Language of document : ECLI:EU:C:2019:416

BESCHLUSS DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

15. Mai 2019(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Art. 53 Abs. 2 und Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – Gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Lugano‑II-Übereinkommen – Art. 22 Nr. 1 – Streitigkeiten über dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen – Auskehrung vor dem Eigentumsübergang gezogener Nutzungen einer vermieteten oder verpachteten Sache“

In der Rechtssache C‑827/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Kamenz (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2018, in dem Verfahren

MC

gegen

ND

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader (Berichterstatterin) sowie der Richter A. Rosas und L. Bay Larsen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 53 Abs. 2 und Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 (ABl. 2009, L 147, S. 1) genehmigt wurde (im Folgenden: Lugano‑II-Übereinkommen).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MC, der eine in Deutschland belegene Immobilie erworben hat, und ND, dem in der Schweiz wohnhaften Verkäufer dieser Immobilie, über den nach Abschluss des Kaufvertrags von einem Dritten, dem Mieter der Immobilie, an ND gezahlten Mietzins.

 Rechtlicher Rahmen

 LuganoII-Übereinkommen

3        Das Lugano‑II-Übereinkommen ist zwischen der Europäischen Union und der Schweizerischen Eidgenossenschaft am 1. Januar 2011 in Kraft getreten (ABl. 2011, L 138, S. 1).

4        Art. 2 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens lautet:

„Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.“

5        In Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens heißt es:

„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates hat, kann in einem anderen durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat verklagt werden:

1.      a)      wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;

…“

6        Art. 22 Nr. 1 des Übereinkommens bestimmt:

„Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:

1.      für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist.

Jedoch sind für Klagen betreffend die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen zum vorübergehenden privaten Gebrauch für höchstens sechs aufeinander folgende Monate auch die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat, sofern es sich bei dem Mieter oder Pächter um eine natürliche Person handelt und der Eigentümer sowie der Mieter oder Pächter ihren Wohnsitz in demselben durch dieses Übereinkommen gebundenen Staat haben“.

 Unionsrecht

7        Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1) ist eine parallel zum Lugano‑II-Übereinkommen nur auf die Mitgliedstaaten anwendbare Regelung. Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1, Art. 7 Nr. 1 und Art. 24 Nr. 1 der Verordnung entspricht dabei im Wesentlichen dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Nr. 1 und Art. 22 Nr. 1 des Übereinkommens.

 Deutsches Recht

8        § 566 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) lautet:

„Wird der vermietete Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, so tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.“

9        § 812 BGB („Ungerechtfertigte Bereicherung“) sieht in Abs. 1 vor: „Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.“

10      Nach § 873 BGB ist zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Wie aus dem Vorabentscheidungsersuchen und den dem Gerichtshof vorgelegten Akten hervorgeht, erwarb MC, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, von ND, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hat, mit einem am 10. Februar 2016 in Dresden (Deutschland) beurkundeten notariellen Kaufvertrag eine Eigentumswohnung in Großröhrsdorf (Deutschland). Nach § 6 dieses Vertrags gingen der Besitz an der Wohnung sowie die mit ihr verbundenen Nutzen und Lasten mit der Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 60 000 Euro auf den Erwerber über. Nach den Angaben in § 7 des Vertrags war die Wohnung zum Zeitpunkt des Verkaufs an einen Dritten vermietet, und dem Erwerber waren dies sowie der Umstand, dass § 566 BGB Anwendung findet, bekannt.

12      ND erhielt den Kaufpreis am 1. April 2016. Nach diesem Zeitpunkt zahlte der Mieter der Wohnung einen Betrag von 535 Euro als Mietzins für April 2016 an ND. MC verlangte von ND die Herausgabe dieses Betrags, was ND mit der Begründung verweigerte, dass er zur Deckung bis März 2016 aufgelaufener Mietrückstände verwendet worden sei.

13      Daraufhin erhob MC beim vorlegenden Gericht, dem Amtsgericht Kamenz (Deutschland), eine Zahlungsklage. MC stützte diese Klage auf ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB), weil ND den Betrag von 535 Euro ohne rechtlichen Grund vereinnahmt habe.

14      ND rügte, dass für die Entscheidung über eine auf ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage nicht die deutschen Gerichte zuständig seien, sondern das Gericht an seinem Wohnsitz in der Schweiz.

