauptstadt dem Gericht vor, den angefochtenen Beschluss insoweit mangelhaft begründet zu haben, als es ihren Vortrag nicht geprüft habe, dass der streitige Rechtsakt ihre Rechtsposition unmittelbar beeinflusse, indem er das Rechtsschutzinteresse derjenigen, die gegen den Erlass vom 10. November 2016 Nichtigkeitsklagen erhoben hätten, weiter bestehen lasse.

61      Die Kommission beantragt, den vierten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.

–       Würdigung durch den Gerichtshof

62      Erstens stellt der Umstand, dass das Gericht nach Auffassung der Rechtsmittelführerin seine eigene Rechtsprechung fehlerhaft ausgelegt hat, für sich genommen keinen Rechtsfehler dar, der zur Begründung eines Rechtsmittels herangezogen werden könnte. Die auf eine Verwechslung der Kriterien der unmittelbaren Betroffenheit und der individuellen Betroffenheit gestützte Rüge ist zudem nicht dergestalt konkretisiert, dass ihre Begründetheit geprüft werden könnte. Daher kann sie nicht durchgreifen.

63      Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtmäßigkeit des im Rahmen der vor dem Conseil d’État (Staatsrat) erhobenen Klage angegriffenen Erlasses vom 10. November 2016 jedenfalls nicht durch den streitigen Rechtsakt beeinträchtigt werden kann, da dieser nach dem genannten Erlass ergangen ist. Im Übrigen sind weder das Risiko der Feststellung einer Vertragsverletzung auf Betreiben der Kommission, auf das in der Rechtsmittelschrift angespielt wird, noch die Zweifel an der Gültigkeit der Regelung zum Verbot der Verwendung glyphosathaltiger Pestizide in Ansehung der belgischen Verfassung, deren Verbindung mit dem streitigen Rechtsakt die Rechtsmittelführerin nicht genauer darstellt, für den Nachweis geeignet, dass sie unmittelbar durch ihn betroffen wäre. Unter diesen Umständen führt die Rechtsmittelführerin keinen Nachweis dahin, dass der streitige Rechtsakt ein Risiko für diese Verbotsregelung darstellt.

64      Drittens ergibt sich aus der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Voraussetzung der „unmittelbaren Betroffenheit“ u. a. bedeutet, dass sich die in Rede stehende Maßnahme unmittelbar auf die Rechtsstellung der natürlichen oder juristischen Person auswirken muss, die eine Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zu erheben gedenkt. Eine solche Voraussetzung ist somit ausschließlich anhand der Rechtswirkungen der Maßnahme zu beurteilen, wohingegen sich ihre etwaigen politischen Auswirkungen nicht auf die Beurteilung auswirken. Folglich kann das Vorbringen nicht durchgreifen.

65      Viertens lässt sich dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin zum Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2018, Ville de Paris, Ville de Bruxelles und Ayuntamiento de Madrid/Kommission (T‑339/16, T‑352/16 und T‑391/16, EU:T:2018:927), nicht entnehmen, inwieweit der Umstand, sein Vorliegen einmal unterstellt, dass die im angefochtenen Beschluss herausgearbeitete Lösung im Widerspruch zu diesem Urteil stünde, als solcher geeignet sein sollte, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses herbeizuführen. Diese Rüge ist somit ebenfalls zurückzuweisen.

66      Fünftens ist, soweit die Region Brüssel-Hauptstadt rügt, das Gericht habe nicht ihren Vortrag geprüft, der streitige Rechtsakt beeinflusse ihre Rechtsstellung unmittelbar, indem er das Rechtsschutzinteresse derjenigen, die gegen den Erlass vom 10. November 2016 Nichtigkeitsklagen erhoben hätten, weiter bestehen lasse, hervorzuheben, dass sich dieses Vorbringen der Rechtsmittelführerin erst in ihrer Erwiderung auf die Unzulässigkeitseinrede der Kommission findet. Folglich kann es nicht als ein Klagegrund angesehen werden, den das Gericht hätte prüfen müssen. Daher ist die Rüge zurückzuweisen.

67      Nach alledem ist der vierte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes sowie das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

68      Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Region Brüssel-Hauptstadt mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die Region Brüssel-Hauptstadt trägt die Kosten.


Unterschriften


*      Verfahrenssprache: Französisch.