Language of document : ECLI:EU:F:2011:55

URTEIL DES GERICHTS FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
DER EUROPÄISCHEN UNION (Erste Kammer)

12. Mai 2011(*)

„Öffentlicher Dienst – Beamte – Schadensersatzklage – Grundsatz der Übereinstimmung zwischen Antrag, Beschwerde und Klage in Schadensersatzsachen – Kontradiktorischer Charakter des Verfahrens – Beiziehung eines als Verschlusssache ,EU – Nur für den Dienstgebrauch‘ klassifizierten vertraulichen Dokuments vor Gericht – Außervertragliche Haftung der Organe – Verschuldenshaftung – Kausalzusammenhang – Mehrfachkausalität für den Schaden – Handlung eines Dritten – Verschuldensunabhängige Haftung – Beistandspflicht – Pflicht eines Organs, für den Schutz seines Personals zu sorgen – Tötung eines Beamten und seiner Ehefrau durch einen Dritten – Verlust einer Überlebenschance“

In der Rechtssache F‑50/09

betreffend eine Klage nach den Art. 236 EG und 152 EA,

Livio Missir Mamachi di Lusignano, wohnhaft in Kerkhove-Avelgem (Belgien), handelnd im eigenen Namen wie auch in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter der Erben des Alessandro Missir Mamachi di Lusignano, seines Sohnes, eines ehemaligen Beamten der Europäischen Kommission,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F. Di Gianni, R. Antonini und N. Sibona,

Kläger,

gegen

Europäische Kommission, vertreten durch L. Pignataro, B. Eggers und D. Martin als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten S. Gervasoni (Berichterstatter) sowie des Richters H. Kreppel und der Richterin M. I. Rofes i Pujol,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündlichen Verhandlungen vom 15. Dezember 2009 und vom 8. Dezember 2010

folgendes

Urteil

1        Mit Klageschrift, die am 12. Mai 2009 mit Fernkopie (der Eingang der Urschrift ist am 18. Mai 2009 erfolgt) bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, beantragt Herr Missir Mamachi di Lusignano u. a., die Entscheidung vom 3. Februar 2009 aufzuheben, mit der die Kommission der Europäischen Gemeinschaften seinen Antrag auf Ersatz des durch die Tötung seines Sohnes und seiner Schwiegertochter am 18. September 2006 in Rabat (Marokko) erlittenen materiellen und immateriellen Schadens ablehnte, sowie die Kommission zu verurteilen, an ihn und die Hinterbliebenen seines Sohnes zum Ersatz des durch die genannte Tötung erlittenen Vermögensschadens und Nichtvermögensschadens verschiedene Beträge zu zahlen.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 1e Abs. 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften in der im vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Fassung (im Folgenden: Statut) lautet wie folgt:

„Für Beamte im aktiven Dienst gelten Arbeitsbedingungen, bei denen angemessene Gesundheits- und Sicherheitsnormen eingehalten werden, die zumindest den Mindestvorschriften aufgrund von Maßnahmen entsprechen, die in diesen Bereichen nach den Verträgen erlassen wurden.“

3        Art. 24 des Statuts bestimmt:

„Die Gemeinschaften leisten ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden.

Sie ersetzen solidarisch den erlittenen Schaden, soweit ihn der Beamte weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt hat und soweit er keinen Schadensersatz von dem Urheber erlangen konnte.“

4        Art. 70 Abs. 1 des Statuts lautet:

„Beim Tode eines Beamten haben der überlebende Ehegatte oder die unterhaltsberechtigten Kinder bis zum Ende des dritten auf den Sterbemonat folgenden Monats Anspruch auf die vollen Dienstbezüge des Verstorbenen.“

5        Art. 73 Abs. 1 und 2 des Statuts bestimmt:

„1. Der Beamte wird vom Tage seines Dienstantritts an gemäß einer von den Organen der Gemeinschaften im gegenseitigen Einvernehmen nach Stellungnahme des Statutsbeirats beschlossenen Regelung für den Fall von Berufskrankheiten und Unfällen gesichert. Für die Sicherung bei Krankheit und Unfällen außerhalb des Dienstes hat er bis zu 0,1 v. H. seines Grundgehalts als Beitrag zu leisten.

In dieser Regelung ist festzulegen, für welche Fälle die Sicherung nicht gilt.

2. Als Leistungen werden garantiert:

a)      im Todesfall:

Zahlung eines Kapitalbetrags in fünffacher Höhe des jährlichen Grundgehalts, bemessen nach den Monatsgrundgehältern des Beamten in den letzten zwölf Monaten vor dem Unfall; dieses Kapital wird an die nachstehend aufgeführten Personen gezahlt:

–        an den Ehegatten und an die Kinder des verstorbenen Beamten nach dem für ihn geltenden Erbrecht; der an den Ehegatten zu zahlende Betrag darf jedoch nicht unter 25 v. H. des Kapitals liegen;

–        falls Personen der vorstehend genannten Gruppe nicht vorhanden sind: an die anderen Abkömmlinge nach dem für den Beamten geltenden Erbrecht;

–        falls Personen der vorstehend genannten beiden Gruppen nicht vorhanden sind: an die Verwandten aufsteigender gerader Linie nach dem für den Beamten geltenden Erbrecht;

–        falls Personen der vorstehend genannten drei Gruppen nicht vorhanden sind: an das Organ;

Unter den in dieser Regelung festgelegten Bedingungen kann an Stelle der in diesem Absatz vorgesehenen Zahlungen eine Leibrente gewährt werden.

Die in diesem Absatz genannten Leistungen können zusätzlich zu den in Kapitel 3 vorgesehenen Leistungen gewährt werden. …“

6        Die Gemeinsame Regelung zur Sicherung der Beamten der Europäischen Gemeinschaften bei Unfällen und Berufskrankheiten, die zur Durchführung des Art. 73 des Statuts erlassen wurde (im Folgenden: Gemeinsame Regelung), sieht in Art. 7 Abs. 2 dritter Gedankenstrich vor, dass als Unfälle im Sinne der Gemeinsamen Regelung „die Folgen von Angriffen und Anschlägen auf die Person des Versicherten [gelten], auch wenn diese bei Streiks oder Aufruhr unternommen werden, es sei denn, der Versicherte hat sich an den Gewalttätigkeiten, deren Opfer er geworden ist, nachweislich aus freien Stücken beteiligt, ohne sich in Notwehr zu befinden“.

7        Nach Art. 76 des Statuts können Beamten, ehemaligen Beamten oder Rechtsnachfolgern eines verstorbenen Beamten, die sich – namentlich infolge einer schweren oder längeren Krankheit, einer Behinderung oder aus familiären Gründen – in einer besonders schwierigen Lage befinden, Zuwendungen, Darlehen oder Vorschüsse gewährt werden.

8        Art. 80 Abs. 1 des Statuts lautet:

„Stirbt ein Beamter …, ohne einen Ehegatten zu hinterlassen, der Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung hat, so erhalten die im Sinne von Anhang VII Artikel 2 zum Zeitpunkt seines Todes unterhaltsberechtigten Kinder ein Waisengeld nach Anhang VIII Artikel 21.“

9        Anhang VIII Art. 21 des Statuts sieht vor, dass das Waisengeld 8/10 der Hinterbliebenenversorgung beträgt, auf die der überlebende Ehegatte des Beamten Anspruch gehabt hätte, und dass es sich vom zweiten unterhaltsberechtigten Kind ab für jedes Kind um den doppelten Betrag der Kinderzulage erhöht.

10      Anhang X des Statuts enthält die Sondervorschriften für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften, die in einem Drittland Dienst tun. Art. 5 dieses Anhangs bestimmt:

„1. Stellt das Organ dem Beamten eine Wohnung zur Verfügung, die dem Niveau der von ihm wahrgenommenen Tätigkeiten sowie der Zahl der unterhaltsberechtigten Familienangehörigen entspricht, so hat er diese zu beziehen.

2. Die Anwendungsmodalitäten für Absatz 1 werden nach Anhörung der Personalvertretung von der Anstellungsbehörde festgelegt. Die Anstellungsbehörde befindet nach Maßgabe der an jedem Dienstort herrschenden Lebensbedingungen auch über die Ausstattung mit Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen.“

11      Nach Anhang X Art. 25 des Statuts sind der Ehegatte und die Kinder des Beamten sowie die sonstigen unterhaltsberechtigten Personen gegen mögliche Unfälle in den Ländern außerhalb der Gemeinschaft, die in einem von der Anstellungsbehörde erstellten Verzeichnis aufgeführt sind, versichert. Die erforderliche Prämie wird zur Hälfte vom Beamten getragen, die andere Hälfte geht zulasten des Organs.

12      Am 26. April 2006 erließ die Kommission eine Entscheidung zur Festlegung einer harmonisierten Gesundheits- und Arbeitssicherheitspolitik für alle Beschäftigten (im Folgenden: Entscheidung vom 26. April 2006).

13      Wie aus der Begründung dieser Entscheidung, die dem Kommissionskollegium zur Annahme in der Sitzung vom 26. April 2006 vorgelegt wurde, hervorgeht, bezweckt die Entscheidung, die erlassen wurde, um vor allem den Bestimmungen des Art. 1e des Statuts zu entsprechen, die Gewährleistung und Erhaltung der Gesundheit und Arbeitssicherheit für alle Beschäftigten und in allen Dienststellen des Organs, und zwar nicht nur am Sitz des Organs, sondern auch an allen Dienstorten innerhalb und außerhalb der Union.

14      Die Entscheidung vom 26. April 2006 findet nach ihrem Art. 1 „an allen Dienstorten der Kommission“ Anwendung; als Dienstort gilt nach Art. 2 Buchst. a der genannten Entscheidung der Ort, „an dem ein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Kommission besteht, sowie jeder andere Ort in diesen Räumlichkeiten, zu denen das Personal im Rahmen seiner Arbeit Zugang hat“. Sie enthält allgemeine Bestimmungen, die sich an die Richtlinie des Rates vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit (ABl. L 183, S. 1) anlehnen.

15      Im Laufe des Verfahrens hat das Gericht nach Anordnung von Beweiserhebungen (vgl. die Randnrn. 46 bis 48 des vorliegenden Urteils) festgestellt, dass die Kommission für das Jahr 2006 eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen für die Wohnungen des Delegationspersonals der Kommission in Drittländern erlassen hatte. Diese Maßnahmen sind in einem als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Dokument enthalten, dessen rechtliche Tragweite und dessen Verwendung vor Gericht später geprüft werden.

 Sachverhalt

16      Alessandro Missir Mamachi di Lusignano trat am 1. November 1993 als Beamter in den Dienst der Kommission und heiratete 1995 Ariane Lagasse de Locht. Das Ehepaar hatte vier Kinder, die zwischen 1996 und 2002 geboren wurden.

17      Nachdem Alessandro Missir Mamachi di Lusignano 1996 in die Besoldungsgruppe A 7 und 2002 in die Besoldungsgruppe A 6 befördert worden war, nahm er u. a. von 2001 bis 2005 im Rahmen des Referats „Türkei“ der Generaldirektion (GD) „Erweiterung“ an den Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Republik Türkei teil.

18      Seit 28. August 2006 war Alessandro Missir Mamachi di Lusignano zur Delegation der Kommission in Rabat als Politikberater und Diplomat abgeordnet. Vor seiner Versetzung hatte er erklärt, dass seine Ehefrau und seine Kinder ihn bei dieser Abordnung begleiten würden. Obwohl er zu den Informationsveranstaltungen eingeladen worden war, die für die bei den Delegationen in Drittländern beschäftigten Beamten eingerichtet werden und sich insbesondere mit den Sicherheitsproblemen an den einzelnen Dienstorten befassen, nahm er an ihnen nicht teil. Die Parteien haben dem Gericht nicht ausreichend Tatsachen vorgetragen, um feststellen zu können, weshalb die Teilnahme nicht erfolgte, ob insbesondere die nicht erfolgte Teilnahme auf eine beruflich bedingte Verhinderung zurückzuführen war.

19      Vom 28. bis zum 31. August 2006 wohnte die Familie Missir Mamachi di Lusignano im Hotel und ab 1. September 2006 vorübergehend in einem von der Delegation der Kommission angemieteten möblierten Haus im Hay-Riad-Viertel in Rabat, Rue Lailak, Nr. G 2, Secteur 16. Der Mietvertrag zwischen dem Eigentümer des Hauses und der Kommission war am 8. August 2006 mit einer ursprünglichen Laufzeit von drei Monaten geschlossen worden und am 15. August 2006 vor der Ankunft der Familie Missir Mamachi di Lusignano in Rabat in Kraft getreten.

20      In der Nacht vom 17. auf den 18. September 2006 drang gegen 00.30 Uhr ein Einbrecher in das Haus, indem er sich durch das Gitter eines Erdgeschossfensters an der Seite des Hauses schob. Alessandro Missir Mamachi di Lusignano, der durch die Anwesenheit des Einbrechers im Elternschlafzimmer des ersten Stocks schlagartig wach wurde, überraschte den Eindringling, als dieser dabei war, das Zimmer zu durchsuchen. Der Straftäter stach mit einem Messer mehrfach auf den Beamten ein und ließ ihn am Boden liegen. Die Ehefrau von Herrn Missir Mamachi di Lusignano, die ebenfalls wach geworden war, erhielt mehrere Messerstiche in den Rücken und erlag offensichtlich sehr schnell ihren Verletzungen. Der Eindringling fesselte und knebelte den Familienvater, duschte sich und erhielt vom schwer verletzten Beamten die Geheimnummer seiner Kreditkarte. Der Beamte erlag schließlich seinen Verletzungen. Der Täter verschonte die Kinder. Er verließ gegen vier Uhr morgens am Steuer des Kraftfahrzeugs der Familie Missir Mamachi di Lusignano den Tatort mit mehreren Gegenständen, darunter ein Fernsehgerät.

21      Am 19. September 2006 verhaftete die marokkanische Polizei Karim Zimach. Bei seiner polizeilichen Vernehmung gestand dieser, den in der Nacht vom 17. auf den 18. September 2006 verübten Doppelmord an den Eheleuten Missir Mamachi di Lusignano begangen zu haben. Karim Zimach wurde dieser Taten für schuldig befunden und mit Urteil der erstinstanzlichen Strafkammer der Cour d’appel Rabat vom 20. Februar 2007, das in der Berufung von der Berufungsstrafkammer desselben Gerichts mit Urteil vom 18. Juni 2007 bestätigt wurde, zum Tode verurteilt. Es ist darauf hinzuweisen, dass seit 1993, dem Jahr der letzten Hinrichtung eines zum Tode Verurteilten in Marokko, die marokkanischen Behörden kein Todesurteil mehr vollstreckt haben.

22      Die Kommission erhob vor dem marokkanischen Strafgericht Privatklage. Mit dem oben genannten Urteil erklärte die erstinstanzliche Strafkammer der Cour d’appel Rabat die Privatklage der Kommission für zulässig und verurteilte Karim Zimach zur Zahlung eines symbolischen Dirham an die Europäische Union.

23      Nach dem tragischen Tod ihrer Eltern wurden die vier Kinder von Alessandro Missir Mamachi di Lusignano mit Beschluss des Friedensrichters von Kraainem (Belgien) vom 24. November 2006 unter die Vormundschaft ihrer Großeltern gestellt, zu denen der Kläger gehört.

24      Vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2006 nahm die Kommission die in Art. 70 Abs. 1 des Statuts vorgesehenen Zahlungen vor.

25      Die Kommission zahlte an die Kinder und Erben des verstorbenen Beamten den Betrag von 414 308,90 Euro als Kapitalbetrag im Todesfall gemäß Art. 73 des Statuts sowie den Betrag von 76 628,40 Euro aufgrund des Todes des Ehegatten gemäß Anhang X Art. 25 des Statuts.

26      Die Kommission gewährte den vier Kindern ferner ab 1. Januar 2007 ein Waisengeld nach Art. 80 des Statuts und eine Erziehungszulage nach Anhang VII des Statuts.

27      Die Kommission beförderte außerdem den verstorbenen Beamten post mortem rückwirkend ab 1. September 2005 in die erste Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A*11. Diese Beförderung wurde bei der Berechnung des Waisengelds und des Kapitalbetrags im Todesfall berücksichtigt.

28      Überdies gewährte die Kommission mit Beschluss vom 14. Mai 2007 aufgrund des Art. 76 des Statuts jedem der Kinder bis zum 19. Lebensjahr eine außergewöhnliche monatliche Unterstützung aus sozialen Gründen in Höhe einer Kinderzulage.

29      Am 18. September 2007, dem Jahrestag des Doppelmords an den Eheleuten Missir Mamachi di Lusignano, veranstaltete die Kommission auf Initiative der GD „Erweiterung“ in ihren Räumlichkeiten eine Gedenkfeier zum Gedenken an die Verstorbenen. Im Rahmen dieser Feier wurde ein Sitzungssaal dem Gedenken des verstorbenen Beamten gewidmet, und es wurde eine Gedenktafel mit seinem Namen eingeweiht.

30      Mit Schreiben vom 25. Februar 2008 an den Kommissionspräsidenten bedankte sich der Kläger bei der Kommission für die Gedenkfeier vom 18. September 2007. Sodann brachte er in diesem Schreiben sein Unverständnis über die Höhe der an seine vier Enkelkinder geleisteten Zahlungen zum Ausdruck und äußerte seine Unzufriedenheit darüber, dass die Kommission es abgelehnt habe, die unbefristete Einstellung einer Erzieherin oder Familienhelferin zu bewilligen, die angesichts des Alters der Kinder und ihrer Großeltern unerlässlich sei. Der Kläger erkundigte sich ferner, ob die Kommission bereits Verhandlungen mit Marokko über die Zahlung einer angemessenen Entschädigung aufgenommen habe, die über den einen Dirham hinausgehen würde, den das marokkanische Gericht der Europäischen Union als symbolischen Betrag zugesprochen habe. Schließlich machte der Kläger den Kommissionspräsidenten auf eine Antwort aufmerksam, die Frau Ferrero-Waldner, Kommissionsmitglied für Außenbeziehungen, mit Schreiben vom 6. August 2007 auf eine Anfrage von Herrn Coûteaux, Mitglied des Europäischen Parlaments (schriftliche Anfrage vom 25. Juni 2007, P-3367/07, ABl. C 45 vom 16. Februar 2008, S. 179), betreffend die „Ermordung eines Beamten der Generaldirektion für Außenbeziehungen in Marokko“ gegeben hatte (im Folgenden: schriftliche Antwort vom 6. August 2007). Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die geeigneten Sicherheitsmaßnahmen, die die Kommission normalerweise vorsehe und auf die in der Antwort des Kommissionsmitglieds für Außenbeziehungen hingewiesen worden sei, vor dem Doppelmord nicht getroffen worden seien. Die Kommission habe sich daher eine grobe Fahrlässigkeit zuschulden kommen lassen, die die Zahlung einer Entschädigung an die minderjährigen Kinder in Höhe von zumindest dem gesamten Gehalt, das der getötete Beamte bis zum voraussichtlichen Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand im Jahr 2032 bezogen hätte, also in Höhe von 26 Jahresgehältern, rechtfertigen würde.

31      Mit Schreiben vom 11. Juni 2008 antwortete Herr Kallas, der für das Personal zuständige Vizepräsident der Kommission, dem Kläger. In diesem Schreiben führte Herr Kallas aus, dass ein fahrlässiges oder pflichtwidriges Verhalten der marokkanischen Behörden nicht festgestellt werden könne und dass die Voraussetzungen für die Aufnahme diplomatischer Verhandlungen mit Marokko über eine Entschädigung nicht vorlägen. Er erklärte, die von der Kommission getroffenen Maßnahmen zum Schutz des Personals hätten den Sicherheitsbedingungen für die Delegation in Rabat entsprochen und dem insoweit vom Kläger im Schreiben vom 25. Februar 2008 geltend gemachten Schadensersatzantrag könne nicht stattgegeben werden. Die Zahlungen, die die Kommission bereits geleistet habe (490 937,30 Euro als Kapitalbetrag und Leistung der Unfallversicherung, 4 376,82 Euro monatlich als Waisengeld und Erziehungszulage, 2 287,19 Euro monatlich – einschließlich Steuerfreibetrag – als Kinderzulage und 1 332,76 Euro monatlich als außergewöhnliche monatliche Unterstützung in Höhe einer zusätzlichen Kinderzulage für jedes Kind), seien zutreffend berechnet worden.

32      In diesem Schreiben vom 11. Juni 2008 teilte der Kommissar dem Kläger jedoch auch mit, dass die Kommission in Anbetracht der besonders tragischen Umstände des Falles beschlossen habe, eine zusätzliche Maßnahme zu treffen und ausnahmsweise die nach Art. 76 des Statuts gezahlten Beträge anzuheben. Mit Entscheidung vom 4. Juli 2008 sei daher ab 1. August 2008 jedem Enkelkind bis zum 19. Lebensjahr eine monatliche Zahlung in Höhe von zwei Kinderzulagen zugesprochen worden. Aufgrund dieser Entscheidung belaufe sich die monatliche Zahlung der Kommission an die Kinder des verstorbenen Beamten auf einen Betrag von mehr als 9 800 Euro (9 862 Euro im Februar 2009).

33      Mit Schreiben vom 10. September 2008 legte der Kläger gegen das Schreiben vom 11. Juni 2008 Beschwerde nach Art. 90 Abs. 2 des Statuts ein. In dieser Beschwerde machte der Kläger geltend, die Kommission treffe eine Haftung aufgrund Verschuldens wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung zum Schutz ihres Personals. Auch sei eine verschuldensunabhängige Haftung der Kommission für den durch rechtmäßiges Handeln entstandenen Schaden gegeben. Hilfsweise beruft sich der Kläger auf Art. 24 des Statuts, wonach die Gemeinschaften verpflichtet sind, den Schaden, den einer ihrer Beamten durch einen Dritten erlitten hat, solidarisch zu ersetzen.

