Language of document :

Vorabentscheidungsersuchen der Administratīvā apgabaltiesa (Lettland), eingereicht am 9. Juli 2020 – SIA „Visma Enterprise“/Konkurences padome

(Rechtssache C-306/20)

Verfahrenssprache: Lettisch

Vorlegendes Gericht

Administratīvā apgabaltiesa

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: SIA „Visma Enterprise“

Beklagte: Konkurences padome

Vorlagefragen

1.    Kann die im vorliegenden Fall in Rede stehende Vereinbarung zwischen einem Hersteller und einigen Vertriebshändlern (nach der der Vertriebshändler, der ein potenzielles Geschäft zuerst registriert hat, während eines Zeitraums von 6 Monaten ab der Registrierung den Vorrang genießt, um den Verkaufsprozess mit dem betreffenden Endnutzer abzuwickeln, sofern dieser nicht widerspricht) bei zutreffender Auslegung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union als Vereinbarung zwischen Unternehmen angesehen werden, die im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt?

2.    Finden sich in der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vereinbarung zwischen einem Hersteller und einigen Vertriebshändlern bei einer Auslegung im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht von dem allgemeinen Verbot wettbewerbswidriger Absprachen freigestellt ist?

3.    Ist davon auszugehen, dass die im vorliegenden Fall in Rede stehende Vereinbarung zwischen einem Hersteller und einigen Vertriebshändlern bei einer Auslegung im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union eine Ausnahme darstellt? Gilt die Ausnahme, die den Abschluss vertikaler Vereinbarungen zulässt, die eine Beschränkung des aktiven Verkaufs in Gebiete oder an Kundengruppen bewirken, die der Anbieter sich selbst vorbehalten oder ausschließlich einem anderen Abnehmer zugewiesen hat, sofern dadurch der Verkauf durch die Kunden des Abnehmers nicht beschränkt wird und der Marktanteil des Anbieters (der Klägerin) 30 % nicht übersteigt, nur für Alleinvertriebssysteme?

4.    Kann das Tatbestandsmerkmal bei der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Vereinbarung zwischen einem Hersteller und einigen Vertriebshändlern bei einer Auslegung im Einklang mit dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausschließlich im rechtswidrigen Verhalten eines einzigen Wirtschaftsteilnehmers bestehen? Gibt es unter den Umständen des vorliegenden Falls bei einer Auslegung im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anhaltspunkte für die Beteiligung eines einzigen Wirtschaftsteilnehmers an einer wettbewerbswidrigen Absprache?

5.    Gibt es unter den Umständen des vorliegenden Falls bei einer Auslegung im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anhaltspunkte für eine Verminderung (Verzerrung) des Wettbewerbs im Rahmen des Vertriebssystems oder für einen Vorteil zugunsten der Klägerin oder für negative Auswirkungen auf den Wettbewerb?

6.    Gibt es unter den Umständen des vorliegenden Falls bei einer Auslegung im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, wenn der Marktanteil des Vertriebsnetzes 30 % nicht übersteigt (die Klägerin ist ein Hersteller, so dass ihr Marktanteil auch die Verkäufe ihrer Vertriebshändler einschließt), Anhaltspunkte für negative Auswirkungen auf den Wettbewerb in dem Vertriebssystem und/oder außerhalb dieses Systems und fällt die betreffende Vereinbarung unter das Verbot wettbewerbswidriger Absprachen?

7.    Ist gemäß Art. 101 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Art. 2 der Verordnung Nr. 330/20101 der Kommission vom 20. April 2010 in Verbindung mit Art. 4 Buchst. b dieser Verordnung

–    die Freistellung auf ein Vertriebssystem anzuwenden, in dem i) der Vertriebshändler selbst den potenziellen Kunden wählt, mit dem er zusammenarbeitet, ii) der Anbieter nicht im Voraus anhand objektiver, klar bekannter und nachprüfbarer Kriterien eine bestimmte Kundengruppe festlegt, an die jeder Vertriebshändler seine Dienstleistungen erbringt, iii) der Anbieter auf Ersuchen des Vertriebshändlers diesem potenzielle Kunden vorbehält, iv) den anderen Vertriebshändlern die Reservierung eines potenziellen Kunden nicht bekannt ist und sie davon nicht im Voraus informiert werden oder nach dem v) das einzige Kriterium für die Reservierung eines potenziellen Kunden und damit die Schaffung des daraus folgenden Alleinvertriebssystems zugunsten eines bestimmten Vertriebshändlers das Ersuchen dieses Händlers ist und nicht eine Bestimmung durch den Anbieter oder nach dem vi) die Reservierung für eine Dauer von 6 Monaten ab der Registrierung des potenziellen Geschäfts gilt (anschließend endet der ausschließliche Vertrieb)?

–    davon auszugehen, dass passive Verkäufe nicht beschränkt werden, wenn die Vereinbarung zwischen dem Anbieter und dem Vertriebshändler vorsieht, dass der Abnehmer (Endnutzer) der genannten Reservierung widersprechen kann, ohne dass er jedoch hiervon informiert worden wäre? Kann das Verhalten des Abnehmers (Endnutzers) die Bedingungen der Vereinbarung zwischen dem Anbieter und dem Vertriebshändler beeinflussen (rechtfertigen)?

____________

1 Verordnung (EU) Nr. 330/2010 der Kommission vom 20. April 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. 2010, L 102, S. 1).