Language of document : ECLI:EU:C:2019:38

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 17. Januar 2019(1)

Rechtssache C706/17

AB „Achema“,

AB „Orlen Lietuva“,

AB „Lifosa“

gegen

Valstybinė kainų ir energetikos kontrolės komisija (VKEKK),

Beigeladene:

Lietuvos Respublikos energetikos ministerija,

UAB „BALTPOOL“

(Vorabentscheidungsersuchen des Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas [Oberstes Verwaltungsgericht Litauens])

„Staatliche Beihilfen – Begriff ‚staatliche Mittel‘ – Selektivität – Beeinträchtigung des Handels – Verfälschung des Wettbewerbs – Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Elektrizitätssektor – Altmark-Kriterien“






1.        Mit seinen Fragen möchte der Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) im Wesentlichen wissen, ob bestimmte Aspekte der litauischen Regelung über die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (im Folgenden: DAI) im Elektrizitätssektor und ihre Finanzierung (im Folgenden: DAI-Regelung) als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sind.

2.        Der vorliegende Fall bietet dem Gerichtshof die Gelegenheit, seine Rechtsprechung insbesondere zum Begriff „staatliche Mittel“ und zu den entsprechenden Kriterien, wie sie im Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (im Folgenden: Urteil Altmark)(2), entwickelt wurden, zu konkretisieren.

I.      Rechtlicher Rahmen

A.      Litauisches Recht

3.        Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts sind die einschlägigen Vorschriften des nationalen Rechts in den folgenden Rechtsakten (in ihrer zur maßgeblichen Zeit geltenden Fassung) enthalten: dem Elektros energijos įstatymas Nr. VIII 1881 (litauisches Elektrizitätsgesetz Nr. VIII 1881) vom 20. Juli 2000, dem Lietuvos Respublikos atsinaujinančių išteklių energetikos įstatymas Nr. XI 1375 (litauisches Gesetz über Energie aus erneuerbaren Quellen Nr. XI 1375) vom 12. Mai 2011, dem Lietuvos Respublikos elektros energetikos sistemos integracijos į Europos elektros energetikos sistemas įstatymas Nr. XI 2052 (litauisches Gesetz über die Integration des Stromnetzes in die europäischen Stromnetze Nr. XI 2052) vom 12. Juni 2012 und dem Lietuvos Respublikos atsinaujinančių išteklių energetikos įstatymo 2, 11, 13, 14, 16, 20, 21 straipsnių pakeitimo ir papildymo įstatymas Nr. XII 169 (litauisches Gesetz zur Durchführung des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Art. 2, 11, 13, 14, 16, 20 und 21 des Gesetzes über Energie aus erneuerbaren Quellen Nr. XII 169) vom 17. Januar 2013 sowie den Rechtsakten zur Durchführung dieser Gesetze, insbesondere dem Lietuvos Respublikos Vyriausybės nutarimas Nr. 916 „Dėl viešuosius interesus atitinkančių paslaugų elektros energetikos sektoriuje teikimo tvarkos aprašo patvirtinimo“ (Regierungsbeschluss Nr. 916 zur Annahme des Verfahrens für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor) vom 18. Juli 2012 und dem Vyriausybės nutarimas Nr. 1157 „Viešuosius interesus atitinkančių paslaugų elektros energetikos sektoriuje lėšų administravimo tvarkos aprašas“ (Regierungsbeschluss Nr. 1157 über das Verfahren zur Verwaltung der Gelder für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor) vom 19. September 2012 (im Folgenden: einschlägige nationale Rechtsvorschriften).

4.        Die Vorschriften dieser Rechtsakte werden – soweit sie für das vorliegende Verfahren relevant sind – unten in den Nrn. 12 bis 15 zusammenfassend dargestellt.

II.    Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

5.        Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens – die AB „Achema“, die AB „Orlen Lietuva“ und die AB „Lifosa“ (im Folgenden: Achema u. a.) – sind in der Republik Litauen registrierte und tätige Gesellschaften, die unter anderem Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen betreiben. Den in diesen Anlagen erzeugten Strom verwenden sie zur Deckung ihres eigenen Energiebedarfs sowie zur Versorgung anderer Unternehmen. Zusätzlich kaufen sie Strom bei in Litauen tätigen eigenständigen Erzeugern ein.

6.        Wie jeder Stromverbraucher mussten Achema u. a. gemäß der geltenden nationalen gesetzlichen Regelung einen bestimmten Betrag für die ihnen gegenüber im Jahr 2014 erbrachten DAI zahlen.

7.        Achema u. a. erhoben Klagen beim Vilniaus apygardos administracinis teismas (Regionales Verwaltungsgericht Vilnius, Litauen) auf Nichtigerklärung der Nrn. 1.2 bis 1.4, 1.7, 2 und 3 des Beschlusses der Valstybinė kainų ir energetikos kontrolės komisija (staatliche Kommission für Preis- und Energiekontrolle, im Folgenden: staatliche Kommission) vom 11. Oktober 2013 (in der durch den Beschluss Nr. O3‑704 vom 22. November 2013 geänderten Fassung) (im Folgenden: angefochtener Beschluss). In dem angefochtenen Beschluss hatte die staatliche Kommission die Höhe der zu leistenden Zahlungen für DAI erbringende Elektrizitätsunternehmen (im Folgenden: DAI-Erbringer) für das Jahr 2014 (Nr. 1) und den DAI-Preis für litauische (End‑)Stromverbraucher, einschließlich der Klägerinnen (Nrn. 2 und 3), festgelegt.

8.        Mit Urteil vom 9. Februar 2016 wies das Gericht die Klage von Achema u. a. als unbegründet ab.

9.        Gegen dieses Urteil legten Achema u. a. beim Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) ein Rechtsmittel ein. Aufgrund seiner Zweifel hinsichtlich der Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Bestimmungen hat dieses Gericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der gesetzliche Rahmen für die DAI-Regelung auf der Grundlage der einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften in ihrer 2014 geltenden Fassung, oder Teile davon, insbesondere im Hinblick auf die folgenden Fragen als staatliche Beihilfe (staatliche Beihilferegelung) im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen:

–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, dahin auszulegen, dass DAI-Gelder (nicht) als staatliche Mittel anzusehen sind?

–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass der Fall, dass Netzbetreiber (Unternehmen) verpflichtet werden, Strom von Stromerzeugern zu einem Festpreis (Tarif) abzunehmen und/oder den Strom bzw. entsprechende Schwankungen auszugleichen, und für die den Netzbetreibern aus dieser Verpflichtung entstehenden Verluste ein Ausgleich aus Geldern geleistet wird, die möglicherweise staatlichen Mitteln zuzurechnen sind, nicht als Gewährung einer Beihilfe an Stromerzeuger aus staatlichen Mitteln anzusehen ist?

–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, folgende Unterstützungsleistungen (nicht) als selektiv und/oder geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, anzusehen sind: Unterstützungsleistungen, die einem Unternehmen gewährt werden, das ein Projekt von strategischer Bedeutung, wie etwa das NordBalt-Projekt, durchführt; Unterstützungsleistungen, die Unternehmen gewährt werden, die für einen bestimmten Zeitraum mit der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit beauftragt sind; Unterstützungsleistungen als Ausgleich für Marktbedingungen widerspiegelnde und tatsächlich entstandene Verluste von Personen, wie etwa den vorliegend in Rede stehenden Entwicklern von Solar-Photovoltaikanlagen, die sich daraus ergeben, dass der Staat (aufgrund geänderter nationaler Regelungen) gegebene Zusagen nicht mehr erfüllen will; Unterstützungsleistungen, die Unternehmen (Netzbetreibern) mit dem Ziel gewährt werden, tatsächliche Verluste auszugleichen, die aus der Erfüllung ihrer Verpflichtung entstanden sind, Strom von DAI erbringenden Stromerzeugern zu einem Festpreis abzunehmen und den Strom auszugleichen?

–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die in Rede stehende DAI-Regelung (oder Teile davon) die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils Altmark des Gerichtshofs der Europäischen Union aufgestellten Kriterien (nicht) erfüllt?

–        Ist Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die DAI-Regelung (oder Teile davon) den Wettbewerb (nicht) verfälscht oder zu verfälschen droht?

10.      Schriftliche Erklärungen sind im vorliegenden Verfahren von Achema, Baltpool, der litauischen Regierung sowie der Kommission eingereicht worden. Sie haben in der Sitzung vom 6. November 2018 auch mündlich vorgetragen.

III. Würdigung

11.      Vor der konkreten Prüfung der durch das vorliegende Verfahren aufgeworfenen Fragen erscheint es mir zweckdienlich, kurz die wesentlichen Aspekte der litauischen Regelung für DAI im Elektrizitätssektor – wie sie vom vorlegenden Gericht erläutert wurde – darzustellen und dann einige einleitende Bemerkungen zu machen.