15      Das vorlegende Gericht hat Zweifel an seiner internationalen Zuständigkeit, da nach Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hätten, die Gerichte des Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen sei, ausschließlich zuständig seien. Die Klage von MC werde aber nicht auf einen Mietvertrag gestützt, da zu dem Zeitpunkt, als der Mieter den Mietzins in Höhe von 535 Euro entrichtet habe, die Rechte und Pflichten aus dem mit ND geschlossenen Vertrag noch nicht auf MC übergegangen seien. Nach dem einschlägigen nationalen Recht finde dieser Übergang erst mit der Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch statt. Sie sei erst erfolgt, nachdem der genannte Mietzins entrichtet worden sei.

16      In diesem Kontext hat das Amtsgericht Kamenz beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Handelt es sich bei der streitgegenständlichen Hauptforderung von 535 Euro, gestützt auf einen notariellen Kaufvertrag vom 10. Februar 2016 über den Kauf einer in Großröhrsdorf, dem Gerichtsstand des Amtsgerichts Kamenz zugehörig, gelegenen Eigentumswohnung, konkret aus Übergang von Besitz und Genuss gemäß § 6 des notariellen Vertrags auf den Kläger am 1. April 2016 in Gestalt einer am 1. April 2016 noch an die Beklagte geflossenen Mietzahlung ihres Mieters der betreffenden Eigentumswohnung, um eine Klage im Sinne von Art. 22 des Lugano‑II-Übereinkommens,

welche die Zahlung eines dinglichen Rechts an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand hat,

oder ist die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts aus einer anderen Vorschrift des Lugano‑II-Übereinkommens herzuleiten,

oder ist die internationale Zuständigkeit des für den Wohnsitz der Beklagten zuständigen Schweizer Gerichts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Nr. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens) begründet?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

17      Nach Art. 99 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof u. a. dann, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung einer solchen Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit die Entscheidung treffen, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden. Diese Bestimmung ist in Bezug auf die erste Frage anzuwenden.

18      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass eine vom Erwerber einer unbeweglichen Sache erhobene, auf die Zahlung eines Betrags, den der Verkäufer als Mietzins von einem Dritten zu einem Zeitpunkt erhalten hat, zu dem auf den Erwerber bereits der Genuss der Sache übergegangen war, er aber nach dem einschlägigen nationalen Recht noch nicht das Eigentum an ihr erworben hatte, gerichtete Klage zu den Klagen, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben“, im Sinne dieser Bestimmung gehört.

19      Nach Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens sind für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz die Gerichte des durch dieses Übereinkommen gebundenen Staates, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, ausschließlich zuständig. Da der Wortlaut dieses Artikels, wie aus Rn. 7 des vorliegenden Beschlusses hervorgeht, im Wesentlichen mit dem Wortlaut von Art. 24 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012, von dessen Vorläufer, Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1), sowie von dem Letzterem vorausgegangenen Art. 16 Nr. 1 Buchst. a des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) übereinstimmt, ist die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung dieser Bestimmungen des Unionsrechts für die Beantwortung der vorliegenden Frage relevant (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. April 2014, Weber C‑438/12, EU:C:2014:212, Rn. 40, vom 17. Dezember 2015, Komu u. a., C‑605/14, EU:C:2015:833, Rn. 23, und vom 16. November 2016, Schmidt, C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 26).

20      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen Bestimmungen wie Art. 24 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012, mit denen eine Ausnahme von den in dieser Verordnung vorgesehenen allgemeinen Zuständigkeitsregeln – und insbesondere von der in ihrem Art. 4 Abs. 1 aufgestellten Regel, dass vorbehaltlich ihrer Vorschriften Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen sind – eingeführt wird, nicht weiter ausgelegt werden, als es das Ziel dieser Bestimmungen erfordert. Sie bewirken nämlich, dass den Parteien die ihnen sonst mögliche Wahl des Gerichtsstands genommen wird und dass sie in einigen Fällen vor einem Gericht zu verklagen sind, das für keine von beiden das Gericht des Wohnsitzes ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. November 2016, Schmidt, C‑417/15, EU:C:2016:881‚ Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21      Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Hauptgrund für die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, darin besteht, dass sie wegen der räumlichen Nähe am besten in der Lage sind, sich eine gute Kenntnis der Sachlage zu verschaffen und die insoweit geltenden Regeln und Gebräuche anzuwenden, die im Allgemeinen die des Belegenheitsstaats sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. April 2014, Weber, C‑438/12, EU:C:2014:212, Rn. 41).

22      Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob eine Situation wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens fällt, weil sie entweder dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen oder die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen betrifft.