34      Mit Entscheidung vom 3. Februar 2009 wies die Anstellungsbehörde die Beschwerde zurück.

 Anträge der Parteien und Verfahren

35      Der Kläger beantragt,

–        die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 3. Februar 2009 aufzuheben;

–        die Kommission zu verurteilen, den Erben und Hinterbliebenen von Alessandro Missir Mamachi di Lusignano

–        zum Ersatz des erlittenen Vermögensschadens einen Betrag von 2 552 837,96 Euro zu zahlen, der 26 Jahresgehältern des getöteten Beamten, hochgerechnet nach Maßgabe seiner Karriereaussichten, entspricht;

–        zum Ersatz des vom Opfer vor seinem Tod erlittenen immateriellen Schadens einen Betrag von 250 000 Euro zu zahlen;

–        zum Ersatz des von ihnen als Zeugen der tragischen Ermordung erlittenen immateriellen Schadens einen Betrag von 1 276 512 Euro zu zahlen;

–        die Kommission zu verurteilen, zum Ersatz des vom Kläger als Vater des Opfers erlittenen immateriellen Schadens einen Betrag von 212 752 Euro zu zahlen;

–        die Kommission zu verurteilen, die „zwischenzeitlich aufgelaufenen Ausgleichs- und Verzugszinsen“ zu zahlen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

36      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen;

–        dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

37      Der Kläger hat seine Schadensersatzanträge in der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 unter Vorlage von zwei Tabellen erläutert. Die Kommission hat keine Einwände dagegen erhoben, diese Urkunden zu den Akten zu nehmen. Die erste Tabelle fasst die Schadensersatzanträge des Klägers zusammen. Sie enthält eine Hochrechnung des angeblichen materiellen Schadens. Dieser Schaden, der in der Klage vorläufig auf 2 552 837,96 Euro geschätzt worden ist, wird aufgrund des von der Kommission in der Klagebeantwortung vorgelegten Zahlenmaterials und unter Berücksichtigung der Beförderungen in höhere Besoldungsgruppen, die der Sohn des Klägers bis zum Ende seiner Laufbahn hätte erreichen können, auf den Gesamtbetrag von 3 975 329 Euro erhöht. Anhand der zweiten Tabelle führt der Kläger aus, dass von den Beträgen, die die Kommission an die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten gezahlt habe oder zukünftig zahlen werde, nur der nach Maßgabe von Art. 73 des Statuts geleistete Betrag von 414 308 Euro als zum Ersatz des von den Erben des Beamten erlittenen Schadens gezahlter Betrag angesehen werden könne, während die sonstigen von der Kommission angeführten Beträge nur Leistungen mit Sozialversicherungscharakter seien.

38      Im vorbereitenden Sitzungsbericht hat das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass für die Prüfung der Frage, ob die Kommission ihrer Verpflichtung, die Sicherheit des Sohnes des Klägers und von dessen Familie zu gewährleisten, ordnungsgemäß nachgekommen ist, auf Art. 1e Abs. 2 des Statuts abzustellen ist, der in Bezug auf die „angemessenen Sicherheitsnormen“ auf die Mindestvorschriften aufgrund von Maßnahmen verweist, die in diesen Bereichen nach den Verträgen erlassen wurden, zu denen die Vorschriften der Richtlinie 89/391 gehören. Das Gericht hat die Parteien aufgefordert, in ihren Schriftsätzen darzulegen, welchen Einfluss diese Vorschriften nach ihrer Auffassung auf das Bestehen einer außervertraglichen Haftung der Verwaltung im vorliegenden Rechtsstreit haben.

39      In demselben vorbereitenden Sitzungsbericht hat das Gericht die Kommission u. a. auch aufgefordert darzulegen, welche Gefahrenstufe die Dienststellen der Kommission 2006 für die nach Marokko abgeordneten Beamten festgesetzt hatten und ob sich aus der Gefahrenstufe, die für dieses Land festgesetzt wurde, nach den internen Richtlinien der GD „Außenbeziehungen“ oder nach sonstigen Vorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen ergaben. Der Kläger hat nämlich in seinen schriftlichen Ausführungen (Schreiben vom 25. Februar 2008, Beschwerde vom 10. September 2008 und Klageschrift) unter Bezugnahme auf die schriftliche Antwort von Frau Ferrero-Waldner vom 6. August 2007 auf eine Anfrage eines Mitglieds des Parlaments behauptet, dass für die Wohnungen des Delegationspersonals der Kommission in Drittländern Sicherheits- und Schutzmaßnahmen vorgesehen und anwendbar gewesen seien und dass diese Maßnahmen im vorliegenden Fall nicht beachtet worden seien. Ferner wurde in einem der Klageschrift beigefügten Bericht, den zwei Angehörige der Sicherheitsdienste der GD „Außenbeziehungen“ und der GD „Personal und Verwaltung“ (im Folgenden: GD Admin) am 4. Oktober 2006 erstellten, die kurz nach der Tötung des Sohns und der Schwiegertochter des Klägers nach Rabat gesandt worden waren, Folgendes festgestellt: „Die Sicherheitsbedingungen für die Delegation in Rabat und für die Wohnungen des Personals sind seit mehreren Monaten in die Gruppe [III] eingestuft. Dies erfordert die Bewachung der Wohnungen des im Ausland lebenden Personals.“

40      In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 hat die Kommission in ihren Ausführungen die beiden ihr gestellten Fragen, die im ersten Satz der vorstehenden Randnummer angeführt worden sind, nicht unmittelbar beantwortet. Sie hat dargelegt, dass die schriftliche Antwort vom 6. August 2007 fast ein Jahr nach dem Doppelmord abgegeben worden sei, um die verschiedenen Arten von Maßnahmen zu verdeutlichen, die 2007 in den Delegationen vorgesehen gewesen seien, und daher im vorliegenden Fall nicht von Belang sei.

41      In Beantwortung der Frage des Gerichts, ob es interne Vorschriften über Sicherheitsmaßnahmen für die Beamten der Delegationen gab, die 2006 in Drittländer abgeordnet wurden, hat die Kommission mitgeteilt, dass es in diesem Bereich keine zwingende Vorschrift gegeben habe und dass sich die Pflicht der Kommission, für den Schutz ihres abgeordneten Personals in den Delegationen zu sorgen, allein aus dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung ergebe, wobei die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfüge. Die Kommission hat die Auffassung vertreten, dass die Richtlinie 89/391 nur den Arbeitsplatz der Arbeitnehmer betreffe und somit im vorliegenden Rechtsstreit, der sich mit der Sicherheit der privaten Wohnung des Beamten befasse, nicht von Belang sein könne. Die Entscheidung vom 26. April 2006 habe die „Umsetzung“ der genannten Richtlinie in den Dienststellen der Kommission bezweckt. In Beantwortung weiterer Fragen hat die Kommission ferner erneut darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zum Erlass bestimmter Schutzmaßnahmen nicht die Privatwohnung der Beamten der Delegation betreffe.

42      Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat sodann ergeben, dass die Dienststellen der Kommission anhand einer Reihe von Kriterien je nach dem Grad der in dem betreffenden Staat bestehenden Gefahr (schwach, mittel oder stark) eine Klassifizierung der Drittländer vornehmen, in denen Delegationen eingerichtet sind, und dass 2006 für Marokko die Gefahr als „stark“ eingestuft wurde. Die Kommission hat auch eingeräumt, dass in den betreffenden Delegationen besondere Sicherheitsmaßnahmen hätten getroffen und durchgeführt werden müssen, die der Gefahrenstufe „stark“ entsprochen hätten.

43      Die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2009 war auf Antrag der Kommission teilweise nicht öffentlich, ohne dass der Kläger hiergegen Einwände erhoben hat. In dem nicht öffentlichen Teil der mündlichen Verhandlung hat die Kommission dem Gericht und dem Kläger eine Reihe ergänzender Erläuterungen gegeben, hat jedoch – unabhängig von der rechtlichen Bedeutung oder Form (Entscheidungen, interne Richtlinien, Empfehlungen usw.) – keine Vorschriften oder Dokumente genannt, die die in der vorstehenden Randnummer angeführten Sicherheitsmaßnahmen betreffen. Die Kommission ist auch auf die Inspektionen und Sicherheitsüberprüfungen eingegangen, die, wie sie ausgeführt hat, im ersten Halbjahr 2006 in Rabat durchgeführt worden seien und sich nur auf die Räumlichkeiten der Delegation unter Ausschluss der 18 „ständigen“ Wohnungen, die den Beamten der Delegation zur Verfügung gestellt worden seien, erstreckt hätten.

44      Da sich das Gericht aufgrund der Antworten der Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht für ausreichend informiert gehalten hat, hat es die Kommission mit Beschluss vom 22. Januar 2010 aufgefordert, erstens die Vorschriften oder Dokumente unabhängig von ihrer rechtlichen Bedeutung oder Form vorzulegen, aus denen hervorgeht, welche Sicherheitsmaßnahmen 2006 für die Delegation in Rabat empfohlen/vorgesehen/vorgeschrieben waren, die der damals für Marokko zugrunde gelegten Gefahrenstufe entsprachen, zweitens die etwaigen Berichte über die im ersten Halbjahr 2006 in Rabat eingeleiteten Inspektionen und Überprüfungen oder die Dokumente vorzulegen, in denen Inhalt und Ergebnisse dieser Inspektionen und Überprüfungen festgehalten sind, drittens den zwischen der Kommission und dem Eigentümer geschlossenen Mietvertrag über die vorläufige Wohnung sowie viertens die Entscheidung vom 26. April 2006 vorzulegen.

45      Mit Schreiben vom 12. Februar 2010 hat die Kommission die angeforderten Dokumente vorgelegt und mitgeteilt, dass eines der Dokumente – ein Vermerk vom 6. Juni 2006, den der Leiter der Delegation in Marokko an den für die Sicherheitsfragen der GD „Außenbeziehungen“ zuständigen Direktor der Direktion „Außendienst“ gerichtet hatte und dem der Prüfbericht des für die regionale Sicherheit Zuständigen beigefügt war – nur den Anwälten des Klägers und nur in der Kanzlei des Gerichts ohne Möglichkeit der Anfertigung einer Kopie zugänglich gemacht werden dürfe. In demselben Schreiben hat die Kommission erklärt, es gebe zwei weitere Dokumente, die sie wegen ihrer Klassifizierung als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ nicht vorlegen könne und die außerdem für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von Belang seien, die sie aber bereit sei, ausschließlich dem Gericht unter der Voraussetzung vorzulegen, dass Sicherheitsmaßnahmen, die den von dem Beschluss 2001/844/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 29. November 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. L 317, S. 1) festgelegten Sicherheitsmaßnahmen gleichwertig seien, genauestens eingehalten würden.

46      Das Gericht war der Ansicht, dass eines der beiden als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Dokumente, das die Kommission als „Auszug aus dem Dokument ‚Normen und Kriterien‘ der GD [‚Personal und Verwaltung‘ – Direktion ‚Sicherheit‘]“ bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen gemäß Gruppe III für die endgültigen Wohnungen dargestellt hat, für die Entscheidung der Rechtssache von besonderer Bedeutung sein kann. Mit Beschluss vom 17. März 2010 hat das Gericht die Kommission daher aufgefordert, dieses Dokument vorzulegen. In dem Beschluss hat es die Sicherheitsmaßnahmen bestimmt, unter denen die Einsichtnahme in das Dokument erfolgen kann. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass nur der Kanzler und die Mitglieder des Spruchkörpers berechtigt sind, das Dokument einzusehen, und zwar nur in der Kanzlei, wo es verwahrt wird, und dass weder der Kläger noch sein Rechtsanwalt diese Urkunde einsehen dürfen.

47      In seinem Beschluss vom 17. März 2010 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass, falls das Gericht die Entscheidung des Rechtsstreits auf dieses Dokument stützen wollte, sich die Frage stellen würde, wie im vorliegenden Fall dem Grundsatz des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens und den Bestimmungen des Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung Rechnung zu tragen wäre, da dieser Grundsatz und diese Bestimmungen voraussetzen können, dass der Kläger zumindest teilweise Zugang zu dem Dokument hat. Insoweit hat das Gericht festgestellt, dass der Umstand, dass das Dokument als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ – dem niedrigsten Schutzniveau nach dem Beschluss 2001/844 – klassifiziert wurde, für sich genommen kein absoluter Grund sein kann, dem Kläger die Einsicht in das Dokument zu verweigern. Das Gericht hat nämlich erstens festgestellt, dass die als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Dokumente nicht zu den Dokumenten gehören, die als „sensible Dokumente“ im Sinne von Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) gelten; es hat hieraus abgeleitet, dass auf ein solches Dokument die von dieser Verordnung getroffene allgemeine Regelung angewandt werden kann, die vorbehaltlich der in Art. 4 der genannten Verordnung aufgeführten Ausnahmen den Zugang zu Dokumenten der Organe vorsieht. Das Gericht hat zweitens festgestellt, dass der Beschluss 2001/844 vorsieht, dass ein als Verschlusssache eingestuftes Dokument Gegenstand einer Entscheidung des Urhebers sein kann, mit der die Aufhebung der Geheimhaltung oder die Herabstufung der Verschlusssache erfolgt.

48      Mit Schreiben vom 30. März 2010 hat die Kommission zu Händen des Kanzlers des Gerichts persönlich in versiegeltem Umschlag gegen Empfangsbestätigung ein aus fünf Seiten bestehendes Dokument übersandt, das Auszüge aus einem Dokument mit der Bezeichnung „Document sur les Normes et Critères“, Ausgabe 2006 („N & C édition 2006/ DS3/A.W“, im Folgenden: Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien), betreffend Sicherheitsmaßnahmen vereinte, die u. a. auf die dem Delegationspersonal überlassenen Wohnungen („staff houses“) anwendbar sind. In dem genannten Schreiben hat die Kommission darauf hingewiesen, dass sie das genannte Dokument „nur [vorlege,] damit das Gericht prüfen kann, ob das Dokument im Sinne von Art. 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung als vertraulich zu behandeln ist“. Das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien sei ihres Erachtens für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht von Belang, vor allem weil es nur die Situation der endgültigen – und nicht vorläufigen – Wohnungen betreffe, die dem Delegationspersonal in Drittländern zur Verfügung gestellt würden. Es sei jedenfalls ausgeschlossen, dass die Geheimhaltung des Dokuments aufgehoben werde und dass es auch nur teilweise dem Kläger zur Kenntnis gebracht werde, da eine solche Verbreitung die Sicherheit der Beamten der Delegationen in den Drittländern gefährden könne. Die Verordnung Nr. 1049/2001 sei auf das vorliegende Verfahren nicht anwendbar, und die Verweigerung der Weitergabe des Dokuments an den Kläger sei jedenfalls aus Erwägungen der öffentlichen Sicherheit gemäß Art. 4 Abs. 1 der genannten Verordnung gerechtfertigt. Sollte jedoch das Gericht der Auffassung sein, dass das Dokument für die Entscheidung des Rechtsstreits von Belang sei, müsse das Gericht zusammen mit der Kommission die Bedingungen prüfen, die erforderlich seien, um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens mit dem Schutz der Vertraulichkeit der in dem Dokument enthaltenen Informationen in Einklang zu bringen, „z. B. [durch] die Vorlage einer Zusammenfassung des Dokuments (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 4. Februar 1981, AM & S/Kommission, 155/79), das der Anwalt der klagenden Partei nach Maßgabe der in der Rechtssache F‑2/07 [Matos/Kommission, in der das Urteil des Gerichts vom 15. April 2010 erging] vorgesehenen Bedingungen allein einsehen darf“.

49      Das Schreiben vom 30. März 2010 ist am 31. März 2010 vom Kanzler des Gerichts entgegengenommen worden. Die Mitglieder des Spruchkörpers haben die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien in der Kanzlei eingesehen.

50      Der Anwalt des Klägers hat in der Kanzlei des Gerichts das oben in Randnr. 45 Satz 1 genannte Dokument eingesehen. Er hat keinen Zugang zu den Auszügen aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien gehabt.

51      Mit Schriftsatz vom 12. April 2010 hat der Kläger zu den Dokumenten, die die Kommission in Reaktion auf den Beschluss vom 22. Januar 2010 vorgelegt hat, sowie insbesondere zu dem Dokument, das der Kläger in der Kanzlei des Gerichts einsehen konnte, Stellung genommen. In diesem Schriftsatz hat der Kläger vorgetragen, das Dokument beweise, dass die Kommission eine Sicherheitspflicht treffe, die sich auch auf die vorläufigen Wohnungen des nach Marokko abgeordneten Personals erstrecke, und dass zu den Maßnahmen, zu deren Vornahme die Kommission verpflichtet gewesen sei, die Einrichtung eines ständigen professionellen Bewachungsdienstes durch ein hierauf spezialisiertes Unternehmen gehöre. Eine Bewachung dieser Art sei im vorliegenden Fall nicht eingerichtet worden, obwohl dies innerhalb weniger Tage möglich gewesen wäre. Eine solche Sicherheitsmaßnahme hätte den Täter mit Sicherheit von der Begehung seiner Straftaten abgehalten und hätte zumindest das Eingreifen der Notdienste ermöglicht, durch das das Leben des Sohnes des Klägers hätte gerettet werden können.

52      Mit Beschluss vom 20. Mai 2010 hat das Gericht der Kommission aufgegeben, einen weiteren Auszug aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien vorzulegen, der diesmal die für die Wohnungen des Delegationspersonals in den Drittländern der Gruppe II oder III (entsprechend der Gefahrenstufe „mittel“ bzw. „stark“) geltenden Voraussetzungen für die Installation von Gittern („installation requirements for grids“) betraf. In dem genannten Beschluss hat das Gericht angeordnet, dass die Vorlage dieses Dokuments und der Zugang zu ihm unter denselben Bedingungen wie im Beschluss des Gerichts vom 17. März 2010 erfolgen sollten.

53      Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2010 hat die Kommission zu dem Schriftsatz des Klägers vom 12. April 2010 Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme (von der die Randnrn. 57 bis 60 nur dem Anwalt des Klägers in der Kanzlei des Gerichts zur Kenntnis gebracht worden sind) hat die Kommission vorgetragen, dass sie bezüglich der privaten Wohnungen der in einer Delegation beschäftigten Beamten über ein weites Ermessen verfüge und dass sie nur eine allgemeine Sorgfaltspflicht treffe. Ihre außervertragliche Haftung könne nur durch einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift ausgelöst werden, die dem Einzelnen Rechte einräumen solle. Die Entscheidung vom 26. April 2006 gelte nur für die Dienstorte und verpflichte daher zu keiner Sicherheitsmaßnahme in den Wohnungen des Delegationspersonals, unabhängig davon, ob es sich um endgültige oder vorläufige Wohnungen handele. Die einzige Vorschrift, die sich auf Sicherheitsmaßnahmen für die endgültigen Wohnungen beziehe, sei das Vademekum der GD „Außenbeziehungen“, das ihrem Schriftsatz vom 12. Februar 2010 beigefügt worden sei. Dieses Vademekum empfehle den Delegationsleitern nur allgemein, Schutzmaßnahmen für Wohnanlagen und/oder Dienstwohnungen zu ergreifen, und lasse der Verwaltung hinsichtlich der Modalitäten ihrer Durchführung ein weites Ermessen. Da die Wohnung des Sohnes des Klägers nur eine vorläufige Wohnung gewesen sei, habe es keine Rechtsvorschrift gegeben, die eine besondere Sicherheitsmaßnahme vorgeschrieben hätte. Außerdem sei der Sohn des Klägers damit einverstanden gewesen, die Wohnung mit seiner Familie zu beziehen. Jedenfalls sei diese vorläufige Wohnung sicher gewesen und mit Sicherheitsmaßnahmen versehen gewesen, die angesichts der für Marokko festgestellten geringen Kriminalitätsrate angemessen gewesen seien, u. a. mit einem Bewachungsdienst, der mit dem im Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien für die endgültigen Wohnungen vorgesehenen Bewachungsdienst vergleichbar gewesen sei. Selbst wenn man unterstelle, dass sich die Kommission einer Unterlassung schuldig gemacht habe, so weise der Kläger nicht nach, dass der Schaden unmittelbar durch die vorgeworfene Untätigkeit verursacht worden sei.

54      Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2010 hat die Kommission den Auszug aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien vorgelegt, der die Voraussetzungen für die Installation von Gittern betrifft. In diesem Schriftsatz hat die Kommission vorgetragen, dass entgegen den Feststellungen des Gerichts in seinem Beschluss vom 20. Mai 2010 die in Abschnitt 54.3 des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien genannten Voraussetzungen für die Installation von Gittern nur für die endgültigen Wohnungen des Delegationspersonals der Gruppe III, nicht aber der Gruppe II gelten würden.

55      Die Mitglieder des Spruchkörpers haben den Auszug aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien bezüglich der Voraussetzungen für die Installation von Gittern in der Kanzlei des Gerichts eingesehen.

56      Mit Schreiben vom 2. Juli 2010 hat das Gericht die Parteien darauf hingewiesen, dass es davon ausgehe, dass die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien für die Entscheidung des Rechtsstreits von Belang seien. Entsprechend dem Vorschlag, den die Kommission in ihrem Schriftsatz vom 30. März 2010 gemacht hat, hat das Gericht die Parteien davon in Kenntnis gesetzt, dass es beabsichtige, von den Auszügen eine Zusammenfassung zu erstellen und diese zu den Akten zu nehmen. Es hat dargelegt, dass diese Zusammenfassung bestimmte Abschnitte des genannten Dokuments zum Inhalt haben werde (die sich auf den S. 37, 140 und 142 befinden, also auf 3 der 7 Seiten, die die Kommission am Gericht vorgelegt hat). Die Parteien sind aufgefordert worden, sich zu dem Schreiben vom 2. Juli 2010 zu äußern.

57      Mit Schriftsatz vom 9. Juli 2010 hat die Kommission den Eingang des Schreibens des Gerichts vom 2. Juli 2010 bestätigt und ausgeführt, dass sie wegen der bereits in ihren Schriftsätzen vom 30. März und 8. Juni 2010 geltend gemachten Sicherheitserfordernisse für Beamte der Delegationen in Drittländern nur damit einverstanden sein könne, dass sich die Zusammenfassung des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien auf den Gegenstand der betreffenden Abschnitte dieses Dokuments beziehe, nicht aber, dass sie Auszüge aus dem genannten Dokument enthalte. In Beantwortung einer Frage des Gerichts hat die Kommission mit Schriftsatz vom 22. September 2010 an einem Beispiel für eine mögliche Zusammenfassung des auf S. 140 des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien befindlichen Abschnitts 54.3 deutlich gemacht, was unter einer Zusammenfassung „des Gegenstands“ der relevanten Abschnitte zu verstehen sei.

58      Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2010 hat der Kläger dem Gericht mitgeteilt, dass er mit dem Vorschlag, dass das Gericht eine Zusammenfassung der Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien erstelle, einverstanden sei.

59      Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 hat das Gericht der Kommission den Entwurf einer Zusammenfassung der relevanten Abschnitte der S. 37, 140 und 142 des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien übersandt, wobei die Zusammenfassung nicht eine solche der Auszüge aus dem Dokument war, sondern sich auf den Gegenstand der genannten Abschnitte bezog, wie die Kommission dies vorgeschlagen hatte.