A.      Die litauische DAI-Regelung

12.      Laut dem vorlegenden Gericht sind DAI im Wesentlichen Leistungen oder Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit und gemäß den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften ausgeführt werden. Zu den DAI zählten im maßgeblichen Zeitraum u. a.: die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen und ihr Ausgleich, die Stromerzeugung im Kraft-Wärme-Kopplungsbetrieb in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, soweit diese Anlagen Wärme an Fernwärmenetze geliefert haben und die Primärenergieersparnis eine kombinierte Wärme- und Energieerzeugung effizient erscheinen ließ, die Stromerzeugung in spezifizierten Anlagen, soweit die Stromerzeugung erforderlich war, um die Stromversorgungssicherheit zu gewährleisten, die Durchführung strategischer Vorhaben im Elektrizitätssektor im Zusammenhang mit der Verbesserung der Energiesicherheit durch den Bau von Verbindungsleitungen zu Stromnetzen anderer Staaten und/oder durch Verbindung der Stromnetze der Republik Litauen mit Stromnetzen anderer Mitgliedstaaten (wie das Projekt „Netzübergreifende Stromverbindung zwischen Litauen und Schweden“, im Folgenden: NordBalt) sowie die Entwicklung des Solar-Photovoltaikanlagenprojekts.

13.      Entsprechend den gesetzlich festgelegten Verfahren ermitteln die zuständigen litauischen Behörden jährlich die jeweiligen DAI-Erbringer, konkretisieren den Anwendungsbereich der DAI-Regelung und legen die Modalitäten und die Höhe der für die erbrachten DAI geschuldeten Kompensationszahlung fest. Alle Stromverbraucher zahlen den DAI-Preis in der von der staatlichen Kommission festgesetzten Höhe je nach dem tatsächlichen Stromverbrauch für den eigenen Bedarf. Die Zahlung des DAI-Preises ist entweder im Preis für den abgenommenen Strom enthalten oder separat an die Netzbetreiber zu leisten.

14.      Die litauischen Netzbetreiber geben die von den Stromverbrauchern vereinnahmten Gelder (im Folgenden: DAI-Gelder) weiter an die Verwalterin der DAI-Gelder, die UAB „Baltpool“, eine privatrechtliche juristische Person in Staatsbesitz. Baltpool wiederum leistet den DAI-Erbringern gemäß dem gesetzlich festgelegten Verfahren Zahlungen für deren Dienstleistungen. Baltpool wird nicht aus öffentlichen Geldern finanziert, ihre Verwaltungskosten werden durch die DAI-Gelder gedeckt.

15.      Die DAI-Gelder können nur für die Zahlungen an die DAI-Erbringer und nicht für andere Zwecke verwendet werden; sie sind nicht Teil des Staatshaushalts. Ausstehende Beträge von Verbrauchern, die den DAI-Preis nicht zahlen, werden im Wege des allgemeinen zivilrechtlichen Verfahrens eingetrieben. Diese Verbraucher haften nicht nach öffentlich-rechtlichen Regelungen.

B.      Vorbemerkungen

16.      Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu betonen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Tragweite der Unionsbestimmungen zu erläutern, um diesem eine ordnungsgemäße Anwendung dieser Bestimmungen auf den ihm vorliegenden Sachverhalt zu ermöglichen, nicht aber, diese Anwendung selbst vorzunehmen, zumal er nicht immer über die hierfür erforderlichen Angaben verfügt(3). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die nationalen Gerichte den Begriff „staatliche Beihilfe“ selbst auslegen und anwenden dürfen und dass es in bei ihnen anhängigen Verfahren an ihnen ist, das Vorliegen der in Art. 107 Abs. 1 AEUV verankerten Voraussetzungen zu prüfen(4).

17.      Diese „Arbeitsteilung“ zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist von äußerster Wichtigkeit. Dies gilt erst recht in einem Fall wie dem vorliegenden: Die im Ausgangsverfahren anwendbaren nationalen Regelungen sind ziemlich komplex und enthalten verschiedene Maßnahmen, die zumindest potenziell in den Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fallen könnten. Des Weiteren befragt das nationale Gericht den Gerichtshof bei einigen Problemstellungen zu Aspekten, die hauptsächlich faktischer und eher technischer Natur sind, im Grunde mit dem Ziel, der Gerichtshof möge seiner Bewertung beipflichten. Wie jedoch Baltpool in der mündlichen Verhandlung zutreffend vorgetragen hat, verfügt der Gerichtshof nicht über die notwendigen Angaben und anderen sachverhaltsrelevanten Informationen, um die vorläufigen Ergebnisse des nationalen Gerichts zu bestätigen oder für falsch zu erklären. Es ist daher Sache des nationalen Gerichts, zu diesen Aspekten die endgültigen Feststellungen zu treffen, und zwar im Licht der vom Gerichtshof gegebenen Hinweise zur Bedeutung und zum Anwendungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV.

18.      Als Nächstes mag auch der Hinweis sachdienlich sein, dass die Qualifizierung als „staatliche Beihilfe“ im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass alle in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um eine staatliche Maßnahme oder eine Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel handeln. Zweitens muss die Maßnahme geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Drittens muss dem Begünstigten durch sie ein selektiver Vorteil gewährt werden. Viertens muss sie den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen(5).

19.      Nach diesen Vorbemerkungen komme ich nun zur Würdigung der mit den Vorlagefragen aufgeworfenen rechtlichen Probleme.

C.      Zur ersten Frage

20.      Die erste Vorlagefrage betrifft die erste der oben in Nr. 18 genannten Voraussetzungen. Mit ihr möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin gehend auszulegen ist, dass Gelder wie die DAI-Gelder als staatliche Mittel anzusehen sind.

21.      Nach meiner Ansicht muss diese Frage bejaht werden.

22.      Zunächst ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung Vergünstigungen nur dann als Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingestuft werden können, wenn sie zum einen unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und zum anderen dem Staat zuzurechnen sind(6).

23.      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Maßnahmen, deren Beihilfecharakter zur Prüfung steht, aus Gesetzes- bzw. Verordnungsvorschriften der litauischen Staatsorgane hervorgehen. Diese Maßnahmen können daher dem Staat zugerechnet werden.

24.      Die eigentliche Frage besteht aber darin, ob bei diesen Maßnahmen staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV zum Einsatz kommen.

25.      Es ist klar, dass der Begriff „staatliche Mittel“ sämtliche finanziellen Mittel umfasst, die der Staat zur Unterstützung von Unternehmen aufwendet: Dies sind nicht nur Gelder, die unmittelbar oder mittelbar aus dem Staatshaushalt fließen, oder Einnahmen, auf die der Staat verzichtet, sondern auch solche Mittel, die, auch wenn sie nicht auf Dauer dem Staat gehören, ständig unter staatlicher Kontrolle stehen(7). Einfacher gesagt sind dies Gelder, die zwar von Privaten stammen, aber vom Staat, im Namen des Staates oder kraft einer staatlichen Maßnahme eingezogen und den zuständigen nationalen Behörden zugänglich gemacht werden, denen die Entscheidung über ihre letztliche Verwendung zusteht.

26.      Dies scheint auch bei den DAI-Geldern im Rahmen der litauischen DAI-Regelung der Fall zu sein.

27.      Ab dem Zeitpunkt ihrer Einziehung bei den Stromverbrauchern bis zu ihrer Verteilung unter den DAI-Erbringern stehen die DAI-Gelder unter staatlicher Kontrolle. Insbesondere sind es die Behörden, die bestimmen, welche Dienstleistungen in einem bestimmten Jahr als DAI gelten, und die die Unternehmen auswählen, die als DAI-Erbringer einzustufen sind. Auch die Höhe des von den Stromverbrauchern für die DAI zu zahlenden Betrags wird von einer staatlichen Behörde, der staatlichen Kommission, festgesetzt. Nach Einziehung der DAI-Gelder durch die Stromnetzbetreiber werden sie an Baltpool weitergegeben, eine juristische Person, die zwar als privatrechtliche Gesellschaft errichtet wurde, jedoch im Staatseigentum steht. Baltpool verwaltet die erhaltenen Gelder und verteilt sie anhand der gesetzlich festgelegten Kriterien an die DAI-Erbringer, wobei sie einen Teil der Gelder zur Deckung der eigenen Verwaltungskosten einbehält. Der gesamte Lebenszyklus der DAI-Gelder ist also streng reguliert.

28.      Der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens ist daher von den in anderen Urteilen des Gerichtshofs, z. B. in den Rechtssachen PreussenElektra(8) und ENEA(9), die ebenfalls nationale Unterstützungsleistungen für erneuerbare Energien betrafen, geprüften Sachverhalten zu unterscheiden. In jenen Urteilen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die bloße vom Staat privaten Unternehmen auferlegte Verpflichtung zur Abnahme von Strom zu einem Preis über dem üblichen Marktpreis keine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. In jenen Fällen war entscheidend, dass es dort – im Gegensatz zu der hier vorliegenden DAI-Regelung – keinen staatlich verwalteten Finanzierungsvorgang gab. Es gab weder eine Einziehung noch Verteilung der von den Stromverbrauchern gezahlten Gelder, über die der Staat in irgendeiner Weise eine Kontrolle ausüben konnte.

29.      Genauso wenig ist die litauische DAI-Regelung mit den Maßnahmen vergleichbar, die der Gerichtshof in den Urteilen Pearle u. a.(10) und Doux Élevage(11) geprüft hat.

