Language of document : ECLI:EU:F:2013:32

BESCHLUSS DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST DER EUROPÄISCHEN UNION (Dritte Kammer)

11. März 2013

Rechtssache F‑17/12

Luigi Marcuccio

gegen

Europäische Kommission

„Öffentlicher Dienst – Art. 34 Abs. 1 und 6 der Verfahrensordnung – Innerhalb der Klagefrist per Telefax eingereichte Klageschrift – Andere handschriftliche Unterschrift des Anwalts als auf der Urschrift der Klageschrift, die auf dem Postweg zugeschickt wurde – Verspätung der Klage – Offensichtliche Unzulässigkeit“

Gegenstand:      Klage nach Art. 270 AEUV, der gemäß Art. 106a EA auch für den EAG-Vertrag gilt, auf Ersatz des Schadens, den der Kläger aufgrund der Dauer des Verfahrens betreffend seine Klage vom 25. November 2002 erlitten haben will. Der Einreichung der Urschrift der Klageschrift auf dem Postweg ging am 8. Februar 2012 der Versand eines am selben Tag bei der Geschäftsstelle des Gerichts eingegangenen Dokuments per Telefax voraus, das als Kopie der auf dem Postweg versandten Urschrift der Klageschrift bezeichnet wurde.

Entscheidung: Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen. Herr Marcuccio trägt seine eigenen Kosten und wird verurteilt, die Kosten der Kommission zu tragen.

Leitsätze

1.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Handschriftliche Unterschrift eines Anwalts – Strikt anzuwendende wesentliche Vorschrift – Fehlen – Unzulässigkeit

(Satzung des Gerichtshofs, Art. 19 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 sowie Anhang I Art. 7 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, Art. 34 Abs. 1)

2.      Gerichtliches Verfahren – Klageschrift – Formerfordernisse – Innerhalb der Klagefrist per Telefax eingereichte Klageschrift – Andere handschriftliche Unterschrift des Anwalts als auf der Urschrift der Klageschrift, die auf dem Postweg zugeschickt wurde – Folge – Nichtberücksichtigung des Zugangsdatums des Telefax bei der Beurteilung der Einhaltung der Klagefrist

(Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst, Art. 34; Beamtenstatut, Art. 91 Abs. 3)

1.      Aus Art. 19 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs geht hervor, dass sich jeder Kläger durch eine hierzu berechtigte Person vertreten lassen muss und dass folglich die Gerichte der Union nur durch eine von einer solchen Person unterzeichnete Klageschrift wirksam angerufen werden können. Nach Art. 7 Abs. 1 des Anhangs I der Satzung des Gerichtshofs sind diese Vorschriften auch auf das Verfahren vor dem Gericht für den öffentlichen Dienst anwendbar. Weder in der Satzung des Gerichtshofs noch in der Verfahrensordnung des Gerichts ist eine Abweichung oder Ausnahme von diesem Erfordernis vorgesehen.

Das Erfordernis einer handschriftlichen Unterzeichnung durch den Vertreter des Klägers soll nämlich im Interesse der Rechtssicherheit die Echtheit der Klageschrift gewährleisten und das Risiko ausschließen, dass der Schriftsatz nicht von dem zu seiner Abfassung berechtigten Anwalt oder Beistand stammt. Auf diese Weise erfüllt Letzterer als Organ der Rechtspflege die grundlegende Rolle, die ihm die Satzung des Gerichtshofs und die Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst zuweisen, indem er durch die Ausübung seiner Tätigkeit den Zugang des Klägers zum Gericht ermöglicht. Dieses Erfordernis ist daher als eine strikt anzuwendende wesentliche Formvorschrift anzusehen, deren Nichtbeachtung zur Unzulässigkeit der Klage führt.

(vgl. Randnrn. 22 und 23)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 5. Dezember 1996, Lopes/Gerichtshof, C‑174/96 P, Randnr. 8 und die dort angeführte Rechtsprechung

Gericht erster Instanz: 23. Mai 2007, Parlament/Eistrup, T‑223/06 P, Randnrn. 50 bis 52

2.      Im Rahmen dienstrechtlicher Streitigkeiten von Unionsbeamten ist der Vertreter der betreffenden Partei nach Art. 34 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst nicht befugt, für die Einreichung der Urschrift von Schriftsätzen innerhalb der geltenden Fristen zwei verschiedene handschriftliche Unterschriften – die eine auf dem der Kanzlei des Gerichts per Telefax übermittelten Dokument und die andere auf der per Post versandten oder persönlich bei der Kanzlei übergebenen Urschrift – zu leisten, selbst wenn beide echt sind.

Wenn unter diesen Umständen die Urschrift des Schriftstücks, die binnen zehn Tagen nach der Übermittlung seiner Kopie mittels eines Telefaxgeräts an das Gericht für den öffentlichen Dienst tatsächlich bei dessen Kanzlei eingereicht wird, nicht dieselbe Unterschrift trägt wie das gefaxte Schriftstück, ist festzustellen, dass bei der Kanzlei des Gerichts zwei verschiedene Schriftsätze eingegangen sind, von denen jeder mit einer eigenen Unterschrift versehen ist, auch wenn beide von derselben Person unterzeichnet wurden. Da die Übermittlung des per Fax übersandten Textes nicht den Voraussetzungen der Rechtssicherheit im Sinne von Art. 34 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst entspricht, kann das Eingangsdatum des per Fax übersandten Dokuments für die Wahrung der Klagefrist nicht berücksichtigt werden.

Außerdem wird die Klagefrist in Art. 91 Abs. 3 der Satzung festgelegt, von dem die Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst nicht abweichen kann. Folglich muss die Urschrift der Klageschrift spätestens mit Ablauf dieser Frist erstellt sein. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Faxübermittlung nicht nur eine Art der Übermittlung, sondern ermöglicht auch den Nachweis, dass die bei der Kanzlei des Gerichts nach Fristablauf eingegangene Urschrift der Klageschrift bereits innerhalb der Klagefrist erstellt worden war.

(vgl. Randnrn. 25 bis 27)

Verweisung auf:

Gerichtshof: 22. September 2011, Bell & Ross BV/HABM, C‑426/10 P, Randnrn. 37 bis 43