60      Mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 hat das Gericht die Frage an den Kläger gerichtet, ob er um die Nichtbekanntgabe seiner Identität ersuche. Diese Frage ist ohne Antwort geblieben.

61      Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2010 hat die Kommission zu dem Entwurf der Zusammenfassung Stellung genommen und beantragt, in der Überschrift der Zusammenfassung die Erwähnung der S. 37 des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien wegzulassen.

62      Das Gericht hat diesem Antrag der Kommission stattgegeben und die endgültige Zusammenfassung der Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien erstellt.

63      Diese Zusammenfassung ist der Kommission übersandt worden. Was die Klägerseite angeht, so ist die Zusammenfassung nur dem Anwalt des Klägers am 30. November 2010 in der Kanzlei des Gerichts zugänglich gemacht worden.

64      Angesichts der Informationen, die nach der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 vorgetragen worden sind, hat das Gericht eine zweite mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten.

65      Im vorbereitenden Sitzungsbericht für diese zweite mündliche Verhandlung hat das Gericht die Parteien aufgefordert, ihre mündlichen Ausführungen auf die folgenden Fragen zu konzentrieren:

1.      Verfahrensrechtliche Fragen:

a)      Als der Kläger seinen Schadensersatzantrag auf der Grundlage des Art. 90 Abs. 1 des Statuts geltend machte, beantragte er nicht den Ersatz des immateriellen Schadens; sind seine dahin gehenden Schadensersatzanträge vor dem Gericht zulässig?

b)      Gehört das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien zum rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits?

c)      Können die relevanten Auszüge aus diesem Dokument, die aus berechtigten Gründen der Sicherheit dem Kläger nur in Form einer kurzen Zusammenfassung zugänglich gemacht werden können, dennoch vom Gericht bei der Prüfung, ob im vorliegenden Fall die Kommission eine Pflichtverletzung begangen hat, berücksichtigt werden? Verlangt nicht die Suche nach einem gerechten Ausgleich zwischen dem Schutz der Vertraulichkeit des genannten Dokuments und dem Anspruch des Klägers auf eine effektive gerichtliche Kontrolle unter den gegebenen Umständen, dass das Gericht von Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung abweicht (vgl. entsprechend [EGMR, Urteil A u. a./Vereinigtes Königreich vom 19. Februar 2009, Nr. 3455/05], insbesondere Randnrn. 205 bis 208)?

2.      Materiellrechtliche Fragen:

a)      Welche rechtliche Tragweite hat das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien?

b)      Hat die Kommission bei der Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen, die auf die dem Sohn des Klägers zur Verfügung gestellte vorläufige Wohnung anwendbar waren, eine Pflichtverletzung begangen?

c)      Ist der ursächliche Zusammenhang zwischen einer eventuellen Pflichtverletzung der Kommission und den geltend gemachten Schäden unmittelbar und sicher?

d)      Unterstellt, die Kommission hat eine Pflichtverletzung begangen, die geeignet wäre, ihre Haftung zu begründen, kann die Kommission für den gesamten entstandenen Schaden haftbar gemacht werden oder – wegen des eventuellen fehlerhaften Verhaltens der Opfer oder wegen des Verhaltens eines Dritten – nur für einen Teil dieses Schadens?

e)      Ist der Teil des Schadens, der unmittelbar mit der Pflichtverletzung der Kommission verknüpft wäre, ausreichend durch die Kommission ersetzt worden?

66      Vor der mündlichen Verhandlung hat die Kommission mit Schriftsatz vom 26. November 2010 zu dem vorbereitenden Sitzungsbericht Stellung genommen und sich zu Frage 1 Buchst. c dieses Berichts geäußert. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass nach ihrer Auffassung mit der vom Gericht erstellten Zusammenfassung ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem Erfordernis der Wahrung der Vertraulichkeit des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien und den Verteidigungsrechten des Klägers gefunden worden sei. Das Gericht könne daher seiner Aktenprüfung keine Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien zugrunde legen, die in dieser Zusammenfassung nicht enthalten seien, weil dadurch Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung missachtet würde. Die Kommission hat sich jedoch für den Fall, dass das Gericht der Auffassung sein sollte, dass die von ihr übermittelten Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien Informationen enthielten, die nicht in der Zusammenfassung aufgeführt seien, bereit erklärt, die Möglichkeit zu prüfen, ob das Gericht im anhaltenden Bemühen um ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem Erfordernis der Wahrung der Vertraulichkeit des Dokuments und den Verteidigungsrechten des Klägers die Zusammenfassung ergänzen könne, und zwar noch vor der zweiten mündlichen Verhandlung.

67      Mit einem per Fernkopie an die Parteien gesandten Schreiben vom 2. Dezember 2010 hat das Gericht festgestellt, dass es im vorliegenden Rechtsstreit nicht darum gehe, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen dem Erfordernis der Wahrung der Vertraulichkeit des Dokuments und den Verteidigungsrechten des Klägers zu finden, sondern zwischen der Wahrung der Vertraulichkeit des Dokuments und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes, wobei dem Kläger eine effektive gerichtliche Kontrolle zugutekommen müsse, obwohl bestimmte für seine Klage nützliche Dokumente von der Verwaltung zurückgehalten würden. Das Gericht hat die Parteien aufgefordert, sich für diese Frage auf die Urteile des Gerichtshofs vom 13. Juli 2006, Mobistar (C‑438/04, Randnr. 40), und vom 14. Februar 2008, Varec (C‑450/06, insbesondere die Randnrn. 52, 53, und Tenor), zu beziehen. Das Gericht hat auch die Kommission aufgefordert, sich vor der mündlichen Verhandlung darüber zu erklären, ob sie damit einverstanden sei, dass die Zusammenfassung erwähne, welche konkreten Sicherheitsmaßnahmen (Merkmale des Bewachungsdienstes, des Alarmsystems, der Notrufvorrichtung, der Fensterschutzgitter) in dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien für die Wohnungen des Personals der Delegationen vorgesehen seien, für die die Gefahrenstufe der Gruppe III gelte. Das Gericht hat klargestellt, dass nur der Anwalt des Klägers Zugang zu dieser neuen Zusammenfassung haben würde.

68      Mit Schreiben, das bei der Kanzlei des Gerichts am 3. Dezember 2010 mit Fernkopie eingegangen ist, hat die Kommission geantwortet, dass sie nicht damit einverstanden sei, dass die Zusammenfassung die im Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien vorgesehenen konkreten Sicherheitsmaßnahmen erwähne.

69      Mit Schreiben, das bei der Kanzlei des Gerichts am 6. Dezember 2010 mit Fernkopie eingegangen ist, hat sich der Kläger darauf berufen, dass das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien für die Entscheidung des Rechtsstreits von Belang sei. Er hat darauf hingewiesen, dass sich die Zusammenfassung, zu der sein Anwalt Zugang gehabt habe, nur auf den Gegenstand des genannten Dokuments erstrecke, nicht aber auf den Inhalt der dort angeführten Sicherheitsmaßnahmen, und hat sodann unter Berufung auf sein Recht auf einen effektiven Rechtsschutz und gemäß dem Grundsatz der Waffengleichheit die Einsichtnahme in die relevanten Auszüge aus diesem Dokument zumindest durch seinen Anwalt beantragt. Der Kläger hat hervorgehoben, dass die Einstufung des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien – die niedrigste Einstufung nach dem Beschluss 2001/844 – die von der Kommission verweigerte Einsichtnahme offensichtlich nicht rechtfertigen könne. Im Bereich des Wettbewerbsrechts seien die als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Dokumente für die Parteien des Verfahrens durch Anordnung von erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen (Verbot der Anfertigung von Fotokopien, Einsichtnahme nur durch die Anwälte der Parteien) normalerweise zugänglich. Sollte das Gericht der Meinung sein, dass es die bereits erstellte Zusammenfassung nicht ergänzen dürfe und dem Kläger auch nicht die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien zugänglich machen dürfe, müsse das Gericht aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteil Varec) unter Abweichung von Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit unter Zugrundelegung der in seinem Besitz befindlichen relevanten Auszüge aus diesem Dokument entscheiden und dürfe sich nicht mit der Zusammenfassung begnügen.

70      Die zweite mündliche Verhandlung hat am 8. Dezember 2010 stattgefunden. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission erklärt, dass sie, falls das Gericht der Ansicht sein sollte, dass das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien auf die vorläufigen Wohnungen anwendbar sei, keine Bedenken dagegen habe, dass das Gericht über den Rechtsstreit unter Zugrundelegung der relevanten Auszüge aus diesem Dokument – und nicht nur unter Zugrundelegung der Zusammenfassung – entscheide.

 Rechtliche Würdigung

I –  Zum Gegenstand der Klage

71      Der Kläger hat zwar förmlich die Aufhebung der Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 3. Februar 2009 beantragt, doch ist diese Entscheidung, mit der die Verwaltung zu den Schadensersatzansprüchen des Klägers Stellung nahm, wesentlicher Bestandteil des Verwaltungsverfahrens, das einer beim Gericht erhobenen Schadensersatzklage vorausgeht und nur bewirkt, dass der Kläger beim Gericht Schadensersatzklage erheben kann. Die Aufhebungsanträge des Klägers können daher nicht unabhängig von den Schadensersatzanträgen beurteilt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 18. Dezember 1997, Gill/Kommission, T‑90/95, Randnr. 45).

72      Die Klage ist somit dahin zu verstehen, dass sie nur den Ersatz der Schäden betrifft, die der Kläger, der verstorbene Beamte und seine Kinder aufgrund des Verhaltens der Kommission erlitten haben.

II –  Zur Zulässigkeit

A –  Vorbringen der Parteien

73      Die Kommission erhebt mehrere Einreden der Unzulässigkeit.

74      Erstens macht die Kommission geltend, der Kläger habe in seinem gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts eingereichten Schadensersatzantrag vom 25. Februar 2008 seine Ansprüche auf den Ersatz des materiellen Schadens beschränkt und keinen Antrag gestellt, mit dem der Ersatz eines immateriellen Schadens begehrt worden sei. Die Klage sei somit unzulässig, soweit sie auf den Ersatz der immateriellen Schäden des verstorbenen Beamten, seiner Kinder und des Klägers gerichtet sei.

75      Was zweitens den immateriellen Schaden des Beamten betreffe, so führe zum einen Art. 73 des Statuts unter den Anspruchsberechtigten nicht das Opfer auf. Das Opfer könne somit im Rahmen einer auf Art. 236 EG gestützten Klage aus außervertraglicher Haftung keinen Schaden geltend machen. Da folglich dem verstorbenen Beamten nach Art. 73 des Statuts kein Anspruch zustehe, könne nach dem Rechtsgrundsatz nemo dat quod non habet auch kein Anspruch auf den Kläger übergehen. Eine aufgrund von Art. 236 EG erhobene Schadensersatzklage erlaube zum anderen die Geltendmachung nur einer solchen Entschädigung, die die nach Art. 73 des Statuts gewährte Entschädigung ergänze, und sei nur zulässig, wenn sie von Personen eingereicht werde, die in den persönlichen Anwendungsbereich der genannten Bestimmung fielen.

76      Was drittens den immateriellen Schaden des Klägers betreffe, so sei dieser Schaden in der Beschwerde vom 10. September 2008 nicht erwähnt worden und seine Geltendmachung somit unzulässig. Außerdem gehöre der Kläger nicht zu den Berechtigten nach Art. 73 des Statuts und könne sich daher im Rahmen der außervertraglichen Haftung im Sinne von Art. 236 EG nicht mit Erfolg auf einen Schaden berufen.

77      Was viertens den immateriellen Schaden der Kinder des verstorbenen Beamten angehe, so könne dieser Schaden nicht zur Begründung einer auf Art. 236 EG gestützten Schadensersatzklage herangezogen werden, da den Kindern des Opfers kein Anspruch nach Art. 73 des Statuts zustehe. Außerdem biete der Kläger auch nicht ansatzweise einen Beweis für den erlittenen existenziellen Schaden an.

78      Fünftens sei das Vorbringen des Klägers, wonach der verstorbene Beamte, wenn er gelebt hätte, seinen Kindern einen wesentlich höheren Kapitalbetrag als den von der Kommission gemäß Art. 73 des Statuts gezahlten Betrag hinterlassen hätte, nicht unter Beweis gestellt und nicht näher konkretisiert worden. Außerdem habe der Kläger keine alternativen Einkunftsquellen angeführt (z. B. eventuelle Einkünfte aus Lebensversicherungen, deren Inhaber der verstorbene Beamte und seine Ehefrau gewesen wären), anhand deren der Einkommensverlust bestimmt werden könnte, der den vom Kläger gesetzlich vertretenen Hinterbliebenen tatsächlich entstanden sei.

79      Sechstens sei weder der zweite noch der dritte Klagegrund – die verschuldensunabhängige Haftung der Kommission auch bei rechtmäßigem Handeln bzw. die Haftung nach Art. 24 des Statuts – im Schadensersatzantrag vom 25. Februar 2008 enthalten gewesen. Die beiden Klagegründe seien ferner nicht mit Beweisen belegt, so dass der angebliche Schaden nicht quantifiziert werden könne, und sie seien nicht Gegenstand von Anträgen in der Klageschrift. Die Klagegründe seien daher für unzulässig zu erklären.

80      Schließlich habe der Kläger keine Vollmacht der anderen Vormünder der Kinder des verstorbenen Beamten vorgelegt, aus der sich ergeben würde, dass der Kläger berechtigt sei, namens und für Rechnung der Kinder Klage zu erheben. Es fehle daher an einer Klagebefugnis.

B –  Würdigung durch das Gericht

81      Zunächst sind die in den Randnrn. 74 bis 77 des vorliegenden Urteils angeführten Einreden der Unzulässigkeit zu prüfen, die sich sämtlich auf die Anträge des Klägers auf Ersatz immaterieller Schäden beziehen.

82      Insoweit ist daran zu erinnern, dass, wenn mit einer Klage ausschließlich Schadensersatz in dem Sinne begehrt wird, dass die Klage keinen Antrag auf Aufhebung eines bestimmten Rechtsakts beinhaltet, sondern ausschließlich auf den Ersatz von Schäden gerichtet ist, die angeblich durch rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen verursacht wurden, die mangels jeglicher Rechtswirkungen nicht als beschwerende Maßnahmen angesehen werden können, das Verwaltungsverfahren in dem System der Klagemöglichkeiten nach den Art. 90 und 91 des Statuts zwingend durch einen Antrag, mit dem der Betroffene die Anstellungsbehörde zum Ersatz der angeblichen Schäden auffordert, eingeleitet und gegebenenfalls durch Einlegung einer Beschwerde gegen die den Antrag versagende Entscheidung fortgeführt werden muss; andernfalls wäre die spätere Klage unzulässig (vgl. insbesondere Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. Juli 1995, Saby/Kommission, T‑44/93, Randnr. 31).

83      Nach ständiger Rechtsprechung müssen ferner die beim Unionsgericht gestellten Anträge denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und mit ihnen können nur solche Rügen erhoben werden, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen; diese Rügen können jedoch im gerichtlichen Verfahren durch Gründe und Argumente weiterentwickelt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofs vom 23. April 2002, Campogrande/Kommission, C‑62/01 P, Randnr. 34).

84      Das Gericht hat kürzlich entschieden, dass der Begriff „Grund“ weit auszulegen ist (Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2010, Mandt/Parlament, F‑45/07, Randnr. 119). Zwar wurde diese Rechtsprechung vom Gericht aus Anlass einer Nichtigkeitsklage entwickelt, doch schließt dies nicht aus, dass sie auf den Bereich der Schadensersatzklage übertragen werden kann, sofern die Besonderheiten der Schadensersatzklage beachtet werden. Im Bereich der reinen Schadensersatzklage wird der Begriff „Grund“ nicht unter Bezugnahme auf „Rügen“ im Sinne der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung, sondern unter Bezugnahme auf „Schäden“ definiert, die der betroffene Beamte in seinem Schadensersatzantrag geltend macht. Die Schäden bestimmen den Gegenstand des vom Beamten begehrten Schadensersatzes und folglich den Gegenstand des Antrags, über den die Verwaltung zu entscheiden hat.

85      Aus den in den drei vorangegangenen Randnummern genannten Erwägungen ergibt sich, dass Anträge auf Schadensersatz, die auf verschiedene Schäden gestützt werden, vor dem Gericht nur zulässig sind, wenn ihnen ein an die Verwaltung gerichteter Antrag, der denselben Gegenstand hat und auf dieselben Schäden gestützt ist, und sodann eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Verwaltung voranging, die ausdrücklich oder stillschweigend über den genannten Antrag entschieden hat.

86      Damit ist es dem betreffenden Beamten nicht untersagt, die Höhe der in seinem Antrag an die Verwaltung aufgeführten Ansprüche anzupassen, insbesondere wenn seine Schäden später größer werden oder der Umfang seiner Schäden nicht bekannt ist oder erst nach Einreichung des Antrags ermittelt werden kann (vgl. in diesem Sinne zu der Möglichkeit, einen Schaden im Stadium der Klage zu beziffern, Urteil vom 23. September 2004, Hectors/Parlament, C‑150/03 P, Randnr. 62), jedoch nur, sofern die Schäden, für die er Ersatz verlangt, in dem genannten Antrag enthalten sind.

87      Im vorliegenden Fall begehrt der Kläger zwar Ersatz der Schäden, die durch dieselben Umstände wie die in seinem Antrag vom 25. Februar 2008 genannten entstanden sind, doch werden seine Schadensersatzanträge auf verschiedene immaterielle Schäden gestützt, die ihm selbst, seinem verstorbenen Sohn und seinen Enkelkindern entstanden seien.

88      Unstreitig hat der Kläger jedoch in dem Schadensersatzantrag, der in seinem Schreiben vom 25. Februar 2008 enthalten ist, nur den Ersatz materieller Schäden begehrt, nicht aber die immateriellen Schäden geltend gemacht, auf die er sich vor dem Gericht berufen hat.

89      Zwar beantragte der Kläger später in der Beschwerde nicht nur den Ersatz materieller Schäden, sondern auch den Ersatz immaterieller Schäden, weshalb die Verwaltung in der Zurückweisung der Beschwerde zu diesen Schäden vor Klageerhebung Stellung nehmen konnte. Dieser Teil der Zurückweisung der Beschwerde ist jedoch als erste Entscheidung der Verwaltung über die genannten Schäden anzusehen. Der Kläger legte aber nicht, wie es seine Pflicht gewesen wäre, gegen diese letzte Entscheidung Beschwerde ein und hielt somit nicht das zweiphasige Verwaltungsverfahren ein, das Voraussetzung für die Zulässigkeit der auf diese Schäden gestützten Schadensersatzanträge ist.

90      Den Ausführungen des Klägers in der zweiten mündlichen Verhandlung, die er auf das Urteil des Gerichtshofs vom 26. Januar 1989, Koutchoumoff/Kommission (224/87), gestützt hat, kann nicht gefolgt werden. Denn wenn der Gerichtshof in diesem Urteil zugelassen hat, dass ein Beamter einen Schadensersatzantrag erstmals vor dem Richter stellt, so ist dies geschehen, weil die in der Beschwerde erfolgte Berufung auf die Rechtswidrigkeit der den Betreffenden beschwerenden Handlung einen Antrag auf Ersatz des durch diese Handlung verursachten Schadens umfassen konnte. Der vorliegende Rechtsstreit betrifft hingegen ausschließlich Schadensersatzansprüche und ist nicht die Folge der Berufung auf die Rechtswidrigkeit einer den Kläger beschwerenden Handlung.

91      Folglich sind die Anträge auf Ersatz der immateriellen Schäden im vorliegenden Verfahren als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass die insoweit erhobenen weiteren Einreden der Unzulässigkeit zu prüfen wären.

92      Was zweitens das in Randnr. 78 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Vorbringen der Kommission betrifft, geht es bei ihm um die Frage, ob nicht aufgrund der Zahlungen, die die Kommission bereits als Leistungen nach dem Statut erbrachte, das Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen ist. Diese Frage wird später bei der Prüfung der Begründetheit des ersten Klagegrundes zu untersuchen sein.

93      Was drittens die in Randnr. 79 des vorliegenden Urteils angeführten Einreden der Unzulässigkeit betrifft, die gegenüber dem zweiten und dritten Klagegrund erhoben worden sind, ist in Anbetracht der dem Gericht vorliegenden Beweise und aus Gründen der geordneten Rechtspflege zunächst zu prüfen, ob die Haftung des Organs auch ohne Verschulden bei rechtmäßigem Handeln ausgelöst werden kann oder ob sie auf die Bestimmungen des Art. 24 des Statuts gestützt werden kann. Sollte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass die Schadensersatzansprüche des Klägers, die auf diese beiden Klagegründe gestützt werden, unbegründet sind und die Klage daher abzuweisen ist, brauchen die beiden genannten Einreden der Unzulässigkeit nicht geprüft zu werden (Urteil des Gerichtshofs vom 26. Februar 2002, Rat/Boehringer, C‑23/00 P, Randnr. 52; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 22. Mai 2008, Ott u. a./Kommission, T‑250/06 P, Randnrn. 75 und 76; Urteile des Gerichts vom 14. November 2006, Villa u. a./Parlament, F‑4/06, Randnr. 21, und vom 20. Januar 2009, Klein/Kommission, F‑32/08, Randnr. 20).

94      Was schließlich viertens die Einrede der Unzulässigkeit angeht, die darauf gestützt wird, dass der Kläger als gesetzlicher Vertreter der Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten nicht klagebefugt sei, da die anderen Vormünder der genannten Hinterbliebenen nicht ihr Einverständnis gegeben hätten, ist festzustellen, dass der Kläger, nachdem er mit Schreiben des Gerichts vom 15. Juni 2010 aufgefordert worden war, eine Urkunde vorzulegen, aus der sich ergebe, dass er mit Einverständnis der Mitvormünder handele, mit Schreiben vom 17. Juni 2010 eine von den Mitvormündern unterzeichnete Vollmacht vorgelegt hat. Das Gericht kann daher gemäß Art. 36 der Verfahrensordnung feststellen, dass die Klageschrift den Erfordernissen des Art. 35 Abs. 1 Buchst. b der Verfahrensordnung entspricht. Die Einrede der Unzulässigkeit ist somit zurückzuweisen.