30.      Auch wenn in jenen Rechtssachen die finanziellen Beiträge bzw. Abgaben, die bestimmte Unternehmen zu zahlen hatten, gesetzlich festgesetzt und von juristischen Personen eingezogen und verwaltet wurden, denen der Staat bestimmte Befugnisse übertragen hatte, hat der Gerichtshof entschieden, dass diese Maßnahmen nicht in den Geltungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV fielen. In beiden Fällen diente die juristische Person, die die Mittel verwaltete, allerdings als bloßes Vehikel für die Einziehung und Verteilung der Gelder, die für Tätigkeiten bestimmt waren, die im kommerziellen Interesse derjenigen Unternehmen standen, die die Beiträge bzw. Abgaben zahlen mussten(12). Diese Pflichtbeiträge bzw. -abgaben waren also auf Initiative von privaten Unternehmen eingeführt worden, die dann auch über ihre letztliche Verwendung entschieden. Weder in der Rechtssache Pearle u. a. noch in der Rechtssache Doux Élevage mussten die eingezogenen Gelder nach den Weisungen staatlicher Behörden oder zur Förderung eines von den Behörden festgelegten Ziels im Allgemeininteresse verwendet werden(13).

31.      Im Gegensatz dazu stellt Baltpool nach den hier einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften in keiner Weise ein „Vehikel“ dar, das nach Weisung und für die kommerziellen Zwecke der Unternehmen handelt, die zur Zahlung verpflichtet sind. Stattdessen verwendet Baltpool die eingezogenen Gelder nach Maßgabe eines staatlichen Planes. Aus wirtschaftlicher Sicht sind die Begünstigten der subventionierten Tätigkeiten nicht diejenigen, die die Unterstützungsmaßnahmen finanzieren. Es findet also – unter Aufsicht des Staates – ein Transfer von Mitteln von den Verbrauchern an bestimmte Unternehmen statt.

32.      Dass Baltpool keinerlei Ermessen hinsichtlich der Verwendung der eingezogenen Mittel hat, ändert nichts an der Tatsache, dass die Entscheidung darüber von den staatlichen Behörden getroffen wird(14). Wie oben in Nr. 27 beschrieben, müssen die eingezogenen Gelder genau entsprechend den in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften gemachten Vorgaben eingesetzt werden. Dies zeigt, dass die DAI-Gelder unter staatlicher Kontrolle stehen.

33.      In diesem Zusammenhang ist es auch kaum von Belang, dass Baltpool die Zivilgerichte gemäß dem ordentlichen Gerichtsverfahren anrufen muss, wenn Verbraucher die geschuldeten Beträge nicht zahlen. Nach meiner Ansicht hängt dies gezwungenermaßen damit zusammen, dass die litauischen Behörden die Einziehung der DAI-Gelder den Netzbetreibern und die Verwaltung der Gelder einer privatrechtlichen juristischen Person übertragen haben. Dieser Aspekt, den der Gerichtshof bei der Bestimmung des Charakters von privatrechtlichen Zusammenschlüssen von Branchenorganisationen in der Rechtssache Doux Élevage(15) berücksichtigt hat, ist im vorliegenden Fall nicht relevant. Es bestehen nämlich keine Zweifel daran, dass Baltpool, auch wenn sie in Form einer privatrechtlichen Gesellschaft errichtet wurde, unter staatlicher Kontrolle steht und bei der Verwendung der DAI-Gelder an die Vorgaben in den einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften gebunden ist(16).

34.      Ich bin der Auffassung, dass die litauische DAI-Regelung der französischen Regelung im Stromsektor, die der Gerichtshof in der Rechtssache Association Vent de Colère! u. a. geprüft hat, im Kern stark ähnelt(17). In jener Rechtssache hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Mechanismus, mit dem die Mehrkosten, die Unternehmen durch eine Abnahmepflicht für Strom aus Windkraftanlagen zu einem Preis über dem Marktpreis entstehen, vollständig ausgeglichen werden und dessen Finanzierung von den Endverbrauchern getragen wird, als staatliche Maßnahme oder als Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Nach meinem Verständnis war der Hauptgrund für dieses Ergebnis, dass die von den Verbrauchern eingezogenen Beträge – deren Höhe vom Minister für Energie festgesetzt wurde – der Caisse des dépôts et consignations anvertraut wurden, einer öffentlichen Einrichtung, die bei der Verwaltung der Gelder als zwischengeschaltete Stelle agierte(18). Tatsächlich konnte in der mündlichen Verhandlung weder die litauische Regierung noch Baltpool eine aussagekräftige Antwort auf die Frage geben, ob es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem vom Gerichtshof in der Rechtssache Association Vent de Colère! u. a. geprüften Sachverhalt und dem im Ausgangsverfahren maßgebenden Sachverhalt gibt.

35.      Weiter gestützt wird die Ansicht, dass die DAI-Gelder nach den unionsrechtlichen Beihilferegeln als staatliche Beihilfen anzusehen sind, durch das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a.(19). In jener Rechtssache – einer Vorlage eines niederländischen Gerichts – hat der Gerichtshof festgestellt, dass mit nationalen Vorschriften über die Erhebung eines von den Verbrauchern zu tragenden Aufschlags auf den Preis für den Transport von Elektrizität, der durch die Netzbetreiber eingezogen und an ein bestimmtes Unternehmen, das mit der Verwaltung und Verteilung betraut war, weitergeleitet wurde, staatliche Mittel im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV eingesetzt wurden.

36.      Es trifft zu, dass die Maßnahmen, die der Gerichtshof in Rechtssachen wie PreussenElektra und ENEA(20) geprüft hat, den in Rechtssachen wie Essent Netwerk Noord u. a. und Association Vent de Colère! u. a.(21) geprüften bei rein wirtschaftlicher Betrachtung sehr ähnlich erscheinen mögen. Wie Generalanwalt Mengozzi in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a. ausgeführt hat, müssen diese Maßnahmen indessen aus rechtlicher Sicht ganz anders eingestuft werden(22). Auch wenn Art. 107 Abs. 1 AEUV lediglich die Wirkung der staatlichen Maßnahmen betrifft, ist es eine Binsenweisheit, dass sich die Art und Weise, wie eine Maßnahme strukturiert ist und zum Einsatz kommt, darauf auswirken kann, welcher Rechtsrahmen einschlägig ist. Es kann zum Beispiel sein, dass eine staatliche Maßnahme nicht als Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV einzustufen ist, aber – je nach den Umständen – auf ihre Vereinbarkeit mit den Verträgen nach Maßgabe anderer unionsrechtlicher Vorschriften, wie zum Beispiel der Regelungen über den Binnenmarkt, geprüft werden muss(23).

37.      Vor diesem Hintergrund sollte die erste Frage nach meiner Auffassung dahin gehend beantwortet werden, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Art. 107 Abs. 1 AEUV so auszulegen ist, dass DAI-Gelder, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, als staatliche Mittel einzustufen sind.

D.      Zur zweiten Frage

38.      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, wer als Begünstigter der mit den DAI-Geldern gewährten Beihilfe anzusehen ist, soweit die einschlägigen Maßnahmen im Rahmen der DAI-Regelung die Stromnetzbetreiber verpflichten, Strom von DAI-Erbringern zu einem Festpreis abzunehmen und den von ihnen erzeugten Strom auszugleichen. Das vorlegende Gericht fragt sich insbesondere, wer einen wirtschaftlichen Vorteil aus den DAI-Geldern zieht, die Netzbetreiber oder die Stromerzeuger.

39.      Nach meiner Auffassung sind die (mittelbar) Begünstigten dieser Maßnahme die Stromerzeuger, nicht die Netzbetreiber.

40.      Im Zusammenhang mit der Maßnahme, die Gegenstand der zweiten Vorlagefrage ist, sind die DAI-Gelder – nach meinen Verständnis – nämlich nur dafür da, die zusätzlichen Kosten auszugleichen, die die Netzbetreiber gegebenenfalls infolge der ihnen auferlegten Verpflichtung tragen, bestimmte Mengen an Strom zu festgelegten Preisen abzunehmen, die die üblichen Marktpreise übersteigen können. In den Akten findet sich kein Hinweis darauf, dass die Netzbetreiber aus den DAI-Geldern einen Nettogewinn erzielen könnten. Laut den Ausführungen der litauischen Regierung und von Baltpool in der mündlichen Verhandlung scheint es zudem eher nicht der Fall zu sein, dass die Netzbetreiber die zusätzlichen Kosten (ganz oder teilweise) an ihre Kunden weitergeben können, was die Gefahr mit sich gebracht hätte, dass die Betreiber zu viel Ausgleich erhalten(24).

41.      Vielmehr eröffnen die DAI-Gelder durch den Ausgleich der zusätzlichen Kosten, die den Netzbetreibern durch die genannte Abnahmeverpflichtung entstehen, einigen Energieerzeugern die Möglichkeit, bestimmte Mengen an Strom zu einem Preis über dem üblichen Marktpreis zu verkaufen oder jedenfalls größere Mengen zu verkaufen. Die betreffenden Energieerzeuger können daher höhere Gewinne erzielen als unter üblichen Marktbedingungen. Obwohl die DAI-Gelder tatsächlich an andere Netzbetreiber gezahlt werden mögen, sind also die Stromerzeuger mittelbar die Begünstigten dieser Gelder(25).