23      Erstens ist nach Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens „für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen … zum Gegenstand haben“, ausschließlich das Gericht des Ortes zuständig, an dem die unbewegliche Sache belegen ist. Diese Wendung ist autonom auszulegen, um ihre einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu gewährleisten (Urteil vom 14. Februar 2019, Milivojević, C‑630/17, EU:C:2019:123‚ Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die genannte Bestimmung dahin auszulegen ist, dass die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, nicht alle Klagen umfasst, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, sondern nur solche, die sowohl in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen als auch darauf gerichtet sind, zum einen den Umfang oder Bestand einer unbeweglichen Sache oder das Eigentum, den Besitz oder das Bestehen anderer dinglicher Rechte an ihr zu klären und zum anderen den Inhabern solcher Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2013, Schneider, C‑386/12, EU:C:2013:633, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25      Außerdem besteht nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Unterschied zwischen einem dinglichen Recht und einem persönlichen Anspruch darin, dass das dingliche Recht an einer Sache gegenüber jedermann wirkt, während der persönliche Anspruch nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann. Darüber hinaus reicht es für die Zuständigkeit des Gerichts des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist, nicht aus, dass die Klage in Zusammenhang mit einer unbeweglichen Sache steht. Vielmehr muss sie auf ein dingliches und nicht auf ein persönliches Recht gestützt sein (Urteil vom 16. November 2016, Schmidt, C‑417/15, EU:C:2016:881, Rn. 31 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall ist nach deutschem Recht für den Übergang des Eigentums eine Grundbucheintragung erforderlich; diese erfolgte erst nach der Entstehung der von MC geltend gemachten Forderung. Somit ist die Forderung, deren Begleichung MC begehrt, persönlich und auf Geld gerichtet, denn sie zielt auf die Auskehrung von Nutzungen ab, die im Anschluss an den Kaufvertrag aus der unbeweglichen Sache gezogen wurden, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie sich auf ein „dingliches Recht an unbeweglichen Sachen“ im Sinne von Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens stützt.

27      Zweitens enthält diese Bestimmung eine Regel für die ausschließliche Zuständigkeit bei „Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen“. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist diese ausschließliche Zuständigkeit durch die Komplexität des Verhältnisses zwischen Eigentümer und Mieter gerechtfertigt, das neben der Pflicht, den Mietzins zu entrichten, eine Reihe von Rechten und Pflichten umfasst. Dieses Verhältnis unterliegt besonderen, teilweise zwingenden Rechtsvorschriften des Staates, in dem das Mietobjekt belegen ist, z. B. Vorschriften, die bestimmen, wem die Unterhaltung der unbeweglichen Sache und die Zahlung der Grundsteuern obliegen, Vorschriften über die Pflichten des Bewohners der Immobilie gegenüber den Nachbarn und Vorschriften, die das Recht des Eigentümers, die unbewegliche Sache nach Ablauf des Mietvertrags wieder in Besitz zu nehmen, regeln oder einschränken. Solche Gründe liegen jedoch nicht vor, wenn kein Eigentümer-Mieter-Verhältnis besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 1994, Lieber, C‑292/93, EU:C:1994:241, Rn. 20).

28      Im vorliegenden Fall beruht die von MC vor dem vorlegenden Gericht erhobene Klage – weil MC, wie aus Rn. 27 des vorliegenden Beschlusses hervorgeht, noch nicht Eigentümer der unbeweglichen Sache war, als der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Mietzins an ND entrichtet wurde – nicht auf dem speziellen Verhältnis zwischen Eigentümer und Mieter, sondern auf dem Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer, das infolge des zwischen MC und ND geschlossenen Kaufvertrags begründet wurde. Eine solche Klage kann unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nicht unter Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens subsumiert werden und somit nicht der ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichts des Ortes unterliegen, an dem die unbewegliche Sache belegen ist.

29      Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des Lugano‑II-Übereinkommens dahin auszulegen ist, dass eine vom Erwerber einer unbeweglichen Sache erhobene, auf die Zahlung eines Betrags, den der Verkäufer als Mietzins von einem Dritten zu einem Zeitpunkt erhalten hat, zu dem auf den Erwerber bereits der Genuss der Sache übergegangen war, er aber nach dem einschlägigen nationalen Recht noch nicht das Eigentum an ihr erworben hatte, gerichtete Klage nicht zu den Klagen, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben“, im Sinne dieser Bestimmung gehört.

 Zur zweiten und zur dritten Frage

30      Mit der zweiten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht in abstrakter Form wissen, ob seine internationale Zuständigkeit für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits, sofern die erste Frage zu verneinen sein sollte, auf eine andere Bestimmung des Lugano‑II-Übereinkommens gestützt werden kann oder ob, wie ND in diesem Rechtsstreit vorträgt, ausschließlich die Schweizer Gerichte zuständig sind.