95      Selbst wenn das Fehlen dieser Vollmacht bei Einreichung der Klageschrift im Laufe des Verfahrens nicht geheilt werden könnte, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits festgestellt hat, dass eine Vereinigung die Möglichkeit, den Unionsrichter anzurufen, nicht zwangsläufig dadurch verliert, dass sie ihre Klagebefugnis nach dem nationalen Recht nicht nachgewiesen hat (vgl. in diesem Sinne bezüglich einer in Gründung befindlichen Gesellschaft, die die Kommission zur Teilnahme an einer Ausschreibung zugelassen hatte und deren Angebot sie als gültig anerkannt hatte, Urteil des Gerichtshofs vom 28. Oktober 1982, Groupement des Agences de voyages/Kommission, 135/81).

96      Ferner hat die Kommission im vorliegenden Fall in der Erwiderung auf die Beschwerde des Klägers nicht geltend gemacht, dass dieser nur im Einverständnis der anderen Mitvormünder der Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten tätig werden könne, obwohl die Beschwerde den letzten Abschnitt vor der Klageerhebung darstellte.

III –  Zur Begründetheit

A –  Zum ersten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen ihre Pflicht, für den Schutz ihres Beamten zu sorgen

1.     Vorbringen der Parteien

97      Nach Auffassung des Klägers ist die Voraussetzung für eine außervertragliche Haftung der Kommission, die die Rechtswidrigkeit des der Kommission zur Last gelegten Verhaltens betreffe, erfüllt. Die Kommission habe bei der Befolgung der sie als Arbeitgeber treffenden allgemeinen Sicherheitspflicht fahrlässig gehandelt; diese Sicherheitspflicht ergebe sich unmittelbar aus der Beistandspflicht nach Art. 24 Abs. 1 des Statuts und habe in Bezug auf die in Drittländern beschäftigten Beamten und ihre Familien eine spezifische Bedeutung.

98      Die Kommission habe gegen ihre Verpflichtung verstoßen, dem verstorbenen Beamten und seiner Familie eine sichere Wohnung zu beschaffen. Diese Verpflichtung sei umso zwingender, als der Beamte nach Art. 5 Abs. 1 des Anhangs X zum Statut verpflichtet sei, die Wohnung zu beziehen, die ihm die Kommission zur Verfügung stelle. Die Fahrlässigkeit der Kommission sei durch die Tatsache belegt, dass ein Gelegenheitsstraftäter, noch dazu unter dem Einfluss von Alkohol und Betäubungsmitteln, mühelos ohne Sachbeschädigung und ohne Überwindung von Hindernissen in das Innere des vom verstorbenen Beamten bewohnten Hauses eingedrungen sei. Die Kommission habe sich nicht vergewissert, ob die Fenstergitter des Esszimmers ein wirksames Hindernis darstellten. Sie hätten diese Funktion aber nicht erfüllen können. Was den Umstand betreffe, dass das Fenster des genannten Zimmers offen gewesen sei, sei dieser Umstand nicht bewiesen und jedenfalls ungeeignet, die Kommission von ihrer Haftung zu befreien. Darüber hinaus müsse die Kommission als dafür verantwortlich angesehen werden, dass der Nachtwächter zum Zeitpunkt des Einbruchs nicht anwesend gewesen sei. Ferner seien so kostengünstige und wirksame Maßnahmen wie die Installation eines Alarmsystems und/oder einer Notrufvorrichtung nicht getroffen worden, obwohl sie vom Verfasser der schriftlichen Antwort vom 6. August 2007 als „Standard“-Sicherheitsmaßnahmen dargestellt worden seien.

99      Was die Zustimmung angehe, die der verstorbene Beamte bei der Überlassung der vorläufigen Wohnung erklärt habe, so könne diese die Kommission in keinem Fall von ihren Pflichten im Bereich der Sicherheit befreien. Der Kläger habe im Übrigen die Wohnung, die die Kommission vor seiner Ankunft in Rabat angemietet habe, nicht ausgesucht.

100    Der Kläger stellt klar, er mache nicht geltend, dass die Kommission verpflichtet gewesen sei, dem verstorbenen Beamten und seiner Familie absolute Sicherheit zu bieten, sondern lediglich, dass die wirksamen und angemessenen Mindestmaßnahmen, die für die Sicherheit seines Sohnes und dessen Familie einen konkreten Schutz hätten darstellen können, nicht ergriffen worden seien.

101    Die Kommission verweist auf die Rechtsprechung, wonach ein Beamter (oder seine Hinterbliebenen), der Leistungen nach Art. 73 des Statuts erhält, eine Klage aus außervertraglicher Haftung gegen das betreffende Organ nur dann mit Erfolg erheben kann, wenn die Leistungen nicht ausreichen, um die erlittenen Schäden zu ersetzen. Diese Rechtsprechung könne auf die anderen Leistungen nach dem Statut, die im vorliegenden Rechtsstreit an die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten erbracht worden seien, übertragen werden. Der Kläger, der die Beweislast trage, habe nicht nachgewiesen, dass die von der Kommission im vorliegenden Fall geleisteten Beträge insoweit nicht ausreichend seien. Die Kommission äußert daher Zweifel an dem Rechtsschutzinteresse des Klägers, zumindest in Bezug auf die behaupteten immateriellen Schäden. Bezüglich der materiellen Schäden habe der Kläger bei der Bemessung des von ihm geltend gemachten Schadensersatzes die den Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten gewährten Leistungen nach dem Statut unberücksichtigt gelassen, obwohl die vorstehend genannte Rechtsprechung ausschließe, dass über eine zusätzliche Klage aus außervertraglicher Haftung dieselben Schäden zweifach ersetzt würden.

102    Die Kommission stellt ihre allgemeine Sicherheitspflicht als Arbeitgeberin nicht in Frage, hält dem Kläger aber entgegen, dass sie die nach Lage der Dinge angemessenen Maßnahmen getroffen habe, weshalb ausgeschlossen sei, dass sie eine Pflichtverletzung begangen habe. Das Verteidigungsvorbringen der Kommission zu diesen Fragen ist oben in Randnr. 53 dieses Urteils dargelegt. Im Übrigen ist die Kommission der Auffassung, dass für die Schäden, die der Kläger geltend gemacht habe, ausschließlich der Straftäter hafte. Der Sohn des Klägers habe ebenfalls eine gewisse Fahrlässigkeit an den Tag gelegt, die die Verursachung der Schäden mitverantwortet habe, insbesondere dadurch, dass er vor seiner Abfahrt nach Marokko nicht an den Informationsveranstaltungen über die Sicherheit teilgenommen habe, die die Kommission für die bei den Delegationen in Drittländern beschäftigten Personen eingerichtet habe, und in der Nacht des Doppelmords ein Fenster seiner Wohnung offen gelassen habe.

103    Nach Einsichtnahme in die Zusammenfassung der Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien in der Kanzlei des Gerichts hat der Anwalt des Klägers vorgetragen, dass dieses Dokument für die Kommission zwingend sei und dass es die Voraussetzungen wiedergebe, die die Kommission für die Ausübung ihres Ermessens selbst aufgestellt habe. Obwohl die Kommission von den Gefahren gewusst habe, denen ihre in Marokko beschäftigten Beamten ausgesetzt gewesen seien, habe sie keine der in dem genannten Dokument vorgeschriebenen Maßnahmen beachtet. Ohne diese Pflichtverletzung der Kommission wäre der Doppelmord nicht begangen worden. Wären ferner die in dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt worden, hätte der Sohn des Klägers Alarm auslösen können und wäre seinen Verletzungen möglicherweise nicht erlegen. Ihm sei daher eine Überlebenschance versagt worden. Der Kausalitätszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Kommission und den Schäden sei eindeutig erwiesen. Die Haftung der Kommission werde durch keine Pflichtverletzung des getöteten Beamten eingeschränkt.

104    Die Kommission hat erwidert, das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien habe für die vorläufigen Wohnungen wie die dem Sohn des Klägers zur Verfügung gestellte nicht gegolten und enthalte nur Empfehlungen, nicht aber Maßnahmen zwingenden Charakters. Die Verwaltung habe somit im vorliegenden Fall über ein weites Ermessen verfügt, dessen Grenzen sie offenkundig nicht überschritten habe, da die im vorliegenden Fall durchgeführten Schutzmaßnahmen ausreichend und angemessen gewesen seien.

2.     Würdigung durch das Gericht

a)     Zu dem Einwand der Kommission, die angeblichen Schäden seien bereits vollständig ersetzt

105    Vorab ist zu prüfen, ob der Kläger die Voraussetzung des Nachweises eines ersatzfähigen Schadens erfüllt, da andernfalls seine Schadensersatzklage abzuweisen wäre. Die Kommission behauptet nämlich, die vom Kläger geltend gemachten Schäden seien durch die statutsmäßigen Leistungen, die an die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten erbracht worden seien, vollständig ersetzt worden. Eine der Voraussetzungen, von der die Haftung der Union abhänge, nämlich der Nachweis eines nicht ersetzten Schadens, liege somit nicht vor, so dass die Klage von vornherein abzuweisen wäre, ohne dass zu prüfen wäre, ob die Kommission eine Pflichtverletzung begangen habe. Der Kläger dagegen trägt vor, die statutsmäßigen Leistungen, die pauschalen Charakter hätten, seien völlig unzureichend, um einen angemessenen Ersatz der vorliegend erlittenen, in der Geschichte der Organe der Union beispiellosen materiellen und immateriellen Schäden zu gewährleisten. Angesichts der außergewöhnlichen Umstände des Rechtsstreits sei ein zusätzlicher Schadensersatz auf der Grundlage der Rechtsprechung erforderlich (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Oktober 1986, Leussink/Kommission, 169/83 und 136/84).

106    Insoweit ist entschieden worden, dass wegen des pauschalen Charakters der Leistungen nach dem Statut für die Hinterbliebenen eines verstorbenen Beamten diese gegenüber dem Organ Anspruch auf eine ergänzende Entschädigung für den Fall haben, dass das Organ für den Tod des Beamten haftbar gemacht werden kann und die Leistungen nach dem Statut nicht ausreichen, um den vollen Ersatz des erlittenen Schadens sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Leussink/Kommission, Randnr. 13; Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission, C‑257/98 P, Randnrn. 22 und 23).

107    Es ist in erster Linie Sache der Partei, die sich auf die Haftung der Gemeinschaft beruft, schlüssige Beweise für das Vorliegen und den Umfang des von ihr geltend gemachten Schadens zu erbringen und den Kausalzusammenhang zwischen diesem Schaden und dem beanstandeten Verhalten der Organe nachzuweisen (vgl. u. a. Urteile des Gerichtshofs vom 21. Mai 1976, Roquette frères/Kommission, 26/74, Randnrn. 22 und 23, und vom 7. Mai 1998, Somaco/Kommission, C‑401/96 P, Randnr. 71).

108    Das Vorbringen der Kommission, der durch die Leistungen nach dem Statut bewirkte Ersatz sei ausreichend, scheint zwar eine Einrede der Unzulässigkeit darzustellen, da die Kommission offenbar der Ansicht ist, dass dem Kläger das Rechtsschutzinteresse fehle. Es könnte daher nach ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, die sich auf das fehlende Rechtsschutzinteresse des Klägers beruft, den Nachweis zu erbringen hat, dass die Klage durch das Fehlen dieser Zulässigkeitsvoraussetzung in Frage gestellt ist.

109    Dieser Auslegung des Vorbringens der Kommission kann jedoch nicht gefolgt werden. Die These der Kommission besteht darin, dass der Kläger eine der Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Union, nämlich den Nachweis eines ersatzfähigen Schadens, nicht erfüllt habe. Da aber der Kläger das Bestehen und den Umfang der Schäden, deren Ausgleich er verlangt, zu beweisen hat, ist es an ihm, den Beweis zu erbringen, dass die von ihm geltend gemachten Schäden durch die Leistungen nach dem Statut nicht vollständig ausgeglichen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Lucaccioni/Kommission, Randnr. 16).

110    Im vorliegenden Fall hat der Kläger insoweit ausreichende Nachweise erbracht.

111    Erstens erscheint die Annahme, die der Kläger der Schätzung des als materieller Schaden geltend gemachten Betrags zugrunde gelegt hat – eine Schätzung, die eine zumindest annäherungsweise Beurteilung des finanziellen Verlusts darstellt, den die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten erlitten haben –, nämlich dass der verstorbene Beamte seine Tätigkeit bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand hätte fortsetzen können, plausibel und angemessen, auch wenn der dafür berücksichtigte Zeitraum 26 Jahre beträgt. Der in der Klage genannte Betrag von 2 552 837,96 Euro, der der Höhe der Dienstbezüge entspricht, die der Sohn des Klägers erhalten hätte, wenn er bis zum Ruhestandsalter tätig gewesen wäre, ist somit nicht a priori übermäßig hoch. Im Übrigen hat der Kläger keinen Antrag wegen des Verlusts von Ruhegehaltsansprüchen gestellt, die sein Sohn während des genannten Zeitraums hätte erwerben können, obwohl unionsrichterlich anerkannt ist, dass diese Ansprüche bei der Beurteilung eines materiellen Schadens berücksichtigt werden können (vgl. Urteile des Gerichts erster Instanz vom 5. Oktober 2004, Sanders u. a./Kommission, T‑45/01, Randnr. 167, und vom 12. Juli 2007, Sanders u. a./Kommission, T‑45/01, Randnrn. 87 bis 90).

112    Zweitens ist festzustellen, dass der so errechnete Betrag die Gesamthöhe der statutsmäßigen Leistungen übersteigt, die die Kommission an die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten erbracht hat und noch erbringen wird, und zwar auch in dem von der Kommission in Randnr. 54 ihrer Klagebeantwortung erörterten Fall, dass die genannten Leistungen bis zu dem Zeitpunkt erbracht werden, zu dem die Waisenkinder das 26. Lebensjahr vollendet haben werden (der Betrag beläuft sich in diesem Fall auf geschätzte 2 478 375,47 Euro).

113    Drittens ist der vom Kläger geltend gemachte Betrag von 2 552 837,96 Euro in einer Tabelle, die in der ersten mündlichen Verhandlung überreicht worden ist, auf einen Betrag von ungefähr 4 Mio. Euro berichtigt worden, mit dem insbesondere den Beförderungen in höhere Besoldungsgruppen Rechnung getragen werden sollte, die nach Auffassung des Klägers sein Sohn erreicht hätte. Zwar sind diese Beförderungen ihrer Natur nach hypothetisch, da die Beamten keinen Anspruch auf derartige Laufbahnentwicklungen haben. Auch nahm die Kommission posthum eine außerordentliche Beförderung des verstorbenen Beamten vor, die bei der Berechnung der statutsmäßigen Leistungen, die den Hinterbliebenen des Verstorbenen gezahlt werden, berücksichtigt wurden. Dennoch darf angenommen werden, dass der oben genannte Betrag von 2 552 837,96 Euro mehrfach erhöht worden wäre, zumindest aufgrund des Aufstiegs in den Dienstaltersgruppen, die der verstorbene Beamte entsprechend seinem Dienstalter hätte erreichen können (wegen der genaueren Bestimmung der Höhe der materiellen Schäden vgl. Randnrn. 199 und 200 des vorliegenden Urteils).

114    Aufgrund der Angaben des Klägers kann in dem Fall, dass die Kommission für den gesamten erlittenen materiellen Schaden in voller Höhe haften würde, nicht ausgeschlossen werden, dass die statutsmäßigen Leistungen, die an die Betroffenen – sämtlich minderjährig und Vollwaisen – gezahlt werden, nicht ausreichen, um den vollen Ersatz der von den Betroffenen erlittenen erheblichen materiellen Schäden sicherzustellen. Entgegen den Ausführungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung ist der Umstand, dass die monatlich an die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten als statutsmäßige Leistungen gezahlten Beträge den Betrag der Dienstbezüge überschreiten, den der Beamte im Juni 2009 erhalten hätte, nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Diese Dienstbezüge wären nämlich, wie ausgeführt, an den Sohn des Klägers bis zu dem Zeitpunkt gezahlt worden, in dem er das Ruhestandsalter erreicht hätte, also während eines Zeitraums, der länger ist als der, für den die statutsmäßigen Leistungen an die Hinterbliebenen vorgesehen sind.

115    Die Kommission kann somit nicht geltend machen, dass die Schadensersatzklage von vornherein abzuweisen sei, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass die angeblichen Schäden durch die den Hinterbliebenen seines Sohns bereits zuerkannten Leistungen nach dem Statut nicht vollständig ausgeglichen worden seien.

b)     Zu der Rüge, die Kommission habe gegen ihre Verpflichtung verstoßen, für die Sicherheit des verstorbenen Beamten und seiner Familie zu sorgen

 Zu den Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Kommission

116    Nach ständiger unionsrichterlicher Rechtsprechung fällt ein auf Schadensersatz gerichteter Rechtsstreit zwischen einem Beamten und seinem derzeitigen oder früheren Dienstherrn, wenn er seinen Ursprung in einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn hat, unter Art. 236 EG sowie die Art. 90 und 91 des Statuts und liegt außerhalb des Anwendungsbereichs der Art. 235 EG und 288 EG (Urteile des Gerichtshofs vom 22. Oktober 1975, Meyer-Burckhardt/Kommission, 9/75, Randnr. 7, vom 17. Februar 1977, Reinarz/Kommission und Rat, 48/76, Randnr. 10; Beschluss des Gerichtshofs vom 10. Juni 1987, Pomar/Kommission, 317/85, Randnr. 7; Urteil des Gerichtshofs vom 7. Oktober 1987, Schina/Kommission, 401/85, Randnr. 9; Beschluss des Gerichts erster Instanz vom 26. Juni 2009, Marcuccio/Kommission, T‑114/08 P, Randnrn. 12, 13 und 24; Urteil des Gerichts vom 11. Mai 2010, Nanopoulos/Kommission, F‑30/08, Randnrn. 130 bis 133, Rechtsmittel beim Gericht der Europäischen Union anhängig, Rechtssache T‑308/10 P). Diese Rechtsprechung kann auf einen Rechtsstreit zwischen den Hinterbliebenen eines verstorbenen Beamten oder deren gesetzlichem Vertreter und dem früheren Dienstherrn des Beamten übertragen werden, da dieser Rechtsstreit seinen Ursprung in dem Dienstverhältnis zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn hat.

117    Die Haftung eines Organs im Rahmen des Art. 236 EG ist an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft, nämlich daran, dass das Organ einen Amtsfehler oder einen Rechtsverstoß begangen hat, dass tatsächlich ein bestimmter und messbarer Schaden entstanden ist und dass zwischen der Pflichtverletzung und dem behaupteten Schaden ein Kausalzusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts erster Instanz vom 13. Dezember 1990, Moritz/Kommission, T‑20/89, Randnr. 19, vom 9. Februar 1994, Latham/Kommission, T‑82/91, Randnr. 72, und vom 21. Februar 1995, Moat/Kommission, T‑506/93, Randnr. 46). Da diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, genügt es für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt (Urteil Lucaccioni/Kommission, Randnr. 14).

118    Was die erste dieser Voraussetzungen betrifft, die das Gericht als Erstes zu prüfen hat, so hat der Unionsrichter, auch wenn nicht die Rechtmäßigkeit eines Verhaltens mit Entscheidungscharakter, sondern, wie im vorliegenden Fall, die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens ohne Entscheidungscharakter in Frage steht, aus dem Kreis der relevanten Umstände des ihm vorgelegten Falles das Ermessen zu berücksichtigen, über das die Verwaltung im Zeitpunkt der streitigen Ereignisse verfügte.

119    Verfügt das Organ über ein weites Ermessen, ist es insbesondere nicht verpflichtet, aufgrund des geltenden rechtlichen Rahmens in einer bestimmten Weise tätig zu werden, so ist das entscheidende Kriterium für die Bejahung der ersten Voraussetzung, dass das Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Hat die Verwaltung keinen offensichtlichen Irrtum begangen, kann ihr ein rechtswidriges Handeln nicht zur Last gelegt werden, und ihre Haftung ist ausgeschlossen. Die Einleitung einer Untersuchung z. B., an deren Ende der betreffende Beamte von jedem Verdacht entlastet wird, ist nicht geeignet, die Haftung eines Organs zu begründen, wenn die Entscheidung über die Einleitung der Untersuchung auf einer Reihe hinreichender und relevanter Informationen beruht und deshalb nicht offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 2. Mai 2007, Giraudy/Kommission, F‑23/05, Randnrn. 104, 105 und 167).

120    Ist dagegen der Ermessensspielraum der Verwaltung erheblich verringert oder gar auf null reduziert, kann die bloße Verletzung des Unionsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen, der geeignet ist, die Haftung des Organs auszulösen (Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juli 2000, Bergaderm und Goupil/Kommission, C‑352/98 P, Randnr. 44). Ist daher die Verwaltung zu einem Verhalten verpflichtet, das ihr durch die geltenden Rechtsvorschriften, die allgemeinen Grundsätze, die Grundrechte oder auch durch Vorschriften vorgegeben wird, die sie sich selbst gegeben hat, kann der bloße Verstoß gegen eine solche Verpflichtung die Haftung des betreffenden Organs auslösen.

121    Dementsprechend hat der Unionsrichter die Haftung eines Organs in folgenden Fällen bejaht: bei einem Organ, das die ihm als Dienstherrn obliegende Sorgfaltspflicht in Bezug auf Überwachung, Wartung und Benutzung des Dienstfahrzeugs verletzte, in dem ein Beamter fuhr, als es zu einem Unfall kam (Urteil Leussink/Kommission, Randnrn. 15 bis 17); bei einem Organ, das einen Beamten nicht vom Vorliegen einer Krankheit unterrichtete, die sich aus den ärztlichen Akten ergab, obwohl es verpflichtet war, den Betreffenden vor gesundheitsschädlichen Verhaltensweisen zu warnen (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 18. Dezember 1997, Gill/Kommission, Randnr. 34); bei einem Organ, dessen ärztlicher Dienst einen Beamten nicht über Risikofaktoren informierte, die zum Entstehen einer Krankheit führen können (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 25. September 1991, Nijman/Kommission, T‑36/89, Randnr. 37), und bei einem Organ, das nicht innerhalb angemessener Frist über einen Antrag auf Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit entschied (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 11. April 2006, Angeletti/Kommission, T‑394/03, Randnrn. 161 und 167).