42.      Aus diesen Gründen schlage ich vor, dass der Gerichtshof die zweite Vorlagefrage dahin gehend beantworten sollte, dass bei Sachverhalten wie im Ausgangsverfahren – wenn eine staatliche Maßnahme Stromnetzbetreiber verpflichtet, Strom von Stromerzeugern zu einem Festpreis zu erwerben und den von ihnen erzeugten Strom auszugleichen, und vorsieht, dass die den Netzbetreibern entstehenden zusätzlichen Kosten durch Zahlungen der Endverbraucher ausgeglichen werden – die Stromerzeuger als Begünstigte der Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen sind.

E.      Zur dritten und zur fünften Frage

43.      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die mit DAI-Geldern gewährte Unterstützungsleistung für bestimmte Tätigkeiten in Litauen im Elektrizitätssektor als selektiv und/oder geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Mit seiner fünften Frage, deren Prüfung im Anschluss an die dritte Frage ich für zweckdienlich halte, da die beiden gemeinsam beantwortet werden können, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV dahin auszulegen ist, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die DAI-Regelung den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.

44.      Der Gerichtshof ist gebeten worden, folgende Maßnahmen unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen: i) Unterstützungsleistungen, die einem Unternehmen gewährt werden, das ein Projekt von strategischer Bedeutung, wie etwa das NordBalt-Projekt, durchführt, ii) Unterstützungsleistungen, die Unternehmen gewährt werden, die für einen bestimmten Zeitraum mit der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit beauftragt sind, iii) Unterstützungsleistungen als Ausgleich für tatsächlich entstandene Verluste von Unternehmen, wie etwa Entwicklern von Solar-Photovoltaikanlagen, und iv) Unterstützungsleistungen, die Netzbetreibern mit dem Ziel gewährt werden, tatsächliche Verluste auszugleichen, die aus der Erfüllung ihrer Verpflichtung entstanden sind, Strom von DAI erbringenden Stromerzeugern zu einem Festpreis abzunehmen und den Strom auszugleichen (im Folgenden: gegenständliche Maßnahmen).

45.      Wie oben in den Nrn. 16 und 17 ausgeführt, sind die endgültigen Feststellungen zu diesen Maßnahmen Sache des vorlegenden Gerichts. Um dem vorlegenden Gericht alle notwendigen Hinweise für die Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften an die Hand zu geben, werde ich aber wie folgt fortfahren. Als Erstes werde ich die wichtigste Rechtsprechung darlegen, und darauf aufbauend werde ich versuchen, dem vorlegenden Gericht genauere Hinweise zu den Bedingungen zu geben, unter denen die gegenständlichen Maßnahmen gegebenenfalls die Tatbestandsmerkmale der Selektivität, der Beeinträchtigung des Handels und der Verfälschung des Wettbewerbs erfüllen.

46.      Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass für die Beurteilung, ob das Kriterium der Selektivität erfüllt ist, geprüft werden muss, ob eine staatliche Maßnahme nach Maßgabe einer bestimmten rechtlichen Regelung (sogenannter „Bezugsrahmen“) geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen Unternehmen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Situation befinden, zu begünstigen(26). Umgekehrt sind unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer in einem Mitgliedstaat anwendbare allgemeine Maßnahmen, deren Vorteile jedermann offenstehen, der die Voraussetzungen dafür erfüllt, nicht selektiv und fallen daher nicht in den Geltungsbereich von Art. 107 Abs. 1 AEUV(27).

47.      Im Hinblick auf das Merkmal der Beeinträchtigung des Handels ist zu berücksichtigen, dass es für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe nicht des Nachweises einer tatsächlichen Auswirkung der fraglichen Beihilfe auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten bedarf, sondern nur der Prüfung, ob die Beihilfe geeignet ist, diesen Handel zu beeinträchtigen. Eine Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darf jedoch nicht bloß hypothetischer Natur sein oder vermutet werden. Es muss daher geprüft werden, ob und, wenn ja, wie die betreffende Maßnahme aufgrund ihrer voraussichtlichen Auswirkungen geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Der innergemeinschaftliche Handel wird insbesondere dann durch eine von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe beeinträchtigt, wenn sie die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen, konkurrierenden Unternehmen in diesem Handel stärkt. Die begünstigten Unternehmen brauchen dabei nicht selbst am innergemeinschaftlichen Handel teilzunehmen. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat einem Unternehmen eine Beihilfe gewährt, kann die inländische Tätigkeit dadurch beibehalten oder verstärkt werden, so dass sich die Chancen der in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Unternehmen, in den Markt dieses Mitgliedstaats einzudringen, verringern(28).

48.      Schließlich ist in Bezug auf die Voraussetzung der Verfälschung des Wettbewerbs zu betonen, dass nach ständiger Rechtsprechung Beihilfen, die ein Unternehmen von den Kosten befreien sollen, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Geschäftsführung oder seiner üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätte, die Wettbewerbsbedingungen verfälschen(29).

49.      Vor diesem Hintergrund werde ich die mit der dritten Vorlagefrage aufgeworfenen Probleme behandeln.

1.      Zur Selektivität

50.      Zunächst scheinen Unterstützungsleistungen, die Unternehmen gewährt werden, die für einen bestimmten Zeitraum mit der Gewährleistung der Stromversorgungssicherheit beauftragt sind, Unterstützungsleistungen als Ausgleich für tatsächlich entstandene Verluste von Unternehmen wie Entwicklern von Solar-Photovoltaikanlagen sowie Unterstützungsleistungen, die Netzbetreibern mit dem Ziel gewährt werden, tatsächliche Verluste auszugleichen, die aus der Erfüllung ihrer Verpflichtung entstanden sind, Strom von DAI erbringenden Stromerzeugern zu einem Festpreis abzunehmen und den Strom auszugleichen, auf den ersten Blick Maßnahmen zu sein, die nur für solche Unternehmen vorteilhaft sind, die in einem bestimmten Sektor tätig sind oder eine bestimmte Art von Dienstleistungen erbringen.

51.      Mir scheint, dass diese Maßnahmen die begünstigten Unternehmen von bestimmten Kosten befreien sollen, die sie andernfalls selbst tragen müssten. Das vorlegende Gericht legt in seinem Vorabentscheidungsersuchen selbst dar, dass „nicht bestritten wird“, dass einige Maßnahmen der DAI-Regelung den begünstigten Unternehmen bestimmte Gewinne ohne Risiko garantieren.

52.      Es trifft zu, dass der Gerichtshof in der Rechtssache Asteris feststellt hat, dass Schadensersatzzahlungen an Unternehmen, zu denen nationale Behörden zum Ersatz von Schäden, die sie den betreffenden Unternehmen verursacht haben, verurteilt werden, keine Beihilfe im Sinne des heutigen Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen(30). In jener Rechtssache bezog sich der Gerichtshof jedoch auf gezahlte oder zu zahlende Beträge im Zusammenhang mit der außervertraglichen Haftung eines Mitgliedstaats. Der Grund ist klar: Ein Geldbetrag, der eine Person lediglich für einen Schaden entschädigen soll, der infolge einer im Bereich des Zivilrechts oder des Verwaltungsrechts begangenen Rechtsverletzung einer Behörde erlitten wurde, führt streng genommen nicht zu einem wirtschaftlichen Vorteil dieser Person im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV.

53.      Diese Rechtsprechung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht relevant. Bei den Verlusten, für die die gegenständlichen staatlichen Maßnahmen entschädigen, wird, soweit ich das sehe, nicht behauptet, dass sie die Folge einer rechtswidrigen Handlung einer Behörde seien. Diese Verluste sind lediglich Kosten, die den betreffenden Unternehmen im Zusammenhang mit ihren geschäftlichen Tätigkeiten entstehen.

54.      In diesem Zusammenhang möchte ich hinzufügen, dass es nicht entscheidend ist, ob die behördliche Zusage einer staatlichen Unterstützung den Anlass zu Entscheidungen der Begünstigten über Investitionen oder Anschaffungen gegeben oder dazu ermutigt hat. Der Umstand, dass einige Marktteilnehmer ohne die fraglichen Maßnahmen andere unternehmerische Entscheidungen getroffen hätten, berührt den Beihilfecharakter der Maßnahmen nicht. Die meisten Beihilfeprogramme haben genau diesen Zweck: bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten zu fördern, die nach Ansicht der Behörden im öffentlichen Interesse liegen. Doch sind die Gründe und Zwecke staatlicher Maßnahmen für die Auslegung von Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht von Bedeutung: Nach dieser Vorschrift ergibt sich der Beihilfecharakter einer Maßnahme nur aus ihrer Auswirkung auf den Binnenmarkt(31).

55.      Die Beurteilung der Selektivität von Unterstützungsleistungen schließlich, die einem Unternehmen gewährt werden, das ein Projekt von strategischer Bedeutung, wie etwa das NordBalt-Projekt, durchführt, bedarf einer komplexeren Prüfung.