31      Gemäß Art. 53 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung kann der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden, wenn eine Frage offensichtlich unzulässig ist. Diese Bestimmung ist in Bezug auf die zweite und die dritte Frage anzuwenden.

32      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist das in Art. 267 AEUV vorgesehene Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (Beschluss vom 21. Juni 2018, Idroenergia, C‑166/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:476, Rn. 11 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33      Eine dem nationalen Gericht dienliche Auslegung des Unionsrechts ist jedoch nur möglich, wenn es den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Außerdem müssen in der Vorlageentscheidung die genauen Gründe angegeben werden, aus denen dem nationalen Gericht die Auslegung des Unionsrechts fraglich erscheint und es die Vorlage einer Frage an den Gerichtshof zur Vorabentscheidung für erforderlich hält (Beschlüsse vom 6. November 2014, Herrenknecht, C‑366/14, EU:C:2014:2353‚ Rn. 15, und vom 20. Juli 2016, Stanleybet Malte und Stoppani, C‑141/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2016:596, Rn. 7 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Diese Anforderungen an ein Vorabentscheidungsersuchen sind in Art. 94 der Verfahrensordnung ausdrücklich genannt und finden sich auch in den Empfehlungen des Gerichtshofs der Europäischen Union an die nationalen Gerichte bezüglich der Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen (ABl. 2012, C 338, S. 1). Aus Nr. 22 dieser Empfehlungen geht u. a. hervor, dass ein Vorabentscheidungsersuchen „ausführlich genug sein und alle relevanten Informationen enthalten [muss], damit der Gerichtshof und die zur Einreichung von Erklärungen Berechtigten den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen des Ausgangsrechtsstreits richtig erfassen können“.

35      Insoweit ist hervorzuheben, dass die in den Vorlageentscheidungen enthaltenen Informationen nicht nur dazu dienen, den Gerichtshof in die Lage zu versetzen, sachdienliche Antworten zu geben, sondern auch dazu, den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit zu geben, Erklärungen gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt bleibt, und zwar in Anbetracht der Tatsache, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (Beschluss vom 6. November 2014, Herrenknecht, C‑366/14, EU:C:2014:2353, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36      Im vorliegenden Fall genügen die zweite und die dritte Frage den in den Rn. 34 und 35 des vorliegenden Beschlusses wiedergegebenen Anforderungen nicht. Das vorlegende Gericht ersucht den Gerichtshof mit diesen Fragen nämlich nicht um die Auslegung einer Bestimmung des Lugano‑II-Übereinkommens, sondern um die Prüfung, ob es aufgrund einer anderen Bestimmung des Übereinkommens als dessen Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zuständig ist. Im Vorabentscheidungsersuchen wird zwar Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens erwähnt, der die besondere Zuständigkeit in Fällen, in denen ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, betrifft. Das Ersuchen enthält aber keine näheren Angaben dazu, aus welchen Gründen das vorlegende Gericht Zweifel an der Anwendung dieser Vorschrift hat. Das vorlegende Gericht beschränkt sich vielmehr auf den Hinweis, dass die bei ihm anhängige Klage auf ungerechtfertigte Bereicherung (§ 812 BGB) gestützt werde.

37      Unter diesen Umständen ist der Gerichtshof nicht in der Lage, eine sachdienliche Antwort auf die Vorlagefragen zu geben, so dass gemäß Art. 53 Abs. 2 der Verfahrensordnung festzustellen ist, dass die zweite und die dritte Frage offensichtlich unzulässig sind.

 Kosten

38      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) beschlossen:

Art. 22 Nr. 1 Abs. 1 des am 30. Oktober 2007 unterzeichneten Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, das im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2009/430/EG des Rates vom 27. November 2008 genehmigt wurde, ist dahin auszulegen, dass eine vom Erwerber einer unbeweglichen Sache erhobene, auf die Zahlung eines Betrags, den der Verkäufer als Mietzins von einem Dritten zu einem Zeitpunkt erhalten hat, zu dem auf den Erwerber bereits der Genuss der Sache übergegangen war, er aber nach dem einschlägigen nationalen Recht noch nicht das Eigentum an ihr erworben hatte, gerichtete Klage nicht zu den Klagen, „welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben“, im Sinne dieser Bestimmung gehört.

Luxemburg, den 15. Mai 2019

Der Kanzler

 

Die Präsidentin der Sechsten Kammer

A. Calot Escobar

 

C. Toader


*      Verfahrenssprache: Deutsch.