122    Die Kommission trägt zwar unter Berufung auf die Urteile des Gerichts erster Instanz vom 8. Juli 2008, Franchet und Byk/Kommission (T‑48/05, Randnrn. 95 bis 97), und vom 10. Dezember 2008, Nardone/Kommission (T‑57/99, Randnr. 162) vor, die erste Voraussetzung der außervertraglichen Haftung der Verwaltung verlange auf jeden Fall, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm nachgewiesen werde, die bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, doch gilt diese Voraussetzung nach ständiger Rechtsprechung für Schadensersatzklagen, die der Einzelne aufgrund von Art. 288 EG erhebt, ist indessen nicht auf Schadensersatzklagen anwendbar, die ihren Ursprung in einem Dienstverhältnis zwischen einem Beamten und seinem Dienstherrn haben. Insbesondere in den in der vorstehenden Randnummer angeführten Urteilen hat der Unionsrichter das Vorliegen eines Amtsfehlers der Verwaltung allein aus der Feststellung abgleitet, dass ein Rechtsverstoß begangen wurde, ohne auf einen „hinreichend qualifizierten“ Verstoß Bezug zu nehmen oder zu prüfen, ob die verletzte Rechtsnorm als eine Norm eingestuft werden kann, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Das Gericht erster Instanz hat als Rechtsmittelkammer in dem Beschluss Marcuccio/Kommission (Randnrn. 11, 12 und 13), der nach den Urteilen Franchet und Byk/Kommission sowie Nardone/Kommission erlassen wurde, bekräftigt, dass ein Beamter aufgrund des Dienstverhältnisses zwischen ihm und der Union nicht als Privatperson behandelt werden kann und dass sich die Haftungsvoraussetzungen nach Art. 236 EG von denen nach Art. 288 EG unterscheiden. Würde man der Auffassung der Kommission folgen, unterlägen die Haftungsklagen der Beamten gegen die Verwaltung grundsätzlich der Voraussetzung einer schweren oder qualifizierten Pflichtverletzung, obwohl das Erfordernis einer schweren Pflichtverletzung nur in den Bereichen sinnvoll ist, in denen die Verwaltung über ein weites Ermessen verfügt.

123    Mit Urteil vom 16. Dezember 2010, Kommission/Petrilli (T‑143/09 P, Randnr. 46), das nach der zweiten mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Rechtssache erlassen wurde, hat das Gericht der Europäischen Union die genannte Auffassung der Kommission eindeutig zurückgewiesen und ist von der Rechtsprechung im Urteil Nardone/Kommission abgewichen. Es hat entschieden, dass entgegen den in dem genannten Urteil getroffenen Feststellungen die Rechtsstreitigkeiten im Bereich des öffentlichen Dienstes aufgrund des Art. 236 EG und der Art. 90 und 91 des Statuts einschließlich der Rechtsstreitigkeiten, die sich mit dem Ersatz des einem Beamten oder Bediensteten entstandenen Schadens befassen, besonderen und speziellen Regeln unterliegen, die sich von denen absetzen, die sich aus den für die außervertragliche Haftung im Rahmen der Art. 235 EG und 288 Abs. 2 EG geltenden Grundsätzen ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts erster Instanz vom 12. Juni 2002, Mellone/Kommission, T‑187/01, Randnr. 74, und vom 14. Oktober 2004, Polinsky/Gerichtshof, T‑1/02, Randnr. 47). Insbesondere aus dem Statut ergibt sich nämlich, dass der Beamte oder Bedienstete der Union im Unterschied zu jeder anderen Privatperson an seinen Dienstherrn durch ein Dienstverhältnis gebunden ist, das ein durch die Fürsorgepflicht des Organs gegenüber dem Betroffenen widergespiegeltes Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen besonderen Rechten und Pflichten beinhaltet (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 1994, Klinke/Gerichtshof, C‑298/93 P, Randnr. 38). Ein solches Gleichgewicht ist hauptsächlich dazu bestimmt, das Vertrauensverhältnis aufrechtzuerhalten, das zwischen den Organen und ihren Beamten bestehen muss, um dem Bürger die ordnungsgemäße Erfüllung der im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben zu garantieren, mit denen die Organe betraut sind (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 6. März 2001, Connolly/Kommission, C‑274/99 P, Randnrn. 44 bis 47). Handelt daher die Union als Arbeitgeber, unterliegt sie einer größeren Verantwortung, was sich in der Verpflichtung zeigt, die Schäden zu ersetzen, die ihrem Personal durch jedweden von ihr als Arbeitgeber begangenen Rechtsverstoß entstanden sind.

124    Selbst wenn die von der Kommission vertretene Auslegung der ersten Haftungsvoraussetzung zutreffend wäre, müsste jedenfalls festgestellt werden, dass die Regel, gegen die im vorliegenden Fall eventuell verstoßen wurde, d. h. die Verpflichtung der Kommission, die Sicherheit ihres Personals zu gewährleisten, eine Regel ist, die im Sinne der zu Art. 288 EG entwickelten Rechtsprechung bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (vgl. entsprechend zu der sich aus der Sorgfaltspflicht ergebenden Verpflichtung, ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen, Urteil Nardone/Kommission). Die Frage, ob der eventuelle Verstoß gegen diese Regel hinreichend qualifiziert ist, wird im Folgenden zu prüfen sein.

125    Aus alledem folgt, dass für die Frage, ob die Kommission eine Pflichtverletzung begangen hat und ob diese Pflichtverletzung ihre Haftung auslösen kann, zunächst zu prüfen ist, welcher Ermessensspielraum der Kommission im vorliegenden Fall bei der Sorge um den Schutz des verstorbenen Beamten und seiner Familie zur Verfügung stand.

 Zum Umfang des Ermessens, das der Kommission bei der Sorge um die Sicherheit ihrer in einer Delegation in einem Drittland beschäftigten Beamten zur Verfügung steht

126    Was die Sicherheit der Arbeitsbedingungen ihres Personals angeht, kann nicht bestritten werden, dass die Kommission wie jeder öffentliche oder private Arbeitgeber einer Pflicht zum Handeln unterliegt. Das Personal kann sich nämlich auf das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen berufen, wie es im Übrigen in Art. 31 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorgesehen wird. Schon allein aus diesem Grund verbietet sich die These, dass die Kommission in diesem Bereich über ein weites Ermessen verfügt – eine Formulierung, die in den Bereichen verwendet wird, in denen die Verwaltung frei über ihre Handlungsmöglichkeiten bestimmen kann, ohne ein Recht garantieren zu müssen. Ferner geht sowohl aus den insoweit geltenden allgemeinen Vorschriften wie auch aus der Rechtsprechung hervor, dass die Pflicht der Kommission, als Arbeitgeberin für die Sicherheit ihres Personals zu sorgen, in besonderem Maß gilt und dass das Ermessen der Verwaltung auf diesem Gebiet zwar nicht auf null reduziert, aber verringert ist.

127    Was zum einen die insoweit einschlägigen allgemeinen Vorschriften angeht, bestimmt Art. 1e Abs. 2 des Statuts, dass für Beamte im aktiven Dienst Arbeitsbedingungen gelten, bei denen angemessene Gesundheits- und Sicherheitsnormen eingehalten werden, die zumindest den Mindestvorschriften aufgrund von Maßnahmen entsprechen, die in diesen Bereichen nach den Verträgen erlassen wurden (vgl. zu diesem Artikel Urteil des Gerichts vom 30. April 2009, Aayhan u. a./Parlament, F‑65/07, Randnr. 116). Aus einer Reihe europäischer Richtlinien, insbesondere aus der Richtlinie 89/391, ergibt sich, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz des Personals in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Der Inhalt der Verpflichtung, für ein sicheres Arbeitsumfeld zu sorgen, wird in den Art. 6 bis 12 der Richtlinie 89/391 sowie durch mehrere weitere Richtlinien näher bestimmt, die vorbeugende Maßnahmen vorsehen, die in bestimmten spezifischen Bereichen ergriffen werden müssen. Die Kommission in ihrer Eigenschaft als Hüterin der Verträge ist überdies zu einer engen Auslegung der den Arbeitgebern auferlegten Pflichten verpflichtet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juni 2007, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑127/05). Darüber hinaus bestätigt der Erlass der Entscheidung vom 26. April 2006 durch die Kommission, dass diese die sich aus Art. 1e Abs. 2 des Statuts ergebenden Konsequenzen zog und sich von den Normen leisten ließ, die aufgrund der Richtlinie 89/391 in den Mitgliedstaaten gelten.

128    Überdies ist die Verpflichtung der Kommission zum Schutz ihres Personals, wie der Kläger zu Recht geltend macht, ein Prinzip, das Art. 24 des Statuts zugrunde liegt, und hat eine besondere Bedeutung für die Beamten, die in Drittländern beschäftigt sind, wo sie nach Art. 5 Abs. 1 des Anhangs X zum Statut die Wohnung, die ihnen zur Verfügung gestellt wird, zu beziehen haben. Art. 5 Abs. 2 des Anhangs X zum Statut sieht insoweit vor, dass die Anstellungsbehörde nach Maßgabe der an jedem Dienstort herrschenden Lebensbedingungen über die Ausstattung mit Möbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen befindet. Die Wohnungen unterliegen somit einer spezifischen rechtlichen Regelung, und es kann namentlich in den Dienstorten, in denen für die Beamten ein besonderes Sicherheitsrisiko besteht, nicht davon ausgegangen werden, dass die Wohnungen der Verantwortung der Verwaltung entzogen sind. Die Schutzpflicht erstreckt sich ferner auf die Familienmitglieder des Beamten, die mit ihm in dem betreffenden Drittland wohnen, wie dies durch den Umstand bestätigt wird, dass auch die Ehegatten an bestimmten Veranstaltungen zu Sicherheitsfragen im Rahmen der „Pre-posting“-Zyklen teilzunehmen haben.

129    Zum anderen ist der Gerichtshof in den Fällen, in denen er die Haftung eines Organs wegen des Verstoßes gegen seine Verpflichtung, für die Sicherheit seines Personals zu sorgen, bejahte, nicht davon ausgegangen, dass die Verwaltung insoweit über ein weites Ermessen verfügte oder dass der festgestellte Verstoß besonders schwerwiegend sein musste. So ist ein Organ verurteilt worden, die Folgen eines Unfalls, der sich in einer Ferienkolonie für die Kinder seiner Beamten ereignet hatte, zu beheben, weil es für keinen angemessenen vertraglichen Versicherungsschutz gesorgt und die Betroffenen nicht informiert hatte (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Oktober 1982, Berti/Kommission, 131/81, Randnrn. 23 und 24), und in einem anderen Fall, Schadensersatz an einen Beamten zu leisten, der auf einer Dienstreise in einem mangelhaft gewarteten Dienstfahrzeug verunglückte, das von einem anderen Beamten des Organs gesteuert wurde (Urteil Leussink/Kommission, Randnrn. 15 bis 17). Das Gericht ist sogar davon ausgegangen, dass diese Sicherheitspflicht auch in Bezug auf einen Bauhandwerker galt, der weder Beamter noch Bediensteter des Organs war und der von einem Gebäude des Organs stürzte, für das er tätig geworden war (Urteil des Gerichtshofs vom 27. März 1990, Grifoni/EAG, C‑308/87, Randnrn. 13 und 14).

130    Diese Pflicht, für die Sicherheit seines Personals zu sorgen, kann jedoch, so umfassend sie auch sein mag, nicht so weit gehen, dass das betreffende Organ eine absolute Erfolgspflicht trifft. Es dürfen insbesondere nicht die budgetären, administrativen oder technischen Zwänge außer Acht gelassen werden, denen die Verwaltung ausgesetzt ist und die die kurzfristige Durchsetzung auch dringender und notwendiger Maßnahmen trotz der Bemühungen der zuständigen Behörden manchmal erschweren oder auch unmöglich machen. Ferner ist diese Verpflichtung heikel, wenn der betreffende Beamte im Unterschied zu einem Arbeitnehmer, der einen festen Arbeitsplatz an einem bestimmten Ort innehat, seine Tätigkeiten, wie es bei dem Sohn des Klägers der Fall war, in einem Drittland auszuüben hat und eine – mit einem diplomatischen Amt vergleichbare – Aufgabe wahrzunehmen hat, die unterschiedlichen und weniger leicht feststellbaren und beherrschbaren Risiken ausgesetzt ist.

131    Insoweit kann die Wohnung eines solchen Beamten, selbst wenn sie ihm wegen seines Amtes zur Verfügung gestellt wurde und Gegenstand spezifischer, in bestimmten Drittlanddelegationen geltender Schutzmaßnahmen ist, nicht völlig mit einem Arbeitsplatz im Sinne der Richtlinie 89/391 gleichgestellt werden. Die Wohnungen des Delegationspersonals in den Drittländern entsprechen ferner weder der Definition der „Dienstorte“ noch derjenigen der „Dienststellen der Kommission“, wie sie restriktiv in der Entscheidung vom 26. April 2006 enthalten sind. Auch bestimmt die Richtlinie 89/391 in ihrem Art. 5 Abs. 4, dass die Mitgliedstaaten den Ausschluss oder die Einschränkung der Verantwortung des Arbeitgebers bei Vorkommnissen vorsehen können, die auf nicht von diesem zu vertretende anormale und unvorhersehbare Umstände oder auf außergewöhnliche Ereignisse zurückzuführen sind, deren Folgen trotz aller Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können. Diese Einschränkung der Verantwortung, die die Richtlinie 89/391 für die Arbeitgeber in den Mitgliedstaaten vorsieht, kann somit für die Organe der Union als Arbeitgeber im Rahmen des Art. 1e Abs. 2 des Statuts zugelassen werden.

132    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sowie unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Lebens- und Arbeitsbedingungen eines Beamten, der in einem Drittland Dienst tut, beinhaltet die der Kommission obliegende Sicherheitspflicht im Licht der wichtigsten Vorschriften der Richtlinie 89/391 in diesem Zusammenhang zunächst, dass das Organ die Risiken bewertet, denen sein Personal ausgesetzt ist, und einen integrierten präventiven Ansatz auf allen Dienstebenen verfolgt, sodann dass sie das betreffende Personal über die festgestellten Risiken informiert und sich vergewissert, dass das Personal die geeigneten Instruktionen bezüglich der für sie geltenden Sicherheitsrisiken erhalten hat, und schließlich dass sie angemessene Schutzmaßnahmen ergreift und die Organisation und die Mittel bereitstellt, die sie für erforderlich hält.

133    Im vorliegenden Fall richtet der Kläger seine Beanstandungen auf den dritten Aspekt, der die Schutzmaßnahmen betrifft, die die Kommission nach seiner Behauptung unterlassen hat. Er beruft sich nicht darauf, dass die Kommission ihre Pflicht zur vorherigen Risikobewertung und zur Information seines Sohns verletzt habe.

134    Das Gericht hält es gleichwohl für erforderlich, vor der Prüfung, welche Art von Maßnahmen die Kommission zu treffen hatte, darauf hinzuweisen, dass das Organ seine Pflicht, die Risiken für seine zur Delegation in Rabat abgeordneten Beamten vorher zu beurteilen, nicht verletzt hat.

135    Zum einen nämlich hatte die Kommission für ihr Personal, das zum Zeitpunkt der streitigen Ereignisse nach Rabat abgeordnet wurde, die Risiken, denen das Personal ausgesetzt war, einer präventiven Beurteilung unterzogen. Aus den Sicherheitsanweisungen, die den Beamten vor Aufnahme ihrer Tätigkeit in der Delegation im Rahmen des sogenannten „Pre-posting“ erteilt wurden, geht hervor, dass die von der Kommission für Marokko angenommenen Risiken solche waren, denen Personen mit relativ hohem Lebensstandard während ihres Aufenthalts ausgesetzt sind, nämlich das Risiko, an bestimmten Orten oder zu bestimmten Tageszeiten überfallen zu werden oder einem Diebstahl oder Einbruch ausgesetzt zu sein. Zum anderen war im Januar 2006, also mehrere Monate vor dem Doppelmord, die Gefahrenstufe für die Delegation in Rabat und für die Wohnungen des Personals auf die „Gruppe III“, die höchste Gefahrenstufe für die Delegationen in Drittländern, angehoben worden, was insbesondere die ständige Bewachung des im Ausland lebenden Personals durch ein spezialisiertes Unternehmen bedeutete. Vor 2006 war Marokko zwar nicht als Land eingestuft, in dem die Gefahren eines Anschlags auf Angehörige des diplomatischen Korps besonders hoch waren, da Übergriffe auf diese bis dahin nicht berichtet wurden (mit Ausnahme des Übergriffs auf die betroffenen Diplomaten bei dem Attentat auf den König in Skhirat 1971), doch ging die Kommission damals davon aus, dass in mehreren Ländern, darunter Marokko, eine terroristische Bedrohung bestehen könne, die sich unmittelbarer gegen die Europäische Union richten könne und die es rechtfertige, für die Delegation in Rabat die Gefahrenstufe von Gruppe II auf Gruppe III anzuheben. Zudem hatte der Leiter der Direktion „Außendienst“ der GD „Außenbeziehungen“ in einem an die Delegationsleiter gerichteten Vermerk vom 6. Februar 2006 in diesem Zusammenhang an mehrere Empfehlungen erinnert, namentlich daran, das Überwachungspersonal für eine „größere Wachsamkeit bei der Beaufsichtigung der Diensträume, Wohnanlagen und Wohnungen“ zu sensibilisieren sowie darauf zu achten, dass „die vertraglichen Anordnungen und Verfahren genauestens eingehalten werden“.

136    Die Kommission hatte somit die Risiken, denen die zur Delegation in Rabat abgeordneten Beamten ausgesetzt waren, keineswegs unterschätzt.

 Zum Vorliegen eines Mangels bei der Durchführung angemessener Schutzmaßnahmen

137    Was die vorliegend getroffenen Schutzmaßnahmen betrifft, ist das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kommission ihre Pflichten verletzt hat.

138    Bei einer ersten Prüfung konnte aufgrund allein der Informationen, die dem Gericht vor der ersten mündlichen Verhandlung zur Verfügung standen, davon ausgegangen werden, dass die Maßnahmen zum Schutz der vom verstorbenen Beamten und seiner Familie bewohnten Wohnung angemessen waren. Die Wohnung befand sich in einem ruhigen Wohnviertel, in dem hohe Beamte des marokkanischen Staates sowie im Ausland lebendes Personal und Diplomaten wohnten. Die Wohnung lag nicht abgesondert, sondern innerhalb einer Wohnsiedlung, die von einer zwei Meter hohen Mauer umgeben war. Der Eingang zur Wohnsiedlung wurde grundsätzlich von einem Wachposten in einem Schilderhaus bewacht, das sich gegenüber dem vom verstorbenen Beamten und seiner Familie bewohnten Haus in ungefähr zehn Meter Entfernung vom Haupteingang dieses Hauses befand. Das Haus fiel somit unter eine der Schutzmaßnahmen, die der Verfasser der schriftlichen Antwort vom 6. August 2007 als „komplementär“ bezeichnet hatte. Das Haus war ferner mit Vorrichtungen versehen, die geeignet waren, der normalerweise vorhersehbaren Gefahr eines Eindringens vorzubeugen: Alle Eingangstüren waren mit Schlössern des Typs „Yale“ versehen, die vor der Ankunft des verstorbenen Beamten vom Delegationsbüro ausgetauscht worden waren, und alle Öffnungen (mit Ausnahme der Haupteingangstür und der Terrassentür im ersten Stock) waren durch Eisengitter geschützt.

139    In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2009 hat das Gericht jedoch erstmals Kenntnis von bestimmten Informationen über die Sicherheitsmaßnahmen erhalten, die für das Personal der Delegationen in Drittländern galten, insbesondere davon, dass Marokko 2006 als ein Land mit erhöhtem Risiko für das Personal der Delegation angesehen wurde.

140    Um Art und Tragweite dieser Maßnahmen festzustellen und somit auf das Vorbringen des Klägers antworten zu können, der behauptet hat, dass die Kommission in der vorläufigen Wohnung, in der die Morde begangen wurden, die Schutzmaßnahmen nicht umgesetzt habe, die sie für die Wohnungen, die sie ihrem nach Rabat abgeordneten Personal zur Verfügung gestellt habe, selbst als erforderlich angesehen habe, hat das Gericht drei Beschlüsse erlassen, mit denen es der Kommission aufgegeben hat, die für die Prüfung relevanten Dokumente vorzulegen.

141    Vor der Anordnung dieser Beweiserhebungen war das Gericht davon ausgegangen, dass der Kläger vor allem durch seine Bezugnahme auf die schriftliche Antwort vom 6. August 2007 mit hinreichender Genauigkeit und Wahrscheinlichkeit ausgeführt hatte, dass in den dem Personal der Delegationen überlassenen Wohnungen Schutzmaßnahmen zu beachten gewesen seien. Zudem waren die Dokumente, die das Gericht einsehen wollte, keine Beweismittel, sondern bildeten den rechtlichen Rahmen des Rechtsstreits. Das Gericht kann nicht darüber entscheiden, ob die Kommission ihren Sicherheitspflichten nachgekommen ist, ohne die Art und die Tragweite dieser Pflichten zu kennen, die sich aus dem für den Rechtsstreit geltenden rechtlichen Rahmen ergeben.

142    Von den Dokumenten, die die Kommission vorgelegt hat, sind nach Auffassung des Gerichts die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien in besonderem Maß zu berücksichtigen; um dem vertraulichen Charakter des als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifizierten Dokuments Rechnung zu tragen, hat es eine Zusammenfassung dieser Auszüge erstellt.

143    Die Kommission hat jedoch Einwände dagegen erhoben, dass die Auszüge als solche zu den Akten genommen werden und der Kläger Zugang zu ihnen bekommt. Der Kläger hat ausgeführt, diese Verweigerungshaltung der Kommission sei ungerechtfertigt und beschneide sein Recht auf effektiven Rechtsschutz. Er macht geltend, dass sich die vom Gericht erstellte Zusammenfassung nur auf den Gegenstand der Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien, nicht aber auf den Inhalt dieser Auszüge selbst erstrecke und dass sie daher nicht ausreichend sei, um die Waffengleichheit im Verfahren zu garantieren. Er hat daher die Einsichtnahme in die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien beantragt, hilfsweise, dass das Gericht unter Abweichung von Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung die Auszüge bei der Prüfung der Rechtssache berücksichtigen kann.

144    Es ist daher über den Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in das Dokument zu entscheiden und, falls dieser Antrag zurückzuweisen ist, zu prüfen, unter welchen Bedingungen das Dokument vom Gericht verwendet werden kann.