56.      Zunächst muss berücksichtigt werden, dass die finanzielle Unterstützung des Infrastrukturausbaus für den allgemeinen Gebrauch (und nicht nur für einen bestimmten Zweck), womit also nicht nur bestimmte Nutzer begünstigt werden, allgemein nicht als selektiv im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV angesehen wird(32). Dies ist nach meiner Ansicht bei der infrastrukturellen Verbindung zwischen dem litauischen und dem schwedischen Stromnetz sehr wahrscheinlich der Fall.

57.      Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine finanzielle Unterstützung des Unternehmens, das den Bau der Infrastruktur durchführt, keine Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellt. Es ist klar, dass in dem Fall, dass die litauischen Behörden nur eine Dienstleistung (Bau einer bestimmten Infrastruktureinheit) von einem bestimmten Unternehmen – einem der vielen auf dem Markt tätigen, die die betreffende Dienstleistung erbringen können – einkaufen, das Vorliegen einer Beihilfe im Wesentlichen davon abhängig wäre, welche Preise und Bedingungen für den Bau vereinbart werden, wobei das Verfahren zur Auswahl des Anbieters berücksichtigt werden muss. Bei dieser Beurteilung würde der allgemein anerkannte Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Marktteilnehmers helfen(33).

58.      Aus den Akten entnehme ich, dass dem NordBalt-Projekt strategische Bedeutung zugemessen wird und dass die notwendigen Bauarbeiten per Gesetz einem bestimmten Unternehmen (LITGRID AB) übertragen wurden. Ein Projekt dieser Art fällt – wegen seiner Größenordnung, Kosten und Bedeutung – üblicherweise in den Verantwortungsbereich des Staates. Es ist nicht unüblich, dass Behörden die Entwicklung von wichtiger Infrastruktur an Unternehmen übertragen, die zwar privatrechtlich errichtet wurden, an denen sie aber Anteile halten(34). Nach meinem Dafürhalten ist die Kernfrage eher die Auftragserteilung durch den Staat. Allerdings verfügt der Gerichtshof – wie auch bei anderen Aspekten der im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen – nicht über die erforderlichen Angaben, um endgültige Einstufungen nach Art. 107 Abs. 1 AEUV vorzunehmen.

2.      Zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

59.      In der Rechtssache Fondul Proprietatea(35) hatte der Gerichtshof den möglichen Beihilfecharakter einer Maßnahme zur Unterstützung eines im Elektrizitätssektor tätigen Unternehmens zu prüfen. In diesem Zusammenhang betonte der Gerichtshof, dass der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor wie der der Energie auf Unionsebene liberalisiert worden ist, dazu führen kann, dass sich eine staatliche Maßnahme, die eine Beihilfe darstellen soll, auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV auswirkt. Der Gerichtshof stellte fest, dass durch eine solche Liberalisierung die Elektrizität Gegenstand des grenzüberschreitenden Handels ist. Dementsprechend entschied der Gerichtshof, dass – vorbehaltlich der Prüfung durch das nationale Gericht – eine Maßnahme der rumänischen Behörden zur Unterstützung eines im Elektrizitätssektor tätigen Unternehmens das Merkmal „Beeinträchtigung des Handels“ erfüllt.

60.      Im vorliegenden Fall sehe ich keinen objektiven Grund, von der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Fondul Proprietatea abzuweichen.

61.      Dass die begünstigten Unternehmen möglicherweise nur innerhalb der nationalen Grenzen tätig sind, ist nicht relevant. Die Stärkung der lokalen Betreiber durch die gegenständlichen Maßnahmen kann nämlich dazu führen, dass der Zugang ausländischer Unternehmen zum litauischen Energiemarkt behindert wird. Dies kann jedoch – wie oben in Nr. 58 ausgeführt – bei Beihilfen für ein Unternehmen, das mit der Umsetzung eines strategisch wichtigen Projekts wie NordBalt betraut ist, anders sein.

3.      Verfälschung des Wettbewerbs

62.      Hinsichtlich des letzten Merkmals, der Verfälschung des Wettbewerbs, sollte es ausreichen, nochmals auf das kürzlich ergangene Urteil Fondul Proprietatea(36) Bezug zu nehmen.

63.      Im Einklang mit einer gefestigten Rechtsprechung hat der Gerichtshof in jener Rechtssache festgestellt, dass die dort gegenständliche Beihilfemaßnahme grundsätzlich geeignet ist, den Wettbewerb auf dem Elektrizitätsmarkt zu verfälschen. Er betonte, dass der Umstand, dass ein Wirtschaftssektor wie der der Energie auf Unionsebene liberalisiert worden ist, dazu führen kann, dass die Beihilfen den Wettbewerb tatsächlich oder potenziell beeinflussen und sich auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten auswirken.

64.      Nach meiner Auffassung gelten diese Überlegungen auch im Kontext des vorliegenden Verfahrens. Das Argument der litauischen Regierung, dass der litauische Elektrizitätsmarkt im Jahr 2014 noch relativ isoliert gewesen sei, überzeugt mich in der Tat nicht. In seinem Vorabentscheidungsersuchen betont das vorlegende Gericht selbst, dass das litauische Stromnetz in dem betreffenden Zeitraum mit dem Netz anderer Mitgliedstaaten (wie Estland) verbunden gewesen sei und dass es einen regen Wettbewerb gegeben habe. Jedenfalls können staatliche Beihilfen, die etablierte Unternehmen fördern, eine dauerhafte Verfälschung auf einem sich für ausländische Wettbewerber immer weiter öffnenden Markt bewirken.

65.      In der Stromerzeugung oder in der Entwicklung von Solar-Photovoltaikanlagen tätige Unternehmen in Litauen stehen eindeutig im Wettbewerb mit ähnlichen Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten. Der Fall kann jedoch – aus den oben in den Nrn. 58 und 61 angeführten Gründen – anders gelagert sein, wenn Unternehmen betroffen sind, die mit strategisch wichtigen Projekten wie NordBalt betraut sind.

66.      Im Ergebnis schlage ich vor, die dritte und die fünfte Vorlagefrage wie folgt zu beantworten.

67.      Erstens sind Maßnahmen, die nur in einem bestimmten Sektor tätige oder eine bestimmte Art von Dienstleistungen erbringende Unternehmen begünstigen, indem sie diese Unternehmen von bestimmten Kosten befreien, die sie andernfalls zu tragen gehabt hätten, als für die Zwecke von Art. 107 Abs. 1 AEUV selektiv anzusehen. Zweitens sind Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen, die in einem auf Unionsebene liberalisierten Wirtschaftssektor wie dem der Energie tätig sind, grundsätzlich geeignet, im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen. Drittens ist es Sache des vorlegenden Gerichts, letztendlich zu entscheiden, ob diese Merkmale im Fall der gegenständlichen Maßnahmen erfüllt sind.

F.      Zur vierten Frage

68.      Schließlich möchte das vorlegende Gericht mit seiner vierten Frage wissen, ob Art. 107 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 AEUV dahin auszulegen ist, dass unter Umständen, wie sie in der vorliegenden Rechtssache gegeben sind, davon auszugehen ist, dass die in Rede stehende DAI-Regelung die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils Altmark aufgestellten Kriterien erfüllt.

69.      In jenem Urteil hat der Gerichtshof klargestellt, dass Unternehmen, wenn sie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erfüllen, mit der als Ausgleich dafür erhaltenen Gegenleistung in Wirklichkeit kein finanzieller Vorteil zugutekommt, so dass sie sich gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen nicht in einer günstigeren Wettbewerbsstellung befinden. Dafür hat der Gerichtshof vier kumulative Voraussetzungen (im Folgenden: Altmark-Kriterien) entwickelt, bei deren Vorliegen Ausgleichszahlungen für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse keine staatlichen Beihilfen im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen(37).

70.      Im Schrifttum ist jedoch häufig angemerkt worden, dass die Altmark-Kriterien aufgrund ihrer strengen Anforderungen schwer zu erfüllen sind(38). In diesem Zusammenhang sollte daher darauf hingewiesen werden, dass auch eine Maßnahme, die diese Kriterien nicht erfüllt, trotzdem nach Art. 106 Abs. 2 AEUV gerechtfertigt sein kann. Außerdem sind die Altmark-Kriterien, wie der Gerichtshof in der Rechtssache Viasat sehr deutlich gemacht hat, bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe für einen Erbringer einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse mit dem Binnenmarkt nicht zu berücksichtigen(39).

71.      Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft grundsätzlich alle vier Altmark-Kriterien. Die in dem Vorabentscheidungsersuchen entwickelten Argumente beziehen sich jedoch hauptsächlich auf das erste Kriterium. Hinsichtlich der anderen drei Kriterien führt das vorlegende Gericht nur recht knapp aus, weshalb die einzelnen gegenständlichen Maßnahmen nach seiner Auffassung diese erfüllten. Wie oben in den Nrn. 16 und 17 ausgeführt, ist es jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, darüber zu entscheiden, nicht nur wegen der in den Verträgen festgelegten Arbeitsteilung zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten, sondern auch deshalb, weil die Angaben in den Akten nicht ausreichen, um es dem Gerichtshof zu ermöglichen, der Wertung des nationalen Gerichts entweder zuzustimmen oder sie zu verwerfen.