–       Zum Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien

145    Zunächst ist festzustellen, dass das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ klassifiziert ist und dass ein als Verschlusssache klassifiziertes Dokument grundsätzlich nur von den Personen eingesehen werden kann, die hierzu eigens ermächtigt sind, wie dies ausdrücklich im Beschluss 2001/844 vorgesehen ist. Der Kläger könnte somit das Dokument nur dann einsehen, wenn er hierzu ermächtigt wäre, was nicht ohne weiteres in Betracht gezogen werden kann, da der Kläger mit den Organen in keinem beruflichen Zusammenhang steht. Er könnte es auch einsehen, wenn es ausdrücklich herabgestuft würde. Die Kommission hat aber auf die Befragung durch das Gericht zu diesem Punkt den Erlass einer Herabstufungsentscheidung von vornherein ausgeschlossen.

146    Wenn das Gericht außerhalb eines Ermächtigungs- oder Herabstufungsverfahrens beschließen würde, dem Kläger die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien zugänglich zu machen, würde es gegen die für dieses Dokument geltenden Behandlungsvorschriften verstoßen. Eine solche Entscheidung würde auch das Vertrauen und die Loyalität beeinträchtigen, die für die Beziehungen zwischen dem Richter und der Verwaltung der Union maßgebend sein müssen, da das Organ diese Auszüge dem Gericht nur zur Prüfung von deren vertraulichem Charakter überlassen hat. Nur zwingende Erwägungen, insbesondere solche, die auf den Schutz der Grundrechte abstellen, könnten ausnahmsweise rechtfertigen, dass das Gericht ein als Verschlusssache eingestuftes Dokument ohne Zustimmung der Verwaltung zu den Akten nimmt und allen Parteien zugänglich macht. Derartige Umstände liegen hier jedoch nicht vor.

147    Sodann ist entgegen den Ausführungen des Klägers die Berufung der Kommission auf die Vertraulichkeit des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien weder missbräuchlich noch unverhältnismäßig. Der Schutz der Vertraulichkeit ist nämlich geboten, um die Sicherheit des Personals der Delegationen in den Drittländern sicherzustellen und erst recht die des Personals, das in Delegationen mit der Gefahrenstufe der Gruppe III Dienst tut, wo die Terrorismusgefahr als besonders hoch angesehen wird, wie dies für Marokko seit 2006 der Fall ist.

148    Zwar könnte die Einsichtnahme in die Auszüge aus dem Dokument nur durch den Anwalt des Klägers in den Räumen des Gerichts, die durch die im Zusammenhang mit der Ausübung des Anwaltsberufs bestehenden Garantien – insbesondere disziplinarischer Art – gerechtfertigt wäre, eine weniger einschränkende Maßnahme als die Ablehnung der Einsichtnahme sein, doch würde auch diese Maßnahme die Gefahr einer Weitergabe von Informationen beinhalten, die die Sicherheit des Delegationspersonals gefährden könnte, auch wenn die Redlichkeit des Anwalts außer Frage steht.

149    Schließlich ist das Gericht der Auffassung, dass das Recht des Klägers auf einen effektiven Rechtsschutz und auf Wahrung der Waffengleichheit vorliegend nicht verlangt, dass der Kläger oder sein Anwalt Kenntnis von dem Inhalt der Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien erhält. Das Gericht hat nämlich die Möglichkeit, die Auszüge aus dem genannten Dokument gemäß Modalitäten zu verwenden, die sowohl die Rechte des Klägers als auch die Vertraulichkeit der genannten Urkunde achten.

–       Zur Verwendung des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien durch das Gericht

150    Wie sich aus dem Teil des vorliegenden Urteils ergibt, der sich mit dem Verfahren befasst, ist das Gericht der Auffassung, dass die ihm vorgelegten Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien für die Entscheidung des Rechtsstreits relevant sind. Die Auszüge machen nämlich deutlich, welche Sicherheitsmaßnahmen die Kommission für die Wohnungen des Personals der Delegationen der Gefahrenstufe der Gruppe III vorsah, zu denen Marokko seit Januar 2006 gehört. Um den Schutz der Vertraulichkeit des genannten Dokuments mit dem Grundsatz des kontradiktorischen Charakters des Verfahrens und dem Anspruch des Klägers auf einen effektiven Rechtsschutz in Einklang zu bringen, hat das Gericht entsprechend dem Vorschlag der Kommission eine Zusammenfassung der betreffenden Auszüge hergestellt (vgl. entsprechend Beschluss AM & S/Kommission).

151    Der Kläger führt zu Recht aus, dass diese Zusammenfassung nur den Gegenstand der maßgeblichen Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien wiedergebe und, da sie keine Angaben über den Inhalt der in den Auszügen präzise dargestellten Sicherheitsmaßnahmen mache, ihm keine Möglichkeit gebe, sein Recht auf effektiven Rechtsschutz geltend zu machen. Die Zusammenfassung könne als solche weder die Wahrung des Gleichgewichts zwischen den in der vorstehenden Randnummer angeführten widerstreitenden Interessen noch die Waffengleichheit zwischen den Parteien garantieren (vgl. entsprechend zu einer Rechtssache, in der es, um die Verteidigungsrechte zu garantieren, als nicht ausreichend angesehen wurde, dass ein vertrauliches Dokument in Form einer Zusammenfassung dem Gericht und dem Kläger vorgelegt wurde, Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 30. September 2010, Kadi/Kommission, T‑85/09, Randnr. 174, nach Einlegung von Rechtsmitteln im Rechtsmittelverfahren vor dem Gerichtshof anhängig, C‑584/10 P, C‑593/10 P und C‑595/10 P).

152    In einem solchen Zusammenhang muss das Gericht ein angemessenes Verhältnis zwischen den betroffenen Interessen finden, indem es u. a. prüft, ob im vorliegenden Fall von Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung abgewichen werden kann, aufgrund dessen das Gericht nur Unterlagen und Beweisstücke berücksichtigt, von denen die Vertreter der Parteien Kenntnis nehmen und zu denen sie Stellung nehmen konnten.

153    Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt hat, kann das Recht auf ein vollständig kontradiktorisches Verfahren insoweit eingeschränkt werden, als es zur Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses wie der nationalen Sicherheit, des Erfordernisses, bestimmte polizeiliche Methoden zur Aufdeckung von Gesetzesverstößen geheim zu halten, oder des Schutzes von Menschenrechten Dritter unbedingt notwendig ist. Um jedoch sicherzustellen, dass gegen den Beschuldigten in einem fairen Verfahren verhandelt wird, müssen die Schwierigkeiten, die aufgrund einer Beschränkung der Rechte des Betroffenen entstehen, durch die von den Justizbehörden eingehaltenen Verfahren hinreichend aufgewogen werden (vgl. in diesem Sinne EGMR, Urteil A u. a./Vereinigtes Königreich, insbesondere Randnrn. 205 bis 208 und die dort angeführte Rechtsprechung).

154    Zwar gilt diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für den Bereich des Strafrechts, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat, und kann nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, der nicht diesen Bereich betrifft und der zudem nicht das Problem der Verteidigungsrechte des Klägers, sondern das des Rechts auf einen effektiven Rechtsbehelf aufwirft. Sie gibt jedoch Hinweise, an denen sich der Unionsrichter bei der Durchführung der bei ihm anhängigen Verfahren orientieren kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Varec, Randnrn. 46 bis 48).

155    Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass das Recht auf effektiven Rechtsschutz voraussetzt, dass der Richter für die Entscheidung über den bei ihm anhängig gemachten Rechtsstreit über sämtliche Informationen, also auch über vertrauliche Informationen, verfügen kann, die erforderlich sind, um in voller Kenntnis der Umstände entscheiden zu können (vgl. in diesem Sinne Urteil Varec, Randnrn. 53 und 55).

156    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Schutz der Vertraulichkeit der Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien im vorliegenden Rechtsstreit verlangt, dass der Kläger Zugang zu dem genannten Dokument nur in Form der Zusammenfassung erhält und dass folglich das Verfahren nicht vollständig kontradiktorisch ist. Dennoch kann das Recht des Klägers auf effektiven Rechtsschutz in einer solchen Lage nur sichergestellt werden, wenn das Gericht unter Abweichung von Art. 44 Abs. 1 der Verfahrensordnung sich selbst auf die relevanten Auszüge aus dem Dokument stützt, um in voller Kenntnis der Umstände entscheiden zu können, auch wenn die Kommission die Auszüge dem Gericht nur zur Prüfung der Vertraulichkeit des Dokuments vorgelegt hat.

157    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, die in ihrer Stellungnahme vom 26. November 2010 zum vorbereitenden Sitzungsbericht der zweiten mündlichen Verhandlung einer derartigen Vorgehensweise des Gerichts widersprochen hat, in dieser zweiten mündlichen Verhandlung keine Bedenken mehr gegen die Berücksichtigung der relevanten Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien durch das Gericht erhoben hat, sofern das Gericht davon ausgehen sollte, dass das genannte Dokument die Situation der vorläufigen Wohnungen des Delegationspersonals regelt.

–       Zur Anwendbarkeit des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien auf die vorläufige Wohnung, die dem Sohn des Klägers und seiner Familie überlassen wurde

158    Entgegen den Behauptungen der Kommission betrifft das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien nicht nur die Situation der Wohnungen, die das Organ als „endgültig“ einstuft.

159    Erstens verwendet keiner der genannten Auszüge, die das Gericht hat einsehen können, die genannte Einstufung. Die Auszüge beziehen sich lediglich auf die „Wohnungen“ des Personals der Delegationen („staff houses“). Auch die sonstigen für die Prüfung des Falls einschlägigen Vorschriften oder Dokumente bestätigen im Bereich der Sicherheit keine solche Unterscheidung zwischen endgültigen und vorläufigen Wohnungen. So regelt Art. 18 des Anhangs X zum Statut nur, dass der Beamte, der bei seiner Ankunft im Drittland in einem Hotel oder in einer vorläufigen Wohnung unterkommen muss, nach vorheriger Zustimmung der Anstellungsbehörde Anspruch auf Erstattung der tatsächlichen Kosten für eine solche Wohnung hat. Das Vademekum der GD „Außenbeziehungen“ enthält ebenfalls keine Bestimmung über die für die vorläufigen Wohnungen geltenden Sicherheitsmaßnahmen und beschränkt sich auf die Angabe, unter welchen Voraussetzungen die Mietkosten für diese Wohnungen übernommen werden und das Tagegeld an den betreffenden Beamten ausgezahlt wird. In Nr. 15.3.3 des Vademekums („Grenzen“) wird nur darauf hingewiesen, dass die budgetären Aspekte und die Sicherheitsaspekte bei der Wahl der vorläufigen Wohnungen berücksichtigt werden und dass die Dauer des Aufenthalts in vorläufigen Wohnungen so kurz wie möglich sein sollte. Es wird daher für zweckmäßig gehalten, dass am Ende einer dienstlichen Verwendung die Aufenthaltsdauer in der vorläufigen Wohnung eine Woche nicht überschreitet. Angesichts der Aufnahme dieses Punktes in einen Abschnitt des Vademekums, der sich den budgetären und administrativen Aspekten des Einzugs in eine vorläufige Wohnung widmet, kann aus dieser Darstellung kein Schluss über die Art der in einer solchen Wohnung anwendbaren Sicherheitsmaßnahmen gezogen werden.

160    Zweitens enthält das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien auf S. 142, die zu den Auszügen aus dem Dokument gehört, die dem Gericht übermittelt wurden, folgenden Satz, der in der vom Anwalt des Klägers eingesehenen Zusammenfassung wiedergegeben wird: „[D]ie in dem genannten Dokument genannten Empfehlungen sind Mindestsicherheitserfordernisse, die unter allen Umständen erfüllt sein müssen; Ausnahmen oder Alternativlösungen dürfen ohne vorherige Zustimmung der GD ‚Personal und Verwaltung‘ – Direktion ‚Sicherheit‘ nicht vorgesehen werden“. Würde die Feststellung, dass diese Mindestsicherheitserfordernisse „unter allen Umständen“ erfüllt sein müssen, nur die „endgültigen“ Wohnungen betreffen, würde sie ihren Sinn verlieren. Den Verfassern des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien ist die gelegentliche Nutzung von vorläufigen Wohnungen in den Delegationen bekannt, und sie hätten wahrscheinlich die besondere Situation dieser Wohnungen geregelt, wenn sie sie vom Anwendungsbereich des genannten Dokuments hätten ausschließen wollen.

161    Drittens können zwar, wie die Kommission in der zweiten mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die vorläufigen Wohnungen schon ihrem Wesen nach nicht in allen Fällen dieselben Schutzvorrichtungen wie die ständigen oder „endgültigen“ Wohnungen haben, doch rechtfertigt dieser Umstand nicht, dass das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien nicht auf sie anwendbar ist. Indem nämlich das Dokument vorsieht, dass mit vorheriger Zustimmung der zuständigen Dienststelle von den genannten Maßnahmen abgewichen werden kann, bietet es die Möglichkeit, dass die Sicherheitsmaßnahmen an die Eigenschaften der betreffenden Wohnungen angepasst werden und dem vorläufigen Charakter der Wohnung Rechnung getragen wird.

162    Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien durchaus für die Beurteilung relevant ist, ob die vorläufige Wohnung, die der Sohn des Klägers und seine Familie bezogen hatten, Gegenstand geeigneter Sicherheitsmaßnahmen war, denn die in dem genannten Dokument angeführten Maßnahmen für die Wohnungen des Personals der Delegationen der Gefahrenstufe der Gruppe III waren „unter allen Umständen“ anwendbar.

163    Selbst wenn das genannte Dokument auf die in Rede stehende Wohnung nicht anwendbar gewesen sein sollte, müsste das Bestehen solcher Vorschriften für die endgültigen Wohnungen hilfsweise herangezogen werden, um zu beurteilen, ob die Kommission in Bezug auf eine vorläufige Wohnung die erforderliche Sorgfalt walten ließ. Diese hilfsweise Prüfung wird weiter unten erfolgen.

–       Zur rechtlichen Tragweite des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien

164    Wie der Kläger in der zweiten mündlichen Verhandlung zu Recht vorgetragen hat, stellt das genannte Dokument eine innerdienstliche Richtlinie dar, durch die die Kommission das ihr bei der Durchführung der Maßnahmen zum Schutz ihres Personals zustehende Ermessen eingeschränkt hat und die ihr entgegengehalten werden kann, solange sie von ihr nicht geändert wird.

165    Zum einen sind die in diesem Dokument genannten Maßnahmen angesichts ihres Zwecks, ihrer Formulierung, ihres Grades an Genauigkeit, ihrer Anwendungsvoraussetzungen und angesichts der Inspektionen, denen sie unterzogen werden können, offensichtlich verbindliche Maßnahmen und nicht nur Empfehlungen, die keine rechtlich bindende Wirkung haben, da andernfalls der Sicherheitspflicht der Kommission jede Wirksamkeit genommen würde. Die Kommission hat daher bis zur ersten mündlichen Verhandlung zu Unrecht behauptet, dass es keine Vorschrift, gleich welcher Art, gebe, die für die Wohnungen des Delegationspersonals in Marokko Sicherheitsmaßnahmen beinhalten würden, und dass es nur eine in dem Vademekum der GD „Außenbeziehungen“ enthaltene, an die Delegationsleiter gerichtete allgemeine Empfehlung zum Ergreifen von Schutzmaßnahmen für Wohnanlagen und Dienstwohnungen gebe.

166    Zum anderen geht aus den Akten eindeutig hervor, dass sich die Dienststellen der Delegation in Marokko 2006 für verpflichtet hielten, diese Maßnahmen besonders rasch durchzuführen, da die Delegation im Januar 2006 von der Gefahrenstufe der Gruppe II in die Gruppe III gelangte, der höchsten Stufe in der Risikobewertung. Die Dienststellen der Delegation in Rabat waren von den zuständigen Dienststellen der GD „Außenbeziehungen“ im November 2005 zudem einer Inspektion unterzogen worden, die die „Übereinstimmung der Delegation mit den ‚Normen und Kriterien‘“ zum Gegenstand hatte, wobei die Normen und Kriterien genau diejenigen waren, die im Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien aufgeführt sind. Ferner geht aus einem Vermerk des Delegationsleiters vom 6. Juni 2006 und aus dem Prüfbericht, der diesem Vermerk beigefügt war und der von dem Angehörigen der regionalen Sicherheit nach seiner vom 10. bis 13. Mai 2006 durchgeführten Inspektion in Rabat verfasst worden war, hervor, dass erstens „die Verpflichtung des einzelnen Beamten oder Vertragsbediensteten, … tagtäglich rund um die Uhr einen Bewachungsdienst zur Verfügung zu haben“, in vollem Umfang beachtet werden musste, dass zweitens Arbeiten für die Sicherung der Wohnungen erforderlich waren und dass drittens besonderer Nachdruck auf die dringend empfohlene Anbringung von Gittern an den Fenstern einer der Wohnungen sowie auf die Verpflichtung gelegt wurde, „die Wohnungen“ mit einem Alarmsystem und einer Notrufvorrichtung zu versehen.

167    Selbst wenn man unterstellt, dass diese Sicherheitsmaßnahmen eine ähnliche Bedeutung wie die innerdienstlichen Richtlinien haben, die nach der Rechtsprechung als Verhaltensnormen „mit Hinweischarakter“ eingestuft werden, die sich die Verwaltung selbst auferlegt, so hat die Kommission nicht geltend gemacht, dass im vorliegenden Fall Erwägungen des Allgemeininteresses oder Gründe des dienstlichen Interesses die Nichtanwendung dieser Maßnahmen gerechtfertigt hätten. Die Kommission hat lediglich – zu Unrecht – vorgetragen, dass die im Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien aufgeführten Maßnahmen auf die vorläufigen Wohnungen keine Anwendung fänden.

168    Nach alledem sind für die Prüfung, ob die Kommission ihre Sicherheitspflichten verletzt hat, die Maßnahmen zu berücksichtigen, von denen die Kommission der Meinung war, dass sie – wie dies aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien hervorgeht – der 2006 in Marokko geltenden Gefahrenstufe entsprächen.

–       Zum Vorliegen einer Pflichtverletzung der Kommission

169    Aus den Akten, insbesondere aus der Zusammenfassung und den Auszügen aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien, geht hervor, dass die Kommission für die Wohnungen ihres zur Delegation in Rabat abgeordneten Personals Mindestsicherheitserfordernisse festgelegt hatte. Diese beinhalteten die Anbringung von Schutzvorrichtungen, die der für Marokko ermittelten Gefahrenstufe entsprachen und unter allen Umständen anwendbar waren, namentlich die Installation einer Alarmanlage zur Sicherung gegen Einbruch, die Installation von Notrufvorrichtungen, von Schutzgittern mit genau festgelegten Eigenschaften sowie eine ständige Bewachung durch ein spezialisiertes Unternehmen.

170    Wie ausgeführt, waren die Maßnahmen auf alle Wohnungen anwendbar, die dem Personal der Delegation überlassen wurden, sofern nicht Ausnahmen von der zuständigen Dienststelle zuvor genehmigt worden waren. Die genannten Maßnahmen sollten einer Terrorismusgefahr entgegenwirken, die für so ernsthaft gehalten worden war, dass sie die Rechtfertigung für die Einstufung der Delegation in die Gefahrenstufe der Gruppe III war. Der Delegationsleiter hatte darüber hinaus die GD „Außenbeziehungen“ um die Vornahme einer Inspektion gebeten. Diese Inspektion, die vom 10. bis zum 13. Mai 2006 durchgeführt wurde, brachte bestimmte Unzulänglichkeiten beim Schutz der dem Delegationspersonal überlassenen Wohnungen zutage.

171    Obwohl sich die Verwaltung der Kommission der besonders hohen Risiken, denen ihr Personal ausgesetzt war, voll und ganz bewusst war, war in der vom Sohn des Klägers und seiner Familie bewohnten Wohnung keine der Maßnahmen, die zum Schutz der Wohnungen in den Delegationen der Gefahrenstufe der Gruppe III vorgesehen waren, durchgeführt worden.

172    Die genannte Wohnung war weder mit einer Einbruchsicherung noch mit einer Notrufvorrichtung versehen. Die Gitterstäbe, durch die sich der Straftäter schieben konnte, entsprachen nicht den Empfehlungen des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien, von denen das Gericht durch einen von der Kommission vorgelegten Auszug aus dem Dokument Kenntnis genommen hat, und die, wenn sie befolgt worden wären, die Gitterstäbe auch für einen Eindringling mit geringem Leibesumfang unpassierbar gemacht hätten. Die Gitterstäbe waren somit, wie der Kläger geltend gemacht hat, für ihre Aufgabe ungeeignet. Die Bewachung des Hauses schließlich wurde nicht durch ein spezialisiertes Unternehmen durchgeführt, das mit dem speziellen Schutz dieses Gebäudes tagtäglich und rund um die Uhr beauftragt war. Wie die Kommission in der zweiten mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, war die Wache, deren Schilderhaus in der Nähe des Hauseingangs stand, mit der Bewachung einer Reihe von Häusern in derselben Wohnsiedlung betraut und hatte nicht speziell das Haus zu bewachen, in dem der Sohn des Klägers wohnte. Überdies enthält der Mietvertrag keine Angaben über die Bedingungen, unter denen die Bewachung des Hauses stattfand. Auch ist festzustellen, dass, falls die Wache in der Nacht der Straftat beim Eindringen des Täters anwesend gewesen sein sollte, eine Stunde später jedenfalls offensichtlich keine Bewachung vorhanden war: Der Täter konnte das Fahrzeug der Opfer, das vor dem Eingang geparkt war, mit den Gegenständen beladen, die er in dem Haus gestohlen hatte (eine Golfausrüstung, Gemälde und Ziergegenstände, einen Fernseher usw.), und am Steuer dieses Fahrzeugs fortfahren, ohne dass ihn irgendjemand gehindert hätte. Das Gericht stellt ferner fest, dass bestimmte Maßnahmen, die für die Wohnungen der Delegationen der Gefahrenstufe der Gruppe II vorgesehen waren, in der Wohnung ebenfalls nicht durchgeführt worden waren (Einbruchsicherung und Notrufvorrichtung).

173    Sicher kann sich das Gericht für die Feststellung, dass die Kommission ihre Pflichten im Bereich der Sicherheit verletzt hat, nicht mit dem Hinweis begnügen, dass die im Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien aufgeführten Schutzmaßnahmen nicht eingehalten wurden. Es versteht sich von selbst, dass unter besonderen Umständen, insbesondere im Fall von Dringlichkeit, der Bezug einer vorläufigen Wohnung, die nicht dieselben Sicherheitsvorrichtungen wie eine endgültige Wohnung aufweist, für eine begrenzte Zeit in Frage kommen kann.