72.      Vor diesem Hintergrund und mit der Absicht, dem vorlegenden Gericht so weit wie möglich zu helfen, möchte ich die folgenden Anmerkungen machen.

1.      Erstes Altmark-Kriterium

73.      Nach dem ersten Altmark-Kriterium ist festzustellen, ob das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut wurde und ob diese Verpflichtungen klar definiert sind. Dieses Kriterium hat somit verschiedene – wenn auch untrennbar miteinander verbundene – Aspekte, die im Wesentlichen den folgenden Fragen entsprechen: i) Haben die Behörden die betreffenden Dienstleistungen rechtmäßig als „Dienste“ bzw. „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ im Sinne von Art. 14 und Art. 106 Abs. 2 AEUV eingestuft, ii) ist ein bestimmtes Unternehmen (oder mehrere) im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut worden und iii) sind die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen klar definiert?

74.      Hier muss zunächst betont werden, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung bei der Einstufung von Dienstleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse einen weiten Ermessensspielraum haben, weshalb die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Einstufung nur im Fall eines offensichtlichen Fehlers angegriffen werden kann(40). Dies wird auch durch Art. 1 des Protokolls Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse bestätigt, wonach zu den gemeinsamen Werten der Union in Bezug auf Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse insbesondere „die wichtige Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage, wie Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf eine den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind“, gehören(41).

75.      Ein weiter Ermessensspielraum bedeutet jedoch keinen unbegrenzten Ermessensspielraum. Um zu verhindern, dass die gemeinsamen Vorschriften leicht umgangen oder ihrer Wirksamkeit beraubt werden, setzen die Verträge dem Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bestimmte Grenzen. Im Hinblick auf das unionsrechtliche Wettbewerbsrecht sieht Art. 106 Abs. 2 AEUV vor, dass für mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraute Unternehmen die Vorschriften der Verträge gelten, „soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert“, wobei „[d]ie Entwicklung des Handelsverkehrs … nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt werden [darf], das dem Interesse der Union zuwiderläuft“.

76.      Vor dem Hintergrund dieser Vorschriften und unter Berücksichtigung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie der loyalen Zusammenarbeit oder der Verhältnismäßigkeit bin ich der Auffassung, dass der Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten bei der Einstufung von Dienstleistungen als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse „nicht willkürlich mit dem alleinigen Ziel ausgeübt werden [darf], einen bestimmten [Wirtschafts‑]Sektor … der Anwendung der Wettbewerbsregeln zu entziehen“(42). Ungeachtet des von den nationalen Behörden verfolgten Zwecks steht für mich fest, dass nicht einfach jede Art von Dienstleistung als eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft werden darf: Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse müssen im Vergleich zu anderen auf dem Markt gewöhnlich erbrachten Dienstleistungen „besondere Merkmale“ aufweisen(43).

77.      Diese Merkmale betreffen als Erstes die Natur der erbrachten Dienstleistungen. Die Behörden müssen insbesondere berechtigte Gründe für die Auffassung haben, dass die Dienstleistung ohne die staatliche Beihilfe voraussichtlich nicht oder nicht so erbracht würde, wie es als am angemessensten angesehen wird(44). Ziel der staatlichen Maßnahme muss also sein, einen echten gesellschaftlichen Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung zu decken, der durch unter normalen Marktbedingungen tätige Unternehmen nicht angemessen befriedigt wird (und in absehbarer Zeit auch nicht angemessen befriedigt werden wird)(45). In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, dass die Richtlinie 2009/72/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt(46) insbesondere in Art. 3 Abs. 2 vorsieht, dass Mitgliedstaaten Elektrizitätsunternehmen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen können, die sich auf verschiedene dort aufgeführte Tätigkeiten beziehen können.

78.      Als Zweites betreffen die besonderen Merkmale der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse die Art und Weise der Erbringung der Dienstleistung. Die Dienstleistung muss insbesondere bis zu einem gewissen Grad universal und zwingend erbracht werden(47). Mit universal meine ich, dass die Dienstleistung zumindest potenziell an alle Personen erbracht wird, die dies verlangen. Mit zwingend beziehe ich mich auf den Umstand, dass die Erbringung verpflichtend sein muss; eine einfache Genehmigung zur Erbringung der Dienstleistung genügt dafür nicht. Darüber hinaus kann für die Feststellung, ob eine Dienstleistung tatsächlich von allgemeinem Interesse ist, relevant sein, ob sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu einheitlichen und transparenten Bedingungen und zu erschwinglichen Preisen erbracht wird(48).

79.      Daraus folgt für diesen Punkt, dass zwei Hauptvoraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine Dienstleistung rechtmäßig als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft werden kann: Zum einen müssen objektive Gründe vorliegen, weshalb die Behörden die betreffende staatliche Maßnahme als für die Sicherstellung der Dienstleistungserbringung erforderlich erachten, und zum anderen muss die Dienstleistung universal und zwingend erbracht werden. Das Vorliegen dieser beiden Voraussetzungen kann selbstverständlich von den nationalen(49) oder den Unionsgerichten(50) – je nach den Umständen des Einzelfalls – überprüft werden, wegen des weiten Ermessensspielraums der nationalen Behörden jedoch nur hinsichtlich offensichtlicher Beurteilungsfehler(51).

80.      Sodann muss berücksichtigt werden, dass der bloße Umstand, dass eine Dienstleistung im nationalen Recht als von allgemeinem Interesse eingestuft wird, nicht bedeutet, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer, der sie erbringt, mit der Erfüllung klar definierter gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen im Sinne der Altmark-Rechtsprechung betraut ist(52). Die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen müssen einem bestimmten oder mehreren bestimmten Unternehmen durch einen Akt (oder mehrere Akte) der Behörde übertragen werden. Dieser Akt kann verschiedene Formen annehmen: Typischerweise handelt es sich um einen hoheitlichen Akt (zum Beispiel ein Gesetz, eine Verordnung oder einen Verwaltungsakt)(53), obwohl eine klare Betrauung mit einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unter bestimmten Umständen auch durch einen Vertrag erfolgen kann(54). Unabhängig von der Art des Aktes muss die Betrauung aber klar und eindeutig sein: Der Akt muss hinreichend genau die Art, die Dauer und die Tragweite der jeweiligen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung definieren(55).

81.      Auch diese Aspekte können im Streitfall selbstverständlich gerichtlich überprüft werden – entweder durch die zuständigen nationalen Gerichte oder die Unionsgerichte. Soweit diese Aspekte technische oder faktische Punkte betreffen, ist die richterliche Kontrolle allerdings nicht auf eine oberflächliche Überprüfung beschränkt(56).

82.      Zur Anwendung der genannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall möchte ich die folgenden zwei Anmerkungen machen.

83.      Erstens kann es bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten geben, die der Staat für förderungswürdig hält (z. B. die Erzeugung von grüner Energie oder die Entwicklung von grünen Technologien) und für die er direkte finanzielle Unterstützung oder andere Fördermaßnahmen gewährt, die aber keine Dienstleistungen im Sinne der Altmark-Rechtsprechung darstellen. Das typische Altmark-Szenarium sieht so aus, dass ein oder mehrere Unternehmen (die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse) rechtlich verpflichtet sind, im Zusammenhang mit der Erbringung von Dienstleistungen bestimmte gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (zumindest potenziell) gegenüber einer Vielzahl von Empfängern zu erfüllen. Üblicherweise zahlen die Empfänger für die erhaltenen Dienstleistungen eine Vergütung, die aufgrund der vom Staat an die betreffenden Dienstleistungserbringer gewährten Beihilfe jedoch unter dem üblichen (oder hypothetischen) Marktpreis liegen kann. Die Altmark-Grundsätze passen nicht ohne Weiteres auf ein Szenarium, in dem es streng genommen keine wirtschaftlichen Transaktionen gibt, die Dienstleistungen beinhalten. Zum Beispiel bezweifele ich, dass sämtliche Aktivitäten, die in der DAI-Regelung als DAI eingestuft werden (z. B. der bloße Bau von öffentlicher Infrastruktur oder die Entwicklung von Solar-Photovoltaikanlagenprojekten), als eine Dienstleistungserbringung im Sinne der Altmark-Rechtsprechung angesehen werden können.

84.      Zweitens kann es wirtschaftliche Aktivitäten geben, die – auch wenn sie tatsächlich eine Dienstleistungserbringung umfassen – die Unternehmen freiwillig, also ohne eine bestimmte Betrauung durch den Staat, ausführen. Wie Generalanwalt Szpunar in der Rechtssache Renerga, die die Vereinbarkeit von bestimmten Aspekten der im vorliegenden Fall einschlägigen nationalen Gesetzgebung mit Unionsrecht betraf, dargelegt hat, ist der bloße Umstand, dass eine Aktivität ausdrücklich und gesetzlich als eine „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ eingestuft ist, für die Zwecke der Altmark-Rechtsprechung nicht ausreichend(57). Es zudem muss einen hoheitlichen Akt geben, mit dem ein oder mehrere bestimmte Unternehmen damit betraut werden, die jeweiligen Dienstleistungen mit einer gewissen Universalität und einem gewissen zwingenden Charakter(58) zu erbringen. Hier ist in der Ausgangsrechtssache nicht klar, ob nach der DAI-Regelung allen Unternehmen, die als DAI-Erbringer eingestuft wurden, tatsächlich gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne des Unionsrechts auferlegt wurden(59).

85.      Trifft dies zu, kann die Frage, ob die Handlungen des Staates und der betreffenden Unternehmen eine Form von Beihilfe, für die Art. 107 Abs. 1 AEUV einschlägig ist, verschleiern, nur ohne Anwendung der Altmark-Vorgaben beantwortet werden. Diese finden – um es nochmal zu betonen – nur auf Unternehmen Anwendung, die gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen erfüllen. Daher sind staatliche Maßnahmen, die von der Altmark-Rechtsprechung nicht erfasst werden, nach Maßgabe eines marktwirtschaftlich handelnden Wirtschaftsteilnehmers (wie oben in Nr. 57 erwähnt) zu prüfen.

2.      Zweites und drittes Altmark-Kriterium

86.      Das zweite Altmark-Kriterium betrifft die Parameter, anhand deren die Ausgleichszahlung berechnet wird: Sie müssen zuvor objektiv und transparent aufgestellt worden sein, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil darstellt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt.

87.      Nach dem dritten Altmark-Kriterium wiederum darf der Ausgleich nicht mehr als die gesamten Kosten decken, die bei der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstehen, wobei die einschlägigen Einnahmen sowie ein angemessener Gewinn für die Erfüllung dieser Verpflichtungen zugrunde zu legen sind.

88.      Diese beiden sich ergänzenden Kriterien haben dasselbe Ziel: die Verhinderung einer Überbezahlung der Unternehmen, denen die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt wurden.

89.      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts sind bei den hier gegenständlichen Maßnahmen beide Kriterien erfüllt. Die einschlägige nationale Gesetzgebung umfasse konkrete Regelungen zu den Bedingungen für die Ausgleichszahlung, zu ihrer Höhe bzw. zu den Verfahren zur Berechnung ihrer Höhe sowie einen Mechanismus zur Kontrolle der Verwendung der erhaltenen Gelder. Hinsichtlich der Höhe der geschuldeten Ausgleichszahlung beinhalteten die Gesetze Regelungen, die sicherstellen sollten, dass nur die notwendigen Investitionen, die Kosten für die Erbringung der Dienstleistungen und ein „moderater Gewinn“ eingerechnet würden.

90.      Allerding ist es – wie oben in Nr. 71 ausgeführt – nicht Sache des Gerichtshofs, diese Wertung zu bestätigen oder zu verwerfen. Vielmehr muss das vorlegende Gericht prüfen, ob eine hinreichend klare und umfassende gesetzliche Regelung vorliegt, die sicherstellt, dass keine Überbezahlung an die Dienstleistungserbringer erfolgt und dass jeder mögliche Fehler in dieser Hinsicht rasch und wirkungsvoll behoben wird.

3.      Viertes Altmark-Kriterium

91.      Gemäß dem vierten Altmark-Kriterium muss die Höhe der Ausgleichszahlungen, wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, auf der Grundlage einer Analyse der Kosten bestimmt werden, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.

92.      Von den vier Altmark-Kriterien ist dies wohl dasjenige, das am schwierigsten zu prüfen ist.

93.      Laut dem vorlegenden Gericht scheint auch dieses Kriterium bei den gegenständlichen Maßnahmen erfüllt zu sein. Zunächst stellt das vorlegende Gericht fest, dass die Erbringer von DAI im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen in einem Ausschreibungsverfahren aufgrund des niedrigsten, jedoch nicht über dem von der staatlichen Kommission festgelegten Preis liegenden Angebotspreises ausgewählt würden; die staatliche Kommission lege auch den festen Tarif für alle anderen Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energiequellen fest. Was die Unterstützungsleistungen für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen angeht, stellt das nationale Gericht fest, dass diese für alle Energieerzeugungsanlagen gewährt würden, die die erzeugte thermische Energie an Fernwärmenetze lieferten, soweit die Energieerzeugungsanlagen die einschlägigen Anforderungen, u. a. an die Effizienz, erfüllten und ein Antrag gestellt werde; nach Ansicht des Gerichts können Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die nicht in dieser Weise im Kopplungsbetrieb arbeiten, oder Energieerzeugungsanlagen, die ein effizientes Kopplungsverfahren nicht gewährleisten können, nicht in gleicher Weise beurteilt werden. Das Gericht betont ferner, dass die Maßnahme im Rahmen der in Rede stehenden DAI-Regelung auf solche Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen Anwendung finde, deren Hauptaufgabe insbesondere die Belieferung der Bevölkerung mit Wärme sei, und dass die Unterstützungsleistungen nur für Strom gewährt würden, der in der Heizperiode erzeugt werde.

94.      Sodann werde die Durchführung des NordBalt-Projekts auf der Basis der echten und tatsächlichen Kosten finanziert, die im Wesentlichen auf Zahlungen für in einem öffentlichen Ausschreibungsverfahren bezogene Waren und Dienstleistungen entfielen. Auch die Ausgleichsleistungen an Entwickler von Solarenergieanlagen und die oben genannten Netzbetreiber würden für Kosten gewährt, die nicht über den tatsächlich angefallenen Kosten lägen und durchschnittlichen Marktpreisen entsprächen.

95.      Wie bei dem zweiten und dem dritten Altmark-Kriterium findet sich in den Akten zwar nach meinem Dafürhalten nichts, was an der vorläufigen Bewertung durch das vorlegende Gericht Zweifel weckt. Dem Gerichtshof liegen aber nicht genügend Informationen vor, um die Bewertung bestätigen zu können.

96.      Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, sicherzustellen, dass die DAI-Erbringer gemäß einem der zwei Alternativszenarien ausgewählt werden, die mit dem vierten Altmark-Kriterium in Einklang stehen. DAI-Erbringer können entweder durch ein öffentliches Ausschreibungsverfahren – d. h. mit hinreichend freiem und echtem Wettbewerb(60) – ausgewählt werden, mit dem derjenige Bieter ausgewählt werden kann, der die jeweiligen Dienstleistungen so erbringen kann, dass der Allgemeinheit möglichst geringe Kosten entstehen. Oder die DAI-Erbringer können ohne ein echtes Ausschreibungsverfahren auf der Grundlage einer detaillierten und transparenten Analyse der Kosten bestimmt werden, die einem in dem betreffenden Sektor tätigen wirtschaftlichen und kosteneffizienten Unternehmen bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen entstünden.

97.      Im Ergebnis sollte die vierte Vorlagefrage nach meiner Auffassung dahin beantwortet werden, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils Altmark des Gerichtshofs aufgestellten Kriterien erfüllen. Dafür sollte das vorlegende Gericht insbesondere prüfen:

–        das Vorliegen eines hoheitlichen Aktes, der die DAI-Erbringer mit der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen mit einer gewissen Universalität und einem gewissen zwingenden Charakter betraut und der hinreichend klar zumindest die Natur, die Dauer und die Tragweite der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bestimmt,

–        das Vorliegen einer hinreichend klaren und umfassenden gesetzlichen Regelung, die sicherstellt, dass keine Überbezahlung der Dienstleistungserbringer erfolgt und dass jeder mögliche Fehler in dieser Hinsicht rasch und wirkungsvoll behoben wird,

–        dass die DAI-Erbringer entweder auf der Grundlage eines hinreichend freien und echten Wettbewerbs ausgewählt werden oder nach einer detaillierten und transparenten Analyse der Kosten, die einem in dem betreffenden Sektor tätigen wirtschaftlichen und kosteneffizienten Unternehmen bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen entstünden.

IV.    Ergebnis

98.      Im Ergebnis schlage ich dem Gerichtshof vor, die Fragen, die ihm vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden, dahin gehend zu beantworten, dass Art. 107 Abs. 1 AEUV richtigerweise wie folgt auszulegen ist:

–        Mittel wie diejenigen, die zur Finanzierung der litauischen Regelung für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse im Elektrizitätssektor verwendet werden, sind als staatliche Mittel anzusehen;

–        wenn eine staatliche Maßnahme Stromnetzbetreiber verpflichtet, Strom von Stromerzeugern zu einem Festpreis zu erwerben und den von ihnen erzeugten Strom auszugleichen, und vorsieht, dass die den Netzbetreibern entstehenden zusätzlichen Kosten durch Zahlungen der Endverbraucher ausgeglichen werden, sind die Stromerzeuger als Begünstigte der Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen;

–        Maßnahmen, die nur in einem bestimmten Sektor tätige oder eine bestimmte Art von Dienstleistungen erbringende Unternehmen begünstigen, indem sie diese Unternehmen von bestimmten Kosten befreien, die sie andernfalls zu tragen gehabt hätten, sind grundsätzlich als selektiv anzusehen; Unterstützungsmaßnahmen für im Energiesektor tätige Unternehmen sind grundsätzlich geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb im Binnenmarkt zu verfälschen; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen diese Merkmale erfüllen;

–        es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die im Ausgangsverfahren gegenständlichen Maßnahmen die in den Rn. 88 bis 93 des Urteils des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, EU:C:2003:415), entwickelten Kriterien erfüllen. Dafür sollte das vorlegende Gericht insbesondere prüfen:

–        das Vorliegen eines hoheitlichen Aktes, der die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit der Erbringung der entsprechenden Dienstleistungen mit einer gewissen Universalität und einem gewissen zwingenden Charakter betraut und der hinreichend klar zumindest die Natur, die Dauer und die Tragweite der zu erfüllenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen bestimmt,

–        das Vorliegen einer hinreichend klaren und umfassenden gesetzlichen Regelung, die es ermöglicht, eine Überbezahlung der Dienstleistungserbringer zu verhindern und jeden möglichen Fehler in dieser Hinsicht rasch und wirkungsvoll zu beheben,

–        dass die Erbringer von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse entweder auf der Grundlage eines hinreichend freien und echten Wettbewerbs ausgewählt werden oder nach einer detaillierten und transparenten Analyse der Kosten, die einem in dem betreffenden Sektor tätigen wirtschaftlichen und kosteneffizienten Unternehmen bei der Erfüllung seiner gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstünden.