174    Auch in einem solchen Fall kann die Verwaltung jedoch nicht auf die Vornahme von Mindestmaßnahmen verzichten, mit denen unter budgetär und administrativ vertretbaren Bedingungen den Hauptrisiken für die Sicherheit der Bewohner der vorläufigen Wohnung begegnet und die Wahrscheinlichkeit von deren Eintritt beschränkt werden kann. Dies gilt umso mehr, wenn der Kommission besondere Umstände zur Kenntnis gebracht wurden.

175    Im vorliegenden Fall stellten die wegen der für Unionsbeamte angenommenen terroristischen Bedrohung für Marokko festgelegte hohe Gefahrenstufe, die im Mai 2006 durchgeführte Inspektion, die die Unzulänglichkeiten beim Schutz der Wohnungen für das Delegationspersonal zutage gebracht hatte, und schließlich die Anwesenheit von vier kleinen Kindern im Haushalt des betreffenden Beamten Gesichtspunkte dar, die besondere Vorkehrungen rechtfertigen konnten, bevor sich der Beamte in der betreffenden Wohnung, wenn auch nur vorübergehend, niederließ. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht vorgetragen hat, dass die Schutzmaßnahmen, die in der dem verstorbenen Beamten überlassenen Wohnung vorhanden waren, Gegenstand einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Dienststelle nach Maßgabe des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien waren. Die Kommission hat ferner nicht behauptet, dass die zusätzlichen Arbeiten zur Herstellung der Sicherheit in dem betreffenden Gebäude wie z. B. die Veränderung der Fenstergitter, durch die der Straftäter in die Wohnung eindrang, oder die Einrichtung eines Alarmsystems und einer Notrufvorrichtung oder auch die vorübergehende Erweiterung des Vertrags, der die Bewachung durch ein qualifiziertes Unternehmen zum Gegenstand hatte, Schwierigkeiten budgetärer oder administrativer Art hervorgerufen hätten. Die Kommission wusste im Übrigen seit dem 6. April 2006, dem Tag, an dem der Sohn des Klägers seiner Abordnung nach Marokko zustimmte, dass sie den Sohn des Klägers und seine Familie in Rabat würde unterbringen müssen. Der Umstand schließlich, dass der Sohn des Klägers und seine Familie das Hotel verlassen wollten, in dem sie vorübergehend unter für eine Familie mit vier Kindern unangenehmen Bedingungen untergebracht waren, konnte die Verwaltung nicht von ihrer Verpflichtung befreien, Sicherheitsvorrichtungen entsprechend der für die Delegation festgelegten Gefahrenstufe zu schaffen, indem sie, wenn auch nicht alle im Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien vorgesehenen Maßnahmen, so doch zumindest eine oder mehrere der dort genannten Maßnahmen durchführte, die für das Organ keine größeren Schwierigkeiten bedeuten konnten, z. B. die Anbringung von Fenstergittern und die Installation einer Notrufvorrichtung.

176    Nach alledem macht der Kläger zu Recht geltend, dass die Kommission einen Fehler begangen habe, der ihre Haftung auslösen könne.

177    Soweit erforderlich stellt das Gericht fest, dass dieser Verstoß der Kommission gegen ihre Verpflichtung, für den Schutz ihres in ein Drittland entsandten Beamten und seiner Familie zu sorgen, aus den oben in den Randnrn. 171 bis 175 des vorliegenden Urteils genannten Gründen einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Vorschrift darstellt, die dem Sohn des Klägers und seiner Familie Rechte einräumen soll. Der Verstoß ist daher geeignet, die Haftung der Kommission auszulösen.

 Zum Kausalzusammenhang und zum Vorliegen eines Haftungsbefreiungsgrundes (Pflichtverletzung der Opfer und Handlung eines Dritten)

178    In der zweiten mündlichen Verhandlung haben der Kläger und die Kommission zwei Auffassungen zu der Frage vertreten, wann der Kausalzusammenhang, der zwischen der Pflichtverletzung des Organs und dem geltend gemachten Schaden bestehen muss, unmittelbar und sicher ist. Der Kläger ist der Ansicht, dass dann, wenn die Pflichtverletzung darin bestehe, dass ein Organ gegen seine Pflicht zum Tätigwerden verstoße, diese Unterlassung eine unmittelbare und sichere Ursache des Schadens sei, wenn nachgewiesen werde, dass der Schaden „wahrscheinlich nicht eingetreten“ wäre, falls das Organ die erforderlichen Handlungen vorgenommen hätte. Diese Auffassung ergebe sich aus dem Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. Dezember 2006, Abad Pérez u. a./Rat und Kommission (T‑304/01). Das Gericht erster Instanz habe auch entschieden, dass ein Rechtsverstoß die sichere und unmittelbare Ursache des Schadens sei, wenn gezeigt werde, dass durch ein rechtmäßiges Verhalten dem Kläger „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ Befriedigung hätte verschafft werden können (Urteil vom 5. Oktober 2004, Sanders u. a./Kommission, Randnr. 150). Die Kommission hat dagegen vorgetragen, es müsse mit Sicherheit feststehen, dass der Schaden ohne pflichtwidriges Unterlassen nicht eingetreten wäre, um zu zeigen, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Schaden unmittelbar und sicher sei (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 13. Dezember 2006, É. R. u. a./Rat und Kommission, T‑138/03, Randnr. 127).

179    Die Rechtsprechung zum Kausalzusammenhang ist sehr differenziert und vielschichtig, wie das Parteivorbringen bestätigt. Unabhängig von den Unterschieden in den Formulierungen des Unionsrichters ist es jedoch ständige Rechtsprechung, dass nur eine Pflichtverletzung, die aufgrund eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs zu einem Schaden geführt hat, die Haftung des Organs auslöst. Die Union haftet nur für Schäden, die sich mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem fehlerhaften Verhalten des betreffenden Organs ergeben (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. Oktober 2000, Fresh Marine/Kommission, T‑178/98, Randnr. 118 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 19. März 2010, Gollnisch/Parlament, T‑42/06, Randnr. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

180    Der Kläger muss nachweisen, dass der Schaden ohne das schuldhafte Verhalten nicht eingetreten wäre und dass das schuldhafte Verhalten der ausschlaggebende Grund für den Schaden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts erster Instanz vom 30. September 1998, Coldiretti u. a./Rat und Kommission, T‑149/96, Randnrn. 116 und 122). Wenn der Schaden die unmittelbare und unvermeidbare Folge des begangenen Fehlers ist, ist der Kausalzusammenhang dargetan (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. Juli 1999, New Europe Consulting und Brown/Kommission, T‑231/97, Randnrn. 57 bis 60).

181    Darüber hinaus ist der Unionsrichter der Auffassung, dass der Schaden unmittelbar und sicher nicht nur durch eine Ursache ausgelöst worden sein kann, sondern durch mehrere Ursachen, die ausschlaggebend zum Schadenseintritt beigetragen haben (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juni 1986, Sommerlatte/Kommission, 229/84, Randnrn. 24 bis 27, und Grifoni/EAG, Randnrn. 17 und 18; Urteil FreshMarine/Kommission, Randnrn. 135 und 136).

182    Im vorliegenden Fall macht der Kläger geltend, dass, wenn die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt worden wären, erstens die Morde nicht begangen worden wären und zweitens ein Alarm hätte ausgelöst werden können, wodurch der Kläger, der den Messerstichen nicht sofort erlegen war, die Chance gehabt hätte, trotz seiner Verletzungen zu überleben. Es ist aufgrund dieser beiden Punkte zu prüfen, ob der Kausalzusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten und den geltend gemachten Schäden erwiesen ist.

183    Was erstens den Kausalzusammenhang zwischen dem schuldhaften Verhalten und dem Doppelmord betrifft, so hat der Kläger rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass der Doppelmord nicht begangen worden wäre, wenn die Kommission ihrer Verpflichtung, für die Sicherheit ihres Beamten zu sorgen, nachgekommen wäre. Wenn nämlich ein ständiger Wachdienst eingerichtet worden wäre, der nur mit dem Schutz des vom Sohn des Klägers bewohnten Hauses betraut gewesen wäre, und wenn Fenstergitter installiert worden wären, die den von den zuständigen Dienststellen der Kommission festgelegten Eigenschaften entsprochen hätten, wäre der Straftäter, wenn nicht abgehalten, so doch zumindest physisch gehindert worden, in das Haus einzudringen. Die Kommission hat somit die Schadensverursachung unmittelbar mitzuverantworten, indem sie die Voraussetzungen für den Schadenseintritt schuf. Der unmittelbare und sichere Kausalzusammenhang ist damit erwiesen.

184    Zwar stand das Risiko für die Sicherheit des Personals, das die Kommission berücksichtigte und das die Einordnung der Delegation in Rabat in die Gefahrenstufe der Gruppe III rechtfertigte, im Zusammenhang mit einer terroristischen Bedrohung und nicht mit einer gewöhnlichen Kriminalität wie die, deren Opfer der Sohn und die Schwiegertochter des Klägers wurden. Dieser Umstand hat jedoch keine Auswirkung auf die in der vorstehenden Randnummer vorgenommene Beurteilung der Unmittelbarkeit und Sicherheit des Kausalzusammenhangs. Es liegt nämlich auf der Hand, dass Maßnahmen, die die Begehung eines terroristischen Attentats oder die Ermordung eines Beamten aus politischen Gründen oder durch terroristische Gruppen verhindern sollen, erst recht für einen wirksamen Schutz vor dem Eindringen eines Individuums in die Wohnung eines Beamten sorgen müssten. Die Kommission kann nicht mit Erfolg geltend machen, dass sie von der Haftung befreit sei, weil das Motiv des Straftäters ein anderes als das ursprünglich befürchtete gewesen sei.

185    Die Kommission kann sich ferner nicht auf ein Fehlverhalten ihres Beamten berufen, das den Kausalzusammenhang unterbrechen oder die Haftung der Verwaltung einschränken würde.

186    Zum einen stellt die unterbliebene Teilnahme des Betroffenen an den Fortbildungsveranstaltungen über die Sicherheit im Rahmen des „Pre-posting“ zweifellos eine Fahrlässigkeit des Betroffenen dar. Das Gericht konnte jedoch nicht feststellen, aus welchen Gründen die Teilnahme unterblieb, die auch dienstlich bedingt sein konnten. Ferner ging aus den Einladungen zu diesen Veranstaltungen, die sich darauf beschränkten, den verstorbenen Beamten „um Teilnahme [an der Veranstaltung zu bitten]“, nicht hervor, dass die Teilnahme als eine dienstliche Verpflichtung dargestellt wurde, die vor der Entsendung zur Delegation unbedingt zu erfüllen war. Der Sohn des Klägers konnte ferner nach Marokko abgeordnet werden, ohne dass er an dieser Fortbildung teilgenommen hatte. Außerdem kann die Organisation dieser „Pre-posting“-Veranstaltungen für sich genommen die Kommission nicht von ihrer Verpflichtung befreien, ihre Beamten über die Sicherheitsrisiken zu informieren, denen diese in der Delegation ausgesetzt sind, namentlich die Beamten, die zu den Delegationen mit der Gefahrenstufe der Gruppe III abgeordnet sind. Nimmt ein Beamter, der zu einer derartigen Delegation abgeordnet ist, vor seiner Abreise nicht an den genannten Veranstaltungen teil, hat die Verwaltung sich zu vergewissern, dass er die erforderlichen Informationen wirklich erhalten hat. Die Kommission hat aber nicht vorgetragen, dass dem Sohn des Klägers vor seiner Abreise nach Marokko die für seine Sicherheit relevanten Dokumente ausgehändigt wurden.

187    Aus den Erörterungen in der zweiten mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die zu Delegationen entsandten Beamten normalerweise keinen Zugang zu dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien haben, da ihnen das als Verschlusssache „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestufte Dokument nicht vorgelegt wird. Selbst wenn der Sohn des Klägers daher an den „Pre-posting“-Veranstaltungen teilgenommen hätte, wäre er wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen zu beurteilen, welche Sicherheitsmaßnahmen genau für die ihm in Marokko überlassene Wohnung vorgesehen waren. Dem Vorbringen der Kommission, der Betroffene habe die in Marokko vorherrschenden Lebens- und Wohnbedingungen akzeptiert und sich mit dem Bezug der vorläufigen Wohnung einverstanden erklärt, kann somit nicht gefolgt werden, da dieses Einverständnis nicht in voller Kenntnis der Sachlage abgegeben wurde. Die Kommission bat den Sohn des Klägers am 6. April 2006 um Bestätigung, dass er mit der Abordnung nach Rabat einverstanden sei und dass er insbesondere von der ihm zur Verfügung gestellten Wohnung volle Kenntnis erlangt habe, obwohl der Mietvertrag über diese Wohnung erst am 8. August 2006 zwischen dem Eigentümer und der Kommission geschlossen wurde. Als ferner der Sohn des Klägers am 24. August 2006 bestätigte, dass er mit der ihm angebotenen Wohnung einverstanden sei, war in dem Formular über die Einverständniserklärung der klare Hinweis enthalten, dass zu dem genannten Zeitpunkt eine der Größe seiner Familie entsprechende Mietwohnung nicht verfügbar war.

188    Zum anderen ist zwar unstreitig, dass die Bewohner des Hauses das Fenster, durch das der Täter in das Haus eindrang, offen gelassen hatten und dass der Rollladen vor diesem Fenster nicht vollständig heruntergelassen war, doch kann dieser Umstand nicht als das Ergebnis eines fahrlässigen oder pflichtwidrigen Verhaltens der Opfer angesehen werden. Das Fenster befand sich nämlich hinter dem Gitter, von dem der Sohn des Klägers, der das Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien nicht kannte, vernünftigerweise annehmen konnte, dass es für einen etwaigen Einbrecher ein ausreichendes Hindernis darstellte. Die Kommission hat im Übrigen in ihren Schriftsätzen und in der ersten mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass das Gitter geeignet war, eine erwachsene Person mittleren Körperumfangs am Eindringen zu hindern. Zudem war es zu jener Jahreszeit noch warm, und es kann nicht als ein fahrlässiges Verhalten angesehen werden, wenn ein Fenster hinter einem auf den ersten Blick ausreichenden Gitter in einer nicht klimatisierten Wohnung, in der sich vier kleine Kinder aufhalten, offen gelassen wird.

189    Die Kommission hat somit weder nachgewiesen, dass der Sohn des Klägers fahrlässig eine Pflichtverletzung beging, die geeignet wäre, die Verwaltung von ihrer Haftung zu befreien, noch dass der Kausalzusammenhang zwischen der begangenen Pflichtverletzung und den Tötungen unterbrochen wäre.

190    Was zweitens den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Verlust einer Überlebenschance des Sohns des Klägers betrifft, so hat der Kläger rechtlich hinreichend bewiesen, dass, wenn die geeigneten Sicherheitsmaßnahmen installiert gewesen wären, mittels einer Notrufvorrichtung auf die eine oder andere Weise nach dem Eindringen des Täters in das Gebäude entweder durch einen aufmerksamen Wächter, durch den verletzten Beamten selbst oder durch eines seiner Kinder Alarm hätte ausgelöst werden können. Der Täter wäre mit Sicherheit nicht so lange in dem Haus geblieben, wo er sich ungefähr vier Stunden aufhielt, wenn eine der Maßnahmen getroffen worden wäre, die die Auslösung eines Alarms ermöglicht. Der Sohn des Klägers verlor daher aufgrund der Pflichtverletzung der Kommission eine ernsthafte Chance, Hilfe zu bekommen, und eine Chance, trotz seiner Verletzungen zu überleben.

191    Es bleibt noch festzustellen, welchen Grad der Verantwortung der Täter für die Verursachung der Schäden trägt.

192    Was den Doppelmord angeht, so kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass die Kommission die Hauptverantwortung für diesen Schaden trägt. Zwar hat die Kommission die Voraussetzungen für den Schadenseintritt geschaffen, indem sie es unterließ, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, die den Täter am Eindringen hindern konnten, doch hatte diese Pflichtverletzung nicht unmittelbar und zwangsläufig den Doppelmord zur Folge. Die vorsätzlichen Tötungen waren die Tat einer Person, deren Beweggrund der Diebstahl war und deren Verhalten unvorhersehbar war. Die normalerweise vorhersehbare Folge der Pflichtverletzung der Kommission ist, was eine derartige Person angeht, ein Einbruch, der unter Umständen mit physischen Bedrohungen der Rauminhaber, nicht aber mit Handlungen einhergeht, die derart gravierend wie die hier verübten sind. Diese Beurteilung entfernt sich nicht von den Grundsätzen der Richtlinie 89/391, die in Art. 5 Abs. 4 vorsieht, dass die Verantwortung eines Arbeitgebers namentlich bei Vorkommnissen eingeschränkt sein kann, die auf nicht von diesem zu vertretende anormale und unvorhersehbare Umstände zurückzuführen sind.

193    Die Handlungen des Täters können jedoch das Organ nicht vollständig von seiner Verantwortung befreien. Ginge man davon aus, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der Kommission und dem Doppelmord unterbrochen wäre, so hätte die Verwaltung keinerlei Folgen ihres schuldhaften Unterlassens zu tragen, obwohl sie die Bedingungen für den Eintritt dieses Schadens schuf. Diese Lösung stände nicht im Einklang mit der Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass ein Schaden mehrere Ursachen haben kann, und die daher für eine Haftung der Verwaltung nicht zwingend verlangt, dass das Organ die alleinige Verantwortung für den Schaden trägt.

194    Das Gericht geht daher davon aus, dass die Kommission zu 30 % für den erlittenen Schaden verantwortlich ist.

195    Was den Verlust einer Überlebenschance angeht, so gelangt das Gericht bei seiner Beurteilung zu einem anderen Ergebnis. Die Pflichtverletzung der Kommission ist hier nämlich die unmittelbare und ausschließliche Ursache des genannten Schadens. Das Verhalten des Täters ist nicht geeignet, die Verantwortung des Organs einzuschränken.

196    Zwar ist der Verlust einer Überlebenschance sicher, doch war die Chance des Sohns des Klägers, trotz seiner Verletzungen zu überleben, sehr gering. Ohne genaue Angaben in den Akten und angesichts der mit dieser Art von Beurteilung untrennbar verbundenen Unsicherheiten ist es sehr schwer zu beurteilen, wie hoch die Überlebenschance war. Das Gericht geht davon aus, dass sie mit 20 % bewertet werden kann. Aus den Akten ergibt sich nämlich, dass der Beamte am Hals getroffen wurde und, sofern er nicht sofort gestorben ist, sehr schwer verletzt wurde, was seine Überlebenschancen ernsthaft in Frage stellte, selbst wenn Hilfe rasch eingetroffen wäre.

197    Unter Berücksichtigung der beiden geltend gemachten Schäden, d. h. des Doppelmords und des Verlusts einer Überlebenschance, sowie des Umstands, dass der zweite Schaden eine geringere Reichweite als der erste hat, geht das Gericht folglich davon aus, dass die Kommission für 40 % der entstandenen Schäden verantwortlich ist.

 Zum Schaden

198    Der sichere Schaden, der im vorliegenden Fall grundsätzlich ersatzfähig ist, ist nur der Schaden, dessen Ersatz der Kläger vor dem Gericht verlangen kann, d. h. der materielle Schaden, den die Hinterbliebenen des verstorbenen Beamten erlitten haben und der unter Bezugnahme auf die Dienstbezüge, die der Sohn des Klägers bis zum Rentenalter erhalten hätte, ermittelt worden sowie vom Kläger mit insgesamt 3 975 329 Euro angegeben worden ist.

199    Der genannte Betrag stellt in Anbetracht der Unsicherheit einer derartigen Berechnung und der in ihr enthaltenen Vermutungen über den Verlauf, den die Laufbahn des Betroffenen hätte nehmen können, eine auf den ersten Blick vernünftige Ermittlung der Dienstbezüge dar, die der verstorbene Beamte hätte erhalten können, und bildet eine zwar sehr grobe, aber sachgerechte Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Einkommensverluste der Hinterbliebenen des Sohns des Klägers.

200    Der Betrag kann jedoch für die Feststellung des materiellen Schadens, den die Hinterbliebenen tatsächlich erlitten haben, nicht in dieser Höhe vom Gericht berücksichtigt werden. Wären nämlich der Sohn und die Schwiegertochter des Klägers nicht ermordet worden, hätten sie einen erheblichen Teil dieses Betrags für eigene Bedürfnisse ausgegeben. Der genannte Betrag wäre ihren Kindern somit nicht in voller Höhe zugutegekommen. Außerdem ist es wahrscheinlich, dass die Kinder der verstorbenen Eltern jetzt oder in einigen Jahren den Nachlass erwerben, der ihnen gesetzlich zusteht und den sie nicht erhalten hätten, wenn ihre Eltern am Leben geblieben wären. Ferner hat die Kommission geltend gemacht, ohne dass ihr widersprochen worden wäre, dass es nicht ausgeschlossen sei, dass die Hinterbliebenen der verstorbenen Eltern infolge des Doppelmords Zahlungen aufgrund von Lebensversicherungsverträgen erhalten hätten. Das Gericht geht daher davon aus, dass sich der im vorliegenden Rechtsstreit zu berücksichtigende materielle Schaden aufgrund von Einkommenseinbußen auf 3 Mio. Euro beläuft.

201    Wie ausgeführt, hat die Kommission 40 % dieses Schadens zu ersetzen, d. h. den Hinterbliebenen des verstorbenen Ehepaars einen Betrag von insgesamt 1,2 Mio. Euro zu zahlen.

202    Aus der Klagebeantwortung geht jedoch hervor, dass, was nicht bestritten worden ist, die Beträge, die die Kommission bereits gezahlt hat und die sie den Hinterbliebenen weiterhin zahlen wird und die über die im Statut normalerweise vorgesehenen Leistungen hinausgehen, sich auf ungefähr 1,4 Mio. Euro belaufen und etwa 2,4 Mio. Euro erreichen könnten, wenn die betreffenden Leistungen jeweils bis zum 26. Lebensjahr der vier Kinder erbracht würden.

203    Die Kommission hat somit den materiellen Schaden, für den sie die Verantwortung zu tragen hat, bereits vollständig ersetzt.