1      Originalsprache: Englisch.


2      C‑280/00, EU:C:2003:415.


3      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:469, Nr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).


4      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 2006, Transalpine Ölleitung in Österreich (C‑368/04, EU:C:2006:644, Rn. 39), und vom 11. November 2015, Klausner Holz Niedersachsen (C‑505/14, EU:C:2015:742, Rn. 22).


5      Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2016, Kommission/Hansestadt Lübeck (C‑524/14 P, EU:C:2016:971, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


6      Vgl. Urteil vom 27. Juni 2017, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betania (C‑74/16, EU:C:2017:496, Rn. 74 und die dort angeführte Rechtsprechung).


7      Vgl. Urteil vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).


8      Urteil vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160).


9      Urteil vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671).


10      Urteil vom 15. Juli 2004, Pearle u. a. (C‑345/02, EU:C:2004:448).


11      Urteil vom 30. Mai 2013, Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:348).


12      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:58, Rn. 66).


13      Vgl. Urteile vom 15. Juli 2004, Pearle u. a. (C‑345/02, EU:C:2004:448, Rn. 37), und vom 30. Mai 2013, Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:348, Rn. 31).


14      Vgl. dazu Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413, Rn. 69 und 70). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:33, Nr. 109).


15      Urteil vom 30. Mai 2013, Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:348, Rn. 32).


16      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:469, Nr. 44).


17      Urteil vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851).


18      Ebd. (Rn. 22, 23 und 28 bis 33).


19      Urteil vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413).


20      Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra (C‑379/98, EU:C:2001:160), bzw. vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671).


21      Urteile vom 17. Juli 2008, Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:413), bzw. vom 19. Dezember 2013, Association Vent De Colère! u. a. (C‑262/12, EU:C:2013:851).


22      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi in der Rechtssache Essent Netwerk Noord u. a. (C‑206/06, EU:C:2008:33, Nrn. 108 und 109).


23      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Doux Élevage und Coopérative agricole UKL-ARREE (C‑677/11, EU:C:2013:58, Nrn. 97 bis 105).


24      Vgl. dazu Urteil vom 13. September 2017, ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:671, Rn. 28 ff.).


25      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Saugmandsgaard Øe in der Rechtssache ENEA (C‑329/15, EU:C:2017:233, Nrn. 75, 83 und 84).


26      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. November 2001, Adria-Wien Pipeline und Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke (C‑143/99, EU:C:2001:598, Rn. 41). Vgl. auch Urteile vom 6. September 2006, Portugal/Kommission (C‑88/03, EU:C:2006:511, Rn. 54), und vom 15. November 2011, Kommission und Spanien/Government of Gibraltar und Vereinigtes Königreich (C‑106/09 P und C‑107/09 P, EU:C:2011:732, Rn. 75).


27      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Juli 2013, P (C‑6/12, EU:C:2013:525, Rn. 18), vom 9. Oktober 2014, Ministerio de Defensa und Navantia (C‑522/13, EU:C:2014:2262, Rn. 23), und vom 21. Dezember 2016, Kommission/World Duty Free Group u. a. (C‑20/15 P und C‑21/15 P, EU:C:2016:981, Rn. 56 und 59).


28      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea (C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 29 bis 32 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 14. Januar 2015, Eventech (C‑518/13, EU:C:2015:9, Rn. 66 bis 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).


29      Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, Kommission/Spanien u. a. (C‑128/16 P, EU:C:2018:591, Rn. 84 und die dort angeführte Rechtsprechung).


30      Urteil vom 27. September 1988, Asteris u. a. (106/87 bis 120/87, EU:C:1988:457, Rn. 24).


31      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juli 1974, Italien/Kommission (173/73, EU:C:1974:71, Rn. 13).


32      Vgl. z. B. Hancher, L., Ottervanger, T., Slot, P. J., EU State aids, 4. Aufl., Sweet & Maxwell, 2012, S. 91.


33      Vgl. z. B. Urteile vom 2. September 2010, Kommission/Scott (C‑290/07 P, EU:C:2010:480, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 5. Juni 2012, Kommission/EDF (C‑124/10 P, EU:C:2012:318, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Tizzano in den verbundenen Rechtssachen P & O European Ferries (Vizcaya) und Diputación Foral de Vizcaya/Kommission (C‑442/03 P und C‑471/03 P, EU:C:2006:91, Nrn. 86 bis 88).


34      Vgl. Quigley, C., European State Aid Law and Policy, 3. Aufl., 2015, Hart, S. 75.


35      Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea (C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 34 bis 38).


36      Urteil vom 18. Mai 2017, Fondul Proprietatea (C‑150/16, EU:C:2017:388, Rn. 33 bis 35).


37      Rn. 89 bis 93 des Urteils. Diese Kriterien sind: Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfüllung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein. Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt. Drittens darf der gewährte Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken. Viertens ist dieser Ausgleich auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfüllung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfüllung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.


38      Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Viasat Broadcasting UK/Kommission (C‑660/15 P, EU:C:2016:854, Nr. 29, mit weiteren Nachweisen).


39      Urteil vom 8. März 2017, Viasat Broadcasting UK/Kommission (C‑660/15 P, EU:C:2017:178, Rn. 35).


40      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 69 und 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).


41      Hervorhebung nur hier.


42      Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, C‑70/16 P und C‑81/16 P, EU:C:2017:654, Nr. 48).


43      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Dezember 1991, Merci convenzionali Porto di Genova (C‑179/90, EU:C:1991:464, Rn. 27), vom 17. Juli 1997, GT‑Link (C‑242/95, EU:C:1997:376, Rn. 53), und vom 18. Juni 1998, Corsica Ferries France (C‑266/96, EU:C:1998:306, Rn. 45).


44      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Farrell (C‑413/15, EU:C:2017:492, Nr. 90), sowie Urteil vom 16. September 2013, Colt Télécommunications France/Kommission (T‑79/10, EU:T:2013:463, Rn. 154).


45      Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2018, Kommission/Ungarn (C‑171/17, EU:C:2018:881, Rn. 56 und 57), und vom 1. März 2017, SNCM/Kommission, (T‑454/13, EU:T:2017:134, Rn. 133, 134, 172, und 173).


46      Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).


47      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Hiebler (C‑293/14, EU:C:2015:472, Nr. 61), sowie Urteil vom 12. Februar 2008, BUPA u. a./Kommission (T‑289/03, EU:T:2008:29, Rn. 172).


48      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Federutility u. a. (C‑265/08, EU:C:2009:640, Nrn. 54 und 55).


49      Falls notwendig unter Einbeziehung des Gerichtshofs gemäß Art. 267 AEUV.


50      Im Fall einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung der Kommission in einer solchen Sache.


51      Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).


52      Ebd. (Rn. 100, unter Bestätigung der Wertung des Gerichts).


53      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. Oktober 1997, Kommission/Frankreich (C‑159/94, EU:C:1997:501, Rn. 66).


54      Vgl. Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften der Europäischen Union auf Ausgleichsleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (ABl. 2012, C 8, S. 4), Rn. 52.


55      Urteil vom 20. Dezember 2017, Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, EU:C:2017:999, Rn. 73).


56      Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Comunidad Autónoma del País Vasco u. a./Kommission (C‑66/16 P bis C‑69/16 P, C‑70/16 P und C‑81/16 P, EU:C:2017:654, Nr. 112).


57      Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Szpunar in der Rechtssache Renerga (C‑238/17, EU:C:2018:571, Nrn. 28 bis 34).


58      Zur Bedeutung des zwingenden Charakters von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vgl. allgemein de Hautecloque, A., Salerno, F. M., Suciu, S., „Services of General Economic Interest“, in: Hancher, L., de Hautecloque, A., Salerno, F. M. (Hrsg.), State Aid and the Energy Sector, Hart, 2018, S. 275 bis 277.


59      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. November 2018, Renerga (C‑238/17, EU:C:2018:905, Rn. 19 bis 29).


60      Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. März 2017, SNCM/Kommission (T‑454/13, EU:T:2017:134, Rn. 241).