204    Der vom Kläger geltend gemachte Umstand, dass die von der Kommission gezahlten Beträge den Charakter von Sozialleistungen haben, ist für diese Beurteilung, selbst wenn sie zuträfe, ohne Bedeutung. Die erbrachten Leistungen haben den Zweck, die finanziellen Folgen des Todes eines Beamten unabhängig von dessen Ursache auszugleichen. Zwar ist die Verwaltung, wenn sie eine Pflichtverletzung begeht, verpflichtet, den Schaden vollständig zu ersetzen und gegebenenfalls die Leistungen nach dem Statut zu ergänzen (vgl. in diesem Sinne Urteil Leussink/Kommission, Randnrn. 18 bis 20), doch steht fest, dass der Richter bei der Beurteilung, ob der erlittene Schaden von der Verwaltung ersetzt wurde, die Leistungen nach dem Statut zu berücksichtigen hat. Diese Leistungen haben daher durchaus den Zweck, für den Ausgleich eines Schadens zu sorgen, selbst wenn die Verwaltung eine ihre Haftung auslösende Pflichtverletzung begangen hat. Außerdem ist die Kommission im vorliegenden Fall über ihre Verpflichtungen nach dem Statut hinausgegangen, indem sie erstens den verstorbenen Beamten post mortem beförderte, indem sie zweitens die den Hinterbliebenen geschuldeten Leistungen auf dieser Grundlage errechnete und indem sie drittens aufgrund von Art. 76 des Statuts die genannten Leistungen erhöhte.

205    Nach alledem lässt der erste Klagegrund, auch wenn er begründet ist, nicht zu, dass das Gericht den Anträgen des Klägers auf Ersatz der erlittenen materiellen Schäden stattgibt.

206    Das Gericht hat daher die beiden weiteren Klagegründe zu prüfen, mit denen der Kläger geltend macht, die Kommission hafte zum einen aufgrund eines rechtmäßigen Handelns auch ohne Verschulden und zum anderen aufgrund ihrer Beistandspflicht.

B –  Zum zweiten Klagegrund: Haftung der Kommission aufgrund eines rechtmäßigen Handelns auch ohne Verschulden

1.     Vorbringen der Parteien

207    Der Kläger macht geltend, dass, selbst wenn die Kommission sich keiner Nachlässigkeit schuldig gemacht haben sollte, die Voraussetzungen einer verschuldensunabhängigen Haftung für rechtmäßiges Handeln der Verwaltung vorliegen würden. Der Nachweis des tatsächlichen Schadenseintritts und des Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem rechtmäßigen Handeln sei erbracht; der Schaden sei ein außergewöhnlicher, schwerwiegender und besonderer Schaden. Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 2008, FIAMM und FIAMM Technologies/Rat und Kommission (C‑120/06 P und C‑121/06 P), eine verschuldensunabhängige Haftung der Union ausgeschlossen, jedoch nur in Bezug auf die Rechtsetzungsakte der Union, die im Ermessen des Gesetzgebers läge. Der Gerichtshof habe keineswegs ausgeschlossen, dass eine solche Haftung in einem Fall wie dem vorliegenden für die Organe gelten könne. Bei der Beurteilung dieser Frage müsse das Gericht berücksichtigen, dass die Ereignisse, denen die Kinder des verstorbenen Beamten ausgesetzt gewesen seien, ungewöhnlich bedrohlich und tragisch gewesen seien und dass die Kinder ihre Eltern frühzeitig verloren hätten und ohnmächtig der grausamen Ermordung ihres Vaters und ihrer Mutter hätten beiwohnen müssen. Das Gericht müsse über den Schadensersatzantrag gemäß den Gerechtigkeitskriterien entscheiden, die Ausdruck des die Organe der Union auszeichnenden tiefen Gerechtigkeitssinns seien.

208    Wie ausgeführt, ist die Kommission der Auffassung, dass dieser Klagegrund unzulässig sei, da er in dem ursprünglichen Schadensersatzantrag nicht geltend gemacht worden sei und keine Angaben enthalte, mit denen der Umfang des angeblichen Schadens quantifiziert werde. Zur Begründetheit führt die Kommission aus, das Prinzip einer Haftung für rechtmäßiges Handeln sei vom Gerichtshof bis zum heutigen Tag nicht anerkannt worden. Der Kläger bringe nichts zum Beleg dafür vor, dass das Gericht eine solche Haftung für das Verhalten der Organe zulassen müsse. Im vorliegenden Fall lege der Kläger jedenfalls nicht dar, dass die Voraussetzungen einer solchen verschuldensunabhängigen Haftung vorliegen würden.

2.     Würdigung durch das Gericht

209    Aus dem Urteil des Gerichtshofs FIAMM und FIAMM Technologies/Rat und Kommission (Randnr. 175) ergibt sich, dass der Gerichtshof zwar aufgrund der vergleichenden Prüfung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten sehr früh die Feststellung einer Übereinstimmung dieser Rechtsordnungen hinsichtlich der Anerkennung eines Grundsatzes der Haftung für rechtswidriges Handeln oder Unterlassen der öffentlichen Gewalt, einschließlich normativer Art, getroffen hat, dass dies aber keineswegs auch in Bezug auf das eventuelle Bestehen eines Grundsatzes der Haftung für rechtmäßiges Handeln oder Unterlassen der öffentlichen Gewalt, insbesondere wenn es normativer Art ist, gilt. Der Gerichtshof hat daher beim derzeitigen Stand des Unionsrechts ausgeschlossen, dass Art. 288 EG, der auf die „allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind“, verweist, dahin ausgelegt werden kann, dass nach ihm eine verschuldensunabhängige Haftung der Union für rechtmäßiges Handeln oder Unterlassen ausgelöst werden kann.

210    Entgegen den Ausführungen des Klägers geht aus dem Wortlaut, den der Gerichtshof in der angeführten Randnummer seines Urteils verwendet hat („einschließlich normativer Art“ und „insbesondere wenn [das rechtmäßige Handeln oder Unterlassen] normativer Art ist“), hervor, dass die Schlussfolgerung, zu der der Gerichtshof in diesem Urteil gelangt ist, nicht auf den Bereich der Normsetzungskompetenz der Union beschränkt ist.

211    Wie in Randnr. 116 des vorliegenden Urteils ausgeführt, fällt zwar ein auf Schadensersatz gerichteter Rechtsstreit zwischen einem Beamten und seinem derzeitigen oder früheren Dienstherrn, wenn er seinen Ursprung in dem zwischen dem Beamten und dem Dienstherrn bestehenden Dienstverhältnis hat, unter Art. 236 EG sowie die Art. 90 und 91 des Statuts und liegt außerhalb des Anwendungsbereichs der Art. 235 EG und 288 EG. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts der Union zu den Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung aufgrund des Art. 288 EG ist somit nicht ohne Weiteres auf die Klagen aus außervertraglicher Haftung übertragbar, die ein Beamter und seine Hinterbliebenen gegen die Organe aufgrund des Art. 236 EG und der Art. 90 und 91 des Statuts erheben. Insoweit weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass diese Klagen die Organe nicht in der Wahrnehmung ihrer im Vertrag vorgesehenen Normativ- oder Regulierungsbefugnisse beträfen, sondern in ihrem Verhalten als Arbeitgeber gegenüber ihrem Personal.

212    Angesichts der allgemeinen Wendungen, die der Gerichtshof benutzt hat, und angesichts des Grundsatzcharakters, der insbesondere diesem Urteil zukommt, sieht das Gericht jedoch keinen Grund, weshalb – abweichend von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind – die Haftung der Organe der Union in den Beziehungen zu ihrem Personal aufgrund von Voraussetzungen ausgelöst werden könnte, die sich grundlegend von denen unterscheiden, die im Rahmen des Art. 288 EG gelten.

213    Zwar sind die Umstände des vorliegenden Rechtsstreits außergewöhnlich, doch reicht diese Feststellung – die einzige, die der Kläger vorgebracht hat – nicht aus, um eine verschuldensunabhängige Haftung bei Klagen aus außervertraglicher Haftung, die auf der Grundlage des Art. 236 EG erhoben werden und nur den Beamten der Union und ihren Hinterbliebenen zugutekommen, grundsätzlich anzuerkennen.

214    Der Gerichtshof hat bezüglich der Richtlinie 89/391, die einen relevanten Bezugsrahmen für die Festlegung der den Organen der Union nach Art. 1e des Statuts obliegenden Verpflichtungen darstellt, die Auffassung vertreten, dass die genannte Richtlinie nicht so verstanden werden könne, dass sie die Mitgliedstaaten zwingt, eine verschuldensunabhängige Haftung der Arbeitgeber für Beeinträchtigungen der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer einzuführen (Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnrn. 37 bis 51). Die Kommission hatte dagegen vor dem Gerichtshof geltend gemacht, dass die Richtlinie 89/391 eine verschuldensunabhängige Haftung der Arbeitgeber vorgesehen habe, die die Folgen jedes Ereignisses umfasse, das die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer beeinträchtige, unabhängig davon, ob dieses Ereignis oder dessen Folgen auf irgendein fahrlässiges Verhalten des Arbeitgebers beim Erlass der vorbeugenden Maßnahmen zurückgeführt werden könne.

215    Selbst wenn man davon ausgeht, dass die verschuldensunabhängige Haftung der Kommission grundsätzlich geltend gemacht werden kann, so wäre festzustellen, dass diese Form objektiver Haftung des Arbeitgebers, die auf der Verpflichtung zur Beseitigung der Folgen einer berufsbedingten Gefahr, nicht aber auf der Feststellung eines schuldhaften Verhaltens des Arbeitgebers beruht, dessen Folgen der Arbeitgeber zu beseitigen hat, bereits der Verpflichtung des Organs zugrunde liegt, dem Beamten oder seinen Hinterbliebenen im Fall eines Unfalls in Ausübung des Dienstes, einer Berufskrankheit oder des Todes die statutsmäßigen Leistungen zu erbringen. Ohne dass der Nachweis erbracht werden müsste, dass das Organ in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber schuldhaft gehandelt hat, erhalten der Beamte oder seine Hinterbliebenen eine pauschale Entschädigung, um die Folgen dieser Ereignisse auszugleichen. Das nach ständiger Rechtsprechung bestehende Erfordernis, dass ein schuldhaftes Verhalten nachgewiesen werden muss, damit der Beamte oder seine Hinterbliebenen zusätzlich zu den statutsmäßigen Leistungen eine Entschädigung zum vollständigen Ausgleich des nach ihrer Ansicht erlittenen Schadens erhalten, zeigt, dass das Bestehen der außervertraglichen Haftung der Verwaltung von dem Vorliegen eines Amtsfehlers oder eines Rechtsverstoßes abhängig ist.

216    Nach alledem kann der Kläger beim Gericht nicht mit Erfolg die Feststellung beantragen, dass die Voraussetzungen einer verschuldensunabhängigen Haftung der Kommission vorliegen.

217    Somit ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, ohne dass über seine Zulässigkeit entschieden zu werden braucht.

C –  Zum dritten Klagegrund: Verpflichtung der Kommission zum solidarischen Ersatz der erlittenen Schäden nach Art. 24 des Statuts

1.     Vorbringen der Parteien

218    Der Kläger macht hilfsweise geltend, die Kommission müsse jedenfalls nach Art. 24 Abs. 2 des Statuts den Schaden ersetzen, den ihr Beamter aufgrund seiner Dienststellung oder seines Amtes erlitten habe. Der Doppelmord stehe objektiv in einem kausalen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Sohnes des Klägers auf dem marokkanischen Hoheitsgebiet, wo er sich wegen seines Amtes aufgehalten habe. Dieser Mord sei ferner in einer Wohnung begangen worden, die die Kommission ausgewählt habe. Die Kommission hätte unter den außergewöhnlichen Umständen des vorliegenden Falles auch ohne entsprechenden Antrag von sich aus tätig werden müssen und den Schaden, der dem Beamten und seiner Ehefrau durch einen Dritten entstanden sei, solidarisch ersetzen müssen.

219    Die Kommission trägt, wie ausgeführt, vor, dieser Klagegrund sei unzulässig, da er in dem ursprünglichen Schadensersatzantrag nicht geltend gemacht worden sei. Zur Begründetheit führt die Kommission aus, dass die dramatischen Ereignisse, die zum Tod des Sohnes des Klägers geführt hätten, in keinem Bezug zu dessen Dienststellung als Beamter ständen und dass daher die Voraussetzung nach Art. 24 Abs. 2 des Statuts in der Auslegung der Rechtsprechung, wonach der Beamte aufgrund der genannten Dienststellung einen Schaden erlitten haben müsse, nicht erfüllt sei.

2.     Würdigung durch das Gericht

220    Wie der Gerichtshof entschieden hat, soll Art. 24 des Statuts den Beamten und Bediensteten im aktiven Dienst Sicherheit für die Gegenwart und die Zukunft geben, damit sie ihre Aufgaben im allgemeinen dienstlichen Interesse besser erfüllen können (vgl. Urteil Sommerlatte/Kommission, Randnr. 19).

221    Nach Art. 24 des Statuts und nach der Rechtsprechung dazu sind die Organe der Union aufgrund dieser Vorschrift lediglich verpflichtet, ihren Beamten bei Handlungen Dritter Beistand zu leisten, die aufgrund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie gerichtet werden (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 1988, Hamill/Kommission, 180/87, Randnr. 15; Urteil des Gerichts erster Instanz vom 27. Juni 2000, K/Kommission, T‑67/99, Randnr. 32).

222    Im vorliegenden Fall liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Art. 24 des Statuts, die mit dem Urheber der Straftat im Zusammenhang stehen, unstreitig vor. Der Sohn des Klägers war das Opfer von Handlungen eines Dritten.

223    Art. 24 des Statuts verlangt jedoch auch, dass die Dienststellung des Klägers oder sein Amt die Grundlage der betreffenden Handlungen bilden. Wegen dieser Dienststellung oder dieses Amtes müssen die Handlungen, in Bezug auf die der Beistand begehrt wird, begangen worden sein, denn das Organ ist sowohl um den Schutz seines Personals als auch um den Schutz seiner eigenen Interessen bemüht. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass eine Beistandspflicht nicht bei Zwangsmaßnahmen nationaler Polizeibehörden gegen die Person eines Beamten angenommen werden kann, die durch das persönliche Verhalten dieses Beamten veranlasst waren, der wegen eines Delikts verfolgt wurde, das mit der Ausübung seiner Amtstätigkeit nichts zu tun hatte (Urteil Hamill/Kommission, Randnrn. 16 und 17). Ebenfalls ist festgestellt worden, dass allein die Tatsache, dass ein Kind wegen der Zughörigkeit eines Elternteils zum öffentlichen Dienst der Union in einen Kindergarten aufgenommen wurde, wo es schweren Misshandlungen ausgesetzt war, nicht den Schluss zulässt, dass der Zusammenhang zwischen den Handlungen des betreffenden Dritten und der Dienststellung des genannten Elternteils bewiesen wäre (Urteil K/Kommission, Randnrn. 36 bis 38).

224    Im vorliegenden Rechtsstreit jedoch wurde der Sohn des Klägers nicht wegen seiner Dienststellung oder seines Amtes getötet. Wie ausgeführt, war er das Opfer eines gewöhnlichen Straftäters, der ihm, seiner Ehefrau und seinem Vermögen Schaden zufügte, ohne von der Dienststellung seines Opfers als Beamter der Union oder von der Art seines Amtes zu wissen. Der Täter nahm wahrscheinlich an, dass die Bewohner der Villa, in der er seine Straftaten beging, einen höheren Lebensstandard hatten als der durchschnittliche Bewohner von Rabat. Aber weder dieser Umstand noch die Abordnung des Sohnes des Klägers nach Marokko noch auch das Bewohnen einer Wohnung, die die Kommission ausgewählt hatte, lassen den Schluss zu, dass der Beamte wegen dieser Dienststellung oder wegen dieses Amtes zur Zielscheibe wurde.

225    Der Kläger kann sich daher nicht mit Erfolg auf Art. 24 des Statuts berufen.

226    Selbst wenn man unterstellt, dass der Sohn des Klägers das Opfer eines Mordes war, der wegen seines Amtes begangen wurde, so ist das Gericht jedenfalls der Auffassung, dass die statutsmäßigen Leistungen, die für den Fall des Todes eines Beamten vorgesehen werden, insbesondere nach Art. 7 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Gemeinsamen Regelung („Als Unfälle im Sinne [der Gemeinsamen Regelung] gelten …: … die Folgen von Angriffen und Anschlägen auf die Person des Versicherten …“) die Schutzpflicht konkretisieren, die jedes Organ als Arbeitgeber und aufgrund des Art. 24 des Statuts gegenüber seinen Beamten und dessen Hinterbliebenen zu erfüllen hat. Der Kläger behauptet indessen nicht, dass ihm zu Unrecht eine der nach dem Statut vorgesehenen Garantien vorenthalten worden sei. Ferner hat die Kommission von der Möglichkeit nach Art. 76 des Statuts Gebrauch gemacht, in besonderen Fällen den betroffenen Personen eine außergewöhnliche Hilfe zu gewähren. Die Kommission ist somit ihrer Beistands- und Schutzpflicht nach Art. 24 des Statuts ordnungsgemäß nachgekommen.

227    Jedenfalls kann der Kläger somit nicht mit Erfolg geltend machen, die Kommission habe gegen die genannte Vorschrift des Statuts verstoßen. Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen, ohne dass über die gegen ihn erhobene Einrede der Unzulässigkeit entschieden zu werden braucht.

228    Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

 Kosten

229    Nach Art. 87 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist vorbehaltlich der übrigen Bestimmungen des Achten Kapitels des Zweiten Titels der Verfahrensordnung die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Abs. 2 dieses Artikels kann das Gericht aus Gründen der Billigkeit entscheiden, dass eine unterliegende Partei zur Tragung nur eines Teils der Kosten oder gar nicht zur Tragung der Kosten zu verurteilen ist. Nach Art. 88 der Verfahrensordnung kann eine Partei, auch wenn sie obsiegt, zur Tragung eines Teils der Kosten oder sämtlicher Kosten verurteilt werden, wenn dies wegen ihres Verhaltens, auch vor Klageerhebung, gerechtfertigt erscheint; dies gilt insbesondere, wenn sie der Gegenpartei Kosten ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

230    Im vorliegenden Verfahren hat die Kommission trotz der von ihr geltend gemachten berechtigten Gründe der Vertraulichkeit den Verfahrensablauf erheblich verzögert, indem sie sich zunächst geweigert hat, dem Gericht bestimmte Dokumente und Informationen zu übermitteln, und das Gericht gezwungen hat, eine zweite mündliche Verhandlung anzuberaumen. Die Kommission hat auch dem Gericht in mehreren Punkten unzutreffende Antworten gegeben, namentlich mit der Behauptung, dass es keine Vorschriften über die für Wohnungen des Delegationspersonals in Drittländern geltenden Sicherheitsmaßnahmen gebe und dass die Maßnahmen, die der Verfasser der schriftlichen Antwort vom 6. August 2007 angeführt habe, keine Bedeutung für Handlungen hätten, die im vorangegangenen Jahr begangen worden seien. Der Widerstand der Kommission gegen die Heranziehung des für die Entscheidung des Rechtsstreits wichtigen Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien durch das Gericht, den sie erst in der zweiten mündlichen Verhandlung aufgegeben hat, offenbart ein Verhalten, das mit den Regeln über einen fairen Prozess kaum zu vereinbaren ist. Dieses Verhalten der Kommission in einem für den Kläger so schmerzhaften Verfahren ist umso weniger angemessen, als die Kommission vor Klageerhebung Anstand und Fürsorge an den Tag legte.

231    Im Übrigen durfte sich der Kläger für klageberechtigt halten. Zum einen hat das Gericht festgestellt, dass die Kommission einen ihre Haftung auslösenden Fehler beging. Zum anderen konnte das Verhalten der Kommission während des Verfahrens beim Kläger die Überzeugung wecken, dass die Kommission ihm die Ursachen der Ermordung seines Sohnes und seiner Schwiegertochter teilweise verschleiert hatte.

232    Es erscheint daher bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, der Kommission neben ihren eigenen Kosten die angemessenen und ordnungsgemäß begründeten Kosten des Klägers aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT FÜR DEN ÖFFENTLICHEN DIENST
(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Klage wird abgewiesen.

2.      Die dem Gericht im Verfahren von der Europäischen Kommission übermittelten Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien werden der Europäischen Kommission unverzüglich als vertrauliche Verschlusssache mit dem Vermerk „EU – Nur für den Dienstgebrauch“ rückübermittelt.

3.      Die Europäische Kommission trägt die gesamten Kosten.

Gervasoni

Kreppel

Rofes i Pujol

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Mai 2011.

Die Kanzlerin

 

       Der Präsident

W. Hakenberg

 

       S. Gervasoni

Inhaltsverzeichnis


Rechtlicher Rahmen

Sachverhalt

Anträge der Parteien und Verfahren

Rechtliche Würdigung

I – Zum Gegenstand der Klage

II – Zur Zulässigkeit

A – Vorbringen der Parteien

B – Würdigung durch das Gericht

III – Zur Begründetheit

A – Zum ersten Klagegrund: Verstoß der Kommission gegen ihre Pflicht, für den Schutz ihres Beamten zu sorgen

1. Vorbringen der Parteien

2. Würdigung durch das Gericht

a) Zu dem Einwand der Kommission, die angeblichen Schäden seien bereits vollständig ersetzt

b) Zu der Rüge, die Kommission habe gegen ihre Verpflichtung verstoßen, für die Sicherheit des verstorbenen Beamten und seiner Familie zu sorgen

Zu den Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Kommission

Zum Umfang des Ermessens, das der Kommission bei der Sorge um die Sicherheit ihrer in einer Delegation in einem Drittland beschäftigten Beamten zur Verfügung steht

Zum Vorliegen eines Mangels bei der Durchführung angemessener Schutzmaßnahmen

– Zum Antrag des Klägers auf Einsichtnahme in die Auszüge aus dem Dokument von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien

– Zur Verwendung des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien durch das Gericht

– Zur Anwendbarkeit des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien auf die vorläufige Wohnung, die dem Sohn des Klägers und seiner Familie überlassen wurde

– Zur rechtlichen Tragweite des Dokuments von 2006 über die Sicherheitsnormen und ‑kriterien

– Zum Vorliegen einer Pflichtverletzung der Kommission

Zum Kausalzusammenhang und zum Vorliegen eines Haftungsbefreiungsgrundes (Pflichtverletzung der Opfer und Handlung eines Dritten)

Zum Schaden

B – Zum zweiten Klagegrund: Haftung der Kommission aufgrund eines rechtmäßigen Handelns auch ohne Verschulden

1. Vorbringen der Parteien

2. Würdigung durch das Gericht

C – Zum dritten Klagegrund: Verpflichtung der Kommission zum solidarischen Ersatz der erlittenen Schäden nach Art. 24 des Statuts

1. Vorbringen der Parteien

2. Würdigung durch das Gericht

Kosten


* Verfahrenssprache: Italienisch.